Hausarbeit Christus Johannes Gruppen2

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Humboldt-Universität zu Berlin Kunstgeschichtliches Seminar Wintersemester 2008/09 PS Einführung in die Mediengeschichte der deutschen Skulptur und Plastik Stefan Trinks M.A. Die Christus-Johannes-Gruppen des 14. Jahrhunderts Denis Pieper Bild- und Kunstgeschichte, 3. Semester Matrikelnummer 520049 Novalisstraße 13

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Humboldt-Universität zu Berlin

Kunstgeschichtliches Seminar

Wintersemester 2008/09

PS Einführung in die Mediengeschichte der deutschen Skulptur und

Plastik

Stefan Trinks M.A.

Die Christus-Johannes-Gruppen des 14.

Jahrhunderts

Denis Pieper

Bild- und Kunstgeschichte, 3. Semester

Matrikelnummer 520049

Novalisstraße 13

10115 Berlin

[email protected]

Tel.: 0176/21989485

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Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung S.2

2. Hauptteil S.2

2.1 Die plastischen Christus-Johannes-Gruppen S.2

2.2 Ikonographische Vorstufen S.7

2.2.1 Die literarische Quellen: Das Letzte Abendmahl S.7

2.2.2 Autorenbilder S.8

2.2.3 Hohenliedillustrationen S.9

2.3 Das Andachtsbild und die deutsche Mystik S.10

3. Schluss S.11

4. Literatur- und Bildverzeichnis S.13

5. Abbildungen S.15

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1. EINLEITUNG

Die Christus-Johannes-Gruppen sind in der Gotik entstandene Andachtsbilder,

die eine charakteristische Bildprägung der spätmittelalterlichen Mystik

darstellen. Die ikonographischen Wurzeln reichen jedoch bis ins frühe

Mittelalter zurück und der letztendlichen plastischen Ausformung gehen

literarische, theologische und buchmalerische Entwicklungen zuvor. Neben der

Darlegung der Entwicklungslinie der plastischen Gruppen im theologischen und

sozialen Kontext ihrer Entstehungszeit wird im Folgenden deshalb auch der

Versuch unternommen werden, knapp die weiter zurückliegende

ikonographische Entwicklung darzustellen. Hierbei werden vor allem die

Schriften von Hans Wentzel und Rainer Hausherr genutzt.

2. HAUPTTEIL

2.1 Die plastischen Christus-Johannes-Gruppen

Als Christus-Johannes-Gruppen werden Zweifigurengruppen bezeichnet, die

den Jünger Johannes an der Brust Christi bzw. in dessen Armen ruhend

darstellen. Es sind insgesamt 25 plastische Gruppen bekannt, von denen

jedoch 14 Werke im 14. Jahrhundert entstanden. Sie sind fast ausschließlich in

Holz gefertigt und ihr Format variiert stark.1 Auffallend ist, dass sie alle aus dem

schwäbisch-alemannischen Raum, also aus Schwaben, der deutschen Schweiz

und dem Oberrheingebiet stammen und meist in Frauenklöstern verehrt

wurden.

Zudem weisen alle erhaltenen Gruppen, die bis zur Hälfte des ersten 14.

Jahrhunderts entstanden, untereinander eine auffallende Ähnlichkeit auf.

Aufgrund der motivischen, zeitlichen und lokalen Begrenzung der Gruppen

wurde in der Forschung oft von einem Urbild oder Gnadenbild ausgegangen,

dass aufgrund seiner wunderwirkenden Fähigkeit kopiert wurde. Bereits Hans

Wentzel diskutiert diese Möglichkeit.2 Er verweist zum Vergleich auf das

Beispiel des wundertätigen Gnadenbilds in Alt-Ötingen, eine kleine Marien-

1 Reiner Haussherr: Über die Christus-Johannes-Gruppen: Zum Problem „Andachtsbild“ und deutsche Mystik, in: Beiträge zur Kunst des Mittelalters : Festschrift für Hans Wentzel zum 60. Geburtstag, Berlin 1975, S, 82.2 Hans Wentzel: Die Christus-Johannes-Gruppen des vierzehnten Jahrhunderts, Berlin 1947, S. 7-8.

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Holzfigur aus dem mittleren 14. Jahrhundert, die zahlreiche kopiert wurde. Das

Fehlen eines solchen Urbildes könnte laut Wentzel durch die Bilderstürme im

vornehmlich protestantischen Bodenseegebiet erklärt werden. Gegen die

Existenz eines Gnadenbildes spricht jedoch das Fehlen von textlichen Quellen

und Überlieferungen über ein solch wunderwirkendes Kultbild.

Trotz der Ungewissheit über die Existenz eines solchen Bildes ist in der

Forschung mittlerweile allgemein anerkannt, dass zwei Urgruppen überliefert

wurden, die im Verlaufe der ersten Hälfte des 14. Jahrhunderts nachgebildet

wurden.

An dieser Stelle muss auf die spezifische Kopiergewohnheit des Mittelalters

verwiesen werden: Die für den inhaltlichen Gehalt wichtigen Charakteristika

wurden übernommen, ohne jedoch zu versuchen eine exakte Kopie auf

formaler und stilistischer Ebene zu erreichen.

Die stilistisch älter wirkende dieser beiden Urgruppen ist die 92 cm große

Christus-Johannes-Gruppe aus Eichenholz (Abb.1). Sie wird auf das Jahr 1280

datiert, stammt aus dem Benediktinerstift in Zwiefalten und befindet sich heute

im Cleveland Museum of Art in den USA.3

Ein leicht bärtiger Mann mit langem, in der Mitte gescheiteltem, welligem Haar

sitzt aufrecht auf einer Bank. Sein Blick ist streng nach vorne gerichtet. Sein

Mund bildet ein leichtes Lächeln. An seiner linken Seite sitzt ein bartloser

Jüngling, der Evangelist Johannes, der ebenfalls gewelltes, langes Haar besitzt.

Mit geschlossenen Augen tief in sich versunken, neigt er sich Christi zu. Sein

Kopf ruht auf dessen linken Schulte. Die rechten Hände beider Figuren

berühren sich über dem Schoß Christi auf dessen Nabelhöhe, was als

sogenannte dextrarum iunctio bezeichnet werden kann. Zudem ist dessen linke

Hand auf Johannes linke Schulter aufgelegt.

Trotz dieser Gesten der Nähe und Zuneigung bleiben beide Figuren formal

voneinander abgegrenzt. Die aus einem Block geschnitzte Gruppe wurde in

der Mitte durch einen Zwischenraum geteilt. Wie bereits erwähnt, neigt sich

Christi Johannes weder zu, noch sieht er ihn an. Sein figürlicher Aufbau betont

3 Justin Lang: Herzesanliegen: Die Mystik mittelalterlicher Christus-Johannes-Gruppen, Ostfildern 1994. Alle Größenangaben und Datierungen der beschriebenen Gruppen richten sich nach ebd.

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die Vertikale. Auch die grob und wuchtig geschnitzten Falten seines Gewandes

laufen gerade nach unten im Gegensatz zu den Gewandfalten Johannes, die

der Körperneigung folgend, leicht zu Christus hin verlaufen. Der rechte Arm

Johannes folgt in seiner Neigung dem Schwung der Gewandfalten.

An dieser Gruppe lassen sich bereits alle Grundmotive der bis zur ersten Hälfte

des 14. Jahrhunderts entstandenen Gruppen feststellen: Johannes sitzt zur

Linken Jesu und lehnt sein Haupt an dessen Schulter oder Brust. Der ebenfalls

sitzende Jesus legt dabei seine linke Hand auf die linke Schulter Johannes,

während Johannes seine Rechte in die rechte Christi legt bzw. diese berührt,

die sogenannte dextrarum iunctio. Erst ab 1350 löst sich die strenge Zuordnung

der Motive auf: Charakteristische Motive werden nicht dargestellt bzw. werden

sie mit anderen kombiniert4.

Eine vermutlich aus Mariaberg stammende, um 1320 entstandene und aus

Nussbaum gefertigte Skulptur, die heute im Württembergischen

Landesmuseum zu finden ist, ähnelt der Zwiefalter Gruppe stark (Abb.2). Sie

misst 128 cm und auch hier wurden alle ikonographischen Merkmale

übernommen. Zwar sind die beiden rechten Arme nicht mehr erhalten, so dass

das wichtige Motiv der dextrarum iunctio nicht mehr näher untersucht werden

kann, jedoch ist anhand der Armposition zumindest davon ausgehen, dass sie

sich ursprünglich, eine Vertikale bildend, berührten. Die farbliche Fassung ist

nur noch in Resten erhalten. Die Figur ist zeitlich später als die Zwiefalter

Gruppe zu datieren, denn das leichte Lächeln Jesu ist gewichen und die

Gewandfalten verloren an Rundung und wurden spitzer dargestellt. Justin Lang

geht davon aus, dass das gerundete Faltenprofil noch der Formenwelt des 13.

Jahrunderts angehöre, welche dem Stil des 14. Jahrhunderts weichen musste5.

Auch eine Gruppe aus Riederau am Ammersee, heute im Bayerischen

Nationalmuseum in München befindlich und aus Eiche bestehend, übernimmt

die ikonographischen Merkmale der Zwiefalter Gruppe (Abb.3). Auch hier neigt

sich Christi nicht seinem Jünger zu und die beiden Figuren sind durch eine tiefe

Furche in der Mitte zweigeteilt. Allerdings sind die Gewandfalten hier noch

4 Hausherr 1975, S.855 Lang 1994

4

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spitzer zulaufend als bei der Gruppe aus Mariaberg dargestellt. Auffällig sind

auch die schräg nach oben gezogenen Augen und Brauen.

Dies verweist bereits auf das zweite Urbild. Es handelt sich hierbei um die mit

131 cm Höhe nahezu lebensgroße Skulptur, dessen Herkunft von Ilse Futterer

auf das Dominikanerkloster Katharinental bei Dießenhofen im Thurgau

lokalisiert wurde (Abb.4): Die um die Mitte des 14. Jahrhunderts entstandenen

Nonnenviten des Kloster, erwähnen an zwei Stellen eine Christus-Johannes-

Gruppe, die zum einen den Standort der Gruppe im Chor erwähnt, die Gruppe

zum anderen ausdrücklich als groß beschreibt. Als weiteren Beleg für die

Herkunft aus dem Katharinentaler Kloster führt Futterer eine Stelle aus einer

Handschrift des 18. Jahrhunderts an, welche die Gründungsgeschichte des

Klosters beschreibt. Sie besagt:

St. Joannesbild wardt von meister Hainnrich dem bildhauwer zu Co(n)stantz uß einem nußbom so schön gemacht, d(a)s jed(er)man sich verwunderte, der meister selbst.6

Da unter allen erhaltenen Gruppen die Antwerpener Gruppe die einzige ist, die

sowohl groß ist, als auch aus Nussbaum besteht, macht die Zuordnung zum

Katharinentaler Kloster wahrscheinlich. Des Weiteren wies Futterer auf die

stilistische Nähe der Gruppe zu einer sich noch heute in Katharinental

befindenden Madonna hin7. Auch wenn die Gruppe auf inhaltlicher Ebene mit

der Zwiefalter Gruppe übereinstimmt, so zeigen sich bei näherer Betrachtung

doch einige Unterschiede in der formalen Gestaltung: Die Figur des Christus

löst sich aus der strengen Vertikale durch eine leichte Neigung hin zu

Johannes. Dieser ruht näher an der Brust Christi, so dass sein rechter

Körperumriss in den Körper Christi eingebettet scheint. Dieses Verschmelzen

der Umrisslinien wird vor allem auch durch den fehlenden Zwischenraum

herbeigeführt. Die beiden rechten Hände treffen sich auch hier über dem Schoß

Christi, jedoch bilden sie einen Bogen und liegen fest ineinander. Auch die

Gewandfalten beider Figuren korrespondieren miteinander: Die über dem

Schoß liegenden Mäntel wirken wie ein einheitliches Gewand. Sie nehmen das

Motiv der zueinander geneigten Körper auf und schwingen zueinander hin,

beispielsweise zwischen den Beinen. Die Augen beider Köpfe sind leicht schräg 6 zit. nach Hausherr 1975, S.827 Ilse Futterer: Gotische Bildwerke der deutschen Schweiz 1240-1440, Augsburg 1930

5

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nach oben gestellt, wie bei der bereits erwähnten Riedenauer Gruppe.

Zudem zu beachten ist, dass der linke Fuß des Johannes im Gegensatz zur

Zwiefalter Gruppe nicht zu sehen ist. Dieses Verschmelzen vom 4-Fuß Typus

zum 3-Fuß-Typus kann analog zum Wechsel vom 4-Nageltypus zum 3-

Nageltypus in Kreuzdarstellungen Christi gesehen werden und verweist somit

auf eine Entstehung der Gruppen im 14. Jahrhundert.

Bei der nur 34,5 cm messenden Eichengruppe aus dem Kloster Adelshausen in

Freiburg im Breisgau, die sich seit 1950 im Liebieghaus in Frankfurt befindet, ist

der 3-Fußtypus noch deutlicher zu erkennen (Abb.5). Auch die markant

überproportional gestalteten Köpfe, verweisen auf eine Entstehung um die Mitte

des 14. Jahrhunderts.

Eine zeitlich der Katharinentaler Gruppe wahrscheinlich relativ nahe Kopie ist

die Gruppe aus dem Zisterzienserkloster in Heiligkreuztal (Abb.6). Sie diente

wohl als Retabelstatue, also als Altarschmuck. Auch hier sind alle wichtigen

Motive übernommen worden ohne jedoch auf eine persönliche stilistische

Umprägung zu verzichten. Die Gruppe wirkt weniger fein ausgearbeitet. Die

Hände liegen nur noch in der Schrägen ineinander. Dafür lehnt sich Jesus

jedoch stärker in Richtung Johannes. Auch seine Mimik wirkt weniger kühl und

emotionaler.

Auffällig ist vor allem aber auch die Fassung der Gruppe, die mit ihren kräftigen

Farben für manche heutigen Betrachter wohl kaum mit der unaufdringlichen

Ruhe und der zurückhaltenden Innigkeit der Gruppe in Zusammenhang zu

bringen ist. Die Farbwahl für das Kleid des Johannes entspricht jedoch den

üblichen Darstellung von Apostelgewändern in Rot und Grün. Das Blau des

Gewandes Christi kann als Verweis auf das Himmlische, die Transzendenz

Christi interpretiert werden. Zwar ist die Farbe Gold eindeutig Jesu zugewiesen,

doch kommt sie in geringem Ausmaß auch an den Rändern des Gewandes

Johannes vor, was als Hinweis auf die Innigkeit und Einswerdung der beiden

Figuren gelesen werden könnte. Eine Einswerdung die sich zwar noch nicht

komplett vollzogen hat, jedoch schon angelegt und begonnen ist.

Eine weitere Wiederholung als Altargruppe ist die etwas kleinere, 89 cm hohe,

in Eiche geschnitzte Sigmaringer Skulptur, die sich mittlerweile in der

6

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Sammlung des Bode-Museum befindet (Abb.7). Die Gruppe ist weniger

plastisch und unter einer Konzentration auf die Fläche gestaltet. Der Kopf des

Johannes ruht nicht mehr an der Brust Jesu sondern auf dessen Schulter. Zwar

vollzieht sich dies zu Lasten der Plastizität, jedoch werden dadurch die

Umrisslinien wieder stärker betont, was der Skulptur eine gewisse

Körperlosigkeit verleiht.

Auch die Gesichter, vor allem das Gesicht Jesu, wirken mit ihren schräg nach

oben gezogenen Augen abstrahiert. Man könnte in der Gruppe den Versuch

einer symbolhafteren Darstellung erkennen, die das Christus-Johannes-Motiv

unter Wahrung der wichtigen Charakteristika entpersonifiziert und somit

generalisiert.

2.2 Ikonographische Vorstufen

2.2.1 Die literarische Quellen: Das Letzte Abendmahl

Auf der Suche nach den Ursprüngen der Christus-Johannes-Gruppe liegt die

Rückführung auf den Abendmahlsbericht des Johannes-Evangelium nahe,

denn nur in diesem Bericht wird das Ruhen Johannes an der Brust Jesu

erwähnt:

Es war aber einer unter seinen Jüngern, der zu Tische saß an der Brust Jesu, welchen Jesus liebhatte (Joh 13, 23).

Am Ende des Evangeliums wird dieses Motiv des Ruhens an der Brust Jesu

erneut erwähnt, was dessen Wichtigkeit deutlich macht:

Petrus aber wandte sich um und sah den Jünger folgen, welchen Jesus liebhatte, der auch an seiner Brust beim Abendessen gelegen war und gesagt hatte: HERR, wer ist's, der dich verrät?

Dennoch wäre es zu kurz gegriffen, die Entstehung des neuen Bildtypus nur als

Verdichtung und Konzentration aus der Abendmahlsszene aufzufassen. Die

ikonographischen Wurzeln des Motivs sind komplex und reichen weiter ins

Mittelalter zurück:

2.2.2 Autorenbilder

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Bereits Hans Wentzel weist explizit auf Christus-Johannes Darstellungen in der

Buchmalerei hin8. Es sind 18 bis 20 Darstellungen von Johannes an der Seite

Christi erhalten, die vom Beginn des 13. Jahrhunderts bis hin zum 15.

Jahrhundert zu datieren sind.9 Die ersten Christus-Johannes Darstellung trat in

der Buchmalerei folglich bereits ca. 100 Jahre vor der ersten plastischen

Ausformung dieses Motivs auf. Fast alle der Darstellungen sind den

Anfangsinitialien des Johannesevangeliums, der Apokalypse oder anderen

Büchern des neuen Testaments eingefügt und stellen folglich Autorenbilder des

Johannes dar. Sie greifen die besonders bevorzugte Stellung Johannes unter

den Jüngern, die der Evangelist, wie bereits erwähnt wurde, auch selber zu

seiner Charakterisierung anbrachte auf: Den Jünger, “den Jesus lieb hatte“. In

den von den Kirchenvätern verfassten Vorwörtern zu den Evangelien wird

hervorgehoben, dass die besonders innige Beziehung Johannes zum

Schreiben des Evangeliums befähigte. Jesus wird hier also attributiv dem

Johannes beigefügt. Allgemein werden auch diese Darstellungen auf die

Abendmahlsszene zurückgeführt. Jedoch fällt die große Freiheit auf, mit der die

Gruppierung beider Figuren zueinander dargestellt wird. Wentzel erklärt sich

dies durch ihre Funktion als Autorenbilder, die eine gewisse gestalterische

Freiheit von der ursprünglichen Abendmahlsszene erhalten konnten, da das

Hauptaugenmerk auf Johannes und dem attributiv verwendeten Christus lag

und nicht auf dem Letztem Abendmahl lag. Doch bereits für Hanns Swarzenski

war diese gängige These nicht ausreichend. Zwar lässt er den Bezug auf die

Abendmahlsszene für englische Bibelillustrationen aus dem 13. Jahrhundert zu

(Abb.8-10), grenzt diese jedoch in ihrer ikonographischen Entwicklung von den

deutschen Illustrationen (Abb.11), zu denen auch die älteste Illustration aus

einer Missale in Zürich gehört (Abb.12), ab10. Auch Eleanor S. Greenhill greift

dies in einer ausführlichen Arbeit zu den Christus-Johannes-Gruppen als

Autorenbilder auf und vertritt die These, dass sich der Großteil der

Darstellungen auf die Berufung des Johannes bezieht11.

8 Wentzel 19479 Eleanor S. Greenhill: The Group of Christ and St. John as Author Portrait: Literary Sources, Pictorial Parallels, Festschrift Bernhard Bischoff, Stuttgart 1971, S. 407.

10 Hanns Swarzenski: Quellen zum deutschen Andachtsbild, Zeitschrift für Kunstgeschichte 4, 1935, S.20.11 Greenhill 1971, S.408

8

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2.2.3 Hohenliedillustrationen

Diese Überlegungen zeigen, dass bei der isolierten Darstellung von Christus

und Johannes nicht lediglich von einer Reduktion einer Einzelszene aus der

Abendmahlsszene auszugehen ist.

Weitere Untersuchungen führen in die Bereich des Hohenliedes Salomonis.

Hausherr macht deutlich, dass bereits Origenes das Ruhen an der Brust Christi

„mit der Vorstellung von der Brust des Herren als Quelle des Lebens und der

Offenbarung des Evangeliums in Zusammenhang bringt“12 und diese Gedanken

wiederum auf seine Interpretation des Hohenliedes anwendet, indem er die

Brust (ubera) der Braut (Cant 1,1) mit der Brust des Herren (pectus Domini)

gleichsetzt. Der vermeintlich profane Hymnus zweier Liebenden wird allegorisch

mit der Vereinigung zwischen Jesus und der Kirche, der sogenannten ecclesia,

gedeutet. Diese Vereinigung, wurde üblicherweise durch die Umarmung von

Bräutigam und Braut, sponsus und sponsa, dargestellt, die meist auf gleicher

Ebene nebeneinander sitzen und sich gegenseitig ansehen13. Das Motiv der

Umarmung kommt in der mittelalterlichen Buchmalerei darüber hinaus so selten

vor, dass sie neben Darstellungen der Seele in Abrahams Schoß ausschließlich

Jesus vorbehalten ist.14

Eine weitere Darstellungsweise der sponsus-sponsa-Metaphorik ist das

gegenseitige Reichen der Hände. Dieses Motiv der verbundenen Hände, die

sogenannte dextrarum iunctio tauchte bereits in der Antike auf und wurde im

Mittelalter charakteristisch für Hochzeitsdarstellungen, von wo sie dann

schlussendlich in den Bereich der Hohenliedillustrationen übertragen wurde.

Beeinflusst von den Illustrationen des Hohenliedes ist auch die älteste

überlieferte Darstellung von Johannes an der Brust Christi aus einer Handschrift

des mittleren 12. Jahrhundert aus dem Kloster Admont (Abb.13). Es handelt

sich hierbei um eine Illustration eines Gebets von Anselm von Canterbury zu

Johannes. Laut Otto Pächts Deutung zeigt die Szene, wie Johannes seine

12 Hausherr 1975, S.88-8913 zit. nach ebd, S. 92)14 Vgl. Wentzel 1974, S.14

9

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Braut verlässt um sich Jesus anzutrauen15, was ja bereits der Text im

Spruchband

„Tu leve coniugis pectus – respuisti supra pectus domini Jesus recubens“

Damit ist der Ursprung aller charakteristischen Motive in den plastischen

Christus-Johannes-Gruppen beschrieben.16 Die vereinzelten und nicht in eine

einheitliche Entwicklungslinie zu bringenden früheren Darstellungen werden in

den plastischen Christus-Johannes-Gruppen der ersten Hälfte des 14.

Jahrhunderts schematisch zusammengefasst. Hausherr spricht von einer

„latenten Bildvorstellung“17. Es stellt sich jedoch die Frage warum das bereits

existierende Gedankengut gerade im 14. Jahrhundert zu einem feststehenden

Bildschemata zusammengefügt wird:

2.3 Das Andachtsbild und die deutsche Mystik

Die Christus-Johannesgruppen werden der Gruppe der sogenannten

Andachtsbilder zugeordnet. Das Andachtsbild ist ein im 13. Jahrhundert in

Deutschland aufgekommener Bildtypus, der der persönlichen Andacht des

Einzelnen dient und nicht in der liturgischen Praxis verwendet wurde. Dieser

Bildtypus erreicht im 14./15. Jahrhundert seine erste Blütezeit. Zu den

wichtigsten Vertretern dieser Gruppe zählen neben der Christus-Johannes-

Gruppe, das Vesperbild und der Schmerzensmann. Die Ikonographie der

Andachstsbilder ist nicht in der heiligen Schrift vorgebildet. Stattdessen wurzeln

sie meist in Szenen aus der Dichtung18.

Die Entstehung der Andachtsbilder geht zurück auf die Ausbreitung der Mystik

und Volksfrömmigkeit in Deutschland. Die deutsche Mystik steht im weiten

Kontext einer Subjektivierung der Religiosität im 13. Jahrhundert.

Im Gegensatz zur bis ins 13. Jahrhundert hinein eher überpersönlich-

normativen geprägten Religiosität, setzt im selben Jahrhundert eine Erneuerung

des religiösen Lebens ein, die in erster Line auf Vertiefung und Verinnerlichung

15 Otto Pächt: The Illustrations of the St. Anselm’s Prayers and Meditations, Journal of the Warburg and Courtauld Institutes 19, 1959, S.78f.16 Für eine weitere, detailliertere Analyse einiger Sondermotive s. Hausherr 1975, S.92ff17 Hausherr 1975, S. 9618 Vgl. Reallexikon für Kunstgeschichte, Hrsg. Otto Schmitt, Stuttgart 1937ff, Bd. 1 (1937), S.682-683

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des religiösen Empfinden abzielt und in Deutschland in der Mystik ihre

Ausprägung findet. Diese Verinnerlichung in der deutschen Mystik erweckt den

Bedarf nach neuen Formen der Andacht, da der traditionelle liturgische Apparat

nicht ausreicht und stellt somit ein wichtiges Moment der Entstehung der

Andachtsbilder dar19.

Wie anfänglich bereits erwähnt wurden die Christus-Johannes-Gruppen vor

allem in alemannischen Frauenklöstern verehrt. Diese stellte um 1300 ein

Zentrum der spätmittelalterlichen Mystik dar. Johannes bot sich für die Nonnen

aufgrund seiner besonderen Gottesnähe und seine in der Bibel bezeugte

Jungfräulichkeit (virgo in aevum) als Identifikationsfigur an. Abgesehen davon

diente Johannes schon früher als Vor- und Leitbild der vita contemplativa. Der

Verzicht auf und das Zurücklassen von irdischen und sinnlichen Gütern, um

sich einem Leben an der Brust Gottes zu verschreiben, wird durch die

Nachahmung des Johannes, der seine ihm angetraute Ehefrau verließ, um sich

Gott hinzugeben, legitimisiert und findet hier einen ihrer theologischen

Ursprünge.

3. Schluss

Abschließend lässt sich festhalten, dass die Christus-Johannes-Gruppen in

einem reich verzweigten Netz von theologischen und ikonographischen

Bezügen verankert sind und dennoch neuen gesellschaftlichen und religiösen

Entwicklungen Rechnung tragen. Die Gruppen beruhen vornehmlich auf einer

Mischung der Motivik von Abendmahls-, Hohenlied- und

Umarmungsdarstellungen. Diese verschiedenen und teilweise losen Motive

werden aufgrund des Bedarf an neuen, intimeren Andachtsformen durch das

Erstarken der deutschen Mystik zu Beginn des 14. Jahrhunderts zu einem

festgelegten Bildschemata zusammengefügt, welches sich auf die Vereinigung

Johannes mit Christi konzentriert und somit vor allem den Zentren der

mystischen Bewegung, den Frauenklöstern, als Identifikationsschablone dient

und deren Bedürfnis Rechnung trägt.

19 Julius Baum: Gotische Bildwerke Schwabens, Berlin 1921

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Page 13: Hausarbeit Christus Johannes Gruppen2

Literaturverzeichnis:

Julius Baum: Gotische Bildwerke Schwabens, Berlin 1921

Ilse Futterer: Gotische Bildwerke der deutschen Schweiz 1240-1440, Augsburg 1930

Eleanor S. Greenhill: The Group of Christ and St. John as Author Portrait: LiterarySources, Pictorial Parallels, Festschrift Bernhard Bischoff, Stuttgart 1971

Reiner Haussherr: Über die Christus-Johannes-Gruppen: Zum Problem „Andachtsbild“ und deutsche Mystik, in: Beiträge zur Kunst des Mittelalters : Festschrift für Hans Wentzel zum 60. Geburtstag, Hrsg. Rüdiger Becksmann, Berlin 1975

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Page 14: Hausarbeit Christus Johannes Gruppen2

Veronika Kaiser: „Bild, da Sant Johans ruwet uff unser Herren Herczen“: Zur Funktion der Christus-Johannes-Gruppe, in: Sinnbild und Abbild, Hrsg. Paul Naredi-Rainer, Innsbruck 1994

Otto Pächt: The Illustrations of the St. Anselm’s Prayers and Meditations, Journal of the Warburg and Courtauld Institutes 19, 1959

Reallexikon für Kunstgeschichte, Hrsg. Otto Schmitt, Stuttgart 1937ff, Bd. 1 (1937), S.682-683

Hanns Swarzenski: Quellen zum deutschen Andachtsbild, Zeitschrift für Kunstgeschichte 4, 1935, S. 141-144

Hans Wentzel: Die Christus-Johannes-Gruppen des vierzehnten Jahrhunderts, Berlin 1947

Bildverzeichnis

Abb. 1, 2, 6, 7, 13

Justin Lang: Herzesanliegen: Die Mystik mittelalterlicher Christus-Johannes-Gruppen, Ostfildern 1994

Abb. 3

Hans Wentzel: Die Christus-Johannes-Gruppen des vierzehntenJahrhunderts, Berlin 1947

Abb. 4

http://museum.antwerpen.be/mayervandenbergh/index_eng.html, Stand: 15.03.2009

Abb. 5

Ansichts Sache. Das Bodemuseum Berlin im Liebieghaus Frankfurt, Hrg. Herbert Beck, Frankfurt am Main 2002

Abb. 8, 9, 10, 11, 12

Hanns Swarzenski: Quellen zum deutschen Andachtsbild, Zeitschrift für Kunstgeschichte 4, 1935, S. 141-144

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