Die unerkannte Hirnverletzung im Sport: das leichte ... · intracranial lesion after mTBI are...

8
PRAXIS Schweiz Med Forum 2006;6:121–128 121 Die unerkannte Hirnverletzung im Sport: das leichte Schädel-Hirn-Trauma und seine Folgen. Teil 2 Nicola Biasca, Mark R. Lovell, Michael W. Collins, Barry D. Jordan, Erik Matser, John Weber, Jennifer E. Slemmer, Paul Piccininni, William Maxwell, Reto Agosti, Stephan Wirth, Thomas Schneider Quintessenz Ein erneutes Schädel-Hirn-Trauma während eines noch nicht ausgeheil- ten leichten Schädel-Hirn-Traumas (minor traumatic brain injury, mTBI) führt zur Verschlimmerung der Symptome und nicht selten sogar zur Chroni- fizierung. Daher ist besonderer Wert auf die Erhebung von bereits früher durchge- machten mTBIs zu legen. Neuropsychologische Tests helfen, eine mTBI korrekt zu diagnostizieren und sind wertvolle Parameter für die Verlaufsbeobachtung. Biochemische Marker könnten in Zukunft sowohl zur Diagnosestellung als auch zur Verlaufsprognose verwendet werden, ersetzen die Neuroradiologie zum heutigen Zeitpunkt jedoch noch nicht. Eine mTBI bei Kindern bedarf eines eigenständigen Behandlungsalgo- rythmus’, da höhere Kräfte geringere Symptome als beim Erwachsenen auslö- sen und pathologische Symptome oft nicht eindeutig von nichtpathologischen zu unterscheiden sind. Präventiv sollten im Sport Regeln zum Schutz vor Schädel-Hirn-Verletzun- gen eingehalten werden, und es ist wichtig, nach weiteren Verbesserungsmög- lichkeiten zu suchen. Der Gebrauch eines Mundschutzes kann bei vielen Fron- taltraumata möglicherweise das Entstehen einer mTBI verhindern. Summary Undetected brain injury in sports: minor traumatic brain injury and its consequences. Part 2 Repeated minor traumatic brain injuries (mTBI) may result in chronic degenerative brain damage. All mTBIs sustained prior to the injury must therefore be recorded. Neuro- psychological testing is of assistance in the correct diagnosis of mTBI, and is a useful parameter in the course of the injury. Biochemical markers may serve as pointers to the severity of brain injury, which may also aid in predicting outcome after future TBI. Today biochemical markers are no substitute for neuroimaging. MTBI in children requires a different treatment algorithm because stronger forces may cause fewer symptoms in the child. In many cases children with an intracranial lesion after mTBI are scarcely distinguishable from those without intracranial lesions. Existing rules introduced for head protection in sport should be enforced and the possibility of creating new rules for head protection in sport should be constantly investigated. Mouth guards – apart from their literal function as a mouth protector – may also have a protective effect on the brain in frontal contusions and thus stop mTBIs occurring. CME zu diesem Artikel finden Sie auf S. 107 oder im Internet unter www.smf-cme.ch. Einführung Der zweite Teil unseres Artikels zum Thema des leichten Schädel-Hirn-Traumas (minor trauma- tic brain injury, mTBI) im Sport stellt die neuen Erkenntnisse aus diesem Gebiet vor, basierend auf den Ergebnissen des «First International Symposium on Minor Traumatic Brain Injury», das vom 28. Februar bis zum 4. März 2005 in Samedan unter der Leitung von Dr. med. Erik Matser, Mitglied der Holländischen Gesundheits- behörde, und Dr. med. Nicola Biasca 1 , Medical Consultant der International Ice Hockey Federa- tion IIHF, stattgefunden hat. Schwerpunkte sind neben der Pathophysiologie vor allem die Kom- plikationen durch Bagatellisierung, die Auswir- kungen bei Kindern und die Verletzungspräven- tion. Schweregrad der mTBI Der Trend zu einem Anstieg von leichten Schä- del-Hirn-Traumata im Sport ist unverkennbar [1, 3]. Im Gegensatz zur früher vertretenen Meinung, nach der die Dauer des Bewusstseins- verlustes als Parameter für die Einteilung des Schweregrades einer Verletzung galt, wird heute die Amnesie als der beste Parameter für die Prognosestellung nach einem leichten Schädel- Hirn-Trauma betrachtet. Neue Studien konnten für den Bewusstseinsverlust im Hinblick auf die Prognose nach einer mTBI keinen Prädiktions- wert belegen. Dagegen ist jede Form einer retro- graden Amnesie mit einem zehnmal höheren Risiko eines schlechteren Krankheitsverlaufs as- soziiert. Bei einer anterograden Amnesie ist die Wahrscheinlichkeit eines problematischen Ver- laufs immerhin noch um das Vierfache erhöht. MTBIs werden zum Bedauern der Spezialisten 1 Nicola Biasca ist Medical Consultant der International Ice Hockey Federation IIHF. Mark R. Lovell ist Mitglied der Concussion in Sports (CIS) Group. Dieser Artikel gibt die persönlichen Ansichten der Autoren wieder, die nicht unbedingt mit jenen der Concussion in Sports (CIS) Group oder von IOC/FIFA/IIHF überein- stimmen.

Transcript of Die unerkannte Hirnverletzung im Sport: das leichte ... · intracranial lesion after mTBI are...

Page 1: Die unerkannte Hirnverletzung im Sport: das leichte ... · intracranial lesion after mTBI are scarcely distinguishable from those without intracranial lesions. Existing rules introduced

P R A X I S Schweiz Med Forum 2006;6:121–128 121

Die unerkannte Hirnverletzung im Sport: das leichte Schädel-Hirn-Trauma und seine Folgen. Teil 2Nicola Biasca, Mark R. Lovell, Michael W. Collins, Barry D. Jordan, Erik Matser, John Weber, Jennifer E. Slemmer, Paul Piccininni, William Maxwell, Reto Agosti, Stephan Wirth, Thomas Schneider

Quintessenz

� Ein erneutes Schädel-Hirn-Trauma während eines noch nicht ausgeheil-ten leichten Schädel-Hirn-Traumas (minor traumatic brain injury, mTBI) führt zur Verschlimmerung der Symptome und nicht selten sogar zur Chroni-fizierung.

� Daher ist besonderer Wert auf die Erhebung von bereits früher durchge-machten mTBIs zu legen. Neuropsychologische Tests helfen, eine mTBI korrektzu diagnostizieren und sind wertvolle Parameter für die Verlaufsbeobachtung.

� Biochemische Marker könnten in Zukunft sowohl zur Diagnosestellung alsauch zur Verlaufsprognose verwendet werden, ersetzen die Neuroradiologiezum heutigen Zeitpunkt jedoch noch nicht.

� Eine mTBI bei Kindern bedarf eines eigenständigen Behandlungsalgo-rythmus’, da höhere Kräfte geringere Symptome als beim Erwachsenen auslö-sen und pathologische Symptome oft nicht eindeutig von nichtpathologischenzu unterscheiden sind.

� Präventiv sollten im Sport Regeln zum Schutz vor Schädel-Hirn-Verletzun-gen eingehalten werden, und es ist wichtig, nach weiteren Verbesserungsmög-lichkeiten zu suchen. Der Gebrauch eines Mundschutzes kann bei vielen Fron-taltraumata möglicherweise das Entstehen einer mTBI verhindern.

SummaryUndetected brain injury in sports: minor traumaticbrain injury and its consequences. Part 2� Repeated minor traumatic brain injuries (mTBI) may result in chronic degenerative brain damage.

� All mTBIs sustained prior to the injury must therefore be recorded. Neuro-psychological testing is of assistance in the correct diagnosis of mTBI, and is auseful parameter in the course of the injury.

� Biochemical markers may serve as pointers to the severity of brain injury,which may also aid in predicting outcome after future TBI. Today biochemicalmarkers are no substitute for neuroimaging.

� MTBI in children requires a different treatment algorithm because strongerforces may cause fewer symptoms in the child. In many cases children with anintracranial lesion after mTBI are scarcely distinguishable from those withoutintracranial lesions.

� Existing rules introduced for head protection in sport should be enforcedand the possibility of creating new rules for head protection in sport should beconstantly investigated. Mouth guards – apart from their literal function as amouth protector – may also have a protective effect on the brain in frontal contusions and thus stop mTBIs occurring.

CME zu diesem Artikel finden Sie auf S. 107 oder im Internet unter www.smf-cme.ch.

Einführung

Der zweite Teil unseres Artikels zum Thema desleichten Schädel-Hirn-Traumas (minor trauma-tic brain injury, mTBI) im Sport stellt die neuenErkenntnisse aus diesem Gebiet vor, basierendauf den Ergebnissen des «First InternationalSymposium on Minor Traumatic Brain Injury»,das vom 28. Februar bis zum 4. März 2005 inSamedan unter der Leitung von Dr. med. ErikMatser, Mitglied der Holländischen Gesundheits-behörde, und Dr. med. Nicola Biasca1, MedicalConsultant der International Ice Hockey Federa-tion IIHF, stattgefunden hat. Schwerpunkte sindneben der Pathophysiologie vor allem die Kom-plikationen durch Bagatellisierung, die Auswir-kungen bei Kindern und die Verletzungspräven-tion.

Schweregrad der mTBI

Der Trend zu einem Anstieg von leichten Schä-del-Hirn-Traumata im Sport ist unverkennbar[1, 3]. Im Gegensatz zur früher vertretenen Meinung, nach der die Dauer des Bewusstseins-verlustes als Parameter für die Einteilung desSchweregrades einer Verletzung galt, wird heutedie Amnesie als der beste Parameter für die Prognosestellung nach einem leichten Schädel-Hirn-Trauma betrachtet. Neue Studien konntenfür den Bewusstseinsverlust im Hinblick auf diePrognose nach einer mTBI keinen Prädiktions-wert belegen. Dagegen ist jede Form einer retro-graden Amnesie mit einem zehnmal höheren Risiko eines schlechteren Krankheitsverlaufs as-soziiert. Bei einer anterograden Amnesie ist dieWahrscheinlichkeit eines problematischen Ver-laufs immerhin noch um das Vierfache erhöht.MTBIs werden zum Bedauern der Spezialisten

1 Nicola Biasca ist Medical Consultant der InternationalIce Hockey Federation IIHF. Mark R. Lovell ist Mitgliedder Concussion in Sports (CIS) Group. Dieser Artikelgibt die persönlichen Ansichten der Autoren wieder,die nicht unbedingt mit jenen der Concussion inSports (CIS) Group oder von IOC/FIFA/IIHF überein-stimmen.

Page 2: Die unerkannte Hirnverletzung im Sport: das leichte ... · intracranial lesion after mTBI are scarcely distinguishable from those without intracranial lesions. Existing rules introduced

mas lassen sich an Tier- und Humanmodellen fokale intraaxonale Veränderungen im Neuro-filament-/Zytoskelettnetzwerk sowie Schädigun-gen des axoplasmatischen Transports nachwei-sen. Dies wiederum kann zu einer fortschrei-tenden axonalen Schwellung, zur Ablösung odersogar zum Zelltod innerhalb von Stunden bisTagen führen und wird als sogenannter Prozessder verzögerten Axotomie (process of delayedaxotomy) bezeichnet [4]. Dies bedeutet, dass einemTBI nicht nur temporäre Störungen des axo-nalen Systems verursacht, sondern auch nochTage nach dem Unfall persistierende strukturelleSchädigungen hervorrufen kann. Beim Men-schen tritt eine sekundäre Axotomie frühestenszwölf Stunden nach der initialen Schädigung des Axons auf. Entsprechend zeigen neuro-psychologische Tests, dass Athleten nach einemleichten Schädel-Hirn-Trauma auch ohne Prä-senz initialer klinischer Symptome wie Bewusst-seinsverlust, Amnesie, Schwindel, Kopfschmer-zen oder Übelkeit in einem Zeitraum von bis zusieben Tagen nach dem Trauma noch patholo-gische Befunde entwickeln können [1, 4, 6]. Störungen der Ionenhomöostase, akute metabo-lische Veränderungen sowie Beeinträchtigungendes zerebralen Blutflusses gefährden die Funk-tionsfähigkeit der Neurone und halten die Ge-hirnzellen für unbestimmte Zeit in einem vul-nerablen Zustand (Abb. 1 x). Im Labor zeigenwiederholte experimentelle Zellverletzungen so-wohl bei Gliazellen als auch bei Neuronen eineAbhängigkeit des Ausmasses der Schädigungvon der jeweils zwischen den einzelnen Experi-menten verstrichenen Zeit.Aufgrund dieser Erkenntnisse sollte ein Sportlerdaher unabhängig von einer bestehenden Amne-sie für mindestens 72 Stunden mit einem Sport-verbot belegt und anschliessend nach dem Stu-fenschema der Concussion in Sports (CIS) Groupvon IOC/FIFA/IIHF rehabilitiert werden [9].

Komplikationen der mTBI

Gefährliche Komplikationen können selten, aberöfter nach wiederholten leichten Schädel-Hirn-Traumata auftreten. Selten, aber mit einem ka-tastrophalen Verlauf assoziiert, präsentiert sichdas sogenannte «second impact syndrome»(SIS). Kommt es nämlich in der vulnerablenPhase nach einer mTBI zu einer erneuten Trau-matisierung des Gehirns, kann es zur Entwick-lung eines Hirnödems oder zu einem subduralenHämatom kommen und infolgedessen zu irre-parablen Folgeschäden, die sogar zum Tod desSpielers führen können [1, 4, 6]. Als Ursache giltder Verlust der Autoregulation des zerebralenBlutflusses, was eine Hyperämie und eine Ödem-entwicklung auslösen kann. Das Risiko, nacheiner mTBI bzw. nach wiederholten Traumati-sierungen ein akutes intrakranielles Hämatom

P R A X I S Schweiz Med Forum 2006;6:121–128 122

nicht immer erkannt und ihre Auswirkungendaher oft unterschätzt. Anders als bisher ange-nommen, konnte jetzt nachgewiesen werden,dass es auch bei leichten Schädel-Hirn-Trau-mata zu strukturellen Veränderungen an den Gehirnzellen kommen kann [3, 4]. Nach einemUnfall befinden sich die Gehirnzellen in einemReparaturzustand, der sogenannten «vulnerab-len Phase» [4]. Gibt man den Zellen in dieserPhase genügend Zeit für die Heilung, heilt dieVerletzung in fast allen Fällen folgenlos aus. Diegrosse Gefahr besteht aber in der Bagatellisie-rung dieser Verletzungsmuster. Ein leichtesSchädel-Hirn-Trauma muss ebenso als «Verlet-zung» des Gehirns angesehen werden, wie zumBeispiel ein Knochenbruch zweifelsohne als Ver-letzung des Bewegungsapparates gilt. Dement-sprechend muss auch dem Schädel-Hirn-Ver-letzten genügend Zeit für die Heilung respektivedie Regeneration zugestanden werden [1, 5].

Der Prozess der verzögerten Axotomie

Neue Arbeiten haben gezeigt, dass alle Verlet-zungsfolgen wie strukturelle Zellschädigungen,kognitive Beeinträchtigungen sowie somatischeBeschwerden zum Teil erst Stunden bis Tagenach dem Unfall auftreten können. In Abhängig-keit vom Schweregrad des Schädel-Hirn-Trau-

Abbildung 1Die lichtmikroskopische Darstellung illustriert dieFliessveränderungen der intraaxonalen anterogradenHorseradish-Peroxidase nach einer mTBI. Innerhalbweniger Stunden nach einer traumatischen Schädi-gung zeigt das Axon eine lobulierte Schwellung mitteilweiser Einschnürung (A). Typischerweise entstehenan der Stelle der Einschnürung nach einigen Stundeneine Diskonnektierung sowie auffällige zwiebelartigeAuftreibungen (B) [8].

B

A

Page 3: Die unerkannte Hirnverletzung im Sport: das leichte ... · intracranial lesion after mTBI are scarcely distinguishable from those without intracranial lesions. Existing rules introduced

dies bei der Alzheimer-Krankheit der Fall ist. Die funktionellen neuroradiologischen Untersu-chungen haben jedoch nicht nur bei Profiboxern,sondern auch bei «normalen» Patienten nachwiederholten mTBIs Befunde ergeben, die jenenbeim Morbus Alzheimer gleichen. Ferner scheintebenfalls eine genetische Disposition (Apolipo-protein Apo-EIV) als Risikofaktor sowohl für dieEntwicklung eines Morbus Alzheimer als auchfür das Auftreten einer alzheimerähnlichen De-menz nach repetitiven Schädel-Hirn-Traumatavorzuliegen [3].

Die chronic traumatic brain injury (cTBI) im Sport

Neue Studien zum Boxsport und zum Profifuss-ball zeigen, dass ein direkter Zusammenhang zwischen Kopfverletzungen und der Gefahr, blei-bende Gehirnschäden davonzutragen, besteht [3].Chronische Schädigungen des Frontallappensäussern sich dabei in Veränderungen der Ge-dächtnisleistung, der Motivation, der Situations-übersicht, des Ehrgeizes, der Koordination sowieder autonomen Feinregulierung des Spielers. Kortikale Kontusionen bleiben zudem nicht nurauf den Frontallappen begrenzt. Durch die intra-zerebrale Weiterleitung der Kontusion des Fron-talbereichs werden auch die Purkinje-Zellen desZerebellums geschädigt, wodurch eine Ataxie ent-stehen kann [3, 6].Die Hälfte der professionellen Boxer habenschwere, im Schädel-CT oder -MRI nachweisbareGehirnschäden mit unspezifischer Gehirnatro-phie. Jeder fünfte Boxer entwickelt eine Demenzvor dem 30. Lebensjahr. Unter den professionel-len Boxern leiden 90% an Gedächtnisstörungen,17% entwickeln motorische Störungen, die mitjenen des Morbus Parkinson vergleichbar sind [3]. Die Gefahr der Entwicklung eines sogenann-ten «Punch-Drunk-Syndroms» ist im professio-nellen Boxsport gross. Die Anzahl der gesamtenKnockouts (Abb. 3 x) sowie die Anzahl der absol-vierten Trainingseinheiten scheinen in direk-tem Zusammenhang mit der Entwicklung einer«Boxer-Demenz» zu stehen. In Holland ist darumbeispielsweise Boxen für Jugendliche unter 16Jahren verboten. Die holländische Gesundheits-behörde geht sogar noch weiter und will den Boxsport generell verbieten, wie das in Skandina-vien bereits seit den frühen 1980er Jahren derFall ist. Auch für Fussballspieler besteht ein Ri-siko für bleibende Gehirnschäden. Im Profifuss-ball gehen zwei von elf Spielern jede Saison k.o.,bis zum Ende seiner Karriere erleidet jeder zweiteFussballspieler mindestens einmal eine mTBI.Jüngste Untersuchungen haben gezeigt, dassdurch die rund 800 bis 1000 Kopfbälle, die einProfifussballer pro Saison stösst, sowie durch die Anzahl von Knockouts bleibende Gehirnschä-den verursacht werden könnten. Fussballprofis,

P R A X I S Schweiz Med Forum 2006;6:121–128 123

zu entwickeln, liegt bei weniger als 4%. Nebenden vorgängig genannten lebensbedrohlichenKomplikationen können bei den Athleten auchchronische kognitive Beschwerden wie etwaAufmerksamkeits- und Gedächtnisstörungen,Schwierigkeiten bei der Verarbeitung von Infor-mationen sowie chronische Müdigkeit usw. alsFolge der beschleunigten und/oder gesteigertenDegeneration der Gehirnzellen auftreten. DieseErgebnisse werden durch die Daten aus Lang-zeitstudien an Profiboxern aus den USA gestützt.Funktionelle neuroradiologische Untersuchun-gen (z.B. mittels Diffusion Weighted MRI, Magne-tisation Transfer Imaging, Proton Magnetic Re-sonance Spectroscopy) zeigen, dass es nacheinem leichten Schädel-Hirn-Trauma zu struktu-rellen Veränderungen in der weissen und grauenHirnsubstanz kommen kann (Abb. 2 x) [3, 6].So lassen sich erstaunliche morphologische Par-allelen zwischen dem Morbus Alzheimer undwiederholten mTBIs erkennen [3, 6]. Sowohl immunhistochemisch als auch neuropsycholo-gisch zeigen sich ähnliche Veränderungen, wie

Abbildung 2Sogenannte «diffusion anisotropy maps» am Beispiel eines 27jährigen Boxers (A) und bei einer gesunden Kontrollperson (B). Die Intensität der Darstellung ist proportional zur Anisotropie, die Farbe zeigt die Diffusionsrichtung. Abbildung A zeigt eine im Vergleichzu einer normalen Kontrollperson verminderte Aufnahme in das Corpus callosum. Das«fiber tracking» weist durchgehend weniger darstellbare Fasern der weissen Gehirnmasseim Gehirn des Boxers (C) als im Gehirn der Kontrollperson (D) auf. Besonders auffällig istder Unterschied wiederum im Corpus callosum.

A B

C D

Page 4: Die unerkannte Hirnverletzung im Sport: das leichte ... · intracranial lesion after mTBI are scarcely distinguishable from those without intracranial lesions. Existing rules introduced

lich Gedächtnisleistung, Aufmerksamkeit undReaktionsvermögen. Da das Erfassungssystemauf PCs oder Laptops zum Einsatz kommt, er-laubt ImPACT eine effektive und kostengünstigeAbklärung selbst einer grösseren Anzahl vonSpielern. Mit diesem System ist es möglich, einerseits eine mTBI bei fehlenden klinischenund neurologischen Symptomen sowie nega-tiven radiologischen Befunden (konventionelleCT- und MRI-Untersuchung des Schädels) zu dia-gnostizieren, andererseits können diese Testsden Schweregrad und den Verlauf der Verletzung dokumentieren. Werden zur Diagnosestellungeiner mTBI lediglich physische Symptome be-rücksichtigt, bleiben bis zu 35% aller mTBIs unentdeckt. Das Hinzuziehen eines neuropsy-chologischen Tests senkt die Rate der nichtdia-gnostizierten mTBIs auf 12%. Selbst wenn einAthlet während weniger als fünf Minuten Zei-chen einer mTBI zeigt, können kognitive Defizitenoch bis zu vier Tage nachgewiesen werden; beieiner Symptomdauer von mehr als fünf Minutensind kognitive Defizite während mehr als einerWoche nachweisbar. Erleidet der Sportler in die-ser Zeit der «physischen Normalität» und kogni-tiven Defizitphase erneut eine mTBI, wie obenerwähnt, steigt das Risiko einer persistierendenSchädigung des Gehirns (post-concussion syn-drom) deutlich. In der nordamerikanischen NHLsind neuropsychologische Tests vor und wäh-rend der Saison aus diesem Grund bereits seit1997 obligatorisch.

Die Rolle der biochemischen Marker im Serum

Eine wichtige Rolle werden in Zukunft neurobio-chemische Marker spielen. Vor allem Proteine,die nur in den Astrogliazellen oder in den Neu-ronen synthetisiert werden und dadurch «ge-hirnspezifisch» sind, wurden auf ihr Potential als biochemische Marker einer Gehirnschädi-gung untersucht. Die heutzutage bekanntestenMarker sind das GFAP (glial fibrillary acid pro-tein), das MBP (myelin basic protein), dasKreatinkinaseisoenzym BB, die neuronenspezi-fische Enolase (NSE) sowie das Serum-S-100b-Protein [2]. NSE und S-100b sind heute bereitsauf dem Markt erhältlich (Elecsys® S100, Sang-tec 100®) und gelten als spezifische Marker so-wohl der ischämischen als auch der trauma-tischen Gehirnschädigung. Das S-100b-Proteinist als Marker der Dysfunktion der Blut-Hirn-Schranke (nach leichten und schweren Schä-del-Hirn-Traumata) wissenschaftlich anerkannt.Der Nachweis dieses Proteins im peripheren Blutkann auf eine Schädigung des Gehirns hinwei-sen. Ziel ist es, das S-100b-Protein in Zukunft fürdie Diagnose und die Einteilung des Schweregra-des eines Schädel-Hirn-Traumas einzusetzen.Seit kurzem ist eine direkte Korrelation zwischen

P R A X I S Schweiz Med Forum 2006;6:121–128 124

die eine grosse Anzahl Kopfbälle gespielt haben,entwickelten gemäss einer Studie häufiger undinsbesondere räumlich ausgeprägte Gedächtnis-störungen. Als direkte Folge dieser Studie wird in Holland inzwischen Kindern unter 16 Jahrenempfohlen, weder Kopfbälle zu spielen nochKopfballtrainings zu absolvieren.

Die Rolle der neuropsychologischenUntersuchungen

Zum besseren Erkennen eines gefährlichen Verlaufes nach einem leichten Schädel-Hirn-Trauma wurde von den betreuenden Ärzten derUS-amerikanischen Eishockeyprofiliga (NHL) undder Footballprofiliga (NFL) ein computergestütz-tes Erfassungssystem (das sog. ImPACT-System,«Immediate Post-Concussion Assessment andCognitive Testing», Abb. 4 x) vorgestellt. Dieweltweite Verwendung des ImPACT-Systemszeigt, dass es sich um ein sehr sensitives Hilfs-mittel für die mTBI-Diagnostik bei Sportlernhandelt. Diese computergestützten neuropsycho-logischen Tests erheben messbare Daten bezüg-

Abbildung 3Im Eishockeysport gibt es viele Spielsituationen mitKontakt zum Kiefer und zum Gesicht (A), die einem K.-o.-Schlag beim Boxen ähneln (B). Das Ergebnis istmeistens eine signifikante rotatorische Beschleuni-gung des Kopfes, die häufig zu einer mTBI führt [14](Abdruck mit freundlicher Genehmigung der abgebil-deten Sportler).

A

B

Page 5: Die unerkannte Hirnverletzung im Sport: das leichte ... · intracranial lesion after mTBI are scarcely distinguishable from those without intracranial lesions. Existing rules introduced

wenn er entscheiden muss, ob eine CT-Untersu-chung des Schädels notwendig ist und wie diePrognose des Schädel-Hirn-Traumas aussehenkönnte. Bei Patienten mit eindeutiger mTBI sindS-100b-Werte im Vergleich zu Kontrollpersonensignifikant erhöht. Die NSE-Werte erlauben hin-gegen keine eindeutige Abgrenzung von einerKontrollgruppe. Nach einer mTBI kann eine Ver-letzung der Gehirns durch S-100b analog zueiner TBI nachgewiesen werden, auch wenn

P R A X I S Schweiz Med Forum 2006;6:121–128 125

der S-100b-Protein-Konzentration im periphe-ren Blut und dem Auftreten von postkommotio-nellen Symptomen, neuropsychologischen Dys-funktionen (v.a. betreffend Aufmerksamkeit, Gedächtnis und Informationsverarbeitung) undpathologischen radiologischen Befunden (CT,MRI) nach einem leichten Schädel-Hirn-Traumabekannt. Für den Kliniker wird der Nachweisund die Konzentration des S-100b-Proteins inZukunft eventuell als Beurteilungshilfe dienen,

Abbildung 4Die Auswertung des ImPACT-Tests zeigt den Verlauf nach einer mTBI. Die verschiedenen Komponenten des Tests werden einzeln im Verlauf dargestellt und mit einem Score jeweils für den einzelnen Untersuchungstag zusammengefasst.

Page 6: Die unerkannte Hirnverletzung im Sport: das leichte ... · intracranial lesion after mTBI are scarcely distinguishable from those without intracranial lesions. Existing rules introduced

ner sind als der reife Kortex, und die Blut-Hirn-Schranke ist noch nicht vollständig entwickelt.Der kindliche Blutfluss im Gehirn sowie der Sau-erstoffverbrauch sind doppelt so hoch wie beimErwachsenen.Kinder zeigen nach einer mTBI gegenüber Er-wachsenen eine relative zeitliche Verlängerungder zerebralen Schwellung, wodurch das Risikoeiner intrakraniellen Hypertension und Ischämieansteigt und ein potentiell erhöhtes Risiko für ein«second impact syndrome» besteht [8]. Folglichbenötigt das Gehirn des Kindes eine längere Er-holungszeit. Aus diesem Grund sind Kinder nacheinem Schädel-Hirn-Trauma auch verletzungs-anfälliger für eine sekundäre Hirnverletzung alsErwachsene. Die posttraumatische Dysautonomieder Regulation der zerebralen Blutversorgungkann bei Kindern mit einer zeitlichen Verzöge-rung von bis zu drei Tagen nach dem eigentlichenUnfall auftreten und oft für mehr als eine Wocheanhalten. Die Überwachung eines Kindes nacheiner mTBI ist darum unbedingt notwendig, eineWiederaufnahme sportlicher Aktivitäten ist erstnach dem Abklingen aller physischen und kogni-tiven Symptome, frühestens aber nach vier bissieben Tagen angezeigt.Die Richtlinien der Vienna bzw. Prague Concus-sion in Sports (CIS) Group wurden für Erwach-sene und nicht für Kinder erstellt [9]. Heutzutageexistieren ausser Empfehlungen für die Über-wachung und die Durchführung von bildgeben-den Verfahren keine Richtlinien für die Diagnoseund Behandlung einer mTBI bei Kindern. Sowird beispielsweise die Notwendigkeit zur An-fertigung eines Schädel-CTs beim Kind nacheiner mTBI zurzeit noch äusserst kontrovers diskutiert. Die American Academy of Pediatrics(AAP) hat 1999 in ihren Richtlinien zum Mana-gement der mTBI bei Kindern vorgeschlagen, ein vor dem Unfall neurologisch unauffälligesKind ohne fokale Abnormalitäten bei derneurologischen Untersuchung und ohne klini-schen Hinweis auf eine Schädelfraktur ohne wei-tere bildgebende Verfahren lediglich klinisch zuüberwachen [8]. Bei allen Kindern nach einermTBI mit einem kurzzeitigen Bewusstseinsver-lust empfiehlt die AAP eine klinische Überwa-chung mit Schädel-CT. Kinder, bei denen sichnach einer mTBI Bewusstlosigkeit, Amnesie,Kopfschmerzen oder Erbrechen zeigen, habeneine Prävalenz für eine intrakranielle Verletzungim Schädel-CT von bis zu 7%. Obwohl die Mehr-zahl dieser intrakraniellen Läsionen klinisch insignifikant bleibt, benötigen 2–5% dieser Kin-der eine neurochirugische Intervention. Es ist es-sentiell zu wissen, dass Kinder mit einer intrak-raniellen Verletzung klinisch oft nicht vonKindern ohne intrakranielle Verletzungen unter-schieden werden können. Kinder mit unspezifi-schen Zeichen wie Kopfschmerzen, Erbrechenoder Lethargie nach einer mTBI können ehereine intrakranielle Verletzung aufweisen als

P R A X I S Schweiz Med Forum 2006;6:121–128 126

bildgebende neuroradiologische Abklärungen un-auffällig sind. Zurzeit wird eine Multizenterstudiedurchgeführt, die bei Patienten nach einer mTBIdie Korrelation zwischen den S-100b-Wertenund den CT-Untersuchungen des Schädels sowiedem neuropsychologischen Status des Patientenim akuten und subakuten Zustand evaluiert.Zudem konnte nun auch eine neuroprotektiveWirkung des S-100b-Proteins nachgewiesenwerden. Dies könnte, weitere erfolgreiche klini-sche und experimentelle Forschungsergebnissevorausgesetzt, einen wichtigen Schritt zur erst-maligen Entwicklung einer oralen Medikationnach Schädel-Hirn-Traumata darstellen.

Die mTBI bei Kindern

Kinder erscheinen nach einem Schädel-Hirn-Trauma häufig in der Notfallstation eines Spitals.Schädel-Hirn-Traumata bilden in der westlichenWelt die häufigste Ursache tödlicher Verletzun-gen bei Kindern [8]. In den USA wird die Anzahlder Schädel-Hirn-Traumata auf ungefähr 1 Mil-lion pro Jahr geschätzt, mit mehr als 300000Hospitalisationen und etwa 6000 bis 7000 To-desfällen jährlich. Die Inzidenz beträgt 180Schädel-Hirn-Traumata pro 100000 Kinder proJahr. Ungefähr 80% der Schädel-Hirn-Traumatasind mTBIs. Trotzdem existieren bei Kindernnoch keine einheitlichen Behandlungsrichtlinienfür eine mTBI nach einer Sportverletzung. Diekognitiven Folgen einer mTBI sind beim Kind imPrinzip ähnlich wie beim Erwachsenen: einge-schränkte Informationsverarbeitung, Aufmerk-samkeitsstörungen, inadäquates Verhalten usw.Charakter, Ausmass und Dauer dieser kognitivenVeränderungen nach einer mTBI sind aber beiKindern viel grösser respektive länger anhaltendals bei Erwachsenen. Sogar nach der Norma-lisierung der klinischen und neuropsychologi-schen Symptome können Kinder weiterhin eineVerminderung der Aufmerksamkeit und des Auf-fassungsvermögens in der Schule zeigen.Schädel und Gehirn weisen beim Kind sowie inden verschiedenen Entwicklungsphasen vomSäugling bis zum Heranwachsenden andere bio-mechanische und physiologische Eigenschaftenauf als beim Erwachsenen. Zwei- bis dreimalgrössere Kräfte und höhere Winkelbeschleuni-gungen sind aber vonnöten, um bei einem Kindeine Gehirnverletzung von gleichem Ausmasshervorzurufen wie bei einem Erwachsenen.Während beim Erwachsenen eine rotatorischeBeschleunigung des Kopfes von etwa 4500°/s2

ausreicht, um eine mTBI zu verursachen, ist beiKindern eine solche von 10000°/s2 nötig. Diesbedeutet, dass bei Kindern, die nach einer Schä-delverletzung symptomatisch sind, wesentlichhöhere Kräfte eingewirkt haben müssen. DerKortex von Neugeborenen verfügt über eine geringere Zahl von Gefässen, die überdies dün-

Page 7: Die unerkannte Hirnverletzung im Sport: das leichte ... · intracranial lesion after mTBI are scarcely distinguishable from those without intracranial lesions. Existing rules introduced

Spieler wirkenden Kräfte zu verringern [5].Im Bereich der Ausrüstung und Regelgebungwurde aufgrund der langjährigen Auswertung vonleichten Schädel-Hirn-Traumata im Jahr 2002 imEishockey eine neue Regel eingeführt, die einenCheck eines anderen Spielers in Richtung Kopf oder Nacken oder das Stossen oder Drängen desKopfes gegen das Schutzglas der Bande verbietet(«Checking to the head and neck-area rules», IIHFRule No 540) [5]. Man erhofft sich von dieser Regelein ähnlich positives Ergebnis, wie es die Einfüh-rung «Cross-check from behind»-Regel 1994 be-wirkt hat, die zu einer deutlichen Verminderung vonschweren Rückenmarkverletzungen geführt hat.Auch auf dem Gebiet der Zahnheilkunde wurdedie Problematik von leichten Schädel-Hirn-Trau-mata erkannt [5, 7, 10]. Bei der Erforschung undEntwicklung von Mundschutzen (mouthguards)wurde festgestellt, dass diese neben ihrem eigent-lichen Zweck des Zahnschutzes durch Kraft-absorption beim Kinnhaken sowie durch eineverminderte Kraftübertragung vom Kinn auf dasGehirn auch im Zusammenhang mit Schädel-Hirn-Traumata eine protektive Wirkung habenkönnen (Abb. 5 x) [5].

Ausblick/Zukunftsperspektiven

Die Information und Sensibilisierung, ein leich-tes Schädel-Hirn-Trauma nicht zu bagatellisie-ren und als nichtstrukturelle Läsion anzusehen,scheint das wichtigste Anliegen der Zukunft zusein. Ein grosser Schritt kann durch die Weiter-entwicklung der neurobiochemischen Marker

P R A X I S Schweiz Med Forum 2006;6:121–128 127

diejenigen ohne diese Symptome. Die Indikationfür die Durchführung eines Schädel-CTs bei Kin-dern nach einer mTBI muss aus diesem Grundmit einer gewissen Grosszügigkeit gestellt wer-den, da ein Schädel-CT beim Kind viel sensitiverist als die klinischen und neurologischen Unter-suchungen.Das Risiko einer zerebralen Schwellung bestehtauch nach nur einer weiteren mTBI. Es wird emp-fohlen, Kinder nach einer erlittenenen mTBI wederzum Sport noch zum Training oder in die Schule zuschicken, solange sie nicht absolut beschwerdefreisind. Die Sportpause nach einer mTBI sollte beiKindern mindestens vier bis sieben Tage betragen.Kinder ab 15 Jahre zeigen dieselbe kognitive Reifewie Erwachsene, so dass für sie die entsprechen-den Richtlinien befolgt werden können.

Zur Rolle der Prävention

Neben all den diagnostischen und therapeuti-schen Aspekten spielt auch die Unfallpräventioneine wichtige Rolle. Abgesehen von der ständi-gen Verbesserung und vor allem der Durchset-zung bestehender Regeln bei den verschiedenenSportarten sowie der permanenten Weiterent-wicklung und Anpassung der Ausrüstungen istauch der Respekt der Spieler untereinander, ins-besondere bei Kontaktsportarten, von grosserBedeutung. Auch die sicherheitstechnische Aus-stattung der Wettkampfplätze kann massgeblichzur Reduzierung von Verletzungsrisiken beitra-gen, zum Beispiel hilft eine spezielle Beschaffen-heit der Bande beim Eishockey, um die auf die

Abbildung 5A) Ein Schlag auf dem Kopf (gelbe Pfeile) oder gegen den frontalen Teil des Gesichtsvollschutzes kann eine mTBI auslösen, wenn alle Kräfte (grosser roter Pfeil) vom Gesichtsschutz über das Kinn, den Unterkiefer und das temporomandibulare Gelenk zum Gehirn weitergeleitet werden (drei kleine rote Pfeile). B) Ein angepasster Mundschutz könnte die Übertragungskette von der Gesichtsmaske zum Gehirn unterbrechen. Zudem könnte der Mundschutz durch die Aktivierung der Nackenmuskulatur beim Tragen den Schädel stabilisieren. Aufgrund beider Mechanismen würde der Mundschutz somit nicht nur Zahn- und Kiefer-Gesichtsverletzungen vermindern, sondern auch noch protektiv gegen die Entstehung einer mTBI wirken [14].

A B

Page 8: Die unerkannte Hirnverletzung im Sport: das leichte ... · intracranial lesion after mTBI are scarcely distinguishable from those without intracranial lesions. Existing rules introduced

P R A X I S Schweiz Med Forum 2006;6:121–128 128

Korrespondenz:Dr. med. Nicola BiascaOrthopädie und SportmedizinTraumatologieOrthopädische KlinikSpital OberengadinVia Nuova 3CH-7503 [email protected]

Literatur1 Biasca N, Wirth S, Maxwell W, Simmen HP. Minor traumatic

brain injury “mTBI” in ice hockey and other contact sports.Injury mechanism, neuropathology and prevention strate-gies of “mTBI”. Eur J Trauma 2005;2:105–16.

2 De Kruijk JR, Leffers P, Menheere PP, et al. S-100b and neu-ron-specific enolase in serum of mild traumatic brain injurypatients. Acta Neurol Scand 2001;103:175–9.

3 Meheroz HR, Barry DJ. The cumulative effect of repetitiveconcussion in sports. Clin Sports Med 2001;11:194–8.

4 Maxwell WL, Povlishock JT, Graham DI. A mechanisticanalysis of non disruptive axonal injury. A review. J Neuro-trauma 1999;14:419–40.

5 Biasca N, Wirth S, Tegner Y. The avoidability of head andneck injuries in ice hockey. A historical review. Br J SportsMed 2002;36:410–27.

6 Slemmer JE, Matser EJT, De Zeeuw CI, Weber JT. Repeatedmild injury causes cumulative damage to hippocampal cells.Brain 2002;125:2699–709.

7 Barth JT, et al. Management of Sports-Related Concussions.Dent Clin North Am 2000;44:67–83.

8 American Academy of Pediatrics Committee on Quality Improvement and American Academy of Family PhysiciansCommission on Clinical Policies and Research. The man-agement of minor closed head injury in Children. Pediatrics1999;104:1407–15.

9 McCrory P, Johnston K, Meeuwisse W, et al. Summary andagreement statement of the 2nd International Conferenceon Concussion in Sport, Prague 2004. Clin J Sport Med2005;15:48–55.

10 Piccininni P. Typical dental injuries in ice hockey (with andwithout face protection) and recent advances in mouth-guard design. In: Biasca N, Montag WD, Gerber Ch, eds.Safety in ice hockey. Eighth International Symposium of theInternational Ice Hockey Federation IIHF, Reinach: Multi-press AG; 2000. p. 97–105.

Die Arbeitsgruppe– Dr. med. Nicola Biasca, Leiter Orthopädie und Sportmedizin, leitender Arzt Traumatologie, Orthopädische Klinik,

Spital Oberengadin, Samedan, Schweiz; Medical Consultant der International Ice Hockey Federation IIHF– Mark R. Lovell, PhD, Leiter des University of Pittsburgh Sports Concussion Program und des National Hockey

League and National Football League Neuropsychology Program, Pittsburgh, Pa, USA– Michael W. Collins, PhD, Assistant Director des Sports Medicine Concussion Program, University of Pittsburgh

Medical Center, Pittsburgh, Pa, USA– Barry D. Jordan, MD et MPH, Chief Medical Officer der New York State Athletic

Commission, Leiter des Brain Injury Program, Burke Rehabilitation Hospital, New York, NY, USA– Erik Matser, MD, Assistenzprofessor an den Neuroscience Centers, Erasmus-Universität, Rotterdam;

Mitglied der Holländischen Gesundheitsbehörde, St. Anna Hospital, Geldrop, Niederlande– John Weber, PhD, Assistenzprofessor am Department of Neuroscience, Erasmus Medical Center,

Rotterdam, Niederlande– Jennifer E. Slemmer, PhD, Department of Neuroscience, Erasmus Medical Center, Rotterdam, Niederlande– Paul Piccininni, BSc, DDS, FASD et FADI, Mitglied des IIHF Medical Committee und der IOC Commission Games

Group; Angehöriger des Sport Medicine Staff, York University, Toronto, Kanada– William Maxwell, PhD et DSc, Senior Lecturer in Anatomy am Department of Neuropathology, University of

Glasgow; University of Bristol, Grossbritannien– Dr. med. Reto Agosti, Neurologe FMH; Leiter Kopfwehzentrums Hirslanden, Zürich, Schweiz– Dr. med. Stephan Wirth, Orthopädie und Sportmedizin, Orthopädische Klinik, Spital Oberengadin,

Samedan, Schweiz– Dr. med. Thomas Schneider, Oberarzt Orthopädie und Sportmedizin, Orthopädische Klinik, Spital Oberengadin,

Samedan, Schweiz

erreicht werden. Im Sport sollten unbedingt wei-tere Regeln zum Schutz des Gehirns eingeführtund konsequent umgesetzt werden.Das «Second International Symposium on MinorTraumatic Brain Injury» wird vom 12. bis zum17. März 2006 in Samedan/St. Moritz, Schweiz,stattfinden. Für weitere Fragen steht Dr. NicolaBiasca, Leiter Orthopädie und Sportmedizin, Lei-tender Arzt Traumatologie, Spital Oberengadin,Samedan, jederzeit zur Verfügung.

Conflict of interest

Das Symposium wurde durch folgende Firmenunterstützt: Roche Diagnostik, Suva, Essex Che-mie AG, GlaxoSmithKline AG, IBSA, OPED AG,Pfizer AG, Smith & Nephew AG, SomomedicalAG, Stryker Osteonics SA, Tyco Healthcare.