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Fragebeantwortung unter www.falkfoundation.de Falk Gastro-Kolleg 1 Titelbild: Alkoholische Fettleberhepatitis mit ballonierten Hepatozyten, Mallory-Körper und Lipidvakuolen (freundlicherweise zur Verfügung gestellt von Prof. Dr. A. Schmitt-Gräff, Institut für Pathologie, Universitäts- klinikum Freiburg) Leber und Alkohol Zusammenfassung Alkohol ist eine gesellschaftlich akzeptierte Droge. Schon geringe Mengen können bei regelmäßigem Genuss zu einer Lebererkrankung führen, die dann stadienhaft über eine Fettleber, Fettleberhepatitis bis zur Leberzirrhose verlaufen kann. Die frühzeitige Diagnose der alkoholischen Leberschädigung ist essenziell. Zunächst sollte der Alkoholkonsum erfasst werden, hierzu können normierte Fragebögen eingesetzt werden. Laborwerte und bildgebende Verfahren werden zur Erfassung des Stadiums eingesetzt. Der Patho- mechanismus der alkoholischen Lebererkrankung ist multifaktoriell, es stehen keine wirksamen Medikamente zur Verfügung. Die Alkoholabstinenz ist das wichtigste Ziel, hierbei sind kurze psychiatrische Interventionen mit motivationsfördernden Maßnahmen einzusetzen. Liegt eine schwere alkoholische Steatohepatitis vor, kann eine Therapie mit Kortikosteroiden versucht werden. Eine alkoholische Leberzirrhose ist keine Kontra- indikation für eine Lebertransplantation, Voraussetzung ist eine nachgewiesene 6-monatige Abstinenz. Schlüsselwörter Alkohol | Acetaldehyd | Fettleber | alkoholische Steatohepatitis | Leberzirrhose | Alkoholabhängigkeit Prof. Dr. Jens Rasenack Medizinische Klinik II Universitätsklinikum Freiburg Hugstetter Str. Freiburg Falk Gastro-Kolleg Leber und Gallenwege

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Fragebeantwortung unter

www.falkfoundation.de

Falk Gastro-Kolleg

1

Titelbild: Alkoholische Fettleberhepatitis mit ballonierten Hepatozyten, Mallory­Körper und Lipidvakuolen (freundlicherweise zur Verfügung gestellt von Prof. Dr. A. Schmitt­Gräff, Institut für Pathologie, Universitäts­klinikum Freiburg)

Leber und AlkoholZusammenfassung

Alkohol ist eine gesellschaftlich akzeptierte Droge. Schon geringe Mengen können bei regelmäßigem Genuss zu einer Lebererkrankung führen, die dann stadienhaft über eine Fettleber, Fettleberhepatitis bis zur Leberzirrhose verlaufen kann. Die frühzeitige Diagnose der alkoholischen Leberschädigung ist essenziell. Zunächst sollte der Alkoholkonsum erfasst werden, hierzu können normierte Fragebögen eingesetzt werden. Laborwerte und bildgebende Verfahren werden zur Erfassung des Stadiums eingesetzt. Der Patho­mechanismus der alkoholischen Lebererkrankung ist multifaktoriell, es stehen keine wirksamen Medikamente zur Verfügung. Die Alkoholabstinenz ist das wichtigste Ziel, hierbei sind kurze psychiatrische Interventionen mit motivationsfördernden Maßnahmen einzusetzen. Liegt eine schwere alkoholische Steatohepatitis vor, kann eine Therapie mit Kortikosteroiden versucht werden. Eine alkoholische Leberzirrhose ist keine Kontra­indikation für eine Lebertransplantation, Voraussetzung ist eine nachgewiesene 6­monatige Abstinenz.

Schlüsselwörter

Alkohol | Acetaldehyd | Fettleber | alkoholische Steatohepatitis | Leberzirrhose | Alkoholabhängigkeit

Prof. Dr. Jens RasenackMedizinische Klinik IIUniversitätsklinikum FreiburgHugstetter Str. Freiburg

Falk Gastro-Kolleg

Leber und Gallenwege

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Leber und Alkohol

Einleitung

Alkohol gehört zu den am häufigsten konsumierten Genussmitteln. Es können ver­schiedene Stadien der alkoholbedingten Leberschädigung beobachtet werden. Zu­nächst kommt es bei regelmäßigem und/oder hohem Alkoholgenuss zu einer Fett­leber, bei weiterem Konsum entwickelt ein Teil der Patienten eine Fettleberhepatitis, die wiederum über eine Fibrose in eine Leberzirrhose übergehen kann. Der Patho­mechanismus, der zur Lebererkrankung führt, ist unklar, ebenso warum nicht alle Kon­sumenten eine Leberschädigung bekommen und warum diese keine eindeutige Dosis­Wirkungsbeziehung aufweist.

Alkoholstoffwechsel

Ethanol wird in der Leber zum größten Teil von der im Zytosol lokalisierten Alkoholde­hydrogenase (ADH) zu Acetaldehyd umgesetzt, dabei entsteht NADH (Abb. 1). Es exis­tieren mehrere Varianten der dimeren ADH, die aus verschiedenen Untereinheiten besteht, die wiederum von verschiedenen Genloci kodiert werden [Lieber 1993]. Der ADH­Polymorphismus scheint keinen signifikanten Einfluss auf die Enzymaktivität in vivo zu haben. Das entstandene Acetaldehyd wird durch die mitochondriale Acetaldehyd­dehydrogenase (ALDH) zu Essigsäure metabolisiert. Die ALDH existiert ebenfalls in verschiedenen Isoformen, die sich in ihrer Enzymaktivität voneinander unterscheiden: So hat ein großer Teil der Asiaten eine Mutation in 1 oder 2 ALDH2*2­Allelen, bei denen sich in Position 487 Lysin statt Glutamat findet [Xiao, Weiner et al. 1996]. Dies führt zu einer geringeren Enzymaktivität, sodass Acetaldehyd akkumuliert, was für die Alkohol­unverträglichkeit der Betroffenen verantwortlich sein soll [Bosron, Ehrig et al. 1993].

Oxidativer Metabolismus

Ethanol Acetaldehyd Acetat

Alkoholdehydrogenase Acetaldehyddehydrogenase

NAD+ NAD+ NADH NADH

Mikrosomales Ethanol-oxidierendes System (MEOS)

Ethanol Acetaldehyd

Cytochrom P4502E1

NADPH NADP+

Außer durch die ADH kann Ethanol auch durch das mikrosomale Ethanol­oxidierende System (MEOS) des endoplasmatischen Retikulums (ER) und die in den Peroxisomen vorkommende Katalase metabolisiert werden. Die Essigsäure kann dann über die Blut­bahn in andere Gewebe gelangen und zu CO2 und Wasser oder zu Fettsäuren umge­setzt werden. Alkohol kann auch im Magen abgebaut werden, da die ADH auch im Magen vorkommt und zwar bei Männern mit höherer Aktivität als bei Frauen [Frezza, di Padova et al. 1990].

P Die Acetaldehyddehydrogenase-Aktivität ist für die Alkohol-verträglichkeit bestimmend.

Abb. 1

P Ethanol kann zusätzlich durch die Katalase in den Peroxisomen und vom mikrosomalen Ethanol-oxidierenden System (MEOS) abgebaut werden.

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Pathomechanismus der Leberschädigung durch Alkohol

Die Pathogenese der alkoholbedingten Lebererkrankung ist multifaktoriell. Die Leber ist vornehmlich betroffen, da der größte Teil des Alkohols in der Leber abgebaut wird. Eine direkte Dosis­Wirkungsbeziehung existiert für das Individuum nicht. Indirekte Untersuchungen in Form von epidemiologischen Studien zeigen eine Korrelation zwischen Alkoholkonsum und tödlichen Leberkrankheiten [Zakim, Boyer et al. 1990] sowie der Dauer und Menge des Alkoholkonsums [Lelbach 1975]. Eine dänische Studie ergab ein erhöhtes Risiko für eine Leberkrankheit beim Genuss von > 14–27 Drinks/Woche bei Männern und > 7–13 Drinks/Woche bei Frauen (1 Drink ~ 12 g Alkohol) mit einem deutlich erhöhten Risiko bei höheren Alkoholmengen [Becker, Deis et al. 1996]. In einer kürzlich erschienenen Metaanalyse waren die notwendigen Alkoholmengen mit < 1 Drink/Tag bei Frauen sogar noch geringer [Rehm, Taylor et al. 2010]. Auch soll die Art und Weise des Alkoholkonsums eine Rolle spielen: So soll es ungünstig sein, Alkohol ohne Nahrung oder verschiedene Sorten von alkoholischen Getränken zu trinken [Bellentani, Saccoccio et al. 1997]. Eine Rolle soll dabei die verzögerte Magen­entleerung nach dem Essen und die langsamere Resorption bei niedrigprozentigen Getränken spielen. In einer Regressionsanalyse wurden weitere Faktoren untersucht, wobei sich ergab, dass der Fibrosegrad mit dem Alter, weiblichem Geschlecht, Eisen­gehalt, Blutzucker und Body­mass­Index korrelierte [Raynard, Balian et al. 2002].

Ungünstige Faktoren für die alkoholische Leberschädigung

Weibliches Geschlecht

Trinken ohne Nahrung

„Besaufen”

Hochprozentige Getränke

Verschiedene Sorten Alkoholika

Alkoholgesamtmenge

Genetische Einflüsse

Alkoholische Fettleber

Die alkoholische Fettleber ist zum einen durch die verminderte Oxidation von Fettsäuren und zum anderen durch die vermehrte Lipogenese zu erklären [Zakim & Sleisenger 1965]. Die β­Oxidation wird verringert [Adachi & Brenner 2005]. Bei länger andauerndem Alko­holkonsum kommt es zur vermehrten Expression von Regulatoren der Lipogenese – Sterol Regulatory Element­Binding Proteins (SREBPs) sowie der entsprechenden Gene, wie z. B. für die Fettsäuresynthetase, Acetyl­Coenzym­A­Carboxylase und Steroyl­CoA­Desaturase [You 2002].

Alkoholische Steatohepatitis (ASH)

Nur ein kleiner Teil der Patienten mit alkoholischer Fettleber bekommt eine Fettleber­hepatitis. Bakterielle Translokation, toxische Metabolite sowie Zytokine und oxidativer Stress sollen eine wesentliche Rolle spielen.

Endotoxine und bakterielle DNA lassen sich im Blut von Alkoholikern nachweisen [Bode, Kugler et al. 1987]. Nach Alkoholkonsum soll es zu einer bakteriellen Translokation kommen – bedingt durch eine Schrankenstörung und/oder eine bakterielle Überwu­cherung. Pathogen­assoziierte molekulare Bestandteile (PAMPs) wie Endotoxine und bakterielle DNA aktivieren die TLR (Toll­like Receptor)­Signalkette in den verschiedenen Leberzellen [Bode, Kugler et al. 1987; Petrasek, Iracheta­Vellve et al. 2013]. Durch die TLR2­, TLR4­ und TLR9­Aktivierung der Kupffer­Zellen werden die proinflammatorischen Zytokine Interleukin (IL)­1β und Interferon (IFN)α vermehrt synthetisiert, die ihrerseits hepatische Sternzellen (HSC) aktivieren und in den Hepatozyten zur Lipidakkumulation

P Pathogenese ist multifaktoriell

P Keine eindeutige Korrelation zwischen Alkoholmenge und Leberschädigung

Tab. 1

P Fettleber erster Hinweis auf Alkoholschaden

P Die bakterielle Translokation führt zur Aktivierung von Kupffer- und Sternzellen.

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beitragen können. Die TLR4­Aktivierung der HSC kann zur Rekrutierung von Kupffer­Zellen mit nachfolgender Steigerung der Fibrogenese über Bambi (bone morphoge­netic protein and activin membrane­bound inhibitor) führen. Im weiteren Verlauf der Signalkette kann es zu einer MyD88­abhängigen Aktivierung von NF­κB und zu TRIF (TIR domain­containing adapter­inducing interferon­β)­abhängigen Aktivierungen von IRF (interferon regulatory factor) kommen. Durch eine vermehrte Synthese von IL­6 kann die Entwicklung eines hepatozellulären Karzinoms (HCC) gefördert werden (Abb. 2).

Nach Alkoholkonsum kann es, bedingt durch eine gestörte Barrierefunktion der Darmschleimhaut, zu einer bakteriellen Translokation kommen. Durch die Pathogen-assoziierten molekularen Bestandteile (PAMPs), wie z. B. Endotoxine (Lipopolysaccharide, LPS) und bakterielle DNA, kommt es in allen Leberzellarten zu einer Aktivierung der TLR-Signalkette. Über TLR2 und TLR4 auf den Kupffer-Zellen (KC) kommt es zur Induktion von TGF-β, IL-1β und TNF-α mit konsekutiver Aktivierung der hepatischen Sternzellen (HSC) und Fettspeicherung in den Hepatozyten und zur Apoptose. Über die TLR4-Aktivierung der hepatischen Sternzellen kommt es zu einer Rekrutierung von Kupffer-Zellen und einer vermehrten Bindegewebsbildung. Die Aktivierung der Kupffer-Zellen durch abgestorbene Hepatozyten soll – ebenfalls über TLR und eine gesteigerte IL-6-Synthese die Entstehung eines hepatozellulären Karzinoms (HCC) fördern.

Hepatische Sternzelle

++ + +

Störung der Darmbarriere

EtOH / freie Fettsäuren

Rekrutierung von Kupffer­Zellen

TLR = Toll­like Receptor; LPS = Lipopolysaccharid; FFS = Freie Fettsäuren; HCC = Hepatozelluläres Karzinom; IFN = Interferon

Fetteinlagerung /Zellschädigung

TLR4 TLR4 TLR2

Induktion pro-inflammatorischer

Zytokine Apoptose

Induktion proinflammatorischer

Zytokine

LPS LPS FFS

Zytokineinduzieren

[IFNα, TGF­β, IL­1β, TNF­α]

Aktivierung von Sternzellen

Aktivierung von Kupffer­Zellen

Kupffer-Zelle Hepatozyt

Fettleberhepatitis Zirrhose HCC

Zytokine

Typisch für die alkoholische Leberkrankheit ist das Auftreten von Granulozyten in der Leber, was bei den meisten anderen Erkrankungen fehlt [Sheron, Bird et al. 1993]. Hier­bei sollen IL­8 und Leukotrien­B4 von Bedeutung sein. So ist die IL­8­Konzentration im Serum von Patienten mit alkoholischer Hepatitis erhöht und korreliert mit der Schwe­re der Leberkrankheit [Sheron, Bird et al. 1993]. 19­Hydroperoxy,20­Hydroxyarachidon­säure wird von Hepatozyten nach Inkubation mit Ethanol ins Medium abgegeben und führt in vitro zu einer Chemoattraktion von Granulozyten [Roll, Perez et al. 1992].

Erhöhte Konzentrationen proinflammatorischer Zytokine wie Tumor­Nekrose­Faktor­alpha (TNF­α) und IL­6 sollen eine Rolle bei der veränderten Leberdurchblutung spielen [McClain, Hill et al. 1993; Sheron, Bird et al. 1993].

Abb. 2

P Nach Alkoholkonsum werden vermehrt proinflammatorische Zytokine gebildet.

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Antigenbildung

Acetaldehyd kann an die α­Amino­N­terminale Aminosäure oder die ε­Aminogruppe des Lysins zellulärer Proteine binden [Tuma & Sorrell 1995]. Die entstandenen Neo­antigene können sowohl eine humorale als auch eine zelluläre Immunantwort aus­lösen. Bei alkoholbedingter Leberschädigung finden sie sich häufiger als bei Leber­krankheiten anderer Ursache [Holstege, Bedossa et al. 1994]. Hydroxyethylradikale binden im Tierexperiment an Plasmamembranbestandteile und führen zur Antikör­perbildung mit anschließender Zellschädigung [Clot, Parola et al. 1997].

Oxidativer Stress

Sauerstoffradikale entstehen in den Mitochondrien und den Mikrosomen durch CYP2E1 sowie durch die Nicotinamidadenindinucleotid­Phosphatoxidase aktivierter Kupffer­Zellen [Adachi & Brenner 2005]. Sie führen zur Zellschädigung und Fibrose [Parola & Robino 2001; Sampey, Stewart et al. 2007]. Möglicherweise wird die Bildung von Sauer­stoffradikalen bei hohem Alkoholkonsum durch eine vermehrte Metabolisierung des Alkohols durch das mikrosomale Ethanol­oxidierende System (MEOS) des endoplas­matischen Retikulums (ER) und die in den Peroxisomen vorkommende Katalase geför­dert. Hierfür spricht, dass CYP2E1 bei chronischem Alkoholkonsum induziert wird [Lieber & DeCarli 1968]. Sowohl ADH als auch CYP2E1 finden sich vor allen Dingen in der zen­trizonalen Leberläppchenregion. Bei chronischem Alkoholkonsum wird auch die Stick­oxidsynthase (iNOS) induziert, was zu einer vermehrten Bildung von Stickoxiden führt [Yuan, Zhou et al. 2006], die ihrerseits mit Sauerstoffradikalen zu toxischen Substanzen reagieren können [Adachi & Brenner 2005].

Weitere Faktoren, die von Bedeutung sein können, sind COX­2­Enzyme. Die Enzymak­tivität der Cyclooxygenase­2 (COX­2) ist im Tierexperiment bei Alkoholbelastung erhöht. COX­2 ist das Schlüsselenzym der Thromboxansynthese [Nanji, Khwaja et al. 1997; Nanji, Miao et al. 1997]. Nahrungsmittelfett – Gesättigte Fettsäuren können im Tierexperiment nach Alkoholexposition die Entzündungsreaktion vermindern [Nanji, Zakim et al. 1997].

Immunologie: Die angeborene Immunantwort spielt ebenfalls eine Rolle [Szabo, Petrasek et al. 2012]. Alkohol führt zu einer Veränderung der Funktion dendritischer Zellen mit vermehrter Freisetzung proinflammatorischer Zytokine [Laso, Vaquero et al. 2007].

Fibrogenese: Die hepatischen Sternzellen (Lipozyten, Vitamin A­Storing Cells, Ito­Zellen) bilden nach ihrer Aktivierung hauptsächlich die extrazelluläre Matrix (ECM), dies geschieht auch bei der alkoholischen Lebererkrankung [Okanoue, Burbige et al. 1983]. Die Aktivie­rung erfolgt durch Zytokine – vor allen Dingen „Platelet­Derived Growth Factor“ (PDGF), „Transforming Growth Factor“ (TGF)­1 und Endothelin­1, die von benachbarten Zellen freigesetzt werden [Friedman 2008]. Die ECM besteht hauptsächlich aus Kollagen Typ I und III, Laminin, Fibronectin, Dermatan und Chondroitinsulfaten.

Diagnostik

Anamnese

Der Alkoholkonsum betrug in Deutschland im Jahr 2012 9,5 Liter reinen Alkohol pro Einwohner [Gaertner, Meyer et al. 2014] bzw. 12,9 Liter bei der Bevölkerung > 15 Jahre. Männer trinken im Mittel ca. 16,8 Liter und Frauen 7 Liter [WHO, Global Status Report on Alcohol and Health 2014]. Es ist daher essenziell die Alkoholmenge zu erfassen. Hierzu eignen sich Fragebögen, mit denen Menge und Häufigkeit des Konsums bestimmt werden, ebenso wie retrospektive Tagebücher, mit denen sowohl der Konsum an Wo­chentagen als auch an Wochenenden geschätzt werden kann. Für die Routine eignet sich der AUDIT­Fragebogen [Gual, Segura et al. 2002] (Tab. 2). Mit dem Fragebogen können neben dem Konsum Alkoholabusus und ­abhängigkeit erfasst werden. Mit dem CAGE­Fragebogen kann versucht werden, eine Abhängigkeit zu eruieren (Tab. 3).

P Bei hohem Alkoholkonsum entstehen mehr Sauerstoffradikale.

P Die extrazelluläre Matrix wird von bei chronischem Alkoholkonsum aktivierten hepatischen Sternzellen gebildet.

P Die Erfassung des Alkoholkonsums ist essenziell.

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AUDIT-Fragebogen Auswertungsschema

Ein Glas Alkohol entspricht:0,33 Liter Bier

0,25 Liter Wein oder Sekt0,02 Liter Spirituosen

a) Wie oft trinken Sie Alkohol? 0 Nie

1Etwa 1x/Monat

22–4x/Monat

32–3x/Woche

4≥ 4x/Woche

b) Wenn Sie an einem Tag Alkohol trinken, wie viel alkoholhaltige Getränke trinken Sie dann typischerweise?

01 oder 2

13 oder 4

25 oder 6

37 oder 8

410 oder mehr

NieSeltener als

1x/Monat1x/Monat 1x/Woche

Täglich oder fast täglich

c) Wie oft haben Sie an einem Tag mehr als 6 alkoholische Getränke getrunken?

0 1 2 3 4

d) Wie oft haben Sie im letzten Jahr festgestellt, dass Sie mehr getrunken haben als Sie eigentlich wollten?

0 1 2 3 4

e) Wie oft haben Sie im letzten Jahr im Zusammenhang mit dem Alkohol­trinken eine Aufgabe nicht erledigt, die man eigentlich von Ihnen erwartet hat?

0 1 2 3 4

f ) Wie oft haben Sie im letzten Jahr morgens Alkohol getrunken, um in Schwung zu kommen?

0 1 2 3 4

g) Wie oft fühlten Sie sich im letzten Jahr schuldig oder hatten ein schlechtes Gewissen aufgrund Ihres Alkoholtrinkens?

0 1 2 3 4

h) Wie oft waren Sie im letzten Jahr aufgrund des Alkoholtrinkens nicht in der Lage, sich an Ereignisse der letzten Nacht zu erinnern?

0 1 2 3 4

NeinJa,

aber nicht im letzten JahrJa,

im letzten Jahr

i) Wurden Sie oder jemand anders schon einmal verletzt, weil Sie Alkohol getrunken hatten?

0 2 4

j) Hat sich schon einmal ein Verwandter, ein Freund, ein Arzt oder jemand anders über Ihr Alkoholtrinken Sorgen gemacht oder Ihnen vorgeschlagen, weniger zu trinken?

0 2 4

Auswertung: a + b + c + d +e + f + g + h + i + j = Gesamtscore

Verdacht auf alkoholbezogene Störung bei einem Scorewert ab 8. Mit höherem Scorewert steigt die Wahrscheinlichkeit der Abhängigkeit, kritischer Wert 15–20. © Suchtforschungsverbund Baden Württemberg, UKL Freiburg

CAGE-Fragebogen

C. Hatten Sie jemals das Gefühl, Sie müssten Ihren Konsum an alkoholischen Getränken verringern? (Cut down)

A. Hat Ihr Umfeld schon einmal Bemerkungen über Ihren Alkoholkonsum gemacht? (Annoyed)

G. Hatten Sie schon einmal den Eindruck, dass Sie zu viel trinken? (Guilt)

E. Haben Sie schon einmal am Morgen Alkohol gebraucht, um in Form zu sein? (Eye opener)

1 Punkt für jede positive Antwort. ≥ 2 Punkte weisen auf ein Alkoholproblem hin.

Tab. 3

Tab. 2

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Untersuchungsbefund

Es existieren keine eindeutigen Untersuchungsbefunde, die für eine alkoholbedingte Lebererkrankung sprechen. Rhinophym, beidseitige Parotisschwellung, Gynäkomastie, zahlreiche Spider naevi, Dupuytren­Kontrakturen, Unterernährung, Muskelschwund und symmetrische periphere Polyneuropathie sind bei alkoholbedingter Lebererkrankung etwas häufiger als bei anderen Leberkrankheiten.

Bei weiter fortgeschrittener Lebererkrankung finden sich unspezifische Symptome und beim Vorliegen einer Leberzirrhose, je nach Stadium, Ikterus, Palmarerythem, Weißnägel, veränderter Körperbehaarungstyp, Aszites, Ödeme.

Labor

Alkoholkonsum: Es existiert kein einzelner Laborparameter, mit dessen Hilfe es möglich ist einen chronischen Alkoholkonsum sicher zu diagnostizieren. Mit zufallsmäßigen Messungen der Alkoholkonzentration im Blut könnte dieser wahrscheinlich gemacht werden, beeinflusst das Arzt­Patientenverhältnis aber ungünstig. In der Routine werden Gammaglutamyltransferase (γGT), Aspartataminotransferase (AST)/Alaninaminotransfe­rase (ALT)­Verhältnis und MCV (mittleres Erythrozytenvolumen) (Tab. 4) eingesetzt, um einen chronischen Alkoholkonsum abzuschätzen, in jüngerer Zeit kam CDT (Carbo­hydrate­Deficient Transferrin) hinzu. CDT und γGT werden in der Praxis am häufigsten benutzt [Hock, Schwarz et al. 2005]. Die Sensitivität bezüglich eines Konsums > 50 g Alkohol beträgt für CDT 69% und γGT 73% im Unterschied zu AST (50%), ALT (35%) und MCV (52%). Die Spezifität beträgt für CDT 92% und 75%, 82%, 86% bzw. 85% für γGT, AST, ALT und MCV [Bell, Tallaksen et al. 1994] (Tab. 5). Als weitere Parameter könnten die Ethylglucuronidausscheidung im Urin (uEtG) und der Ethylglucuronidgehalt im Haar (hEtG) [Boscolo­Berto, Viel et al. 2013; Piano, Marchioro et al. 2014] dienen, wobei die Bestimmung im Haar am zuverlässigsten sein soll.

Untersuchungen bei alkoholischer Leberschädigung

Gammaglutamyltransferase (γGT)

Mittleres Erythrozytenvolumen (MCV)

Carbohydrate­Deficient Transferrin (CDT)

Bilirubin

Alaninaminotransferase (ALT)

Aspartataminotransferase (AST)

Prothrombinzeit

Albumin

Ultraschall: Leber, Splenomegalie, Aszites

Leberhistologie

Sensitivität und Spezifität verschiedener Testverfahren zur Diagnose eines alkoholischen Leberschadens

[%] AST ALT MCV CDT γGT + CDT γGT + MCV + CDT

Sensitivität 47–68 32–50 45–48 63–84 83–90 88

Spezifität 80–95 87–92 52–94 92–98 95–98 95

[Hock 2005; Hietala 2006; Madhubala 2013]

P Für die Routine ist die Kombination γGT + MCV + CDT am geeignetsten, um eine alkoholische Genese zu erfassen.

Tab. 4

Tab. 5

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Diagnose der Leberfibrose/Zirrhose

Serummarker: Eine einfache Methode den Fibrosegrad abzuschätzen ist das AST/Throm­bozytenverhältnis (APRI, IU/ml/1000/µl), allerdings sind die Sensitivität und Spezifität mit 35,6% bzw. 29,7% unbefriedigend [Lieber, Weiss et al. 2006]. Ein weiterer Index ist der FibroTest®, bei dem α2­Makroglobulin, Haptoglobin, γGT, ApoA1 und Bilirubinkonzentra­tion korrigiert für Alter und Geschlecht in die Berechnung mit eingehen [Imbert­Bismut, Ratziu et al. 2001]. Beim Fibrometer A® werden Prothrombinzeit, α2­Makro globulin, Hya luronsäure und Alter berücksichtigt [Cales, Oberti et al. 2005]. Beim Hepascore® werden Bilirubin, γGT, Hyaluronsäure, α2­Makroglobulin, Alter und Geschlecht einge­setzt. Beim Vergleich dieser 3 Indizes bei Patienten mit alkoholischer Lebererkrankung mit fortgeschrittener Fibrose oder Zirrhose unterschieden sich die Ergebnisse nicht signifikant [Naveau, Gaude et al. 2009].

Transiente Elastografie: Die Messung des Lebersteifigkeitsgrads (Fibroscan®) wurde ursprünglich für Patienten mit Hepatitis C entwickelt, inzwischen aber auch bei al­koholbedingten Lebererkrankungen untersucht, um den Fibrosegrad zu bestimmen [Foucher, Chanteloup et al. 2006], wobei falsch zu hohe Werte bei akuter Steatohepatitis bei ALT­Werten > 100 IU/l beobachtet werden können [Mueller, Millonig et al. 2010]. Die Methode scheint aber im Vergleich zu verschiedenen Serummarkern bei der Bestim­mung des Fibrosegrads zuverlässiger zu sein [Nguyen­Khac, Chatelain et al. 2008].

Bildgebende Verfahren (Ultraschall, Computertomografie, Magnetresonanztomografie)

Ultraschall, Computertomografie (CT) und Magnetresonanztomografie (MRT) eignen sich nicht zur Diagnose einer alkoholischen Lebererkrankung, können aber bei der Dia­gnose einer Steatose oder höhergradigen Fibrose und Zirrhose hilfreich sein. Während CT und MRT kostspielige Verfahren sind, eignet sich der Ultraschall zum Screening, wobei auf die Steatose, die Silhouette, die Binnenstruktur, Kollateralen, Pfortader­durchmesser und ­durchblutung sowie die Splenomegalie geachtet wird.

Histologie

Die Leberhistologie ist der Goldstandard, um das Ausmaß der Leberschädigung zu bestimmen. Es werden der Grad der Verfettung (klein­ oder großtropfige Lipidvakuo­len im Zytoplasma der Leberzellen, läppchenzentral, diffus), hepatozelluläre Nekrosen, läppchenzentrale neutrophile granulozytäre Infiltrate, das Auftreten sogenannter Mallory­Körper (alkoholisches Hyalin) und der Fibrosegrad bestimmt [MacSween & Burt 1986]. Die Diagnose einer ASH und das Vorliegen einer Zirrhose haben eine Bedeutung für die Mortalität, die bei diesen Diagnosen um 50% gesteigert ist [Bouchier, Hislop et al. 1992]. Eine Leberpunktion sollte bei Patienten durchgeführt werden, bei denen das Ergebnis therapeutische Konsequenzen hat oder bei denen mögliche andere Leber­krankheiten vorliegen können.

Stadien der Leberkrankheiten bei Alkoholkonsum

Alkoholische Fettleber

Ein Alkoholkonsum von > 60 g/Tag führt bei etwa 60–90% der Konsumenten zu einer Fettleber. Diese ist klinisch asymptomatisch, hat typischerweise normale Laborwerte, eventuell ist die γGT etwas erhöht und wird als Zufallsbefund bei der Sonografie, CT oder MRT diagnostiziert. Sie ist komplett reversibel sobald kein Alkohol mehr konsu­miert wird [Becker, Deis et al. 1996].

Alkoholische Fettleberhepatitis

Bei fortgesetztem Alkoholkonsum entwickelt weniger als die Hälfte der Personen mit alkoholischer Fettleber eine Fibrose und bei ca. 10–20% kommt es zur Zirrhose. [Teli, Day et al. 1995]. Die alkoholische Fettleberhepatitis ist durch einen Ikterus und oder

P Der Fibrosegrad lässt sich mit der transienten Elastografie abschätzen.

P Die Sonografie ist die bildgebende Methode, die standardmäßig zur Diagnose eines diffusen Leber-schadens eingesetzt wird.

P Die Leberhistologie dient zur Bestimmung des Schädigungsgrads.

P Die alkoholische Fettleberhepatitis ist eine lebensbedrohliche Erkrankung.

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Aszites gekennzeichnet. Histologisch ist sie durch eine Steatose, Anschwellung der Hepatozyten und Granulozyteninfiltration der Leberläppchen charakterisiert. Der Ikterus nimmt im Verlauf zu, die Patienten haben einen Gewichtsverlust und sind im weiteren Verlauf unterernährt. Fieber kann auftreten, ebenso wie eine hepatische Enzephalo­pathie. Laborchemisch ist korrespondierend zum Ikterus das Bilirubin stark erhöht, es wird ein Anstieg der AST auf das 2–6­Fache des oberen Normwerts beobachtet, das AST/ALT­Verhältnis ist meist > 2, häufig wird eine Leukozytose beobachtet, die Albu­minkonzentration fällt ab, INR steigt an. Bei schweren Verläufen haben die Patienten häufig eine bakterielle Infektion und es kann zum hepatorenalen Syndrom Typ 1 kommen [Lucey, Mathurin et al. 2009]. Der Schweregrad kann mit dem Maddrey­Index erfasst werden, wobei ein Wert ≥ 32 auf einen schweren Verlauf hindeutet [Maddrey, Boitnott et al. 1978] und unbehandelt mit einer Mortalität von 50–65% einhergeht [Carithers, Herlong et al. 1989; Phillips, Curtis et al. 2006]. Andere Indizes wie ABIC (Alter, Bilirubin, INR, Kreatinin), Glasgow ASH [Forrest, Evans et al. 2005] und MELD (Model for End­Stage Liver Disease) [Dunn, Jamil et al. 2005] werden ebenfalls eingesetzt, um die Prognose bei ASH abzuschätzen, wobei die 30­ und 90­Tages­Mortalität berücksichtigt wird (Tab. 6).

Indizes zur Beurteilung der alkoholischen Fettleberhepatitis

Index Berechnung Ungünstige Prognose

Maddrey 4,6 (PT–Kontroll­PT) + Gesamtbilirubin (mg/dl) ≥ 32

MELD 3,8 x loge (Bilirubin [mg%]) + 11,2 x loge (INR) + 9,6 x loge (Kreatinin [mg%]) + 6,4

≥ 18

Glasgow ASH 1 2 3 > 8

Alter (a) < 50 ≥ 50

Leukozyten < 15 ≥ 15

Harnstoff (mmol/l) < 5 ≥ 5

INR < 1,5 1,5–2,0 ≥ 2

Bilirubin < 7,3 7,3–14,6 > 14,6

Lille 3,19–0,101 x Alter (a) + 0,147 x Albumin (g/l, Tag 0) + 0,0165 x Bilirubin (µmol/l, Differenz Tag 7 zu Tag 0) – 0,206 (0, wenn nicht vorhanden; 1, wenn vorhanden) – 0,0065 x Bilirubin (µmol/l, Tag 0) – 0,0096 x Prothrombinzeit (sec)

> 0,45

[Maddrey, Boitnott et al. 1978; Dunn, Jamil et al. 2005; Forrest, Evans et al. 2005; Louvet, Naveau et al. 2007] Online steht ein Link zur Berechnung der verschiedenen Indizes zur Verfügung: http://www.lillemodel.com/score.asp

Leberzirrhose

Die Leberzirrhose stellt das Endstadium der alkoholbedingten Lebererkrankungen dar, das bei 10–20% der Konsumenten auftritt [Teli, Day et al. 1995]. Patienten mit klinischer ASH haben einen rascheren Verlauf der Lebererkrankung [Deleuran 2012], ebenso wie Raucher im Vergleich zu Nichtrauchern [Altamirano 2010]. Bleiben die Patienten über einen längeren Zeitraum abstinent, verbessert sich ihre Prognose im Vergleich zu Pa­tienten mit fortgesetztem Abusus [Xie 2013].

Therapie

Therapie der Alkoholabhängigkeit

Die Alkoholabstinenz ist ein wichtiges Ziel bei den alkoholischen Leberkrankheiten, da diese zum großen Teil selbst in fortgeschrittenen Stadien reversibel sind. Kurze psy­chiatrische Interventionen scheinen wirksam zu sein, insbesondere wenn sie motiva­

P Eine schwere alkoholische Fettleber-hepatitis führt zu einem starken Bilirubinanstieg.

Tab. 6

P Die Alkoholabstinenz kann durch kurze psychiatrische Interventionen gefördert werden.

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tionsfördernde Maßnahmen einschließen. Es sollten dabei 5 Aspekte angesprochen werden: 1. Menge und Häufigkeit des Konsums, 2. Empfehlung der Abstinenz oder der Reduktion, 3. Evaluierung der Bereitschaft, 4. Hilfsvorschläge für die Abstinenz oder Reduktion, 5. Nachfolgeuntersuchung. Regelmäßige Erhebungen des Alkoholkonsums durch den behandelnden Arzt sind erforderlich. Hierzu eignet sich der AUDIT (s. Tab. 2).

Bei Patienten ohne fortgeschrittene Leberkrankheit besteht die Möglichkeit einer medi­kamentösen Therapie. Am häufigsten wurde Disulfiram eingesetzt (Aufsättigung täglich 800 mg = 2 Tabletten nach Auflösung für 2–3 Tage eingenommen, in der Erhaltungs­phase 100–200 mg/Tag), das in Deutschland nicht mehr zugelassen, aber über die Inter­nationale Apotheke noch zu erhalten ist. Der Patient ist über die Nebenwirkungen bei Alkoholgenuss aufzuklären, außerdem verbietet sich die Gabe bei fortgeschrittener Leberkrankheit wegen einer potenziellen Hepatotoxizität [Forns, Caballeria et al. 1994]. In einer kürzlich erschienenen Metaanalyse waren Acamprosat (gewichtsabhängig 2 oder 3 g/Tag) und Naltrexon (50 mg/Tag) bei der Behandlung der Alkoholabhängigkeit wirksam [Jonas, Amick et al. 2014]. In Studien wurde Baclofen bei Patienten mit oder ohne alkoholische Lebererkrankung mit Erfolg eingesetzt, die Dosis betrug zwischen 30 mg/Tag und im Mittel 147 mg/Tag, das Medikament ist in Deutschland nicht zuge­lassen [Addolorato, Leggio et al. 2007; Addolorato & Leggio 2010; de Beaurepaire 2012].

Behandlung der ASH

Neben Allgemeinmaßnahmen und ausreichender Kalorien­ und Proteinzufuhr (1,5 g/kg KG) sollten fettlösliche Vitamine und Vitamin B1 substituiert werden. Es sollte engmaschig nach Infektionen gefahndet und die Nierenfunktion sollte überwacht werden. Natür­lich ist eine absolute Alkoholabstinenz einzuhalten.

Medikamentöse Therapie

Kortikosteroide

Es wurden in den vergangenen Jahrzehnten zahlreiche Studien und Metaanalysen über den Nutzen von Kortikosteroiden durchgeführt. Aus den Studien ergibt sich ein Über­lebensvorteil für die mit Kortikosteroiden behandelten Patienten, besonders wenn sie einen schweren Krankheitsverlauf haben [Rambaldi, Saconato et al. 2008], dies gilt vor allen Dingen für den kurzzeitigen Verlauf [Mathurin, O‘Grady et al. 2011]. Patienten mit einem Bilirubinabfall von ca. 5 mg% innerhalb der ersten 7 Tage hatten eine 6­Monats­Überlebenswahrscheinlichkeit von 83% im Vergleich zu 23% bei Patienten, die keinen wesentlichen Abfall hatten [Mathurin, Abdelnour et al. 2003]. In einer französischen Studie erhielten die Patienten für 28 Tage 40 mg Prednisolon pro Tag. Hatten sie nach 7 Tagen einen Wert ≥ 0,45, wurde die Therapie beendet, da die 6­Monats­Überlebens­wahrscheinlichkeit nur 25% betrug im Vergleich zu 85%, wenn der Wert < 0,45 war.

Ein großes Problem bei der Kortikosteroidtherapie sind Infektionen mit oder ohne Sepsis, sodass diese Patienten typischerweise nicht für eine Kortikosteroidtherapie in Betracht kommen. In einer kleineren Gruppe von 63 Patienten mit Infektion vor der Kortikosteroidgabe hatten die Patienten eine vergleichbare 2­Monats­Überlebensrate von 71% wie die Patienten ohne vorangegangene Infektion [Louvet, Wartel et al. 2009].

Ernährungstherapie

Eine interessante Therapiemöglichkeit könnte eine komplett enterale Ernährung dar­stellen. In einer spanischen Studie erhielten die Patienten per Magensonde über 4 Wochen 2000 kcal/Tag, wobei die Nahrung mit verzweigtkettigen Aminosäuren an­gereichert war. Während der 4 Behandlungswochen war die Mortalität vergleichbar, während sie im weiteren Verlauf in der Kortikosteroidgruppe, bedingt durch häufigere Infektionen, höher war [Cabre, Rodriguez­Iglesias et al. 2000].

P Acamprosat und Naltrexon können bei ausgewählten Patienten zur medika-mentösen Therapie eingesetzt werden.

P Bei schwerer alkoholischer Steatohepatitis ist ein Therapieversuch mit Prednisolon indiziert.

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Pentoxifyllin

Pentoxifyllin ist ein nicht­selektiver Phosphodiesterasehemmer mit Antioxidanzien­ und Anti­TNF­Wirkung, der in einer Dosierung von 3 x 400 mg/Tag verabreicht wird [Lebrec, Thabut et al. 2010; Parker, Armstrong et al. 2013]. In einer jüngeren Übersichtsarbeit hatte es keinen signifikanten Effekt auf die Mortalität [Parker, Armstrong et al. 2013], mög licherweise aber einen günstigen Einfluss auf das hepatorenale Syndrom [De, Gangopadhyay et al. 2009].

N-Acetylcystein

N­Acetyl­L­Cystein ist ein Antioxidans. In einer plazebokontrollierten Studie fand sich kein signifikanter Effekt [Moreno, Langlet et al. 2010], auch bei zusätzlicher Gabe zu Kortikosteroiden war kein Effekt nachweisbar [Nguyen­Khac 2011].

Anti-TNF-Antikörper

Eine Wirksamkeit von Anti­TNF­Antikörpern konnte in 2 randomisierten Studien nicht bestätigt werden [Naveau, Chollet­Martin et al. 2004; Boetticher, Peine et al. 2008].

Lebertransplantation

Patienten mit alkoholbedingter Lebererkrankung kommen wie Patienten mit anderen Leberkrankheiten auch für eine Lebertransplantation in Betracht. Voraussetzung ist eine Abstinenz von > 6 Monaten. Dann sind die Ergebnisse vergleichbar mit den Ergebnis­sen bei anderen Leberkrankheiten mit einer Überlebenswahrscheinlichkeit von ca. 60% nach 10 Jahren bei Patienten mit alkoholischer Leberzirrhose. Die Rückfallquote für ei­nen erneuten Alkoholkonsum variierte in prospektiven Studien zwischen 18% und 33%. Ein Problem bei diesen Studien war, dass sie nicht zwischen gelegentlichem Alkohol­konsum und erneuter Abhängigkeit differenzierten [Iruzubieta, Crespo et al. 2013].

In einer Metaanalyse ergab sich eine Gesamtrezidivrate für einen Alkoholkonsum von 5,6 Fällen/100 Patienten/Jahr und eine Rezidivrate von 2,5 Fällen/100 Patienten/Jahr für eine schwere Alkoholabhängigkeit [Dew, DiMartini et al. 2008].

In einer Studie wurde die Erfolgsrate der Lebertransplantation bei schwerer akuter Alkoholhepatitis untersucht. Die Patienten waren extrem selektioniert (< 2% der wegen alkoholischer Hepatitis aufgenommenen Patienten). Sie hatten keine vorangegangene alkoholische Hepatitis, hatten im Lille­Index einen Wert ≥ 0,45 oder trotz intensivme­dizinischer Maßnahmen eine rasche Verschlechterung der Leberfunktion, keine wesent­lichen Begleiterkrankungen, eine stabile, unterstützende familiäre Situation und waren motiviert alkoholabstinent zu bleiben. Die 6­Monats­Erfolgsrate war bei den Patienten, die frühzeitig transplantiert worden waren mit 77 ± 8% im Vergleich zu 23 ± 8% wesent­lich besser [Mathurin, Moreno et al. 2011].

Im Jahr 2014 hat die Ständige Kommission Organtransplantation der Bundesärztekammer (BÄK) empfohlen, Patienten mit alkoholinduzierter Zirrhose auf die Warteliste für eine Lebertransplantation aufzunehmen, wenn sie anamnestisch für mindestens 6 Monate völlige Alkoholabstinenz eingehalten haben. Diese soll durch verschiedene Laborwerte belegt werden, u. a. durch Ethylglucuronid im Urin (uEtG) und im Haar (hETG) [Dtsch Ärztebl. 2014].

Literatur beim Verfasser.

P Die Lebertransplantation ist entsprechend dem MELD-Index nach Alkohol abstinenz von > 6 Monaten indiziert.

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Bitte beachten Sie:Bei der Beantwortung der Fragen ist immer nur 1 Antwort möglich.

Die Beantwortung der Fragen und Erlangung des Fortbildungszertifikats ist nur online möglich. Bitte gehen Sie dazu auf unsere Homepage www.falkfoundation.de. Unter dem Menüpunkt Falk Gastro-Kolleg können Sie sich anmelden und die Fragen beantworten. Bitte diesen Fragebogen nicht per Post oder Fax schicken!

Wichtig:Fragebeantwortung unter

www.falkfoundation.de

Falk Gastro-Kolleg

Falk Gastro-Kolleg

Leber und Gallenwege

Fragen zu Leber und Alkohol

Frage 1:Was ist verantwortlich für die Alkoholunverträglichkeit?

EE Das GeschlechtEE Die Aktivität der AlkoholdehydrogenaseEE Die TageszeitEE Die Art des alkoholischen GetränksEE Die Aktivität der Acetaldehyddehydrogenase

Frage 2:Welche Antwort ist richtig? Ein Alkoholkonsum von 15 Drinks/Woche ist

EE unbedenklich, wenn ausreichend Weißwürste dazu gegessen werdenEE nie unbedenklichEE unbedenklich, wenn nur Wein getrunken wirdEE unbedenklich bei MännernEE nur bei Frauen problematisch

Frage 3:Wo wird Alkohol metabolisiert?

EE Nur in der LeberEE In Leber und MagenEE Nur in den MitochondrienEE Nur in den PeroxisomenEE Ausschließlich in endoplasmatischem Retikulum und Peroxisomen

Frage 4:Wodurch ist die schädigende Wirkung des Alkohols bedingt?

EE Nur durch die Bildung freier RadikaleEE Nur durch die bakterielle Translokation im DarmEE Nur durch die Induktion der Cyclooxygenase­2EE Nur durch die Bildung von Neoantigen mit AcetaldehydEE Durch alle oben beschriebenen Mechanismen

Frage 5:Welche der folgenden Laborwerte eignen sich zur Beurteilung einer alkoholbedingten Leberschädigung aufgrund ihrer hohen Sensitivität, Spezifität und Verfügbarkeit am besten?

EE Carbohydrate­Deficient Transferrin (CDT)EE Gammaglutamyltransferase (γGT)EE MCV + γGT + CDTEE AST/ALT­VerhältnisEE Mittleres Erythrozytenvolumen (MCV)

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Frage 6:Welche Folgen hat ein Alkoholabusus von > 60 g/Tag?

EE Führt bei Frauen innerhalb von 3 Jahren immer zur Leberzirrhose EE Hat eine Wahrscheinlichkeit von > 60% für eine FettleberEE Hat einen Übergang von > 80% von der Fettleber zur Zirrhose zur FolgeEE Führt nur bei Patienten mit vorangegangener klinischer alkoholischer

Steatohepatitis zur LeberzirrhoseEE Ist für adipöse Männer, die nur Starkbier trinken, unbedenklich, da die Fibrose

verhindert wird

Frage 7:Wodurch ist die alkoholische Fettleberhepatitis gekennzeichnet?

EE AST­ und ALT­Werte von > 2000 IU/mlEE Das AST/ALT­Verhältnis ist meist < 1EE Ikterus und/oder Aszites EE Einen Abfall des INR­WertsEE Eine typischerweise normale Bilirubinkonzentration

Frage 8:Welche Aussage zur alkoholischen Fettleberhepatitis ist richtig?

EE Sie hat auch ohne Therapie eine sehr gute PrognoseEE Eine absolute Alkoholkarenz ist nicht erforderlichEE Sie hat ohne eine absolute Alkoholkarenz eine schlechte PrognoseEE Sie wird mit Silymarin mit gutem Erfolg behandeltEE Johanniskraut ist die Therapie der Wahl

Frage 9:Womit kann eine schwere alkoholische Fettleberhepatitis nach der Literatur mit gutem Erfolg behandelt werden?

EE Pentoxifyllin in einer Dosierung von 6 x 400 mg/TagEE Infliximab­Infusionen (5 mg/kg KG 1x/Woche)EE N­Acetylcystein­Infusionen 2 x 10 g/Tag über 5 TageEE Prednisolon 40 mg/Tag über 7 Tage, bei Abfall des Bilirubins > 5 mg/dl längerEE Adalimumab 40 mg s.c. 1x/Tag

Frage 10:Welche Aussage zur Lebertransplantation bei Patienten mit alkoholischer Leberkrankheit ist richtig?

EE Wenn der Patient > 6 Monate abstinent war, ist diese entsprechend dem MELD­Index indiziert

EE Sie ist wegen der hohen Rezidivrate immer kontraindiziertEE Sie ist die Therapie der Wahl, wenn ein Patient eine schwere alkoholische

Steatohepatitis mit Leberversagen hatEE Wegen der zu erwartenden schlechten Compliance der immunsuppressiven

Therapie ist sie immer kontraindiziertEE Wegen der Organknappheit ist sie bei diesen Patienten nicht indiziert

Falk Gastro-Kolleg

Leber und Gallenwege