FLUX November 2010

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FLUX ist eine berliner Schülerzeitung für Friedrichshain und Kreuzberg.

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S T I L B L Ü T E N a u s S c h u l a u f s ä t z e nZu einem Mineralwasser gehört alles, wo Mineralien drin sind, wie Eisen, Blech, Blei und andere Sachen.

Butter wird aus Kühen gemacht. Sonst heißt es Margarine.

Ein Pfirsich ist wie ein Apfel mit Teppich drauf.

Tischlein deck dich, Goldesel streck dich, Knüppel aus dem Sack! Im Märchen sind die Dinge des Lebens geregelt. In der Wirklichkeit ist die Lage diffiziler. Das Thema der neuen FLUX – Ernährung – spiegelt diese Problematik.

Wir wollen euch, liebe Schülerinnen & Schüler, Wege durch den Nahrungsmittel-Dschungel zeigen. Ob es uns gelingt, wissen wir nicht. Titel wie „Du bist was du isst...“ oder „Prost Mahlzeit – Schöne neue Lebensmit-telwelt?!“ sprechen allerdings für sich.

Natürlich kommt auch die sinnliche Seite des Essens nicht zu kurz: So erfahrt ihr, wie sich die Geschmackssinne bilden, aber auch, welche Risiken die heutige Ernährung mit sich bringt und was man selbst tun kann, um ausgewogen und vernünftig zu essen. Außerdem lernt ihr das Sarah Wiener–Kochprojekt sowie sein Pendant Let´s Get Cooking aus Großbritannien kennen. Und unsere, wie gewohnt scharfzüngige Glosse sinniert darüber, was der analoge Käse in einer digitalen Welt verloren hat. Daneben gibt es Interviews, Ausflugtipps sowie Buch- und Filmempfehlungen. Und endlich könnt ihr verfolgen, wie man als Schüler in die Rolle eines UN-Diplomaten schlüpft.

Eine Frage noch zu guter Letzt: Wie heißt im Märchen das Zauberwort, nach dem der Esel – vorn und hinten – Golddukaten speit? Die Antwort findet ihr beim aufmerksamen Lesen der 4. Ausgabe. Viel Vergnügen und Guten Appetit!

wünscht die Redaktion

Du möchtest wissen, wie du dich gesund und ausgewogen ernähren kannst? Die Ernährungspyramide bietet eine Orientierungshilfe, in welchem Mengenverhältnis du verschiedene Nahrungsmittel verzehren solltest. Das Gute: Nichts ist verboten, jedes Segment enthält lebensnotwendige Inhaltsstoffe. Allein die Menge ist entscheidend. An der Spitze siehst du die Nahrungsmittel, die nur in geringeren Mengen verzehrt werden sollten. Je größer das Feld ist, umso häufiger und reichlicher kannst du zugreifen.

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An die RedaktionIch finde FLUX einfach toll! Immer wenn ich sie lese, habe ich das Gefühl, dass ich etwas für mein Wissen tue. So viel Wissenswertes wie ihr schreibt, kann das ja auch gar nicht ausbleiben ;) Zudem gefallen mir eure kreativen Bemühungen zur Darstellung mit Bildern und Zeichnungen, obwohl einige Zeichnungen nicht ganz so mein Fall sind, aber das ist Geschmackssache. Also macht weiter so und tut etwas, damit ich und meine Umwelt schlauer werden.Lieben Gruß an alle Leser! Lea, 15 Jahre

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04Willst du UNO-Diplomat werden?

Bisher gab es so etwas nur in Englisch: In Simulationen werden die Sitzungen in den Gremien der UNO-Organe (z.B. dem Sicherheitsrat) von Schülern und Studenten reell nachgestellt. In diesen Debatten vertritt jede Teilneh-mergruppe jeweils ein Land. Und am Schluss werden Beschlüsse in Form von Resolutionen ausgearbeitet und verabschiedet.

Worum geht es bei SPUN?SPUN findet jedes Jahr statt. Hier könnt ihr euch den Herausforderungen eines UNO-Diplomaten stellen. Die SPUN-Sitzungswoche tagte dieses Jahr vom 7. bis zum 11. Juli in Bonn. Im Jahre 2009 gab es ca. 200 Teilnehmer, ein Jahr später waren es schon ungefähr 280. Die UNO-Simulation tagt im Plenarsaal des ehemaligen deutschen Bundestages in Bonn. Ihr habt die Möglichkeit, auf SPUN-Vorbereitungsseminaren eine Einführung in die Arbeit als Delegierter zu erhalten und neben rhetorischen und inhaltlichen Fertigkeiten das Schreiben von Resolutionen und das formelle Debattieren in demokratischen Gremien zu erlernen. Auf der Sitzungswoche in Bonn vertretet ihr dann in einem der Ausschüsse ein Land und versucht, euren Standpunkt in die Debatten und Resolutionen einfließen zu lassen.

Bewerbung und Teilnahmebedingungen für das Jahr 2011Zuerst findet ihr euch in Teams von zwei bis sechs Leuten zusammen und bewerbt euch online für ein Land eurer Wahl. Die Schüler eines Teams müssen nicht unbedingt dieselbe Schule besuchen oder in derselben Jahrgangsstufe bzw. Klasse sein. Auf der unten angegebenen Website findet ihr auch die Inhalte der Sitzungswoche, mit denen ihr euch befassen werdet. Mit Hilfe von SPUN bereitet ihr euch dann in den darauf folgenden Monaten inhaltlich vor.

Bei SPUN teilnehmen kann jeder, der zu Beginn der Sitzungswoche mindestens 16 Jahre alt ist und im aktuellen, d.h. dem gerade zu Ende gehenden Schuljahr entweder Schüler einer gymnasialen Oberstufe oder einer der gymnasialen Oberstufe ähnlicher Schulform ist. Für die Dauer der Teilnahme an SPUN werdet ihr von eurer Schule befreit, denn es ist eine offizielle Veranstaltung der UNO. (Bei Problemen bitte mit SPUN Kontakt aufnehmen!) Der Veranstalter erwartet einen Dresscode, also gepflegte Kleidung. Im Jahre 2010 betrug der Teilnahmebeitrag 160 Euro. Außer der Anreise sind darin alle anfallenden Kosten enthalten.

Die Zeitung „SPUNited“ als Presse-Si-mulationZudem sucht SPUN jedes Jahr fünf Schüler als Reporter, die jeweils die Ausschüsse begleiten und dann täglich in der SPUNited darüber berichten. Als SPUN-Reporter seid ihr auch für das Layout und den Inhalt der Zeitung verant-wortlich. Das bedeutet, dass ihr neben euren täglichen Artikeln über die Ausschüsse kleinere Reportagen verfasst, Fotos macht, Nachrichten recherchiert und Interviews führt, allerdings ist es euch nicht gleichzeitig möglich, an den Debatten teilzunehmen. Als „Reporter“ entstehen

euch die gleichen Kosten wie den anderen Teilnehmern der SPUN-Sitzungswoche.

Rupert Janeczek

Bewerbungen als SPUNited-Reporter bitte an die E-Mail-Adresse: [email protected] als SPUN-Di-plomat bitte an: [email protected]

Mehr Informationen unter: http://www.spun.de

Postadresse: Dag Hammarskjöld Haus, Pfarrstraße 100 d, 35102 Kirchvers,Tel.: 06426 / 928911, Fax: 06426 / 928912

Für eine Woche in die Rolle eines UN-Diplomaten schlüpfen, die Position eines Landes in Debatten vertreten und mit anderen Delegierten das Erreichte feiern – das „Schüler Planspiel der United Nations“ (SPUN) ist das erste UNO-Planspiel in deutscher Sprache.

Wie alles begann:Die Geschichte von SPUN beginnt im Jahre 1991. Bei Recherchen zu diesem Thema stieß SPUN-Initiator und -Projektleiter Dragan Jovanovic auf „Model United Nations“, eine Simulation der Vereinten Nationen. Dieses internationale UNO-Planspiel findet seit 1968 jährlich mit 3000 Schülern in Den Haag statt. Der Haupthinde-rungsgrund für eine Übertragung des niederländischen Modells nach Deutschland lag in der Konferenz-Sprache Englisch. Jovanovic war überzeugt, dass die Sprach-barriere ein zu großes Hindernis sei. Außerdem wird die Organisation bei „Model United Nations“ im Wesent-lichen von Lehrern dominiert, SPUN hingegen lässt den Schülern eine freiere Hand. Die ersten Vorberei-tungsseminare begannen im Jahre 1995, pünktlich zum 50-jährigen Bestehen der UNO. Seit dem Jahre 1998 können Schüler aus allen Bundesländern teilnehmen. Im gleichen Jahr erhielt SPUN offiziell die Erlaubnis, Zeichen und Fahne der UNO zu benutzen. Zur Eröffnung der SPUN-Generalversammlung sendete der UNO-Ge-neralsekretär ein Grußwort aus New York. Seit dem Jahre 2008 wird die Sitzungswoche durch Podiums-diskussion, „Nations-Night“ und feierlichen Diploma-tenball zum Abschluss bereichert.

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Der Verein Berliner Unterwelten e. V. beschäftigt sich seit dem Jahre 1997 mit unterirdischer Geschichte und macht sie der Öffentlichkeit zugänglich. Seit kurzem kann die größte noch erhaltene Bunkeranlage in Kreuzberg besichtigt werden.

im ehemaligen Luftschutzbunker im U-Bahnhof Gesund-brunnen. Thematisiert werden hier z.B. Tunnelfluchten von Ost nach West, der OP-Bunker Teichstraße in Reinickendorf, Staatsreserven-Lagerstätten sowie Bombenkrieg und ziviler Luftschutz. Neben dem Erhalt unterirdischer Bauwerke bietet der Verein ganzjährig verschiedene Führungen in den Untergrund sowie Vorträge und Bildungsseminare an. Darüber hinaus finden regelmäßig unterirdische Auffüh-rungen des dokumentartheater berlin statt. Für seine Verdienste erhielt der Verein den Deutschen Preis für Denkmalschutz 2006.

Andrea Schletz

Unheimlich und kühl ist es im Gasometer-Bunker in der Kreuzberger Fichtestraße. Der 90-minütige Rundgang bietet dem Besucher unglaubliche Einblicke in die wechselvolle Geschichte des ältesten Steingasometers Berlins, der in den Jahren 1872 bis 1874 erbaut wurde.

Wolfgang Wendtland vom Verein Berliner Unterwelten führt die Gruppe durch die schmalen runden Gänge und berichtet gelegentlich von Zeitzeugen. „Eine Frau hat uns erzählt, dass sie hier fünf Jahre gelebt und auch geheiratet hat. Als sie mit ihrem Mann auszog, ging die Ehe kaputt“. Das war in den 1950er Jahren, als der Gasometer als Obdach-losenasyl genutzt wurde.

Die Besichtigung erfolgt in mehreren Etappen über zwei Etagen, vorbei an Aufzügen und Treppengängen, einem Zellentrakt im Keller, Waschräumen sowie Heizungs-, Lüftungs- und Filteranlagen. Besonderes Augenmerk gilt dem lauffähigen originalen Schiffs-Dieselmotor, wie er auch in deutschen U-Booten des 2. Weltkrieges verbaut wurde. Das Innere des Bunkers ist technisch und baulich im Original erhalten. Der „Fichte-Bunker“ gilt als Industrie-denkmal und wurde Anfang der 1990er Jahre saniert. Seit dem Jahre 2009 kümmern sich ehrenamtliche Mitglieder des Vereins Berliner Unterwelten e.V. um den Erhalt des Bunkers. 1.500 freiwillige Helfer bauten ihn zum Museum aus. Das Dachgeschoss kaufte ein Investor für den Umbau zu Eigentumswohnungen.

Der Verein Berliner Unterwelten erforscht neben Bunkern auch Brauerei-Keller, Tunnel und Kanalschächte, unvollendete „Geisterbahnhöfe“ sowie die innerstädtische Rohrpost. Einen Überblick über die Arbeit des Vereins zeigt das Unterwelten-Museum mit der Ausstellung „Dunkle Welten“

Einstieg in Unterwelten

Gasometer-Bunker Fichtestraße, Gasometer, Bunker, Gefängnis und Senatsreserve, Fichtestraße 6, 10967 Berlin (U-Bahnhof Südstern), Führungen Sa und So 11, 13 und 15 Uhr, Do 16 Uhr, Kartenverkauf ca. 15 Min vorher vor Ort, Eintritt: 9 Euro, Gruppen unter: www.berliner-unterwelten.de anmelden„Dunkle Welten“, zeitgeschichtliche Führung durch einen authentischen Ort, Berliner Unterwelten e.V., Brunnenstraße 105, 13355 Berlin, Tel. 030-49 91 05 17, Öffnungszeiten der Geschäftsstelle von Montag bis Freitag 10 bis 16 Uhrwww.berliner-unterwelten.deinfo@berliner-unterwelten.deBuch-Tipp: Dietmar und Ingmar Arnold: Dunkle Welten; Bunker, Tunnel und Gewölbe in Berlin. Ch. Links Verlag, Berlin 2001.

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Noch vor dem Umzug durch Berlin-Mitte machten die Beteiligten auf ihr „Verschwinden“ aufmerksam, indem sie sich mit Planen, Laken und anderen Stofftüchern bedeckten. Zwei junge Frauen spannten ein großes schwarzes Tuch mit der Aufschrift „Die Jugend hat Heimweh nach einer sicheren Zukunft“. Über 20 Kinder- und Jugendfreizeiteinrichtungen hatten als Init iative „Jugend verschwindet“ zur Demonstration aufgerufen. Seit Mitte der 1990er Jahre werden die Haushalts-mittel für die Jugendförderung gekürzt, mit dem die präventive Sozialarbeit finanziert wird. Das sei darauf zurückzuführen, erklärt der Sozialpädagoge Ragnar Fritz von Gangway e.V., dass die Bezirke eine Kosten-explosion bei der Pflichtaufgabe „Hilfen zur Erziehung“ (das sind Angebote in der Jugendhilfe) erlebten. Da die Gelder dort eingesetzt werden müssen, fehlen sie in der Jugendförderung. Bei der Zuweisung der Mittel nehme der Senat darauf keine Rücksicht. In den Medien gehe es gerade viel um Integration, Bildung von Kindern und

Jugendlichen, aber das betrifft meistens die Schulen und an den Jugendkultureinrichtungen gehe die Diskussion ziemlich vorbei. Die Musikerin Julia vom Lichtenberger Jugendklub Linse kritisiert, dass in den Medien oft über kriminelle und drogenabhängige Jugendliche berichtet wird, aber nicht darüber, dass sie eigene Projekte auf die Beine stellen, aktiv und kreativ sind. Deshalb müsse man gemeinsam etwas tun, damit bestehende Einrichtungen erhalten bleiben, f inanziell unterstützt und natürl ich auch die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter entsprechend entlohnt werden. Ragnar Fritz erklärt dazu, dass es hier nicht nur um Entlohnung gehe, sondern um die Sicher-stellung von langfristigen Arbeitsverhältnissen, da in der Arbeit mit Kindern und Jugendlichen ja Beziehungs-arbeit geleistet wird und die braucht eben Kontinuität der Mitarbeiter.

Andrea SchletzTermine und Infos:jugendverschwindet.blogsport.de

H e i m w e h nach einer sicheren ZukunftDie Initiative „Jugend verschwindet" protestiert gegen Sozialabbau. Etwa 300 Berliner Kinder, Jugendliche und Sozialarbeiter trafen sich am 24. September 2010 vor dem Roten Rathaus, um gegen weitere Kürzungen bei der Kinder- und Jugendarbeit zu demonstrieren. Bis zum Jahre 2020 will der Berliner Senat hier 2,7 Millionen Euro einsparen.

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Jugendliche machen unter Tüchern und Laken auf ihr „Verschwinden“ aufmerksam

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Im kleinen Seminarraum, der gleichzeitig für Ausstel-lungszwecke genutzt wird, rockte am Abend nach dem Auftritt des israelischen Punkrock-Duos „Next Attack“ die legendäre Berliner Rotzgörenband „The StattMat-ratzen“. Nicole Hahl, die Sängerin und Gitarristin der All-Lady-Punkband, arbeitet als freie Mitarbeiterin in der Punkfanzine-Abteilung und im Bereich Presse- und Öffent-lichkeitsarbeit im Archiv der Jugendkulturen. Sie und die drei anderen Frauen der Band finden diese Einrichtung einzigartig, weil es die gesamte Bandbreite der Jugend-kulturen dokumentiert. Angefangen von den Punks der 70er über die Skinheads, Popper und Indies bis hin zu noch relativ jungen Emos.

Das Archiv zeigt Einstellungen und Beweggründe der Vertreter einzelner Jugendkulturen auf und hilft so, die Jugendlichen und die Probleme ihrer Zeit besser zu durchschauen. Denn um ein eigenständiger Mensch zu werden, so die StattMatratzen, muss ein Jugendlicher sich nach und nach von seinen Eltern abkapseln und sich neue Bezugspersonen suchen. Er braucht eine Gegen- und Subkultur, zu der seiner Eltern ein wichtiger Schritt zum Erwachsenwerden. Viele vergessen das leider im Laufe ihres Lebens. Das Berliner Archiv der Jugendkulturen wirkt

rocken für Erhalt des JugendarchivsUm die drohende Schließung des Archivs der Jugendkulturen zu verhindern, veranstalteten die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter am 25. September 2010 einen Tag der offenen Tür unter dem Motto: (K)EINE ZUKUNFT FÜRS ARCHIV. Bis zum 31. Oktober 2010 müssen 100.000 Euro an Spenden für die Gründung einer Stiftung zusammenkommen.

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Infos: Archiv der Jugendkulturen e.V.Fidicinstraße 3, 10965 BerlinTel.: 030-694 29 34E-Mail: archiv@jugendkulturen.dewww.jugendkulturen.dewww.stattmatratzen.de

Veranstaltungstipp:Vom 15. Oktober bis 11. Novemer 2010 veranstaltet der Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg die „Interkulturellen Wochen“. Das Archiv der Jugendkulturen beteiligt sich an der Veranstaltungsreihe mit mehreren Graffiti/Streetart-Touren durch Kreuzberg und Vorträgen und Workshops zum Thema „Kann Islam cool sein? Islamische Jugendkulturen in Deutschland“. Infos unter: www.jugendkulturen.de www.interkreuzhain.de

diesem Vergessen entgegen. Deshalb braucht das Archiv eine Zukunft!

Andrea Schletz

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Das Hauptziel für Lebensmittelproduzenten und Händler ist die Kostenminimierung und Gewinnsteigerung. Hierfür lassen sich die Marketingstrategen einiges einfallen, um immer wieder „neue“ Produkte an den Verbraucher zu bringen. Da wird für Essen geworben, das uns fit, schlauer oder entspannter macht. Das nennt sich dann Functional Food. Das Aufpeppen der Nahrungsmittel mit Farbstoffen, Aromen, Geschmacksverstärkern, Vitaminen, Süßstoffen und allem, was der Chemiebaukasten hergibt, ist ja leider zum Standard geworden. Erdbeeraroma wird aus Holzspänen hergestellt, der Zusatzstoff E330 wird für Zitronenkuchen und WC-Reiniger verwendet. Viele Produkte werden mit Vitaminen und Mineralien angereichert und als besonders wertvoll angepriesen. Dabei ist dies unnötig, denn bei einer ausgewogenen Ernährung bekommt unser Körper alle Nährstoffe, die er braucht.

Die Meinungen hierüber könnten unterschiedlicher nicht sein. Die Industrie verteidigt den Gebrauch bestimmter Zusatzstoffe mit dem Verweis auf ihre Unschädlichkeit, wie zum Beispiel beim Süßstoff Aspartam. Unabhängige Studien sehen diesen Stoff als potenziell gesundheitsschädlich an. Wem soll man da glauben? Viele Zivili-sationskrankheiten wie Übergewicht, Diabetes und Allergien sind auch einer mangelhaften beziehungsweise einseitigen Ernährung zuzuschreiben. Inwieweit Zusatzstoffe wie z.B. der Geschmacks-verstärker Mononatrium-Glutamat eine krankmachende Wirkung haben, ist immer noch unklar bzw. umstritten. Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung e.V. sieht einen mäßigen Konsum von Glutamat als unproblematisch an, wohingegen die Verbrau-cherschutzorganisation Foodwatch da sehr viel skeptischer ist und auf den Heißhungereffekt beim Verzehr glutamathaltiger Speisen hinweist.

Hier stellt sich schon die Frage, ob Profitstreben dem Verbrau-cherschutz übergeordnet wird. Fertiggerichte und Knabbersnacks enthalten oft sehr viel Glutamat und bei starkem regelmäßigem Verzehr veröden die Geschmacksnerven und dann schmeckt alles ziemlich gleich. Um sich den Geschmack nicht rauben zu lassen, sollte man öfter mit frischen Zutaten kochen. Außerdem kann man sein eigenes Konsumverhalten überdenken, indem man regionale, saisonale und ökologische Produkte kauft. Eine selbst gemachte Suppe, Mahlzeit oder ein selbst kreiertes Dessert schlagen Fertigprodukte um Längen. Kochen will allerdings gelernt sein und in dieser ach so schnelllebigen Zeit ist Essen für viele ein lästiges, aber notwendiges Übel. Dabei muss man sich nur die Zeit nehmen, denn Kochen ist erlernbar. Kochen mit

Freunden macht Spaß und ist meist auch günstiger als teure Fertiggerichte.

Durch die industrialisierte Nahrung geht die Esskultur verloren. Packung aufreißen und ab in die Mikrowelle – fertig ist der Pamps. Mit Kultur und Genuss hat das nur wenig zu tun. Im Überfluss der Konsumgesellschaft ist uns der Respekt gegenüber Lebensmitteln und ihrer Gewinnung abhanden gekommen. Durch Massentierhaltung und den Anbau von Monokulturen im globalisierten Rahmen trägt unsere Überflussgesellschaft zu Armut, Hunger, Umweltzerstörung und Klimawandel maßgeblich bei. Wir sollten anfangen, etwas zu verändern. Ob das nun heißt, Vegetarier oder Veganer zu werden, den Fleischkonsum einzuschränken oder nur gentechnikfreie Produkte zu kaufen, bleibt jedem selbst überlassen. Wichtig ist, dass wir als Verbraucher kritisch sind, uns organisieren und aktiv werden. Wie das geht, erfährt man z.B. auf den Internetseiten foodwatch.de und abgespeist.de – außerdem findet man dort eine Mogel-Liste mit Etikettenschwindeln verschiedener Hersteller.

„Du bist was du isst“, lautet ein beliebter Spruch. Doch wer weiß denn heutzutage überhaupt noch, was in unseren Lebensmitteln und Getränken enthalten ist. Die industrielle Massenproduktion von Nahrungsmitteln sorgt in vielen Ländern für prall gefüllte Regale, doch Quantität heißt nicht gleich Qualität.

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Prost Mahlzeit – Schöne neue Lebensmit telwelt?!

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09Prost Mahlzeit – Schöne neue Lebensmit telwelt?!

Machen Kartoffeln dick?Es kommt darauf an, in welcher Form man den sogenannten „Erdapfel“ zu sich nimmt.

Chips und Pommes Frites sind Dickmacher, Kartoffelbrei schon weniger und die Pellkartoffel ist unbedenklich, denn die Kartoffel als solche besteht hauptsächlich aus Wasser und Stärke und erst die Zugabe von Fett macht sie zu einem Dickmacher.

Eier = viel CholesterinEier enthalten zwar viel Cholesterin, richtig ist auch, dass zu viel Cholesterin Herz und Gefäße belastet, aber entscheidend ist, dass Eier sich nicht auf den Choleste-rinspiegel niederschlagen. Offenbar bilden die Darmzellen einen natürlichen Filter gegen das „Hühnerei-Cholesterin“, es erhöht also nicht unseren Cholesterinspiegel.

Eier sind gesund, sie enthalten viel Vitamin D, B und K, Mineralstoffe und Jod – das alles ist für jeden Körper zwingend nötig. Außerdem findet sich reichlich Eiweiß im Ei – das macht satt und hilft den Schlankheitsbewussten.

SpinatZu Spinat gibt es zwei Geschichten, er enthält viel Eisen und man darf ihn nicht wieder aufwärmen.

Das mit dem Eisengehalt bei Spinat ist so: Vor 100 Jahren hat sich jemand beim Schreiben einer Nährwert-Tabelle um eine Kommastelle vertan. Seit dieser Zeit wird dem Spinat 10-mal mehr Eisen zugesprochen, als er wirklich hat. Der tatsächliche Eisengehalt von 2,9 mg in 100 g Spinat wurde plötzlich zu 29 mg.

Beim Aufwärmen von Spinat geht es darum: Spinat enthält von Natur aus viel Nitrat und wenn Spinat lange bei Zimmer-temperatur herumsteht, kann Nitrat durch Bakterien zu

Nitrit umgewandelt werden, das in Verbindung mit eiweiß-haltigen Lebensmitteln Nitrosamine bildet, die wiederum krebserregend sind.

Ausserdem kann Nitrit mit dem roten Blutfarbstoff reagieren und ihn so umwandeln, dass kein Sauerstofftransport mehr möglich ist. Diese Reaktion ist aber nur für Säuglinge im ersten Lebenshalbjahr von Bedeutung, deren Enzymsystem noch nicht ausgereift ist.

Junge Säuglinge (bis 6 Monate) sollten daher keinen Spinat oder anderes nitratreiches Gemüse erhalten.

Macht Schokolade glücklich?Serotonin ist ein Botenstoff, der im Gehirn „Gute Laune" auslösen kann. Mit dem Griff zur Schokolade sorgen wir dafür, dass der Serotoninspiegel im Gehirn und damit unsere Stimmung steigt. Allerdings baut sich der durch Zucker oder Schokolade gewonnene Serotoninspiegel auch genauso rasch wieder ab und nicht nur das: Meistens ist nach dem Schokogenuss der Blutzuckerspiegel sogar noch niedriger als vorher. Das kurze Glück endet mit noch mehr Hunger und noch schlechterer Laune – und mit dem Verlangen nach Wiederholung. Die Folge: mehr Pfunde auf den Hüften. Das verursacht dann erst recht schlechte Stimmung.

Macht Abends essen dick?Nein. Sonst gäbe es wohl besonders viele übergewichtige Spanier, Griechen und sonstige Südeuropäer, die ihr Abendessen recht spät einnehmen. Für die Gewichts-zunahme ist lediglich entscheidend, was und wie viel man am Tag isst – und nicht wann. Wer mehr zu sich nimmt, als er verbraucht, nimmt zu – egal zu welcher Tageszeit er nascht und schlemmt.

An Apple a day – keeps the doctor awayTatsächlich steckt viel Nährwert in der Frucht mit dem irreführenden lateinischen Namen „Malus", zu deutsch Übel, Leid und Unheil. Der Apfel enthält über 30 Mineral-stoffe und Spurenelemente, zu erwähnen ist vor allem Kalium, das den Wasserhaushalt reguliert, und Eisen. Auf Grund der vielen verschiedenen Fruchtsäuren gilt er als so genannte Zahnbürste der Natur. Er enthält wichtige Vitamine und was er besonders gut kann, ist die Darmtätigkeit regulieren. Er enthält Pektin, das den Cholesterinspiegel senkt, Schadstoffe bindet und wieder ausschwemmt. Wissen-schaftliche Untersuchungen geben außerdem Hinweise, dass Apfelesser seltener an Bronchial- und Lungenkrank-heiten leiden. Und er soll das Krebsrisiko mindern. Äpfel kann man zu jeder Tageszeit essen, denn ein Apfel vor dem Schlafengehen verhindert Schlafstörungen, ein Apfel am Morgen hilft beim Wachwerden.

Es gibt viele widersprüchliche Aussagen über Lebensmittel: Eier hätten zu viel Cholesterin, Spinat dürfe man nicht wieder aufwärmen, Schokolade mache glücklich oder doch nur dick ... usw.Wir versuchen den aktuellen Stand der Wahrheiten und Irrtümer bei einigen Lebensmitteln zu beleuchten.

Machen Kartoffeln dick?Wa h r h e i t e n u n d I r r t ü m e r ü b e r L e b e n s m i t t e l

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Mischköstler ernähren sich sowohl von pflanzlichen als auch von tierischen Produkten. Mischkost ist im westlichen Kulturkreis die übliche Ernährungsform.

Lacto-Vegetarier essen keine Eier, jedoch Milchprodukte wie Käse, Sahne, Quark und Joghurt. Sie sind besonders in Indien stark vertreten, dort aber aus religiösen Gründen.

Ovo-Vegetarier essen keine Milchprodukte, jedoch Eier. Hier liegen meist gesundheitliche Gründe vor, beispielsweise eine Laktose-Allergie.

Ovo-Lacto-Vegetarier essen Eier und Milchprodukte. Sie gelten in Europa als die am weitesten verbreitete Form der Vegetarier.

Pesci-Vegetarier (auch Ovo-Lacto-Pescetarier) essen neben Eiern, Milchprodukten auch Fisch und teilweise Meeresfrüchte. Meist handelt es sich dabei um Menschen, die aus gesundheitlichen Aspekten auf Fleisch verzichten. Jedoch wird diese Gruppe nicht von vegetarischen Verbänden anerkannt, da sie Fische essen, die ganz ohne Zweifel Tiere sind.

Veganer sind die strengsten Vegetarier und konsumieren generell keine tierischen Produkte. Sie legen daher häufig auch bei Kleidung (z.B. Leder, Wolle) und anderen Gegenständen des Alltags (z.B. Seife, Kosmetika) Wert auf Tierproduktfreiheit.

Makrobiotiker teilen nach alten taoistischen Grundprin-zipien alle Lebensmittel nach ihrer angeblichen energe-tischen Eigenschaft in Yin und Yang ein. Falls die Ernährung zu sehr in eine Richtung geht, wirkt sich das nach chinesischer Medizin schlecht auf den Körper aus. Für ein langes und gesundes Leben sollte man daher immer das Gleichgewicht zwischen Yin und Yang halten. Wichtigste Nahrungsgrundlage der Makrobiotik ist generell das ganze Korn verschiedener Getreidearten, vor allem Reis und verschiedene Gemüsesorten sowie Algen, da diese aufgrund ihrer energetischen Eigenschaft neutral sind.

Freeganer und GeObber sind in der Regel Veganer, die auf Lebensmittel, die etwas kosten, verzichten. Der Freega-nismus wendet sich gegen den Kapitalismus und die damit verbundene Konsumgesellschaft sowie dessen Folgen, wie z.B. Massen-Tierhaltung. Gegessen wird nur das, was zum Beispiel in der Natur gesammelt wurde oder was Hersteller oder Händler weggeworfen haben. Den Aspekt auf tierische Produkte zu verzichten, nehmen allerdings nicht alle Freeganer so ernst (im Gegensatz zu den GeObbern).

Vollwertköstler achten vor allem auf gesunde naturbe-lassene Ernährung. Sie nehmen zwar auch Fleisch, Fisch, Milchprodukte und Eier zu sich, allerdings machen diese Produkte nur einen sehr geringen Bestandteil ihrer Nahrung

aus. Gewöhnliche Nudeln bzw. Reis oder auch gewöhnliches Brot nehmen sie in der Regel nicht zu sich, da diese aus geschälten Produkten bestehen und sie auf die Naturbe-lassenheit ihrer Ernährung großen Wert legen.

Rohköstler sind Veganer und Vegetarier, die, wie der Name schon sagt, alles roh essen. Die meisten von ihnen lehnen auch Milchprodukte und Eier ab.

Sonnenköstler ernähren sich ausschließlich von pflanz-lichen Produkten, die an Bäumen oder Sträuchern wachsen (die also Sonne abbekommen haben), damit die Pflanze weiterleben kann.

Frutarier ernähren sich wie Sonnenköstler auch von pflanz-lichen Produkten, die an Bäumen oder Sträuchern reifen, die aber, ihrer Ansicht nach, nur freiwillig von der Natur zum Verzehr hergegeben werden, wie z.B. Fallobst.

Instinktos lassen sich durch ihren Instinkt leiten, welche Art Nahrung gerade gut für ihren Körper ist. Sie nehmen auch nur Rohkost zu sich, aber eben auch rohes Fleisch, rohen Fisch und rohe Eier. Auf das Frühstück wird ganz verzichtet und zu den anderen Mahlzeiten wird von den vorhandenen Lebensmitteln instinktiv nur ein einziges herausgepickt und verzehrt.

Urköstler orientieren sich an den Ernährungsgewohn-heiten der frühen Menschen vor Beginn von Ackerbau und Viehzucht, dabei wird auch die Ernährungsweise des Affen miteinbezogen. Sie essen nicht einmal Getreide, dafür aber Früchte, Wurzeln, Samen, Insekten, Wildpflanzen, Blätter und Gräser. Übrigens: In der Regel putzen sie sich auch die Zähne nicht mit Zahnpasta, weil Affen das schließlich auch nicht tun. So genannte Paläo-Anhänger nehmen die Urzeit-Philosophie sogar so ernst, dass sie überwiegend rohes Fleisch essen.

Du bist was Du isst...Hier eine Auswahl der gängigsten und ungewöhnlichsten Ernährungsformen. Was isst Du?

Slow Food wurde in Italien unter den Namen „Arcigola“ im Jahre 1986 gegründet. Auf der Suche nach zuverlässigen Weingütern nach einem Wein-Skandal wurde entdeckt, dass die traditi-onelle Küche fast ausgestorben war. Das war der Anfang einer internationalen Bewegung, die seit dem Jahre 1992 auch in Deutschland existiert.Es geht um regionale Produkte, kurz gesagt darum, mehr Bewusstsein für saisonale Produkte mit einem kurzen Transportweg zu wecken, um eine artgerechte Tierhaltung, um traditionelles Bäckerhandwerk, darum, Händler und Konsumenten miteinander in Verbindung zu bringen und die Herkunft des Essens zu kennen. Genuss und Lebensfreude werden hoch gepriesen, man könnte es auch als eine Gegenbewegung zu Fast Food bezeichnen. VERONIKA

Slow FoodFreunde des guten Geschmacks

André Nell

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Die Vorliebe für den süßen Geschmack scheint angeboren zu sein. Das Fruchtwasser – welches das ungeborene Kind umgibt – und die Muttermilch haben einen süßlichen Geschmack. Selbst Tiere, wie Bären oder Ameisen, bevorzugen Süßes. Mit Vorliebe für Süßes ist jedoch nicht die Vorliebe für Gummibärchen gemeint! Die Liebe zu Snacks und Süßigkeiten hat selbstverständlich keine genetischen Ursachen. Salz wird von unserem Körper

gebraucht, ist jedoch heute so weit verbreitet, dass es die lebensnotwendige Salzmenge mehrfach übersteigt. Fett ist Geschmacksträger, deshalb schmecken auch fettreiche Speisen so gut. Gegen den bitteren Geschmack haben schon Babys eine Abneigung, was auch sinnvoll ist, weil viele giftige Pflanzen bitter schmecken. Die Abneigung gegen Bitterstoffe dauert allerdings nicht lebenslang an – dafür ist Kaffee ein Beispiel. Die empfundene „Schärfe“ beim Speisen ist in Wirklichkeit kein Geschmack, sondern eine Art Schmerzempfindung auf der Zunge.

Die allererste Geschmacksprägung findet also im Mutterleib statt. Das Fruchtwasser schmeckt anders, je nachdem, was die Schwangere zu sich nimmt. Dadurch lernt man Essgewohnheiten der Mutter und der Kultur kennen. Über die Muttermilch werden Kinder mit vielen Geschmackserlebnissen konfrontiert. Daher sind sie später weniger wählerisch und haben eine höhere Akzeptanz, wenn sie mit solchen Lebensmitteln in Kontakt kommen. Die Vorlieben der Eltern prägen in der frühen Kindheit die Vorlieben des Kindes. Wer als Kind nur industrielle Fertig-produkte isst, gewöhnt sich an solches Essen und würde Sellerie oder Zucchini bei Geschmacks-Experimenten sehr wahrscheinlich nicht erkennen.

Die ausgeprägten Grundgeschmacksrichtungen „salzig“ und „süß“ scheinen Jugendliche anzulocken. Bei einem übermäßigen Verzehr von salzigen Snacks, süßen Limonaden oder einheitlich schmeckenden Fertigprodukten besteht jedoch die Gefahr, dass sich der Geschmackssinn mit der Zeit abstumpft. Kleine Experimente mit Lebensmitteln und Essen können dazu beitragen, dass ein bewusstes Ess- und Trinkverhalten entdeckt wird. Solche Experimente können auch im Unterricht Spaß machen.

G E S C H M A C K S S A C H EStufen der Geschmacksentwicklung und die fünf Grundgeschmacksrichtungen salzig, sauer, süß, bitter und umami*

*herzhaft, fleischig, wohlschmeckend

Veronika

Was wir als lecker und was wir als ungenießbar betrachten, ist durch Kultur und Gewohnheit beeinflusst

Unterschiedliche EsskulturenDer Geschmack wird, abgesehen von den angeborenen Unterschieden und Präferenzen, von der jeweiligen Landesküche und Esskultur geprägt. Daher werden dieselben Lebensmittel von einer Kultur geschätzt und bei anderen völlig abgelehnt. Was wir als lecker und was wir als ungenießbar betrachten, ist kulturell beeinflusst. Außerdem kommt dazu, dass die Entwicklung des Geschmacks auch auf einem Lernprozess beruht. Je häufiger man in der Kindheit eine Speise isst, desto höher wird die Akzeptanz für diesen Geschmack später sein. Dadurch wird ein guter Geschmack durch Wiederholung und Gewohnheit gelernt und vertraut. Der Geschmack des Essens vermittelt nicht nur in der Kindheit, sondern auch später im Leben, eine Art Geborgenheit und Vertrautheit und führt zur Integration in bestimmte ethnische und soziale Gruppen. Es besteht eine Zugehörigkeit durch das Essen. Essen verbindet eben.

Wie die fünf Sinne mitessen:SchmeckenAn den Rändern der Zunge befinden sich Papillen mit Geschmacksknospen, hier befinden sich mehrere Dutzend Sinneszellen. Je nach Zungenregion werden bestimmte Geschmacksrichtungen wahrgenommen. Bitter im hinteren Teil der Zunge, sauer am mittleren Seitenrand, salzig weiter vorne und süß an der Zungenspitze.

RiechenDer Riech- und Geschmackssinn ist kaum voneinander zu trennen. Die Lebensmittelaromen gelangen nämlich über den Rachenraum in die Nase. Das wird deutlich, wenn man erkältet ist oder sich die Nase zuhält.

SehenDas Auge ist einer unserer wichtigsten Qualitätsprüfer. Wir können auf einen Blick erkennen und kategorisieren, ob ein Lebensmittel appetitlich oder unappetitlich aussieht. Nicht umsonst wird gesagt: „Das Auge isst mit“.

HörenBeim Essen spielt Hören eine wichtige Rolle. In der Werbung wird gezielt darauf gesetzt. Chips werden mit Knackge-räuschen angeworben. Auch wenn wir die Qualität der Produkte prüfen, kommt dieser Sinn zum Einsatz. Wenn eine Möhre beim Anbeißen nicht knackt, ist sie nicht mehr frisch.

TastenAuch der Tastsinn hat mit unserer Ernährung zu tun. Wieso sollten wir sonst Obst und Gemüse im Supermarkt antasten? Schließlich wollen wir feststellen, ob die Früchte reif sind.

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Wer isst was?FLUX fragte im Kinder- und Jugendkulturzentrum Alte Feuerwache e.V. Kreuzberg nach, welche Rolle das Thema Ernährung für Jugendliche spielt

Seitdem der Mensch Ackerbau betreibt, feiert er das Ende der Ernte als kultisches Fest, zum Dank für die empfangene und zur Beschwörung der neuen Frucht. Das Laubhüttenfest in Israel wird sogar als Abschlussern-tefest, das auch die Wein- und Olivenlese einschließt, für die Dauer von sieben Tagen gefeiert und steht unter dem biblischen Motto „Freue dich an deinem Fest" (5. Mose 16,13); Freude und Heiterkeit verbunden mit Tanz, Umzug, Essen und Trank gelten aber nicht nur als Grundcharakter dieses Festes in Israel, sondern stehen für alle Völker. Auf deutschem Gebiet beschränkt sich das Erntedankfest auf die Getrei-deernte und nimmt die Hackfruchternte nicht mit; erstaunlich ist hierbei, dass sich für die evangelische Kirche erst recht spät, in Preußen 1773, ein verbindlicher Termin auf den ersten Sonntag nach Michaelis festlegt – heute gilt der erste Sonntag im Oktober fast immer mit dem Sonntag nach Michaelis identisch. Die katholische Kirche hingegen kennt kein allgemein verordnetes Erntedankfest: Es wird an einem beliebigen Sonntag im Herbst, nach Tradition und Gegebenheiten in den Diözesen und Pfarreien gefeiert. Die Gottesdienste unterscheiden sich in den Liturgien nicht von den anderen Sonntagen des Jahreskreises, lediglich durch den Aufbau von Feld- und Waldfrüchten am Altar wird die Ernte symbolisch dargestellt. Diese Opfergabe, urtypisch bereits durch die

ersten Menschensöhne Kain und Abel aufgezeigt – dem Tun Kains „von der Frucht des Feldes Gott eine Opfergabe zu geben" folgt das Viehopfer Abels (1. Mose 4,3,4) – dient der Beschwich-tigung der unwägbaren Mächte, z.B. dem Wetter, die, trotz aller mensch-lichen Arbeit und Vorsorge, die Reifezeit der Frucht stets begleiten. Gott sollte von all dem eine Gabe erhalten, das er im Ganzen gab. Vielerorts wurde so bereits der Anschnitt des Getreides mit einer kultischen Handlung bzw. einem Gottesdienst eingeleitet. Aber auch Volksbräuche, so die Sitte des Anbindens, begleiteten die Erntearbeit: Dem Mann, der ohne Zuteilung zur Arbeit das Feld betrat, banden die Mädchen eine Schnur um den Arm, bis er sich durch eine Gabe davon löste. Im Anhaltinischen sagte man dazu: „Ich höre ein Vögelchen singen, ich soll den gnädigen Herrn anbinden, nicht zu dicht und nicht zu fest, er wird sich lösen aufs allerbest." Diese Schnur ist im Festbrauch dieselbe, die dem Brautpaar über den Hochzeitsweg gespannt wird, bis selbiges durch eine Gabe den freien Weg wieder einlöst. Besondere Bedeutung bei der Ernte hat auch die letzte Garbe. In Brandenburg wurde sie „Vergodendeel" (= Teil, der Gott gehört) genannt und noch weiter zurück führt die Bezeichnung „Waulstock". Hier wird die letzte Garbe umtanzt und dem heidnischen Gott Wodan mit den Rufen "Waul, Wold oder Wode" geweiht. Auf denselben Gott

E R N T E DA N K F E S T

erg

V E R G E S S E N E F E S T E

Auszubildende, 19 JahreFLUX: Was isst und trinkst du, bevor du in die Schule gehst?Ich esse entweder nichts oder eine Schüssel Cornflakes. Dazu trinke ich einen Kaffee.FLUX: Nimmst du Essen und Trinken von zu Hause mit in die Schule?Manchmal belegte Brote. Trinken immer.FLUX: Hast du oder auch mit Freunden schon einmal gekocht oder gebacken?Ich koche öfters mit Freunden und backe eher selten.FLUX: Was isst und trinkst du am liebsten?Ich esse am liebsten Nudeln und Salat und trinke gern Leitungswasser.FLUX: Kennst du die Nährwert- bzw. Inhaltsangaben auf den Verpackungen von Lebensmitteln und was kannst du damit anfangen?Kenne ich. Kann aber nicht viel damit anfangen.FLUX: Wie wird das Thema Ernährung in der Schule behandelt?Das Thema Ernährung wird nicht sehr intensiv behandelt – meiner Meinung nach.

Auszubildende, 19 JahreFLUX: Was isst und trinkst du, bevor du in die Schule gehst?Ich esse entweder nichts oder eine Schüssel Cornflakes. Dazu trinke ich einen Kaffee.FLUX: Nimmst du Essen und Trinken von zu Hause mit in die Schule?Manchmal belegte Brote. Trinken immer.FLUX: Hast du oder auch mit Freunden schon einmal gekocht oder gebacken?Ich koche öfters mit Freunden und backe eher selten.FLUX: Was isst und trinkst du am liebsten?Ich esse am liebsten Nudeln und Salat und trinke gern Leitungswasser.FLUX: Kennst du die Nährwert- bzw. Inhaltsangaben auf den Verpackungen von Lebensmitteln und was kannst du damit anfangen?Kenne ich. Kann aber nicht viel damit anfangen.FLUX: Wie wird das Thema Ernährung in der Schule behandelt?Das Thema Ernährung wird nicht sehr intensiv behandelt – meiner Meinung nach.

bezogen ist auch der für Mecklenburg seit 1593 belegte Spruch: „Wode, Wode, hal dinem Roß nu Vodder, nu Distel und Dorn, bring jächter Juahr beter Korn." Wodan wird angerufen, dass er seinem Pferd nun Futter hole, jetzt Distel und Dorn, im nächsten Jahr jedoch besseres Korn. Neben „Oswald-büschel" und „Peterbült" – weiteren Synonymen dieses Heiligen – trägt die letzte Garbe aber auch weibliche Namen, so „Frau Holle" oder „Kornmutter" in der Provinz Sachsen. Beim Tanz und Spiel um die letzte Garbe ist auch das bereits bei anderen Festtagen geübte „Hahnenschlagen" wieder an seinem Platz: Mädchen schlagen mit einem Dreschflegel nach dem in der Erde unter einem Topf sitzenden Hahn, bis er tot ist. Dieses Spiel wurde jedoch wegen Tierquälerei im 20. Jahrhundert verboten, nachdem es aus selbigem Grund im 19. Jahrhundert vielerorts schon aufgegeben war. Im „Hahnentanz" überlebte es jedoch als Relikt des archaischen Brauchs, mit dem Blut eines toten Hahns die Erde wieder zu befruchten. Das Erntedankfestes endet schließlich mit einer abendlichen Feier, nachdem die letzte Fuhre mit bunten Bändern und einem kunstvoll geflochtenen Erntekranz oder einer Erntekrone geschmückt, eingebracht ist. Diese Festgebinde werden an den Erntewart übergeben, der sie in seinem Hausflur bis zur Wiederkehr des Festes aufbewahrt.

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Interviews: Andrea Schletz

Schülerin, 12 JahreFLUX: Was isst und trinkst du, bevor du in die Schule gehst?Nutella-Brot und Kakao.FLUX: Nimmst du Essen und Trinken von zu Hause mit in die Schule?Ja. Manchmal kaufe ich mir auch was vom Bäcker.FLUX: Hast du oder auch mit Freunden schon einmal gekocht oder gebacken?Ja!FLUX: Was isst und trinkst du am liebsten?Pizza und Kakao.FLUX: Kennst du die Nährwert- bzw. Inhalts-angaben auf den Verpackungen von Lebens-mitteln und was kannst du damit anfangen?Manchmal schaue ich es mir an.FLUX: Wie wird das Thema Ernährung in der Schule behandelt?Gar nicht.

Schülerin, 12 JahreFLUX: Was isst und trinkst du, bevor du in die Schule gehst?Nutella-Brot und Kakao.FLUX: Nimmst du Essen und Trinken von zu Hause mit in die Schule?Ja. Manchmal kaufe ich mir auch was vom Bäcker.FLUX: Hast du oder auch mit Freunden schon einmal gekocht oder gebacken?Ja!FLUX: Was isst und trinkst du am liebsten?Pizza und Kakao.FLUX: Kennst du die Nährwert- bzw. Inhalts-angaben auf den Verpackungen von Lebens-mitteln und was kannst du damit anfangen?Manchmal schaue ich es mir an.FLUX: Wie wird das Thema Ernährung in der Schule behandelt?Gar nicht.

Vivien, 14 JahreFLUX: Was isst und trinkst du, bevor du in die Schule gehst?Immer nur Cornflakes mit Milch.FLUX: Nimmst du Essen und Trinken von zu Hause mit in die Schule?Ja oder halt Geld.FLUX: Hast du oder auch mit Freunden schon einmal gekocht oder gebacken?Ja, klar!FLUX: Was isst und trinkst du am liebsten?Mein Lieblingsessen ist Pommes, Spaghetti und am liebsten trinke ich Cola.FLUX: Kennst du die Nährwert- bzw. Inhalts-angaben auf den Verpackungen von Lebens-mitteln und was kannst du damit anfangen?Meistens achte ich darauf.FLUX: Wie wird das Thema Ernährung in der Schule behandelt?Wir hatten das Thema zweimal.

Vivien, 14 JahreFLUX: Was isst und trinkst du, bevor du in die Schule gehst?Immer nur Cornflakes mit Milch.FLUX: Nimmst du Essen und Trinken von zu Hause mit in die Schule?Ja oder halt Geld.FLUX: Hast du oder auch mit Freunden schon einmal gekocht oder gebacken?Ja, klar!FLUX: Was isst und trinkst du am liebsten?Mein Lieblingsessen ist Pommes, Spaghetti und am liebsten trinke ich Cola.FLUX: Kennst du die Nährwert- bzw. Inhalts-angaben auf den Verpackungen von Lebens-mitteln und was kannst du damit anfangen?Meistens achte ich darauf.FLUX: Wie wird das Thema Ernährung in der Schule behandelt?Wir hatten das Thema zweimal.

Schülerin, 16 JahreFLUX: Was isst und trinkst du, bevor du in die Schule gehst?Meistens gar nichts.FLUX: Nimmst du Essen und Trinken von zu Hause mit in die Schule?Selten. Wenn dann nur ein Brot und eine Flasche Apfelschorle. Meistens kaufe ich eine Kleinigkeit vom Bäcker.FLUX: Hast du oder auch mit Freunden schon einmal gekocht oder gebacken?Ich habe einmal mit einer Freundin Manti gemacht. Das ist ein türkisches Gericht.FLUX: Was isst und trinkst du am liebsten?Ich esse am liebsten Bulgur (Weizengrütze) und Sprite.FLUX: Kennst du die Nährwert- bzw. Inhalts-angaben auf den Verpackungen von Lebens-mitteln und was kannst du damit anfangen?Nein, kenne ich nicht.FLUX: Wie wird das Thema Ernährung in der Schule behandelt?Bei mir in der Schule wird darüber nicht geredet.

Schülerin, 16 JahreFLUX: Was isst und trinkst du, bevor du in die Schule gehst?Meistens gar nichts.FLUX: Nimmst du Essen und Trinken von zu Hause mit in die Schule?Selten. Wenn dann nur ein Brot und eine Flasche Apfelschorle. Meistens kaufe ich eine Kleinigkeit vom Bäcker.FLUX: Hast du oder auch mit Freunden schon einmal gekocht oder gebacken?Ich habe einmal mit einer Freundin Manti gemacht. Das ist ein türkisches Gericht.FLUX: Was isst und trinkst du am liebsten?Ich esse am liebsten Bulgur (Weizengrütze) und Sprite.FLUX: Kennst du die Nährwert- bzw. Inhalts-angaben auf den Verpackungen von Lebens-mitteln und was kannst du damit anfangen?Nein, kenne ich nicht.FLUX: Wie wird das Thema Ernährung in der Schule behandelt?Bei mir in der Schule wird darüber nicht geredet.

Julia, Auszubildende, 23 JahreFLUX: Was isst und trinkst du, bevor du in die Schule gehst?Ich frühstücke oft leider gar nichts, da ich erst später Hunger habe. Zeit für einen Kaffee und ein Stück Obst habe ich aber meistens.FLUX: Nimmst du Essen und Trinken von zu Hause mit in die Schule?Früher hatte ich immer Essen und Trinken mit in der Schule. Heute habe ich immer Wasser dabei und kaufe den Rest unterwegs.FLUX: Hast du oder auch mit Freunden schon einmal gekocht oder gebacken?Wir kochen regelmäßig in der WG.FLUX: Was isst und trinkst du am liebsten?Ich mag Club Mate und Tee und esse gern Pfannen-gerichte mit Reis oder Nudeln.FLUX: Kennst du die Nährwert- bzw. Inhalts-angaben auf den Verpackungen von Lebens-mitteln und was kannst du damit anfangen?Ja, ich kenne und verstehe sie teilweise.FLUX: Wie wird das Thema Ernährung in der Schule behandelt?Sehr wenig in meiner Schulzeit, aber in der Erzieher-Ausbildung, die ich mache, ist es allerdings ein Schwerpunkt-Thema.

Julia, Auszubildende, 23 JahreFLUX: Was isst und trinkst du, bevor du in die Schule gehst?Ich frühstücke oft leider gar nichts, da ich erst später Hunger habe. Zeit für einen Kaffee und ein Stück Obst habe ich aber meistens.FLUX: Nimmst du Essen und Trinken von zu Hause mit in die Schule?Früher hatte ich immer Essen und Trinken mit in der Schule. Heute habe ich immer Wasser dabei und kaufe den Rest unterwegs.FLUX: Hast du oder auch mit Freunden schon einmal gekocht oder gebacken?Wir kochen regelmäßig in der WG.FLUX: Was isst und trinkst du am liebsten?Ich mag Club Mate und Tee und esse gern Pfannen-gerichte mit Reis oder Nudeln.FLUX: Kennst du die Nährwert- bzw. Inhalts-angaben auf den Verpackungen von Lebens-mitteln und was kannst du damit anfangen?Ja, ich kenne und verstehe sie teilweise.FLUX: Wie wird das Thema Ernährung in der Schule behandelt?Sehr wenig in meiner Schulzeit, aber in der Erzieher-Ausbildung, die ich mache, ist es allerdings ein Schwerpunkt-Thema.

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Finanzierung, Ausbildung und AusstattungFür das Programm steht ein Etat von 20 Millionen Pfund Sterling (£) zur Verfügung, der aus Lottogeldern fi nanziert wird. Neu gegründete Koch-Clubs erhalten einmalig £500 für die Küchenausstattung. Laufende Kosten werden im ersten Jahr mit £500, im zweiten Jahr mit £1000 und im dritten Jahr mit £500 unterstützt. Zu Beginn erhalten zwei Erwachsene schrittweise eine Ausbildung zum Koch-Trainer. Einer zweistündigen Kurzeinführung in das Programm schließt sich ein zweitägiger Kochkurs an, der die Koch-Trainer auf ihre Aufgabe vorbereitet. Teilnehmen können Lehrer, Eltern oder engagierte Bürger. Beim Start-Up Day werden die erworbenen Kenntnisse an eine Gruppe von sechs Erwachsenen und Kindern weitergegeben. Die eigentlichen Kochkurse dauern pro Teilneh-mergruppe jeweils drei bis fünf Wochen, nach einer kurzen Pause geht die nächste Gruppe an den Start. Um die Gerichte zuhause nachkochen zu können, erhalten alle Teilnehmer unmittelbar nach der Zubereitung eine Kopie des Rezeptes. Die TeilnahmebedingungenFür jedes Schuljahr erhalten die Teilnehmer ein activity pack mit einer Fülle von Rezepten und Tipps sowie ein Start-Up pack, das u.a. Gesundheits-, Sicherheits- und Organisationshinweise sowie Materialien für die Öffentlichkeitsarbeit enthält. Auf der Let`s Get Cooking-Website fi nden sich jede Menge Infos

wie Einkaufslisten, Rezepte oder Aktivitäten anderer Clubs. Teilnehmen können Kinder und Jugendliche im Alter von 5 bis 18 Jahren sowie erwachsene Familienmitglieder. Die Schulen verpfl ichten sich über einen Zeitraum von drei Jahren mindestens 15 Kochtermine pro Jahr anzubieten, inklusive dreier größerer

Verstaltungen, etwa im Rahmen von Schulfesten. Jeweils ein Klassenlehrer und ein Club-Koordinator sind für die Umsetzung der vertraglich festgelegten Bedingungen zuständig.

Erste ResultateNach dem Start des Programms im März 2007 wurden bis zum ersten Halbjahr 2010 fast 4000 Koch-Clubs in das Programm aufgenommen und eine halbe Million Mitglieder gezählt. Geht es in diesem Tempo weiter, dürfte das Ziel, bis Ende 2012 die Koch- und Ernährungskenntnisse von 1,1 Millionen Kindern und Erwachsenen zu verbessern, noch übertroffen werden. Umfragen zeigen eine positive Resonanz: 59 Prozent der Teilnehmer stellen ihre Essgewohnheiten auf gesünderes essen um, während 90 Prozent die erlernten Gerichte zuhause selbst kochen. Darüber hinaus fi ndet jährlich ein landesweiter Kochwettbewerb, der so genannte „cookathon“ statt, an dem in diesem Jahr 50.000 Aktive an fast 200 Großveranstaltungen beteiligt waren. Die Gewinner wurden mit £1000 Preisgeld belohnt, acht weitere Clubs erhielten jeweils £250.

Kochen und Ernährung ab 2011 obligatorisch!Parallel zur Let`s Get Cooking-Kampagne startete die Vorgän-ger-Regierung das Programm Licence to Cook. Damit werden Ernährungskunde und Kochen ab 2011 für Schüler zwischen 11 und 14 Jahren verpfl ichtend. Ein Bildungsprogramm bereitet das Lehrpersonal auf die zuküftigen Aufgaben vor. Landesweit verfügen 85 Prozent der Schulen über eine oder mehrere Lehrküchen. Für die Einrichtung weiterer Lehrküchen stellt die Regierung einen Etat im Umfang von 150 Millionen Pfund Sterling zur Verfügung. Mehr Infos unter: www.letsgetcooking.org.ukwww.licencetocook.org.uk

Teil 1: Let´s Get CookingDie Let´s Get Cooking-Initiative in Großbritannien ist ambitioniert: Innerhalb von fünf Jahren soll ein Netzwerk von insgesamt 5000 Koch-Clubs an Schulen entstehen. Über eine Million Kinder, Jugendliche und Erwachsene lernen die Kunst des Kochens und das Wissen über gesunde Ernährung. Ein Projekt, das auch in anderen Ländern Schule machen könnte.

Verstaltungen, etwa im Rahmen von Schulfesten. Jeweils ein

15 Kochtermine pro Jahr anzubieten, inklusive dreier größerer

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Teil 2: Sarah Wiener Stiftung

Die Idee Die im Jahre 2007 gegründete gemeinnützige Stiftung hat sich zum Ziel gesetzt „die Ernährungssituation insbesondere von Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen nachhaltig zu verbessern“. Um dieses Ziel zu erreichen, wendet sich die Stiftung an Erwachsene, die als „Botschafter und Multiplikatoren“ das Wissen über gesunde Ernährung und Kochfertigkeiten an Kinder und Jugendliche weitergeben. Teilnehmer berichten, dass die von der Stiftung organisierten Kurse, das gemeinsame Kochen und Essen, viel Spaß macht.

Der ProgrammablaufUm an den Kochkursen teilnehmen zu können, sollten die betreffenden Schulen oder Einrichtungen über eine eigene Küche verfügen. Zunächst werden die Lehrer, Erzieher und Eltern in 1½ tägigen Weiterbildungskursen auf ihre Aufgabe als Lehrkraft vorbereitet und weitergebildet. Notwendige Rezepte, Organisationspläne, Einkaufslisten und das komplette didaktische Material stellt die Stiftung kostenlos bereit. Die anschließenden Kochkurse finden einmal wöchentlich in Gruppen von zehn bis zwölf Teilnehmern statt und dauern drei Monate. Sobald eine Koch-Gruppe ihren Kurs erfolgreich absolviert hat, startet die nächste Gruppe. Nach erfolgreichem Abschluss verleiht die Stiftung den Teilnehmern das Sarah Wiener Koch-Diplom.

Der ProgramminhaltDie Kochkurse sind in zwölf Module aufgeteilt. Pro Modul ist ein Veranstaltungstermin vorgesehen, der sich in der Regel auf eine Doppelstunde erstreckt. In den Modulen werden Themen wie Frühstück, Mittag- und Abendessen, aber auch Pausenbrote oder Fast Food behandelt. Im praktischen Teil kochen die Teilnehmer nach dem „Rezept des Tages“, beispielsweise Ratatouille (provenzalischer Gemüseeintopf) mit gemischtem Salat oder Spaghetti mit Gemüse-Bolognese und Salat. Zum Frühstück gibt es Gesundes: Müsli und Bananendrink. Um die Gerichte zuhause mit den Eltern zubereiten zu können, werden Rezepte und Infoblätter gratis verteilt.

Selbständiges Arbeiten Die Erfahrungen der Sarah Wiener Stiftung zeigen, dass viele Kinder und Jugendliche die erlernten Rezepte zuhause

tatsächlich nachkochen. Je nach Gestaltung des Projektes vor Ort gibt es die Möglichkeit, erforderliche Lebens-mittel selbst einzukaufen. Die Kursteilnehmer erwerben damit die Kompetenz, Einkaufslisten zu schreiben und das vorhandene Geld angemessen einzuteilen. Darüber hinaus

motiviert die Sarah Wiener Stiftung die Schulen, selbst Kräuter- und Gemüsegärten anzulegen und stellt dazu Gemüse- und Kräutersaatgut zur Verfügung. Über die dann selbst geernteten Lebensmittel lässt sich der Kreislauf der Lebensmittelerzeugung exemplarisch nachvollziehen. Fahrten zu Bio-BauernhöfenErgänzend zu den Kochkursen plant die Stiftung bis zum Jahresende,dass bundesweit über 2500 Kinder 100 Exkursionen zu Bio-Bauernhöfen unternehmen. Dort lernen die Teilnehmer vor Ort, wie Lebensmittel erzeugt und verarbeitet werden, wie der Arbeitsalltag auf einem Hof aussieht, Besonderheiten der ökologischen Landwirtschaft und vieles andere mehr. Die kostenfreien Ausflüge werden vom Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz gefördert.

Wichtiger Hinweis: Die Kochkurse der Sarah Wiener Stiftung sind für Eltern, Kinder und Schulen/Einrich-tungen kostenlos!Weitere Infos unter www.sarah-wiener-stiftung.org

Die Sarah Wiener Stiftung organisiert bundesweit Kochkurse für Kinder und Jugendliche an Schulen. Lehrer, Erzieher und Eltern erhalten von der Stiftung eine Weiterbildung, um anschließend selbständig Kochkurse anleiten zu können. Die bisherige Bilanz ist positiv: An den Kochkursen nehmen jährlich über 7000 junge Menschen teil, zusätzlich organisiert die Stiftung Exkursionen zu Bio-Bauernhöfen.

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Das E im Essen – Zusatz-stoffeBereits vor 9000 Jahren, als die Menschen lernten, mit dem Feuer umzugehen, begannen sie zu Räuchern. Vor 3000 Jahren färbte man erstmals die Lebensmittel, um sie frischer aussehen zu lassen. Aber schon Mitte des 15. Jahrhunderts kassierten zahlreiche Wein- und Lebensmittel-händler für das Verfälschen ihrer Waren die Todesstrafe. Sie mussten ihre eigenen gesundheitsschädlichen Lebensmittel so lange zu sich nehmen, bis sie daran starben. Doch auch die Regierungen hatten sich in der Vergan-genheit für Zusatzstoffe eingesetzt. Napoleon setzte im Jahre 1795 einen Preis von 12.000 Goldfranken für die Erfindung eines Verfahrens zum Haltbarmachen von Nahrungs-mitteln aus, mit dem Ziel, bei seinen

Feldzügen nicht so stark durch die Nahrungsmittelbeschaffung für die Soldaten beeinträchtigt zu sein. Erst Mitte des 19. Jahrhunderts gelang es, kostengünstig die ersten Zusatzstoffe synthetisch herzustellen. Damals arbeitete man noch überwiegend mit Teer-, Quecksilber- und Schwer-metallverbindungen, wodurch viele Menschen an Vergiftungserschei-nungen litten. Erst im Jahre 1887 wurden die ersten Giftstoffe verboten. Da damals die deutsche Farbindustrie 80 Prozent des Weltbedarfs an Lebens-mittelfarbstoffen abdeckte, war der Einfluss der hiesigen Industriebosse, die Verbote hinauszuzögern oder zu verhindern, stark genug.

An der schleppenden Regulierung der Politik hat sich bis heute wenig geändert. Angemessene Risikofor-schung wird verhindert, ist zu teuer

oder die Technikist dafür einfach noch nicht ausgereift genug. Die besten Ergebnisse bieten da Erfahrungswerte nach Veröffentlichung im Handel – die Verbraucher als Versuchskaninchen und zwar für insgesamt 120 Stoffe, für die es noch keine abschließende Bewertung gibt. 265 Zusatzstoffe waren im Jahre 1993 in Deutschland zugelassen, heute sind es bereits 316 und es werden zunehmend mehr, seit innerhalb der EU die Gesetze angeglichen wurden.

Um heute einen neuen Zusatzstoff auf den Markt bringen zu können, wird er vorab sehr ausführlich im Labor unter die Lupe genommen. Mindestens zwei Tierarten, üblich sind Schweine, weil sie uns genetisch ähnlich sind, sowie Nager, da diese sich schnell vermehren, müssen in Tierversuchen 90 Tage lang so viel von dem neuen Stoff fressen, bis bei ihnen irgendein Effekt auftritt. Ab einer bestimmten Menge reagieren die Stoffe mit dem Kreislauf der Tiere, beispielsweise werden durch unerforschte Gelier-mittel Körperflüssigkeiten wie Blut und Magensäure so stark geliert, dass das Tier elendig daran zugrunde geht. Hat man dann diesen Grenzwert, bei dem dieser Effekt noch nicht auftritt, macht man mit genau dieser Menge eine zweijährige Langzeitstudie, die dann auch über Generationen hinweg läuft, um zu untersuchen, ob der Stoff Zellen verändert oder Auswirkungen auf das Erbgut der Jungtiere hat. Die Menge des Stoffes, die bei diesen zwei Studien zu keinen negativen Effekten führte, wird aus Sicher-heitsgründen durch 100 geteilt und ergibt den ADI-Wert (acceptable daily

Von Zusatzstoffen und anderen Chemie-ExperimentenWenn wir auf die kleingedruckten Zutatenlisten der kunterbunten Verpackungen aus dem Supermarkt schauen, sehen wir Wörter wie Phosphorsäure, Mononatriumglutamat, E331 und naturidentische Aromen. Welche Stoffe diese Aromen sind und was sonst noch in unserem Essen drin steckt, wird uns gern verschwiegen. Lebensmitteltechnik hat mittlerweile mehr mit Laborkittel zu tun als mit Kochschürze. Das Essen wird immer praktischer bei der Zubereitung, ist immer länger haltbar und die Supermärkte werden auch immer voller. Es hat also den Anschein, als würde die Industrie gut funktionieren. Doch immer wieder hört man Schlagworte wie Rinderwahn, Genmanipulation, krebserregende Zusatzstoffe, Pestizide und synthetische Aromen, die die eigentlichen Früchte ersetzen. Wir sind der Frage nachgegangen, was so alles in unserem Essen steckt.

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17intake). Also ein Prozent des bei den Tierversuchen errechneten Wertes soll angeblich ein Mensch täglich von dem Stoff essen können, ohne irgend-welche gesundheitlichen Schäden davonzutragen.

Es ist nicht schwer, den ADI-Wert zu überschreiten, wenn man sich einseitig ernährt (z.B. durch zu viele Light-Produkte). Bei einer Vielzahl von Lebensmittel-Zusatzstoffen wurde der ADI-Wert nachträglich nochmals gesenkt, nachdem bei Konsumenten doch Folgeschäden festgestel lt wurden. Ein Schwein oder eine Ratte reagieren letztendlich doch oft anders, als der menschliche Organismus. Und so gibt es auch heute noch Stoffe, die in unseren Lebensmitteln verarbeitet werden, die entweder noch nicht gründlich genug erforscht wurden oder bei denen man mittlerweile weiß, dass sie stark bedenklich sind, weil sie zum Beispiel nachweislich Krebs oder Hyperaktivität verursachen können. Laut Verbraucherzentrale sind nur 151 von 317 Stoffen unbedenklich. Bei 49 weiteren Stoffen wird Risiko-gruppen wie Allergikern, Asthma-tikern und Neurodermitikern vom Verzehr abgeraten. Beim Verzehr größerer Mengen von 19 weiteren Stoffen können Nebenwirkungen wie z.B. Durchfall auftreten. Gesund-heitsschäden bei häufigem Verzehr sind bei 88 Stoffen möglich. Bei den übrigen zehn Stoffen wird sogar grundsätzlich vom Verzehr abgeraten, da sie nachweislich die Gesundheit beeinträchtigen können. Trotzdem werden sie nicht sofort verboten.

Die Täuschung der Sinne – AromenDie Verbraucher sind geizig beim Nahrungsmittelkauf, so dass die Industrie auf ihren billigen Chemie-baukasten angewiesen ist. Keinem Joghur t würden V i tamine oder Darmbakterien künstlich hinzugefügt, wenn es nicht den Kaufanreiz steigern würde. Durch Zusatzstoffe können die Lagerkosten der Lebensmittel gesenkt werden, indem sie länger haltbar gemacht werden. Der Verbraucher wird getäuscht, indem man durch Färbetechniken ein frischeres Produkt suggeriert. Und mit natürlichen Zutaten

kann gespart werden, indem man dem Essen billige Aromastoffe hinzufügt. Da wir sowieso kaum mehr Frisches auf den Tisch bekommen, dafür mehr Convenience Food, muss mit Aromen gearbeitet werden. Des Weiteren sind wir Verbraucher so verwöhnt, dass wir es gewohnt sind, im ganzen Jahr alle Produkte zu essen. Keiner macht sich wirklich Gedanken, woher

die Erdbeeren im Winter kommen. Mittlerweile werden in Erdbeerjoghurts und anderen Produkten mit Erdbeerge-schmack überhaupt keine Erdbeeren mehr verwendet. Das Aroma der Erdbeere besteht aus 360 Substanzen, die man mittlerweile ganz einfach und günstig herstellen kann, und zwar unabhängig von Jahreszeit und Anbaugebiet. Diese 360 Inhaltsstoffe sind allerdings nicht alle vollständig ohne Gentechnik realisierbar. Und nicht alle Hersteller in Deutschland arbeiten aus Imagegründen mit gentechnisch veränderten Mikroorga-nismen, weshalb sich hierzulande das künstliche Erdbeeraroma qualitativ von dem einer echten Erdbeere unterscheidet.

Leider gibt es bisher keine vernünftige Regelung für den Verbraucher, um die Kennzeichnungen auf den Verpackungen transparenter zu machen. Wenn bei den Zutaten „Aroma“ steht, handelt es sich um Inhaltsstoffe, die in der Natur nicht vorkommen und wenn dort „natürliches Aroma“ steht, können Auszüge genmanipulierter Bakterien, Hefen oder Baumpilze enthalten sein. Das macht sich bezahlt: Vanille ist beispielsweise nach Safran das zweitteuerste Gewürz der Welt.

Diese Orchideensorte trägt erst nach fünf Jahren ihre Früchte und muss anschließend noch aufwändig verarbeitet werden, was bei dem heutigen Vanillekonsum völlig unwirt-schaftlich ist. Das Aroma der Vanille ist das so genannte Vanillin, welches in der Pflanze selbst nur zu zwei Prozent enthalten ist. Natürliches Vanillin lässt sich mittlerweile aber auch im Labor herstellen, indem man mit Hilfe eines Bakteriums eine Substanz aus Reis, die Fernulasäure, umwandelt. Selbst dieses Verfahren ist jedoch durch den Preisdruck zu unwirtschaftlich geworden. Es kostet immerhin noch das 60-fache der synthet ischen Herstel lung. Künstliches Vanillin, sogenanntes Ethylvanillin, wird durch chemische Reaktionen von Abfallprodukten der Papierherstellung gewonnen oder aus Erdöl synthetisiert und ist drei bis vier Mal so geschmacksintensiv wie natürliches Vanillin. Allerdings schlagen Wissenschaftler Alarm, weil Ethylvanillin krebserregend und erbgutverändernd sei, des Weiteren steigere es den Appetit erheblich und fördere Nervosität. Appetitstei-gernden Substanzen wie Glutamat oder Vanillin sagt man nach, dass sie maßgeblich dafür mitverantwortlich sind, dass die Bevölkerung immer dicker wird. Man bedenke, dass Vanillin schon in der Babynahrung enthalten ist, also in genau dem Lebensab-schnitt zu sich genommen wird, in dem der Geschmackssinn sich für das künftige Leben entwickelt. 30- bis 40-jährige sollten bei einer Studie zwei verschiedene Ketchupsorten bewerten, eine mit und eine ohne Vanillin. Während nur knapp ein Drittel der gestillten Versuchspersonen den Vanillinketchup bevorzugte, waren es bei denen, die früher industrielle Ersatzmilch bekamen, fast drei Viertel.

Gemüsetuning – Chemiekeule und GentechnikW ä h re n d i n E rd b e e r j o g h u r t Schimmelpilze von der Baumrinde sind und im Babybrei Erdölauszüge, findet man im Gemüse ganz andere Stoffe: Pestizide und Herbizide. Wenn wir einen Blick ins südspanische Almeria wagen, finden wir eine Treibhauswelt, die fast

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André Nell

I M P R E S S U M :Herausgeber : S te fan Kor te (V.i.S.d.P.)

AufWerk GmbH, Markgrafendamm 24, 10245 Berlin, Tel. 030/20687665, Fax. 030/20687698

Redaktion: Veronika, cis, LR, erg, Andrea Schletz, Rupert Janeczek K.B., O_o, Micha, André Nell

Graf ik, Satz und Gestaltung: Monique I l lner ( i l l imo), Stefan Schilling, Takafumi Nakabayashi, Christopher Schade

Der Inhalt dieser Ausgabe unterliegt dem Urheberrecht. Nachdruck, Vervielfält igung, Speicherung, bzw. anderweitige Nutzung von Inhalten bedürfen der schriftlichen Genehmigung des Herausgebers. Alle Angaben sind ohne Gewähr. Bei Verlosungen ist der Rechtsweg ausgeschlossen.

Auflage: 1000 Exemplare / Monat

Ausgabe: Okt./Nov. 2010,

Redaktionsschluss: 8. Okt. 2010

so groß ist wie 50.000 Fußballfelder. Dort wird pro Jahr eine Gemüsemenge von 2,6 Millionen Tonnen produziert, in diesen Dimensionen ein Paradies für Schädlinge und Unkraut. Bekämpft werden sie statt mit natürlichen Feinden, wie z.B. der Schlupfwespe gegen den Maiszünsler, mit der chemischen Keule – aus Kostengründen. Dabei werden Vorgaben h ins icht l ich Dosierungsmenge und Hygiene klein geschrieben. Erschreckend ist auch, dass nachweislich fünf bis acht Prozent des in der EU verkauften Gemüses mit billigen Pestizid- und Herbizidplagiaten aus China behandelt wurde. Dass wir die Giftstoffe mitessen und dass das Grundwasser verseucht wird, ist Nebensache. Im Gegenteil, man versucht sogar aus dieser Problematik Profit zu schlagen. Chemiekonzerne wie Pioneer, Monsanto, Bayer und BASF verkaufen gentechn isch veränderte Samen, die unanfällig gegenüber Giftstoffen wie Roundup sind. Um die Bauern von ihren Samen abhängig zu machen, verkaufen sie nur Hybridsamen, d.h. Samen, die spezielle Kreuzungen sind, welche sich nicht fortpflanzen können. Nach jeder Ernte muss demnach neu gekauftes Saatgut verwendet werden. Das Gemüse dieser Pflanzen ist größer und praller, dafür gehen teilweise wichtige Inhaltsstoffe und viel Geschmack verloren, was man aber wieder mit Zusatz von Aromen und Zusatzstoffen

kompensieren kann.Und der Siegeszug der Gentechnik

geht weiter. In Europa sind einige wenige transgene Mais-, Soja- und Rapslinien für den Verzehr und als Futtermittel zugelassen. Weil hier so wenige gentechnisch veränderte Lebensmittel angebaut werden, importieren wir sie aus den USA und Argentinien und füttern damit hier unsere Tiere. Andererseits wird aber auch Fleisch aus Übersee importiert, von Tieren, die mit transgenen Nahrungsmitteln gemästet wurden. Auch hierzulande verändert sich viel. Trotz der breiten Ablehnung gegen Gentechnik, gibt es neuerdings sogar eine neue genmanipulierte Kartof-felsorte von BASF, Amflora, angebaut in Mecklenburg-Vorpommern. Bei der ersten Ernte in diesem Jahr betätigte sich unser Bundeswirtschaftsminister Rainer Brüderle vor dem Blitzlicht-gewitter der Presse als Erntehelfer – Lobbyarbeit, obwohl diese Knolle nur Nutzen für BASF bringt. Gegessen werden darf diese Knolle nicht, aus bestimmten Teilen wird Papier und Kleister hergestellt, allerdings werden die Reste als Tierfutter verwendet. Nachweislich wirkt Amflora resistent gegen Antibiotika, welches im Darm der Tiere und im Nachhinein auch beim Menschen auf die Bakterien übertragen werden kann. Die wachsende Antibio-tika-Resistenz vieler Bakterien ist bereits jetzt ein ernstes medizinisches

Problem. In Europa sterben jährlich 50.000 Menschen durch Keime, die gegen Antibiotika resistent geworden sind und es werden immer mehr.

Die einzige Möglichkeit, auf diese Entwicklung Einfluss zu nehmen, ist unser Konsum. Wir müssen uns nicht alles gefallen lassen.

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Azofarbstoffe – E102 (Tartrazin), E110 (Gelborange S), E122 (Azorubin), E123 (Amaranth), E124 (Cochenillerot A), E129 (Allurarot AC), E155 (Braun HT) (künstl. Farbstoffe)

Kann Aktivität und Aufmerksamkeit bei Kindern beeinträchtigen. Löst Allergien oder sogar Krebserkran-kungen aus, kann zu Atemschwierig-keiten, Hautausschlägen, Heufieber, verschwommenem Sehen und Hautflecken führen. Auslöser für Hyperaktivität. Verdacht auf Auslösung von Neurodermitis und Asthma, sowie Verdacht auf Hervorrufung von Missbil-dungen in der Schwangerschaft.

Süßwaren, Getränken, Brausen, Hackfleisch, Würzmittel, Speiseeis und Kuchen

Bitterböse Zusatzstoffe... Eine kleine Auflistung

Chinolingelb – E104 (Farbstoff) Getränke, Brausen, Süßwaren, Götterspeise, Desser tspeisen, Kunstspeiseeis, Lutschtabletten, Kaugummi, Räucherfisch

Es gibt Hinweise auf krebserregende und allergiefördernde Wirkungen, außerdem steht es im Zusammenhang mit Aufmerksamkeitsdefizit-/ Hyperak-tivitätsstörungen.

Benzoate – E210 (Benzoesäure), E211 (Natriumbenzoat), E212 (Kaliumbenzoat), E213 (Calcium-benzoat) (Konservierungsmittel)

Bestandteil in Milchprodukten, Obst, Honig

Hohes a l lerg isches Potenz ia l , Asthma, Nesselsucht, sehr giftig für Haustiere!

Nitrit- & Nitratverbindungen – E250 (Natriumnitit), E251 (Natriumnitrat), E252 (Kalium-nitrat) (Konservierungsmittel)

Hart- und Schnittkäse, gepökeltes Fleisch, Schinken, Bauchspeck, Gänse- und Entenleberpastete, eingelegte Heringe

Krebserregend, aus Nitrat entstehen krebserregende Nitrosamine! Bei Überdosierung Abfall des Blutdrucks, Kreislauf-Kollaps und Schock. Steht im Verdacht, Alzheimer, Parkinson und Diabetes auszulösen.

Gallate – E310 (Prophylgallat), E311 (Octylgallat), E312 (Dodecyl-gallat) (Antioxidante)

Frühstücksflocken, Kaugummi, Kartof-fel-Fertigprodukte, pflanzliche Fette und Öle, Snacks

Magenbeschwerden, Komplikationen bei Asthmatikern und Aspirinempfind-lichen, darf Baby- und Kleinkinder-nahrung nicht zugesetzt werden.

Ammoniumchlorid - E510 (Säuerungsmittel)

Salzlakritz-Erzeugnisse Knochenschäden, veränder tes Blutbild, schädigt Nebenschilddrüsen und Nebennierenrinde.

Natrium-Glutamat – E621 (Geschmacksverstärker)

sa lz ige Lebensmitte l , Saucen, Fleisch- und Wurstwaren, Gewürz-mischungen

Schläfendruck, Kopfschmerzen, Steifheit im Nacken.

Aspartam – E951 (Süßstoff) Süßungsmittel, Diät-Produkte, siehe auch Bsp. Saccharin

Verschiedene allergische Reaktionen, Kopfschmerzen, Übelkeit, Durchfall.

Saccharin – E954 (Süßstoff) zuckerfreie Getränke, Trockenfrüchte, Obst- und Gemüsekonserven, Soßen und Senf, Alkoholische Getränke, Knabberprodukte aus Getreide oder Nüssen

Durchfall, Blasenschleimhautschä-digung, steht im Verdacht Krebs auszulösen!

Chinin (natürlicher Bitterstoff) Getränke wie Tonic-Water oder Bitter-Lemon

Sehstörungen, Tinnitus, Nichts für Schwangere! (Wehenfördernd, kann zur Abtreibung führen!!!)

Bezeichnung z.B. enthalten in gesundheitliche Risiken

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Als erstes begegnet mir eine ältere Dame, die panisch fragt, ob es hier zum Ausgang gehe. „Ja klar“, lautet meine überraschte Antwort, „von dort komme ich doch gerade.“ Noch weiß ich nicht, was mir bevorsteht. Allerdings hätte ich gewarnt sein können: Ratlose Gesichter, wohin ich schaue. Eltern, die ihre Kinder ermahnen, nicht zu weit vorzurennen. Kinder, die ihre verlorengegangenen Eltern dirigieren: „rechts“, „links“, „hier entlang“. Ich höre nur ihre Stimmen durch die dichte Hecke. Nicht zu ortende Stimmen. Stimmen, die von irgendwoher nach irgendwohin dringen. Eine weitere Stimme sagt etwas von drei Stunden, die jemand gebraucht habe, um hier herauszufinden.

Jack Nicholson lässt grüßenDazu der unaufhörliche Lärm einer Elektro-Heckenschere, der von wo auch immer her rasselt. Der Gedanke an die Schluss-Sequenz in SHINING – der völlig irre Jack Nicholson, wie er durch den Irrgarten irrt – bleibt nicht aus. Mehr als 1200 Eiben wurden verpflanzt, korrekte Bezeichnung: Taxus baccata. Insgesamt macht das 750 Meter Hecke. Jeder Meter muss natürlich gestutzt werden. Regelmäßig. Täglich. Klaro. Um die geometrische Form zu bewahren. Sonst droht Verwilderung. Solche Gedanken treiben mich durch die gepflasterten Gänge. Ballspielen verboten.

Gefangen in der Endlos-SchleifeDann etwas Seltsames: In einer Ecke steht etwas verloren ein kleines Mädchen herum. Ganz alleine. Spielt sie Verstecken oder wartet sie auf ihre Eltern? Soll man sie ansprechen?

Ist sie der Panik nahe, vielleicht verzweifelt? Ich weiß es nicht. Viel lässt sich aus ihrem Gesicht nicht herauslesen. Nach Spaß sieht das jedenfalls nicht aus. Mit einem unguten Gefühl gehe ich weiter. Irgendwann glaube ich zu bemerken, dass ich dieselbe Stelle immer und immer wieder passiere. Sicher bin ich da nicht. Es gibt wenige Anhaltspunkte, die das bestätigen könnten. Hin und wieder ein Löwenzahn inmitten der Eiben-Eintönigkeit. Aber Löwenzähne kann es viele geben. Eine Patchwork-Familie, die ich vor gefühlten zehn Minuten überholt habe, taucht plötzlich wieder vor mir auf. Also was passiert hier? Ich muss meine Taktik ändern!

Ein evolutionäres MissverständnisIch werde das Gefühl nicht los, bereits alle vorhandenen Wege abgelaufen zu sein, alle Sackgassen bereits zu kennen. Das Ziel in der Mitte ist permanent in Sichtweite. Nicht Minotaurus, ein blauer Treppenturm, der an eine Rutsche erinnert. Daneben ein Ginkgo-Baum, zum Greifen nah. Trotzdem, ich komme nicht näher. Der menschliche Instinkt scheint so veranlagt, das Ziel immer auf direktem Weg erreichen zu wollen. Ein genetischer Fehler etwa? Ein biologisches Versehen? Ein evolutionäres Missver-ständnis? Ein Irrglaube jedenfalls, dem jeder Irrgarten-Gänger erliegen muss. Ein Irrgarten macht sich genau das zunutze.

Wege ins Nichts – die Faszination IrrgartenEinst ging Theseus ins Labyrinth, um die dort hausende Bestie Minotauros zu töten. Dank eines Wollknäuels, das Ariadne ihm in weiser Voraussicht mitgegeben hatte, fand er auch wieder heraus. Er musste das Knäuel beim Hineingehen nur abrollen und der Ariadne-Faden wies ihm den Weg hinaus. So erzählt es die griechische Mythologie. Doch ein Irrgarten ist kein Labyrinth* und ein Wollknäuel hatte ich auch nicht dabei. Ein Erfahrungs-Bericht aus den „Gärten der Welt“ in Marzahn.

*siehe Kasten rechts

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21Der Lauf der DingeWie ein Irrer renne ich immer in Richtung blauer Rutsche. Bis mir plötzlich die erlösende Erkenntnis kommt: Nur über Umwege lässt sich das Ziel erreichen. Lass es los und du wirst ankommen. Ganz von selbst. Wenn nicht, ist es auch egal. Oder mit den Worten des Philosophen gesprochen: Wende dich gegen den Teleologie-Gedanken, gegen das Hineintragen von Zwecken in den natürlichen Lauf der Dinge. Ich gehe jetzt einfach in die entgegen-gesetzte Richtung. Weg von der Rutsche, die gar keine Rutsche ist. Wer weiß, ob der Ginkgo echt ist?

Verlorene IllusionenDann geht al les ganz schnell. Nach gefühlten 1½ Stunden bin ich da. Stehe vor dem Treppenturm, während vereinzelte Kinder noch immer nach der Rutschbahn suchen. Manche Ziele bleiben Illusion. Die Vogelpers-pektive vom Turm kann die Mühe kaum rechtfertigen. Unter dem Ginkgo-Baum esse ich einen Apfel und starre

Während in einem Labyrinth nur ein Weg ohne Verzwei-gungen vom Eingang bis zur Mitte und wieder hinaus führt, kann man sich in einem Irrgarten durch Abzwei-gungen, Kreuzungen, Sackgassen und Schleifen tatsächlich verirren. Um den Besuchern den Unterschied erfahrbar zu machen, wurde in den „Gärten der Welt“ direkt gegenüber des Irrgartens auch ein Labyrinth angelegt.Als Vorbild für das 2000 m² große Areal diente der Irrgarten im britischen Königsschloss Hampton Court bei London, der als einer der ältesten in Europa gilt und dessen Wegesystem in den „Gärten der Welt“ kopiert wurde.Außerdem gibt es rund um den Irrgarten noch mehr Gartenkunst aus aller Welt zu bestaunen, so z.B. den japanischen, den chinesischen oder den orientalischen Garten, was die „Gärten der Welt“ zu einem beliebten „Wallfahrtsort“ für Gartenenthusiasten macht.Natürlich gibt es auch einen Erholungspark und für jene, die sich passend zu unserem Titelthema für die Nahrungszubereitung interessieren, ein „Fühl- und Duftgarten“, in dem der Besucher an manch einem Kraut und Gewürz riechen und sich so für seine Küche inspirieren lassen kann.

Das Paradies als Vorbild: der orientalische „Garten der vier Ströme“

Beinahe idyllisch: Plattenbau und italienischer Renaissance-Garten

dabei stumpf auf ein herumliegendes Ginkgo-Blatt. Essen ist hier verboten. Egal. Hinauszufinden macht dann auch wieder Mühe. Wenn auch etwas weniger. Im Zweifel rate ich zum Wollknäuel.

Weitere Infos:http://www.gruen-berlin.de/parks-gaerten/gaerten-der-welt/ueberblick/

EingängeGärten der Welt im Erholungspark MarzahnEisenacher Str. 99, 12685 Berlin (S7 Marzahn/Bus 195, U5 Hellersdorf/Bus 195), sowieBlumberger Damm (von November bis März nur an Wochenenden und Feiertagen; S7 Mehrower Allee/Bus X69)

Kassenöffnungtäglich ab 9.00 Uhr bis 16.00 Uhr (November bis Februar)bis 18.00 Uhr (März und Oktober)bis 20.00 Uhr (April bis September)

EintrittspreiseTageskarte Hauptsaison (ca. Ende März bis Anfang November) Erwachsene € 3,00, Kinder (6-14 J.) € 1,50Tageskarte Nebensaison (ca. Mitte November bis Mitte März) Erwachsene € 2,00, Kinder (6-14 J.) € 1,00Schulklasse bis maximal 30 Schülern (einschl. 2 Begleit-personen) € 15,00

Gesamtführung „Gärten der Welt“Dienstags bis freitags um 11.00 Uhr und um 14.00 Uhr, Dauer circa 1,5 Stunden. Entgelt: € 5,00 pro Person (ermäßigt € 2,50), Anmeldung nicht erforderlich.Gruppen- und Sonderführungen – auch montags – auf AnfrageTelefon: 030/700906-699E-Mail: [email protected]

Wissenswertes

Text und Fotos: cis

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22Auf Schatzsuche und Schnipseljagd

im Berliner GruselkabinettJeden Samstag kommen Kinder und Jugendliche, um hier zu feiern. Für die Teenies ist ein Geburtstag im Gruselkabinett ein tolles Erlebnis, vor allem, wenn der Hausgeist in Erscheinung tritt, so die Geschäftsleiterin Marlit Friedland. Dann stellen sich Emotionen in allen Varianten ein. Zum Party-Programm gehören Schatzsuche, Schnipseljagd und Saft-Grusel-Drinks inmitten von Dracula und anderen fürchterlichen Geschöpfen.

Sebast ian (13) steht mit seinen Eltern und Freunden im Eingangs-bereich, wo ein abgetrennter Kopf unter dem Arm eines Mannes, der Ritter ohne Kopf, röhr t: „Hahaha – sie sind im Berl iner Gruselkabinett !“ E in Mädchen kreischt, grusel ige St immung kommt auf im düsteren und modr igen Betonbau. Mar l i t Friedland begrüßt die Geburtstags-gruppe und erklär t den Program-mablauf. Kurz darauf verschwinden s i e im Dunke l n , s cha l l e ndes Ge läch te r b le ib t zu rück . „D ie Geräusche s ind komisch und es ist voll cool, weil man hier Aufgaben machen muss. Als nächstes müssen wir die Hexenhöhle f inden. Dort ist best immt der Schatz versteckt“ sagt ein Mädchen (12) aufgeregt. Sebast ians Eltern s ind immer in der Nähe und beantwor ten v ie le Fragen. Den Geburtstagstipp haben sie im Internet entdeckt, ein echter Ins ider -T ipp. Zum Verschnaufen g ib t es i n der Gruse lbar e ine „Hexenspr i tze“, e ine Himbeer l i -

monade oder „Draculas Blut“, ein Reagenzglas mit rotem alkohol -freien Likör und Gewürzen. Die Idee, den ehemaligen Luftschutz-bunker am Anhalter Bahnhof in ein Gruse lkab inet t zu verwandeln, hatte die Berlinerin kurz nach dem Mauerfall. Im Jahre 1995 mietete s ie den leers tehenden, 3600 Quadratmeter großen Bunker und l ieß ihn zu einem Ausstel lungs-gebäude mit drei verschiedenen Erlebnis-Etagen ausbauen. Hiermit habe sie eine Berliner Attraktion geschaffen, die inzwischen in jedem Reiseführer erwähnt wird – von Japan bis Amerika. Am Bekanntesten ist im Obergeschoss das Gruselkabinett mit Action und Gruseleffekten und seinem Hausgeist. Im Erdgeschoss befindet sich ein Figuren-Kabinett mit spektakulären Medizin-Szenen alter Zeiten und im Kellergeschoss – was v ie le n icht wissen – e in historisches Museum. Somit bietet das Gruselhaus Unterhaltung und Information in einem, erzählt Marlit

Sebastians Geburtstag: Emotionen in allen Varianten erleben

Der Geist des Hauses

„Nur nicht den Kopf verlieren“ – der Ritter ohne Kopf

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Der Geist des Hauses Der Mann mit „Biss“

Infos:Berliner Gruselkabinett Im Luftschutzbunker, Anhalter Bahnhof, Schöneberger Straße 23 A, 10963 Berlin

S-Bhf Anhalter Bahnhof/Bus 129, Bunkereingang auf dem Hof

Öffnungszeiten: Montag 10-15 Uhr (an Feiertagen Montag 10-19 Uhr), So/Di/Do/Fr 10-19 Uhr, Samstag 12-20 Uhr, Mittwoch geschlossen

Geburtstagsparty ab 11 Jahre, mit vorheriger Anmeldung

Eintrittspreise: Erwachsene 8,50 Euro, Kinder bis 14 Jahre 5,50 Euro, Schüler 15 bis 18 Jahre 6,50 Euro,ab 10 Personen mit telefonischer Voranmeldung

Fotos: N O R A

Friedland stolz. Viele Lehrer wissen das zu schätzen und deshalb würden nicht nur Schulk lassen aus Ber l in, sondern aus ganz Europa kommen.Am 31. Oktober findet unsere jährliche Halloween-Party mit einer großen Zaubershow, einem Feuerschlucker und bösen Clowns statt . Die Stammbesucher erwarten, dass wir noch eins drauf setzen, so Marlit Friedland begeister t . Dann müsse die historische Ausstellung noch we i te r en tw icke l t und vielleicht ein weiteres Stockwerk zur Besichtigung hergerichtet und eröffnet werden.

Andrea Schletz

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24 AKTUELLE FILM- UND BUCHEMPFEHLUNGENFILM-TIPP: FISH TANK, England 2010, Regie: Andrea Arnold, Dauer: 120 Minuten

F ISH TANK e rzäh l t die Geschichte eines 15-jährigen Mädchens aus einer Plattenbausiedlung in England. Mia ist von der Schule geflogen, streitet sich mit ihrer Mutter und ihren Geschwistern und hat keine Freunde. Aber sie hat eins: einen Kassetten-recorder und ihren Traum, Tänzerin zu werden. Mia tanzt – nur dann geht es ihr gut. Zuhause findet das Mädchen wen ig Zuwendung, Doch dann ändert sich ihr Leben, als

ihre Mutter einen neuen Freund mit nach Hause bringt …In der Hauptrolle ist – mit einer meisterlichen schauspie-lerischen Leistung – die Laiendarstellerin Katie Jarvis zu sehen, die von der Regisseurin zufällig auf der Straße entdeckt wurde, als sie ihr beim Beschimpfen ihres Freundes auffiel.

BUCH-TIPP I: Die Essensfälscher – Was uns die Lebens-mittelkonzerne auf den Tisch lügen, von Thilo Bode, 2010, S. Fischer Verlag, Frankfurt a.M., 223 SeitenEssen gut – alles gut? Verbraucher wissen meist nicht, was wirklich in den Lebensmitteln steckt. Meist stehen sie vor den Regalen und können die winzig gedruckten Angaben auf

den Verpackungen weder entziffern noch verstehen. Etikettenschwindel könnte man meinen, wenn es um die Kennzeichnung von Lebens-mitteln geht. Der Autor und „Foodwatch“-Gründer Thilo Bode fordert daher die Einführung der Lebens-mittel-Ampel, die seiner Meinung nach die beste Verbraucheraufklärung ist. Wer weiß schon, dass Fleisch aus ganz Europa in den Schwarzwald gekarrt und dort geräuchert wird – ein regionales Produkt a la „Schwarzwälder Schinken"

als Beispiel für die alltägliche Täuschung im Supermarkt –, oder dass Bio-Frühstücksflocken genauso voller Zucker stecken wie die von Nestlé und Co? Parallel dazu locken Hersteller mit ihren milliardenschweren Werbekampagnen für scheinbare Neuheiten, beispielsweise Produkte mit Zusatznutzen wie Marmelade gegen Falten oder angeblich nachhaltige Produkte, mit denen der Verbraucher noch einen guten Zweck unterstützt. „Corporate Social Responsibility“ heißt es dann, wenn der Verbraucher beim Bierkauf gleich noch den Regenwald retten kann. Na dann, Wohl bekomm’s!

BUCH-TIPP II: Psychoaktive Drogen weltweit. Zu Ethnologie und Kulturgeschichte, Schamanismus und Hexerei, von Gereon Janzing, 2000, Löhrbach: Werner Pieper & The Grüne Kraft, 156 Seiten

„In der Literatur über psychoaktive Drogen wird das Aufputsch- und Suchtmittel Zucker meist ausgespart. … Kohlenhydrate erhöhen den Serotonin-Spiegel im Gehirn und wirken dam i t a l s A n t i d e -pressiva“, so der Autor Gereon Janzing.

V i e l e i ndus t r i e l l e Nahrungsmittel, nicht nur Süßigkeiten, selbst Senf, saure Gurken und Ketschup, enthalten Zucker, da er den Geschmack der Säure

überdeckt und abmildert und außerdem zur Konservierung beiträgt. Auch Brot wird häufig mit Zucker haltbarer gemacht. Bemerkenswert ist der hohe Konsum von Zucker im islamischen Orient. Tee trinkt man dort oft mit viel Zucker; unter den Spezialitäten spielen die Süßigkeiten eine große Rolle.

Der Ethnobotaniker und leidenschaftliche Kakao-Kon-sument Janzing gibt in seinem Buch einen Überblick über die Vielfalt der psychoaktiven Substanzen, über ihre natürlichen Vorkommen, ihre Herstellung, ihre Anwendung sowie über ihre Wirkungsweisen und Risiken.

Dabei legt er den Schwerpunkt auf den kulturel len Hintergrund. Denn in den meisten Kulturen der Erde wurden und werden Mittel zur Veränderung des (Wach-)Bewusstseins eingesetzt. Die Wirkungen reichen von Anregung oder Beruhigung über Benommenheit oder Euphorie bis hin zu Hal luzinat ionen, so der Autor, deshalb könne eine pauschale Behandlung al l dieser Stoffe unter einem Begriff wie „Drogen“ problematisch sein, da sie häufig zu undifferenzierter Betrachtung verleitet.

Man dürfe nicht vergessen, dass die Wirkungen aller bewusstseinsverändernden Mittel von den jeweiligen Erwartungen und dem kulturel len Umfeld und auch von Persönlichkeit und Verfassung des Konsumenten abhängen. Keiner sol lte deshalb die Augen davor verschließen, dass der Konsum von Alkohol, Tabak oder anderen Stoffen in der Realität ein großes Problem sein kann. Jedoch ist es naiv zu glauben, durch den Kampf gegen bestimmte Stoffe könne man die Probleme beseitigen.

Letztendlich ist es Janzings Anliegen, Vorurteile für oder gegen bestimmte Stoffe bzw. Pflanzen, gegen fremde Kulturen und ihre kulturintegrierenden Mittel abzubauen.

Andrea Schletz

VERONIKA

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Smileys für Berliner LebensmittelbetriebeLaut Beschluss der Senatsver -wal tung für Verbraucherschutz sollen ab dem 1. Juli 2011 berlinweit Lebensmittelbetriebe mit Smileys gekennzeichnet werden. Sie werden von den Lebensmittelämtern in fünf Kategorien, von „El ite“ bis „Nicht ausre ichend“ vergeben. Gäste und Kunden sollen an dem Smiley sofort erkennen können, ob sich ein Restaurant, ein Imbiss oder eine Kantine an Hygienestandards hält. Die Ergebnisse der Kontrollen werden in den Betrieben und im Internet auf den Seiten der jeweil igen Veterinär-

und Lebensmittelaufsichtsämter veröf fent l icht. Bei dem Smi ley -System, das bereits seit dem Jahre 2009 im Bezirk Pankow erfolgreich erprobt wird, profit ieren Betriebe und Verbraucher gleichermaßen. D ie Be t r i ebe bekommen i h re gute Arbeit sichtbar und amtl ich dokumentiert und die Verbraucher können auf einen Bl ick sehen, ob ihr Lieblingsrestaurant oder -bäcker sauber arbeitet. Eine Negativl iste mit Fotos, wie sie der Bezirk Pankow ins Internet stellt, soll es aber nicht mehr geben.

Das lebendige WortPaulchen ist glücklich. Zum Geburtstag hat ihm der Vater den neuen Bundesligaball „Torfabrik" geschenkt. Den gilt es gleich auszuprobieren, weil er so unbere-chenbar fl iegt. Also, titsch, titsch auf den Betonboden des Hinterhofs und dann – Vollspann! Es klirrt gewaltig und aus dem – jetzt scheibenlosen – Küchenfenster der Souterrain-Wohnung, die der Hausmeister mit seiner Frau bewohnt, taucht auch sogleich der bekannte graue Wuschelkopf auf: „Mensch Paule, wat haste denn da wieder anjestellt? Nu steh nich so rum wie ´n Öljötze. Sieh man lieber zu, wieste aus der Bredouille kommst!" Ölgötze, Bredouille – wir helfen natürlich Paul, diese Wörter zu verstehen.

Die Wendung „da stehen wie ein Ölgötze“ (= steif und dumm dastehen) taucht im Jahre 1520 zuerst bei Martin Luther auf: „wen wyr ynn der kirchen seyn unter der meß, da stehn wir wie die öl götzen, wissen nichts auff zcu bringenn". Mit dem Begriff „Öl(berg)götzen“ waren jedoch ursprünglich die während Christi Gebet im Garten Gethsemane am Ölberg schlafenden Jünger gemeint – eine Szene, die seit dem 15. Jahrhundert gern in den Baldachinhäuschen an oder neben Kirchen dargestellt wird. Im August 1520 wendet Luther dann den Spottausdruck auch auf die mit heiligem Öl gesalbte römische Priesterschaft an: „das aber der Bapst odder Bischoff salbet... mag eynen gleysner und ölgötzen machen". In den Kämpfen der Reformationszeit wird nun dieses Schlagwort des öfteren gebraucht, so z.B. in dem Streitgedicht Murners „Vom großen Lutherischen Narren": "Sein es bischöff und prelaten/ so nenne sies Apostaten/ die priester esel vnd ölgötzen." Aber bald wird der Ursprung des Ausdrucks schon nicht mehr verstanden, so in Agricolas „Sprichwörtern" (1529); in der Nr. 186 heißt es dazu: „Ein stock und ein holtz, das geferbt ist und ölgetrenckt, auff das die farbe bleibe und

vom regen nicht abgewaschen werde, ist ein ölgötze. Götze kompt von Gott und ist etwas, das ein blidnis hat on leben, on sele. Darumb ist ein ölgötze ein mensch, der nirgend zu nütze ist, da widder verstand noch witze bey ist." Und Hans Sachs verwendet im Jahre 1533 den Begriff in einem Fastnachsspiel: „Hewer will ich unverheyrat bleiben/ das ich mich nit thu vberweyben/ müst auch den ölgötzen tragen..." Gemeint ist hier der damalige Brauch, bei Prozessionen neben dem Kirchenheiligen auch die Gestalten der Apostel vom Ölberg mitzuführen, die wohl keine besonders klugen oder willensstarken Gesichter aufwiesen. Diese „Ölgötzen" waren auch als Laternen- oder Lichtträger dargestellt, sodass in der henneber-gischen Mundart daraus sogar die Bedeutung „hölzerner Pfosten, an dem die Öllampe hängt" wurde. Einen ähnlichen Bedeutungswechsel wie der Begriff „Öl(berg)götze" finden wir in der schwäbischen Redensart „dastehen wie ein Bildstock" und im Siebenbürgischen „Et es en hölzera Johannes", d.h. der Betreffende ist steif und plump. Vom Begriff „Ölberg" ist ebenso der in der älteren Studenten-sprache bezeugte Scheltnahme „Ölberger" für „Häscher, Stadtsoldat" abgeleitet.

Der andere Ausdruck „in der Bredouille sein" (= in der Patsche, in Bedrängnis, in Verlegenheit sein oder in selbige geraten) hat nun – gottlob – eine kürzere Erklärung. Er ist wohl während der Franzosenzeit, während der Napoleo-nischen Kriege also, ins Deutsche eingedrungen; in der deutschen Übersetzung ist bredouille = Matsch, was soviel bedeutet wie „keinen Stich im Spiel", und rentrer bredouille heißt „von der Jagd zurückkehren, ohne etwas geschossen zu haben".

Zurück zu Paule! Der hat nun etwas geschossen, und als das Klirren vorbei ist, rutscht seine Zunge sehr schnell wieder auf den rechten Fleck: „Frau Schmidt, meine Mutter ist doch gut versichert!" erg

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Was eigentlich hat analoger Käse in einer digitalen Welt verloren?

Als ich mir eines montagmorgens einen Kaffee brühen wollte, war mein Erstaunen nicht klein: „Entkof-feiniert“ stand auf der Packung zu lesen – koffeinfreier Kaffee jetzt also nicht mehr nur bei den Großeltern, sondern auch in der FLUX-Redaktion? Ein Versehen? Vielleicht. Absicht? Dem Trend des digitalen, aber doch gesundheitsbewussten Zeitalters geschuldet?

Wir leben allerdings in sonderbaren Ze i ten : ko f fe in f re ie r Ka f fee , zuckerfreie Bonbons, alkoholfreies Bier, laktosefreie Milchprodukte und selbst das glutenfreie Schlaraffenland findet man in virtuellen Supermärkten. Damit nicht genug. Mittlerweile gibt es auch die rauchfreie, da elektro-nische Zigarette. Tiefkühlpizza-Her-steller und Gastronomen haben den käsefreien Käse entdeckt, den so genannten Analogkäse – eine Billig-mischung aus Pflanzenfett, Eiweiß-pulver, Aromen, Geschmacksver-stärkern und Farbstoffen.

Noch unübersichtlicher wird es, wenn man in das Regal der Fleisch-ersatzprodukte vordringt. Einmal abgesehen von den unzähl igen Produkten auf Sojabasis – um die soll es hier nicht gehen – ein niederländisches Unternehmen hat vor e in igen Jahren das fleischfreie Schnitzel en tw i cke l t . Dam i t wollte man nicht etwa Vegetarier bedienen, sondern dem Wunsch vieler Fleischesser entsprechen, die ihren Fle ischverzehr aus Gesundheitsgründen

G L O S S E

reduzieren wollen, sofern es eine Alternative gibt, wohlgemerkt eine Alternative, die wie Fleisch aussieht, wie Fleisch schmeckt, aber kein Fleisch ist.

Das f l e i s ch f re i e Schn i t z e l war geboren, hergeste l l t aus Magermilch,etwas Verdickungsmittel und ein paar Lebensmittelfasern – um der Authentizität willen. Über den ökologischen Unsinn angesichts der sechs Liter! Milch, die es pro Kilogramm Schnitzel bedarf, ließe sich trefflich streiten, doch das unterlassen wir an dieser Stelle wohlwollend, gibt es doch mittlerweile viel effizi-entere Formen der Fleischersatz-produktion.

So versuchen sich Forscher derzeit an der Herstellung von so genanntem In-vitro-Fleisch, ein Begriff, der zunächst an künstliche Befruchtung denken lässt. Und tatsächlich geht es darum, Tierzellen im Labor künstlich heranzuzüchten um in naher Zukunft einmal Tonnen von Fleisch synthetisch herstellen zu können, was zumindest ökologisch sinnvoll wäre.

Im nächsten Heft ...

D a r f m a n a n d i e s e r S t e l l e überhaupt noch fragen, ob al l diese – im Grunde ihrer Natur, ih rem Kern, ja ihrem Wesen beraubten – Produkte eigent l ich schmecken? Ne in . Denn s ie s i nd en tweder gesund oder b i l l ig herzuste l len oder aber ökologisch wertvol l . Und für die abgestumpfte Gustatorik ist eh kein Unterschied mehr wahrzu-nehmen. „Vol les Aroma“, „echter G e s c h m a c k “ , „ 1 0 0 % l e c k e r “ – g lück l i cherwe ise i s t au f der Verpackung nachzulesen, wie der Inhal t zu schmecken hat.

Also her mit dem schönen Leben! Lasst uns weiter essen: schinken-f re i e n Sch i n ken , h ühne r f re i e H ü h n e r s u p p e , g a r n e l e n f r e i e Garnelen, schokofreie Schokokekse, vani l lefreies Vani l leeis, z i tronen-fre ien Z i tronenkuchen, erdbeer -freien Erdbeerquark. Wie schrieb einer der Herstel ler noch auf seiner Webs i te : Verkos tungen haben gezeigt , dass solche Var ianten von der Mehrheit der Verbraucher g e s c h m a c k l i c h b e v o r z u g t werden. cis

Musik l iegt in der Luft. Weltum-spannend wird es zugehen in den Repor tagen über die Mus i k e r a u sb i l d u ngen de r Musikschule Fr iedr ichshain -Kreuzberg und der El Sistema i n Venezue la . Ge räusche , Ursprünge der Musik und das Hören bleiben auch nicht aus. Aber nicht nur Musik wird die nächste Ausgabe bestimmen, sondern ebenso Berichte über die Jubi läumsausstel lung im Museum für Naturkunde, die Berl iner Schulreform u.v.m. Soviel vorab.

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Reif sind, in Feuer getaucht, gekochetDie Frücht und auf der Erde geprüfet, und ein Gesetz ist,Daß alles hineingeht, Schlangen gleich,Prophetisch, träumend aufDen Hügeln des Himmels. Und vielesWie auf den Schultern eineLast von Scheitern istZu behalten. Aber bös sindDie Pfade. Nämlich unrecht,Wie Rosse, gehn die gefangenen Element und altenGesetze der Erd. Und immerIns Ungebundene gehet eine Sehnsucht. Vieles aber istZu behalten. Und Not die Treue.Vorwärts aber und rückwärts wollen wirNicht sehn. Und wiegen lassen, wieAuf schwankem Kahne der See.

… widmet sich diesmal Wortschöp-fungen, die passend zu unserem Thema „Ernährung“ typisch für den Sprachgebrauch in der DDR wa-ren. Auch wenn einige der Begriffe noch nicht ganz vergessen sind, so kommen sie doch allmählich aus der Mode, so wie man heute auch zu Aldi, Lidl oder Kaiser‘s geht und nicht mehr in die Kaufhalle. Für uns Anlass genug, einigen ostdeutschen Spezialitäten im aussterbenden Wort Platz einzuräumen.

Broiler (von eng. to broil = bra-ten, grillen) ist eine Bezeichnung für Brathähnchen, die nicht nur in Ostdeutschland, sondern auch in den USA, Australien, Finnland, Bulga-rien und Indien verbreitet ist. Zwei unterschiedliche Versionen berichten davon, wie das Wort den Weg in die DDR fand: Älteren Quellen zufolge gelang es einer bulgarischen Fabrik in den 1960er Jahren erstmals, in nur zehn Wochen besonders ertragreiche Masthühner mit einem Gewicht von 1,5 kg zu züchten. Dieser Neuzüch-tung gab man zur besseren Vermark-tung im Ausland den Namen brojle-ri, woraus dann in der DDR Broiler wurde. Neue Sprachforschungen ergaben jedoch, dass eine Bremer

Firma bereits in den 1950er Jahren das fl eischreiche Huhn gezüchtet und an eine amerikanische Gefl ügel-fi rma verkauft hat; anderen Quellen zufolge wurde diese spezielle Hüh-nerzüchtung schon in den 1930er Jahren in den USA entwickelt. Da eigene Zuchtversuche der Ostblock-staaten gescheitert waren, importier-te die DDR Anfang der 1960er Jahre den Broiler (aus politischen Gründen über Bulgarien), wobei der amerika-nische Ausdruck übernommen wur-de.

Die Karlsbader Schnitte ist die ost-deutsche Variante des Hawaii Toast, wobei der Toast ebenso durch Grau-brot ersetzt werden kann, der Koch-schinken durch Salami, Bierschinken oder andere Wurst und die Ananas-Scheibe durch Pfi rsich-, Apfel- oder Gurkenscheiben – je nachdem, was gerade vorhanden ist. Über die Her-kunft dieser DDR-Wortschöpfung und ihren Bezug zu Karlsbad (tsche-chisch: Karlovy Vary) ist wenig be-kannt. Vermutlich hat es etwas mit der geologischen Beschaffenheit des Karlsbader Umlandes zu tun: Wie bei der Karlsbader Schnitte mehre-re Beläge übereinander geschichtet werden, so lagern in der Gegend um

Das aussterbende WortKarlsbad mehrere Gesteins-Schich-ten übereinander, wie schon Goethe, der den Kurort mehrfach besuchte und sich mit dessen Geologie be-schäftigte, in seiner „Sammlung zur Kenntnis der Gebirge von und um Karlsbad“ verzeichnete.

Als Sättigungsbeilage werden kohlenhydratreiche Lebensmittel be-zeichnet, die dem Gericht beigefügt werden, um Kalorien und Ballast-stoffe zu liefern. Ursprünglich war es ein Begriff der DDR-Gastronomie, der als Sammelbezeichnung für die zu Fleischgerichten gereichten Kar-toffeln, Reis, Nudeln oder Klöße diente, da bei Druck der Speisekarte oft nicht absehbar war, was zur Ver-fügung stehen würde.

An Ostberliner Imbiss-Ständen fi n-det man zuweilen auch heute noch die Ketwurst, eine Wortschöpfung aus Ketchup und Wurst und so-mit die DDR-Version des Hot Dog, wobei Hot-Dog-typische Zugaben wie Röstzwiebeln und Gewürzgur-ken entfallen. Die Ketwurst wurde 1978 im „Rationalisierungs- und Forschungszentrum Gaststätten“ er-funden, um die Besuchermengen am Alexanderplatz besser versorgen zu können.

Friedrich Hölderlin

Weisheit für übermorgen

Reif sind, in Feuer getaucht...

cis

Zum „Endspurt“ rief der Berliner Wassertisch am 15. Oktober 2010 vor dem Brandenburger Tor auf. Aktive und Vertreter unterstützender Organisationen gaben Auskunft zum gegenwärtigen Volksbegehren und sammelten weiterhin Unterschriften. Bisher sind insgesamt 155.000 Unterschriften beim Landeswahlamt zur Überprüfung eingereicht worden. Darin enthalten sind aber noch nicht die bei den Bürger-ämtern seit zwei Monaten abgegebenen Stimmen. Bis zum 26. Oktober sind 172.000 gültige Unterschriften für einen erfolgreichen Abschluss erforderlich. Neun Prozent der eingereichten Unterschriften werden erfahrungsgemäß als ungültig zurückgewiesen, so dass noch mindestens 35.000 Unterschriften benötigt werden.

Infos unter: www.berliner-wassertisch.net

C o u n t d o w nbei Wasser-Volksbegehren

Page 28: FLUX  November 2010