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12 I KU special Medizincontrolling September 2015
STRATEGIE
Gemeinsam aneinem Strang ziehenEine Strategie zur erfolgreichen Umsetzungdes Pflegekomplexmaßnahmenscores
Kein andererOPS-Kodewurde in den letzten
Jahren so oft und widersprüchlich diskutiert
wie der Pflegekomplexmaßnahmenscore
9-20. Vor fünf Jahren wurde er dann in den
klinischen Alltag eingeführt, aber auch das
nicht reibungslos. Es scheiterte an der Kom-
munikation zwischen den Schnittstellen
und Vorurteilen. Eine erfolgreiche Umset-
zung des PKMS-Systems erfordert daher die
gemeinsame Anstrengung aller am Prozess
Beteiligten.
Seit Einführung der DRG-Ab-
rechnung in den Jahren
2003/2004 wurde kein OPS-
Kode so kontrovers diskutiert,
wie der Pflegekomplexmaßnah-
menscore-Kode 9-20. Seit 2010
wurden regelmäßig Artikel veröf-
fentlicht, die diesem OPS-Kode
keine große Akzeptanz einräum-
ten. Vor der Einführung war be-
reits vielen Medizincontrollern
klar, dass im Falle einer Erlösre-
levanz der Pflegekomplexmaß-
nahmenscore (PKMS) ein Zusatz-
entgelt (ZE) darstellen würde, da
anderenfalls zu viele Fallpau-
schalen hätten geändert werden
müssen.
Der initial mit der Entwicklung
des OPS 9-20 beauftragte Deut-
sche Pflegerat (DPR) begann al-
lerdings schon im Jahr 2011 mit
dem Versuch, den Kode durch ei-
ne Weiterentwicklung in Form
der Version PKMS 2.0 zu umge-
hen. Die im Zusammenhang
PKMS 2.0 angedachte Aufhebung
der Verbindung von Gründen
und Interventionen hätte in der
Folge zu einer inflatorischen Ko-
dierung geführt. Die Häufigkeit
der Nutzung des wenig ausdiffe-
renzierten Kodes hätte aufgrund
fehlender Abgrenzungskriterien,
bezüglich des Pflegeaufwands
keine valide Kalkulationsbasis
für das Institut für Entgeltab-
rechnung im Krankenhaus
(IneK) mehr geboten.
Da bei der ursprünglichen Ent-
wicklung ausreichend trenn-
scharfe Kriterien bereits existier-
ten und damit der PKMS für das
IneK gut zu kalkulieren war, ist
er erlösrelevant und damit auch
im fünften Jahr abrechnungsfä-
hig.
In diesem Jahr war in einer Pres-
semitteilung des Deutschen Pfle-
gerats zu lesen, dass von seiner
Seite an einer Weiterentwicklung
des PKMS kein Interesse mehr
bestehe und man sich inhaltlich
auch davon distanziere. Unter
Umständen liegt die Begründung
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13KU special Medizincontrolling September 2015 I
STRATEGIE
E
dafür in der Reform des KHEntGund dem darin enthaltenen 2.Pflegeförderprogramm für dieJahre 2016 bis 2018.
Umsetzung imklinischen Alltag
Wichtigste Voraussetzung ist da-bei die Vermeidung der Fehlerre-dundanzen aus vorhergehendenEinführungen anderer Komplex-kodes wie zum Beispiel 8-981, 8-550, ... oder dem ICU-Scoring. Be-reits im Jahr der Veröffentli-chung 2009 wurde konsequentmit der strukturierten Einfüh-rung begonnen. Von Septemberbis Dezember 2009 erfolgte dieSchulung von insgesamt 1.500Pflegekräften inklusive der Mit-arbeiter und Mitarbeiterinnendes Nachtdienstes.
Im Jahr 2010 wurde dann unter-nehmensweit der Pflegekom-plexmaßnahmenscore einge-führt. Man verzichtete dabei me-thodisch auf eine Konzentrationauf Pilotstationen, um einzelnennegativen Erfahrungen vonvornherein keinen Raum zu ge-ben.
Die erfolgreiche klinische Ein-führung ist nur gewährleistet,wenn die Kommunikation zwi-schen Medizincontrolling undPflegedirektion einwandfreifunktioniert und die Einbezie-hung der Mitarbeiter und Mitar-beiterinnen positiv gelingt. Ver-suche der PKMS-Implementie-rung – ausschließlich auf Pro-jektebene – sind zum Scheiternverurteilt, sofern diese Bedin-gungen nicht gegeben sind.
Herausforderungen beider Einführung
In vielen Fällen, in denen die Me-dizincontroller die Verantwor-tung für den PKMS allein der
Pflegedirektion überließen, wardie Einführung schwierig, wennnicht sogar unmöglich. So sinddie Forderungen in einigen Pu-blikationen besser zu verstehen,die den OPS abschaffen wollen,da der Zusammenhang zwischenAufwand und Erlös in Frage ge-stellt wird.
UmfassendesMedizincontrollingbeinhaltet eben nicht nur die Be-schäftigung mit Zahlen und ju-ristischen Fragestellungen. DennDokumentation und Berichtswe-sen bilden die Grundlage, dieeben nicht nur Dienstleistung,sondern auch strategischerRückhalt aller unternehmensre-levanten Entscheidungsträgerund damit auch der Pflegedirek-tion darstellt.
Sinnvoll erscheint in diesem Zu-sammenhang deshalb ein kurz-fristiges Berichtswesen, das fol-genden Anforderungen gerechtwird:
Die Pflegedirektion erhält wö-chentlich Angaben zur Gesamt-zahl sowie zur Erlösrelevanz dereingehenden Dokumentations-bögen. Darüber hinaus erfolgtmonatlich erfolgt ein Monatsab-schlussbericht an die Pflegedi-rektion, die Geschäftsführungund die DRG-Beauftragten derKliniken, der zusätzlich die Ver-teilung der Bögen über die Fach-abteilungen sowie den Stand derMDK-Bearbeitung dokumen-tiert.
Vorbehalte und Kritik
Die Notwendigkeit einer elektro-nischen Patientenakte respekti-ve einer digitalen Pflegedoku-mentation ist grundsätzlichnicht die zwingende Vorausset-zung für eine sachgerechtePKMS-Dokumentation.
Der Umweg von der herkömmli-chen Dokumentation (zum Bei-spiel Dokumentationsvorlagenaus dem Anhang der Fallpau-schalenverordnung) zur digitalunterstützten Variante, ist dabeizwingend notwendig (Anpas-sungsvarianz) und führt im End-ergebnis zu einer deutlichen Ar-beitserleichterung und –zufrie-denheit in der Pflege.
Bis dahin und in der Folge über-nimmt die Pflege die Dokumen-tation der PKMS-Bögen. Die Er-fassung der OPS-Ziffern im Kran-kenhausinformationssystem so-wie die statistische Auswertungwird dagegen grundsätzlichdurch das Medizincontrollingübernommen.
Das ist alleinig in der Lage, spezi-fische Zusammenhänge, wie imkonkreten Fall, im Zusammen-
Michael von EickenBeirat im RegionalverbandWest der DGfM,
MedizincontrollingKatholisches Klinikum
Bochum – Universitätsklinikum
Dr. med. Andreas HellwigStv. Vorsitzender des
Regionalverbands West der DGfM,Leiter Qualitäts- und Leistungsmanagement
Katholisches KlinikumBochum – Universitätsklinikum
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STRATEGIE
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spiel mit der Pflege zu analysie-ren und in einem zeitlich engenRahmen zu berichten.Der Widerstand gegenüber die-ser Art der Dokumentation beruftsich aufP primäre DokumentationP zeitlichen MehraufwandP parallele Dokumentation (se-parate Erfassung der PKMS-Kriterien).
Zeitlicher Mehraufwand?
Grundsätzlich ist der Wider-stand gegenüber jeglicher Artder Dokumentation systemim-manent und daher einfach gege-ben und muss in jedem Unter-nehmen neu überwunden wer-den. Das erfordert Zeit und Ge-duld auf Seiten der Entschei-dungsträger. Das Argument deszeitlichen Mehraufwands lässtsich dadurch entkräften, dassnach einer gewissen zeitlichenEingewöhnungsphase betriebli-che Prozesse eingespielt undharmonisch innerhalb kürzesterZeit von allen Beteiligten verin-nerlicht ablaufen.
Ein zeitlicher Mehraufwand istnach einer anfänglichen Einar-beitung auf Seiten der Pflege tat-sächlich gegeben, allerdings indeutlich geringerem Umfang alsbisher angenommen. Insbeson-dere, wenn man eine Trennungder aufgewendeten Zeit für dieprimäre Dokumentation (gesetz-lich sowieso vorgeschrieben)und der PKMS-Dokumentationvornimmt, ergibt sich eine zeitar-beitsrelevante Abweichung, diebisher leider in keiner Kennzifferabzubilden ist.
Grundsätzlich führen die Diskus-sion und die kontinuierlicheAuseinandersetzung mit derThematik zu einer deutlich ver-besserten pflegerischen Doku-mentation unter anderem im Be-reich des nutritional Risk-Mana-gements.
Stichhaltigkeit (Prüfungennach § 275 SGB V)Prüfungen nach § 275 SGB Vdurch den Medizinischen Dienstder Krankenkassen, auch unterder neuen PrüfvV, haben überdie Jahre hinweg ihre Richtigkeitund Unabdingbarkeit bewiesen.
Die durchschnittliche Rückbu-chungsquote liegt im Falle desPKMS zwar leicht über der vonanderen Komplexbehandlungs-kodizes, jedoch noch im akzepta-blen Rahmen.
Rückmeldungen aus relevantenMDK-Gutachten müssen in denmonatlichen Sitzungen an dieAbteilungsleitungen der Pflege-bereiche weitergeleitet werden.Alle Kodierfachkräfte sind des-halb zu PKMS-Trainern auszubil-den. Hilfreich ist dabei eine vor-ausgegangene Ausbildung in ei-nem medizinisch einschlägigenBereich und wesentlich ist einpositiver und kommunikativerEinsatz im Umgang mit relevan-ten Schnittstellen.
Statistisch gesehen wurde derprozentuale Anteil der PKMS beiseiner Einführung mit 3 bis 5 %des stationären Patientenauf-kommens geschätzt. Dabei wur-de außer Acht gelassen, dass dasmedizinische Portfolio einer Kli-nik beziehungsweise ihrer Fach-abteilungen alles Andere deter-miniert. So liegt wider aller Pro-gnosen an einigen Standortender Anteil der PKMS bei bis zu30 % aller Patienten, an ande-ren dagegen bei weniger als0,2 %.
Weiterentwicklung
Die fehlende Zweckbindung deraus dem PKMS resultierenden Er-löse kann aus Sicht der pflegen-den MitarbeiterInnen zum Prob-lem werden, sofern sich die Gel-der nicht im Pflegebudget wie-derfinden.
Eine wichtige Aufgabe des Mana-gements besteht deshalb darin,die Mitarbeitermotivation durcheine klare Zuweisung der PKMS-Erlöse in den Pflegebereich zufördern. Die Erlöshöhe spiegeltdabei den Pflege-/ Dokumentati-onsaufwand im Rahmen desPKMS-Systems wieder.
Trotz aller Bedenken ist derPKMS ein Fortschritt, da der Pfle-gebereich nicht mehr ausschließ-lich als Kostenfaktor gesehenwird, sondern erlösrelevanteBudgetanteile erwirtschaftet. Zu-künftiger Stellenabbau in derPflege führt daher zwangsläufigzu Erlöseinbußen und nicht nurzu gewünschten Kosteneinspa-rungen.
Die Unschärfen des PKMS könn-ten zukünftig durch eine mögli-che Einführung von NRG (Nur-sing Related Groups), die ähn-lich dem DRG-System eigenepflegebezogene Fallpauschalendarstellen, aufgelöst werden. Bisdahin ist es noch ein weiter Weg.Allerdings ist durch die Einfüh-rung der PKMS der Anfang ge-macht, durch die adäquate Ab-bildung von Pflegeleistungen zueinem erlösorientierten Pflege-system zu kommen.
Favorisiert wird ein solches Vor-gehen durch die neue Fachge-sellschaft „Profession Pflege“.
Fazit
Eine erfolgreiche Umsetzung desPKMS-Systems erfordert die ge-meinsame Anstrengung aller amProzess Beteiligten. Insbesonde-re die Zusammenarbeit zwischenMedizincontrolling und Pflegedi-rektion muss auf der Basis vonVertrauen und gegenseitigerWertschätzung, dem Zweck derÜberwindung von Widerständenund einer gelungenen Einfüh-rung des PKMS dienen. L
Michael von Eicken
Dr. med. Andreas Hellwig
Katholisches KlinikumBochum
Klinikumder Ruhr-Universität Bochum
Gudrunstraße 56
44791 Bochum