Förderung von Argumentationskompetenzen durch selbstdifferenzierende Lernangebote - Eine Studie im...

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281 Angela Bezold Förderung von Argumentationskompetenzen durch selbst- differenzierende Lernangebote - Eine Studie im Mathema- tikunterricht der Grundschule Dissertation zur Erlangung des Doktorgrades der Philosophie, vorgelegt an der Philosophischen Fakultät 11 der Julius-Maximilians-Universität Würzburg. Gutachter: Prof Dr. Hans-Georg Weigand Prof Dr. Walter Müller Datum der mündlichen Prüfung: 27. Januar 2009 Ausgehend von der Auffassung der Mathematik als "die Wissenschaft von den Mustern" (Devlin 1998, S. 3) lässt sich die Zielsetzung ableiten, Schülerinnen und Schüler zu be- fähigen, sich aktiv die Vielfalt der Muster zu erschließen. Dies bedeutet Muster und Strukturen zu erkennen, über Beziehungen nachzudenken, mathematische Aussagen zu hinterfragen, logische Schlussfolgerungen zu ziehen und Entdeckungen zu begründen. Hierbei handelt es sich um argumentative Aktivitäten, die auch in den Bildungsstandards der Primarstufe zum Ausdruck kommen (vgl. KMK 2005, S. 8). Die Analyse von stan- dardisierten Tests weist nun einerseits auf Defizite bezüglich des Argumentierens in der Sekundarstufe hin und andererseits auf eine fehlende umfassende Standortbestimmung in der Primarstufe. Darüber hinaus reichen die Anforderungsbeschreibungen bestehender Kompetenzmodelle fur eine Beurteilung von Argumentationskompetenzen in der schuli- schen Praxis nicht aus. Hieraus ergaben sich die wesentlichen Ziele der Forschungsar- beit: Entwicklung eines Kompetenzmodells für das Argumentieren, das eine Grund- lage fur ein Beurteilungsinstrument in der Praxis liefern soll Erstellung eines Unterrichtskonzeptes zur Entwicklung von Argumentations- kompetenzen Das Unterrichtskonzept wurde in einer Vor- und Hauptstudie in insgesamt 6 Klassen der 3. Jahrgangsstufe erprobt. Um den Einfluss des Unterrichtskonzeptes auf die Argumenta- tionskompetenzen nachweisen zu können, wurde ein Vortest-Nachtest-Design fur die Hauptstudie gewählt. Dabei wurde das Kompetenzmodell als Beurteilungsinstrument eingesetzt bzw. evaluiert. Aufbauend auf einer intensiven Auseinandersetzung mit dem Argumentationsbegriff wird zunächst ein Argumentations- und Kompetenzmodells erstellt. Im Mathematikunter- richt und in der mathematikdidaktischen Diskussion wird der Argumentationsbegriff häufig im Rahmen des Begründens verwendet. In dem eigenen - spezifisch fur die Grundschule entwickelten - Argumentationsbegriff wird das Begründen als eine argu- mentative Tätigkeit betrachtet, jedoch nicht mit dem Argumentieren gleichgesetzt. Dar- über hinaus erfolgt eine Abgrenzung zum Beweisen im streng deduktiven Sinn. (JMD 30 (2009) H. 3/4, S. 281-282)

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Angela Bezold

Förderung von Argumentationskompetenzen durch selbst­differenzierende Lernangebote - Eine Studie im Mathema­tikunterricht der Grundschule

Dissertation zur Erlangung des Doktorgrades der Philosophie, vorgelegt an der Philosophischen Fakultät 11 der Julius-Maximilians-Universität Würzburg.

Gutachter: Prof Dr. Hans-Georg Weigand Prof Dr. Walter Müller

Datum der mündlichen Prüfung: 27. Januar 2009

Ausgehend von der Auffassung der Mathematik als "die Wissenschaft von den Mustern" (Devlin 1998, S. 3) lässt sich die Zielsetzung ableiten, Schülerinnen und Schüler zu be­fähigen, sich aktiv die Vielfalt der Muster zu erschließen. Dies bedeutet Muster und Strukturen zu erkennen, über Beziehungen nachzudenken, mathematische Aussagen zu hinterfragen, logische Schlussfolgerungen zu ziehen und Entdeckungen zu begründen. Hierbei handelt es sich um argumentative Aktivitäten, die auch in den Bildungsstandards der Primarstufe zum Ausdruck kommen (vgl. KMK 2005, S. 8). Die Analyse von stan­dardisierten Tests weist nun einerseits auf Defizite bezüglich des Argumentierens in der Sekundarstufe hin und andererseits auf eine fehlende umfassende Standortbestimmung in der Primarstufe. Darüber hinaus reichen die Anforderungsbeschreibungen bestehender Kompetenzmodelle fur eine Beurteilung von Argumentationskompetenzen in der schuli­schen Praxis nicht aus. Hieraus ergaben sich die wesentlichen Ziele der Forschungsar­beit:

• Entwicklung eines Kompetenzmodells für das Argumentieren, das eine Grund­lage fur ein Beurteilungsinstrument in der Praxis liefern soll

• Erstellung eines Unterrichtskonzeptes zur Entwicklung von Argumentations-kompetenzen

Das Unterrichtskonzept wurde in einer Vor- und Hauptstudie in insgesamt 6 Klassen der 3. Jahrgangsstufe erprobt. Um den Einfluss des Unterrichtskonzeptes auf die Argumenta­tionskompetenzen nachweisen zu können, wurde ein Vortest-Nachtest-Design fur die Hauptstudie gewählt. Dabei wurde das Kompetenzmodell als Beurteilungsinstrument eingesetzt bzw. evaluiert. Aufbauend auf einer intensiven Auseinandersetzung mit dem Argumentationsbegriff wird zunächst ein Argumentations- und Kompetenzmodells erstellt. Im Mathematikunter­richt und in der mathematikdidaktischen Diskussion wird der Argumentationsbegriff häufig im Rahmen des Begründens verwendet. In dem eigenen - spezifisch fur die Grundschule entwickelten - Argumentationsbegriff wird das Begründen als eine argu­mentative Tätigkeit betrachtet, jedoch nicht mit dem Argumentieren gleichgesetzt. Dar­über hinaus erfolgt eine Abgrenzung zum Beweisen im streng deduktiven Sinn.

(JMD 30 (2009) H. 3/4, S. 281-282)

282 Dissertationen

Durch Analysen schriftlicher Argumentationen von Grundschulkindern zu sog. For­scheraufgaben, die aus Voruntersuchungen stammen, präzisiert sich der Argumentati­onsbegriff. Bei Forscheraufgaben handelt es sich um selbstdifferenzierende Lernange­bote, die in besonderer Weise ein Argumentationspotential aufweisen. Die Beziehungen der Teilargumentationen der Schülerdokumente werden nach Toulmins Ansatz der funk­tionalen Argumentationsanalysen (1975) analysiert. Anschließend entsteht ein eigenes modifiziertes Argumentationsmodel/. Hieraus entwickelt sich ein dreistufiges Kompe­tenzmodell. Zentrale Komponenten stellen die Komplexität der entdecken Zahlbeziehun­gen und die Begründungsniveaus dar. Es wird herausgearbeitet, dass jedes Kompetenz­niveau mit und ohne Begründung( en) erreicht werden kann. Als tragende Stützpfeiler des für die Studie erstellten Unterrichtsmodells fungieren die selbsttätige und kommunikative Auseinandersetzung mit mathematischen Phänomenen. Es entsteht das sog. Vier-Phasen-Unterrichtsmodell. Für die Hauptstudie ergeben sich u. a. folgende Forschungsfragen:

1. Welche Anforderungen erfüllen Grundschulkinder hinsichtlich des schriftli­chen Argumentierens bei Forscheraufgaben?

2. Sind Kinder unabhängig von ihrem erreichten Kompetenzniveau in der Lage ihre Entdeckungen (schriftlich) zu begründen?

3. Wirkt sich das Vier-Phasen-Unterrichtsmodell positiv auf die Entwicklung von Argumentationskompetenzen der Schülerinnen und Schüler aus?

Die Ergebnisse der schriftlichen Argumentationen aus der Lernphase und der Tests (ins­gesamt circa 850 Schülerdokumente ) belegen den Erfolg der Studie. Das entwickelte Kompetenzmodel/ bewährte sich als Beurteilungsinstrument. Ein großer Teil der Schüler jeder Lernausgangslage konnte seine Argumentationskompetenzen verbessern. For­scheraufgaben eignen sich die Argumentationskompetenzen von leistungsschwächeren bis besonders begabten Kindern zu fördern. Durch Fragebögen und Interviews wird die Chance genutzt das Konzept aus der Sicht der Kinder und Lehrerinnen zu betrachten.

Literatur: DevIin, Keith [1998]: Muster der Mathematik. Ordnungsgesetze des Geistes und der Natur. Spekt­

rum, Heidelberg, Berlin. KMK [2005]: Beschlüsse der Kultusministerkonferenz: Bildungsstandards im Fach Mathematik

fur den Primarbereich. Beschluss vom 15.10.2004. Luchterhand, München, Neuwied. Toulmin, Stephen Ede1ston [1975]: Der Gebrauch von Argumenten. Aus dem Englischen übersetzt

von Ulrich Berk. Scriptor Verlag, Kronbert Die Dissertation ist unter dem gleichen Titel beim Verlag Dr. Kovac (Hamburg) erschienen (ISBN 978-3-8300-4455-0).

Adresse der Autorin

Dr. Angela Bezold lulius-Maximilians-Universität Würzburg Didaktik der Mathematik Am Hubland 97074 Würzburg [email protected]