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DIE NEUEN SPIELREGELN D DIE NEUEN SPIELREGE DIE NEUEN SPIELREGELN DER OFFENHEIT Juni 2011 © 2011 The Boston Consulting Group

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DIE NEUEN SPIELREGELN DEDIE NEUEN SPIELREGELDIE NEUEN SPIELREGELN DER OFFENHEIT

Juni 2011© 2011 The Boston Consulting Group

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INHALTSVERZEICHNISINHALTSVERZEICHNISINHALTSVERZEICHNIS

KERNAUSSAGEN ...................................................................................................... 1

ZUSAMMENFASSUNG ............................................................................................. 5

TEIL 1: DEFINITION VON OFFENHEIT ................................................................ 17Strukturierung der Diskussion

„Offen“ versus „geschlossen“ – eine unendliche Debatte in der Branche und Politik ...................................... 19Konventionelle Sichtweisen auf dem Prüfstand: Ist „Offen“ gut und „Geschlossen“ schlecht? ................................................... 21Offenheit entlang der Wertschöpfungskette ................................................... 23

TEIL 2: DER WERT DER OFFENHEIT ................................................................... 31Welche Folgen kann Offenheit für Innovation und Wachstum haben?

Opfer der Offenheit: Branchen im Niedergang ............................................... 33Offene Standards – ein Wachstumsturbo für Technologie und Kommunikation .............................................................................................. 38Geschlossene Systeme als treibende Kraft für Wachstum und Innovation .... 40Wünschenswerte Grade der Offenheit – ein Balanceakt .............................. 41

TEIL 3: DIMENSIONEN DER OFFENHEIT ........................................................... 43Die Geschäftsmodelle der Offenheit

Das distributionszentrierte Modell ..................................................................... 47Das aggregationszentrierte Modell .................................................................... 51Das suchzentrierte Modell .................................................................................... 53Das gerätezentrierte Modell .................................................................................. 56Das Community-zentrierte Modell ..................................................................... 58Die Offenheitsdynamik der Geschäftsmodelle ................................................... 61

TEIL 4: ENTWICKLUNGEN IN PUNCTO OFFENHEIT ....................................... 63Strategische Neuausrichtung und die sich abzeichnende Topografie der Offenheit

Die Schlacht um die Inhaltsnavigation ............................................................. 66Die Schlacht um den Konsumentenzugang ..................................................... 78Die Schlacht um die Verbraucherdaten ............................................................. 81

TEIL 5: DIE NEUEN SPIELREGELN DER OFFENHEIT ....................................... 85Implikationen und strategische Prioritäten

Verlagerung von Schlüsselgütern und Branchendynamik ............................ 87Navigation durch die neuen Fahrwasser der Offenheit ................................ 89

ANHANG .................................................................................................................. 99

Übersetzt aus dem Englischen

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Kernaussagen

KAKernaussagen

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KernaussagenKERNAUSSAGENKERNAUSSAGENKERNAUSSAGEN• Die oftmals verwirrende Diskussion über „Offen“

und „Geschlossen“ verlangt nach einer neuen Be-trachtungsweise und neuer Objektivität. Die Vor- stellung, dass alles, was offen ist, insgesamt nur von Vorteil sein kann für Konsumenten, Märkte und die Wirtschaft, und bei geschlossenen Systemen entsprechend nachteilige Auswirkungen zu be- fürchten sind, wird von der Realität nicht bestätigt.

• Die Mehrzahl der Systeme, die als offen eingestuft werden, verfügen häufig in signifikantem Maße auch über geschlossene Elemente. Vollständig offene Systeme schaffen keine nachhaltigen wirt-schaftlichen Werte. Geschlossene Systeme haben die Akzeptanz der Konsumenten gewonnen und neuen Innovationen den Weg bereitet.

• Eine konstruktive Diskussion über Offenheit vor dem Hintergrund von Wettbewerb, Innovation und Wirtschaftswachstum bedarf einer ganz-heitlichen Betrachtung der wesentlichen Güter der Branche entlang der gesamten digitalen Wertschöpfungskette und ihrer Offenheitsgrade.

• Unter dem Blickwinkel dieses Ansatzes ist klar zu erkennen, dass die konvergierende Telekom-munikations- und Medienbranche bei unter-schiedlichen Offenheitsgraden ansetzt. Diese spiegeln dabei die strategischen Positionen wider, die die Betreiber der vorherrschenden Geschäftsmodelle zur Wertschöpfung für deren wichtigste Güter geschaffen haben.

• Es können fünf grundlegende Geschäftsmo-delle beobachtet werden, die die verschiedenen Offenheitsgrade in der Branche demonstrieren: das distributionszentrierte Modell, das aggre-gationszentrierte Modell, das suchzentrierte Modell, das gerätezentrierte Modell und das Community-zentrierte Modell.

• Jedes dieser Geschäftsmodelle nutzt eine Mi-schung aus eher offenen und eher geschlossenen Elementen, wobei die wichtigsten strategischen Güter oftmals eher als geschlossene Elemente zum

Einsatz kommen. Ein Unternehmen kann niemals vollständig offen oder vollständig geschlossen sein, da diese beiden Extreme in ihrer Reinform nur in den seltensten Fällen existieren. Vielmehr geht es um unterschiedliche Grade der Offenheit.

• Mit ihren verschiedenen Graden an Offenheit erzielten die Betreiber der fünf unterschied-lichen Geschäftsmodelle im Jahr 2009 europa-weit Einnahmen von insgesamt mehr als ¤360 Milliarden (EU25).

• Im Hinblick auf die Einnahmen ist das distribu- tions-zentrierte Modell mit einem Anteil von mehr als ¤260 Milliarden bei weitem das am stärksten vertretene Modell. Das größte Wachs-tum in den vergangenen fünf Jahren ist jedoch bei der Suche (49% Wachstum), den Communities (35%) und den Geräten (15%) festzustellen. Die Einnahmen aus Distribution sanken um ein Pro-zent, während bei den Inhaltsaggregatoren ein mäßiges Wachstum von drei Prozent beobachtet werden konnte.

• Wenngleich das Wachstum bei einem geringeren Ausgangswert einsetzt, so weisen die wachs-tumsstärksten Geschäftsmodelle doch auf Än-derungen in der Dynamik der Branche hin und werfen neue Fragen auf zu Themen wie Offen-heit, Bedeutung von materiellen gegenüber im-materiellen Wirtschaftsgütern sowie, der Art des Zugangs zum Markt und der Konsumentenwahl.

• Unternehmen passen die Grade der Offenheit ihrer Güter dynamisch an, um neue Geschäfts-möglichkeiten zu erschließen, Innovationen in Gang zu setzen und um zu reagieren auf Tech-nologiesprünge, Wettbewerb und das sich wan-delnde Konsumentenverhalten sowie auch auf regulatorischen Druck.

• Die Umwälzungen im Bereich Offenheit offen-baren sich in drei wesentlichen strategischen „Schlachten“, die für die gesamte Branche von fundamentaler Bedeutung sind:

o Die „Schlacht“ um die Inhaltsnavigation - Wer wird zukünftig das bevorzugte Ein-gangsportal der Konsumenten zu digitalen Inhalten darstellen?

o Die „Schlacht“ um den Konsumentenzu-gang – Wie werden sich die Voraussetzungen für den Zugang für und zu Konsumenten über Distributionsnetze gestalten?

o Die „Schlacht“ um die Verbraucherdaten – Wer erhält die Kontrolle über die vielfältigen Verbraucherdaten und kann diese über Wer-bung und Handel monetarisieren?

• Die Bedingungen, zu denen diese „Schlachten“ aktuell ausgetragen werden, sind nicht mehr die, die sie einmal waren. Heute sind die Dienste, um die es dabei geht, global und losgelöst von einzelnen Distributionsnetzen verfügbar. Diese Netze wiederum sehen sich zusehends einem Wettbewerb mit anderen Infrastrukturakturen sowie neuen Geräte-basierte Umgebungen, Over-the-Top-Plattformen und Cloud-basierten Umgebungen ausgesetzt.

• Die wichtigsten Güter, die als Innovations- und Wachstumstreiber in der digitalen Wirtschaft zu-nehmend an Bedeutung gewinnen, unterliegen dem Wandel. Sie umfassen Inhaltsrechte, Software-plattformen, Navigationsdienste und Verbraucher-daten. Bereits der Zugang zu diesen Gütern ist ein entscheidender Faktor für große Segmente der wachsenden digitalen Wirtschaft und wird in der Zukunft noch stärker an Bedeutung gewinnen.

• Während diese „Schlachten“ geführt werden nehmen neue, strategische Prioritäten der Ge-schäftsmodelle am Markt Gestalt an. Viele von diesen wollen ihre geschäftlichen und strategi-schen Positionen auf neue Abschnitte der Wert-schöpfungskette ausdehnen durch den gezielten Einsatz verschiedener Güter und Offenheitsgrade.

• Oberstes Gebot für Regulierungsorganisationen und politische Entscheidungsträger ist die Be-rücksichtigung der gesamten digitalen Wert-

schöpfungskette mit ihrer Vielzahl von Offen-heitsgraden bei der Gestaltung der politischen und regulatorischen Rahmenbedingungen.

• Nachdem diese breitere Betrachtungsweise eta-bliert worden ist, muss es gelingen, ein Gleich-gewicht herzustellen zwischen offenen Umge-bungen und den notwendigen geschlossenen Elementen, die bei jedem Geschäftsmodell ein unverzichtbarer Anreiz für Investitionen, Inno-vation und Wertschöpfung darstellen.

• Die Durchsetzung von Offenheit alleine ist an sich nicht immer der beste Weg zur Förderung von Innovation, nachhaltigem Wachstum und wirksamem Wettbewerb.

• Die Regulierung sollte sich auf Bereiche kon-zentrieren, in denen die Ergebnisse der strate-gischen „Schlachten“ und der marktgetriebenen Offenheitsdynamik zu Formen von Geschlossen-heit führen , von denen möglicherweise negative Folgen für die Branche oder den Verbraucher zu erwarten sind.

• Geschlossenheit im negativen Sinne liegt vor, wenn der Wettbewerb durch eine übermäßige Einschränkung des Zugangs zu wichtigen Gü-tern strukturell behindert wird und wenn starke Marktpositionen von Unternehmen zu proble-matischen Lock-in-Effekten bei Kunden ohne angemessene Handlungsalternativen führen.

• Regulierungsbehörden sollten nur dann ein-greifen, wenn eine marktbeherrschende Stel-lung in missbräuchlicher Weise ausgenutzt wird und die Situation aller Voraussicht nach nicht über den freien Wettbewerb mit anderen Akteu-ren gelöst werden kann.

• In einer schnelllebigen Branche gilt es die Spiel-veränderer zu erkennen. Dabei müssen Regulie-rungsbehörden entscheiden, ob sie eingreifen oder ob man solche lenkende Eingriffe dem Markt überlassen soll.

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ZusammenfassungZFZusammenfassung

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ZusammenfassungZUSAMMENFASSUNGZUSAMMENFASSUNGZUSAMMENFASSUNG

Kann man daraus dann schließen, dass Google „offen“ und gut und Apple wiederum „geschlos-sen" und schlecht ist?

Unter Berücksichtigung dieser breiteren Betrachtungsweise wird bald klar, dass bei den Offenheits-profilen einer Mehrzahl der Unter-nehmen ungleich mehr Grautöne anzutreffen sind, als man gemein-hin den gegenwärtigen Schlagzeilen entnehmen könnte.

Offen versus geschlossen: eine unendliche Debatte in der Branche und in der Politik

Die Debatte über die Art und Weise, in der optimale Bedingungen für die Informations-, Tele-kommunikations- und Media-Branche in Europa zu schaffen seien, ist nicht neu. In den vergangenen 20 Jahren waren „Offen“ und „Geschlossen“ dabei die zentralen Begriffe dieser Diskussionen, während sich die politischen Entscheidungsträger und Bran-chenführer darum bemühten, jeweils einen Grad des Zugangs zum Markt herzustellen, der an einer För-derung von Innovation, Wettbewerb, Konsumenten-wahl und Wirtschaftswachstum ausgerichtet ist.

Regulierungsentscheidungen zum Thema „Offenheit“ hatten erhebliche Folgen für Branche und Konsumenten. In den 1990er Jahren erhielten dritte Telefonanbieter regulierten offenen Zugang zu den physischen Netzen der etablierten Anbieter. Damit wurde für Verbraucher in Europa erstmalig die Mög-lichkeit der Auswahl zwischen verschiedenen kon-kurrierenden Telefonanbietern geschaffen. Mit dem Aufkommen des öffentlichen Internets sprachen sich die politischen Entscheider für offene Standards aus, um damit die Interoperabilität geschützter Inter-netdienste zu gewährleisten. Damit setzten sie eine regelrechte Wertschöpfungsspirale in Gang, da die Anzahl der Personen und Unternehmen, die die Dienste entwickelten, nutzten und miteinander verbanden, in exponentiellem Maße anstieg.

Gegenwärtig hat die Europäische Union 2010 ihr langfristiges Engagement für die Förde-rung offener Marktumgebungen mit der „Digita-len Agenda für Europa“ bekräftigt und beschäftigt sich nun mit Fragen der Umsetzung der Konzepte für Offenheit, Geschlossenheit und Interopera-bilität in Zeiten von Konvergenz, webbasiertem Wettbewerb und globalen digitalen Ökosystemen. Die Debatte ist so wichtig wie eh und je. Mittler-weile hat ihre Komplexität jedoch neue Ausmaße angenommen, die eine sorgfältige, objektive und ausgewogene Diskussion einfordern.

Offenheit entlang der Wertschöp-fungskette

Im gegenwärtigen multimedialen Kon-vergenzraum agieren nur wenige kommerzielle Branchenteilnehmer ausschließlich innerhalb der Grenzen ihres Kernsegments der digitalen Wert-schöpfungskette. Neben den Kernaktivitäten in der Übermittlung von Signalen betätigen sich Netz-betreiber auch im Bereich der Inhaltsaggregation, der technischen Plattformen und des Einzelhandels. Private und öffentlich-rechtliche Sender haben im Netz eigene Plattformen für die Inhaltsaggregation sowie Video-on-Demand-Plattformen eingerichtet.

Konventionelle Sichtweisen auf dem Prüfstand: Ist „Offen“ gut und „Geschlossen“ schlecht?

In der hochkomplexen Welt von heute ist in der oftmals verwirrenden Diskussion über „Offen“ und „Geschlossen“ eine frische, neue Be-trachtungsweise und nicht zuletzt auch wieder ein höheres Maß an Objektivität gefragt. Allzu oft nur geht man davon aus, dass Dinge, die als of-fen angepriesen werden, generell eine gute Sache seien, insofern als sie für die Konsumenten, Märk-te und die Wirtschaft allgemein Vorteile zu bieten haben. Gleichzeitig hat Geschlossenheit einen negativen Beigeschmack und man geht davon aus, dass genau das Gegenteil mit ihr bewirkt werde. In den aktuellen Diskussionen werden Unternehmen oftmals gleich selbst eine der beiden Schubladen zugewiesen. Kann man daraus dann schließen, dass Google offen und gut und Apple wiederum geschlossen und schlecht ist?

Die Diskussionen zwischen den Verfech-tern der Offenheit und den Befürwortern der Geschlossenheit sind so, wie sie in der Presse, in User-Communities, Technologieblogs und im Rahmen der politischen Debatte geführt werden, in zunehmendem Maße von Grabenkämpfen und Polemik geprägt. So bedeutend diese Konzepte in einer Welt der Smartphones, Appstores, Netz-werke, Content-Plattformen und des öffentlichen Internets insgesamt auch sind, so wenig Klarheit und Übereinstimmung besteht hinsichtlich der eigentlichen Bedeutung der Begriffe „offen“ und „geschlossen“. Geht es dabei um die Perspektive der Konsumenten oder doch eher um geschäftliche Zusammenhänge? Dreht sich die Diskussion um den Zugang zu öffentlichen Informationen im Web, die Verfügbarkeit und Portabilität von Inhalten, die Interoperabilität von Geräten und Plattformen

oder um den Zugang zur Infrastruktur und Wahl der Dienstanbieter? Oder geht es ganz einfach nur darum, dass etwas kostenfrei hergegeben wird?

Es ist offensichtlich, dass viele der Diskus-sionen zu den Themen, die bei zahlreichen Inte-ressengruppen aus der Branche und Politik ganz aktuell sind, von einer einheitlicheren Definition und einer objektiven Diskussion des Themas in entscheidendem Maße profitieren können. Als Antwort auf diese Notwendigkeit bietet die fol-gende Studie eine Definition und ein Modell für eine stärker strukturierte Analyse von Offenheit. Die Studie geht den folgenden Fragen nach:

• Was ist Offenheit? Wie offen oder geschlos-sen sind die verschiedenen Geschäftsmodelle und Unternehmen wirklich?

• Welchen Wert hat Offenheit? Ist es die Of-fenheit oder die Geschlossenheit, die einen größeren Nutzen für Wertschöpfung und In-novation mit sich bringt?

• Wie sollten die verschiedenen Interessensgrup-pen reagieren? Wie gestaltet sich die Ent-wicklung der Offenheitsgrade und welche Bedeutung hat dies für die verschiedenen Interessensgruppen?

Zeitgleich sind auch Gerätehersteller in die Aggre-gation eingestiegen und setzen digitale Inhalte ab. Daher kann sich keine Diskussion um Offenheit im Kontext von Wettbewerb, Wertschöpfung und Inno-vation mit singulären Beobachtungen zu einzelnen Abschnitten der Wertschöpfungskette innerhalb der Branche zufriedengeben. Vielmehr bedarf es einer ganzheitlichen Betrachtung der Aktivitäten an den verschiedenen Stufen der Wertschöpfung - einer Perspektive der gesamten Wertschöpfungskette.

Bei konsequenter Untersuchung der Of-fenheit von Wirtschaftsgütern entlang der ge-samten Wertschöpfungskette zeigt sich ein Bild, das ein differenzierteres Verständnis der tat-sächlichen Offenheit der Geschäftsmodelle mög-lich werden lässt. Mithilfe dieser differenzierten Betrachtungsweise wird bald klar, dass bei den Offenheitsprofilen einer Mehrzahl der Unterneh-men unterschiedliche Grade anzutreffen sind. Alle Geschäftsmodelle drehen sich um die Kombinati-on von Gütern, die in Abhängigkeit von der Rolle des Gutes und der eingenommenen Perspektive über unterschiedliche Offenheitsgrade in den verschiedenen Segmenten der Wertschöpfungs-kette verfügen. Der strategische Vorteil, der von den Eigentümern für die eigenen Schlüsselgüter geschaffen wird, ist eine der Vorbedingungen für die Wertschöpfung. Diese Vorteilspositionen werden mit Hilfe von wirtschaftlichen, inhaltli-chen oder technischen Bedingungen durch den Eigentümer abgesichert gegenüber dritte Par-teien und Kunden, die Zugang zu diesen Gütern erhalten wollen.

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ZusammenfassungZUSAMMENFASSUNG

1 „The Connected Kingdom”, eine Studie von BCG und Google, November 2010

Offenheit der ver-schiedenen Güter. Vertikale Schiebe-regler für die Anzeige der unterschiedlichen Offenheitsgrade, die von den Unterneh-men entlang der Wertschöpfungskette festgelegt werden.

Allgemeine branchenübliche Wertschöpfungskette für Medien- und Kommuni-kationsmärkte, die die Schlüsselgüter für jeden Abschnitt erfasst

ÜbertragungInhalts-erstellung

Inhalts-aggregation

Technische Plattform/Gerät

Marketing/ Vertrieb

Gra

d de

r Off

enhe

it

Offen

Geschlossen

Das Offenheitsmodell lässt eine Betrach-tung möglich werden, die zwei Kernelemente in der Diskussion um Offenheit zusammenbringt:

• Eine ganzheitliche Betrachtungsweise der Wert- schöpfungskette für die Medien- und Tele kommunikationsbranche

• Eine Definition des Begriffes „Offen“ im Hin-blick auf den Grad des Zugangs dritter Parteien zu einem bestimmten Gut, das sich nicht in de-ren Eigentum befindet. Dabei ist der Zugang als die Fähigkeit zur Nutzung eines Gutes für die Erreichung von Geschäftszielen zu verstehen.

Der Wert der Offenheit - Welche Folgen kann Offenheit für Inno-vation und Wachstum haben

Ist es möglich, dass ein offener Standard eine gesamte Branche in gerade einmal zehn Jah-ren von Null Einnahmen auf $300 Milliarden ka-tapultiert? Kann eine andere Art der Offenheit dafür sorgen, dass eine andere globale Branche im selben Zeitraum mehr als ein Drittel ihres Wertes verliert? Schafft Offenheit mehr Wert als Geschlos-senheit? Eine fundamentale Frage in der Debatte

um Offenheit wird immer lauten, in welcher Art und Weise Offenheit oder Geschlossenheit Wer-te für Unternehmen, Branchen und Konsumenten schaffen oder zerstören kann. Es ist offensichtlich, dass Unternehmen, die auf vollständige Offenheit setzen, keine nachhaltigen wirtschaftlichen Werte oder gar nachhaltiges Wachstum erzeugen kön-nen. Wenn ein Geschäftsmodell vollständig offen ist, fehlt es ihm an dem für die Wertschöpfung unerlässlichen strategischen Vorteil. Daher kann es nur auf der Grundlage von Sponsorships, Spenden oder - wie bei der digitalen Piraterie - über Dieb-stahl funktionieren. So wie vollständig offene Güter zu einer Wertminderung führen können, konnten Geschäftsmodelle, die als geschlossen wahrgenom-men werden, wiederholt große wirtschaftliche Wer-te generieren und damit die Innovation in der Bran-che vorantreiben und den Kundennutzen steigern.

In den letzten zehn Jahren lieferte die Ent-wicklung der Musik- und Zeitungsbranche den

Es ist offensichtlich, dass Unternehmen, die auf vollständige Offenheit setzen, keine nachhaltigen wirtschaftlichen Werte oder gar nach-haltiges Wachstum erzeugen können.

Unternehmen, die offene Stan- dards nutzen, schaffen sich zu-sätzlich zu den offenen Elementen immer auch eigene strategische Hebelpunkte, um Werte und Wachs- tum zu generieren.

Entwicklung der Einnahmen

in der globalen Musikbranche

Verwalteter elektronischer Vertrieb

Quelle: IFPI; PWC

Physische Formate (CAGR: -7.0%)

Online/mobil (CAGR: +31.0%)

0

40

30

20

10

(B$)

1999 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009

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2

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4

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20

8

- 31%

besten Beweis für negative Auswirkungen bei zu viel Offenheit. Inhalte konnten einfach verviel-fältigt und kostenfrei über das offene Internet vertrieben werden. In nur zehn Jahren verlor die Musikbranche um 30 Prozent ihres Wertes. Der Absatz digitaler Musik stieg erst dann wieder, als bei der Distribution der Musik mit Hilfe legaler Musikplattformen ein gewisser Grad an Geschlos-senheit zur Anwendung kam. In ähnlicher Wei-se unternimmt die Zeitungsbranche aktuell den Versuch, neue strategische Positionen in der digi-talen Welt zu schaffen, um die Abwärtspirale bei der Entwicklung ihrer Einnahmen zu stoppen.

Andere Formen von Offenheit wiederum können für Unternehmen, Branchen und auch Konsumenten durchaus vielversprechend sein. Trotz einiger Negativerlebnisse hat die allgemein positive Wirkung vieler offener und interoperab-ler Standards ein beachtliches Ausmaß erreicht. Breiter Zugang und der Einsatz des IP-Protokolls haben beispielsweise zu einem rasanten Wachs-tum der Internetwirtschaft und einer Vielzahl von innovativen webbasierten Geschäftsmodellen

Der allgemein offene GSM-Standard beispiels-weise steigerte den Umsatz der Mobilkommu-nikationsbranche in nur 10 Jahren weltweit von Null auf €300 Milliarden. Mit diesem Standard reduzierte man Kosten und steigerte die Markt-durchdringung viel schneller als frühere ge-schützte Technologien der einzelnen Länder.

Das Offenheitsmodell

geführt. Allein für das Vereinigte Königreich wird der Wert der Internetwirtschaft auf etwa £100 Milliarden geschätzt. Dabei beläuft sich die Zahl der direkt in diesem Wirtschaftszweig beschäf-tigten Arbeitnehmer auf etwa eine Viertel Million Menschen.1 Auch bei der mobilen Telekommunika-tion half die Einführung gemeinsamer Standards dabei, den wirtschaftlichen Wert und auch den Kundennutzen enorm zu steigern.

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ZusammenfassungZUSAMMENFASSUNGIn diesem Zusammenhang muss auch erwähnt werden, dass Wachstum und Innovation auf Grundlage des Zugangs zu offenen oder interope-rablen Technikgütern wie beispielsweise den GSM- oder IP-Standards und auf der anderen Seite vollständige Offenheit zwei verschiedene Sachen sind. Unternehmen, die offene Standards nutzen, schaffen sich zusätzlich zu den offenen Elemen-ten immer auch eigene strategische Hebelpunkte, um Werte und Wachstum zu generieren. Anbieter von Open-Source-Software wie Linux ergänzen diese z. B. mit eigenen geschützten Diensten und Abonnement-Modellen und erzielten mit dieser strategischen Position im Jahr 2009 schätzungs-weise Einnahmen in Höhe $ 4 Milliarden.2

Die Geschäftsmodelle der Offenheit

Es gibt unzählige Beispiele für Unterneh-men, Standards, Technologien und Geschäfts-modelle, die in einem mehr oder weniger großen Umfang offen oder geschlossen sind. Einigen ge-lang es, Werte zu schöpfen, bei anderen wiederum war genau das Gegenteil der Fall. Die Annahme, dass jemals ein Unternehmen oder Geschäftsmo-dell entweder vollständig offen oder vollständig geschlossen funktionieren könnte, ist irreführend. Tatsache ist, dass die beiden Extreme Offenheit und Geschlossenheit in ihrer Reinform nur sel-ten vorkommen und stattdessen vielmehr unter-schiedliche Grade der Offenheit anzutreffen sind.

2 Worldwide Open Source Software 2009 – 2013 Forecast, International Data Corporation

Tatsache ist, dass die beiden Extreme Offenheit und Geschlos-senheit in ihrer Reinform nur selten vorkommen und stattdessen viel-mehr unterschiedliche Grade der Offenheit anzutreffen sind.

Wenn es für die verschiedenen Geschäftsmodelle jeweils auch cha-rakteristische Offenheitsgrade geben mag, so sind diese doch in jedem Fall einer Dynamik unterworfen und ent-wickeln sich unaufhaltsam weiter.

schöpfungskette bauen sich die Unternehmen strategische Vorteile bei einzelnen materiellen oder immateriellen Gütern auf, die ihnen als Grundlage für die eigene Wertschöpfung dienen. Wenngleich unendlich viele Grade der Offenheit und Kombina-tionen möglich sind, können heutzutage bei den Geschäftsmodellen fünf verschiedene Typen un-terschieden werden:

• Das distributionszentrierte Modell, dessen Wettbewerbsposition auf der Leistung und Ka-pazität eines physischen Übertragungsnetzes gründet (z. B. Telefónica, UPC, Vodafone)

• Das aggregationszentrierte Modell, das sei-nen strategischen Vorteil aus werthaltigen In-haltsrechten in dessen Eigentum und Aggre-gationsplattformen mit einer eigenen Marke ableitet (z. B. Sky, BBC, RTL)

• Das suchzentrierte Modell, dessen Geschäfts-erfolg auf der Fähigkeit zur Navigation durch digitale Inhalte und der Rolle als Tor zum Web basiert (z. B. Google, Bing)

• Das gerätezentrierte Modell, das seinen stra-tegischen Vorteil aus einem anspruchsvollem Design und einer gehobener Funktionalität be-zieht, die Zugang zu digitalen Inhalten bietet (z. B. Apple, Nintendo, Samsung)

• Das Community-zentrierte Modell, das seine Kraft durch Größen- und Netzwerkeffekte einer globalen Nutzergemeinschaft gewinnt (z. B. Fa-cebook, YouTube, Twitter).

Der Grad der Offenheit der Güter der ver-schiedenen Unternehmen ist abhängig von ihrem Geschäftsmodell und ihren Einnahme-quellen. Die Vorstellungen von der Offenheit eines Unternehmens gehen dagegen oftmals auf die scheinbare Offenheit seiner Dienste aus Konsumentensicht zurück. Bei genauerer

Betrachtung aber zeigt es sich, dass praktisch jedes Geschäftsmodell auch Elemente enthält, die weniger offen sind als diejenigen, die kos-tenfrei angeboten werden. Bei einem „freien“ Fernsehsender betrifft das z.B. die Inhaltsrech-te an dessen Eigentum, da diese Rechte die Grundlage für die Gewinnung von Zuschauern und Werbeeinnahmen bilden. Eine kostenfreie Suchwebsite wiederum kontrolliert noch im-mer ihre geschlossene Recheninfrastruktur, einschließlich ihrer Suchalgorithmen und deren zugrundeliegenden Daten. Ein Geschäftsmodell, das auf Werbeeinnahmen basiert wie beispiels-weise kostenfreies Fernsehen, Suche und soziale Netzwerkgemeinschaften, wird normalerweise ein anderes Offenheitsprofil aufweisen als ein Unternehmen, das hauptsächlich auf Direktzah-lungen von Konsumenten angewiesen ist wie beispielsweise bei Kabelfernsehen, Mobilfunk oder Endgeräte. Aber alle haben eines gemein-sam: Sie alle verwenden jeweils verschiedene Offenheitsgrade für die eigenen Güter.

Gibt es für die verschiedenen Geschäftsmodelle jeweils auch charakteristische Offenheitsgrade, so sind diese doch einer gewissen Dynamik unter-worfen und entwickeln sich unaufhaltsam weiter.

Unternehmen nehmen aus verschiedenen Grün-den Anpassungen an den Offenheitsgraden der eigenen Güter vor. Dies kann aufgrund der Wett-bewerbsdynamik, durch einen Technologiewan-del, aufgrund des Verhaltens der Konsumenten oder beispielsweise auch als Reaktion auf regula-torische Eingriffe hin geschehen. Die Einbindung des BBC iPlayer durch Virgin Media in die eigene Kabelplattform ist ein Beispiel für eine strategisch motivierte Anpassung der Offenheitsgrade, wel-che in diesem Fall konkret auf der Entscheidung für die Integration von Online-Inhalten beruhte. Bei Apple‘s im September 2010 angekündigter Lockerung der Bestimmungen für die Entwick-lungstools zur eigenen Plattform, die auch die Unterstützung durch Flash erlaubte, handelte es sich um eine auf mehr Offenheit gerichtete An-passung, beeinflusst durch drohende bevorste-hende regulatorische Eingriffe.

Einnahmen und Wachstum

der Geschäftsmodelltypen

Quelle: Unternehmensberichte; EITO; OBS; Magna Global; SNL Kagan; Forrester; Ovum; eMarketer; Internet World Stats; Gartner; Juniper; IDC; OANDA; Marktmodell von BCG

Einnahmen in Europa (EU25) 2009

Einnahmen in Mrd. ¤ 264 73 61 22

% der Einnahmen 20 40 60 80 100

Distribution

- 1%

Aggregation

+ 3%

Suche

+ 49%

Communities

+ 35%

Geräte

+ 15%Wachstum CAGR2004 - 2009

Diese verschiedenen Grade der Offenheit sind anhand der Untersuchung einiger für die Branche typischen Geschäftsmodelle deutlich zu erkennen. An verschiedenen Segmenten der Wert-

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ZusammenfassungZUSAMMENFASSUNGMit ihren verschiedenen Graden an Offenheit erzielten die Betreiber der fünf verschiedenen Geschäftsmodelle im Jahr 2009 europaweit Einnahmen von insgesamt mehr als ¤360 Mil-liarden.3 Im Hinblick auf die Einnahmen ist das distributions-zentrierte Modell4 mit einem Anteil von mehr als ¤260 Milliarden bei weitem das am stärksten vertretene Modell. Das größte Wachs-tum bei den Einnahmen der letzten fünf Jahren konnte man jedoch bei neuen Branchenakteu-ren beobachten, die im Bereich der Suche (49% Wachstum), der Plattformen für Webcommuni-ties (35%) und beim Absatz von Geräten (15%) aktiv sind. Im selben Zeitraum gingen die Einnah-men bei distributionszentrierten Unternehmen mit einem Prozent leicht zurück, während bei den Inhaltsaggregatoren ein mäßiges Wachstum von drei Prozent zu verzeichnen war.

Wenngleich das Wachstum bei einem geringeren Ausgangswert einsetzt, so weisen die wachstumsstärksten Geschäftsmodelle doch auf eine bedeutsame Änderung in der Dynamik der Branche hin. Viele dieser extrem innovativen Geschäftsmodelle bieten globale Verfügbarkeit an und stehen für völlig neu webbasierte Öko-systeme, die Festnetzbasierte, mobile und Cloud-basierte Plattformen umfassen und unabhängig von der zugrundeliegenden physischen Infra-struktur betrieben werden. Diese Entwicklungen ändern die Machtverhältnisse in der Branche und werfen neue Fragen auf zu Themen wie dem Wert der Offenheit und der Bedeutung der verschie-denen Güter, dem Zugang zum Markt und der Konsumentenwahl.

Das größte Wachstum bei den Einnahmen der letzten fünf Jahre konnte man bei neuen Branchenakteu- ren beobachten, die im Bereich der Suche (49% Wachstum), der Plattformen für Webcommunities (35%) und beim Ab-satz von Geräten (15%) aktiv sind.

Die Bedingungen, zu denen diese „Schlachten“ aktuell ausge-tragen werden, sind nicht mehr die, die sie einmal waren. Heute sind die Dienste, um die es dabei geht, global und losgelöst von den einzelnen Dis-tributionsnetzen verfügbar.

Mit fortschreitender Konver-genz der Märkte und Expansion der Unternehmen in fremde Geschäfts-umgebungen werden die Eigen-tümer der traditionellen Güter bei den neuen, zukünftig immer stärker innovationsbedürftigen und an der Wertschöpfung beteiligten Gütern, selber zu dritten Parteien.

Entwicklungen in puncto Offenheit

Bei der strategischen Positionierung und den Offenheitsgraden finden bedeutende Ver-änderungen statt. Sie haben zur Folge, dass es ausgehend von drei zentralen strategischen „Schlachten“ in der gesamten Branche zu tiefgrei-fenden Veränderungen kommt:

• Die Schlacht um die Inhaltsnavigation. Jeder der Geschäftsmodelltypen strebt nach derselben strategischen Position als Hauptportal der Kon-sumenten zu digitalen Inhalten.

• Die Schlacht um den Konsumentenzugang. Das Wachstum der webbasierten Geschäftsmo-delle und des Datenverkehrs im Internet wirft fundamentale Fragen zu den Bedingungen für den Konsumentenzugang über die Übertra-gungsnetze auf.

• Die Schlacht um die Verbraucherdaten. Die Beschleunigung der plattformübergreifenden Sammlung und Verwertung von Verbraucher-daten schafft globale Machtzentren im Bereich Werbung, Inhalte und Handel.

Alle Wettbewerber der Branche beteiligen sich in mehr oder weniger großem Umfang an die-sen Entwicklungen, da sie versuchen, sowohl die eigene Reichweite entlang der Wertschöpfungs-kette zu erhöhen als auch die eigene strategische Position zu stärken. Die Bedingungen, zu denen die-se „Schlachten“ aktuell ausgetragen werden, sind nicht mehr die, die sie einmal waren. Heute sind die Dienste, um die es dabei geht, global und losgelöst von den einzelnen Distributionsnetzen verfügbar. Diese Netzwerke wiederum sehen sich nicht mehr nur einem Wettbewerb mit anderen Infrastruktur-akteuren sondern auch einer ganzen Konkurrenz durch neue spezifische Ökosysteme für einzelne Mobilgeräte, Over-the-Top-Plattformen und Cloud-basierten Umgebungen ausgesetzt.

5 Anfang November 2010 sperrte Google Facebook die Suche nach Kontakten der Nutzer des Netzwerks bei Google und den Abgleich der E-Mail-Adressen mit den Profilen auf der Plattform für die Freundesvorschläge bei Facebook.6 Cisco Visual Networking Index, Prognose für 2009 – 2014

Als ein Ergebnis dieser Entwicklung handelt es sich gegenwärtig bei den Inhaltsrechten, Soft-wareplattformen, Navigationsdiensten und Ver-braucherdaten um diejenigen Schlüsselgüter, die als Treiber für Innovation und Wachstum immer stärker an Bedeutung gewinnen. Für große Segmente der wachsenden digitalen Wirtschaft ist der Zugang zu diesen Gütern bereits zum kritischen Faktor gewor-den. Diese Entwicklung wird sich noch verstärken, da etablierte Branchenakteure zur Wahrung ihrer Wettbewerbsfähigkeit in zunehmendem Maße ab-hängig von neuen Gütertypen werden und für sich neue Einnahmequellen im Bereich der innovativen Mehrwertdienste erschließen. Auf globaler Büh-ne lässt sich diese Schlacht bereits mitverfolgen. Führende Plattformen, u. a. Google und Facebook, nehmen regelmäßig Anpassungen an der Inter-operabilität ihrer Dienste vor und schränken dabei zuweilen systematisch den Zugang des anderen zu eigenen wertvollen Daten ein.5 Auch die gro-ßen US-amerikanischen Fernsehsender ABC, NBC und CBS zeigen ihre Stärken und verweigern die Bereitstellung der eigenen Inhalte für die suchba-sierte TV-Plattform Google TV. Mit fortschreitender Konvergenz der Märkte und Expansion der Unter-

nehmen in fremde Geschäftsumgebungen werden die Eigentümer der traditionellen Güter bei den neuen, zukünftig immer stärker innovationsbedürf-tigen und an der Wertschöpfung beteiligten Gütern selber zu dritten Parteien.

Diese neuen Machtverhältnisse inner-

halb der Branche spiegeln sich auch in den für die nächsten fünf Jahre prognostizierten Wachstums-raten der verschiedenen Branchensegmente wider. Die sozialen Netzwerke werden sich aller Erwartung nach jährlich um knapp vierzig Prozent vergrö-ßern, während bei den such- und gerätezentrier-ten Unternehmen mit einem Wachstum von zwölf beziehungsweise siebzehn Prozent zu rechnen ist. Die Einnahmen aus der Aggregation werden ausge-hend vom schnellen Wachstum der online verfüg-baren Inhalte jährlich insgesamt um mehr als fünf Prozent steigen, während man bei den Distribu- tionseinnahmen eine stabile Entwicklung mit jähr-lich weniger als einem Prozent Wachstum erwartet.

Dieses etwas asymmetrisch verlaufende Wachstum der Einnahmen in den fünf Segmenten verweist auf eine bedeutsame zugrundeliegende Entwicklung hin: die Explosion des IP-Datenver-kehrs, der sich bis 2014 vervierfachen wird.6 Eine Steigerung der Qualität und Kapazität der Über-tragungsnetze wird unerlässlich sein, wenn die Anbieter von online verfügbaren Inhalten die eigenen Einnahmen vermehren und für ihre Kun-den hochwertige Dienste erbringen wollen. Trotz des starken Wettbewerbs bei der Infrastruktur wird der wachsende Bedarf an Übertragungs- kapazität die strategische Position des distribu- tionszentrierten Modells stärken. Dadurch wird der Weg geebnet für neue Dienste und Einnahmen- systeme, die den Wachstumsanforderung der web-basierten Geschäftsmodelle Rechnung tragen und zukünftige Investitionen in die Infrastruktur mög-lich werden lassen. Diese Entwicklungen werden möglicherweise in differenzierten Zugangs- und Übertragungsbedingungen für Festnetzbasierte

3 Einnahmen der für diese Studie definierten Geschäftsmodelltypen in der EU25. Die Einnahmen bilden nicht die gesamte Größe der gesamten europäischen IKT-, Telekommunikations- und Medienbranche ab. 4 Einnahmen aus Fernsehzugang, mobiler und festnetzbasierter Daten-/Sprachübertragung

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ZusammenfassungZUSAMMENFASSUNG

Navigation durch die neuen Fahrwasser der Offenheit

Die sich abzeichnenden Entwicklungen und Veränderungen in der Wettbewerbsdynamik zwingen nicht nur alle Branchenakteure sondern auch die politischen Entscheidungsträger und Regulierungsbehörde zu einer Neubestimmung der strategischen Prioritäten. Jedes der fünf Ge-schäftsmodelle ist darauf ausgerichtet, die eige-nen vorhandenen Güter zu schützen, Zugang zu neuen Gütern zu erlangen und die eigenen Of-fentheitsgrade neu abzustimmen, um ein neues Gleichgewicht herzustellen.

• Das distributionszentrierte Modell. Vor dem Hintergrund des globalen Wettbewerbs von Platt-formen und Geräten wird die zentrale strategi-schen Zielstellung der im Bereich der Distribution aktiven Akteure in der Sicherung ihrer Position im Bereich der Navigation durch anspruchsvolle Nutzerschnittstellen und plattformübergreifende Funktionalitäten bestehen. Entscheidende Er-folgsfaktoren werden dabei die Fähigkeit sein, die direkten Kundenbeziehungen zu nutzen für die Bereitstellung von maßgeschneiderten Transak-tionsleistungen, durch Werbeeinnahmen ergänzt, sowie die Stärkung der eigenen Position beim Netzzugang durch ausgereifte Funktionalitäten im Bereich der Vorleistungen, der sogenannten Enabling Services und Servicequalität. Wesent-liche Änderungen zur Offenheit finden sich bei der IP-Kapazität, bei der es zu einer stärkeren

Differenzierung auf der Grundlage von Qualität und Geschwindigkeit kommen wird wie auch bei den Inhaltsplattformen, die in der Tendenz eine größere Offenheit zulassen werden.

• Das aggregationszentrierte Modell. Traditio-nelle Aggregatoren werden gezwungen sein, die eigene Marke gezielt einzusetzen und ei-gene online verfügbare Distributionsangebote mit direkten Kundenbeziehungen zu schaffen. Die Sicherung ihrer Position durch Allianzen bei neuen digitalen Plattformen und der Er-werb von entsprechenden Präsenzen werden strategisch wichtig. In gleicher Weise trifft dies auch auf die Entwicklung neuer Werbefunktio-nalitäten und Geschäftsmodelle bei der Multi-Screen-Distribution und der Distribution von Online-Inhalten zu. Der Zugang zu Inhalten wird im Hinblick auf den Zugang über mehrere Plattformen und Geräte allgegenwärtig sein, aber die Informationsgüter an sich werden für dritte Parteien innerhalb der Wertschöpfungs-kette nicht offener.

• Das suchzentrierte Modell. Die Suchunterneh-men werden weiterhin versuchen, die Relevanz der Multichannel-Dienste durch eine verstärk-te Diversifikation in den Bereich der Mobil-, Vi-deo- und Zusatzprodukte zu verteidigen. Der Suchzugang zu Inhalten wird verstärkt durch die Rechteinhaber in Frage gestellt. Daher wird die Sicherung des Zugangs durch Vereinbarungen mit Communities, Inhaltsinhabern und Geräteak-teuren wie auch die Erweiterung der Werbefunk-tionalitäten zur Erschließung der Umsätze in der Fernsehwerbung auf der strategischen Agenda oberste Priorität haben. Die zentralen Güter der Suchunternehmen werden - wahrscheinlich als Reaktion auf den Druck aus der Branche und von Regulierungsbehörden - offener werden.

• Das gerätezentrierte Modell. Die Geräteher-steller sehen sich gezwungen, bei allen Geräten,

einschließlich mobilen Geräten, Tablet-Geräten, Computern, Fernsehgeräten und Inhalten kom-plexe Navigationsfunktionalitäten bereitzustel-len. Sie werden versuchen, ihre Ökosysteme, ausgehend von einem vertriebsbasierten Sys-tem, in die Werbenetzwerke hinein auszuweiten und ihre Bemühungen um die Gewinnung von Zugang zu beliebten Inhalten und Diensten mit dem Ziel einer Absatzsteigerung bei den Geräten zu verstärken. Das gerätezentrierte Geschäfts-modell wird auch weiterhin relativ geschlossen sein, wenngleich es auch bei den Zugangsbe-dingungen für gerätebasierte Ökosysteme zu gewissen Lockerungen kommen wird.

• Das Community-zentrierte Modell. Die Com-munities werden den Versuch unternehmen, ihre Fähigkeit weiter auszubauen, die eigenen Güter durch Suche, Inhaltsnavigation, Werbung und Handel zu monetisieren. Auch werden sie weiterhin versuchen, zur Steigerung der Relevanz ihrer Platt-form Content- und Medienpartnerschaften sowie zahlreiche Kooperationsverträge zur Sicherung ihrer Verfügbarkeit auf zentral wichtigen Geräten zu schließen, um die Reichweite ihrer beziehungs-weise den Datenverkehr zu ihren Plattformen zu erhöhen. Dritten Parteien wird der Zugang für Ver-knüpfungen zu Gütern der Community offen blei-ben. Für werthaltige Daten und Werbeplattformen werden jedoch weiterhin zunehmend geringere Grade der Offenheit Anwendung finden.

Prioritäten für Regulierungsbe-hörden und politische Entschei-dungsträger

Die vorherrschenden politischen Zielstel-lungen für die Märkte im Zusammenhang mit Telekommunikation, Medien und Informations- und Kommunikationstechnik der nächsten Generation sind ausgerichtet auf die Förderung von Investi-tionen in die Branche durch Schaffen der notwen-digen Bedingungen für Wettbewerb und Wachstum durch Innovation. Oberstes Gebot für Regulie-rungsbehörden und politische Entscheidungsträger

In einer schnelllebigen Branche gilt es die Spielveränderer zu erkennen. Dabei müssen Regulierungsbehörden bei der Entscheidung über lenkende Eingriffe einen flexiblen Ansatz ver-folgen.

und drahtlose Netzwerkumgebungen resultieren, wie sie gegenwärtig von führenden Netzwerk- und Internetdiensteanbietern befürwortet werden.7 Parallel dazu schafft das Prinzip der Netzneutra-lität, das auf die Wahrung eines offenen Internets abzielt, einen Ausgleich zur strategischen Position der Netzanbieter. Dies wiederum wird sich auf die Offenheitsgrade beim IP-Transport auswirken.

7 Beispielsweise der gemeinsame Vorschlag von Google und Verizon im August 2010 mit dem Titel „A joint policy proposal for an open internet“

ist die vollständige Berücksichtigung der gesamten digitalen Wertschöpfungskette mit ihrer Vielzahl von Offenheitsgraden bei der Gestaltung der poli-tischen und regulatorischen Rahmenbedingungen oder Bestimmung der relevanten Märkte. Nachdem diese breitere Betrachtungsweise etabliert wurde, muss es gelingen, ein Gleichgewicht herzustellen zwischen offenen Umgebungen und dem Bedarf eines jeden Geschäftsmodells nach geschlossenen Elementen, die für die Wertschöpfung unverzicht-bar sind. Die Durchsetzung von Offenheit an sich ist nicht immer der beste Weg zur Förderung von Innovation, nachhaltigem Wachstum und wirk-samem Wettbewerb. In einer schnelllebigen Bran-che gilt es die Spielveränderer zu erkennen und sich bewusst zu werden, dass die Offenheitsgrade als Reaktion auf Wettbewerbsdruck, Technologie-sprünge und Konsumentenverhalten dynamischen Anpassungsprozessen unterliegen. Dabei müssen die Regulierungsbehörden einen flexiblen Ansatz verfolgen bei der Entscheidung darüber, wann ein Eingriff notwendig ist oder wann es besser ist, dies dem Markt zu überlassen. Weiterhin sollten sich die Regulierungsbemühungen auf die Bereiche konzen-trieren, in denen die brancheninterne Entwicklung aller Wahrscheinlichkeit nach in eine Form der Ge-schlossenheit mit möglicherweise negativen Folgen für die Branche mündet, in denen der Wettbewerb durch eine übermäßig Begrenzung des Zugangs zu zentralen Gütern strukturell behindert wird oder in denen die strategischen Positionen problematische Kundenbindungswirkungen, d. h. Lock-in-Effekte, ohne angemessene Handlungsalternativen nach sich ziehen. Regulierungsbehörden sollten nur dann eingreifen, wenn eine marktbeherrschende Stellung in missbräuchlicher Weise ausgenutzt wird und die Situation wahrscheinlich nicht über den freien Wettbewerb mit anderen Akteuren aus der Welt geschafft werden kann.

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Teil 1T1Teil 1DEFINITION VON OFFENHEIT

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Part 1

Teil 1DEFINITION VON OFFENHEITDEFINITION VON OFFENHEITDEFINITION VON OFFENHEIT

DEFINITION VON OFFENHEIT – Strukturierung der Diskussion

„Offen“ versus „geschlossen” – eine unendliche Debatte in der Branche und Politik

Die Debatte über optimale Marktstrukturen und Geschäftsmodelle für Innovation, Wettbewerb und Wirtschaftswachstum in der Informations- und Kom-munikationstechnik und in der Medienbranche wird bereits seit der Liberalisierung der Telekommunika-tionsbranche zu Beginn der neunziger Jahre geführt, als man die Richtlinien für den offenen Netzzugang („OPN“) formulierte. Die angestrebte Marktsitua-tion, die anfänglich durch Liberalisierungsmaßnah-men gelenkt wurde, sollte durch die Schaffung von Wettbewerb durch eine Regulierung des physischen Zugangs zu den Netzen der Telekommunikationsmo-nopole für dritte Internetdienstanbieter und die Ein-richtung eines regulierten Großhandels hergestellt werden. In der Folge wurde der sogenannte offene oder freie Netzzugang unter Berücksichtigung der Entwicklungen in der Netztechnik (Entbündelung von Teilnehmeranschlüssen, Bitstromzugang) und der geschäftlichen Anforderungen von dritten Inter-netdienstanbietern weiter verbessert.

Dieser dienstbasierte Wettbewerb wurde dann um den Infrastrukturwettbewerb ergänzt, mit dem Anreize für Investitionen in alternative, kon-kurrierende Infrastrukturen wie beispielsweise Ka-belfernsehnetze gegeben wurden. Teilweise wurde dies erreicht durch Auflagen zur Deinvestition für etablierte Telekommunikationsunternehmen, in de-ren Eigentum sich auch Kabelfernsehnetze befanden, und durch die Privatisierung von regional verteilten Kabelsystemen in kommunalem Eigentum. Zu Be-ginn galten für die Kabelnetze keine Bestimmungen für den offenen Netzzugang, es gab vielmehr eine Reihe von Übertragungspflichten, nach denen eine bestimmte Anzahl vorher festgelegter Fernsehsender im Sinne der Gewährleistung medialer Vielfalt Zu-gang zur Distribution über Kabel erhielt.

Sobald sich die Infrastrukturen zu „elektro-nischen Kommunikationsnetzen“ gewandelt hatten,

wurde es möglich, mit der Technik vergleichbare Dienste über Kabel- wie auch Telekommunika- tionsnetze zu übertragen (Voice-over-IP über Kabel, Breitbandinternet über Kabel und Telekommuni-kationsnetze und IPTV über Telekommunikations-netze). Aus Perspektive der Endnutzer wurden sie daher austauschbar. In der Folge erstreckte sich der Geltungsbereich der Netzbestimmungen daher im Prinzip sowohl auf Kabel- als auch Telekommuni-kationsnetze. In der Praxis jedoch fanden diese Be-stimmungen nur für Betreiber Anwendungen, die über beträchtliche Marktmacht verfügten.

Mit dem Aufkommen des öffentlichen Internets in der Mitte der 1990er Jahre dreh-ten sich die Diskussionen um die Förderung von offenen Standards zur Schaffung von Intero-perabilität zwischen den eigenständigen Inter-netdiensten. Damit wurden Internetdienstean-bieter wie CompuServe und AOL gezwungen, den Austausch von E-Mails unter ihren Kun-den zuzulassen. Als offene Plattform betrieben förderte das öffentliche Internet weltweit die Entstehung von innovativen Internetdiensten, Software und Anwendungen, die auf Open-Source- Methoden beruhten. Dies mündete in einer produktiven Spirale der Wertschöpfung durch Netzwerkeffekte. Das Ergebnis ist eine ständig größer werdende Anzahl von Einzelpersonen und Unternehmen, die Dienste für das öffentliche In-ternet nutzen, entwickeln und an dieses anbinden.

Die Europäische Kommission kann auf eine Geschichte von Regulierungseingriffen zurückbli-cken, deren Ziel die Wahrung der Interoperabilität von Softwareanwendungen war. Zu den aufsehener-regendsten Eingriffen gehören die Fälle, in denen die Europäische Kommission gegen Microsoft auftrat. Es ging um Behinderung der Interoperabilität der Windows Desktop-Software mit der Serversoftware der Konkurrenz und der obligatorischen Bündelung des Windows Media Players mit dem Betriebssystem Windows XP, die Media-Player von Wettbewerbern wie den RealPlayer ins Abseits drängte.

Der Schutz eines offenen öffentlichen Inter-nets ist ein Eckpfeiler der Politik der Europäischen Union zu den Breitbandnetzen der nächsten Gene-ration. Sie zielt dabei auf den Schutz der Rechte der Nutzer auf Zugang und Informationsdistribution, den Betrieb von Anwendungen und die selbstbe-stimmte Nutzung von Diensten ab. Die Prinzipien der Netzneutralität sollen Netzwerkbetreiber davon abhalten, in den Breitbandnetzen Traffic-Manage-ment zur Diskriminierung zwischen den Diensten auf Grundlage von Geschwindigkeit und Quali-tät zu nutzen und dafür die damit einhergehende Schließung von Märkten in Kauf zu nehmen. Diese Prinzipien gründen auf Transparenz und Diskri-minierungsfreiheit beim Traffic-Management für Webdienste über das öffentliche Internet.

Mit der Initiative „Digitale Agenda für Europa“ hat die Europäische Union 2010 erneut ihr langfristiges Engagement für die Förderung offener Marktbedingungen bekräftigt. Zu deren Prinzipien gehören:

• Offene Plattformen und Standards zur Förde-rung von Innovation in der Informations- und Kommunikationstechnik und der Interoperabili-tät von Anwendungen.

• Offener Zugang zu den Netzen der nächsten Ge-neration als Grundlage für verstärkte Investitionen durch etablierte Telekommunikationsanbieter in Glasfasernetze und Wahrung des Bestandswett-bewerbs von dritten Internetdiensteanbieter über moderne Breitbandtelekommunikationsnetze.

• Öffnung des Zugangs zu Inhalten, um Endnut-zern die Chance zu geben, auf online verfügba-re Inhalte genau so wie auf offline verfügbare Inhalte zugreifen zu können. Dies würde eine Straffung und Vereinfachung der gegenwärtig fragmentierten Verfahren zur Lizenzierung von Inhalten erfordern.

Als Reaktion auf die hohe Innovationsge-schwindigkeit und Evolution des Marktes in der digitalen Wirtschaft überlegt die Europäische Kom-mission nun, wie die Konzepte für Offenheit und Interoperabilität auf neue, innovative webbasierte Dienste und Geschäftsmodelle (z. B. Websites für Video- und Musikstreaming, Videoaggregations-plattformen, Community-Plattformen, Internet-suchmaschinen, Netzwerke für Onlinewerbung und Videotelefoniedienste) übertragen werden können. Verstärkt wird die Komplexität des Wettbewerbs auf dem neuen digitalen Markt durch das Aufkommen von Cloud-Computing und Cloud-Plattformen, mit denen Webanwendungen und Webdienste unabhän-gig werden von der zugrundeliegenden Infrastruktur oder physischen Zugangsplattform, da deren Bereit-stellung an den Nutzer direkt über das öffentliche In-ternet per Webbrowser erfolgt. Welche Folgen diese Technologien und Geschäftsmodelle für die Branche haben werden, ist noch immer unklar. Ähnlich äußert sich auch Joaquín Almunia, der für Wettbewerbspo-litik verantwortliche Vizepräsident der Europäischen Kommission: „[Es ist] schwer zu sagen, in welche Richtung sich diese Umgebungen entwickeln wer-den. Einige Unternehmen befürworten offene und interoperable Systeme. Andere entwickeln geschlos-sene Umgebungen und andere wiederum schwan-ken zwischen beiden Extremen. Die Märkte müssen darüber entscheiden, welche Geschäftsmodelle auch in der Zukunft Bestand haben.“1

1 Joaquín Almunia, der für das Ressort Wettbewerbspolitik verantwortliche Vizepräsident der Europäischen Kommission, „Wett-bewerb in Digitalen Medien und im Internet“ Vorlesung am Jetons Institute des University College London, London, 7. Juli 2010

„[Es ist] schwer zu sagen, in welche Richtung sich diese Umge-bungen entwickeln werden. Einige Unternehmen befürworten offene und interoperable Systeme. Andere entwickeln geschlossene Umgebun-gen und andere wiederum oszillie-ren zwischen beiden Extremen. Die Märkte müssen darüber entschei-den, welche Geschäftsmodelle auch in der Zukunft Bestand haben.”

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Part 1

Teil 1DEFINITION VON OFFENHEIT

Konventionelle Sichtweisen auf dem Prüfstand: Ist „Offen“ gut und „Geschlossen“ schlecht?

In der hochkomplexen Welt von heute ist in der oftmals verwirrenden Diskussion über „Offen“ und „Geschlossen“ eine frische, neue Betrachtungs-weise und nicht zuletzt auch wieder ein höheres Maß an Objektivität gefragt. Schnell geht man davon aus, dass Dinge, die als offen angepriesen werden, generell eine gute Sache seien, insofern als sie für die Konsumenten, Märkte und die Wirtschaft allgemein Vorteile bringen. „Geschlossen“ hinge-gen wird eher negativ empfunden. In den aktuellen Diskussionen werden Unternehmen oftmals gleich selbst in eine der beiden Schubladen gesteckt. Kann man daraus dann schließen, dass Google offen und gut und Apple wiederum geschlossen und schlecht ist? In den Offenheitsprofilen beider Unternehmen finden sich ungleich mehr Grautöne, als man den gegenwärtigen Schlagzeilen entnehmen könnte. In Wahrheit ist wohl jedes Unternehmen sowohl offen und geschlossen. Entscheidend sind das je-weilige Wirtschaftsgut und ob aus Sichtweise der Konsumenten oder aus der Perspektive des Unter-nehmens geurteilt wird.

Die Diskussionen zwischen den Verfech-tern der Offenheit und den Befürwortern der Geschlossenheit sind, wie in der Presse, in User-Communities, Technologieblogs und im Rahmen der politischen Debatte geführt, in zunehmendem Maße von Grabenkämpfen und Polemik geprägt. So bedeutend diese Konzepte in einer Welt der Smartphones, Appstores, Netzwerke, Content-Plattformen und dem öffentlichen Internet insge-samt auch sind, so wenig Klarheit und Überein-

In Wahrheit ist wohl jedes Un-ternehmen offen und geschlossen. Entscheidend dabei sind das jeweili-ge Wirtschaftsgut und ob aus Sicht-weise der Konsumenten oder aus der Perspektive des Unternehmens geur-teilt wird.

stimmung besteht hinsichtlich der eigentlichen Bedeutung der Begriffe „offen” und „geschlossen“. Geht es dabei um Konsumentensicht oder doch eher um geschäftliche Zusammenhänge?

Dreht sich die Diskussion um den Zugang zu öffentlichen Informationen im Web, um die Verfügbarkeit und Portabilität von Inhalten, die Interoperabilität von Geräten und Plattformen oder um den Zugang zur Infrastruktur und die Wahl der Diensteanbieter? Oder geht es ganz einfach nur darum, etwas kostenfrei herzuge-ben? Es gibt zahlreiche Beispiele über offene und geschlossene Systeme und Geschäftsmodelle in der aktuellen öffentlichen Debatte und in Zei-tungsartikeln. Überall wird die asymmetrische Wahrnehmung von Offenheit deutlich wie auch die Tatsache, wie sehr diese vom eingenommenen Standpunkt abhängt.

Debatte über offene Plattformen

Beim Thema Offenheit gehen die Meinungen bei der geplanten Internet-TV-Plattform YouView (zuvor bekannt als Project Canvas) weit auseinander. YouView ist eine In-itiative im Vereinigten Königreich, die sich den Aufbau einer Fernsehplattform im Internet auf der Grundlage gemeinsamer offener Standards zum Ziel gesetzt hat. Die Partner bei diesem Projekt, u. a. ITV, BBC und die British Telecom, wollen die neue Plattform wie auch Content-, Dienste- und Entwickler-Communities bei den Konsumenten vermarkten. Set-Top-Boxen, d. h. zusätzliche Empfangsgeräte, deren Konstrukti-on auf den offenen technischen Normen von YouView basiert, werden den Zugang zu einer Reihe von Drittanbieterdiensten über eine ein-heitliche Nutzerumgebung ermöglichen. Kriti-ker wie BSkyB und Virgin Media werfen dem Projekt vor, dass durch die Beteiligung der BBC öffentliche Gelder für die Schaffung einer leis-tungsstarken und wettbewerbsfähigen Platt- 2 Telekom erhöht Druck auf Kabelnetzbetreiber, Welt Online, 8. Februar 2010

form im gerade aufkommenden Bereich des IPTV anstatt eines wirklich offenen Dienstes für die Konsumenten verwendet werden. Wei-terhin wird behauptet, dass das tatsächliche Ziel der Kapitalgeber darin bestehe, restriktive technologische Standards für die Set-Top-Box zu entwickeln und sich gleichzeitig der Intero-perabilität mit den Geräten von dritten Partei-en wie beispielsweise den Set-Top-Boxen von Sky und Virgin in den Weg zu stellen. So heißt es in einer Presseerklärung von Virgin Media: „Die Partner bei Canvas haben ihren einstigen Anspruch, offene Standards zu schaffen, die von jedem verbessert werden können, längst preisgegeben und sind mittlerweile fest ent-schlossen, jeden Aspekt darüber zu kontrol-lieren, welche Fernsehgewohnheiten Leute haben.”

Debatte über offenen Zugang

Die Asymmetrie zwischen den Netzen, die aufgrund gesetzlicher Bestimmungen offen sind (‚offen’ bedeutet in diesem Fall, dass ein Vorleistungszugang oder physischer Zugang für dritte Internetdienstanbieter gewährt wer-den muss) und den geschlossenen Netzen, wird in der öffentlichen Debatte und innerhalb der Regulierungsbehörden kontrovers diskutiert. Offene Marktakteure, wie zum Beispiel die eta-blierten Telekommunikationsbetreiber, einige mit staatlicher Beihilfe finanzierte FTTH-Be-treiber und Internetdiensteanbieter plädieren für eine Öffnung der Kabelnetze im Sinne der Konsumenten und des Wettbewerbs. Der Chef der Deutschen Telekom René Obermann for-dert, dass „Kabelnetzbetreiber, die die breitban-dige Verkabelung in den Häusern vorgenom-men haben, auch dem Wettbewerber Zugriff ermöglichen sollten”.2 In ihren Mitteilungen

an die Politik und die Konsumenten kritisie-ren einige „offene“ Marktteilnehmer, dass die geschlossenen Geschäftsmodelle der Kabelbe-treiber Innovation und Auswahl einschränken. Andererseits kann jedoch auch angeführt wer-den, dass der Wettbewerb in Märkten mit einer hohen Präsenz von Kabelanbietern zu höchsten Niveaus der Breitbandpenetration und größten Breitbandgeschwindigkeiten geführt hat. In Ländern wie den Niederlanden, in denen zwei oder mehrere Netzwerke auf asymmetrischer Grundlage in Wettbewerb zueinander treten, ist der Grad der Innovation sehr hoch und End-nutzern stehen sehr hohe Internetgeschwin-digkeiten zu günstigen Preisen zur Verfügung. Weiterhin gilt der Infrastrukturwettbewerb als bestes Mittel zum Schutz eines offenen öffentlichen Internets und zur Verhinderung von diskriminierenden Vorgehensweisen beim Traffic-Management in Breitbandnetzen. Denn durch diesen Wettbewerb können Kunden den offensten Netzwerkanbieter wählen, um die für sie beste Qualität und Auswahl bei on-line verfügbaren Inhalten und Webdiensten in Anspruch zu nehmen.

Debatte über offene Geschäftsmodelle

Bei der Meinungsbildung über offene und geschlossene Systeme greift man gern auf Google als Beispiel zurück. Der Gigant im Bereich Internetsuche und Onlinewerbung de-finiert die eigene Offenheit im Hinblick auf ihre Technologie und die Behandlung ihrer Nutzer-daten. Google behauptet, dass der Erfolg des Unternehmens durch das offene Geschäfts-modell ermöglicht wird, weil es auf einem Ver-ständnis davon basiert, mit welcher Geschwin-digkeit sich der Wandel im Internet vollzieht und dieses Wissen für die Herstellung innova-

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Part 1

Teil 1DEFINITION VON OFFENHEIT

3 „The Meaning of Open” von Jonathan Rosenberg, Senior Vice President, Produktmanagement, Google Inc., 2009 4 „Is Google More Open than Apple?“ von Prof. Thomas W. Hazlett, Financial Times, 15. Juli 2010.

tiver Produkte genutzt wird. Nach Einschät-zung des Vizepräsidenten von Google stellt sich die Ausgangssituation so dar: „Offene Systeme sind chaotisch und profitabel, aber nur für die-jenigen, die sie gut genug verstehen und sich schneller als alle anderen nach vorn bewegen.“3 Andere sehen Google in einem ganz anderen Licht und äußern eher Besorgnis über die im-mer stärker werdende Position des Unterneh-mens bei der Onlinesuche und im Bereich der Onlinewerbung. Thomas Hazlett, Professor für Recht und Wirtschaft an der George Mason University, pflegt es so zu formulieren: „Eine offene Plattform hat nicht alleine die Macht“. Google setzt einen Preis für den Zugang zu seiner Maschine fest – mit seinen geschützten Datenbanken, geheimen Algorithmen und dem privaten globalen Übertragungsnetzwerk – um den Unternehmensgewinn zu maximieren.“4

Die häufigen Unterschiede bei der wahr-genommenen Offenheit von Wirtschaftsgütern, Geschäftsmodellen und selbst Unternehmen er-schweren eine strukturierte Untersuchung der relativen Tugenden der Offenheit. Im Bereich Mar-keting, in politischen Mitteilungen und Nachrich-tenartikeln unternehmen selbsternannte „offene“ Betreiber regelmäßig den Versuch, vermeintliche „geschlossene“ Akteure in die Defensive zu drän-gen, indem sie die Geschlossenheit von einigen ihrer Wirtschaftsgüter unter Beschuss nehmen. Die geschlossenen Betreiber verweisen daraufhin auf den hohen Kundennutzen ihrer geschlossenen Produkte. Das Problem liegt in der Vorstellung, dass Unternehmen in der Praxis nur entweder vollständig offen oder vollständig geschlossen sein können. Solche Debatten und Vorstellun-gen werfen unweigerlich die Frage danach auf, was mit Offenheit eigentlich gemeint ist. In ei-ner konvergierten Umgebung von Medien und

Telekommunikation wird aus der Beantwortung dieser Frage ein zunehmend komplexer und vor allem wichtiger Sachverhalt. Das Zusammenspiel von konvergierten Geräten, globalen Plattformen, Inhaltsrechten, Suchmaschinen, Onlineaggregato-ren und Distributionsnetzwerken macht es macht es fast unmöglich, den Überblick zu bewahren, wenn man wissen will, was wirklich offen oder ge-schlossen ist und welche Bedeutung diesem Um-stand zukommt.

Viele der Diskussionen zu den Themen, die aktuell bei zahlreichen Interessensgruppen aus der Branche und Politik im Vordergrund stehen, kön-nen von einer einheitlicheren Definition und einer objektiven Diskussion des Thema in entscheiden-dem Maße profitieren. Als Antwort darauf führt diese Studie eine Definition und ein Modell für eine stärker strukturierte Untersuchung von Offenheit an. Dabei können Antworten auf die fol-genden Fragen gegeben werden:

• Wie offen oder geschlossen sind die ver-schiedenen Geschäftsmodelle und Unterneh-men wirklich?

• Ist es die Offenheit oder die Geschlossenheit, die einen größeren Nutzen für Wertschöp-fung und Innovation mit sich bringt?

• Wie gestaltet sich die Entwicklung der Of-fenheitsgrade und welche Bedeutung hat dies für die verschiedenen Anspruchsgruppen in den verschiedenen Branchen?

Der Ursprung der Schwierig-keiten liegt in der Vorstellung, dass Unternehmen in der Praxis nur ent-weder vollständig offen oder kom-plett geschlossen sein können.

Offenheit entlang der Wertschöp-fungskette

Im gegenwärtigen multimedialen Kon-vergenzraum agiert kein moderner kommerziel-ler Branchenteilnehmer ausschließlich innerhalb der Grenzen seines Kernsegments der digitalen Wertschöpfungskette. Neben den Kernaktivitäten in der Übermittlung von Signalen betätigen sich Netzbetreiber auch im Bereich der Inhaltsag-gregation, der technischen Plattformen und des Einzelhandels. Private und öffentlich-rechtliche Sender haben im Netz eigene Plattformen für die Inhaltsaggregation und Video-on-Demand-Plattformen eingerichtet. Zeitgleich sind Geräte-hersteller auch in die Aggregation eingestiegen und setzen digitalen Content ab. Daher kann sich eine Diskussion über Offenheit im Kontext von Wettbewerb, Wertschöpfung und Innovati-on nicht mit singulären Beobachtungen zu ein-zelnen Abschnitten der Wertschöpfungskette in der Branche zufriedengeben. Vielmehr bedarf es einer ganzheitlichen Betrachtung der Aktivitäten an den verschiedenen Stufen der Wertschöpfung, d.h. einer Perspektive, die die gesamte Wert-schöpfungskette in den Blick nimmt.

Daher kann sich eine Diskussion von Offenheit im Kontext von Wett-bewerb, Wertschöpfung und Innova-tion nicht mit singulären Beobach-tungen zu einzelnen Abschnitten der Wertschöpfungskette in der Branche zufriedengeben.

Bei konsequenter Untersuchung der Of-fenheit von Wirtschaftsgütern entlang der ge-samten Wertschöpfungskette zeigt sich ein Bild, das ein differenzierteres Verständnis der tatsäch-lichen Offenheit der Geschäftsmodelle möglich werden lässt. Mithilfe dieser differenzierten Be-trachtungsweise wird bald klar, dass bei den Of-fenheitsprofilen einer Mehrzahl der Unternehmen unterschiedliche Grade anzutreffen sind. Alle Ge-schäftsmodelle drehen sich um die Kombination

von Gütern, die in Abhängigkeit von der Rolle des Gutes und der eingenommenen Perspektive über unterschiedliche Offenheitsgrade in den ver-schiedenen Segmenten der Wertschöpfungskette verfügen. Der strategische Vorteil, der von den Eigentümern für die eigenen Schlüsselgüter ge-schaffen wird, ist eine der Vorbedingungen für die Wertschöpfung. Diese Vorteilspositionen werden mit Hilfe von wirtschaftlichen, inhaltlichen oder technischen Bedingungen durch den Eigentümer abgesichert gegenüber dritte Parteien und Kun-den, die Zugang zu diesen Gütern erhalten wollen.

Für eine bessere Strukturierung der Dis-kussion über Offenheit berücksichtigt das vor-geschlagene Modell zwei wesentliche Dimen-sionen, die für eine ganzheitliche und objektive Betrachtung des Themas unerlässlich sind:

• Die Dimension der Wertschöpfungskette: eine ganzheitliche Betrachtung der Wertschöp-fungskette für Medien und Telekommunikation mit sämtlichen Gütern, die für die Erstellung, die Distribution und den Absatz von Produkten und Diensten eingesetzt werden. Hierunter fal-len zum Beispiel das geistige Eigentum, Aggre-gierungsplattformen, Übertragung und Geräte.

• Die Dimension der Offenheit: eine Definition des Begriffes ‚Offenheit’ im Hinblick auf den Grad des Zugangs dritter Parteien zu einem bestimmten Gut, welches sich nicht in deren Eigentum befindet. Dabei ist der Zugang als die Fähigkeit zur Nutzung eines Gutes für die Errei-chung von Geschäftszielen zu verstehen.

Die Dimension der Wertschöpfungskette

In jeder beliebigen Branche werden Ein-nahmen und Gewinne auf der Grundlage des Ei-gentums von bestimmten Gütern, einschließlich von physischen Gütern, geschützter Technologie und geistigem Eigentum, erzielt. Die Partei, die Eigentümer des Wirtschaftsgutes ist, kann ande-ren Marktteilnehmern oder Konsumenten Zugang

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Part 1

Teil 1DEFINITION VON OFFENHEIT

Abbildung 1.1

Schlüsselgüter

entlang der

Wertschöpfungskette

Inhalts- erstellung

• Technische Ressourcen

• Gewerbliche Schutz- und Urheberrechte und Produktionsrechte

• Datenformate

• Entwicklungstools

• Übertragungsnetz • TV, PC, Smartphone

• Set-Top-Box, Konsole

• Basistechnologie

• Vertriebskanäle

• Marke

• Nutzerdaten

• Nutzungsdaten

• Distributionsrechte

• Aggregationstechnologie

• Publikumsplattform

Inhalts- aggregation Übertragung Technische

Plattform/GerätMarketing/ Vertrieb

zu diesem gewähren. Das hat natürlich seinen Preis. Der Produzent eines Filmes kann einem Fernsehsender Zugang zu seinem Werk gewähren sowie das Recht, dieses seinen Kunden zu zeigen. Der Fernsehsender wiederum kann Zugang zu einem Kabelnetz erhalten, um dieses Werk an den Endkonsumenten zu übertragen. Um die Produk-te und Dienste zum Endkonsumenten zu bringen, sind sämtliche Unternehmen auf den Zugang zu Gütern anderer Unternehmen angewiesen. Musik braucht ein Gerät, das sie abspielt, Aggregatoren brauchen Inhalte, Videos einen Bildschirm und Daten ein Übertragungsnetz. Für ein umfassendes Verständnis der unterschiedlichen Offenheits- grade bei Unternehmen in der Branche muss untersucht werden, was tatsächlich auf dem Weg von der Entstehung einer Idee bis zum Verkauf des Produkte an den Endkonsumenten geschieht und welche Güter daran beteiligt sind.

Die Dimension der Wertschöpfungsket-te im Modell geht daher von einer allgemeinen Wertschöpfungskette für die Medien- und Tele-kommunikationsbranche aus, bei der fünf Phasen der Wertschöpfung mit den an der jeweiligen Pha-se beteiligten Gütern unterschieden werden (siehe Abbildung 1.1).

Der Grad der Offenheit der Schlüsselgüter, der für die Herstellung und Bereitstellung von Pro-dukten und Diensten notwendig ist, kann für jede Stufe der Wertschöpfungskette definiert werden.

Die folgende Liste enthält ausgewählte Schlüssel-güter für das Fernsehen sowie Sprach- und Daten-kommunikation. Die Kenntnis der für jede Stufe der Wertschöpfungskette relevanten Güter ist für die Diskussion der verschiedenen Offenheitskons-tellationen von grundlegender Bedeutung.

• Zu den Gütern für die Inhaltserstellung zäh-len sowohl Ressourcen für die technische Pro-duktion und die Entwicklungstools, die für die Erstellung von Videos, Filmen, Musik, Nachrich-ten, Anwendungssoftware oder sonstigen In-halten benötigt werden, wie auch die zugehö-rigen gewerblichen Schutz- und Urheberrechte. Beispiele hierfür sind die Filmproduktionsrech-te für ein Buch, Umgebungen für die Entwick-lung von Software und nutzererstellte Inhalte.

• Zu den Gütern für die Inhaltsaggregation gehören Distributionsrechte, Aggregationstech-nologie und -plattformen, die Aggregatoren zur Bereitstellung für die Endnutzer aufbauen können. Beispiele hierfür sind lineare Aggregati-onsplattformen (Fernsehsender), Onlinecontent-Plattformen oder Suchmaschinen.

• Unter die Güter für die Übertragung fallen Mechanismen für die Übertragung von Fern- sehinhalten, Sprachkommunikationssignalen und sonstigen Daten an die Endnutzer. Im Be-reich der materiellen Güter (Netzhardware) zählen Kabelnetzunternehmen, Satellitenunter-

nehmen, etablierte Telekommunikationsunter-nehmen, DSL- und Fasernetzbetreiber, mobile Netzbereiter und DTT-Multiplex-Betreiber zu den Eigentümern dieser Güter.

• Die Güter in der Gruppe der technischen Plattformen und Geräte ermöglichen Nutzern den Empfang von Fernseh- und Dateninhalten und die Kommunikation untereinander. Dazu gehören Gegenstände wie Fernsehgeräte, Com-puter, Festnetzgeräte und Mobilgeräte, Smart-phones, Tablets und Begleitgeräte wie Set-Top-Boxes (STBs), einschließlich Spielekonsolen.

• Zu den Gütern im Bereich Vertrieb und Mar-keting gehören Vertriebskanäle, Marken, sowie Kundendaten zu Nutzung und Demografie oder Zahlungsinformation. Hierunter fallen auch di-gitale Handelsplattformen und physische Ver-kaufsstellen.

Die Dimension der Offenheit

Mithilfe dieser ganzheitlichen Übersicht über die verschiedenen Stufen der Wertschöp-fungskette und der verschiedenen dafür rele-vanten Güter kann eine Analyse ihrer Offenheit vorgenommen werden. Am logischsten erscheint dabei eine Bewertung der Offenheit im Hinblick auf den Grad, in dem ein Unternehmen Zugang

Am logischsten erscheint dabei eine Bewertung der Offenheit im Hin-blick auf den Grad, in dem ein Unter-nehmen Zugang zu einem bestimm-ten Gut erhalten kann, das es für sein Geschäftsmodell benötigt und welches sich aber im Eigentum eines anderen Unternehmens befindet.

Abbildung 1.2

Offenheitsgrad

eines Gutes

Vom Eigentümer des Gutes festgelegte Zugangsbedingungen für eine oder mehrere der folgenden Dimensionen

• Wirtschaftliche Bedingungen• Produkt- und dienstspezifische Bedingungen• Technische Bedingungen

Fehlen von Bedingungen für die (gewerbliche) Nutzung von Gütern im Eigentum einer anderen Partei

Gra

d de

r Off

enhe

it

Offen

Geschlossen Kein Zugang zum Gut für dritte Parteien

zu einem bestimmten Gut erhalten kann, das es für sein Geschäftsmodell benötigt und welches sich im Eigentum eines anderen Unternehmens befindet. Die meisten der Güter weisen unter-schiedliche Offenheitsgrade in Abhängigkeit der vom Eigentümer bestimmten Zugangsbedingun-gen für dritte Parteien auf.

Die drei grundlegenden Aspekte der Zu-gangsbedingungen sind die wirtschaftlichen Bedingungen, wie zum Beispiel der Preis, die Produkt- und dienstspezifischen Bedingungen (einschließlich des Inhalts) und die technischen Be-dingungen, wie unter anderem die Entwicklungs-umgebungen. Diese Bedingungen können einzeln oder in Kombination bestimmt sein. Abhängig ist dies von den mit dem Geschäftsmodell des Eigen-tümers des Gutes zwingend einhergehenden Er-fordernissen und strategischen Zielstellungen so-wie dem Umstand, ob es sich bei der dritten Partei, die Zugang erlangen will, um einen Konkurrenten

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2827 |

Part 1

Teil 1DEFINITION VON OFFENHEIT

oder einen Geschäftspartner handelt. Der Grad der Offenheit eines Gutes kann als Ansammlung von Zugangsbedingungen bestimmt werden. Umfang-reiche Zugangsbedingungen resultieren in einem geringen Grad der Offenheit, während liberale Be-dingungen für einen hohen Offenheitsgrad stehen (siehe Abbildung 1.2, Seite 26). Diese Analyse lässt erkennen, dass vollkommene Offenheit als kom-plettes Fehlen von Bedingungen, die den Zugang einschränken, zu verstehen ist, wohingegen eine vollständige Geschlossenheit bei einer Gruppe von Bedingungen vorliegt, die dritten Parteien jegli-chen Zugang zum Gut verwehrt.

Das Betriebssystem Linux ist ein gutes Bei-spiel für ein Gut mit einem sehr hohen Grad an Of-fenheit. Die Veröffentlichung des Systems erfolgte unter einer Open-Source-Lizenz. Die Software Li-nux kann nach freiem Ermessen und kostenfrei als Grundlage für jegliches gewerbliche Softwarepro-dukt verwendet werden. Die Bedingungen für den Zugang zu diesem Gut sind sehr gering. Daher steht dieses Produkt auf der Offenheitsskala ganz weit oben. Im Gegensatz dazu ist das Betriebssys-tem OSX von Apple am anderen Ende der Offen-heitsskala einzuordnen. Anders als bei Linux haben

5 Bitte lesen Sie den Anhang zur Methodik für weitere Einzelheiten über die Definitionen zum Modell.

dritte Parteien keinen direkten Zugang zu diesem Gut. Niemand außerhalb von Apple hat Einblick in den Quellcode oder kann diesen bearbeiten. Die Zugangsbedingungen sind also sehr hoch und dieses Gut muss somit am unteren Ende der Of-fenheitsskala eingeordnet werden.

Zwischen diesen beiden Extremen bewe-gen sich die verschiedenen Grade der Offenheit, die für die Mehrzahl der Güter im Hinblick auf die drei oben erwähnten Arten von Bedingungen gelten: die wirtschaftlichen Bedingungen, die pro-dukt- und dienstspezifischen Bedingungen sowie die technischen Bedingungen.5

Anwendung des Modells

Mit seiner Aufgliederung der Wertschöp-fungskette im Zusammenhang mit der Offenheit der Güter kann das Modell zur Analyse der Of-fenheitskonstellationen auf die gesamte Wert-schöpfungskette angewandt werden. Die allge-meine Wertschöpfungskette für digitale Medien wird ausgehend von der Inhaltserstellung bis hin zu Marketing und Vertrieb im Vergleich zum Grad der Offenheit der in ihr enthaltenen Güter

Abbildung 1.3

Das Offenheitsmodell

Offenheit der verschie-denen Güter Vertikale Schieberegler für die Anzeige der unter-schiedlichen Offen-heitsgrade, die von den Unternehmen entlang der Wertschöpfungsket-te festgelegt werden

Allgemeine branchenübliche Wertschöpfungskette für Medien- und Kommuni-kationsmärkte, die die Schlüsselgüter für jeden Abschnitt erfasst

Inhalts-erstellung

Inhalts-aggregation Übertragung Technische

Plattform/GerätMarketing/ Vertrieb

Geschlossen

Gra

d de

r Off

enhe

it

Offen

dargestellt; dieser Grad ergibt sich aus den ver-schiedenen Bedingungen, die der Eigentümer des Gutes für den Zugang zu diesem festlegt (siehe Abbildung 1.3, Seite 27). Jeder einzelne Schiebe-regler steht für ein Gut - ein Netz, ein Gerät, eine spezielle Software oder eine Verkaufsstelle - die an einer bestimmten Stelle innerhalb der Kette zur Wertschöpfung verwendet wird.

Normalerweise können die Eigentümer für geschäftliche Zwecke einen bestimmten Grad der Offenheit für die eigenen Güter bestimmen, indem sie eine oder mehrere Bedingungen an deren Nutzung knüpfen. Der Offenheitsgrad eines Gutes kann jedoch auch durch Faktoren bestimmt werden, die sich der Kontrolle des entsprechenden Eigentümers entziehen. Ein Beispiel hierfür ist die Regulierung wie im Fall des angeordneten Zugangs für Sprachtelefonie- und Internetzugangsanbieter zu den Netzen der etablierten Telekommunika-tionsanbieter und der Übertragungspflichten für den Zugang von Fernsehsendern zu den Netzen der Kabelbetrei-ber oder der angeordneten Kompatibilität von Softwareprodukten. Sicherheitsüberlegungen zur Verhinderung von Manipulationen wie beispiels-weise durch Schadsoftware spielen bei der Ein-schränkung des Grades, in dem der Eigentümer eines Gutes die Entwicklungsumgebung für ein Betriebssystem oder einen Suchalgorithmus frei-gibt, natürlich auch eine Rolle.

Um eine Bewertung der Auswirkungen der verschiedenen Offenheitsgrade auf das Wert-schöpfungs- und Innovationspotenzial in einem bestimmten Markt vornehmen zu können, muss der strategische Vorteil, der in Zusammenhang mit einem Gut aufgebaut werden kann, in Be-tracht gezogen werden. Das mögliche Ausmaß

Der Offenheitsgrad eines Gu-tes kann jedoch auch durch Faktoren bestimmt werden, die sich der Kont-rolle des Eigentümers des betreffen-den Gutes entziehen.

des strategischen Vorteils wird unter anderem durch die Anzahl der Substitutionsalternativen bestimmt, die für das betreffende Gut zur Ver-fügung stehen, und durch die Anzahl der dritten Parteien, die auf einen Zugang zu diesem Gut angewiesen sind. Wenn ein Gut geschlossen, am Markt aber eine Vielzahl von gleichwertigen Al-ternativen vorhanden ist, so ist dieser Umstand für die Branche insgesamt nur von geringer Be-deutung. Ein strategischer Vorteil ist nur dann gegeben, wenn es einem Marktakteur gelingt, auf Grundlage eines Gutes einen Wettbewerbsvorteil zu erringen, zum Beispiel über die Produktqua-lität, die Dienstqualität oder die Kostenstruktur. Der strategische Vorteil ist daher für jeden Bran-chenteilnehmer das Fundament der Wertschöp-fung und im Wesentlichen abhängig von den Zugangsbedingungen für das betreffende Gut. Umfangreiche Zugangsbedingungen, die inhä-rent an ein Gut geknüpft sind, d.h. ein geringer Offenheitsgrad, werden nur dann problematisch, wenn diese eine Partei in die Lage versetzen, auf Grundlage ihrer Kontrolle über dieses entschei-dende Gut auch Kontrolle über weite Teile der Wertschöpfungskette auszuüben.

Die gleiche Art von Gütern kann unter der Kontrolle verschiedener Arten von Unterneh-men stehen und verschiedene Arten von dritten Parteien versuchen möglicherweise, Zugang zu einem bestimmten Gut zu erhalten. Die Set-Top-Boxen, mit denen Endnutzer beispielsweise Digitalfernsehen schauen können und Zugriff auf On-Demand-Dienste im Premiumbereich erhalten, können von Geräteherstellen, Kabelun-ternehmen, SAT-, IPTV- oder Pay-TV-Anbietern

Das mögliche Ausmaß des stra-tegischen Vorteils wird einerseits durch die Anzahl der Substitutionsalternati-ven bestimmt, die für das betreffende Gut zur Verfügung stehen, und ande-rerseits auch durch die Anzahl dritter Parteien, die auf einen Zugang zu die-sem Gut angewiesen sind.

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3029 |

Part 1

Teil 1DEFINITION VON OFFENHEIT

Das Modell und die bereits erläuterten De-finitionen bieten eine Grundlage für eine objektive Diskussion des Nutzens der verschiedenen Kons-tellationen in Sachen Offenheit und der Vorteile einer Änderung des Grades der Offenheit entlang der Wertschöpfungskette. In seiner einfachsten Form kann das Modell anhand des allgemein be-kannten Beispiels der in den vergangenen Jahren vorherrschenden Offenheitsdebatte verdeutlicht werden. Diese drehte sich um die Regulierung der Übertragungsnetze der etablierten Telekommuni-

Google Android: Ein Gut, viele Offenheitsgrade

Das Android-Betriebssystem wird als of-fenes System für Anwendungen der Entwickler-Community positioniert, da keine exklusiven Produktionsbedingungen für Anwendungen auf der Plattform von Android auferlegt wer-den und niemand auf strengen Bedingungen für die Genehmigung von Inhalten beharrt wie z.B. bei Apple. Dennoch gibt es eine Reihe von Einschränkungen, an die sich die Hersteller und Anbieter von Handgeräten für Android halten

Abbildung 1.4

Die Öffnung der Netze

der etablierten Telekom-

munikationsunternehmen

für den Vorleistungszugang

für dritte Parteien

Vorher Nachher

Inhalts- erstellung

Inhalts-aggregation Übertragung Technische

Plattform/GerätMarketing/ Vertrieb

Gra

d de

r Off

enhe

it

Offen

Geschlossen

Übertragungs-netz

Übertragungs-netz

Abbildung 1.5

Änderungen beim Zugang

von dritten Softwarean-

bietern zum Betriebssystem

Windows durch Regulierung

Inhalts-erstellung

Inhalts-aggregation Übertragung Technische

Plattform/GerätMarketing/ Vertrieb

MS Windows

Gra

d de

r Off

enhe

it

Offen

Geschlossen

Vorher Nachher

MS Windows

kontrolliert werden. Dabei kann jede dieser Partei andere Bedingungen für den Zugang durch dritte Parteien festlegen.

Im Bereich der Daten zählen zu den Eigen-tümern, die die Netzübertragung kontrollieren, bei-spielsweise Kabelunternehmen, etablierte Telekom-munikationsunternehmen, Glasfasernetzbetreiber und Mobilnetzbetreiber; zu den dritten Parteien, die hierzu Zugang suchen, zählen Internetdienstanbie-ter, die den Internetzugang an die Konsumenten weiterverkaufen sowie Anbieter von Onlinediensten wie zum Beispiel Onlinehändler oder Anbieter im

kationsanbieter und die sich hieraus ergebenen Veränderungen bei der Offenheit (siehe Abbildung 1.4, Seite 29). Aus dem Modell geht hervor, dass die etablierten Netzwerkbetreiber offener wurden, indem sie dritten Parteien, zu bestimmten (Groß-handels-) Preisbedingungen, (entbündelten) Zu-gang gewährten. Eine vergleichbare Veränderung kann im Modell nach der Entscheidung der Eu-ropäischen Kommission für eine Offenlegung der vollständigen und genauen Dokumentation zur Schnittstelle durch Microsoft beobachtet werden. Mit dieser Entscheidung erhielten Arbeitsgruppen-server anderer Anbieter die Chance, eine vollstän-dige Interoperabilität mit Windows-Computern und -Arbeitsgruppenservern herzustellen (siehe Abbildung 1.5, Seite 30). Die Offenheitsgrade für Güter von Microsoft wurden erhöht und die Re-gelung gewährte dritten Softwareanbietern einen besseren Zugang zur Produktdokumentation und den Schnittstellen von Microsoft.

Bereich Videostreaming und webbasierte Innova-tionen, die die eigene Nutzergemeinschaft über einen offenen oder verwalteten IP-Zugang errei-chen. Das gleiche Gut kann daher je nach Empfän-ger, der Zugang erhält, verschiedene Offenheits- grade aufweisen. Um die Auswirkungen von Offen-heit auf ein bestimmtes Geschäftsmodell verstehen zu können, muss daher eine systematische Unter-suchung der Kombination des Grades der Offen-heit der verschiedenen Güter auf jeder Stufe der Wertschöpfungskette vorgenommen werden – und dies sowohl aus Blickrichtung der Unternehmen als auch aus Perspektive der Endnutzer.

müssen, mit denen ein einheitliches Nutzerer-lebnis für Android gewährleistet werden soll. Anbieter wie Mobilfunkbetreiber können Anwen-dungen und Merkmale hinzufügen, sie können sie aber nicht beliebig entfernen. Die Anbieter fügten vielmehr unterschiedliche Einschränkun-gen für die Merkmale von Android hinzu, um so unter anderem Manipulationen, beispielsweise für die Verwendung des Telefons als Modem, oder die Installation von konkurrierenden Spra-chanwendungen wie Skype zu unterbinden. In Wirklichkeit gibt es daher mindestens drei verschiedene Konstellationen bei der Offenheit

des Android-Betriebssystems – eine für die Ent-wickler, eine für die Betreiber und die, wie sie die Endkonsumenten erleben, für die Offenheit nicht gleich Grenzenlosigkeit bedeutet, da die Partner von Google unterschiedliche Bedingungen für die Nutzung der Geräte vorschreiben.

Mit der oben beschriebenen grundlegen-den Anwendbarkeit des Offenheitsmodells werden Änderungen bei der Offenheit von spezifischen Gütern zum Zwecke der Definition und die Erläu-terung des zugrundeliegenden Analyseansatzes verdeutlicht. Komplexere Konstellationen, Wech-selwirkungen und Änderungen können durch eine Aufnahme der verschiedenen Güter von un-terschiedlichen Unternehmen in das Modell und durch die Analyse ihrer Wechselwirkungen entlang

der Wertschöpfungskette abgebildet werden. In der Praxis unterliegen die Offenheitsgrade entlang der digitalen Wertschöpfungskette einer ständi-gen Weiterentwicklung, die sich parallel zu den dynamischen Entwicklungen am Markt vollzieht, angetrieben durch Wettbewerb, Technologie-sprünge und Konsumentendruck. Die Darstellung, die Besprechung und die Analyse der Auswirkun-gen dieser dynamischen Änderungen sind der Ge-genstand des folgenden Teiles der Studie.

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3231 |

Teil 2T2Teil 2DER WERT

DER OFFENHEIT

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3433 |

Teil 2

DER WERT DER OFFENHEITDER WERT DER OFFENHEITDER WERT DER OFFENHEITDER WERT DER OFFENHEIT – Welche Folgen kann Offenheit für Innovation und Wachstum haben?

Ist es möglich, dass ein allgemeiner offener Standard eine gesamte Branche in gerade einmal zehn Jahren von Null auf Einnahmen von $300 Mil-liarden schnellen lässt? Kann eine andere Art von Offenheit dafür sorgen, dass eine andere globale Branche im selben Zeitraum mehr als ein Drittel ih-res Wertes verliert? Schafft Offenheit mehr Wert als Geschlossenheit? Eine fundamentale Frage in der Debatte um Offenheit wird immer diejenige sein, die versucht Antworten darauf zu finden, wie Offenheit oder wie Geschlossenheit Werte für Unternehmen, Branchen und Konsumenten schaffen oder zerstö-ren kann. Verschiedene Arten von Offenheit können ganz unterschiedliche Wirkungen entfalten.

Während sich die Folgen von Offenheit für Branchen und Unternehmen ganz unterschiedlich gestalten können, kann man doch sagen, dass Un-ternehmen, die auf vollständige Offenheit setzen, keine nachhaltigen Werte und Wachstum gene-rieren können. Ist ein Geschäftsmodell vollstän-dig offen, so fehlt es ihm an dem für die Wert-schöpfung unerlässlichen strategischen Vorteil. Daher kann es nur auf der Grundlage von Spon-sorships, Spenden oder, wie dies bei der digitalen Piraterie zu beobachten ist, über von Diebstahl funktionieren. Sinnvolle Grade von Offenheit und Interoperabilität können jedoch für die Unter-nehmen und Konsumenten sehr von Nutzen sein. Dies zeigt sich in exemplarischer Weise auch bei der Wachstumsdynamik der heutigen Internet-wirtschaft. Geschäftsmodellen, die gemeinhin als geschlossen wahrgenommen werden, gelang es wiederholt, große wirtschaftliche Werte zu schaf-

Eine fundamentale Frage in der Debatte um Offenheit wird immer diejenige sein, die versucht Antwor-ten darauf zu finden, wie Offenheit oder wie Geschlossenheit Werte für Unternehmen, Branchen und Konsu-menten schaffen oder zerstören kann.

Nachdem die Konsumen-tentechnologie weit genug vo-ranschritten war, um eine Digi-talisierung, Vervielfältigung und Verbreitung über das offene Inter-net möglich werden zu lassen, war praktisch jedes Element der Wert-schöpfungskette offen zugänglich:

fen, die Innovation in der Branche ins Rollen zu bringen sowie einen hohen Kundennutzen zu er-zielen. In gleichem Maße können daher bei einer zu großzügigen Offenheit bestimmte Formen der Geschlossenheit durchaus auch negative Folgen für eine Branche haben. Dies ist der Fall, wenn der Wettbewerb durch übermäßige Einschränkungen am Zugang zu Schlüsselgütern gehindert wird oder wenn die strategischen Positionen von Un-ternehmen zu problematischen Kundenbindun-gen, sogenannten Lock-in-Effekten, ohne geeig-nete Handlungsalternativen führen. Ein Blick auf die sukzessive Ausprägung der Offenheit in den verschiedenen Sektoren der Medien- und Tele-kommunikationsbranche sowie deren Folgen für Wertschöpfung, Wachstum und Kundennutzen, kann dabei helfen, von dieser Dynamik ein besse-res Verständnis zu erlangen.

Opfer der Offenheit: Branchen im Niedergang

Empirische Belege lassen erkennen, dass es schwierig ist, in einer Umgebung der vollständi-gen Offenheit Werte und Wachstum zu schaffen. Wenn der Zugang zu Gütern ohne Bedingungen gewährt wird, können die negativen Auswir-kungen für eine Branche ein enormes Ausmaß erreichen. In den letzten zehn Jahren waren ins-besondere zwei Branchen von dieser Entwicklung betroffen: die Musik- und die Zeitungsbranche. Beide Branchen büßten die eigenen strategischen Vorteile ein und in der Folge dann auch einen beträchtlichen Anteil ihrer Einnahmen, da ihre Inhalte in digitale Formate übergingen. Vor dem Aufkommen der Digitalaufnahme und des Inter-nets operierte die Musikbranche in einem ziemlich geschlossenen Raum: Plattenfirmen wie EMI und Columbia kontrollierten weite Teil der Produktion und Aggregation der Inhalte. Bei der Distribution über Musikgeschäfte, beim Marketing und dem Vertrieb Ihrer Produkte spielten sie eine gewichtige

Rolle. Das einzige Verbindungsglied, das nicht ihrer Kontrolle unterstand, waren die Endnutzergeräte für das Abspielen der Platten, Kassetten und CDs. Nachdem die Konsumententechnologie aber weit genug vorangeschritten war, um eine Digitalisie-rung, Vervielfältigung und Verbreitung über das offene Internet möglich werden zu lassen, war praktisch jedes Element der Wertschöpfungsket-te offen zugänglich: Die Inhalte selbst konnten kostenfrei vervielfältigt werden, auch wenn dies vielleicht zum Zwecke der Verbreitung an Dritte

gesetzlich verboten war. Aggregiert über Peer-to-Peer-Netzwerke wie die Musikbörse Napster in ihrer ursprünglichen Form konnten die Inhalte frei über das Internet zirkuliert und problemlos auf Computern oder offenen MP3-Geräten abgespielt werden (siehe Abbildung 2.1). Die illegale Distri-bution von Musikinhalten war das unmittelbare Resultat der Unfähigkeit der Musikbranche, sich schnell eine neue Bastion in der digitalen Welt zu errichten, nachdem die strategische Position in der physischen Welt nicht mehr zu halten war.

Abbildung 2.1

Veränderung der Offenheits-

grade in der Musikbranche

beim Übergang vom Zeitalter

der Musikgeschäfte in der realen

Welt zum Napster-Zeitalter

Vorher Nachher

Inhalts-erstellung

Inhalts-aggregation Übertragung Technische

Plattform/GerätMarketing/ Vertrieb

Gra

d de

r Off

enhe

it

Offen

Geschlossen

1Piraterie Peer-to-Peer Peer-to-peer

Im Zeitalter der Musikgeschäfte in der re-alen Welt, also vor dem Jahr 1999, beliefen sich die Einnahmen auf etwa $40 Milliarden jährlich. Allesamt wurden sie offline erzielt. Während der Blütezeit von Napster und anderen Piraterieseiten bis zur internationalen Bereitstellung von iTunes im Jahr 2004 gingen diese offline erzielten Ein-nahmen um siebzehn Prozent auf jährlich $34

Milliarden zurück. Demgegenüber beliefen sich die online erzielten Einnahmen auf gerade einmal eine $1 Milliarde. Seither sind die offline erzielten Einnahmen weiter gefallen auf mittlerweile nur noch $20 Milliarden im Jahr. Aber die online er-zielten Einnahmen zogen wieder an und bewegen sich jetzt in der Größenordnung von $8 Milliarden (siehe Abbildung 2.2, Seite 35).

Der legale Onlineverkauf von Musik konn-te die durch den Technologiesprung und das Aufkommen einer sogenannten freien Online-kultur entgangenen offline erzielten Einnahmen keinesfalls kompensieren, aber er erbrachte den Beweis für die Tragfähigkeit einer etwas stärker geschlossenen Umgebung, die allen beteiligten Interessensgruppen reale Vorteile bietet. Der Er-folg von Apples iTunes spricht Bände darüber.

1Open IP PC/MP3

Plattenlabels / Veröffentlichung

Plattenlabels / Veröffentlichung

Plattenlabels/ Einzelhandel

Musik- einzelhandel

Plattenspieler oder CD-Player

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3635 |

Teil 2

DER WERT DER OFFENHEIT

Der legale Onlineverkauf von Musik konnte die entgangenen off-line erzielten Einnahmen keinesfalls kompensieren, aber er erbrachte den Beweis für die Tragfähigkeit einer etwas stärker geschlossenen Umge-bung mit echten Vorteilen, die allen beteiligten Interessensgruppen echte Vorteile bietet.

Apple schließt mit Musikunternehmen Verträge über die Aggregation und den Verkauf von Inhal-ten über die eigene Musikplattform. Dabei wird der Zugang zu diesem Gut durch unterschiedli-che Bedingungen geregelt (siehe Abbildung 2.3, Seite 36). Mit der Nutzung eines geschützten Verschlüsselungsstandards (AAC) stellt Apple si-cher, dass die Musikstücke nur auf Geräten von Apple oder mithilfe der Software iTunes von App-le auf Computern von Apple oder anderen PCs abgespielt werden können. Beim Vertrieb und Marketing gewährt Apple den Inhaltsproduzen-ten unter bestimmten Bedingungen und unter engmaschiger Kontrolle der eigenen Marke und Güter einen Zugang zur unternehmenseigenen Plattform iTunes. So wird zum Beispiel von Apple der Preis für ein Musikstück bestimmt, so dass eine differenzierte Preisgestaltung nicht möglich ist. Auch die Regeln für die digitale Rechtever-waltung wurden in der Vergangenheit vorgege-ben. Der Erfolg von iTunes basiert aber auch auf einem ausgesprochen hohen Maß an Offenheit, das die weit verbreitete Nutzung von illegalen Peer-to-Peer-Netzwerken so populär machte. Das offene Internet wird einfach für die Über-tragung der Musikdateien zu den Nutzern ver-wendet.

Quelle: IFPI; PwC

Abbildung 2.2

Entwicklung der Einnahmen

in der globalen Musikbranche

Physische Formate (CAGR: -7.0%)

Online/ mobil(CAGR: +31.0%)

Verwalteter elektronischer Vertrieb

0

40

30

20

10

(B$)

1999 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009

41

41 40

40 40

40

37

37

34

34

35

34

1

33

32

2

32

28

4

29

25

5

28

22

6

28

20

8

- 31%

Auch der Zeitungsbranche brachte die Ent-wicklung in Richtung einer größeren Offenheit Nie-derlagen bei, auch wenn es sich im konkreten Fall um eine Serie von Eigentoren handelte. Die Presse traf bewusst die Entscheidung, die eigenen Inhalte kostenfrei anzubieten und unterschätzte dabei voll-kommen die Auswirkungen des offenen Internets auf deren Geschäftsmodell. Die Zeitungen verstanden das Internet als ergänzenden Werbekanal, erkannten aber nicht den fundamentalen Wandel hin zum On-lineabruf von Inhalten, der vor ihren Augen gera-de in vollem Gange war. Niemand hatte mit dem schnellen und sich fortwährend beschleunigenden Rückgang bei den Zeitungsauflagen und Werbe-einahmen überhaupt gerechnet, als sich eine zu-nehmende Zahl von Konsumenten lieber dafür ent- schied, Nachrichten über Onlinekanäle zu beziehen.

Als sich die Branche ausgehend von einer relativ geschlossenen Aggregation und regionalen Distribution der Information ins digitale Zeitalter des Internets bewegte, wanderten die strategischen Posi-tionen im Zusammenhang mit den zentralen Gütern der Herausgeber im Bereich der Aggregation und Distribution zu anderen Teilnehmern in der Wert-schöpfungskette ab (siehe Abbildung 2.4, Seite 36).

Da die Inhalte über das Internet frei zugäng-lich wurden, waren Suchanbieter wie Google und Yahoo mühelos in der Lage, diese Informationen zu aggregieren und hierfür eigene Geschäftsmodelle abzubauen, die sich über Suche und Werbung finan-zieren. Schnell folgte die Gruppe der Werbenden sei-nen Zielgruppen in die virtuelle Welt und dezimierte damit die Haupteinnahmen der Zeitungsbranche ein weiteres Mal. Besonders dramatisch verlief die

Entwicklung in den Vereinigten Staaten, wo die Ein-nahmen im Zeitraum von 2004 bis 2009 um ganze 34 Prozent von $59 Milliarden auf $39 Milliarden absanken. In Europa konnte man den gleichen Trend beobachten. Hier jedoch war der Verlauf aufgrund einer stärker ausgeprägten Affinität zu den Printme-dien und stabileren Einnahmen aus Abonnementver-trägen in einigen Ländern nicht ganz so gravierend. Im Vereinigten Königreich waren es 21% und in Ita-lien 11% der Einnahmen, die wegbrachen. In anderen großen Märkten der Printmedien vermeldete man eine etwas bessere Stabilität. Als Reaktion auf diesen dramatischen Rückgang der Einnahmen haben eini-ge Medienunternehmen den Versuch unternommen, erneut eine strategische Position bei den eigenen Nachrichteninhalten aufzubauen und knüpfen nun bestimmte Bedingungen an den Zugang zu ihren exklusiven Nachrichteninhalten.

Abbildung 2.3

Veränderung der Offenheits-

grade in der Musikbranche

beim Übergang vom Napster-

Zeitalter zum iTunes-Zeitalter

Inhalts-erstellung

Inhalts-aggregation Übertragung Technische

Plattform/GerätMarketing/ Vertrieb

Gra

d de

r Off

enhe

it

Offen

Geschlossen

1

iPod

AAC- Verschlüsselung iTunes iTunes

Piraterie Peer-to-peer

Vorher Nachher

Abbildung 2.4

Änderung der Offenheitsgrade

in der Zeitungsbranche beim

Übergang vom Zeitalter der

Printmedien zum Zeitalter

der Onlinemedien

Inhalts-erstellung

Inhalts-aggregation Übertragung Technische

Plattform/GerätMarketing/ Vertrieb

Gra

d de

r Off

enhe

it

Offen

Geschlossen

1Open IP IP-fähige Geräte

Blogger, Websites etc.

Online- Plattformen

Online- Aggregatoren

Zeitungen Zeitungen ZeitungenBedrucktes Papier

Regionale Distribution

Vorher Nachher

Peer-to-Peer Open IP PC/MP3

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Teil 2

DER WERT DER OFFENHEIT

Konkret geschah dies mit der Einführung eines kostenpflichtigen Zugangs zu den eigenen Onlineangeboten für Endnutzer, wobei das Abonne- ment häufig Vorbedingung für den Zugriff auf Premiuminhalte war. In Europa hat sich die Zei-tungsbranche zum Beispiel auch für die Erhebung von territorialen Urheberrechtsgebühren bei den Aggregatoren von Online-Nachrichten, die Auszah-lung von Anteilen an den Suchmaschineneinnah-men sowie alternative Ausgleichszahlungen durch die Internetdiensteanbieter stark gemacht. Das Wall Street Journal ist eines der wenigen Unternehmen, dem es in Ansätzen gelang, mit dem Aufbau eines Stammes von Onlineabonnenten erfolgreich zu sein. Zusätzlich zu den 2,1 Millionen Kunden im Printbereich konnte man 400.000 Kunden bei den Onlineinhalten gewinnen. Dennoch geht man aber davon aus, dass die Einnahmen aus neuen Abo-Modellen die für die nächsten Jahre vorhergesagten Auflagenrückgänge nicht ausgleichen werden.

Die Zeitungsbranche ist noch immer auf der Suche nach dem richtigen Maß an Offenheit, mit dem sie den Nutzern in einer wirtschaftlich nachhaltigen Weise Zugang zu den eigenen Gütern gewähren kann. Die jüngste bedeutende Anstren-gung in diesem Bereich wurde Ende November 2010 bekannt. Apple und die News Corporation

Abbildung 2.5

Entwicklung der

internationalen

Zeitungsmärkte

2004 – 2009

Quelle: OECD, The Evolution of News and the Internet, 2010

4.75.27.3

14.013.0

23.5

59.0

4.65.16.5

11.012.5

18.5

38.0

0

60

(B$)

50

40

30

20

10

USA Japan Deutschland Vereinigtes Königreich

Italien Frankreich Spanien

- 2%- 2%- 11%

- 21%- 4%

- 21%

- 34%

2004 2009

arbeiten gemeinsam an einer neuen Generation der Zeitungen, die speziell auf Tablets wie das iPad zugeschnitten sind. Die Abo-Ausgaben werden da-bei weder in gedruckter Form noch im Internet zur Verfügung stehen. Der einzige Weg zu ihnen führt über eine Abo-Anwendung auf den Tablet-Geräten. Die Revolution auf dem Gebiet der mobilen und in-telligenten Geräte gilt vielen als große Chance für das Verlagswesen, um endlich Abstand zu gewin-nen von der freien Kultur des öffentlichen Internets. Die Konsumenten scheinen bereit zu sein, für Inhal-te und Anwendungen auf Smartphones und Tablets auch Geld zu zahlen. Die Printmedien bemühen sich daher, es der Musikbranche gleichzutun und die be-reits skizzierte Verlagerung im Bereich der Offenheit ein zweites Mal stattfinden zu lassen. Daher unter-nimmt man dort gerade den Versuch, vom „Online-zeitalter“ ins Zeitalter der „mobilen Anwendungen“ zu gelangen.

Die Printmedien bemühen sich daher, es der Musikbranche gleichzutun und die bereits skizzierte Verlagerung im Bereich der Offenheit ein zweites Mal stattfinden zu lassen. Daher unter-nimmt man dort gerade den Versuch, vom „Onlinezeitalter“ ins Zeitalter der „mobilen Anwendungen“ zu gelangen.

Der Anteil am BIP ist damit größer als beispielsweise jener der Bau-, Transport- oder Energieversor-gungsbranche.

Offene Standards – ein Wachs-tumsturbo für Technologie und Kommunikation

Trotz einiger Kollateralschäden der Offenheit, wie sie in der Musik- und Zeitungsbranche zu beob-achten sind, münden nicht alle Formen der Offenheit in einer Zerstörung von Werten. Ganz im Gegenteil dazu sind einige Formen der Offenheit für Unter-nehmen, Branchen und Konsumenten von großem Nutzen gewesen. Von vielen offenen und interope-rablen Standards ging eine sehr positive Wirkung auf die Technologiebranchen, das Internet und die Informations- und Kommunikationstechnik aus.

Der breite Zugang zu und der Einsatz von Standards wie dem Internetprotokoll (IP), dem Übertragungskontrollprotokoll (TCP) und dem Hypertextkontrollprotokoll (HTTP) hat ein enor-mes Wachstum der Internetwirtschaft ins Gang gesetzt und eine Vielzahl innovativer webbasierter Geschäftsmodelle entstehen lassen. Die Interope-rabilität von geschützten Internetdiensten hatte eine stetig wachsende Wertschöpfung zur Folge, da die Zahl der Menschen und Unternehmen, die Dienste entwickeln, nutzen und zusammenführen in exponentiellem Maße anstiegen ist.

Der Wert dieser offenen Standards lässt sich nicht auf einfachem Wege beziffern. Aber ihre fundamentale Bedeutung zeigt sich in der Anzahl der Menschen, die das Internet nutzen. Deren Zahl nähert sich gegenwärtig weltweit der Marke von zwei Milliarden. Ein Viertel dieser Menschen lebt in Europa. Dabei ist dieser Anteil viermal so groß wie noch vor zehn Jahren.1 Der globale Online-Einzel-handel verzeichnete 2009 ausgehend von zwei-stelligen Wachstumsraten im vergangenen Jahr-zehnt einen Umsatz von etwa $350 Milliarden.2 Bei der Online-Werbung erreichten die Einnahmen 2010 eine Höhe von $60 Milliarden. Dabei rech-

net man bis 2014 mit einem weiteren Anstieg auf mehr als $90 Milliarden.3 Allein für das Vereinigte Königreich wird der Wert der Internetwirtschaft auf etwa £100 Milliarden oder anders ausgedrückt auf 7,2% des Bruttoinlandsprodukt geschätzt.

Auch bei der mobilen Telekommunikati-on half die Einführung gemeinsamer Standards dabei, den wirtschaftlichen Wert und auch den Kundennutzen enorm zu steigern. Der allgemei-ne offene GSM-Standard leistete beispielsweise einen entscheidenden Beitrag dazu, den Umsatz der Mobilkommunikationsbranche in nur 10 Jah-ren weltweit von Null auf €300 Milliarden schnel-len zu lassen. Nachdem das mobile Telefonieren in Europa auf einer Reihe unterschiedlicher Lö-sungen und technischer Protokolle basiert hatte, wurde von dreizehn Ländern ein gemeinsamer Standard verabschiedet und ein einheitliches Mobiltelefonsystem für den gesamten Konti-nent entwickelt. Mit diesem Standard gingen die Kosten zurück und man konnte die Markt-durchdringung weitaus schneller steigern als mit den früheren geschützten Technologien in den einzelnen Ländern. Die erste Phase der Ein-führung von GSM begann 1990. Zum Ende des Jahres 1995 hatte die Zahl der GSM-Teilnehmer weltweit bereits die Marke von 10 Millionen überschritten. In den ersten zehn Jahren der Bereitstellung konnten die Telekommunikations-betreiber weltweit beachtliche Zuwachsraten bei den Einnahmen verzeichnen. Von praktisch Null im Jahr 1990 stiegen sie bis 2000 auf beinahe $300 Milliarden (siehe Abbildung 2.6, Seite 39). Zur selben Zeit scheiterte man damit, mit den fragmentierten nationalen Standards wie dem

1 Internet World Statistics2 IMAP Retail Industry Global Report3 eMarketer 2010

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4039 |

Teil 2

DER WERT DER OFFENHEITAbbildung 2.6

Wachstum im ersten

Jahrzehnt der Mobiltelefonie

(1990 – 2000)

Quelle: ITU

0

300

200

100

(B$)

1990 1991 1992 1993 1994 1995 1996 1997 1998 1999 2000

CAGR

+ 40%

deutschen C-Netz auch nur vergleichbare Ergeb-nisse zu erzielen und der Standard verschwand innerhalb von wenigen Jahren fast vollständig von der Bildfläche.

Offene Standards erwiesen sich auch in der Softwarebranche als ausgesprochener Motor von Wachstum und Innovation. Open-Source-Software (OSS) und Produkte auf Grundlage von offenen Standards haben in den vergangenen Jah-ren eine rasante Verbreitung erfahren. Linux und das zugehörige Open-Source-Ökosystem erzielten 2009 gemeinsam Einnahmen von mehr als $25 Milliarden (siehe Abbildung 2.7). Das anhaltende Wachstum der Einnahmen bei quelloffener Soft-

ware wird teilweise von zwei Faktoren getrieben: die breite Akzeptanz und Übernahme durch Un-ternehmen, die damit die IT-Kosten zurückfahren wollen, und der Umstand, dass Open-Source-Soft-ware zunehmend organisierter wird. Unterneh-men wie Red Hat gründen eigene Produkte und Dienste auf einer Vielzahl von offenen Standards und Produkten, während Giganten wie Oracle und IBM quelloffene Produkte in eigene geschützte Angebote einfließen lassen. Diese Entwicklung hat das Image von quelloffener Software grundlegend verändert. Sie gilt nicht länger als Risiko, sondern als lukrative Handelsware und gute Alternative zu geschützter Software.

Abbildung 2.7

Wachstum beim

quelloffenen Ökosystem

von Linux

Linux und Open-Source-Dienste

Linuxfähige Serverhardware

Anwendungssoftware

Anwendungsentwicklung und Entwicklungssoftware

Betriebssystem Linux

Software für Systeminfrastruktur (ausschl. BS)

Hinweis: Ausschließlich quelloffener Software für Unix und Windows und Einnahmen bei Computerhardware

Quelle: IDC

21

31

36

4

6

7

7

6

6

3

68

68 9

01 1

214

7

34

12 3

26

5

6

5

613 4 4

0

50

Einnahmen in Mrd. $

40

30

20

10

2007 2008 2009 2010 2011 2012

15.7 %

43

8

7

8

11

1

5

Das Wachstum und die Innovation, die durch den Zugang zu offenen oder interoperab-len technischen Gütern wie GSM, Linux und IP in Gang gesetzt wurden, darf man jedoch nicht als Folge vollständiger Offenheit verkennen. Unter-nehmen, die offene Standards nutzen, schaffen sich zusätzlich zu den offenen Elementen im-mer auch eigene strategische Hebelpunkte, die sie in die Lage versetzen, Werte und Wachstum zu schaffen. Dies gilt auch für Internethändler wie Amazon oder Expedia, die sich strategische Vorteile im Hinblick auf ihre Marke, ihr Produk-

tangebot und ihre Vertriebskanäle schaffen oder Telekommunikationsunternehmen wie BT oder Telefónica, die sich selbst über die Netzleistung und Vertriebsaktivitäten von Wettbewerbern ab-heben und Anbieter von quelloffener Software wie Red Hat oder Novell, die auf Grundlage der Software geschützte Dienste und Abo-Modelle erstellen und verkaufen. Ohne diese strategi-schen Hebelpunkte gelingt es keinem Unterneh-men, mit offenen Standards wirtschaftliche Wer-te zu schaffen.

Geschlossene Systeme als trei-bende Kraft für Wachstum und Innovation

Es gibt viele Beispiele für Produkte und Dienstleistungen in der Telekommunikations- und Medienbranche, denen es trotz ihrer Etiket-tierung als geschlossenes System gelang, in ei-nem bemerkenswert flotten Tempo die Akzeptanz der Konsumenten zu gewinnen und nicht zuletzt auch die Einnahmen in die Höhe schnellen zu lassen. Zu den geschlossenen Elementen zählen häufig geschützte Software, technische Stan-dards und Einzelhandelsplattformen, die vom betreffenden Unternehmen mit großer Sorgfalt

verwaltet werden. Diese geschlossenen Elemen-te stellen oft die Vorbedingung für die Herstel-lung der gewünschten Konsumentenerfahrung und die für den Rückfluss der Investitionen in Forschung und Entwicklung notwendige stra-tegische Differenzierung dar. Das iPhone von Apple, die Spielkonsolen von Nintendo und der Drahtlos-Internet-Standard i-mode von NTT DO-COMO sind allesamt Beispiele für solche Produk-te und Dienste. Sie alle verbindet ein sagenhaftes Wachstum und eine unglaubliche Wertschätzung durch die Konsumenten, die den Anstoß für eine Revolutionierung der Verhaltensmuster von Kon-sumenten bis hin zu Umbrüchen in ganzen Bran-chen gab (siehe Abbildung 2.8).

Abbildung 2.8

Annahmeraten der

Konsumenten bei

geschlossenen Systemen

Quelle: Apple; Nintendo; NTT; Morgan Stanley Research

0

50

40

30

20

10

Kumulierte Absatzmenge (Mio)

Q1 Q2 Q3 Q4 Q5 Q6 Q7 Q8 Q9 Q10

Quartale seit Einführung

DoCoMo iMode

Apple iPhone

Nintendo DS

Apple iPad

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4241 |

Teil 2

DER WERT DER OFFENHEITan. Im Gegensatz dazu handelte es sich bei WAP, dem europäischen Pendant von i-mode, um einem offenen internationalen Standard, der aber nie ei-nen Erfolg wie i-mode in Japan für sich verbuchen konnte. WAP erreichte nach Ablauf von vier Jah-ren Präsenz am Markt gerade einmal zehn Prozent der Kunden in Europa, während dies bei i-mode im gleichen Zeitraum 80% waren.4

Vergleichbare Prinzipien gelten auch für die Geräte von Apple und die Spielkonsolen von Nin-tendo. Apple, zum Beispiel, gestaltet und verwaltet einen sehr großen Teil der gesamten Umgebung seiner Nutzer. Die Geräte und Anwendungen, der Vertrieb und die Darstellung der Inhalte sind aus-nahmslos Bestandteil eines streng von Apple kon-trollierten und integrierten Konzeptes. Nach Anga-ben des Unternehmens dienen die geschlossenen Elemente des Geschäftsmodells der Sicherung der Qualität und Nutzerfreundlichkeit der Produkte für die Endkonsumenten. Dieser Innovationsansatz hat sich für Apple bezahlt gemacht. Die Geräte des Unternehmens haben einige der schnellsten Markt-durchdringungsgeschwindigkeiten der Geschichte erreicht. Das iPhone kam 2007 auf den Markt und verkaufte sich innerhalb der ersten zehn Quartale nach Einführung mehr als 30 Millionen Mal und die kumulierten Absatzzahlen haben bisher5 bereits die Marke von 70 Millionen Geräten überschritten. Das erst kürzlich einführte iPad legt ein noch rasante-res Tempo vor. Innerhalb der ersten sechs Monate seit seiner Veröffentlichung wurden mehr als sieben Millionen Geräte verkauft.

Wünschenswerte Grade der Offen- heit – ein Balanceakt

Mit diesen Beispielen kann gezeigt werden, dass von offenen oder geschlossenen Systemen für Unternehmen oder Branchen nicht notwen-digerweise eine formelhaft abzulesende Wirkung ausgehen muss. Der wünschenswerte Grad der

4 Durchdringung als prozentualer Anteil aller Mobiltelefonteilnehmer im jeweiligen Markt; auf Grundlage der Daten von NTT DOCOMO und CRT5 September 2010

Offenheit – das Optimum an Offenheit – befindet sich irgendwo zwischen beiden Extremen und ist je nach Branche, Unternehmen und Geschäftsmo-dell ganz unterschiedlich. Die verschiedenen Be-dingungen, die ein Unternehmen an seine Güter knüpft, müssen hinreichend stark sein, damit für das Unternehmen ein Wettbewerbsvorteil auf-gebaut werden kann. Gleichzeitig muss dritten Parteien ausreichend Zugang gewährt werden, so dass in der Summe ein wichtiges Wertversprechen für die Konsumenten formuliert und neue Innova-tion entlang der gesamten Wertschöpfungskette angeregt werden kann.

Folglich nimmt jedes Unternehmen in je-der einzelnen Branche eine Feinabstimmung der eigenen Offenheitsgrade vor, um damit strate-gische Vorteile zu schaffen und die Schaffung von Werten vor dem Hintergrund der Wert-schöpfungskette in der Branche möglich werden zu lassen. Bei den vorherrschenden Geschäfts-modellen in der digitalen Wirtschaft kann eine

Reihe typischer Offenheitsgrade beobachtet werden. Das Ergebnis ist ein komplexes Zusam-menspiel von Offenheit und Geschlossenheit, das alle Bereiche der Medien- und Telekommuni-kationsbranche und ausnahmslos alle Unterneh-men erfasst, die in dieser konvergierten Branche operieren. Eine eingehende Analyse hierzu findet sich im folgenden Kapitel.

Die verschiedenen Bedingun-gen, die ein Unternehmen an seine Güter knüpft, müssen hinreichend stark sein, damit für das Unterneh-men ein Wettbewerbsvorteil aufge-baut werden kann. Gleichzeitig muss dritten Parteien ausreichend Zugang gewährt werden, so dass in der Sum-me ein wichtiges Wertversprechen für die Konsumenten formuliert und neue Innovation entlang der gesam-ten Wertschöpfungskette angeregt werden kann.

Der Erfolg von i-Mode kann teilweise darauf zurückgeführt wer-den, dass es sich beim Produkt um eine relativ geschlossene und gut ver-waltete Produktumgebung handelt.

Die Logik, die hinter dem Erfolg eines ge-schlossenen Gutes bei den Konsumenten steht, lässt sich am Beispiel des japanischen mobilen In-ternetdienstes i-mode besonders gut demonstrie-ren. i-mode wurde 1999 von NTT DOCOMO auf den Markt gebracht. i-mode stellte die gesamte mobile Kommunikation auf den Kopf, da es eine ganze Reihe von Webdiensten auch für Mobiltelefone anbot. Der Zugang zu einer Vielzahl von Internet-diensten wie E-Mail, Sportergebnissen und Kar-tenbestellung über Mobilgeräte fand schnell viele Kunden. In weniger als drei Jahren hatte die Zahl der Nutzer die Marke von 20 Millionen überschrit-ten und wuchs dann weiter bis auf knapp 50 Mil-lionen im Jahr 2009 an. Teilweise verdankt i-mode seinen Erfolg dem Umstand, dass es sich dabei um eine relativ geschlossene und gut verwaltete Produktumgebung handelte, bei der eine Kombi-nation von offenen und geschützten technischen Standards gezielt zur Optimierung der Funktiona-lität der Dienste für mobile Nutzer zum Einsatz kam. DOCOMO sorgte für ein breites Angebot von Diensten und gründete zu diesem Zweck eine Viel-zahl von Content-Partnerschaften, mit denen es gelang, für das offizielle mobile Portal ein Angebot von 12.000 einzelnen Websites bereitzustellen. Die Partner im Bereich der Bereitstellung von Inhalten und auch dritte Anbieter, die das Angebot für i-mode mittlerweile um weitere 100.000 Websites erweitert haben, müssen sich an strenge Vorgaben halten, die für die Entwicklungsumgebung und -standards festgelegt wurden. Das Unternehmen stellte auch sicher, dass die von ihm verkauften Mobilgeräte genau den Anforderungen für i-mode entsprachen und bot unter der Marke DOCOMO eigens für diesen Dienst maßgeschneiderte Geräte

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Teil 3T3Teil 3DIMENSIONEN

DER OFFENHEIT

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Teil 3

DIMENSIONEN DER OFFENHEITDIMENSIONEN DER OFFENHEITDIMENSIONEN DER OFFENHEITDIMENSIONEN DER OFFENHEIT – Die Geschäftsmodelle der Offenheit

Es gibt unzählige Beispiele für Unterneh-men, Standards, Technologien und Geschäfts-modelle, die in einem mehr oder weniger großen Maße offen oder geschlossen sind. Einigen gelang es, Werte zu schöpfen, bei anderen wiederum war genau das Gegenteil der Fall. Die Annahme, dass je-mals ein Unternehmen oder Geschäftsmodell ent-weder vollständig offen oder komplett geschlos-sen sein könnte, führt in die Irre. Tatsache ist, dass die beiden Extreme „Offen“ und „Geschlossen“ in ihrer Reinform nur selten vorkommen und statt-dessen vielmehr unterschiedliche Grade der Of-fenheit anzutreffen sind. In sämtlichen Bereichen der Medien- und Telekommunikationsbranche ist ein komplexes Zusammenspiel von Offen- und Geschlossenheit im Gange. In jeder Branche neh-men die verschiedenen Unternehmen eine Fein-abstimmung der eigenen Offenheitsgrade vor, um damit strategische Vorteile zu schaffen und Werte vor dem Hintergrund der Wertschöpfungskette in der Branche entstehen zu lassen.

Bei einer Untersuchung der vorherrschen-den Geschäftsmodelle in der Branche sind eine Reihe von charakteristischen Offenheitsgraden zu beobachten. An verschiedenen Abschnitten der Wertschöpfungskette bauen sich die Unternehmen strategische Vorteile bei einzelnen materiellen oder immateriellen Gütern auf, die ihnen als Grundlage für die eigene Wertschöpfung dienen. Wenngleich in jedem beliebigen Sektor der Branche unendlich viele Kombinationen von Offenheitsgraden möglich sind, kann man bei den aktuellen Geschäftsmodel-

Tatsache ist, dass die beiden Extreme „Offen“ und „Geschlossen“ in ihrer Reinform nur selten vorkom-men und stattdessen vielmehr un-terschiedliche Grade der Offenheit anzutreffen sind.

In den komplexen Märkten un-serer Zeit sind alle Akteure von einer relativen Offenheit des Zugangs zu anderen Gütern abhängig, da die ver-schiedenen Geschäftsmodelle mitein-ander interagieren und konvergieren.

len in der digitalen Wirtschaft fünf charakteristi-sche Typen1 unterscheiden:

• Das distributionszentrierte Modell, dessen Wettbewerbsposition auf der Leistung und Kapazität eines physischen Übertragungsnet-zes gründet (z. B. Telefónica, UPC, Vodafone)

• Das aggregationszentrierte Modell, das seinen strategischen Vorteil aus werthaltigen Inhalts-rechten in dessen Eigentum und Aggregations-plattformen mit einer eigenen Marke ableitet (z. B. Sky, BBC, RTL)

• Das suchzentrierte Modell, dessen Geschäfts-erfolg auf der Fähigkeit zur Navigation durch digitale Inhalte und der Rolle als Tor zum Web basiert (z. B. Google, Bing)

• Das gerätezentrierte Modell, das seinen Vor-teil aus einem anspruchsvollem Design und einer gehobener Funktionalität ableitet, die Zugang zu digitalen Inhalten bietet (z. B. Apple, Nintendo, Samsung)

• Das Community-zentrierte Modell, das seine Kraft aus den Größen- und Netzwerkeffekten einer globalen Nutzergemeinschaft gewinnt (z. B. Facebook, YouTube, Twitter).

Der Grad der Offenheit der Güter ist ab-hängig von ihrem Geschäftsmodell und den zuge-hörigen Einnahmequellen. Die Wahrnehmung der Offenheit eines Unternehmen wird dabei oftmals dadurch beeinflusst, wie offen oder interoperabel seine Dienste aus der Perspektive der Endkonsu-menten erscheinen und auch auf den Umstand, ob die Güter und Dienste kostenfrei oder gegen Entgelt bereitgestellt werden. Bei genauerer Be-trachtung stellt man aber fest, dass sich die Aus-

sagen der Marktakteure im Zusammenhang mit der Offenheit häufig auf die Güter beziehen, die den Datenverkehr, die Klickrate, die Zahl der Nut-zerdaten oder Nutzerinhalte steigern sollen, mit denen dann die notwendigen Netzwerkeffekte erzeugt werden können, damit das Geschäftsmo-dell überhaupt funktionieren kann. Bestandteil der Kerngüter für die Monetarisierung sind bei praktisch jedem dieser fünf Geschäftsmodelle auch Elemente, die in der Tat viel weniger offen sind als jene Elemente, die scheinbar frei sind oder kostenlos herausgegeben werden. Ein kostenfrei-er Fernsehsender bleibt weiterhin Inhaber der Rechte an den von ihm übertragenen Inhalten, da diese Rechte die Grundlage für die Gewinnung von Zuschauern und Werbeeinnahmen bilden. Eine kostenfreie Suchwebsite wiederum kont-rolliert weiterhin ihre geschlossene Recheninf-rastruktur, einschließlich ihrer Suchalgorithmen und deren zugrundeliegenden Nutzungsdaten. Geschäftsmodelle, die auf Werbeeinnahmen ba-sieren wie beispielsweise kostenfreies Fernsehen, Suche und soziale Netzwerkgemeinschaften wer-den normalerweise ein anderes Offenheitsprofil aufweisen als Unternehmen, die vorwiegend auf Direktzahlungen von Konsumenten angewiesen ist, wie dies beispielsweise beim Kabelfernsehen, Mobilfunk oder dem Verkauf von Endgeräten der Fall ist. Eines ist aber allen gemeinsam: Sie alle wählen jeweils verschiedene Offenheitsgrade für die eigenen Güter entlang der verschiedenen Stu-fen der Wertschöpfungskette.

Die Einteilung der digitalen Wirtschaft in eine Gruppe von typischen Geschäftsmodellen ist allerdings in gewissem Maße auch eine Vereinfa-chung der Realität. Wenn man aber in der Diskus-sion um Offenheit mehr Klarheit haben und erfah-ren will, wie sich das Zusammenspiel von offenen und geschlossenen Gütern in einer zunehmend komplexer werdenden Branche gestaltet, kommt man um diesen Schritt nicht umhin. Alle diese Ge-

1 Beispiele für typische Geschäftmodelle in den verschiedenen Sektoren der Branche, jedoch keine genauen Modelle für bestimmte Unternehmen oder die Offenheit ihrer Güter

2 Einnahmen der für diese Studie definierten Geschäftsmodelltypen in der EU25. Die Einnahmen bilden nicht die gesamte Größe der gesamten europäischen IKT-, Telekommunikations- und Medienbranche ab. 3 Einnahmen aus Fernsehzugang, mobiler und festnetzbasierter Daten-/Sprachübertragung

schäftsmodelle kann man in den meisten nationa-len Märkten, wenngleich ihre Bedeutung dort viel-leicht jeweils auch eine andere ist, in einer Vielzahl von Ausprägungen antreffen. Das entscheidende Merkmal all dieser Geschäftsmodelle besteht da-rin, dass die Hauptakteure jeweils der Eigentümer von einem oder mehreren Schlüsselgütern sind, an die sie dann Bedingungen wirtschaftlicher, tech-nischer oder inhaltlicher Art knüpfen können. Auf diese Weise schöpfen sie Werte durch die Mone-tarisierung der eigenen Güter in Form von Abo-Gebühren, Premiumdiensten, Werbeeinnahmen, Geräteverkäufen oder Inhaltslizenzen. Parallel dazu – und teilweise beruht dieser Umstand auf der Tatsache, dass sich die neuen Geschäftsmo-delle entlang der digitalen Wertschöpfungskette ausdehnen -vertrauen die Unternehmen auf den Zugang zu Schlüsselgütern im Eigentum von drit-ten Parteien.. In den komplexen Märkten unserer Zeit sind alle Akteure von einer relativen Offenheit des Zugangs zu anderen Gütern abhängig, da die verschiedenen Geschäftsmodelle miteinander in-teragieren und konvergieren.

Mit ihren verschiedenen Graden an Offen-heit erzielten die fünf verschiedenen Geschäfts-modelle im Jahr 2009 europaweit Einnahmen von insgesamt mehr als €360 Milliarden.2 Im Hinblick auf die Einnahmen ist das distributionszentrierte Modell3 mit einem Anteil von als €260 Milliarden bei weitem das am stärksten vertretene Modell. Das größte Wachstum bei den Einnahmen der letzten fünf Jahren legten jedoch neue Bran-chenakteure vor, die im Bereich der Suche (49% Wachstum), der Plattformen für Webcommunities

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Teil 3

DIMENSIONEN DER OFFENHEIT

(35%) und beim Absatz von Geräten (15%) aktiv sind. Im selben Zeitraum gingen die Einnahmen bei den distributionszentrierten Unternehmen mit einem Prozent leicht zurück, während bei den In-haltsaggregatoren ein mäßiges Wachstum von drei Prozent zu beobachten war (siehe Abbildung 3.1).

Wenngleich das Wachstum bei einem ge-ringeren Ausgangswert einsetzt, so weisen die wachstumsstärksten Geschäftsmodelle doch auf eine bedeutsame Änderung in der Dynamik der Branche hin. Viele dieser extrem innovativen Ge-schäftsmodelle bieten globale Verfügbarkeit und stehen für komplett neue, webbasierte Ökosyste-me, die festnetzbasierte, mobile und Cloud-basierte Plattformen umfassen und unabhängig von der zugrundeliegenden physischen Infrastruktur be-trieben werden. Diese Entwicklungen ändern die Machtverhältnisse in der Branche und werfen neue Fragen auf zu Themen wie dem Wert der Offenheit und der Bedeutung der verschiedenen Güter, dem Zugang zum Markt und der Konsumentenwahl.

Eine Betrachtung dieser verschiedenen Ge-schäftsmodelle ermöglicht ein genaueres Verständ-nis von den Risiken und Chancen der verschiedenen Interessensgruppen im Zusammenhang mit der

Interaktion und Offenheit von verschiedenen Ak-teuren in einem Markt. Darüber hinaus hilft eine eingehendere Untersuchung dabei, die Kerngüter oder möglichen strategischen Vorteile der ver-schiedenen Unternehmen zu erkennen und auch diejenigen Bereiche in den Blick zu nehmen, in de-nen ein Zugang zu den Gütern von Dritten erfolgt. Weiterhin zeichnet sie die Wertschöpfung der ein-zelnen Unternehmen nach und erhellt die Relevanz der verschiedenen Interessensgruppen und dritten Parteien für das jeweilige Geschäftsumfeld.

Das distributionszentrierte Modell

Das distributionszentrierte Modell nutzt seine direkte Abrechnung gegenüber den Endkunden und die Leistung und Kapazität seiner verwalteten Übertragungssysteme, um den eigenen Einfluss auf weitere Abschnitte der Wertschöpfungskette, u. a. auf die Inhaltsaggregation, Plattformen und Geräte, aus-zudehnen. Zu dieser Gruppe gehören die Kabel- und Satellitenanbieter sowie die Telekommunikationsun-ternehmen und sonstigen Netzanbieter, beispielswei-se bei FTTH-Netzen. Das Kerngut im Eigentum der in der Distribution aktiven Hauptakteure ist deren eigenes verwaltetes Übertragungsnetz für die Dis-tribution von Daten, Sprach- und Videodiensten.

Das distributionszentrierte Ge- schäftsmodell wird gemeinhin als relativ geschlossen betrachtet. Den-noch gibt es bei den Gütern der Über-tragungsunternehmen wichtige Ab- schnitte, die relativ offen gestaltet sind.

Das distributionszentrierte Geschäfts-modell wird gemeinhin als relativ geschlossen betrachtet. Dennoch gibt es bei den Gütern der Übertragungsunternehmen wichtige Abschnitte, die für die Anbieter von Inhalten und Drittanbie-ter für den Zugang relativ offen gestaltet sind. Die Telekommunikationsbranche (siehe Abbildung 3.2, Seite 48) liefert dafür in der Praxis ein gutes Beispiel. Für das Netz als Kerngut, einschließlich

von Glasfaserinfrastruktur der nächsten Genera-tion, muss per Gesetz für alternative Anbieter von Breitband- oder Sprachdiensten auf Grundlage von festgelegten Preisbedingungen und tech-nischen Bedingungen wie gesetzlich geregelten Preisspannen und Bestimmungen für den tech-nischen Zugang zur Netzinfrastruktur ein physi-scher Vorleistungszugang gewährt werden. Ein typisches etabliertes Unternehmen bezieht die ei-genen Einnahmen über Verträge mit Direktkunden und über die gesetzlich geregelten Vorleistungszu-gänge, d.h. die Zugangsgebühren für dritte Inter-netdienstanbieter und virtuelle Mobilfunkanbieter. Normalerweise entfällt der größte Anteil der Ein-nahmen oder mehr als die Hälfte des gesamten Unternehmensertrags auf den Mobilfunkbetrieb.

Abbildung 3.2

Das distributionszentrierte

Modell – Daten über Festnetz

und Mobilfunk

Für die Kabelnetze gelten Übertragungs-pflichten, nach denen eine bestimmte Zahl von vorher festgelegten Fernsehsendern Zugang zur verwalteten Distributionskapazität und zum all-gemeinen Senderangebot des Kabelfernsehbe-treibers erhalten muss, damit ein Mindestmaß an medialer Vielfalt garantiert werden kann. Der Zu-gang von Fernseh- und Themensendern zu erwei-

terten Angebotspaketen für das Digitalfernsehen oder die Übertragung in Premiumpaketen wird auf der Grundlage von Übertragungsgebühren oder Umsatzbeteiligungen gewährt. Weiterhin sind die Kabelbetreiber verpflichtet, den Zugang zu den eigenen conditional access-systemen zu fairen, angemessenen und diskriminierungsfreien Bestimmungen an die Pay-TV-Anbieter zu ge-

Abbildung 3.1

Einnahmen und

Wachstum der

Geschäftsmodelltypen

Quelle: Unternehmensberichte; EITO; OBS; Magna Global; SNL Kagan; Forrester; Ovum; eMarketer; Internet World Stats; Gartner; Juniper; IDC; OANDA; Marktmodell von BCG

Einnahmen in Europa (EU25) 2009

Einnahmen in Mrd. € 264 73 61 22

% der Einnahmen 20 40 60 80 100

Distribution

- 1%

Aggregation

+ 3%

Suche

+ 49%

Communities

+ 35%

Geräte

+ 15%Wachstum CAGR2004 - 2009

Inhalts-erstellung

Inhalts-aggregation Übertragung Technische

Plattform/GerätMarketing/ Vertrieb

Gra

d de

r Off

enhe

it

Offen

Geschlossen

IP-Kapazität

VertriebskanalRegulierter Zugang für Internet-

dienstanbieter

Kein Zugang für Internet-

dienstanbieterKundendaten

Hinweis: Beispiel von Offenheit eines typischen Netzbetreibers gegenüber Inhalteanbieter (online) und dritte ISP Provider

~ 20%

~ 80%

Inhaltsrechte

Websites Geräte

Vorleistungsgebühren

Abo-Gebühr

Xxx Güter dritter Parteien XX% EinnahmequellenDistributionsgüter

Wertstrom/Einnahmequelle Zusammenspiel der Güter für die Wertschöpfung

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Teil 3

DIMENSIONEN DER OFFENHEITwähren (siehe Abbildung 3.3, Seite 49). Sofern ein Kabelbetreiber definitionsgemäß nicht über eine beträchtliche Marktmacht am Markt für breit-bandige Vorleistungsprodukte und dem Fernseh-übertragungsmarkt verfügt, ist der Kabelbetreiber nicht verpflichtet, einen physischen Zugang oder Vorleistungszugang zu gewähren.

FTTH-Netze werden anhand eines drei-schichtigen Übertragungsmodells betrieben und beinhalten eine passive physische Übertragungs-ebene, eine aktive Vorleistungsebene und eine

Ebene für Direktkundendienste. Die Vielfalt bei der gewählten Offenheit reicht von vollständig vertikal integrierten FTTH-Betreibern, die Kontrolle über alle drei Ebenen ausüben, wie bei Hansenet in Deutsch-land, bis hin zur vollständigen Aufteilung des Ei-gentums an den drei Ebenen. Die letztere Form findet man üblicherweise bei FTTH-Netzen, die mit öffentlichen Fördermitteln eingerichtet wurden. FTTH-Netzwerke auf der Grundlage von öffentlich-privaten Partnerschaften sind irgendwo im Bereich zwischen diesen beiden Extremen angesiedelt.

Die Stärke der strategischen Position von Akteuren in der Distribution gründet auf ihrem Netz als Kerngut. Relativiert wird sie wiederum durch ihren Bedarf nach Zugang zu anderen Gütern in der Wertschöpfungskette, wie z. B. Videoinhalten, Geräten und Anwendungen. Die Abhängigkeit von Inhalten war beispielsweise lange Zeit bei Kabel-fernsehnetzen zu beobachten. Mittlerweile betrifft sie aber auch Telekommunikationsbetreiber und Be-treiber von Fasernetzen, die im Rahmen ihrer Drei-fachstrategie auch Videodienste anbieten wollen. Der Wettbewerb von webbasierten Geschäftsmo-dellen, einschließlich von OTT-Plattformen, Suche

und elektronischem Handel, über die unverwaltete IP-Ebene erweist sich sowohl als Herausforderung als auch als Chance zur Gestaltung neuer strategi-scher Positionen bei der IP-Übertragung innerhalb der Grenzen der Netzneutralität.

Einige Mobilbetreiber haben den Versuch unternommen, die eigene Wettbewerbsposition durch die Schließung von Exklusiverträgen mit Herstellern von bestimmten Endnutzergeräten, insbesondere Smartphones, zu verbessern, wo-bei der Vertrieb des iPhones von Apple hierbei ein musterhaftes Beispiel ist. In den Vereinigten

Staaten ist das beliebte Gerät bislang nur über AT&T erhältlich. Anderen Betreibern bleibt der Zugang zum Gerät verwehrt. Diese Gestaltung des Zugangs wurde auch in Deutschland und dem Vereinigten Königreich gewählt, wo die Deutsche Telekom und O2 die Exklusivrechte für

Deutsche Telekom – ein neuer Akteur in der Aggregation

Die Deutsche Telekom, der vorherr-schende deutsche Telekommunikationsan-bieter, verfügt in allen Bereichen seines loka-len Telekommunikationsmarktes sowohl beim Festnetz als auch beim Mobilfunk über eine starke Position. Mit einem Marktanteil von 46% beim festnetzgebundenen Breitband und einem Anteil von etwa 36% bei mobi-len Diensten liegt Deutsche Telekom ziemlich weit vorn im Marktlead. Kürzlich erst stieß der Betreiber mit der eigenen IPTV-Plattform T-Entertain in den Fernsehmarkt vor und trat hiermit sowohl bei den Fernseh-Abos als auch bei Video-on-Demand-Diensten in den direkten Wettbewerb mit den Kabel- und Satellitenanbietern ein. Das Wachstum bei diesem neuen Projekt hat beachtliche Aus-maße angenommen: Im dritten Quartal des Jahres 2010 erreichte die Plattform bereits

1,4 Millionen Kunden. Dies entspricht einem Wachstum von beinahe 60% gegenüber dem Vorjahr (siehe Abbildung 3.4).

Der Auftritt der Deutschen Telekom beim IPTV ist ein typisches Beispiel für die Auswei-tung eines distributionszentrierten Geschäfts-modells, das das eigene Netz als Kerngut ge-zielt zu nutzen weiß. Dieser Trend ist in fast allen europäischen Märkten feststellbar. Was dieses Projekt besonders interessant werden lässt, ist der Umstand, dass die Deutsche Telekom die Rechte für die Übertragung der Spiele der deut-schen Bundesliga direkt im Internet aufkaufte und mit diesem Schritt in den Bereich der In-haltsaggregation vorgedrungen ist. Ergänzend zu einem breiten Angebot an linearen Fern-sehsendern und Video-on-Demand-Diensten produziert das Unternehmen jetzt eine eigene Fußballshow mit dem Titel „Liga Total“ und berichtet live von allen Fußballspielen in Deutschland in der Ersten und Zweiten Liga.

Abbildung 3.4

Wachstum von T-Entertain

Quelle: Deutsche Telekom

885

1,052

1,1821,268

1,398

0

1,500

Verkaufte Einheiten (in T)

1,000

500

Q3/09 Q4/09 Q1/10 Q2/10 Q3/10

+ 58%

das iPhone erhielten. Diese Vereinbarungen wur-den mittlerweile jedoch eingestellt, so dass sich die Konsumenten in beiden Märkten mittlerweile wieder für ihr persönlich bevorzugtes Netz ent-scheiden können.

Abbildung 3.3

Das distributions-

zentrierte Modell

– Kabel und IPTV

Inhalts-erstellung

Inhalts-aggregation Übertragung Technische

Plattform/GerätMarketing/ Vertrieb

Gra

d de

r Off

enhe

it

Offen

Geschlossen

Vertriebskanal

Transaktions-erlöse

Kundendaten

Hinweis: Beispiel für die Offenheit der Güter eines typischen Netzbetreibers für die Anbieter von Inhalten

~ 10%

~ 90%

Inhaltsrechte Verwaltete Übertragung

Transactional revenues

Abo-Gebühr

FernsehsenderPlattform/

Set-Top-Box

Xxx Güter dritter Parteien XX% EinnahmequellenDistributionsgüter

Wertstrom/Einnahmequelle Zusammenspiel der Güter für die Wertschöpfung

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Teil 3

DIMENSIONEN DER OFFENHEITDas aggregationszentrierte Modell

Bei diesem Geschäftsmodell bauen In-haltsaggregatoren wie private Fernsehsender (z. B. RTL), öffentliche Rundfunk- und Fernseh-anstalten (z. B. BBC), Pay-TV-Betreiber (z. B. Sky), Online-Videoportale (z. B. Netflix oder Hulu) und

traditionelle Verlagshäuser wie Dow Jones, der Herausgeber des Wall Street Journals, auf In-haltsrechten und Aggregationsplattformen als Kerngütern auf. Diese Inhalte können entweder über verwaltete Übertragungssysteme oder über das offene Internet verbreitet werden (siehe Ab-bildung 3.5).

Abbildung 3.5

Das aggregations-

zentrierte Modell –

Kostenloses Fernsehen

Inhalts-erstellung

Inhalts-aggregation Übertragung Technische

Plattform/GerätMarketing/ Vertrieb

Gra

d de

r Off

enhe

it

Offen

Geschlossen

Anzeigen-verkauf

1 Merchandising, Inhalteverkauf/Syndizierung 2 Einsetzbar für Aggregatoren die direkt in der Produktion von Inhalten beteiligt sind

~ 90%

~ 10%

Sonstiges1

Werbefreies Fernsehen

Open-IP-Netzwerk

Verwaltetes Netzwerk

Vertriebsrechte

Fernsehsender

Die Direkteinnahmen werden über den Verkauf von territorial eingeschränkten Inhaltsli-zenzen erzielt. Hierzu zählen VoD- oder HD-Ange-bote oder der Verkauf von Kanalbündeln an Mehr-kanalbetreiber (Kabel-, Satelliten- oder digital terrestrische Betreiber) und IPTV-Anbieter. Ebenso werden bestimmte Rechte für Inhalte, beispiels-weise für die Live-Übertragung von Sportereig-nissen, auf der Grundlage von Exklusivverträgen an Partner vergeben, die wiederum den Wert der Güter steigen lassen. In Fällen, in denen der In-haltsaggregator gleichzeitig auch der Produzent ist, kann dieser einen höheren Marktwert auf sich vereinnahmen und den eigenen Wirkungskreis in beiden Richtungen entlang der Wertschöpfungs-kette ausdehnen. Das neben den Inhaltslizenzen wichtigste Gut der Inhaltsaggregatoren ist in der Wertschöpfungskette im Bereich Vertrieb und

Marketing angesiedelt. Dort bieten die Inhaltsag-gregatoren den Werbenden Zugang zu linearen und nicht-linearen Werbeformen (durch Werbe-unterbrechungen, Bannerwerbung und Pre-Roll-Spots). Außerdem bieten die Aggregatoren die Inhalte den Endnutzern direkt über geschützte Onlineplattformen gegen Entgelt, Abo-Gebühren oder kostenfrei, wie im Fall der werbefinanzierten oder öffentlich-rechtlichen Plattformen, an.

Die Inhaltsaggregatoren, ein-schließlich der Betreiber von Fern-sehsendern und Onlineaggregatoren, erzielen ihre Einnahmen über den Direktvertrieb von Inhalten oder aus dem Verkauf von benachbarten Wer- beflächen.

SKY – verschiedene Märkte, unterschied-liche Stärke der Position

Wenngleich jede lokale Wertschöp-fungskette im Bereich des Fernsehens über vergleichbare Güter und Nutzungspotentia-le verfügt, wird die Stärke dieser Güter und damit die Fähigkeit der einzelnen Akteure zur Gewinnerzielung doch von ganz unterschied-lichen Faktoren determiniert. Die sehr unter-

schiedlichen Fernsehmärkte im Vereinigten Königreich und in Deutschland zeigen deut-lich, wie durch Marktbedingungen erhebliche Auswirkungen auf die Fähigkeit zur profitab-len Nutzung der Bedingungen ausgehen kön-nen, die die Akteure im Bereich der Inhalte an den Zugang zu den eigenen Gütern knüpfen.

Das Vereinigte Königreich verfügte in der Vergangenheit lange Zeit nur über sehr wenige kostenfreie Fernsehangebote. Bis zum Jahr 2002 wurden nur sechs Kanäle über das analoge terrestrische System über-tragen. Dem Satellitensystem BSkyB fiel es daher nicht schwer, frühzeitig einen großen Anteil vom Markt zu gewinnen, indem man sich die Exklusivrechte für die Liveübertra-gung einer Vielzahl von Sportereignissen verschaffte. Das Unternehmen baute sich so eine starke strategische Position auf, die es dazu verwendete, Einfluss über große Teile der Wertschöpfung zu gewinnen, insbeson-dere im Bereich der Übertragung, wo die Stärke des Unternehmens das Wachstum des Satellitenfernsehens vorantrieb. Mittlerweile empfangen 42% der Fernsehhaushalte im Vereinigten Königreich die Inhalte über Sa-tellit und 35% der Haushalte sind Kunde bei BSkyB. In der Folge wuchsen die Einnahmen von BSkyB von £3 Milliarden im Jahr 2003 bis 2008 auf £5 Milliarden an. Die Gewinn-spanne des Unternehmens lag 2009 bei 15%.

Im Gegensatz dazu bietet die deut-sche Fernsehlandschaft den Konsumenten mehr als 70 kostenfreie Fernsehsender. Die vielen kostenfreien Fernsehangebote haben Sky Germany daran gehindert, einen ähnlich starken Ansatzpunkt bei den Fernsehinhalten finden zu können. Obwohl Sky Germany ein ähnliches Modell wie das von BSkyB im Ver-einigten Königreich anwendete, ist es nicht gelungen, den Kundenstamm in den vergan-genen Jahren größer werden zu lassen.

Xxx Güter dritter Parteien XX% EinnahmequellenAggregationsgüter

Wertstrom/Einnahmequelle Zusammenspiel der Güter für die Wertschöpfung

Inhaltsrechte2

Auch der Erfolg des aggregationszent-rierten Geschäftsmodells steht und fällt mit dem Zugang zu den Gütern anderer Teilnehmer in der Wertschöpfungskette. Die Distributionsrechte für die Inhalte müssen zunächst von den Inhaltspro-duzenten erworben werden. Daher sind die Aggre-gatoren von Fernsehinhalten darauf angewiesen, dass ihnen Zugang zu einem bestimmten Preis gewährt wird. Ebenso sind die Aggregatoren für die Übertragung ihrer Inhalte an die Endnutzer auf Übertragungsinfrastruktur angewiesen. Da-bei weichen sie jedoch wie bei OTT zunehmend auf den offenen IP-Transport ihrer Inhalte aus und umgehen verwaltete Übertragungsnetze wie SAT, Kabel und IPTV. Alternativ ist es auch mög-lich, dass sich Aggregatoren mit Betreibern von Onlineplattformen zusammentun, die eigene ge-schützte kompatible Empfangsgeräte bereitstel-len, z. B. YouView im Vereinigten Königreich. Die zusätzlichen Ansatzpunkte bei der Nutzung von Inhalten über Onlineplattformen und angeschlos-sene Fernsehlösungen verleihen den Aggregato-ren eine neue Verhandlungsstärke im Hinblick auf Preis und inhaltliche Bedingungen, die für deren Zugang zu traditionellen Übertragungsgütern gel-ten. Die Mehrzahl der Aggregatoren stützt sich je-doch auch weiterhin in erheblichem Maße auf die traditionelle Fernsehübertragung über verwaltete Netze, mit denen sie Zugang zu einem großem Pu-blikum erhalten, was wiederum eine unverzicht-bare Vorbedingung für den Erhalt der Einnahmen aus linearen Werbeformen ist.

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5453 |

Teil 3

DIMENSIONEN DER OFFENHEITDie Unterschiede bei der Fähigkeit der

Aggregatoren zur Schöpfung von Werten treten auch bei der Betrachtung einzelner Märkte in ih-rer Gesamtheit klar erkennbar hervor. Besonders deutlich wird dies zum Beispiel beim Vergleich des Fernsehmarktes in den Vereinigten Staaten mit dem deutschen Fernsehmarkt, wo die je Haushalt erzielten Einnahmen allgemein auf die schwäche-re Kontrolle über die Güter in Deutschland, dies betrifft insbesondere die Inhalte, zurückgeführt werden können. Dies liegt an der Tatsache, dass Deutschland traditionell schon immer ein Markt

für kostenfreies Fernsehen war. Dabei konnte man mit einer geringen Abogebühr Zugang zu vielen Sendern erhalten. Der Markt in den USA hingegen ist ein Markt für Pay-TV, in dem Mehrkanalfernse-hen als echter Mehrwert gilt. Die gesamten Fern-seheinnahmen in den USA aus Aboverträgen für Inhalte und Abrufgebühren, Werbung, Zugangs- und öffentlichen Gebühren belaufen sich etwa auf €60 je Haushalt und Jahr, während bei einem deut-schem Haushalt mit Einnahmen in Höhe von we-niger als €30 zu rechnen ist (siehe Abbildung 3.6).

4% 4%

29%

35%

19%

9%

20%

1% 2%

39%

39%

2.3 xGesamteinnahmen/

Fernsehhaushalt ¤61/Monat

Gesamteinnahmen/ Fernsehhaushalt¤27/Monat

Abbildung 3.6

2009 Fernseheinnahmen je

Haushalt in den USA und in

Deutschland

Hinweis: Umwandlung des Dollars in den Euro auf der Grundlage des durchschnittlichen Wechselkurses zwischen EUR und USD für das Jahr 2009: 1,39

Quelle: Arbeitsgemeinschaft Landesmedienanstalten; Unternehmensberichte; SNLKagan

Vereinigte Staaten Deutschland

Werbung

Fernsehanschluss

Abo-Verträge für Fernsehinhalte

Öffentliche Gebühren

Geräte

Sonstiges

Das suchzentrierte Modell

Ein Kerngut der Anbieter für die Online-suche ist jeweils die eigene Suchmaschine (siehe Abbildung 3.7), bei der es sich im Wesentlichen um ein Gut für die Inhaltsaggregation handelt. Als Gut im Eigentum von Google oder Microsoft (über das Suchangebot Bing) findet die Suchmaschine für die Nutzer die meisten Inhalte im Internet und zu-künftig auch beim Hybridfernsehen. Anbieter von Onlineinhalten, einschließlich von Onlinehändlern, Onlinemagazinen und Videoportalen, nutzen ihren Zugang zu den Suchmaschinen dafür, von den Kunden gefunden zu werden. Auf die eigene Sei-tenbewertung können sie jedoch keinen direkten

Einfluss nehmen, da es sich bei Suchmaschinen in anderer Hinsicht gleichzeitig auch um geschlos-sene Güter handelt. Die Algorithmen und Techno-logie, die diesen zugrunde liegen, sind geschützt und die erhobenen Nutzungsdaten werden gut gehütet und kategorisiert, damit sich die Suchan-bieter die von ihnen aggregierten Inhalte durch den Verkauf von Werbung monetarisieren können.

Ein weiteres Kerngut der Anbieter für die Onlinesuche ist deren Werbenetzwerk, z. B. Mi-crosoft Media Network oder Google AdSense; hier-bei handelt es sich um Webseiten, die Werbefläche bereitstellen. Die Kernfunktion eines Werbenetz-werkes besteht darin, die Werbefläche von Inhalts-

Exhibit 3.7

The search-centred model

anbietern zu aggregieren und sie mit der Nach-frage der Werbenden abzugleichen. Werbenden zu bestimmten Preisbedingungen einen Zugang zur ihrer Technologie zur zielgenauen Werbungsplat-zierung und ihrem Werbenetzwerk für die Banner-werbung. Die Erlösströme, die mit der Onlinesuche erzeugt werden, sind in den vergangenen Jahren schnell gewachsen. Schätzungen zufolge werden sie im Jahr 2010 den Betrag von $30 Milliarden erreichen. Der Suchmarkt ist ein globaler Markt mit einer relativ hohen Marktkonzentration. Der Marktanteil des führenden Unternehmens beläuft sich auf 70% (siehe Abbildung 3.8).

Die Fähigkeit der Eigentümer der Such-maschinen zur Monetarisierung hängt in hohem Maße von deren Zugang zu den Gütern von drit-ten Parteien an vielen verschiedenen Punkten der Wertschöpfungskette ab. Die Suchmaschine

70

5

55

15

Google

Sonstige

Baidu

Microsoft

Yahoo!

Quelle: Strategy Analytics

Inhalts-erstellung

Inhalts-aggregation Übertragung Technische

Plattform/GerätMarketing / Vertrieb

Gra

d de

r Off

enhe

it

Offen

Geschlossen

Werbeplattform

Nutzerdaten

Hilfs- plattformen1

1 z. B. Browser (Chrome), mobiles Betriebssystem (Android), ADEs, E-Mail-Plattformen (Gmail) etc.

~ 98%

Werbeeinnahmen

Sonstige EinnahmenOpen-IP- Netzwerk

Inhalt Suchdienste

Such- algorithmus

Xxx Güter dritter Parteien XX% EinnahmequellenSuchgüter

Wertstrom/Einnahmequelle Zusammenspiel der Güter für die Wertschöpfung

~ 2%

Abbildung 3.8

Marktanteile bei

der globalen Onlinesuche

im Jahr 2010

Die zugrundeliegende Techno-logie ist geschützt und die erhobenen Nutzungsdaten werden gut gehütet und kategorisiert, damit die Suchan-bieter die von ihnen aggregierten In-halte durch den Verkauf von Werbung monetarisieren können.

aggregiert Inhaltsgüter, die sich im Eigentum von Inhaltsproduzenten wie Nachrichtenseiten, Onlinehändlern, sozialen Netzwerken, Fernseh-sendern und Fernsehstudios befinden. Die Anbie-ter im Bereich der Onlinesuche verweisen häufig direkt auf Inhalte von Websites anderer Inhalt-saggregatoren, wobei die meisten Seiten dies bedingungslos zulassen. Eine Ausnahme bilden bestimmte Zeitungsseiten mit entgeltpflichti-gen Inhalten wie das Wall Street Journal und die Inhalte von sozialen Netzwerken, bei denen den Suchmaschinen der Zugriff verwehrt bleibt.

(%)

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5655 |

Teil 3

DIMENSIONEN DER OFFENHEITGoogle – die Entstehung eines Giganten

Beinahe seit den ersten, zarten An-fängen des Webs haben die Nutzer für die Navigation im Internet Suchseiten verwen-det, um zu den gewünschten Inhalten zu ge-langen. Im Laufe der Zeit war die Beliebtheit der verschiedenen Suchmaschinen ständig Fluktuationen unterworfen. Aber keine stell-te wirklich die optimale Lösung für die Mo-netarisierung ihrer Güter im Bereich der Su-che dar – bis Google kam. Der Grund für die Beliebtheit von Google ist die hervorragende Fähigkeit der Suchmaschine wirklich relevan-te Ergebnisse zu liefern. Das Unternehmen setzte dieses leistungsstarke Gut gezielt für sich ein und fing an, Werbeplätze für die ei-genen Suchergebnisse zu verkaufen und so direkt an der Suchmaschine mitzuverdienen. Die zum Nutzerverhalten erhobenen Daten verwendet das Unternehmen, um die eigene Suche und Werbungsplatzierung noch zutref-fender zu gestalten. Die Werbeeinnahmen von Google haben in den letzten Jahren mit einem

beachtlichen Tempo zugelegt. 2009 nahm Google beinahe $24 Milliarden ein und man geht davon aus, dass diese im Jahr 2010 auf $28 ansteigen werden (siehe Abbildung 3.9).

Die Geschichte des Wachstums von Google beschränkt sich keineswegs nur auf die Onlinesuche. Das Unternehmen hat das eige-ne Ökosystem unermüdlich in den Bereich der Werbenetzwerke, mobilen Betriebssysteme, Videoplattformen, E-Mail, Karten, Navigation und unzähligen weiteren Hilfsprodukten und -diensten ausgedehnt. Diese Produkte und Dienste dienen dazu, die Position von Google innerhalb der digitalen Wirtschaft zu sichern und den Datenverkehr zu dessen Werbungs-mechanismus strömen zu lassen, mit dem das Unternehmen 97% seiner Einnahmen erzielt. Beim aktuellsten Projekt, Google TV, handelt es sich um ein ambitioniertes Konzept für den Auftritt im Fernsehmarkt, auf den 40% des weltweit insgesamt $460 Milliarden schweren Werbemarktes entfallen.

Abbildung 3.10

Das gerätezentrierte ModellInhalts-erstellung

Inhalts-aggregation Übertragung Technische

Plattform/GerätMarketing/ Vertrieb

Gra

d de

r Off

enhe

it

Offen

Geschlossen

Werbeplattform

Vertriebs-plattform

Gerät & Be-triebssystem

1 z. B. Xbox Live, iTunes, Apple App Store

~ 90%

< 1%

Gerätevertrieb

Werbung

9%

Lizenzgebühren für Inhalte und Handelsvergütungen

Open-IP-Netzwerk

Inhaltsrechte

Das gerätezentrierte Modell

Das gerätezentrierte Geschäftsmodell basiert auf der Beliebtheit von Geräten, die den Grundstein für die Einrichtung eines gesamten Öko-systems, bestehend aus Inhaltsplattformen, Werbe-netzwerken und Einzelhandelsangeboten, legen. Beliebte Geräte wie der iPod, das iPhone, das iPad, die Xbox 360 and die Sony PlayStation verschaffen ihren Herstellern eine Position, die solide genug ist, um die eigenen Geschäftsmodelle auf benachbarte Bereiche in der Wertschöpfungskette auszudehnen. Die Innovation, Qualität und Anwenderfreundlich-keit dieser Geräte sowie auch die Markenführung entscheiden über den Wert, der mit ihnen geschöpft werden kann. Im Bereich der Mobilkommunikation hat dies Geräteakteure (device player) in die Lage versetzt, mit komplett neuen Geschäftsmodellen in den Bereich der Daten- und Sprachdienste einzu-steigen und dort Werte weg von den Netzanbietern und hin zu den Geräten selbst zu verlagern.

Darüber hinaus wurde der Nutzen für be-stimmte Geräteakteure, die im Sprach- und Mobil-datenmarkt aktiv sind, mithilfe von Exklusivverträ-gen mit ausgesuchten Übertragungsanbietern für die Distribution und Bündelung des betreffenden

Abbildung 3.9

Umsatzwachstum

bei Google

von 2004 bis 2009

Quelle: Google

3 3

3

6 6

11 11

6

17

22

14

7

1 1

7

16

24

4

00

22

0

25

Einnahmen in Mrd. $ (B$)

20

15

10

5

2004 2005 2006 2007 2008 2009

49%

Sonstige Einnahmen (+75%)(Lizenzgebühren)

Netzwerkwebsites (+36%)(AdSense)

Websites von Google (+58%)(z. B. Suche, Maps)

0 0 0 0

Inhalts- plattform1

Gerätes mit Sprach- oder Datendiensten weiter ausgebaut. Ein Paradebeispiel für das gerätezent-rierte Geschäftsmodell ist Apple mit seiner mit der Inhaltsplattform iTunes gekoppelten Geräteserie. Der Erfolg von iTunes gipfelte in einem ganz ei-genen globalen Ökosystem, mit dem Apple sowohl beim Geräteverkauf als auch beim Absatz von elektronischen Inhalten beachtliche Marktanteile auf sich ziehen konnte.

Einige Hersteller von Multimediageräten knüpfen bestimmte technologische Bedingun-gen an den Zugang zu ihren Geräten und deren Betriebssystem (siehe Abbildung 3.10). Die An-bieter von Inhalten, einschließlich der Anwen-dungsentwickler und Musikverleger, sowie auch die Hersteller von kompatiblen Peripheriegeräten sind gezwungen, spezifische und zuweilen auch sehr strenge technologische Bedingungen zu erfüllen, damit deren Inhalte und Produkte auf bestimmten Geräten dargestellt oder betrieben werden können. Daneben unterliegt der Zugang von Inhaltsanbietern und Aggregatoren zum ein-zelnen Ökosystem der Geräte in der Regel auch bestimmten Bedingungen inhaltlicher Art. Außer-dem kommt es häufig vor, dass die Geräteherstel-ler den Inhaltsanbietern und Aggregatoren auf

Xxx Güter dritter Parteien XX% EinnahmequellenGerätegüter

Wertquelle / Einnahmenquelle Zusammenspiel der Güter für die Wertschöpfung

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5857 |

Teil 3

DIMENSIONEN DER OFFENHEITGrundlage einer Provisionsbasis Zugang zu den eigenen Vertriebs- und Marketingplattformen wie beispielsweise App Stores gewähren.

Gleichzeitig sind die Geräteakteure darauf angewiesen, dass für deren gerätespezifischen Ökosystem Inhalte bereitgestellt werden. Häu-fig sind sie direkt an der Erstellung von Inhalten beteiligt, beispielsweise bei Aushängespielen für Konsolen oder Anwendungen für Mobiltelefone. Zusätzlich bemühen sie sich darum, unabhängi-ge Entwickler für die Erstellung von Inhalten für deren Ökosysteme zu gewinnen. Der Aufbau einer hohen Bandbreite beim eigenen Ökosystem zum Gerät ist in diesem Zusammenhang von oberster Wichtigkeit. Dieser Umstand hat bestimmte Ge-rätehersteller dazu veranlasst, aus Exklusivverträ-gen oder Exklusivvertriebsvereinbarungen auszu-steigen oder die technologischen Anforderungen für Inhalte und Anwendungen herabzusetzen.

Im Fernsehbereich spielte das gerätezent-rierte Modell bislang keine so große Rolle. Die Her-steller von Set-Top-Boxen konnten bisher eher be-

Apple – der Schöpfer des gerätebasierten Modells

Ohne Zweifel bestechen die Geräte von Apple mit einem einmaligen Design und Anwendererlebnis. Das Unternehmen gab auf dem Markt wiederholt den Ton an mit seinen innovativen Gerätekonzepten. Die hieraus re-sultierende Beliebtheit der Geräte des Unter-nehmens gibt Apple den strategischen Vorteil, der für die Festlegung der an den eigenen strategischen Interessen orientierten Bedin-gungen für den Zugang zu den eigenen Öko-systemen notwendig ist. Diese Bedingungen haben Folgen für die Anwendungsentwickler, die Anbieter von Musik, digitalen Medien-inhalten und Peripheriegeräten. In einigen Märkten wirken diese sogar bis in die Über-

tragungsnetze hinein. Apple kann hiermit drei Zielstellungen verwirklichen: Die Qualität der Anwendungen, der Inhalte und das Anwen-dererlebnis innerhalb des Ökosystems werden gesichert, es wird eine intensive und nach-haltige Kundenbindungswirkung erzielt, der sogenannte Lock-in-Effekt und Apple kann auch aus anderen Bereichen der Wertschöp-fungskette Werte generieren.

Die Anbieter von Anwendungen und digitalen Inhalten zahlen für den Zugang zu den Vertriebs- und Marketingfunktionen der Plattformen von Apple ganze 30 Prozent der eigenen Einnahmen an das Unternehmen. Im Übertragungsbereich gelang es Apple, Ex-klusivverträge mit Mobilbetreibern wie AT&T und der Deutschen Telekom zum Abschluss zu

bringen. Im Gegenzug verpflichteten sich die Betreiber dazu, direkt für die Käufer einen Teil der Kosten des iPhones zu übernehmen und einen Teil der über das iPhone bei den Mobil-funkteilnehmern erzielten Einnahmen an Apple abzutreten. So geht man davon aus, dass AT&T in den frühen Tagen des iPhones etwa 20 Pro-zent dieser Einnahmen an Apple weiterleitete. Für die aufkommende Mobilfunkwerbung hat Apple ein geschütztes Werbenetzwerk für die eigenen Geräte aufgebaut und beansprucht für sich 40% der Einnahmen, die über seinen rela-tiv neuen Dienst iAd erzielt werden.

Der bei weitem größte Anteil am Ge-winn, der mit dem Ökosystem für das iPho-ne erzielt wird, entfällt auf das Gerät selbst. Schätzungen zufolge ist dieser Anteil etwa zwanzig Mal höher als der Gewinn, den App-le über flankierende Dienste wie iTunes, iAd und den App Store erzielt (siehe Abbildung 3.11). Plattformen wie der App Store erfüllen grundsätzlich die Funktion, die Attraktivität der Geräte zu wahren und den zukünftigen Verkauf zu fördern.

Scheinbar lockert Apple gerade die technologischen Bedingungen für Anwen-dungsentwickler und reagiert damit auf den Druck aus der Entwicklergemeinschaft und die von der Europäische Kommission ange-

4 Es wurde beschlossen, dass es sich hierbei um eine „faire Nutzung“ im Sinne des Digital Millenium Copyright Act aus dem Jahr 1996 handelt.

scheidene Erfolge bei der Herstellung von Geräten in Verbindung mit gerätespezifischen Plattformen verbuchen, die das Kernstück für die Darstellung und den Verkauf von Videoprodukten bilden. Eine neue Generation von Set-Top-Boxen, die im Haus-halt als IP-Gateway eingesetzt werden können, wird dieser Entwicklung möglicherweise eine neue Richtung geben, da sie einen nahtlosen Übergang zwischen linearen und Webinhalten ermöglichen sowie einen Zugang zu persönlichen Bibliotheken auf Computern und weiteren IP-fähigen Speicher-geräten. Die Hersteller von Konsumentenelektro-nik, insbesondere von internetfähigen Fernsehge-räten, haben die Chance, die eigene Reichweite zu erhöhen und ein Gut bereitzustellen, das sie mög-licherweise dazu befähigen wird, eine erheblichen Einfluss auf die Strategien von Inhaltsaggregato-ren für die Herstellung eines direkten Zugangs zu den Kunden ausüben. Vorstellbar wäre es dabei, dass ein oder mehrere Hersteller ein aufregendes, einheitliches und vertikal integriertes internetfä-higes Fernsehgerät auf den Markt bringen, das den Fernsehkonsumenten genau das bietet, was das iPhone für Mobilfunknutzer gebracht hat.

drohten kartellrechtlichen Ermittlungen. All dies deutet darauf hin, dass man die Offen-heitsgrade bei Apple vor dem Hintergrund von Wettbewerbsdruck und einer diesbezüg-lich zunehmend intensiveren Beobachtung durch Regulierungsbehörden einer neuen Bewertung unterzieht. Parallel dazu verfüg-te die amerikanische Urheberrechtsbehörde, dass es sich beim sogenannten ‚Knacken von Geräten’ beziehungsweise der Modifizierun-gen am iPhone oder iPad zum Zwecke der Nutzung von Anwendungen, die keine Frei-gabe von Apple erhielten und nicht über den App Store angeboten werden, um eine legale Vorgehensweise handelt. Dies wird für App-les Kontrolle des Zugangs zum Ökosystem für die Entwickler dieser Anwendungen nicht ohne Folgen bleiben.4

Das Community-zentrierte Modell

Globale Plattformen mit Community-Funktionen gewinnen gegenwärtig massiv an Bedeutung und enormen Einfluss im Bereich der Medien und Kommunikation. Bei den Communi-ty-Plattformen handelt es sich üblicherweise um Aggregatoren von Inhalten, bei denen ein Teil von den Nutzern selbst erstellt wird. Sie setzen die Nut-

zungsmuster und Daten der Gemeinschaft dafür ein, die Kundenzufriedenheit zu verbessern. Dies wiederum versetzt sie in die Lage, die Relevanz ih-rer Inhalte und die Qualität der Navigationsfunkti-onen ihrer Plattformen zu steigern, was wiederum zu selbstverstärkenden Netzwerkeffekten führt, da ihr Erfolg eine noch größere Zahl von Nutzern und Anbietern von Inhalten für ihr Ökosystem anzieht.

88

8 11 3

Geräte

ZubehöriTunes

Mobile MeApp Store

Abbildung 3.11

Geschätzte Verteilung

der Einnahmen aus dem

Ökosystem für das iPhone

von Apple

Hinweis: Schätzung für den Markt in den USA 2009

Quelle: Caris & Company; Bernstein; Credit Suisse; J.P. Morgan; Analyse von BCG

(%)

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Teil 3

DIMENSIONEN DER OFFENHEITDie sozialen Netzwerke im Internet sind

das bekannteste Bespiel für dieses Phänomen. Plattformen mit Videoinhalten wie YouTube und berufliche Netzwerke wie XING und LinkedIn fal-len ebenso in diese Gruppe der Plattformen, die die eigene Nutzergemeinschaft in den Mittelpunkt des eigenen Geschäftsmodells stellen. Diese Platt-formen bieten grundsätzlich zwei Hauptfunktio-nen, die für die Nutzer wichtig sind: Zum einen ist dies die Aggregation und Navigation von Inhalten, welche in einem großen Umfang von den Nutzern selbst erstellt werden. Zum anderen verarbeiten sie in gewissem Maße auch die Rückmeldungen von Nutzern zu den Inhalten, entweder auf direk-tem Wege wie im Fall von Kommentaren, Beiträ-gen oder der Weiterverbreitung von Inhalten oder mittelbar durch die Auswertung von Nutzungs-mustern. Die Nutzungsdaten und Rückmeldungen werden zu Inhalten, die von anderen Mitgliedern der Gemeinschaft genutzt werden. Wie bei Face-book über die Betätigung des Like-Buttons, was sich als wirksames Mittel der Weiterempfehlung und Verbreitung von Inhalten erwiesen hat.

Das Wachstum der Gemeinschaft wird von dem ausgeprägten Kommunikations- und Mitteilungsbedürfnis der Menschen vorange-trieben. Die Grundlage dafür bildet das allgegen-wärtige Angebot von Zugängen zu diesen Platt-

formen aus dem Festnetz und Mobilfunknetz. Gleichzeitig sind die Nutzer gewissermaßen durch ungeschriebene Verpflichtungen, die sie im Hinblick auf die Bereitstellung von Inhalten wie Fotos oder Videos und Kontakte zum Freun-deskreis eingegangen sind, oder den Status, den sie in einem Empfehlungssystem möglicherweise schon erreicht haben, an die Plattform gebun-den. Auch können bestimmte technische Stan-dards eine Übertragung der Daten verhindern.

Wenn sie eine bestimmte Größe erreicht haben, verfügen diese Plattform über ein enorm wichtiges Gut: eine riesige Nutzerbasis, die frei-willig jede Menge wichtiger Informationen über sich selbst, die eigenen Konsum- und Kommu-nikationsgewohnheiten preisgegeben hat. Die Plattformen können so - ausgehend von den individuellen Nutzerinformationen im eigenen Besitz - zielgenau Werbung und eigene Pro-duktangebote platzieren. Die Nutzungsdaten und die Rückmeldungen von Nutzern werden üblicherweise gut geschützt vor dem Zugriff durch andere Inhaltsaggregatoren, Community-Plattformen und Suchmaschinen. Auf der an-deren Seite erhalten Werbende Zugriff auf die plattformeigenen Werbemechanismen, da diese die Haupteinnahmequelle der Community-Platt-form darstellen.

Da es bei diesem Geschäfts-modell augenscheinlich auf die Größe ankommt, folgt die Markt-konzentration auf dem Fuße und mit ihr die Entstehung von Akteuren mit globaler Reichweite.

Abbildung 3.12

Das Community-

zentrierte Modell

Inhalts-erstellung

Inhalts-aggregation Übertragung Technische

Plattform/GerätMarketing/ Vertrieb

Gra

d de

r Off

enhe

it

Offen

Geschlossen

Werbeplattform

Nutzerdaten

1 z. B. Absatz von virtuellen Gütern, Spielen

Lizenz- gebühren für Inhalte1

90%

Werbe- einnahmen

Open-IP-Netzwerk

IP-fähiges Gerät

Inhalte von Nutzern und gewerblichen

Anbietern

Community-Plattform

Xxx Güter dritter Parteien XX% EinnahmequellenCommunity-Güter

Wertstrom/Einnahmequelle Zusammenspiel der Güter für die Wertschöpfung

10%

Im Hinblick auf die Offenheit ist dies eine eher anspruchsvolle Art, die vielschichtigen Kon-stellationen in puncto Offenheit und Geschlos-senheit zur Gewinnerzielung zu nutzen. Den Kon-sumenten und Anwendungsentwicklern stehen diese System offen, was der Vermehrung der In-halte und der Vergrößerung des Kundenstamms der Plattform dient. Die Nutzerdaten werden dann zielgerichtet für die Monetarisierung über den Anzeigenverkauf verwendet. Die Plattformen haben beim offenen Internet zu großangelegten Verwerfungen geführt und im Zuge dieser soge-nannte „fenced gardens“ hervorgebracht, die von den Nutzern als Ausgangspunkt für den Zugang und die Navigation im Internet verwendet werden.

Da es bei diesem Geschäftsmodell au-genscheinlich auf die Größe ankommt, folgt die Marktkonzentration umgehend und mit ihr die Entstehung von Akteuren mit globaler Reich-weite, die ihre Aggregationsplattform und ihre Nutzergemeinschaft in die Waagschale werfen, wenn es darum geht, die Zugangsbedingungen mit Anbietern von Inhalten, Geräteherstellern und sonstigen Inhaltsaggregatoren und Wer-benden auszuhandeln (siehe Abbildung 3.12).

Facebook – die neue Parallelwelt im Internet

Der Aufstieg von Facebook war spek-takulär. Mittlerweile wird die Plattform welt-weit von 500 Millionen Menschen genutzt. Die bei Facebook angemeldeten Nutzer stellen weltweit einen Anteil von etwa einem Viertel aller Internetnutzer, 35 Prozent aller Nutzer in

Europa und mehr als 50% der Nutzer in den USA. Die Macht dieses Netzwerks ist beein-druckend: Zwei Drittel der besten US-ameri-kanischen Websites bei comScore und mehr als die Hälfte der weltweit einhundert besten Websites bei comScore verfügen über eine Anbindung zu Facebook. Bei den mobilen An-wendungen ist die Facebook-Anwendung für das iPhone die am zweithäufigsten herunter-

Abbildung 3.13

Allmählich entfallen größere

Anteile des Datenverkehrs auf

Onlinegemeinschaften

0

200

250

150

100

50

Einzelne Besucher in den USA je Monat (M)

Mai 2005 Mai 2005Mai 2010 Mai 2010

Facebook Google

7

82

130

179

x 2

x 19

Quelle: ComScore Media Metrix Ranks Top 50 US Web Properties

x 19

x 2

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Teil 3

DIMENSIONEN DER OFFENHEITgeladene Anwendung aller Zeiten. Weltweit nutzen mehr als 150 Millionen Facebookianer die Anwendungen von Facebook auf den ei-genen Mobilgeräten.

Facebook wächst unaufhaltsam wei-ter und bedroht langsam auch Googles Po-sition als weltweit größtes Tor zum Web und möglicherweise auch seine Position als füh-render Anbieter von Onlinewerbung – auch bei der Suche ist die Bedrohung schon zu spüren. Facebook hat bereits begonnen, den Suchmarkt ins Visier zu nehmen und erst kürzlich mit Microsoft vereinbart, der Such-maschine Bing exklusiven Zugang zu den nutzergenerierten Daten bei Facebook zu gewähren. Man geht davon aus, dass Face-book im Jahr 2010 Werbeeinnahmen in Höhe von etwa $2 Milliarden erzielen wird, das heißt sechsmal mehr als noch im Jahr 2008. Im Vergleich zu den geschätzten $28 Milli-arden von Google ist das zwar wenig, aber Facebook wächst schnell: Im Mai 2005 hatte Facebook gerade einmal 7 Millionen einzelne

Die Offenheitsdynamik der Ge-schäftsmodelle

Die Geschäftsmodelle werden stets in ei-nem Prozess der Anpassung begriffen sein. Sie werden den Zugang zu neuen Gütern und An-satzpunkten öffnen oder schließen, die am Markt an Bedeutung gewinnen oder verlieren und dort den Zyklus von Entstehen und Vergehen durch-schreiten. Die Technologie entwickelt sich weiter. Die Denkansätze und Politik der Regulierungsbe-hörden ändern sich und die Unternehmen passen die Offenheitsgrade ihrer Güter entsprechend an. Kürzlich integrierte Virgin Media den BBC iPlayer in die eigene Kabelplattform. Dabei handelte es sich um eine strategische Anpassung, die auf eine Öffnung für Onlineinhalte gerichtet ist. Gleicher-maßen handelte es sich bei Apples in September 2010 angekündigte Lockerung der Bestimmungen

für die Entwicklungstools der eigenen Plattform zur Nutzung von Flash um eine auf mehr Offen-heit gerichtete Anpassung, bei der die Möglich-keit eines bevorstehenden regulatorischen Ein-griffs keine ganz unbedeutende Rolle spielte. Mit der Einbindung von Facebook in die interaktiven Fernsehplattformen von AT&T und Verizon soll wiederum der Zugang zu einem wachstumsstar-ken Gut hergestellt und die eigene Relevanz im virtuellen Raum gefestigt werden.

Unbedingt verstehen muss man dabei, dass diese fünf Ge-schäftsmodelle nicht in alle Ewigkeit stabil und autonom parallel zuein-ander existieren und ausschließlich in ihren ursprünglichen Wirkungs-kreisen operieren werden.

Besucher. Bei Google hingegen waren es 82 Millionen. Aber bis zum Jahr 2010 hat sich die Zahl der einzelnen Besucher bei Facebook um den Faktor Neunzehn auf 130 Millionen vergrößert, während Google seinen Wert nur verdoppeln konnte (siehe Abbildung 3.13).

Aktuell ist eine Expansion in den Fernsehmarkt zu beobachten. Auf einer Rei-he von internetfähigen Fernsehgeräten ist Facebook standardmäßig vorinstalliert und sowohl AT&T als auch Verizon haben die An-wendung in deren interaktive Fernsehplatt-formen integriert. Im November 2010 stellte Facebook eine eigene universal einsetzbare Kommunikationslösung vor: einen universel-len Posteingang für jede Art von Online- und Mobilkommunikation, u.a. für E-Mail, SMS, Sofortnachrichten und Chatnachrichten bei Facebook. Es ist unschwer zu erkennen, dass Facebook Ambitionen hat, zur zentralen Platt-form für ausnahmslos alle Arten von Mittei-lungen, Inhalten und Werbung im Online- und Mobilbereich aufzusteigen.

Unbedingt verstehen muss man dabei, dass diese fünf Geschäftsmodelle nicht in alle Ewigkeit stabil und autonom parallel zueinander existieren und ausschließlich in ihren ursprüng-lichen Wirkungskreisen operieren werden. Die re-lative Offenheit eines Akteurs wird unweigerlich Auswirkungen auf die Fähigkeit eines anderen Akteurs haben, der seine Güter platzieren und wertschöpfend einsetzen will. Die Unternehmen gehen aggressiv vor, um für sich neue Parzellen

außerhalb ihrer traditionellen Umgebung abzu-stecken und in benachbarte Branchen einzustei-gen, die in direktem Wettbewerb zu etablierten Akteuren stehen. Während sich diese strategi-schen Schlachten vollziehen, wird sich die Topo-graphie der Offenheit verändern. Die Bedeutung von Gütern und strategischen Positionen wird eine andere sein. Die dritten Parteien von heute werden die Eigentümer der gefragten Güter von morgen sein und umgekehrt.

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Teil 4T4Teil 4ENTWICKLUNGEN

IN PUNCTO OFFENHEIT

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Teil 4

Sammlung und Monetarisierung von Verbrau-cherdaten schafft globale Zentren der Macht auf den Gebieten Werbung, Inhalt und Handel und diktiert damit die Zugangsbedingungen in der digitalen Wirtschaft.

Alle Wettbewerber der Branche beteiligen sich in einem mehr oder weniger großen Umfang an diesen Entwicklungen, da sie versuchen, die eigene Reichweite entlang der Wertschöpfungs-kette zu erhöhen und die eigene strategische Position zu stärken. Die Bedingungen, zu denen diese Schlachten aktuell ausgetragen werden, sind nicht mehr die, die sie einmal waren. Heu-te sind die Dienste, um die es dabei geht, global und losgelöst von den einzelnen Distributions-netzen verfügbar. Diese Netze wiederum sehen sich nicht mehr nur einem Wettbewerb mit an-deren Infrastrukturakteuren sondern auch einer Konkurrenz durch neue, häufig global vertretene Ökosysteme für einzelne Mobilgeräte, Over-the-Top-Plattformen und Cloud-basierten Umgebun-gen ausgesetzt.

Als ein Ergebnis dieser Entwicklung handelt es sich gegenwärtig bei den Inhaltsrechten, Soft-wareplattformen, Navigationsdiensten und Verbraucherdaten um die Schlüsselgüter der Branche, die als Treiber für Innovation und Wachstum immer stärker an Bedeutung ge-winnen. Der Zugang zu diesen Gütern ist schon jetzt ein entscheidender Faktor für große Seg-mente der wachsenden digitalen Wirtschaft. Diese Entwicklung wird sich noch verstärken, da etablierte Branchenakteure in zunehmendem Maße abhängig von neuen Arten von Gütern werden, um die eigene Wettbewerbsfähigkeit zu wahren und mithilfe innovativer Mehrwert-dienste neue Einnahmenquellen erschließen zu können. Mit fortschreitender Konvergenz der Märkte und Expansion der Unternehmen

ENTWICKLUNGEN IN PUNCTO OFFENHEIT – Strategische Neuausrichtung und die sich abzeichnende Topografie der Offenheit

Die unaufhaltsame Dynamik, die sich vor dem Hintergrund von Technologiesprüngen, Wett-bewerb zwischen den Ökosystemen und dem Kun-denverhalten in der Branche entfaltet, induziert neue Entwicklungen im Bereich der Offenheit. Neue „strategische Schlachtfelder“ zeichnen sich ab, in denen die verschiedenen Geschäftsmodelle zum Schutz der eigenen strategischen Marktpo-sitionen miteinander in Wettbewerb treten, neue Positionen schaffen oder diejenigen wieder auf-bauen, die sie schon verloren hatten. Am Rande dieser Schlachtfelder kann man erkennen, wie bestimmte entscheidende Güter und deren Ver-fügbarkeit für dritte Parteien zunehmend wichti-ger oder auch weniger wichtig werden. Es kann sein, dass sich Wachstum und Wertschöpfung zu anderen Abschnitten der Wertschöpfungskette verlagern, während es parallel dazu bei den Wett-bewerbspositionen zu erheblichen Umwälzungen kommt, die man an den Änderungen der Offen-heitsgrade in der Wertschöpfungskette ablesen kann. Die Umwälzungen im Bereich der Offenheit offenbaren sich in drei wesentlichen strategischen Schlachten, die für die gesamte Branche von fun-damentaler Bedeutung sind:

• Die Schlacht um die Inhaltsnavigation. Je-des der typischen Geschäftsmodelle strebt nach derselben strategischen Position als Hauptportal der Konsumenten zu digitalen Inhalten, um da-mit die eigene Wettbewerbsfähigkeit zu festigen.

• Die Schlacht um den Konsumentenzugang. Das Wachstum der webbasierten Geschäftsmo-delle und des Datenverkehrs im Internet wirft fundamental wichtige Fragen zu den Bedingun-gen für den Konsumentenzugang über die Über-tragungsnetze auf.

• Die Schlacht um die Verbraucherdaten. Die Beschleunigung der plattformübergreifenden

Die Schlacht um die Inhaltsna-vigation

Allen technologischen Entwicklungen und Änderungen beim Konsumentenverhalten zum Trotz ist es noch immer der Inhalt, der stimmen muss. Die Schlacht um das wichtigste Tor der Kon-sumenten zu digitalen Inhalten wird mit immer größerer Heftigkeit ausgetragen. Fast jeder ge-wichtige Akteur aus den verschiedenen Branchen wie Distribution, Aggregation, Suche, Geräte und Communities, strebt nach dieser zentralen Rolle innerhalb einer konvergierten Umgebung. Over-the-Top-Plattformen für Inhalte werden zuneh-mend wichtiger und dabei zukünftig sowohl von neuen als auch bestehenden Aggregatoren be-trieben werden. Die Gerätehersteller sichern sich einen direkten Zugang zu Inhalten und statten die eigenen gerätebasierten Ökosysteme mit Wer-befunktionen aus. Die Suchanbieter betreten die Fernsehlandschaft und haben dabei Angebote für die suchbasierte lineare und digitale Videonavi-gation im Portfolio. Die Community-Plattformen stellen sich selbst mit ihrer riesigen, weltweit ver-

Die Bedingungen, zu denen diese Schlachten aktuell ausgetragen wer-den, sind nicht mehr die, die sie einmal waren. Heute sind die Dienste, um die es dabei geht, global und losgelöst von den einzelnen Übertragungs-netzen verfügbar. Diese Netzwerke wiederum sehen sich nicht mehr nur einem Wettbewerb mit anderen Infra-strukturakteuren sondern auch einer Konkurrenz durch neue spezifische Ökosysteme für einzelne Mobilgeräte, Over-the-Top-Plattformen und Cloud- basierten Umgebungen ausgesetzt.

tretenen Nutzerbasis als wichtiges Tor zu den In-halten auf. Distributionszentrierte Akteure erwei-tern die eigenen Funktionalitäten mit einer neuen Generation von fernsehbasierten Plattformen, die lineare Inhalte, Webinhalte und persönliche Inhalte zusammenbringen, und dehnen die eige-nen Rolle als Aggregator in die Onlineumgebung aus, beispielsweise durch die Bereitstellung ihrer fernsehbasierten Inhalte für die eigenen Nutzer über das Internet wie im Fall von TV Everywhere. Diese Entwicklungen stellen die Spielregeln für die Vergabe von Inhaltsrechten, Distribution und Wer-bung vollkommen auf den Kopf.

Inhaltsrechte ganz groß im Kommen

Da sich die Wege für die Bereitstellung von Inhalten an die Konsumenten über enorm viele Geräte, Übertragungsnetze und Plattformen verzweigen, wird die Zahl der möglichen Distribu-tionspartner für die Inhaber von Inhaltsrechten immer größer. Auch wenn die lineare Distribution von Fernsehinhalten für die meisten Quotenrenner noch immer das lukrativste Modell ist, erscheinen neue Herausforderer am Horizont, die das jahr-zehntealte System der Vergabe von Inhaltsrechten neu ordnen könnten. Das betrifft nicht nur Inhalte von der Stange oder Nischeninhalte, den soge-nannten Long-Tail-Content, der mit seiner spe-ziellen Thematik nur für eine kleinere Zielgruppe von Interesse ist. Zunehmend gilt dies auch für die Rechte an neuen Kinofilmen und der Übertragung von bedeutenden Sportereignissen. An diesem Wettrennen um Inhalte beteiligen sich die traditi-onellen Aggregatoren, Over-the-Top-Plattformen, Suchanbieter, Gerätehersteller und Distributions-akteure. Mit von der Partie sind auch Unterneh-men wie Google, Yahoo, Sony und Apple, die be-strebt sind, damit die Attraktivität ihrer globalen Plattformen zu verbessern.

In den letzten Jahren haben sich diese neu-en Akteure bedeutende Verträge an Land gezogen. Erst neulich verwendete der Online-Streaming-Anbieter Netflix $1 Milliarde auf die Sicherung der

in fremde Geschäftsumgebungen werden die Eigentümer der traditionellen Güter bei den neuen, zukünftig immer stärker an Innovation und Wertschöpfung beteiligten Gütern selber zu dritten Parteien.

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Teil 4

2 „Eine digitale Agenda für Europa” COM(2010) 245, 19. Mai 2010

Rechte von Epix, einem Joint-Venture von Viacom, Lionsgate und MGM, an Inhalten nach Ablauf von 90 Tagen nach deren Premiere im Pay-TV. Die zwei Milliarden Seitenaufrufe am Tag bei YouTube ha-ben das Unternehmen zu einem attraktiven Part-ner für die Distribution von Inhalten werden las-sen. Mit dem Kauf der weltweiten Exklusivrechte1

für das Live-Streaming durch das Unternehmen wurden die Cricketspiele in der indischen Premier League im Jahr 2010 zum ersten Sportereignis, das weltweit live über das Internet übertragen wurde. Das Ereignis wurde von 200 Ländern aus 50 Mil-lionen Mal aufgerufen. Ein Sprecher von Google erklärte, dass angesichts dieses Erfolges weitere Liveübertragungen von Sportveranstaltungen und Ereignissen auf YouTube folgen werden. Die globa-len Plattformen sind nicht die einzigen, die um die Sportrechte pokern. Auch distributionszentrierte Akteure steigen langsam ein. Comcast kaufte NBC, eine große Nummer unter den Kabelsendern. Da-mit sicherte sich das Unternehmen das Eigentum an einem Netz für frei empfangbare Sender und den Zugang zu einer Vielzahl von Programmen und jede Menge zusätzliche Werbekapazität. Die

Die europäischen Unternehmen im Bereich der Aggregation könnten ihren Aktionsradius erweitern, aber auch die gegenwärtigen globalen Akteure hätten viel leichteres Spiel bei ihren Expansionsbestrebungen innerhalb von Europa.

Das europäische System für den Verkauf von Inhaltsrechten über verschiedene nationa-le Märkte erweist sich in Verbindung mit den fragmentierten Systemen zur Rechteklärung gewissermaßen als Hürde für eine großange-legte Abwanderung zu internationalen und glo-bal agierenden Onlineakteuren. Diese Situation könnte sich aber bald ändern, da die Digitale Agenda für Europa der „Offene Zugang zu Inhal-ten“ zum Zwecke der Einrichtung eines gemein-samen digitalen Marktes Priorität eingeräumt hat. Die Europäische Kommission beklagt die innereuropäische Fragmentierung der Märkte für Inhalte und Handel und sieht dies als Grund für den geringen Anteil des Kontinents bei erfolgrei-chen globalen Internetunternehmen: Nur vier der 54 besten Websites mit dem höchsten Datenver-kehr in Europa kommen auch aus Europa2.

Eine einfachere, technologie- und platt-formneutrale Lizenzierung von audiovisuellen Inhalten für ganz Europa würde die Reichweite von inhaltsbasierten Geschäftsmodellen vergrö-ßern und den Rechteinhabern die Chance geben, sich an ein breiteres Publikum wenden zu können. Wenngleich den Rechteinhabern auch weiterhin eine preisliche Differenzierung und Einschränkung ihrer Lizenzen auf bestimmte Territorien gestattet bliebe, würde ein solcher Schritt eine Verlagerung der Rechte zu größeren webbasierten Plattformen

Deutsche Telekom kaufte die Übertragungsrechte für die Spiele der Ersten Bundesliga in Deutsch-land. Das Unternehmen produziert seine eigene Live-Berichterstattung und zugehörige Inhalte, die als eine der Hauptsäulen das Wachstum seiner IPTV-Plattform tragen sollen.

Bedeutende Veränderungen bei den In-haltsrechten werden die Branche in vielerlei Hin-sicht neu gestalten. Insbesondere ist es möglich, dass sie zu einer Stärkung der Wettbewerbspositi-on der neuen Onlineaggregatoren und Communi-ty-Plattformen führen, da diese in der Lage sind, bei der Gewinnung von Blockbuster-Inhalten für deren Plattformen einen niemals dagewesenen geographischen Maßstab zu erreichen. Die On-linedistribution wird langsam zu einer echten Al-ternative für die lineare Übertragung. Gleichzeitig gilt es aber noch viele Hürden zu überwinden. Jeff Weber von AT&T pflegt es so zu formulieren: „Es ist ein Eiertanz zwischen den Dienstanbietern [Kabel, Satellit] und den Inhaltsanbietern, da so-viel Geld in der Branche ist, das nicht aus dem Gleichgewicht geraten kann.“

Bedeutende Veränderungen bei den Inhaltsrechten werden die Bran-che in vielerlei Hinsicht neu gestalten. Insbesondere ist es möglich, dass sie zu einer Stärkung der Wettbewerbs-position der neuen Onlineaggrega-toren und Community-Plattformen führen, da diese in der Lage sind, bei der Gewinnung von Blockbuster-In-halten für deren Plattformen einen niemals dagewesenen geographi-schen Maßstab zu erreichen.

Infrastruktur-unabhängiges Over-the-Top auf dem Sprung nach oben

Bei den Videofilmen erobern Over-the-Top-Angebote (OTT) mit rasanter Geschwindigkeit den Mainstream. Eine zweite Wachstumsphase steht möglicherweise kurz bevor. Eingeleitet wer-den könnte sie vom Konsumentenverhalten und von technologischen Entwicklungen wie höherer Bandbreite, dem allgegenwärtigen Zugang zum Internet und den bereits beschriebenen Änderun-gen bei den Inhaltsrechten. Möglich wird dieser Trend durch den Zugang der Inhaltsproduzenten und -aggregatoren zum offenen Internet als wei-tere Alternative bei der Distribution. Auf diese Wei-se können von ihnen zwei entscheidende Güter in der Wertschöpfungskette umgangen werden: die verwalteten linearen Distributionsnetze und die zugehörigen Geräte wie Set-Top-Boxen, die für den Empfang des Übertragungssignals benötigt

1 Mit Ausnahme der USA, wo sich die Rechte im Eigentum von Willow TV befinden

möglich werden lassen. Die europäischen Unter-nehmen im Bereich der Aggregation könnten ih-ren Aktionsradius erweitern, aber auch die gegen-wärtigen globalen Akteure hätten viel leichteres Spiel bei ihren Expansionsbestrebungen innerhalb von Europa. Online- und gerätebasierte Modelle würden sich möglicherweise aus strategischen Gesichtspunkten europaweit geltende Inhalts-rechte sichern, um damit die eigenen Werbe- und Geräteinnahmen in die Höhe zu treiben. Hierdurch könnten lokale Aggregatoren und Distributionsak-teure bei der Suche nach Inhaltsrechten für de-ren jeweilige regionale Märkte in Schwierigkeiten kommen.

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Teil 4Abbildung 4.1

Änderungen beim Zugang

von Inhaltsaggregatoren zu

Distributionsgütern

Abbildung 4.2

Substitution

durch OTT

in den USA

Inhalts-erstellung

Inhalts-aggregation Übertragung Technische

Plattform/GerätMarketing/ Vertrieb

Gra

d de

r Off

enhe

it

Offen

Geschlossen

Open IP

Inhaltsrechte

Fernsehsender

Vorher Nachher

IP-fähige Geräte

Verwaltete Übertragung

70% aller Internetnutzer schauen heute schon Videos on-line. Weltweit besitzen bereits etwa 22% aller Onlinekonsumenten ein internetfähiges Fernsehgerät oder haben dessen Anschaffung für das nächste Jahr geplant.

Im Jahr 2009 tauschten etwa 1,5 Millionen Haushalte das eigene Abonnement für Mehrkanalpakete bei Kabel- oder Satellitenanbieter gegen OTT-Dienste wie Hulu oder Netflix ein. Man geht davon aus, dass sich dieser Wert bis 2014 auf 8 Millionen Haushalte erhöhen wird.

70% aller Internetnutzer schauen heute schon Videos online. Teilweise werden diese Ge-wohnheiten durch die zunehmende Marktdurch-dringung von OTT-fähigen Geräten geprägt und treten nun auch bei den Fernsehgeräten in Er-scheinung. Weltweit besitzen bereits etwa 22% aller Onlinekonsumenten ein internetfähiges Fernsehgerät oder haben dessen Anschaffung für das nächste Jahr geplant.3 Dabei liegen die Märkte Asiens beim globalen Videokonsum über das In-ternet an der Spitze. Aber dieser Trend verbreitet sich mit rasanter Geschwindigkeit. Auch schon in den USA und Europa sind die ersten Zeichen von möglichen Wertverschiebungen unübersehbar ge-worden. In den USA wird OTT für die Konsumenten zu einer echten Alternative gegenüber Kabel- oder Satellitenverträgen. Im Jahr 2009 tauschten etwa 1,5 Millionen Haushalte das eigene Abonnement für Mehrkanalpakete bei Kabel- oder Satellitenan-bietern gegen OTT-Dienste wie Hulu oder Netflix ein. Man geht davon aus, dass sich dieser Wert bis 2014 auf 8 Millionen Haushalte4 erhöhen wird (sie-he Abbildung 4.2). Analysen der jüngeren Konsu-mentengruppen legen sogar die Vermutung nahe, dass dieser Trend die gegenwärtigen Prognosen für die Entwicklung in den Haushalten noch weit in den Schatten stellen wird. 30% der Teilnehmer von Netflix im Alter von 18 bis 24 Jahren nutzen ihr Online-Abo anstelle von Fernsehen über Kabel

3 Nielsen, How People Watch, 20104 SNL Kagan

5 Statistik von comScore für Februar 20106 Für das erste Quartal 2010 vom Broadcaster's Audience Research Board veröffentlichte Quoten, einschließlich von linearen,

digitalen und VoD-Diensten

Quelle: SNL Kagan, Analyse von BCG

0 0

10

80

100

40

60

20

5

Substituierende Haushalte (M) Prozentualer Anteil der Haushalte mit Mehrkanalfernsehen

2009 2010F 2011F 2012F 2013F 2014F

1.5

2%

2.8

3% 4% 6% 7% 8%

4.3

5.7

6.9

8.1

Substituierende Haushalte Prozentualer Anteil der Haushalte mit Mehrkanalfernsehen

oder Satellit. Da die monatlichen Abogebühren bei etwa 10 Dollar liegen und damit weniger als 30% des Grundtarifs beim Kabelfernsehen betragen, wird dies wahrscheinlich auch auf der Einnah-menseite deutlich zu Buche schlagen.

Auch vor Europa hat der Trend zu OTT nicht Halt gemacht. Die Zahl der Onlineangebote wächst rasant. Öffentlich-rechtliche Rundfunk- und Fern-sehanstalten wie die britische BBC sowie ARD und ZDF sind schon seit einigen Jahren bei OTT mit am Ball. Auch die Mehrzahl der privaten Sender bietet Onlineinhalte an. Dabei planen gerade zwei der größten europäischen Fernsehkonzerne, RTL und Pro7/Sat1, ein gemeinsames Onlineprojekt. Im Vereinigten Königreich stieg der Onlinekonsum von Videoinhalten in den 12 Monaten bis zum ersten Quartal des Jahres 2010 um 36% an.5 Die Wachstumsrate ist dabei viermal höher als beim traditionellen Fernsehen.6 YouTube hält weiterhin

Abbildung 4.3

Anzahl der Aufrufe

des iPlayers der BBC

Quelle: BBC

54

208

354

0

500

Aufrufe (in M)

400

300

200

100

Q1/08 Q1/09 Q1/10

+ 556%

Plattform/ Set-Top-Box

werden. Hierdurch erhöhte sich der Offenheits-grad von einigen zentralen Gütern für die Video-distribution (siehe Abbildung 4.1). Die Verbreitung des an Inhalte und Preise gebundenen Zugangs zu verwalteten Netzen und Set-Top-Boxen wird nachlassen, da die OTT-Akteure über die IP-Ebene geschützte Aggregationsplattformen einrichten und direkte Kundenbeziehungen herstellen. Die-ser Trend wird auch durch die veränderten Mus-ter beim Konsum von Videoinhalten verstärkt. Die Konsumenten, insbesondere die Digital Na-tives, wollen den Ort, die Zeit und das Gerät für den Konsum von Videoinhalten selbst bestimmen. Der Zugang sollte dabei vorzugsweise kostenfrei gewährt werden. Dies erinnert an zurückliegende Entwicklungen bei den Daten, bei denen die on-line verkauften Produkte und Dienste für eine be-stimmte Zeit in weiten Teilen von den klassischen Distributionsnetzen entkoppelt wurden.

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Teil 4den Löwenanteil, aber die BBC ist stark auf der Überholspur: Das Publikum für den iPlayer der BBC ist in den vergangenen Jahren stetig grö-ßer geworden. Im ersten Quartal des Jahres 2010 wurde das Angebot 354 Millionen Mal aufgerufen (siehe Abbildung 4.3, Seite 70). Ein immer größerer Anteil der Aufrufe des iPlayers erfolgt dabei über Fernsehgeräte anstelle eines Computers und zwar entweder über die Kabelplattform von Virgin oder OTT-fähige Geräte wie die Sony Playstation oder die Nintendo Wii. Dieser Anteil belief sich im Sep-tember 2010 auf etwa 24% der Aufrufe.

Websuchbasierte Geschäftsmodelle wagen sich vor in die Navigation von Fernsehinhalten

In gleichem Maße wie sich die Videoinhal-te zusehends von linearen Übertragungsformen verabschieden und zur IP-basierten Übertragung verlagert werden, können auch erfolgreiche Ge-schäftsmodelle aus dem Internet auf das Fernse-hen übertragen werden. Die Anwendungsmenüs sind auf den aktuellen internetfähigen Fernsehge-räten bereits vorinstalliert. Videos kann man auf einer Vielzahl von ortsgebundenen und mobilen Geräten anschauen und die Suchakteure bereiten sich darauf vor, das eigene Geschäftsmodell auf den Fernsehbildschirm zu übertragen. Über Open-IP übertragene Fernsehinhalte werden als Over-the-Top-Inhalte im Zentrum der Fernsehsuche

Abbildung 4.4

Ökosystem von GoogleTV

stehen. Daneben gibt es auch Pläne, eine Brücke zu traditionellen Fernsehinhalten zu schlagen. Bei GoogleTV ist man aktiv dabei, Allianzen in diesem neuen Markt zu schmieden, um darauf ein mäch-tiges Ökosystem für die eigene Such- und Werbe-maschinerie zu gründen. Nach den Planungen von Google soll die Plattform GoogleTV in so viele IP-fähige Geräte wie nur möglich eingebunden wer-den. Auf der vorläufigen Liste möglicher Partner für den Aufbau des Ökosystems GoogleTV finden sich Sony, Intel, Adobe, Logitech, Dish Network, Netflix, CNN und BestBuy (siehe Abbildung 4.4).

Mit dem Aufkommen von Anbietern für die Fernsehsuche erhalten die Nutzer verstärkt direkten Zugang zu den Inhalten und können be-stehende Aggregatoren außen vor lassen. Deshalb wird diese Verlagerung der Navigation zu den Suchakteuren möglicherweise mit einer Schwä-chung ihrer Ansatzpunkte für die Wertschöpfung einhergehen. Kopfschmerzen könnte dies auch besonders den OTT-Akteuren bereiten, da der Zugang auf Nischeninhalte enorm vereinfacht wird. Dabei handelt es sich um einen Bereich, in dem diese erst kürzlich einen Wettbewerbsvorteil gegenüber der traditionellen Fernsehaggregation für sich erkannten. In den Vereinigten Staaten wurde GoogleTV der Zugang zu den Online-In-halten von ABC, CBS, NBC, Fox, Viacom und der Onlineplattform Hulu einhellig verwehrt. Bei den

Eine Zunahme der Angebote zur Suche von Fernsehinhalten könnte für die Verteilung der Werbeeinnahmen noch Folgen haben. Mehr als 60% der Einnahmen bei der Onlinewerbung und 24% der Einnahmen aus der Mobilfunkwerbung wandern in die Taschen der Suchakteure. Ihre

In den Vereinigten Staaten wurde GoogleTV der Zugang zu den Online-Inhalten von ABC, CBS, NBC, Fox, Viacom und der Onlineplatt-form Hulu einhellig verwehrt.

Abbildung 4.5

Konzentration der

globalen Einnahmen

aus der Fernseh- und

Internetwerbung

Hinweis: Enthält Schätzungen, die fünf besten Internetakteure im Jahr 2009: Google, Yahoo!, Microsoft, AOL, Facebook;

die fünf besten Akteure im linearen Fernsehen im Jahr 2008: NBC Universal Inc., Walt Disney Corp., RTL Group, CBS Corp., Viacom

Quelle: Magna Global; SNL Kagan; TechCrunch; Presse; Unternehmensinformationen

61%

19%

81%

39%

0

100

Marktanteil bei den globalen Werbeeinnahmen (%)

80

60

40

20

Online Lineares Fernsehen

Sonstige Akteure Die fünf besten Akteure

Kernkompetenz im Bereich der Suche und Wer-bung könnte sich auch beim Fernsehen bezahlt machen, da der Inhalt langsam von linearen in digitale Formen übergeht und damit genau wie das Web mühelos durchsucht werden kann. Wenn es den Suchanbietern gelingen sollte, Werbenden ein Angebot auf den Tisch zu legen, mit denen sie die eigenen Anzeigen und Spots zielgenauer als beim traditionellen Fernsehen platzieren können, weil man mit den Suchanfragen weitaus mehr über den einzelnen Nutzer erfahren kann, dann stehen die Chancen gut dafür, dass ein Teil von diesen gewaltigen Einnahmen zu ihnen fließt. Eine verstärkte globale Marktkonzentration bei den Einnahmen aus der Fernsehwerbung könnte die Folge sein. Wenn man einmal den Anteil der fünf größten Werbeakteure im Internet betrach-tet und sieht, dass er sich dort auf 61% summiert, und ihn dann dem Anteil von 19% der weltweit fünf erfolgreichsten Unternehmen im linearen Fernsehmarkt gegenüberstellt, kann man die möglichen Folgen einer solchen Änderung schon erahnen (siehe Abbildung 4.5). Mit der Zeit könnte die Verwaltung von großen Teilen der Mittel für die Fernsehwerbung von den Suchanbietern über

GoogleTV

Inhalt

PandoraHBO

TurnerNapster

Netflix

Hardware

Sony

IntelLogitech

Werbe-netzwerk

Google AdWords Google

AdSense

Soziale MedienTwitter

Übertragung

Dish Network

Software

Adobe

Anbietern sorgt man sich um eine Zunahme der Piraterie, da sich GoogleTV bisher geweigert hat, den Zugang zu schwarz gebrannten Kinofilmen und Fernsehshows auf seiner Plattform zu sper-ren. Auch für die Netzbetreiber könnten Folgen spürbar werden. Ihre Rolle bei der Navigation, die sie früher mit den elektronischen Programmfüh-rern auf deren digitalen Plattformen innehatten, könnte im Gemenge der Suchanbieter verloren gehen. Nur ein einziger Satellitenanbieter, Dish Network, konnte sich bislang für eine Beteili-gung beim Start der Plattform erwärmen.

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Teil 4deren weitreichende Werbenetzwerke übernom-men werden, bei denen die traditionelle Such-werbung um die dynamische und zielgenaue Einbindung von Werbeanzeigen in Premium- und Nischeninhalten erweitert werden könn-te. Die Erfahrung in der Welt der Daten könnte Google in die Lage versetzen, eine zentrale Rolle als Betreiber einer Werbeplattform zu spielen. Eric Schmidt, Firmenchef von Google, erklärt es so „Unsere Werbung ist zielgenau; … wir können

Geräte mit „umzäunten Gärten“ übernehmen die Organisation der Dienste

Zahlreiche Geschäftsmodelle gründen den eigenen strategischen Vorteil auf einem Gerät mit einem einmaligen Design oder einer einzigartigen Funktionalität, einer angesehenen Marke oder einer Etikettierung als Statussymbol. Diese Geräte kön-nen als potentielle Zugangspunkte zu einem Öko-system mit Inhalten platziert werden. Fortschritt-liche Geräte gehören zu den Treibern der bereits beschriebenen Entwicklung bei OTT-Angeboten, da es die Durchdringung mit internetfähigen Spiel-konsolen und Fernsehgeräten möglich macht, diese Inhalte über den Fernsehbildschirm laufen zu las-sen. Die Gerätehersteller sind jedoch bestrebt, die-sen Datenverkehr wie bei der Plattform iTunes oder Xbox LIVE in die eigenen Ökosysteme innerhalb der sicheren Grenzen ihrer sogenannten „fenced gar-

Im Allgemeinen wird ein Betriebssystem oder eine geschützte Plattform für die Kontrolle der Inhalte verwendet, die auf dem Gerät ange-

Die Gerätehersteller sind je-doch bestrebt, diesen Datenverkehr in die eigenen Ökosysteme inner-halb der sicheren Grenzen ihrer so-genannten „fenced gardens“ fließen zu lassen. Hierdurch können sie eine Transaktionsbeziehung mit den Kun-den eingehen und bei den Inhalten auch in den Genuss von Werbeein-nahmen kommen.

Abbildung 4.6

Richtungswechsel beim

Datenverkehr zu

gerätebasierten

Ökosystemen

Inhalts- erstellung

Inhalts-aggregation Übertragung Technische

Plattform/GerätMarketing/ Vertrieb

Gra

d de

r Off

enhe

it

Offen

Geschlossen

Inhaltsrechte

Vorher Nachher

IP-fähige Geräte

Geschütztes Gerät/Betriebs-

system

Geschützte Plattform

Offene Standards

zeigt werden. Auch die Art der Darstellung dieser Inhalte, d.h. die Auswahl der Entwicklungstools, wird so gesteuert. Im Erfolgsfall kann der Gerä-teakteur daraus ein Geschäftsmodell für die digi-talen Inhalte ableiten und den Datenverkehr vom offenen Internet in das geschützte Ökosystem für sein Gerät umleiten (siehe Abbildung 4.6). Ein Richtungswechsel dieser Art lässt sich am aufkom-menden Markt für internetfähige Fernsehgeräte beobachten. Anstelle eine Browsers sind es dort vorinstallierte Anwendungen, die den Zugang zu den Inhalten möglich machen. Der Erfolg des ge-rätebasierten Modells lässt sich an den phänome-

nalen Wachstumsraten beim iPod und iPhone von Apple und kürzlich auch beim iPad und weiteren Tablet-Geräten ablesen (siehe Abbildung 4.7). Die neuen konvergierten Tablet-Geräte decken über mobile und leitungsgebundene Übertragungsnet-ze sämtliche Bereiche des Medienkonsums ab. Eine aktuelle globale Studie von BCG fand heraus, dass 70% der Befragten den Kauf eines Tablet-Geräts wie beispielsweise eines iPads oder eines Galaxy Tabs von Samsung innerhalb der nächsten drei Jahre geplant haben. Mehr als 70% der Befrag-ten planen zudem, das Tablet nicht nur zum Lesen digitaler Publikationen und für den Zugang zum

Abbildung 4.7

Absatzprognose

für Tablet-Geräte

Quelle: Prognose von iSuppli (Juli 2010)

12.9

36.550.4

4.5

15.6

30.9

0

150

Globaler Absatz (Mio. Geräte)

100

50

2010E

17.4

52.1

81.3

2011E 2012E

+ 366%

Sonstige Tablets

iPad

Abbildung 4.8

Kauf- und Nutzungs-

absichten der Konsumenten

bei Tablet-Geräten

Quelle: E-Reader-Studie von BCG (n = 12.717, März 2010)

Wie sehr sind Sie am Kauf eines Tablets innerhalb der nächsten drei Jahre interessiert?

Wofür wollen Sie es abgesehen vom Lesen noch verwenden?

Diejenigen, die sich mit Tablets

auskennen

Alle Befragten

49%

73%

0 20 40 60 80 100

(%)

84

81

73

65

61

43

Webbrowser

E-Mail

Musik

Video (Fernsehen/Filme)

Videospiele

Persönliche Fotos

Eric Schmidt, Firmenchef von Google, erklärt es so „Unsere Wer-bung ist zielgenau; … wir können Fernsehwerbung viel relevanter wer-den lassen und das wäre schon jede Menge Geld wert.“

Fernsehwerbung viel relevanter werden lassen und das wäre schon jede Menge Geld wert.“

dens“ fließen zu lassen. Hierdurch können sie eine Transaktionsbeziehung mit den Kunden eingehen und bei den Inhalten auch in den Genuss von Wer-beeinnahmen kommen.

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Teil 4

Die Gerätehersteller erweitern ihr Gerä-teportfolio in einem rasanten Tempo, um damit ausnahmslos alle Aspekte des Datenverkehrs, d.h. Video, Printmedien, Spiele und Kommunikation, in einem integrierten Ökosystem einzufangen. Dieses gerätezentrierte Geschäftsmodell wird schnell über internetfähige Fernsehgeräte, Spie-lekonsolen und weitere Peripheriegeräte in den Bereich des Fernsehens ausgedehnt. Die Herstel-ler haben Partnerschaften mit Inhaltsaggrega-toren für den Zugang zu digitalen Inhalten ge-schlossen, der oftmals in für spezifische Märkte lokalisierter Form angeboten wird. Für Deutsch-land verlassen die Fernsehgeräte der Marke Bra-via von Sony das Werk mit einer HbbTV-Platt-form für den Zugang zu den online verfügbaren

Die Distribution von Inhalten und die di-gitalen Dienste werden den Erwartungen zufol-ge weiter über die Geräteplattformen wachsen und dies insbesondere durch die fortgesetzte Durchdringung des Marktes mit internetfähigen Fernsehgeräten. Der Absatz von internetfähigen Fernsehgeräten hat sich zwischen den Jahren 2009 und 2010 mehr als verdoppelt und wird sich wohl bis 2014 mehr als vervierfachen. Dann wer-den weltweit etwa 500 Millionen internetfähige Fernsehgeräte in den Haushalten vorhanden sein (siehe Abbildung 4.9). Hierzu kommen noch 160

Prognosen zufolge wird bis 2012 ein internetfähiges Gerät in bis zu 40 Prozent der europäischen Haushalte Einzug halten. Dabei wird es sich um eine Kombination aus Konsolen und internetfähigen Fernsehgeräten und eigenständige Geräte handeln.

7 Prognose von IDATE

Abbildung 4.9

Globaler Absatz

bei den internetfähigen

Fernsehgeräten

Quelle: eMarketers

0

150Millionen Geräte

100

50

2009

12

28

148

2010 2014

+ 429%

In Verbindung mit dem sich immer stär-ker durchsetzenden Trend zu OTT wird diese sprunghafte Verbreitung von gerätebasierten Ökosystemen eine Schwächung der strategi-schen Position von etablierten distributions-zentrierten Akteuren im Bereich Fernsehen und Video zur Folge haben. Web- und gerätebasierte Geschäftsmodelle für Datenübertragung, Musik, Werbung und das Verlagswesen werden die Dis-tributionsunternehmen in ihrer Rolle als Haupt-anbieter für den Zugang zu Inhalten zusehends in Bedrängnis bringen.

Die Distributionsbranche erhöht den Einsatz

Das distributionszentrierte Modell ver-teidigt die eigene Position mit neuen und in-

novativen Plattformen, mit denen man OTT, Such- und Geräteakteuren die Stirn bieten will. Die Übertragungsanbieter erweitern die eige-nen Funktionalitäten für die Inhaltsnavigation mit fernsehbasierten IP-Plattformen der neuen Generation, die Webinhalte, lineare Inhalte und persönliche Bibliotheken in sich vereinen. Da-neben dehnen die Netzanbieter die eigene Rolle als Aggregator in den Bereich der Onlineum-gebungen aus, beispielsweise mit zusätzlichen Angeboten wie im Falle von TV Everywhere, mit denen Fernsehinhalte für den eigenen Kunden-stamm auch online verfügbar werden. Häufig kommen diese Strategien in den Vereinigten Staaten zum Einsatz, aber auch in Europa fin-den sie zunehmend Verbreitung. Typischerweise kommt es dabei zu einer weitreichenden Aktu-alisierung der Plattformfunktionalitäten und einer Erweiterung des Angebots an Inhalten und Diensten, in das auch Anwendungen von dritten Parteien aufgenommen werden. Für die Sicherung des Zugangs zu den Kassenschlagern unter den Anwendungen braucht es Communi-ty-Plattformen oder Online-Inhalte, die für die Erweiterung und Pflege des Kundenstammes unverzichtbar sind, und auch eine schrittweise Öffnung der Plattformen (siehe Abbildung 4.10).

Mehr als 70% der Befragten planen zudem, das Tablet nicht nur zum Lesen digitaler Publikationen und für den Zugang zum Internet zu ver-wenden, sondern auch für den Kon-sum von Fernseh- und Videoinhalten. Damit wird das Tablet zum ersten ech-ten Konvergenzraum in Geräteform.

Inhalten von ARD/ZDF, Pro/Sat1, Eurosport und YouTube. Im Vereinigten Königreich können die Besitzer einer Xbox die Inhalte von Sky über die Konsole schauen. Diese Funktion wird bis Ende 2010 auch für die PlayStation 3 verfügbar sein. Auch in Frankreich gibt es mit CANAL+ ein ver-gleichbares Angebot für die Xbox und in den Ver-einigten Staaten sicherte sich Sony den Zugang zu Inhalten von HBO für die PlayStation 3.

Millionen Konsolen der neuesten Generation (ein-schließlich von 40 Millionen in Europa), die dort bereits ihren Platz gefunden haben, und weitere Geräteentwicklungen wie AppleTV. Prognosen zufolge wird bis 2012 ein internetfähiges Gerät in bis zu 40% der europäischen Haushalte Einzug halten.7 Dabei wird es sich um eine Kombination aus Konsolen und internetfähigen Fernsehgerä-ten und eigenständigen Geräten handeln.

Abbildung 4.10

Änderungen bei den

Offenheitsgraden der

ÜbertragungsplattformenInhalts-erstellung

Inhalts-aggregation Übertragung Technische

Plattform/GerätMarketing/ Vertrieb

Gra

d de

r Off

enhe

it

Offen

Geschlossen

Inhalt

Vorher Nachher

Plattform/ Set-Top-Box

Plattform/Set-Top-Box

Verwaltete Übertragung

Internet zu verwenden, sondern auch für den Kon-sum von Fernseh- und Videoinhalten. Damit wird das Tablet zum ersten echten Konvergenzraum in Geräteform (siehe Abbildung 4.8, Seite 74).

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ENTWICKLUNGEN IN PUNCTO OFFENHEIT

Teil 4

Die Anwendungsentwicklung wird zu ei-nem wichtigen Baustein für die zukünftige Wett-bewerbsfähigkeit der Angebote von distributions-zentrierten Unternehmen werden. Dies gilt sowohl für die Mobilbetreiber als auch für die Anbieter von Videoinhalten über Kabel und IPTV. Verizon und weitere Netzanbieter begegnen diesem Trend mit eigenen TV-App-Stores. Über den heimischen Fernseher bietet Widget Bazaar von Verizon Zu-gang zu einer Anwendungsplattform mit digitalen Inhalten und Diensten wie Facebook, YouTube und Twitter. Für eine Beschleunigung der Entwicklun-gen und Erhöhung der Reichweite öffnete man die Plattform kürzlich ähnlich wie beim App Store von

Apple für die Anwendungsentwicklung auf der Basis eines Provisionsmodells im Verhältnis 70 zu 30. Die Herstellung des Zugangs zur Anwendungs-entwicklung wird für die distributionszentrierten Akteure zu einer der zentralen Herausforderun-gen auf ihrem Weg in die Zukunft werden. An-wendungsentwickler arbeiten üblicherweise nur für eine handvoll von Plattformen und die ersten Plätze sind schon für große Ökosysteme von Mo-biltelefonen reserviert (siehe Abbildung 4.11).

Abbildung 4.11

Präferenzen der

Entwickler bei den

Anwendungsplattformen

Quelle: Ovum: Mobile Application Developers Survey (Umfrage unter Entwicklern von mobilen Anwendern)

0

60

Prozentualer Anteil der Entwickler, die für die jeweilige Plattform veröffentlichen

40

20

Android Apple Windows RIM Symbian AdobeJ2ME

5148

1917

139

4

Bei den online verfügbaren OTT-Inhalten verfolgen die Akteure in der Distribution eine Viel-zahl von Strategien. In den Vereinigten Staaten ging Comcast mit einer eigenen werbefinanzierten OTT-Plattform an den Start, die eine größere Viel-falt von online verfügbaren Fernsehinhalten sowie einen Zugang zu den Programmen von Comcast bietet. Im Vereinigten Königreich integrierte Vir-gin Media 2008 den iPlayer der BBC in das eigene digitale Kabelangebot. Auch wenn die Einbindung einer On-Demand-Plattform einer dritten Partei in die eigene Nutzeroberfläche als reichlich ge-wagter Schritt gelten kann, gründete die Strate-gie von Virgin auf dem Glauben daran, dass die Konsumenten zunehmend zeitversetzt abrufbare OTT-Inhalten verlangen werden. So erwies es sich als die bessere Alternative, den iPlayer in die ei-

Diese steigende Nachfrage nach IP-Kapa-zität wird die strategische Position der Übertra-gungsanbieter theoretisch stärken und dabei den Impuls für neue hochwertige Übertragungsdienste und Erlösmodelle liefern, mit denen der Wachs-tumsbedarf für die webbasierten Geschäftsmodel-le gedeckt werden kann und zukünftige Investiti-onen in die Infrastruktur der nächsten Generation rentabel werden. Parallel dazu schaffen die Prinzi-pien der Netzneutralität ein Gegengewicht zu die-sen Ansatzpunkten bei der IP-Übertragung. Diese Prinzipien sollen eine Diskriminierung von dritten Anbietern verhindern und dienen der Wahrung ei-nes offenen Internets, mit dem die Konsumenten Zugang zu jedem beliebigen Dienst oder Inhalt er-halten können, der darin enthalten ist.

Die Distributionsunternehmen stehen vor der Herausforderung, die Kapazität und Qualität ihrer Netze und Plattformen zu verbessern, um den eigenen Kundenstamm zufrie-denzustellen und dritte Anbieter von online verfügbaren Inhalten und Diensten in die Lage zu versetzen, deren Kunden über das öffentliche Internet zu erreichen.

Für die Sicherung des Zugangs zu den Kassenschlagern unter den Anwendungen braucht es Communi-ty-Plattformen oder Online-Inhalte, die für die Erweiterung und Pflege des Kundenstammes unverzichtbar sind sowie eine schrittweise Öffnung der Plattformen.

gene Plattform aufzunehmen, anstatt Gefahr zu laufen, die Kunden an andere Dienste zu verlieren. Die Mehrzahl der distributionszentrierten Unter-nehmen entwickelt daher Plattformen, die offener für innovative Inhalte und Applikationen sind.

Die Schlacht um den Konsumen-tenzugang

Angesichts der neuen webbasierten Ge-schäftsmodelle gibt es einen nie dagewesenen Bedarf an IP-Übertragungskapazität und Netz-leistung. Die konvergierenden Umgebungen und der blitzartige Anstieg bei der Konsumentennut-zung durch neue Geräte und Dienste wie mobiles Internet, hochauflösendes Videostreaming oder interaktive Anwendungen wie Spiele auf Smart-phones und Tablets haben zu einer Explosion des Datenverkehrs über die leitungsgebundenen und mobilen Netze geführt. Die Distributionsunter-nehmen stehen vor der Herausforderung, die Ka-pazität und Qualität ihrer Netze und Plattformen zu verbessern, um den eigenen Kundenstamm zufriedenzustellen und dritte Anbieter von online verfügbaren Inhalten und Diensten in die Lage zu versetzen, deren Kunden über das öffentliche In-ternet zu erreichen.

Mit den neuen Diensten steigen die Dis-tributionsunternehmen aktiv als Mitspieler in den Konvergenz-Poker ein und legen dabei integrierte Dreifach- oder Vierfachpakete auf den Tisch.

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ENTWICKLUNGEN IN PUNCTO OFFENHEIT

Teil 4

Vaizey erklärte, ein schwach reguliertes Internet sei „gut fürs Ge-schäft, gut für die Wirtschaft und gut für die Menschen“.

Google und die BBC haben sich, unter an-derem auch mit der Unterstützung von Facebook, Twitter und Sony, gegen eine Aufgabe der Netz-neutralität gewandt und davor gewarnt, Internet-dienstanbietern die Möglichkeit zur Differenzie-rung der Bereitstellung von Inhalten zu geben, da dies die Innovation im Web im Keim ersticken wer-de. In den Vereinigten Staaten jedoch bewegte sich Google erst kürzlich in dieser Frage. Dies könnte ein Hinweis darauf sein, dass man bei Google be-reit dafür ist, im Hinblick auf die Prinzipien der Netzneutralität etwas Differenzierung zwischen den verschiedenen Netztypen in Kauf zu nehmen. In einer gemeinsamen Grundsatzerklärung mit Ve-rizon sprach sich der Konzern für unterschiedliche Prinzipien bei mobilen und leitungsgebundenen Netzen aus. Vor dem Hintergrund der gegenwärti-gen Einschränkungen bei der drahtlosen Kapazität käme dies einer Aufweichung der Netzneutralität bei den mobilen Netzen gleich. Die Europäische Kommission erklärt,8 dass die Netzbetreiber und Anbieter von Diensten und Inhalten, die Chance erhalten sollten, neue innovative Geschäftsmodel-le zu entdecken, die zu einer effizienteren Nutzung

8 Neelie Kroes, für die Digitale Agenda zuständige Vizepräsidentin der Europäischen Kommission, „Net neutrality – the way forward“ („Netzneutralität – der Weg nach vorn“), Gipfeltreffen der Europäischen Kommission und des Europäischen Parlaments zum Thema „The Open Internet and Net Neutrality in Europe“ („Das offene Internet und die Netzneutralität in Europa“), Brüssel, 11. November 2010

9 ebd.

Die Debatte um die Netzneutralität

Die Rolle der Übertragungsnetze als grund-legende Voraussetzung für das stetige Wachstum bei Produkten und Diensten, die auf dem öffent-lichen Internet basieren, ist in das Zentrum der öffentlichen und politischen Diskussion gerückt. Häufig bezeichnet man sie als „Debatte um die Netzneutralität“. Im Wesentlichen dreht sie sich um die Bestimmungen, mit denen der Zugang der Anbieter von Inhalten und Diensten zu den Konsu-menten auf dem Wege des öffentlichen Internets über mobile und leitungsgebundene Netze gere-gelt werden soll. Kann es möglich sein, den Zu-gang auf der Grundlage der verschieden Arten von Inhalten oder Dienstleistungen zu differenzieren, die bereitgestellt werden? Wie lauten die Mindest-anforderungen für die Qualität von Webdiensten, damit diese zuverlässig in Anspruch genommen werden können? Können für die einzelnen Güte-grade bei den Übertragungsdiensten verschiedene Preisgruppen gebildet werden? Sollen Sie Kosten vom Inhaltsanbieter oder vom Konsumenten ge-tragen werden?

Häufig bezeichnet man sie als Debatte um die Netzneutralität. Im Wesentlichen dreht sie sich um die Bestimmungen, mit denen der Zu-gang der Anbieter von Inhalten und Diensten zu den Konsumenten auf dem Wege des öffentlichen Internets über mobile und feste Netze geregelt werden soll.

Die Meinungen, die in dieser Debatte auf-einandertreffen, sind sehr breit gefächert. Da gibt es die „Hardliner“ in Sachen Netzneutralität, die sich mit Entschiedenheit gegen jede Form der Dif-ferenzierung wenden, und auf der anderen Seite auch diejenigen, die die Überzeugung vertreten, den Übertragungsanbietern sollte die Möglichkeit

eingeräumt werden, Konsumenten und Inhalts-anbieter unterschiedliche Dienstgütegrade und Preisgruppen anzubieten. Ed Vaizey, der britische Minister für Kommunikation, erklärte erst kürzlich, dass es den Anbietern von Internetdiensten ge-stattet sein sollte, sich vom Prinzip der Netzneut-ralität zu verabschieden und bestimmte Inhalte im Vergleich zu anderen bevorzugt zu behandeln, so-fern der Kunde hierüber informiert werde. Vaizey erklärte, ein schwach reguliertes Internet sei „gut fürs Geschäft, gut für die Wirtschaft und gut für die Menschen“.

der Netze führen und auf verschiedenen Ebenen der Wertschöpfungskette im Internet neue ge-schäftliche Chancen schaffen.

Die Fähigkeit der Übertragungsbetrei-ber zur Verwaltung des Datenverkehrs wird als entscheidender Faktor betrachtet. Dabei geht es nicht nur um die Erbringung der bestmöglichen Dienste über das offene Internet, sondern auch um die Chance für die Entwicklung von besonde-ren verwalteten Diensten. Nach Meinung der Eu-ropäischen Kommission sollten die Konsumenten jedoch umfassend über die Vorgehensweisen bei der Verwaltung des Datenverkehrs informiert sein, um so eine informierte Entscheidung bei der Wahl des Übertragungsanbieters treffen zu können.

So enthält die überarbeitete Fassung der europäischen Rechtsrahmens für die elektroni-sche Kommunikation auch spezifische Prinzipien, mit denen eine Verschlechterung der Dienste und die Verhinderung oder Verlangsamung von Daten-verkehr ausgeschlossen werden soll. Daneben sind auch deutlicher formulierte Transparenzmaßnah-men vorgesehen. Die Europäische Kommission er-klärt weiterhin,9 dass die Anbieter (in Europa) „das Prinzip des offenen Zugangs beibehalten haben, d.h. dass die Endnutzer in der Lage sind, Zugang zur Mehrzahl ihrer gewünschten Anwendungen und Dienste zu erhalten.“ Das aus mehreren Be-treibern bestehende System (des Infrastruktur-wettbewerbs) in seiner Gesamtheit soll sicherstel-len, dass die europäischen Verbraucher problemlos auf Inhalte, Dienste und Anwendungen ihrer Wahl zugreifen können beziehungsweise diese bereit-stellen können.

Zu diesem Zweck liegen zwar keine Pla-nungen für eine strengere Gesetzgebung für die Datenverkehrsverwaltung vor. Dennoch ist die Eu-ropäische Union fest entschlossen, das Prinzip der Netzneutralität auch weiterhin als Schutzwall ge-gen diskriminierendes, wettbewerbsschädigendes

Verhalten zu unterstützen. Der EU-Wettbewerbs-kommissar Joaquín Almunia erklärt erst kürzlich, dass „die Betreiber bei den Daten jederzeit Diffe-renzierungen vornehmen können, wenn es darum geht, die Dienstgüte zu sichern oder die eigenen Netze vor einer Überlastung oder Sicherheitsbe-drohungen zu schützen. Abgesehen von diesen Formen der Wartung werde ich aber keinerlei Vorgehensweisen zulassen, die den Wettbewerb beeinträchtigen oder zu einer Diskriminierung von Akteuren am Markt führen.”

Diese Regelungen zielen darauf ab, den Konsumenten Informationen an die Hand zu ge-ben, um informierte Entscheidungen zu treffen. Sie sollen den nationalen Regulierungsbehörden die Chance einräumen, für die Netzbetreiber im Bereich der elektronischen Kommunikation Min-destanforderungen für die Dienstgüte festzulegen.

Zukunftsstrategien für den Konsumentenzugang

Aufgrund der ungewissen mittelfristigen Investitionsaussichten werden sich die Netzbetrei-ber vor den Risiken in Acht nehmen, mit denen bei großen Infrastrukturprojekten zu rechnen ist. Sie gehen vielmehr andere Wege, um mit der erhöh-ten Netzauslastung fertig zu werden, beispielswei-se mit der Auslagerung von mobilem Datenverkehr in Wi-Fi-Netzwerke, soweit dies möglich ist, oder der Begrenzung des Downloadvolumens. Auch die Möglichkeit von Partnerschaften zwischen den Betreibern, wie bei Telenor und Tele2 für die Bereitstellung des LTE-Netzes in Schweden, wird in Betracht gezogen. Beim gegenwärtigen Wett-bewerbsgrad und angesichts der Preisentwicklung bestehen keine allzu großen Chancen dafür, dass die Konsumenten bereit wären, für den Breit-bandzugang mehr Geld auszugeben. Obwohl der globale Datenverkehr über mobile Netze von 2008 bis 2009 um 158% anstieg, legten die Einnahmen der Betreiber von mobilen Datendiensten gerade einmal um 16% zu. In der Hauptsache lag dies am

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ENTWICKLUNGEN IN PUNCTO OFFENHEIT

Teil 4kungen für das Verhältnis beim Datenaustausch. Das Verhältnis zwischen bezahltem Peering und Netzneutralität ist ein weiterer Gegenstand der Debatte. Für die Inhaltsanbieter ist das Peering jedoch ein effektives Mittel der Wahl, insbeson-dere für die kleineren unter ihnen, die sonst zur Verbesserung ihrer Dienste für preisintensivere Übertragungsbandbreite durch das Zentrum des Internet zahlen müssten.

Da die Aufnahme einer bevorzugten Da-tenübertragung in das Angebot der Netzdienste nach dem gegenwärtigen Stand der Prinzipien zur Netzneutralität umstritten ist, werden zu-künftige Grundsatzentscheidungen den Um-fang bestimmen, in dem derartige Dienste in Zukunft verfügbar sein werden. Die strategi-schen Optionen der Übertragungsnetzbetreiber werden zukünftig stark von dieser Entwicklung betroffen sein. Sowohl bei den Inhaltsanbietern als auch bei den Anbietern der Netzinfrastruktur genießt die Verwaltung der Netzleistung schon jetzt oberste Priorität, da sie der Schlüssel für die Steigerung der Einnahmen durch neue in-novative Geschäftsmodelle ist. Wahrscheinlich werden die Betreiber das Recht zur Schaffung von bestimmten Formen der bevorzugten Da-tenübertragung erhalten. Sehr wahrscheinlich werden diese Angebote in der Folge von den Regulierungsbehörden mit großer Aufmerk-samkeit beobachtet werden und auf die aktive Unterstützung durch die Anbieter von Inhalten und Diensten wie auch der betroffenen Konsu-menten angewiesen sein.

Die Schlacht um die Verbraucher-daten

Das Eigentum an und der Zugang zu den Verbraucherdaten bildet sich zunehmend als Zentrum einer heftigen Schlacht zwischen den Webakteuren im Bereich der Suche und Commu-nity-Plattformen heraus. Zusätzlich sind die Ver-braucherdaten auch für die Onlinestrategien der Inhaltsaggregatoren zu einem wichtigen Treiber

geworden, da die direkten Kundenbeziehungen über geschützte Plattformen und die hieraus ge-wonnen Kundendaten für diese zu einem ein Pre-miumprodukt für Werbende werden. In der Sache ist es daher eine strategische Schlacht um Werbe-einnahmen, Handelserlöse, Kundenbeziehungen, Identität im Internet und Macht am Markt. Abbil-dungen des Konsumentenverhaltens entstehen je-den Tag. Informationen über das, was wir kaufen, mit wem wir sprechen, wen wir mögen, was wir sehen und wo wir sind, werden ständig erhoben und in werthaltige Daten umgemünzt. Viele Un-ternehmen, längst nicht nur Facebook und Google, sitzen bei diesem Spiel mit am Tisch. Onlinehänd-ler, Inhaltsanbieter, Auktionsplattformen, Shops für digitale Inhalte, Übertragungsanbieter und Gerätehersteller sammeln und analysieren alle-samt Daten, um die eigenen Geschäftsmodelle zu optimieren, bessere Produkt- und Dienstangebo-te zu entwickeln und relevantere, personalisierte Werbeanzeigen zu platzieren.

Die Sammlung von Daten ist längst nicht mehr neu, aber das massive Ausmaß, die Über-schreitung von Plattformgrenzen und die Mo-netarisierungschancen sind es schon. Es handelt sich dabei um relativ neues Phänomen, das ohne

Flatrate-Preismodell, mit dem man in Zeiten der Überkapazität an den Markt gegangen war. Zu-mindest bei den mobilen Diensten wenden sich die Betreiber von diesem Modell langsam ab. O2, dessen frühere Angebote für Sprachdienste im Vereinigten Königreich immer auch unbegrenzte Datenpaket enthielten, bietet mittlerweile ein ge-staffeltes Preismodell mit Schwellen für den Da-tenverkehr bei 500 MB, 750 MB und 1 GB. Derar-tige Systeme werden in zunehmendem Maße den Deckungsbeitrag der Kunden in ein Verhältnis zu deren Nutzungsmustern setzen.

Die Onlineanbieter von Produkten und Diensten nutzen Geschäftsmodelle, die sich massiv auf die Leistung der Netze stützen. Die Marktakteure und politischen Entscheidungsträ-ger sind in eine hitzige Debatte über die Einfüh-rung von speziellen, besonders leistungsstarken Diensten, wie Datenautobahnen für HD-Video-Streaming, eingestiegen. Die Nutzung dieser Dienste könnte den Inhaltsanbietern auf der Grundlage des von ihnen erzeugten Datenver-kehrs in Rechnung gestellt werden. Die Netzei-gentümer könnten damit wieder einen Teil ihrer Investitionen für die Leistungsverbesserung he-reinspielen. In der Realität sind Zahlungen für besondere Leistungen bereits verbreitet.. Häufig schließen die Anbieter von Inhalten und Diens-ten mit den Internetdienstanbietern Verträge über direktes Peering, um damit die Überlastung im Zentrum des Internets umlaufen zu können. Netzwerke für die Inhaltsbereitstellung, soge-nannte Content Delivery Networks (CDNs), könn-ten den verzögerungssensitiven Datenverkehr be-schleunigen, indem die Inhalte am Netzwerkrand und damit näher am Konsumenten abgelegt werden. Diese Peeringvereinbarungen beziehen sich auf einen asymmetrischen Datenverkehr, der beispielsweise entsteht, wenn ein Endnutzer mit wenigen Bits einen Videostream anfordert und der Inhaltsanbieter dies mit einer Flut von Daten beantwortet. Diese Asymmetrie beeinflusst die Wirtschaftlichkeit des Peerings. Für die Peering-Beziehungen gelten deshalb häufig Einschrän-

Abbildung 4.12

Einnahmen aus

der Internetwerbung

Quelle: Magna Global

98%

53%

48%

2%

47%

52%

0

100

Einnahmen aus der Internetwerbung in Mrd $

60

80

40

20

2000 2009 2014E

+ 68%

Anzeigen Suche

das Wachstum der digitalen Wirtschaft und der Internetnutzung nicht denkbar gewesen wäre. Der Wert dieser Daten zeigt sich beim Wachs-tum der Onlinewerbung, bei der die Werbeanzei-gen ausgehend von der jeweiligen Person, deren Standort und Sucheingaben zielgenau einblendet werden (siehe Abbildung 4.12).

Bis zum Jahr 2014 sollen die globalen Ein-nahmen aus der Internetwerbung die Marke von $90 Milliarden übersteigen. Dabei rechnet man bei den digitalen Inhalten mit Einnahmen von mehr als $50 Milliarden und beim Onlinehandel sogar mit $1 Billion. Die Nutzerdaten sind daher extrem wert-voll, da sie sich bei der Steuerung der Fließrichtung der Einnahmen als enorme Hilfe erweisen können. Wer sich im Zentrum des digitalen Konsums be-wegt, befindet sich geradezu in der Pole-Position dafür, um mit der Vielzahl der Tag für Tag im Inter-net generierten Datensätze Gewinne zu verbuchen. Die Frage nach der Verarbeitung dieser Daten, nach ihrer Portierbarkeit und dem Kreis derjenigen, die Zugang zu ihnen erhalten, sind zentraler Gegen-stand der Debatte um Offenheit, Wettbewerb und die Interessen der Verbraucher.

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ENTWICKLUNGEN IN PUNCTO OFFENHEIT

Teil 4

Letztendlich geht es bei der Da-tenschlacht um Werbe- und Handels-einnahmen. Eine kleine Zahl großer globaler Akteure wie Apple, Amazon, Google und Facebook spielt eine zu-nehmend gewichtigere Rolle in diesem Bereichen und ist dabei für die gesam-te Branche von großer Bedeutung.

Abbildung 4.13

Wechsel der Werbung

zu neuen digitalen

Medienformaten

Wie wird sich die Verteilung ihres Budgets für die folgenden Marketing-/Werbeträger nach Ihrer Einschätzung innerhalb der nächsten 3 Jahre ändern?

% der Befragten

Fernsehen1

Mobil

Relevantes Internet

Soziale Medien, Online-Video und internetfähige Geräte (z. B. Tablets)

45496

42534-2

285714-2

2146-28-6

Erheblich zurückgehen oder aufgehoben werden

Etwas zurückgehen Gleich bleiben Etwas ansteigen Erheblich ansteigen

1 Einschließlich nationaler Fernsehsender, lokale und nationale Werbsender, und Kabelfernsehen in gleicher Wichtung

Quelle: Umfrage von BCG zur Zukunft von Marketing und Werbung

Kontakten von Facebook zu Google und jegli-chem anderen Unternehmen angesehen werden. Für die Nutzer von Facebook bedeutet das, dass sie ihre Freunde bei Googlemail nicht länger auf die Plattform importieren können. Was für sich genommen wirkt wie ein kleine Querele wegen Kontakten und deren Listen, ist Teil einer strate-gischen Schlacht um den Rang als unangefoch-tene Nummer eins unter den sozialen Profilen im Web. Eine geringere Interoperabilität und Offen-heit der Daten im Web könnte eine Folge dieser Schlacht der Giganten sein, da kleinere Unter-nehmen gezwungen sein könnten, sich für eine Seite entscheiden zu müssen. So wie dies Google lange schon getan hat,

schöpft Facebook langsam den Wert seiner Rolle als zentrales Tor zum Web für sich aus. Mit Nut-zungsanteilen von 95% beziehungsweise 70% in ihren jeweiligen Segmenten am europäischen Markt ringen die beiden Netzgiganten gerade um diese eine Position. Der aktuelle Konflikt zwischen den beiden Unternehmen wurde ausgelöst durch Googles Entscheidung, Facebook den Zugang zu den eigenen Programmierschnittstellen für die Kontaktdaten zu verweigern. Dieser Schritt kann als Antwort auf Facebooks Nein zum Export von

Letztendlich geht es bei der Datenschlacht um Werbe- und Handelseinnahmen. Eine kleine Zahl großer globaler Akteure wie Apple, Amazon, Google und Facebook spielt eine zunehmend ge-wichtigere Rolle in diesem Bereichen und ist dabei für die gesamte Branche von großer Bedeutung. Der Wechsel von den traditionellen Werbekanälen zu den aufkommenden elektronischen Werbewe-gen vollzieht sich mit immer größerer Geschwin-digkeit. Mehr als 90% der Werbenden planen, innerhalb der nächsten drei Jahr mehr Geld für diese neuen Kanäle zu verwenden (siehe Abbil-dung 4.13). Die extreme Datenkonzentration bei einigen wenigen Unternehmen führt zu einer Konstellation, die sich möglicherweise nachteilig auf die Märkte auswirken kann, da hierdurch die Möglichkeiten zur Bewerbung und dem Vertrieb der Produkte über das Web eingeengt werden.

Je wichtiger eine Plattform für die Internetnutzung eines Nutzers wird, desto stärker werden diese Bin-dungseffekte und die Monetarisie-rungsmöglichkeiten für den Betreiber.

Plattformen für soziale Netzwerke wie XING, Facebook, LinkedIn oder Twitter haben ihre Geschäftsmodelle allesamt auf Verbraucherdaten aufgebaut, die von den Nutzern freiwillig preisgegeben werden. Kürzlich kamen diese Modelle unter strenge-re Beobachtung im Hinblick auf deren Da-tenschutzrichtlinien, die Datenportierbarkeit und die Interoperabilität mit anderen An-wendungen oder Websites. Bei jeder handelt es sich um einen „umzäunten Garten“. Wenn die Daten einmal eingegeben sind, können sie nicht wieder auf einfachem Wege zurück-geholt werden. Die Informationen werden eingeschlossen und die Betreiber der Sites verweigern den Nutzern die volle Kontrolle über diese. Je wichtiger eine Plattform für die Internetnutzung eines Nutzers wird, des-to stärker werden diese Bindungseffekte und die Monetarisierungsmöglichkeiten für den Betreiber. Der Begründer des Internets Sir Tim Berners-Lee bezeichnet diese Geschlos-senheit von sozialen Netzwerken als eine der Bedrohungen für das Internet. „Websites von sozialen Netzwerken stellen eine andere Art von Problem dar. […] Die Sites verbinden

diese Datenversatzstücke in genialen Datenban-ken und verwenden die Informationen für die Erbringung von Mehrwertdiensten und dies aber immer nur innerhalb ihrer eigenen Site. […] Jede Site ist daher wie ein Silo durch Mauern abtrennt von der Außenwelt. Ja, die Seiten der Site sind im Web, aber die Daten sind es nicht.”10

10 Scientific American, Long Live the Web: A Call for Continued Open Standards and Neutrality (Lang lebe das Web: ein Aufruf für offene Standards und Neutralität auch in der Zukunft)

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Teil 5T5Teil 5DIE NEUEN SPIELREGELN

DER OFFENHEIT

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Teil 5

DIE NEUEN SPIELREGELN DER OFFENHEITDIE NEUEN SPIELREGELN DER OFFENHEITDIE NEUEN SPIELREGELN DER OFFENHEITDIE NEUEN SPIELREGELN DER OFFENHEIT – Implikationen und strategische Prioritäten

Die Kerngüter, auf die Unternehmen lange Zeit für Wertschöpfung und Wachstum angewie-sen waren, ändern sich und mit ihnen auch die Relevanz der Offenheit entlang der Wertschöp-fungskette. Für neue Güter zeichnet sich eine beachtliche Marktmacht ab, wobei der Grad der Offenheit durchgreifenden Einfluss auf die Ge-staltung und Größe der Branche, auf die Art des Wettbewerbs sowie das Ausmaß der Wahlfreiheit der Verbraucher haben kann. Innovationsfähigkeit und das Potenzial zur Wertschöpfung sind nicht länger an den physischen Zugang zu einer be-stimmten Infrastruktur oder eine bestimmte geo-graphische Präsenz gebunden. Immaterielle Güter wie Inhaltslizenzen oder Nutzerdaten gewinnen immer mehr an Bedeutung. Dies ist auch für die zukünftige Wachstumsdynamik bei den vorherr-schenden Geschäftsmodellen oder Sektoren im digitalen Handelsplatz von Europa zu beobachten. Technologische Entwicklungen, Konsumentenver-halten und Veränderungen in der Wettbewerbs-dynamik zwingen nicht nur die Branchenakteure sondern auch die politischen Entscheidungsträger und Regulierungsbehörde zu einer Neubestim-mung der strategischen Prioritäten.

Verlagerung von Schlüsselgütern und Branchendynamik

Schon jetzt der Schlüssel zur konvergierten Medien- und Kommunikationsbranche, wird der Zugang zu Inhalten aber auch weiterhin an Be-deutung gewinnen, während die Distributionswe-ge einem Prozess der Fragmentierung unterworfen sind und die Geräte zur Darstellung von Inhalten konvergieren. Die Inhaber von Inhaltsrechten wer-den ihre strategische Position ausbauen können, da mehr Akteure als jemals zuvor um den Zugang zu Inhalten konkurrieren. Während sich der Weg der Konsumenten zu Inhalten und Diensten auf die digitale Ebene verlagert, wird die Fähigkeit

Interaktion sowie Überschnei-dungen zwischen den verschiedenen Geschäftsmodellen werden bei die-sem ökosystembasierten Wettbewerb mit der Überbrückung von ehemals getrennten Medien- und Kommuni-kationsbereichen weiter zunehmen.

zur Aggregation von Inhalten und zur Erfassung, Analyse und Beeinflussung der Entscheidungen der Konsumenten immer wichtiger werden. Der breite Zugang zu informationsreichen Daten über Verhaltens- und Konsummuster ist für die Navi-gation und die Monetarisierung zu einem alles entscheidenden Gut geworden. Als Eigentümer großer Datensammlungen werden die Communi-ty-Plattformen und die Suchakteure ihren Nutzen daraus ziehen, dass Handel und Medien für den Kontakt mit den Konsumenten in zunehmendem Maße auf sie angewiesen sind. In einer konvergier-ten Umgebung können die Konsumenten entwe-der über die Ökosysteme von Geräten oder über digitale Plattformen für festnetzbasierten oder mobilen Zugang auf digitale Daten, Video und Sprachdienste zugreifen. Die Unternehmen mit der besten Zugangsmöglichkeit sind auch am besten in der Lage, bei unterschiedlichen Positionen der Wertschöpfungskette Werte zu schaffen und diese für sich zu verbuchen. Geräte und Betriebssyste-me, die bereits bei den Inhalten und Diensten inte-ressante Nutzenversprechen für die Konsumenten formulieren oder für sich gewinnen können, wer-den möglicherweise zu Pförtnern für die digitalen Medien und Dienste, indem sie Ökosysteme errich-ten und mit diesen dann die eigene Position in der digitalen Wertschöpfungskette untermauern. Die Übertragungskapazität beim Hochgeschwindig-keitsbreitband und ein omnipräsenter Zugang zum Internet werden Ausgangsvoraussetzung sein, nicht aber Haupttreiber für das künftige Wachs-tum der Branche. Bei den Netzbetreibern verrin-gerte sich deren starke strategische Position, da das Konsumentenverhalten mittlerweile von ande-ren Kräften im Web beeinflusst und monetarisiert wird. Aufgrund der Konvergenz sind diese Akteure nicht mehr auf eine bestimmte Übertragungsinf-rastruktur angewiesen. Der gesteigerte Bedarf an Netzwerkkapazität und Dienstgüte wird sich dabei als strategisches Gegengewicht herausstellen.

Wichtige strategische Schlachten werden immer häufiger im Bereich der globalen Ökosys-teme gefochten, die auf alle Positionen der Wert-schöpfungskette und auf alle Bereiche von Fernse-hen, Daten und Sprachdiensten Einfluss nehmen. Gegenwärtig vollzieht sich ein beschleunigter Wechsel vom Wettbewerb zwischen geographisch beschränkten Diensten und Infrastrukturanbietern hin zu einer globalen Wettbewerbsdynamik. Die nationalen und regionalen Medien- und Kom-munikationsunternehmen kämpfen nicht nur mit dem Wettbewerb im eigenen Markt, sondern auch mit globalen Akteuren, die mit hoher Ag-gressivität in neue Räume vordringen und Werte-pools angreifen, die früher noch außerhalb ihrer Reichweite lagen. Bei dieser Konstellation wird der Zugang zu einem globalen Ökosystem immer wichtiger für diejenigen Unternehmen, die auch künftig am Wachstum teilhaben wollen. Interak-tion sowie Überschneidungen zwischen den ver-schiedenen Geschäftsmodellen werden bei diesem ökosystembasierten Wettbewerb mit der Über-brückung von ehemals getrennten Medien- und Kommunikationsbereichen weiter zunehmen. Für die Branche könnte diese Entwicklung erhebliche Änderungen mit sich bringen. In der Tendenz kon-zentrieren sich Inhaltsdaten, Kommunikation und Handel immer stärker bei globalen Ökosystemen.

Diese neuen Machtverhältnisse innerhalb der Branche spiegeln sich auch in den für die nächsten fünf Jahre prognostizierten Wachstums-raten der verschiedenen Geschäftsmodelle wider (siehe Abbildung 5.1, Seite 89). Bei den Akteuren im Bereich der Community-Plattformen für sozi-ale Netzwerke rechnet man mit einem jährlichen Wachstum von etwa 40%. Ihre Bedeutung für die digitale Wirtschaft steigt noch und wird dement-sprechend einen größeren Anteil der Werbeein-nahmen und Direktausgaben der Konsumenten beanspruchen. Das Wachstum im Bereich der Suche wird im Vergleich zu den zurückliegenden Jahren zurückgehen, da sich der Wettbewerb bei der Online- und Mobilfunkwerbung intensiviert. Man rechnet mit einer soliden Wachstumsrate von 12%. Im Falle eines erfolgsreichen Einstiegs der Suchakteure in den Fernsehmarkt könnte die-se Prognose aber noch einmal deutlich übertrof-fen werden. Ob man das Geschäftsmodell für die

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Teil 5

DIE NEUEN SPIELREGELN DER OFFENHEIT

Abbildung 5.1

Einnahmen und Wachstum

der Geschäftsmodelltypen

Hinweis: Angabe der Einnahmen für die zum Zwecke dieser Studie definierten Grundmodelle — Entspricht nicht dem Gesamtwert der Einnahmen im Bereich der

Informations- und Kommunikationstechnik, Telekommunikation und Medien in Europa

Quelle: Unternehmensberichte; EITO; OBS; Magna Global; SNL Kagan; Forrester; Ovum; eMarketer; Internet World Stats; Gartner; Juniper; IDC; OANDA; Marktmodell von BCG

Einnahmen in Europa (EU25) 2014

Einnahmen in Mrd. ¤ 263 93 10 4 49

% der Einnahmen 20 40 60 80 100

Übertragung

0%

Aggregation

+ 5%

Suche

+ 12%

Communities

+ 37%

Geräte

+ 17%Wachstum CAGR2009 - 2014

Suche erfolgreich auf den Bereich der Videoin-halte übertragen kann, wird von der Kooperati-onsbereitschaft der anderen Interessensgruppen wie den Inhaltsproduzenten und -Aggregato-ren bei diesen Versuchen abhängig sein. Für die Geräte wird eine solide jährliche Wachstums-rate von 17% erwartet, die sich besonders aus dem stetigen Anstieg bei den Ökosystemen für Smartphones und bei den internetfähigen Fern-sehgeräten ergibt. Die Einnahmen aus der Aggre-gation werden, ausgehend von einem schnellen Wachstum der online verfügbaren Inhalte auf mehr als 20% geschätzt, jährlich insgesamt um mehr als 5% steigen. Aufgrund des anhaltenden Rückgangs bei der Sprachübertragung werden sich die Einnahmen aus der Übertragung den Prognosen zufolge mit einem jährlichen Wachs-tum von weniger als einem Prozent auf einem stabilen Niveau bewegen. Bei den Einnahmen aus mobilen und Festnetzgebundenen Daten und aus dem Fernsehzugang wird mit einstelligen Wachs-tumsraten gerechnet. Bei der allgemeinen Ver-teilung der Einnahmen dieser Geschäftsmodelle wird der Anteil der Übertragung in den kommen-den Jahren insgesamt leicht sinken, wohingegen in anderen Bereichen der Branche ein erheblich höheres Wachstum zu verzeichnen ist.

Bei den Akteuren im Bereich der Community-Plattformen für soziale Netzwerke rechnet man mit einem jährlichen Wachstum von etwa 40%, da ihre Bedeutung für die digitale Wirtschaft steigt.

Navigation durch die neuen Fahr-wasser der Offenheit

Angesichts der veränderten Relevanz der Güter und der aufkommenden Wettbewerbsdy-namik werden die Interessensgruppen ihre stra-tegischen Prioritäten und Offenheitsgrade an-passen müssen, wenn sie erfolgreich die sich neu abzeichnende Topografie der Offenheit meistern wollen. Die derzeit existierenden Offenheitsgrade sind das Resultat der strategischen Entscheidun-gen, die von den Unternehmen im Hinblick auf externe Faktoren wie technologische Innovation, Konsumentenverhalten und neue Marktteilneh-mer getroffen wurden. Änderungen in der Topo-grafie der Offenheit sind das kumulative Ergebnis der Strategien, die von den Branchenakteuren in Antizipation dieser Faktoren eingeschlagen wur-den, in einzelnen Fällen auch die Folge regulatori-scher Eingriffe. Die Branchenteilnehmer und auch

die politischen Entscheidungsträger und Regulie-rungsbehörden werden neue strategische Priori-täten festlegen müssen. Diese Prioritäten müssen sich an den strategischen Schlachten um die für die Branche wichtigsten Güter orientieren sowie an den neuen relativen strategischen Positionen der verschiedenen Typen von Akteuren. Einige Pri-oritäten werden bereits aktiv verfolgt, viele andere jedoch noch nicht. Die Prioritäten und künftigen strategisch motivierten Handlungen werden die zukünftige Topografie der Offenheit prägen und für die Wertschöpfung und das Wachstum in der Branche nicht ohne Folgen bleiben.

Die Branchenteilnehmer und auch die politischen Entscheidungs-träger und Regulierungsbehörden werden neue strategische Prioritäten festlegen müssen. Diese Prioritäten müssen sich an den strategischen Schlachten um die für die Branche wichtigsten Güter orientieren sowie an den neuen relativen strategi-schen Positionen der verschiedenen Typen von Akteuren.

Das distributionszentrierte Modell

Zentrale strategische PrioritätenDas Kopf-an-Kopf-Rennen mit den globa-

len Ökosystemen um digitale Inhalte und Dienste wird selbst für die größten Übertragungsanbieter, deren Größe sich im Gegensatz zu den globalen webbasierten Akteuren durch die eigene geogra-fische Reichweite bestimmt, zu einer immanenten Herausforderung werden. Die distributionszent-rierten Unternehmen werden gezwungen sein, die eigene Position entlang der Wertschöpfungskette gegen zahlreiche neue Teilnehmer im Bereich der Inhaltsaggregation und -navigation zu verteidigen.

Eine der wichtigsten strategischen Ziel-stellungen für die Distribution wird darin beste-hen, die eigene Rolle im Bereich der Inhaltsnavi-gation durch anspruchsvolle Nutzerschnittstellen

und plattformübergreifende Funktionalitäten zur Bereitstellung von Inhalten und Diensten zu si-chern. Die Vorherrschaft auf den Bildschirmen muss über eine schnelle Bereitstellung von aktuel-len Plattformen und anspruchsvollen interaktiven Diensten für die installierten Kundenanlagen und die Schaffung eines einheitlichen Nutzererlebnis-ses gesichert werden. Mehrkanalbetreiber werden sich eher auf kooperativere Geschäftsmodelle ver-lagern, um damit Innovationen von dritten Par-teien für deren Plattformen der nächsten Gene-ration gewinnen zu können. Bei den technischen Bedingungen wird ein höherer Grad an Offenheit notwendig sein, um die Entwickler von interak-tiven Anwendungen für sich zu gewinnen und eine Verbindung zu den stark gefragten sozialen Netzwerken und Webplattformen herstellen zu können. Partnerschaften mit den Inhaltsprodu-zenten und -aggregatoren für HD-, VoD, 3D- und OTT-Inhalte gewinnen immer mehr an Bedeutung, da die distributionszentrierten Akteure den Ver-such unternehmen werden, sich sowohl über die Breite als auch über die Tiefe des eigenen Ange-bots von Mitbewerbern am Markt abzuheben. Die Wertschöpfung ergibt sich aus der Fähigkeit, die direkten Kundenbeziehungen für die Sicherung der Abo-Einnahmen der Netznutzung und der Erzielung von Transaktionseinnahmen aus moder-nen Inhaltsdiensten, die durch Werbeeinnahmen ergänzt werden, zu nutzen.

Die Vorherrschaft auf den Bild-schirmen muss über eine schnelle Bereitstellung von aktuellen Platt-formen und anspruchsvollen inter-aktiven Diensten für die installierten Kundenanlagen gesichert werden.

In gleichem Maße werden auch die Netz-betreiber ihre strategische Position innerhalb der digitalen Umgebung stärken und ihre Netze als Kerngut schützen müssen. Neue strategische Vor-teile können möglicherweise bei der Netzleistung für die Bereitstellung von IP-Kapazität und der Unterstützung von Angeboten mit innovativen

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Teil 5

DIE NEUEN SPIELREGELN DER OFFENHEIT

webbasierten Inhalten und Diensten gewonnen werden. Als entwicklungsfähige Positionierung für Netzbetreiber stellt sich diejenige eines Vermark-tungspartners für die Anbieter von webbasierten und mobilen Inhalten und Diensten mit fortschritt-lichen Bereitstellungsfunktionen wie CDN,1 stand-ortbasierten Diensten und Abrechnungsdiensten dar. Damit könnte das Nutzenversprechen der Netze für Konsumenten und Geschäftskunden ge-genüber konkurrierenden Infrastrukturanbietern differenziert werden.

Wesentliche Änderungen bei der OffenheitBei den traditionell verwalteten Netzen als

Güter für den Breitbandzugang werden die Of-fenheitsgrade wahrscheinlich ähnlich bleiben. Die dritten Parteien werden, abgesehen von gesetz-lich geregelten Bereichen oder den auf Offenheit gerichteten Auflagen für öffentlich finanzierte Infrastruktur, nur begrenzt in der Lage sein, die eigenen Geschäftsmodelle über verwaltete Netz-werke zu betreiben. Wesentliche Veränderungen bei offenen distributionszentrierten Geschäftsmo-dellen werden sich wohl bei der Verwaltung der IP-Kapazität sowie den technischen Plattformen oder Endgeräten, zum Beispiel den elektronischen Programmführern und Set-Top-Boxen, vollziehen.

Der erhöhte Bedarf an IP-Kapazität könnte in einem gestuften Ansatz für die Bereitstellung resultieren, bei dem über das öffentliche Internet ein bestmöglicher Zugang zu Inhalten und Diens-ten offensteht, während für Premiumqualität an-dere Preisbedingungen bei der Bereitstellung gel-ten. Jedoch werden die Betreiber, ausgehend von einem neuen strategischen Ansatzpunkt bei der Netzleistung, schwerlich inhaltliche Bedingungen für den Zugang zur eigenen IP-Kapazität formu-lieren können. Als Beispiel sei hier der Fall der be-vorzugten Wahl eines Inhaltsanbieters gegenüber einem anderen genannt, wo die in der Netzneu-tralität begründete Verpflichtung zum Verzicht auf Diskriminierung und die Wettbewerbsdisziplin

1 Netzwerk für die Bereitstellung von Inhalten

beim Infrastrukturwettbewerb einen Hinderungs-grund darstellen. Auch die Festlegung von stren-geren technischen Bedingungen ist durch die Ver-pflichtung zum ordnungsgemäßen Betrieb jeder beliebigen Anwendung und jedes beliebigen In-haltes oder Dienstes über das Netz eingeschränkt.

Bei den Gütern für die Bereitstellung von Videoinhalten wird es im Zusammenhang mit den technischen Plattformen, zum Beispiel bei den Plattforminhalten, der Architektur von Software und Hardware, den Spezifikationen für IPTV und Kabelplattformen, allmählich zu einer stärkeren Öffnung für dritte Parteien in der Wertschöp-fungskette kommen. Einige Distributoren von In-halten werden den Zugang zur eigenen Plattform über die Geräte von dritten Parteien zulassen, beispielsweise über Spielekonsolen oder inter-netfähige Fernsehgeräte, da sie, um die eigene Erreichbarkeit für Kunden auch über andere Ge-räte zu ermöglichen, ein strategisch motiviertes Interesse an der Lockerung der technischen und inhaltlichen Bedingungen haben. Auch geschützte Inhaltsplattformen der nächsten Generation wer-den durch eine Lockerung der wirtschaftlichen, in-haltlichen und technischen Bedingungen offener für die Inhalte und Dienste von dritten Parteien wie Anwendungen und OTT, um so die Bandbreite der eigenen digitalen Inhalte zu erweitern.

Aus Konsumentensicht werden die Ände-rungen im Offenheitsgrad der IP-Kapazität bei den Preisen für Mobil- und Breitbandverbindungen im Premiumbereich beziehungsweise bei den Preis-modellen der Anbieter von Onlineinhalten erkenn-bar. Premiumpakete wird es dann erst zu einem Aufpreis gegenüber den aktuell am Markt verbrei-teten Pauschalpaketen und Flatrate-Preisen ge-ben. Änderungen im Offenheitsgrad von Inhalten und Plattformen könnten eine größere Auswahl und ein besseres Dienstangebot der Distributions-akteure bedeuten mit einer breiteren Auswahl an Geräten für die Darstellung der Inhaltspakete und

einer größeren Vielfalt der Inhalte und Dienste auf den Plattformen. Der Zugang zu den Inhalten wird nach wie vor über Abo-Vereinbarungen mit den Endnutzern geregelt. Damit wird es keine Öffnung im Sinne von Kostenfreiheit geben.

Das aggregationszentrierte Modell

Zentrale strategische PrioritätenDie Aggregatoren werden gezwungen sein,

die eigene Marke gezielt einzusetzen und eige-ne online verfügbare Distributionsangebote mit direkten Kundenbeziehungen zu schaffen. Die Entwicklung sowohl kostenfreier als auch entgelt-pflichtiger Geschäftsmodelle für das Internet wird vorrangig sein, um mögliche Einbußen bei den Ein-nahmen von bekannten linearen Fernsehsendern ausgleichen zu können, da die Werbenden das ei-gene Budget verstärkt in andere Werbeformen bei den neuen digitalen Medien investieren werden. Die Sicherung ihrer Positionen auf neuen digita-len Plattformen und der Erwerb von Präsenz auf angesagten Geräten werden strategisch wichtig, da sich die Geräte immer stärker verbreiten. Der Videokonsum wird sich über das Mobil- und das Festnetz viele neue digitale Wege bahnen. Für die Plattformen von dritten Parteien und fortschritt-liche Dienste wie HD und 3D wird man neue Ein-nahmen- und Preismodelle finden müssen, damit der Anteil der Aggregatoren an den Konsumenten- und Werbeausgaben verteidigt werden kann.

Die traditionellen Aggregatoren werden bei den Werbeeinnahmen mit Onlineplattformen und Such-anbietern zu kämpfen haben.

Die gestärkte Position der Inhaltsproduzen-ten, vor allem durch eine fragmentierte Distributi-on und die Schlacht um die Inhaltsrechte begüns-tigt, wird die traditionellen Aggregatoren vor neue strategische Herausforderungen stellen. Alterna-tive Möglichkeiten zur Aggregation könnten sich nachteilig dahingehend auswirken, exklusive Inhal-te für die Erstausstrahlung in ihren lokalen Märk-

ten zu gewinnen, während mittelklassiges Füllma-terial für ein Publikum, das sich in zunehmendem Maße für den On-Demand-Zugang und online verfügbare Nischeninhalte interessiert, immer we-niger interessant wird. Die traditionellen Aggrega-toren werden auch bei den Werbeeinnahmen mit Onlineplattformen und Suchanbietern zu kämpfen haben. Die Aufrechterhaltung ihrer wichtigsten Einnahmenströme wird davon abhängen, ob sie neue Werbefunktionen entwickeln und die richti-gen Metrikgrundlagen für mehrfache Bildschirme und die zeitlich und örtlich verlagerte Betrachtung ihrer Kanäle über das Internet finden können.

Die Online- und Printverleger werden ihre Bemühungen im Bereich der entgeltpflichtigen Dienste für Konsumenten bei den aufkommenden Geräte- oder betriebssystemspezifischen Öko-systemen verstärken müssen. Es muss ein neues Gleichgewicht zwischen offenen und freien on-line verfügbaren Inhalten und entgeltpflichtigen Diensten gefunden werden; ebenso ein Produk-tangebot, für das die Konsumenten bereit sind zu zahlen. Für die Verleger wird die wesentliche strategische Herausforderung darin bestehen, zu erkennen, wie sich eine erfolgreiche Beteiligung an den aufkommenden Ökosystemen und Werbe-netzwerken gestalten kann. Dabei werden sie sich auch mit dem sich abzeichnenden Medienkonsum und den neuen Ausgabenmustern der Konsumen-ten auseinandersetzen müssen.

Wesentliche Änderungen bei der OffenheitDurch die Distribution von Inhalten über

mehrere Online- und mobile Plattformen werden die Güter des aggregationszentrierten Modells für andere Teilnehmer in der Wertschöpfungskette nicht unbedingt offener. Obwohl mit zahlreichen strategischen Herausforderungen konfrontiert, werden die Inhaltsaggregatoren bei ihrer Ver-handlungsposition im Hinblick auf die Distribution an Stärke gewinnen. Auch bei der Festlegung von wirtschaftlichen und inhaltlichen Bedingungen für die Bereitstellung von Inhaltsgütern an dritte Parteien wird dies der Fall sein. Diese Zugangsbe-

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Teil 5

DIE NEUEN SPIELREGELN DER OFFENHEIT

dingungen werden sich wahrscheinlich in Form von Zusatzgebühren für die Übertragung von in-novativen Formaten wie HD und 3D und eventuell auch in Exklusivverträgen für bestimmte Plattfor-men oder Geräte manifestieren. Für die Distributo-ren oder Gerätehersteller wird es neue technische Bedingungen für den Zugang zu Inhalten geben, zum Beispiel Anforderungen für die Begrenzung von erweiterten Netzfunktionen wie dem Schnell-vorlauf, um damit ein Überspringen der Werbe-einblendungen bei IPTV- und Kabelplattformen zu unterbinden und die Werbeeinnahmen zu schüt-zen. Teilweise werden diese Bedingungen auch die eigenen Ambitionen der Inhaltsaggregatoren für den Aufbau von geschützten Inhaltsplattformen und direkten Kundenbeziehungen zur Monetari-sierung ihrer Innovationen in der Welt der Inhalte widerspiegeln.

Aus Konsumentensicht wird der Zugang zu Inhalten ungeachtet der Bedingungen, die zwischen den verschiedenen Teilnehmern in der Wertschöpfungskette Anwendung finden, leich-ter und in vielen Fällen auch offener sein. Die Mehrheit der Inhalte wird dabei gleichzeitig über verwaltete Plattformen, online verfügbare Distri-butionsangebote, Tablets und Mobiltelefone zur Verfügung stehen. Nischeninhalte werden über Such- und Onlineplattformen zunehmend offe-

ner und leichter verfügbar; dies wird dem Kon-sumenten wiederum eine größere Auswahl und ein höheres Maß an Nutzerfreundlichkeit bieten. Die Bedingungen für Qualität und Preise werden sich jedoch je nach einzelnem Distributionskanal unterschiedlich gestalten. Für den Zugang zu HD- und 3D-Inhalten werden höchstwahrscheinlich direkte Nutzergebühren zum Einsatz kommen. Ex-klusive Blockbusterinhalte werden auch weiterhin hauptsächlich gegen Entgelt und häufig auch nur über einen einzigen Anbieter verfügbar sein.

Das suchzentrierte Modell

Zentrale strategische PrioritätenDie Suchunternehmen werden weiterhin

gezwungen sein, eine höhere Relevanz der Multi-channel-Dienste durch verstärkte Diversifikation im Bereich der Mobil-, Video- und Zusatzproduk-te zu erzielen. Ihre starke Präsenz bei Rechnern und im mobilen Internet ermöglicht den großen Suchakteuren, die eigene Bedeutung im Bereich der konvergierten Medien weiter auszubauen. Ihre Navigationsfunktionen für digitale Inhalte und ihre Werbenetzwerke sind die Instrumente, die ihnen den Weg zu den Videoplattformen ebnen und da-mit den Zugang zu einem Werbemarkt eröffnen, der gegenwärtig mehr als doppelt so groß ist wie der gesamte Markte für Onlinewerbung.

Die Ambitionen auf den Rang als Haupttor zu Nischen- und selbst auch Blockbusterinhalten werden sich jedoch nicht so leicht verwirkli-chen lassen. Die Suchakteure werden in zunehmendem Maße mit Recht-einhabern zu kämpfen haben, die ihre Inhalte und Geschäftsmodelle schützen wollen.

Der Rang als Hauptpforte zu Nischen- und selbst auch Blockbusterinhalten wird jedoch nicht so leicht erreichbar sein. Die Suchakteure werden in zunehmendem Maße mit Rechteinhabern zu kämpfen haben, die ihre Inhalte und Geschäfts-modelle schützen wollen. Sie sind daher gezwun-gen, neue Modelle für Partnerschaften und Be-teiligungen an den Einnahmen zu entwickeln, die einen größeren Zugang zu online verfügbaren und linearen Inhalten sowie auch zu den techni-schen Plattformen ermöglichen. Daneben werden sie auch die Suche als ihr Kerngeschäft im Bereich der Daten und ihre Position als Tor zum Web ver-teidigen müssen. Als Herausforderer treten hier-bei Plattformen mit einer ausgeprägten Netzwer-korientierung in den Vordergrund, die durch ihren weitreichenden Zugang zu den Konsumenten möglicherweise einen Vorsprung bei der Suche, im Handel und der zielgenaueren Platzierung von Werbeanzeigen bekommen.

Wesentliche Änderungen bei der OffenheitDie tatsächlichen Offenheitsgrade der

Güter der führenden Suchunternehmen und die verschiedenen Bedingungen, die für den Zugang hierzu gelten, sind umstritten und gegenwärtig der Gegenstand von formellen kartellrechtlichen Untersuchungen durch die Europäische Kommis-sion. Wenngleich auch viele Aspekte der such-zentrierten Geschäftsmodelle in der Tat ziemlich offen sind, beispielsweise der Zugang von dritten Parteien zu Suchdiensten, Betriebssystemen und Anwendungen, werden diejenigen Güter offener werden, die von Behörden überprüft werden. Und dies auf Druck der Behörden und der Branche. Die

Suchakteure werden wohl die wirtschaftlichen und inhaltlichen Bedingungen für deren zentra-le Güter durch eine stärkere Transparenz bei den Suchergebnissen, eine verbesserte Portabilität der Daten und preisliche und vertragliche Regelungen für die Werbung lockern müssen.

Für die Konsumenten werden die Suchak-teure weiterhin ein hohes Maß an Offenheit bei denjenigen Gütern gewähren, die den Datenver-kehr zu ihren verschiedenen Plattformen leiten. Eine zunehmend größere Auswahl von innovati-ven Diensten wird den Konsumenten kostenfrei zur Verfügung stehen. Hierzu gehören E-Mail, Communities, Mitteilungen, Verkehrsnavigati-on, Karten, Fernsehdienste und IP-Telefonie. Aus Konsumentensicht kann es bei den Offenheits-graden der suchzentrierten Modelle jedoch zu Beeinträchtigungen kommen und zwar aufgrund einer verminderten Interoperabilität mit anderen Diensten wie sozialen Netzwerken und etwaigen Geschäftspraktiken, mit denen die Suchneutra-lität oder die Transparenz der Suchergebnisse unterwandert werden soll. Dies gilt sowohl für die großen globalen Suchgiganten wie Google und Bing als auch für die sogenannten vertikalen Suchdienste, die sich auf spezifische Segmente des Handels oder der Dienste konzentrieren.

Das Community-zentrierte Modell

Zentrale strategische PrioritätenBei den Community-Plattformen ist die

Größe entscheidend. Damit Netzwerkeffekte ge-winnbringend zu Buche schlagen, werden die Be-treiber eine ausreichend große Nutzerbasis auf-bauen und schnell Einfluss erlangen müssen. Wie der kürzlich erfolgte Aufstieg und Niedergang von sozialen Netzwerken wie MySpace beweist, kann der Erfolg in diesem Bereich unter Umständen auch nur von kurzer Dauer sein. Um das Geschäft fest etablieren zu können, muss die Strategie für die Plattform nachhaltige, wechselseitig gewinn-bringende Kooperationsmodelle mit Medien und Handel ermöglichen, die den Datenverkehr und

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Teil 5

DIE NEUEN SPIELREGELN DER OFFENHEIT

Ihr zentrales Gut – die infor-mationsreichen Nutzer- und Nut-zungsdaten – müssen mit großer Sorgfalt und Verantwortung ver-waltet werden. Diese Daten werden sogar noch wertvoller werden für die Entwicklung von anspruchsvolleren Funktionen für die Suche und den Handel sowie zur zielgenauen Plat-zierung von Werbeanzeigen.

Ihr zentrales Gut – die informationsrei-chen Nutzer- und Nutzungsdaten – müssen mit großer Sorgfalt und Verantwortung verwaltet werden. Diese Daten werden für die Entwicklung von anspruchsvolleren Funktionen für die Suche und den Handel sowie zur zielgenauen Platzie-rung von Werbeanzeigen immer wertvoller. Für die Nutzung der Daten und für die Werbeplatt-formen wird ein sorgfältig kontrollierter Grad der Offenheit und Transparenz notwendig sein, damit die Interessen der Nutzer der Plattform und die Attraktivität der Communities für Medi-en, Suche und Handelspartnerschaften austariert werden können. Für schnelle Innovation bei den Anwendungen und Spielen für die Community-Plattformen müssen die Offenheitsgrade und wirtschaftlichen Bedingungen für die Entwickler hinreichend attraktiv gestaltet sein, um eine aus-reichende Zahl von ihnen für die eigene Platt-form begeistern zu können, da die Vielfalt bei den Inhalten, Anwendungen und Spielen für die sich selbst verstärkenden Netzwerkeffekte der Platt-form ausschlaggebend ist.

Wesentliche Änderungen bei der OffenheitDie führenden Community-Plattformen

werden den wirtschaftlichen Wert ihrer Ge-schäftsmodelle auch weiterhin durch die Festle-

gung von sehr selektiv wirkenden Bedingungen für den Zugang zu ihren Gütern schützen. Ei-nerseits bleiben die inhaltlichen und technischen Bedingungen für den Zugang von dritten Partei-en bei der Verlinkung zu den Plattformen, der Be-reitstellung von Inhalten oder deren Integration in die eigenen Geschäftsmodelle in den meisten Fällen sehr niedrig. Die Offenheitsgrade bei den Daten und den wirtschaftlichen Bedingungen, die für den Zugang zu den Werbeplattformen fest-gelegt werden, werden aber angesichts der stetig steigenden Nachfrage nicht gelockert werden. Mit einer größeren Zahl von Nutzern und einem höheren Nutzungsgrad steigen der Wert und die Bedeutung der Community-Plattformen für die Werbenden. Im Falle einer größeren Marktmacht im Bereich der Community-Werbung werden die Geschäftspraktiken und Vorgehensweisen im Zu-sammenhang mit der Offenheit, so wie dies auch schon bei führenden Suchanbietern zu beobach-ten war, mehr in den Fokus der Branche und der Regulierungsbehörden rücken. Daher bleiben Zu-gangsbedingungen begrenzt.

Aus Konsumentensicht werden die Com-munity-Plattformen ähnlich wie bei den Such-diensten in vielerlei Hinsicht wohl auch wei-terhin offen bleiben. Es gibt keine besonderen Bedingungen für deren Zugang, der Dienst ist kostenfrei. Aus Sicht der Nutzer sind es die Un-wiederbringlichkeit, die fehlende Portabilität und die mangelnde Transparenz der einmal hochgela-denen Daten, die als geschlossene Elemente gel-ten. Diese Elemente werden mindestens teilweise offener und transparenter werden müssen. Erst kürzlich ermöglichten es die führenden sozialen Netzwerke ihren Nutzern, ihre hochgeladenen Daten wieder löschen zu können. Die Frage nach der Monetarisierung der Daten bleibt weiterhin undurchsichtig. Auch die Interoperabilität der Community-Plattformen und die direkte Porta-bilität werden weiterhin im Rahmen der strate-gischen Entscheidungen der einzelnen Anbieter geregelt.

Das gerätezentrierte Modell

Zentrale strategische PrioritätenDie führenden Gerätehersteller sind in den

vergangenen Jahren beim Aufbau starker Ökosys-teme für deren mobile und intelligente Geräte so-wie Spielekonsolen extrem erfolgreich gewesen. Vor dem Hintergrund der Medienkonvergenz wer-den die Gerätehersteller danach streben, Funk-tionalitäten für die Navigation und horizontale Dienste für sämtliche Gerätetypen, einschließ-lich von Mobiltelefonen, Tablets und Fernseh-geräten, anzubieten. Die gegenwärtigen Akteure bei den Geräteökosystemen werden die eigenen Ressourcen darauf verwenden, noch stärker ins „Wohnzimmer“ vorzudringen. Die Hersteller von Fernsehgeräten werden eigene gerätebasierte Ökosysteme ins Leben rufen. Bislang ist es aller-dings noch keinem Fernsehhersteller gelungen, den Erfolg der Ökosysteme für mobile Geräte zu kopieren. Im Zuge der schnellen Durchdringung des Marktes mit internetfähigen Fernsehgerä-ten sowie der zunehmenden Reichweite und des steigenden Marktanteils der führenden Marken könnte sich dies jedoch bald ändern.

Die gegenwärtigen Akteure bei den Geräteökosystemen wer-den die eigenen Ressourcen darauf verwenden, noch stärker ins Wohn-zimmer vorzudringen. Die Hersteller von Fernsehgeräten werden eigene gerätebasierte Ökosysteme ins Le-ben rufen.

Die gerätezentrierten Unternehmen werden versuchen, den Gerätabsatz verstärkt durch Bemühungen zur Sicherung des Zugangs zu beliebten Inhalten und Diensten und durch eine Ausweitung ihrer Ökosysteme von rein ver-triebsbasierten Systemen zu Werbenetzwerken zu steigern. Allerdings werden nach wie vor ei-nige wenige große Ökosysteme vorherrschen. Die meisten Hersteller werden sich damit arrangieren und dabei auf Strategien setzen, die den Fokus auf Multifunktionalität und Interoperabilität le-gen, um den Anforderungen der führenden glo-balen Plattformen und Anwendungen gerecht zu werden.

die Einnahmenströme in beide Richtungen fließen lassen. Die Communities werden versuchen, ihre Fähigkeit weiter auszubauen, die eigenen Daten über die Suche, die Inhaltsnavigation, Werbung, Kommunikation und Handel zu monetarisieren.

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Teil 5

DIE NEUEN SPIELREGELN DER OFFENHEIT

Wesentliche Änderungen bei der OffenheitDas gerätezentrierte Modell wird auch

weiterhin auf bewährte Prinzipien setzen, d.h. auf einheitliches Aussehen und integrierte Handha-bung sowie die Gewährleistung einer nahtlosen Funktionalität aller Aspekte der Nutzererfahrung. Deshalb bleiben die technischen und inhaltlichen Bedingungen für dritte Parteien weiterhin ver-hältnismäßig hochgesteckt. Bei den führenden Plattformen werden diese Bedingungen jedoch allmählich aufgelockert, da sich der Wettbewerb im Bereich der Geräte verdichtet. Exklusivverträge zwischen bestimmten Geräteherstellern und Netz-betreibern gehören in Europa mehr und mehr der Vergangenheit an. Damit erhöht sich die Offenheit der Güter der Gerätehersteller für die Unterneh-men in der Distribution. Unternehmen, die mit dem Aufbau eigener Ökosysteme beginnen, wer-den Impulse für eine stärkere Interoperabilität lie-fern, da die Fähigkeit zur Bereitstellung von platt-formübergreifenden Inhaltsformaten zusammen mit der Fähigkeit zur Gewinnung von Entwicklern für die Anwendungsplattformen immer wichtiger sein wird. Die wirtschaftlichen Bedingungen für Inhaltsanbieter und Werbende werden von Ange-bot und Nachfrage am Markt bestimmt werden. Die führenden Plattformen werden strenge wirt-schaftliche Bedingungen für die eigenen Platt-formen formulieren können, zum Beispiel bei den Einnahmenbeteiligungen und vorgeschriebenen Einzelhandelspreisen. Durch den Wettbewerb im Bereich der Geräte und Plattformen werden In-haltsanbieter, Aggregatoren und Werbenden aber allmählich eine bessere Verhandlungsposition er-langen.

Kurzfristig werden die Veränderungen der Offenheitsgrade bei den gerätezentrierten Ge-schäftsmodellen auf Ebene des einzelnen Ökosys-tems für die Konsumenten keine relevante Auswir-kungen haben. Bei den führenden Geräten werden ähnliche Versionen der „umzäunten Gärten“ den Kauf und die Nutzung von Inhalten regeln. Da-bei wird sich die Interoperabilität weiterhin in Grenzen halten. Selbst für die etwas offeneren

In einer schnelllebigen Branche gilt es die Spielveränderer zu erken-nen. Dabei müssen Regulierungs-behörden bei der Entscheidung über lenkende Eingriffe einen flexiblen Ansatz verfolgen.

mobilen Gerätemodelle werden häufig von den Telekommunikationsanbietern noch Einschrän-kungen festgelegt. Dies kann zum Beispiel über die Sperrung von bestimmten Anwendungen wie VoIP oder Einstellungen am vorinstallierten Brow-ser geschehen, mit denen Änderungen durch den Nutzer verhindert werden, selbst wenn dies beim Gerät an sich möglich wäre. Die zunehmende Viel-falt bei den Geräten und die sich langsam durch-setzende Tendenz zu offeneren Entwicklungsstan-dards werden jedoch zu einem breiteren Zugang zu Inhalten bei allen Ökosystemen für Geräte und damit möglicherweise auch zu niedrigeren Preisen führen. Die Abkehr von Exklusivverträgen zwi-schen Geräteherstellern und Telekommunikations-unternehmen steht auch für eine stärkere Öffnung des gerätespezifischen Modells. Dies ist die Konsu-menten sehr wichtig ist, da sie nun in Verbindung mit den Betreibern eine größere Auswahl bei den Geräten haben.

Regulierungsbehörden

Die vorherrschenden politischen Zielstel-lungen für die Märkte im Zusammenhang mit Te-lekommunikation, Medien und Informations- und Kommunikationstechnik der nächsten Generation sind ausgerichtet auf die Förderung von Inves-titionen in die Branche, um so die notwendigen Rahmenbedingungen für Wettbewerb und Wachs-tum im Sektor durch Innovation herzustellen. Die politischen Entscheidungsträger und Regulie-rungsbehörden sehen sich vor ein nie dagewese-nes Maß an Komplexität gestellt und müssen, wie die Vertreter der Branche selbst, Werkzeuge und Kompetenzen zur Orientierung innerhalb der neu-en Topografie der Offenheit entwickeln. Oberstes Gebot für die Regulierungsbehörden und politi-schen Entscheidungsträger bei der Gestaltung der politischen und regulatorischen Rahmenbedin-gungen oder bei der Bestimmung der relevanten Märkte sind die umfassende Berücksichtigung der gesamten digitalen Wertschöpfungskette sowie die differenzierte Betrachtung der verschiedenen charakteristischen Offenheitskonstellationen der

In einer schnelllebigen Branche gilt es die Spielveränderer zu erkennen und sich bewusst zu machen, dass die Offenheitsgrade im Ergeb-nis von Wettbewerbsdruck, Technologiesprüngen und Konsumentenverhalten dynamischen An-passungsprozessen unterliegen. Dabei müssen die Regulierungsbehörden einen flexiblen Ansatz verfolgen bei der Entscheidung darüber, wann ein Eingriff notwendig ist oder wann es besser ist, dies dem Markt zu überlassen.

Die Regulierungsbemühungen sollten sich auf die Bereiche konzentrieren, in denen die bran-cheninterne Entwicklung sehr wahrscheinlich in eine Form der Geschlossenheit mit möglicherweise negativen Folgen mündet, in denen der Wettbe-werb durch eine übermäßig Begrenzung des Zu-gangs zu zentralen Gütern strukturell behindert wird oder in denen die strategischen Positionen problematische Kundenbindungen, d.h. Lock-in-Effekte, ohne angemessene Handlungsalternativen nach sich ziehen. Die Regulierungsbehörden sollten nur dann eingreifen, wenn eine marktbeherrschen-de Stellung in missbräuchlicher Weise ausgenutzt wird und die Situation aller Voraussicht nach nicht über den freien Wettbewerb mit anderen Akteuren aus der Welt geschafft werden kann.

vorherrschenden Geschäftsmodelle. Wenn die globalen Strategien der Branche Wirkung zeigen, werden sie ein genaueres Verständnis von den neuen Konstellationen der Offenheit in einem weiteren Zusammenhang benötigen. Die mögli-chen Pförtner von morgen und Inhaber der für die Branche wichtigen Güter können ganz andere sein als diejenigen, mit denen man es früher noch zu tun hatte.

Nachdem diese breitere Betrachtungs-weise festgesetzt wurde, muss es gelingen, ein Gleichgewicht herzustellen zwischen nutzbrin-genden offenen Umgebungen und dem Bedarf eines jeden Geschäftsmodells nach geschlossenen Elementen, die für die Wertschöpfung unverzicht-bar sind. Die Durchsetzung von Offenheit an sich ist nicht immer der beste Weg zur Förderung von Innovation, nachhaltigem Wachstum und wirksa-mem Wettbewerb.

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AnhangAAnhang

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Anhang

ANHANGANHANGANHANG

Abbildung A2

Offenheitsgrad eines Gutes

Vom Eigentümer des Gutes festgelegte Zugangsbedingungen für eine oder mehrere der folgenden Dimensionen

• Wirtschaftliche Bedingungen• Produkt- und dienstspezifische Bedingungen• Technische Bedingungen

Fehlen von Bedingungen für die (gewerbliche) Nutzung von Gütern im Eigentum einer anderen Partei

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d de

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Geschlossen Keinerlei Zugang zum Gut für dritte Parteien

Definition der Offenheit

Die Definition der Offenheit bezieht sich auf drei wesentliche Elemente: Güter, die Inhaber der Güter und dritte Parteien (siehe Abbildung A1):

• Als Güter sind alle Dinge zu verstehen, mit de-nen Werte geschaffen werden können. Zu den bekanntesten dieser Güter zählen Inhaltser-stellung und Distributionsrechte, leitungsge-bundene und mobile Netze, Geräte und deren Betriebssysteme, Plattformen und zugehörige Anwendungen sowie technische Standards, Softwarecode und Nutzerdaten.

Die Bedingungen für den Zugang zu einem Gut können als Kombination von drei grundlegen-den Bausteinen verstanden werden (siehe Abbil-dung A2):

• Wirtschaftliche Bedingungen. Der Zugang zu einem Gut wird durch bestimmte wirtschaftliche Mechanismen eingeschränkt, zum Beispiel durch variable oder feste Preise für den Zugang oder sonstige vertragliche Bestimmungen. Diese Be-dingungen haben Einfluss auf die Fähigkeit der dritten Partei zur Nutzung des Gutes. Häufig wir-

• Der Inhaber eines Gutes kontrolliert den Zugang zu diesem Gut, da er die Bedingungen für den Zugang zu diesem Gut oder dessen Nutzung stel-len kann. Als Eigentümer von Gütern kommen eine Vielzahl von Akteuren in Betracht, unter anderem die Produzenten und die Aggregatoren von Inhalten, Netzbetreiber, Gerätehersteller und Technologie- und Softwareunternehmen.

• Eine dritte Partei kann jeder beliebige Akteur am Markt sein, der nicht Eigentümer des Gutes ist und Zugang zu diesem erlangen will, um das Gut für eigene (kommerzielle) Zwecke zu nutzen. Zu den dritten Parteien können sowohl Konkurren-ten als auch mögliche Partner von anderen Teilen der Wertschöpfungskette in der Branche zählen.

ken sich diese Bedingungen auf den Preis aus, den dritte Parteien den eigenen Kunden anbieten kön-nen, und somit auch auf den Gewinn. Ein Beispiel für preisliche Bedingungen sind Amazons Preis-grenze von $9.99 für digitale Bücher und Apples Preis von $0.99 für digitale Musik. Die vorherr-schenden Telekommunikationsanbieter wieder-um müssen anderen Betreibern einen Zugang zu deren Telekommunikationsnetzen ermöglichen. Hierfür gelten staatlicherseits regulierte Preise, die sich dann bei den Preisspannen für die Produkt-angebote von dritten Parteien bemerkbar machen.

• Produkt- und dienstspezifische Bedingungen. Der Zugang zu einem Gut wird auf bestimmte Produkte, Dienste oder Inhalte beschränkt. Der Inhaber des Gutes bietet Zugang zu seinem Gut, kontrolliert dabei aber die Art des Produktes, Dienstes oder Inhalts, den eine dritte Partei über das Gut anbieten kann. Diese Kontrolle erfolgt entweder durch direkte Selektion oder streng definierte Nutzungsbedingungen und Zensur-maßnahmen. YouTube ist hierfür ein Beispiel. Das Unternehmen behält sich das Recht vor, den Inhalt der von ihm angenommenen Videos zu zensieren. Teilweise spielt dabei auch eine gesetzliche Verpflichtung des Unternehmens hierzu eine Rolle. Auch Bedingungen, die als Vorbedingung für die Nutzung des betreffenden Gutes direkt Einfluss auf das Design des Produk-tangebots einer dritten Partei nehmen, fallen in diese Gruppe der Bedingungen.

• Technische Bedingungen. Der Zugang zu ei-nem Gut wird über kontrollierte Systemstan-dards eingeschränkt. Der Inhaber des Gutes gibt die Nutzung seines Gutes für dritte Partei-en frei, jedoch nur innerhalb des geschützten oder kontrollierten Systems dieses Inhabers. So öffnen beispielsweise Apple und Google die Plattform für ihre mobilen Betriebssysteme in unterschiedlichem Maße und bieten dritten Par-teien die Gelegenheit zur Monetarisierung ihrer Anwendungen auf der Plattform. Die Entwickler müssen sich jedoch an bestimmte Systemstan-dards halten. Hierzu zählen unter anderem die Programmiersprachen. So untersagte Apple den Entwicklern anfangs zum Beispiel die Nutzung von Adobe Flash.

Jede dieser grundlegenden Bedingungen kann wiederum verschiedene Wirkungsgrade er-reichen. Für die Beurteilung des Wirkungsgrades einer bestimmten Art von Bedingung sind zwei Kriterien für die einheitliche Bewertung ihrer Auswirkungen auf die Offenheit eines Gutes für den Zugang durch dritte Parteien im Sinne der vorliegenden Definition am besten geeignet. Zunächst gilt es zu prüfen, in welchem Umfang die Bedingungen den Freiheitsgrad einer dritten Partei im Hinblick auf das Geschäftsmodell ein-

schränken, in welches das Gut eingebunden wer-den soll. Im Ergebnis kann man vollständige Frei-heit beziehungsweise einen nur geringfügigen Einfluss auf die Gestaltung des Geschäftsmodells feststellen bis hin zu Situationen, in denen die Geschäftsmodelle genau auf diese Bedingungen zugeschnitten wurden oder genau deswegen nie wirtschaftlich sein konnten. Die Abbildung A3 enthält eine exemplarische Kategorisierung der verschiedenen Wirkungsgrade der Bedingungen auf der Grundlage dieser beiden Kriterien.

Abbildung A1

Die drei Elemente

der Definition für OffenheitZugang zu bestimmten Bedingungen

Zuga

ngsb

eding

unge

n

Inhaber des Eigentums

Gut Dritte Partei

Eigen- tum

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Anhang

ANHANG

Abbildung A3

Bewertung des Wirkungs-

grades von Bedingungen

beim Zugang zu einem Gut

Wirkungsgrad der Bedingungen

Sehr gering

Gering

Mittel

Hoch

Prohibitiv

Bewertung nach möglicher Art der Bedingung

Der Zugang zu einem Gut wird in der Hauptsache ohne bestimmte (geschäftliche) Bedingungen gewährt.

Beispiel: Zugang zu kostenfreien P2P-Netzen, Inhalten auf Wikipedia, Zugang zu Suchanbietern und Zugang zu IP-Übertragung für Anbieter von Inhalten und Daten

Die Zugangsbedingungen haben einen relativ geringen Einfluss auf den Freiheitsgrad der Geschäftsmodelle von dritten Parteien und stellen nur eine zu vernachlässigende Eintrittsbarriere für kleinere Akteure am Markt dar.

Beispiel: Die Nutzung des Betriebssystems Android für Entwickler, der Zugang zu Plattformen und Tools für die Entwicklung

Die Zugangsbedingungen üben einen relativ hohen Einfluss auf die Geschäftsmodelle von dritten Parteien aus. Im Ergebnis müssen die Geschäftmodelle an diesen Bedingungen ausgerichtet werden.

Beispiel: Die Bedingungen für Entwicklung und Preise, die für die Verwendung iTunes Store von Apple gelten, die Bedingungen für die Distribution von Inhalten über verwaltete Kabel- oder IPTV-Netze

Die Zugangsbedingungen hindern eine erhebliche Zahl von dritten Parteien an der Einbindung des Gutes in die eigenen Geschäftsmodelle.

Beispiel: Zugang zu bestimmten exklusiven Inhalten, Zugang zu geschützten Vertriebskanälen, Funktionsweise von Suchalgorithmen und in einigen Fällen auch Nutzerdaten

Die Zugangsbedingungen verhindern typischerweise die Nutzung und Verwendung des Gutes von drit-ten Parteien, sofern das Gut nicht gekauft oder der Inhaber des Gutes nicht übernommen werden kann.

Beispiel: Hypothetische Bedingungen für die Einbindung von iTunes durch andere Gerätehersteller, Zugang zu niederer Recheninfrastruktur von Akteuren im Bereich der Suche oder Geräte, Zugang zu Kundendaten

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AnhangLiberty Global beauftragte The Boston Consulting Group mit der Erstellung einer Studie zum Thema Offenheit in der europäischen Medien- und Telekommunikationsbranche. Das Ziel dieser Arbeit bestand darin, mit einem allgemeinen Reflexionsrahmen in Kombination mit einem frischen, neuen Betrach-tungsansatz einen konstruktiven Beitrag zur Debatte zu leisten, die gegenwärtig innerhalb der Branche, Politik und Regulierung eine hohe Priorität genießt. Die Studie reflektiert die Einschätzungen von BCG zum Thema Offenheit, die sich, ausgehend von öffentlich verfügbaren Informationen, auf eine Analyse der Branche, von Fallstudien und beispielhaften Vorgängen in Unternehmen stützen. Im Rahmen der Erstellung der Studie wurden mehr als 20 europäische Führungskräfte der Branche, politische Entschei-dungsträger sowie Vertreter von Regulierungsbehörden in Interviews befragt. Auch ihre Erfahrung floss mit in die vorliegende Arbeit ein. Die Studie liefert den zentralen Interessensgruppen in der Medien- und Telekommunikationsbranche eine Diskussionsgrundlage zu Fragen im Zusammenhang mit der Entwick-lung der Offenheit, künftigen strategischen, politischen und regulatorischen Prioritäten.

Für weitere Informationen oder zusätzliches Material wenden Sie sich bitte an:

John RoseSenior Partner & Managing DirectorBCG New [email protected]

Áki HardarsonProject Leader BCG [email protected]

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Notizen:

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