Heimatkurier 04 2010

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43. JAHRGANG DAS HISTORISCHE MAGAZIN DES NORDBAYERISCHEN KURIERS NR. 4/2010 Wahnfried Bilder aus der 136-jährigen Geschichte von Wagners wonnigem Wohnhaus Fuffziger Vor 60 Jahren begann die bessere Hälfte des zwanzigsten Jahrhunderts Wochenmarkt Das vergessene Jubiläum: Seit 75 Jahren ist der Wochenmarkt an der Rotmainhalle Flugplatz Er war einst der Stolz der ganzen Stadt: der Flugplatz in Laineck

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Heimat Kurier

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43. JAHRGANG DAS HISTORISCHE MAGAZIN DES NORDBAYERISCHEN KURIERS NR. 4/2010

WahnfriedBilder aus der136-jährigenGeschichte vonWagners wonnigemWohnhaus

FuffzigerVor 60 Jahrenbegann diebessere Hälftedes zwanzigstenJahrhunderts

WochenmarktDas vergesseneJubiläum: Seit75 Jahren ist derWochenmarkt ander Rotmainhalle

FlugplatzEr war einstder Stolz derganzen Stadt:der Flugplatzin Laineck

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die meist gestellte Frage, dieich fast täglich von Bürgernzu hören bekam, lautete bis-lang: „Warum heißt die Ju-denwiese Judenwiese?“ Ge-genwärtig gibt es indes ein

neues Bay-reuth-Rät-sel, das diehiesigenZeitgenos-sen nochmehr zubewegenscheint:„Wo ist dieAsche (dasGrab) vonWolfgang

Wagner?“ Beide Fragen ha-ben eines miteinander ge-meinsam: Eine schlüssigeAntwort gibt es darauf bishernicht, sieht man einmal voneiner etwas kryptischen An-deutung von Katharina Wag-ner gegenüber „Welt online“in diesem Sommer ab.

*Todesfälle in der FamilieWagner, dem heimischenFürstenhaus, haben die Bay-reuther seit jeher stark be-wegt. Ahnherr Richard sorgteschon frühzeitig für seineletzte Ruhestätte vor. MitSondergenehmigung desStadtmagistrats ließ er seineGruft schon zu Lebzeiten aufseinem Privatgrundstück an-legen. Bekannt geworden istseine eher komische Drohung:„Wenn ihr mich ärgert, legeich mich in meine Gruft.“ AmSonntag, 18. Februar 1883,geleiteten schließlich seineMitbürger die sterblichenÜberreste bei leise fallendemSchnee zur Wahnfriedgruft.

*Riesige Trauerzüge wurdenauch Wagners Witwe Cosimaund Sohn Sieg-fried zuteil, dieim Jahr 1930 imAbstand von nurwenigen Mona-ten das Zeitlichegesegnet hatten.Die Asche vonFrau Cosima, dienach ihrem Wil-len über demFestspielhausverstreut werdensollte, kam zumgeliebten Ehe-gatten Richardan das Kopfendeseiner Gruft. FürSiegfried Wag-ner wurde einneues Grab imStadtfriedhof

angelegt, in dem später auchFrau Winifred, Sohn Wielandmit Ehefrau Gertrud sowieGudrun Wagner ihre letzteRuhestätte fanden. Solangedie Bayreuther keine Gewiss-heit über die Asche des„Herrn Wolfgang“ haben,müssen sie sich mit dem Ge-danken trösten, dass er inihren Herzen wohl dasschönste Denkmal hat ...

*In dieser Ausgabe des Hei-matkuriers steht ein Bauwerkim Blickpunkt, das von man-chen sehr zu Unrecht als Na-zi-Bau gesehen wird: Die gutealte Rotmainhalle wird 75und mit ihr der Wochenmarktin ihrem Umfeld. Halle undMarkt gehören zu liebgewor-denen Besitzständen des hei-mischen Publikums. Als dieHalle vor knapp zwei Jahr-zehnten wegen des Rotmain-Centers eine Zeitlang zurDisposition gestellt wurde,fegte der allgemeine Volks-zorn solche Überlegungen

schnell vom Tisch. Aber nichtnur Marktfrauen haben in derHalle ihren angestammtenPlatz, sogar zwei Bundes-kanzler – Konrad Adenauerund Helmut Schmidt – tratenhier in Aktion. Hinzu kamnoch ein Dritter, der gar zugerne Kanzler geworden wä-re: Franz Josef Strauß.

*Schließlich finden Sie in die-ser Ausgabe noch einen Zei-tungsbericht über den Flug-hafen der Stadt Bayreuth inLaineck. Der heute 85-jähri-ge Lothar Siegfried Albrechtaus Bindlach berichtet überseine Jugenderlebnisse aufdiesem Landeplatz, um die ervon seinen Altersgenossenheftig beneidet wurde.

Ihr

Bernd Mayer

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inhalt

WahnfriedSeite 3

RotmainhalleSeite 4/5

Eis-MayerSeite 6

Die 50er JahreSeiten 7-9

FlugplatzSeiten 10/11

Bayreuths MühlenSeite 12

OblatenfabrikSeite 13

Einst & JetztSeite 14

Bayreuth-QuizSeite 15

Wafners LexikonSeite 16

KutscherplatzSeite 16

Liebe Leser,

Unser Titelbild... zeigt die Marktplatz-Nordseite im Jahr 1951.Sechs Jahre nach Kriegs-ende erlebte das Stadtzen-trum eine fieberhafteNeubautätigkeit. Auch dieParkplätze wurden bereitsknapp. Das im ZweitenWeltkrieg zerstörte AlteSchloss war jedoch nochimmer in einem ruinösenZustand, doch der Wie-deraufbau durch den Frei-staat Bayern war bereitseine beschlossene Sache.

Die Rotmainhalle als Kulisse für politische Kundgebungen:Hier lässt sich Franz Josef Strauß im März 1988 feiern.

Bild links: Am 18. Februar1883 bewegte sich ein riesi-ger Trauerzug mit densterblichen Überresten vonRichard Wagner vom Bahn-hofsplatz über die Opern-straße zur Villa Wahnfried.Hier hatte Wagner schon zuLebzeiten seine Gruft anle-gen lassen.

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Aus Wahnfrieds FotoalbumWagners Wohnhaus hat eine 36-jährige bewegte Geschichte hinter sich

Wegen ständiger Quere-len mit den Bauleuten

hätte der leicht erregbareBauherr sein neues Heim amliebsten „Ärgersheim“ ge-nannt. Schikane, Wichtig-tuerei und Bosheit habe erbeim Bau erleben müssen,klagteRichardWagner.SeinBaumeister Carl Wölfel er-schien ihm zeitweise sogarals tückisch. Auf den NamenWahnfried stieß der Bayreu-therMeisterdanneherzufäl-lig: Ein gleichnamiger hessi-scher Ortsnameberührte ihnnach eigenen Worten gera-

dezu mystisch. Am 28. April1874 zog Wagner mit Cosimaund den Kindern in seinerVilla ein. Seitdem sind 136Jahre vergangen und Wahn-fried hat es längst zu inter-nationaler Berühmtheit ge-bracht. Allerdings verbin-den sich mit den Namenauch Erinnerungen an einbeklemmendes Kapiteldeutscher Geschichte: DerHerr des Dritten Reichesging hier bekanntlich mitFamilienanschluss ein undaus. Unsere Bilder: Obenlinks das Haus Wahnfriedzur Zeit Wagners, rechts dasJunggesellenhaus von Wag-nersohn Siegfried. Darunterein Foto aus dem Jahr 1923:Wagnerenkel Wieland Wag-ner mit der Bayreuther SAvor Wahnfried. Das Bild inder dritten Reihe zeigt ame-rikanische Tanzgirls 1945vor dem zerbombten Ge-bäude. Unten links die not-dürftig geflickte Rückseiteder Künstlervilla, die derFamilie von Wieland Wag-ner als Domizil diente. Un-ten rechts die Einweihungdes restaurierten Bauwerksim Juli 1976. Wahnfried istseitdemMuseum.

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Die bewegte Geschichte der RotmainhalleDas vergessene Jubiläum: 75 Jahre Schauplatz des Wochenmarkts

Von Bernd Mayer

Zu den vergessenen Jubiläengehört in diesem Jahr das75-jährige Bestehen der Rot-mainhalle. Zugleich jährtesich im September der ersteWochenmarkt an der Hin-denburgstraße ebenfalls zum75. Mal. Eine bewegte Ge-schichte verbindet sich mitdieser Halle und ihrem Um-feld – mit Tiefpunkten wiedie „Reichskristallnacht“,aber auch mit Höhepunktenwie der Auftritt des großenBundeskanzlers Konrad Ade-nauer.Bei der Einweihung der Hallesprach der damalige ZweiteBürgermeister Karl Kellervon einem „kühnen Stück na-tionalsozialistischen Auf-bauwillens“. Tatsächlichträgt das Bauwerk die subtilearchitektonische Handschriftvon RegierungsbaumeisterWalther Schmidt, die – an-ders als die vom Berufskolle-gen Hans Reissinger („Hausder Deutschen Erziehung“) –frei von ideologischem Bal-last ist. Der ästhetischeZweckbau mit dem Aufrisseiner Basilika wurde auch indemokratischen Zeiten alsunbedingt erhaltenswertempfunden. So formierte sichAnfang der 90er Jahre eineBürgerinitiative „Rettet dieRotmainhalle“, die das Bau-werk durch das neue Rot-main-Center akut gefährdetsah.

Blenden wir zurück in dieEntstehungszeit der Rot-mainhalle. Ein Jahr nach derbraunen Revolution wälztedas Stadtregiment unterOberbürgermeister Dr. KarlSchlumprecht große Plänefür das Mainflecklein. Sieveränderten in der Folgezeitdas historische Gesicht diesesStadtteils gewaltig.

Mistelbach überbrückt

Das über 200 Jahre alte„Maawirtshäusla“ an derEcke zum Graben wurde ab-gebrochen (Oktober 1935),der Mistelbach mit einer Be-tonbrücke von 22 MeterSpannbreite großzügig über-spannt und eine neue Aus-fallstraße angelegt, die denNamen „Marschall-Hinden-burg-Straße“ erhielt. Kern-stück der Neugestaltung wardie Halle mit einer Gaststätteund Stallungen für das Vieh.Von Anfang an war die Hallemultifunktional gedacht: alsMarkthalle, Viehhalle, aberauch als Messehalle und alsKundgebungshalle.Zweifellos war der Hallen-bau auf der grünen Mainauefür die damalige Zeit einhochmodernes Bauwerk miteinem Stahlskelett, das voneiner Würzburger Firma ge-liefert und montiert wurde.

Ende August 1934 war mitden schwierigen Grundie-rungsarbeiten begonnenworden. Von den 55 beteilig-ten Bauarbeitern waren diemeisten „Wohlfahrtser-werblose“, wie die NS-Zei-tung Bayerische Ostmark imDezember 1934 berichtete.Noch im gleichen Monatwurde die Hindenburgstraßedem Verkehr übergeben. Derneu errichtete Wohnblock ander Einmündung zur Cassel-mannstraße war zu diesemZeitpunkt bereits bezogen.Die unmittelbare Nachbar-schaft zum StädtischenSchlachthof machte die Rot-mainhalle auch für die Vieh-händler attraktiv. Bereits imMärz 1935, als die Bauarbei-ter auf dem StahlskelettRichtfest feierten, fand imUmfeld der Baustelle der ers-te „Verbandszuchtbullen-markt“ (21. März) statt. Da-mit hatte St. Georgen seinJahrhunderte altes markgräf-liches Privileg für die Abhal-tung der Viehmärkte verlo-ren. Und noch eine uralteTradition ging im gleichenJahr zu Ende. ZweieinhalbMonate nach der pompösenEinweihung der Rotmainhal-le (14. Juli) wechselte derWochenmarkt am 2. Oktoberseinen angestammten Stand-ort im Stadtzentrum zuguns-

ten des Mainfleckleins. DerAndrang der Bevölkerung sei„ungeheuer“ gewesen, ver-meldete die Tageszeitung.„Spannend war für uns Kin-der immer der Auftrieb zuden Viehmärkten und Zucht-körungen in der Halle“, erin-nert sich Herbert Scherer anden neuen, aufregenden An-ziehungspunkt in seiner da-maligen Nachbarschaft.„Auch gefährliche Bullenwurden per Fuß herangetrie-ben. Über einen Nasenringwaren sie leichter zu dirigie-ren, zusätzlich verhinderteein zweiter Begleiter miteinem Strick um eines derHinterbeine den Stier amAusbrechen.“

Tiefpunkt im Herbst 1938

Im November 1938 wurde dasneue Zentrum am Main-flecklein Schauplatz einesbeschämenden Tiefpunktesin der Stadtgeschichte. In dersogenannten „Reichskristall-nacht“ am 9./10. Novemberwurden die jüdischen Mit-bürger in den Stallungen ander Rotmainhalle einge-sperrt, wo sie am nächstenMorgen der Schaulust vielerBayreuther ausgesetzt waren.Zeitzeuge Herbert Scherer,

Fortsetzung auf Seite 5

Die Rotmainhalle mit ihrem Umfeld bei der Einweihungsfeier am 14. Juli 1935.

Regierungsbaumeister Wal-ther Schmidt war derArchitekt der Rotmainhalle.Auch nach dem Krieg tra-gen zahlreiche BayreutherBauwerke seine Hand-schrift, so das Kolpinghausund das erste Hochhaus inder Bahnhofstraße.

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Fortsetzung von Seite 4

damals knapp zehn Jahre alt,erlebte inmitten einer ScharErwachsener den nächtlichenExzess: „Die meisten sahenschweigend dem Geschehenzu, das sich im fahlen Lichtder Straßenbeleuchtung aufder Hindenburgstraße ab-spielte. Da wurden immerwieder jüdische Mitbürger,manche nur spärlich beklei-det, von schreienden, stoßen-den und prügelnden SA-Leu-ten wie Vieh zu den Ställengetrieben. Das Geschrei der‚Treiber‘ hatte uns aus demSchlaf gerissen:“ Am nächs-ten Morgen hoben sich dieKinder nach Scherers Erinne-rung gegenseitig hoch, um zusehen, wie die Verfolgten frie-rend auf dem Steinboden sa-ßen oder lagen – „ein Bild desElends, das einen bleibendenEindruck hinterließ“.

1945 beschlagnahmt

Im Zweiten Weltkrieg dientedie Rotmainhalle zeitweise als„Verteilstation“ für Bewoh-ner aus evakuierten Ortschaf-ten. Auf der anderen Straßen-seite entstand in den 40er Jah-ren eine Barackensiedlungmit slumartigen Zügen. 1945wurde die Halle von den US-Militärs beschlagnahmt.Doch schon im März 1950 warsie Schauplatz der ersten gro-ßen Handwerksmesse an derSchwelle des Wirtschafts-wunders, die immerhin 32 000Besucher anlockte.Die Wochenmärkte standenin den kommenden Jahrzehn-ten wieder im Mittelpunkt desGeschehens, doch wurde die3500 Menschen fassende Hal-le immer wieder auch fürGroßkundgebungen, Sport-und Musikveranstaltungenund sogar für Eisrevuen ge-nutzt. Im Juli 1953 wurde aufdem Platz vor der Rotmain-halle der Riesenwalfisch „Jo-nas“ mit einer Länge von 20

Metern von den Bayreuthernbestaunt.Die vielleicht bedeutendsteVeranstaltung in der 75-jäh-rigen Geschichte der Rot-mainhalle war der Auftrittdes ersten BundeskanzlersKonrad Adenauer, der am 24.November 1954 zum erstenund einzigen Mal nach Bay-reuth kam. Die mit fast 4000Menschen überfüllte Hallemusste bereits eine Stundevor Veranstaltungsbeginnpolizeilich geschlossen wer-den, weitere 3000 Bayreutherlauschten auf dem Vorplatzder Rede des 78-Jährigen. Diepolitischen Themen wie die„Saarfrage“, damals brand-aktuell, sind längst Geschich-te.Übrigens hatte ein Jahr zu-vor, am 19. August 1953, auchAdenauers GegenspielerErich Ollenhauer (SPD) dengleichen Ort für seine großeWahlkundgebung ausge-wählt. Am 21. Februar 1969

ging eine der turbulentestenpolitischen Kundgebungenüber die Bühne der Rotmain-halle. Bei der Veranstaltung„Bayreuth sagt Nein zurNPD“ musste der spätereBundeskanzler HelmutSchmidt ein minutenlangesDauergeheul der sogenannten„AußerparlamentarischenOpposition“ (APO) über sichergehen lassen. „Einigen derBürschlein gehörten eigent-lich die Hosen von ihren Er-ziehungsberechtigten strammgezogen“, kommentierte da-mals Dieter Hartung im Ku-rier die Exzesse.Als letzter großer Politikerhatte hier Franz Josef Straußim Oberbürgermeister-Wahl-kampf am 26. Februar 1988seinen großen Auftritt. Zudiesem Zeitpunkt war dasGebäude für eine MillionMark bereits von Grund aufsaniert (1980–1984).In den 90er Jahren rückte dasinzwischen zum Baudenkmal

gewordene Bauwerk mit demSchlachtruf „Rettet die Rot-mainhalle“ nochmals in denFokus öffentlicher Aufmerk-samkeit. Angesichts einesdrohenden Abrisses wegendes neuen Rotmain-Centerserinnerten Lokalhistoriker andie bauhistorische Bedeutungdes Gebäudes. Es sei jedoch,so hieß es, für Romantik nochnicht alt genug und für diePostmoderne schon zu alt.

Protest der Gärtner

Die Gärtner sammelten vor-sorglich 5689 Unterschriftengegen Abbruchpläne. DieBürgerinitiative „Rettet dieRotmainhalle“ erfreute sicheines so stürmischen Zulaufs,dass seitdem keiner mehr ge-wagt hat, die Zukunft desBauwerks anzutasten. Dienächsten 25 Jahre bis zumJahrhundert-Jubiläum dürftees wohl unangefochten über-stehen.

Hier entsteht zur gleichen Zeit eine neue Straße, die Hindenburgstraße, sowie der mächti-ge Neubau der Rotmainhalle (rechts). Im Hintergrund das Mühltürlein (Winter 1934/35).

Die nächtliche Rotmainhalle Anfang 1935 im Rohbau.Eine Würzburger Firma lieferte das Stahlkorsett.

Bäuerinnen mit Huckelkorb waren am Wochenmarkt ander Rotmainhalle in den 50er Jahren noch allgegenwärtig.

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Von Herbert Scherer

Ein besonderes Erlebnis inmeiner Jugendzeit war dieimposante Erscheinung desBayreuther HandelsmannesFranz Mayer, dem Kurt Her-terich in seinem Stadtteil-buch einen „voluminösenKörper“ zugeschrieben hat.Der volkstümliche Mannwurde deshalb landläufig„der dick’ Mayer“ genannt. Erwar Kaufmann, und zwar inBetten und Speiseeis, deshalbauch als der Eis- oder Betten-Mayer stadtbekannt.Die Gebäude seines Wirkenssind im Zuge des Neubaus desHohenzollernrings in den70er Jahren verschwunden.Seit 1929 hatte Franz Mayer,1904 in Marienweiher gebo-ren, zusammen mit seinerhübschen Frau Anna im altenGraben Nummer 6 in Vorder-und Hinterhaus das bekannteGeschäft „Betten-Mayer“ be-trieben, das ursprünglich inder Carl-Schüller-Straße vonMutter Kraft gegründet wur-de. Erfreulich ist, dass seitüber 50 Jahren inPegnitz am altenFriedhof FranzensEnkel Jürgen Ma-yer seinen „Betten-Mayer“ erfolgreichbetreibt.Wie sich der FranzMayer im Graben 6in den alten Ge-bäuden etablierthat, kann in einervon den Mayersselbst gefertigten„Jubiläums-Schrift“ unter dem Motto„Von der Wiege bis zur Bahreist das Bett das einzig’ Wah-re“ nachgelesen werden. InWort und Bild führt derTechniker und Tüftler Franzalle Arbeitsgänge und die zumTeil von ihm selbst konzipier-ten Maschinen vor. Die ma-schinelle Sortierung der Fe-dern war „die große Erfin-dung des FirmeninhabersFranz Mayer“, wie die Schriftstolz bekundet. Zeitsparendwurde damit die Rohware inDaunen, Halbdaunen undschwere Federn getrennt.Franz betrieb mit seinemvollmechanisierten Betriebzeitweise das größte Betten-fachgeschäft in Bayreuth. Miteinem mit Maschinen be-stückten Reisewagen konnteer auch auswärts seinem Ge-schäft nachgehen und sich aufAusstellungen zeigen. Er hat-

te immerhin einige Patenteaufzuweisen. Auf dem be-trieblichen Höhepunkt – nachder großen Krise zwischen1943 und 1948 mit der Kon-tingentierung der Rohwaren –standen ihm zwei Verkaufs-läden mit Schaufenstern, einMaschinenarbeitsraum, zwei

größere Federnla-ger und ein Sor-tier-Abfüllraumzur Verfügung.Der Wasserver-brauch bei der Fe-dernreinigung warenorm. So wurdenfür eine größereBettfüllung bis zu1500 Liter Wasserbenötigt.Was aber trieb denFranz noch um?Vielleicht war es

das Erlebnis der Krise in derKriegs- und Nachkriegszeit,das ihn noch nach einem an-deren Standbein suchen ließ.Den Erzählungen seiner En-kelin Anne Böhner zufolgestieg er 1949 in die Produk-tion von Speiseeis ein, undzwar in der alten Stätte amGraben 6. Hier stillte er dasgroße Bedürfnis vor allemvon uns Jugendlichen undKindern, die nach Kriegs-und Hungerjahren bis zurWährungsreform 1948 süßenGenüssen sehr entwöhnt wa-ren. Der Eis-Mayer sorgte fürAbhilfe, und zwar nicht nurim angestammten BereichGraben, sondern auch aneinem Stand am Eingang zumsogenannten „Neuen Weg“und an der Schulstraße beider Graserschule. Schließlichwar er auch mobil in anderenStadtteilen mit seinem Drei-

rad zur Stelle. Dabei trug ereine blaue Hose und eineblaue Weste.

Hose machte Geschichte

Die Hose machte sogar Ge-schichte. Weil seine beidenEnkel mir die Geschichtespontan und unabhängigvoneinander erzählten, kannich sie auch so wiedergeben:Ein jugendlicher Eiskäuferhatte erkannt, dass der Eis-Mayer bäuchlings so ausge-stattet war, dass er mit seinenArmen nicht weit genug nachunten greifen konnte. So trafer ihn sozusagen an einerSchwachstelle: „Herr Mayer,ihr Hosndierla is offn.“ DerFranz holte daraufhin einenkleinen Spiegel hervor undfixierte den angegebenen Ort,um dann erleichtert festzu-stellen, dass er gefoppt wor-den war. Damals soll er nochüber den Scherz gelacht ha-ben. Die zunehmende Nach-ahmung dieses Spaßes fand

bei ihm bald weniger Ver-ständnis. „Ich habe es einmalerlebt, wie er mit einerSchnelligkeit, die ich ihm niezugetraut hätte, aus seinerBude an der Mainbrücke he-rausstürzte, um dem Frevlerein Holzscheitla nachzuwer-fen.“Im Jahr 1957, im Alter von 53Jahren, ist Franz Mayer ge-storben. Trotz seiner körper-lichen Behinderung ging dertotale Krieg nicht ganz spur-los an ihm vorbei. Zwar konn-te er zum Militär nicht einge-zogen werden, auch derVolkssturm hatte auf ihn ver-zichtet, aber gegen Kriegsen-de wurde noch eine wehrhaf-te Einrichtung geschaffen,die sämtliche männliche Re-serven aktivieren wollte: diesogenannte Stadtwacht.Bayreuths Polizei war infolgedes Krieges geschwächt, dasie Beamte zum Aufbau derdeutschen Polizeistation impolnischen Jarocyn abgebenmusste. Von einem besonde-ren Einsatz habe ich nicht ge-hört. Ich erlebte aber noch dieVereidigung der Einheit aufdem Platz vor der Rotmain-halle mit, weil mein Vater vonpolizeilicher Seite beteiligtwar. Die Einheit marschiertein Zivil mit Armbinde herum,aber ausgestattet mit einemGewehr. Franz Mayer mar-schierte wegen seiner Breitenicht in einer Dreierreihe,sondern am Ende einer Ein-heit. Außer gelegentlichenkleinen Wachdiensten sindmir keine Einsätze bekannt.Mit der Besetzung der Stadtam 14. April übernahmen dieUS-Militärs Ordnungsfunk-tionen, und Franz war frohdarüber, endlich wieder indie Rolle des Kaufmanns zu-rückzukehren.

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Vom Eis- und Betten-MayerLebensstationen eines unvergesslichen Originals aus dem Graben

Mit seinem Reisewagen konnte Franz Mayer seine Bett -federnreinigung auch ambulant betreiben.

Der „Eis-Mayer“ aus dem Graben mit seinem belastungs-fähigen Dreirad auf dem Marktplatz (um 1940).

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Von Bernd Mayer

Als die 50er Jahre begannen,lagen zwei fürchterliche Jahr-zehnte hinter den Zeitgenos-sen: die 30er Jahre, weitge-hend geprägt vom menschen-verachtenden Nationalsozia-lismus, und die 40er Jahre, ge-trübt durch Krieg, unsägli-ches Leid und Nachkriegs-elend. Das Jahr 1950 wurdefür die Menschen zur Ein-trittspforte in die weitaus bes-sere Hälfte des 20. Jahrhun-derts.Seit der Währungsreform imJuni 1948 hatten auch dieBayreuther das Gefühl, dasssich nach Jahren des Still-stands in ihrer unwirtlichenRuinenstadt endlich etwasrührte. Ein neues Stadtober-haupt, Hans Rollwagen(SPD), setzte als exzellenterVerwaltungsjurist nach seinerWahl am 1. Juli 1948 demstädtischen Ämterschlen-drian ein Ende. Vor allem aufeine Konsolidierung der zer-rütteten Gemeindefinanzenlegte er großen Wert, auchwenn diese mit schmerzhaftenEinschnitten vor allem impersonellen und kulturellenBereich verbunden war. Da-mit machte Rollwagen zu-sammen mit der Familie Wag-ner den Weg frei für die erstenNachkriegsfestspiele 1951.An der Schwelle des Jahres1950 konnte der Oberbürger-meister erleichtert verkün-den: „Wir haben wieder festenBoden unter den Füßen ge-wonnen.“ Und der IHK-Prä-sident und spätere Ehrenbür-ger Dr. Konrad Pöhner fügtehinzu, jetzt müsse die „freie“Marktwirtschaft noch zueiner „sozialen“ gemachtwerden.Eine fieberhafte Bautätigkeitsetzte Anfang der 50er Jahreein. „Jeder Stein, der neu aufeinen anderen gelegt ist, wirddankbar begrüßt – ganz gleichwo und wie“, rief Rollwagenaus. Tausende von BayreutherBürgern mussten damals nochin Baracken vegetieren – amFestspielhügel, in der Hin-denburgstraße, am Flößanger,in der Hammerstatt und anzahlreichen anderen Punktendes Stadtgebiets.Die großen Wohnblocks, dienun aus dem Boden gestampftwurden (etwa in der Altstadtoder in der Hammerstatt), er-hoben keinen Anspruch, spä-ter auf die Denkmalsliste ge-setzt zu werden, aber sie wur-

den von unzähligen Familienals Befreiung aus zum Teilunvorstellbaren Verhältnis-sen empfunden. Immerhinentstanden in der ersten Hälf-te der 50er Jahre auch zweiBauwerke, die höheren archi-tektonischen Ansprüchen ge-recht wurden: die dreitürmigeChristuskirche und der mäch-tige Neubaukomplex Kir-chenmusikschule/Prediger-seminar an der Wilhelminen-straße.Flott voran ging es am Markt-platz, wo die zahnlückigeNordseite nach und nach mitNeubauten aufgefüllt wurde.Der Busbahnhof, der 1950mitten auf dem Markt ange-legt wurde, beflügelte das ge-schäftliche Leben im Stadt-zentrum spürbar, zumal auch

ein neuer Linienplan für denStadtverkehr (ab Mai 1951)für lebhaften Zustrom sorgte.Verblüffend auch die Zunah-me des Innenstadtverkehrs:Wenige Jahre nach Kriegs-ende wurden am Marktplatzdie Parkplätze knapp.

Ampel und Parkuhren

Die Bayreuther mussten sichin diesen Jahren an viele selt-same Neuheiten gewöhnen:Wie eine Ampel funktioniert,wurde den Bürgern 1952durch die beiden Lokalzei-tungen Fränkische Presse undBayreuther Tagblatt beige-bracht. Viel Ratlosigkeit löstedagegen der erste Zebrastrei-fen in der Opernstraße aus,und die ersten Parkuhren vor

der Sparkasse am Marktwurden von manchem gar alsetwas Unmoralisches emp-funden: Wie kam die Stadt-verwaltung dazu, Zeit zu ver-kaufen?Durchwegs freudig wurdedagegen die Aussicht begrüßt,mittels Fernsehen die Welt zuerschließen. Lange hatten dieBayreuther darauf wartenmüssen, bis die populärenTV-Quizmaster Peter Fran-kenfeld und Hans-JoachimKulenkampff auch in ihrenStuben Einzug halten konn-ten. Die Generalprobe für dasFernsehen fand zwar schonim Oktober 1954 auf demSeulbitzer Berg statt, abererst im Frühjahr 1956 erlebtedie „Glotze“, wie sie bei denTV-Muffeln hieß, ihrenDurchbruch im Städtchen.Manches mutet nachträglichein wenig merkwürdig an. Dawurde in den eher puritani-schen 50er Jahren allen Erns-tes versucht, Bayreuth zuroberfränkischen Faschings-hochburg hochzupäppeln.Mit dem Schlachtruf„Awaaf“ stürzten sich dieNarren auf die seit altersheretwas „daabe“ Bevölkerung,um aus ihnen rheinischeFrohnaturen zu machen. DasSpektakel der großen Fa-schingszüge lockte immerhinZehntausende auf die Stra-ßen.Das wichtigste Ereignis der50er Jahre war der Wiederbe-ginn der Festspiele. Wagner-enkel Wieland revolutioniertedie Opernbühne. BruderWolfgang erwies sich als all-gegenwärtiger Organisator.Die braunen Schatten derVergangenheit wurden zu-mindest künstlerisch auf demGrünen Hügel glaubwürdigabgestreift. Doch die rechts-radikalen Parteien kokettier-ten noch ziemlich dreist mitdem Symbolwert Bayreuthsals einstigem „Kraftzentrum“des Nationalsozialismus. Undim Festspiel-Publikum tauch-te so manches NS-Fossil imUmfeld von Winifred Wagnerauf.Im Jahr 1958 wurde mit HansWalter Wild ein neuer Ober-bürgermeister gewählt, derdrei Jahrzehnte im Rathausden Takt schlagen sollte. Mitseiner Dynamik war er genaudie richtige Persönlichkeit fürdie Herausforderungen derZukunft. Er machte aus dem„Dornröschen ein fleißigesLieschen“, so Wild.

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1952: Wiederaufbau des Alten Schlosses am Marktplatz.

Eintritt in die bessere JahrhunderthälfteVor 60 Jahren begann ein glückliches Jahrzehnt für Bayreuth

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1. Der Sternplatz im Feb-ruar 1950 – ohne Ver-kehrspolizist geht es schonfünf Jahre nach Kriegsen-de nicht mehr.2. Im Mai 1950 erregen 15„schnittige“ Borgward-Autos auf dem Marktplatzdie Aufmerksamkeit derBayreuther.3. Das Hollfelder „Bocka-la“ auf der Fahrt vomBahnhof Kreuzstein zumBahnhof Röhrensee (1953).4. Die Wagnerenkel Wie-land und Wolfgang lau-schen im Festspielsommer1951 einer Rundfunksen-dung über „Neu-Bay-reuth“.5. In den Ruinen des Luit-poldplatzes regt sich An-fang der 50er Jahre neuesgeschäftliches Leben.6. Im November 1954kommt der erste Bundes-kanzler Konrad Adenauernach Bayreuth – sein ers-ter und einziger Besuch.7. Die verkehrsreicheKreuzung Kanalstraße/Schulstraße, wo sich heuteder ZOH befindet (um1956).8. Im Frühjahr 1956 bildensich Menschentrauben vordem Fernseher im BELG-Laden am Luitpoldplatz.9. Dreidimensional könnendie Bayreuther im Bali-Kino mit entsprechenderSpezialbrille bereits imJahr 1953 sehen.10. Rudolf Rösners Milch-bar am Sternplatz wird ab1955 zum beliebten Treff-punkt für junge Leute –mit über 80 Milchmix-Ge-tränken.11. 1957 wird innerhalbweniger Wochen der Neu-bau des BAT-Fabrikge-bäudes im Industriegelän-de St. Georgen hochgezo-gen.12. Schlittschuhlaufen aufdem Gelände des Tennis-Clubs Rot-Weiß zwischenJean-Paul und Birkenstra-ße im Jahr 1953.13. Die Angst vor einemAtomkrieg treibt die Men-schen auf die Straße, wiehier nach der Maifeier1958 in der Ludwigstraße.14. Wachablösung im Rat-haus: Das alte Stadtober-haupt Hans Rollwagen(links) prostet hier seinemNachfolger Hans WalterWild zu. In der MitteStadtrechtsrat Dr. HansEschlwöch (Mai 1958).

Ein fotografischer Streifzug durch die vergoldeten FünfzigerjahreRückblick auf ein Jahrzehnt, das bei älteren Mitbürgern nostalgische Gefühle auslöst / Von Jahr zu Jahr wurde alles ein bisschen besser

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Meine Jugend auf dem Lainecker FlugplatzDer heute 85-jährige Lothar Siegfried Albrecht erinnert sich

Von Bernd Mayer

Der Flugplatz Laineck wardas erste große Prestigepro-jekt, das sich die Stadt Bay-reuth nach dem Ersten Welt-krieg, nach wahren Hunger-jahren und nach einer irrwit-zigen Inflation wieder gönn-te. Am 2. August 1925 wurdedie neu erbaute Flughalle vorden Toren der Stadt miteinem Flugtag eingeweiht,und das damalige Stadtober-haupt Albert Preu rief zu-kunftsfroh aus: „Aufwärtsund vorwärts sei die Losung.“Bald darauf war Bayreuthauch an das nationale Luft-verkehrsnetz angeschlossen.Das Stadtregiment gab sichder Hoffnung hin, auf diesemWeg das deprimierendeEisenbahndilemma „einiger-maßen ausgleichen“ zu kön-nen.Im August 1930 kamen bei-spielsweise auf dem Lain-ecker Landeplatz mit demstolzen Namen „Flughafen“

119 „Luftfahrgäste“ an, 82Personen, meist Festspielgäs-te, gingen im gleichen Zeit-raum von hieraus in die Luft.In einem Beitrag für die Hei-matbeilage „BayreutherLand“ 1931 hieß es: „Zwarnimmt keine Weltlinie vonBayreuth ihren Anfang, aberdoch hat der BayreutherFlughafen seinen Platz ganznahe der Kreuzungsstelle derwichtigsten deutschen Süd-Nord-Linie München–Nürn-berg.“ Spätere Geschlechter

würden der Stadtverwaltungfür ihre Weichenstellung„ungemein dankbar“ sein.Einer, der damals schon aufder Welt war und auf demLainecker Flugplatz auf-wuchs, ist der heute 85-jähri-ge Lothar Siegfried Albrecht.Sein Vater Max BernhardAlbrecht (1890–1960) war alsFlughallenwart mit dem Lai-necker Landeplatz von An-fang an eng verbunden. Erbrachte für seinen Job einenreichen Erfahrungsschatzmit. Ein Fliegerkrug erinnertals Reliquie an seine Dienst-zeit in der Königlich-Bayeri-schen Fliegerstation inSchleißheim während derJahre 1911 bis 1913. Für die-se Rarität bot ein Angehöri-ger der früheren BindlacherUS-Garnison sogar ein klei-nes Vermögen. Im ErstenWeltkrieg bewährte sich derVater als Flugzeugführer.Als Sohn des Flughallen-warts genoss Lothar Sieg-fried Albrecht eine Reihe vonPrivilegien, um die ihn wohlalle Gleichaltrigen beneide-ten. So konnte er sich aufdem strengstens abgesperrtenPlatz völlig frei bewegen. Va-ter Max Bernhard Albrechtund Wolf Vogel, ein Bayreu-ther Segelflug-Pionier, bas-telten eigens für ihn sogar einKinderflugzeug, das miteinem Sachs-Motor undeinem Propeller ausgestattetwar. Damit konnte Lothar

Siegfried auf dem Flugplatznach Herzenslust herumrol-len.Schon früh lernte er hierBayreuths weiblichen Flie-gerstar Lisl Schwab kennen,die vor allem als kühne Fall-schirmspringerin eine natio-nale Berühmtheit wurde. Ihrekleine Messerschmitt-Sport-maschine stand seit 1929 aufdem Lainecker Flugplatz ander Bindlacher Allee.

Absturz des Gauleiters

Anfang der 30er Jahre ließsich Lisl Schwab vor denPropagandakarren der Nazisspannen: Auf den Tragflä-chen ihres Flugzeugs warbsie für NS-Publikationen.Lothar Siegfried bewahrt ihr

jedoch ein dankbares Anden-ken. „Sigila, wir fliegen heu-te nach Nürnberg und neh-men auch die Mutter mit“,sagte sie zu Jung-Siegfried.Ansonsten flog sie in Laineckneue Maschinen ein, unter-nahm von hier aus viele Pri-vatflüge und erwarb sichauch als Fluglehrerin An-sehen.Zur fliegenden BayreutherProminenz gehörte in denfrühen 30er Jahren auch derNS-Gauleiter und Kultusmi-nister Hans Schemm, der aufdem Lainecker Flugplatz am5. März 1935 tödlich verun-glückte. Der GaupilotSchmitt hatte beim Start mitder Messerschmitt-Sport-

Fortsetzung auf Seite 11Lothar Siegfried Albrechtmit dem Fliegerkrug seinesVaters, eine Rarität ausdem Jahr 1913.

Flughallenwart Max Bernhard Albrecht auf dem Lande-platz Laineck, im Hintergrund der Oschenberg.

Mit einem Flugzeug wurde 1925 der Lainecker „Flughafen“ eingeweiht.

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Page 10: Heimatkurier 04 2010

Flughallenwart Max Bernhard Albrecht vor dem Flugzeug der Stadt Bayreuth.

Lisl Schwab, die berühmteBayreuther Fallschirmspringe-rin der 30er Jahre, beim Startzum Sternflug nach Paris.

„Es gilt ein edles Werk“: Bau-stein zur Anschaffung des„Flugzeuges Bayreuth“ ausdem Jahr 1925.

Fortsetzung von Seite 10

maschine den Windsack derFlugzeughalle gestreift, wor-auf die Maschine am Bodenzerschellte. „Bis heute ist esmir ein Rätsel, wie dasSchmittla den Luftsack erwi-schen konnte“, merkt Sieg-fried Albrecht an.Ein Schauobjekt besondererArt war für den Jungen auchdie JU 52, mit der Hitler, Gö-ring und Goebbels zu denFestspielen gebracht wurden.Mit Hitlers Flugkapitän HansBauer durfte er sogar eineProberunde fliegen.Im Zweiten Weltkrieg be-suchte Lothar Siegfried Al-brecht von 1940 bis 1943 dieFliegertechniker-Vorschulein Oschersleben bei Magde-burg. Die Flugzeugmechani-kerlehre schloss er mit derFacharbeiterprüfung ab.Dann wurde er zur Luftwaffeeingezogen und kam als Bo-denmechaniker nach Frank-reich an den Atlantikwall.Später geriet er noch in Ge-fangenschaft, bevor er heilwieder in seine Heimat ent-lassen wurde.Mit dem Zweiten Weltkriegendete auch die nur 20-jähri-ge Geschichte des LaineckerFlugplatzes. Sein Geländewurde Ende der 40er Jahrefür den Aufbau eines Flücht-lingslagers genutzt. Anfangder 60er Jahre wurde die alteFlughalle aus dem Jahr 1925abgebrochen und die Bun-deswehr übernahm nun dasGelände für die Neubautenihrer Markgrafenkaserne. In-zwischen ist auch über diesesletzte Kapitel der 400-jähri-gen Bayreuther Garnisons-geschichte längst Gras ge-wachsen.

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Auf dem früheren Lainecker Flugplatz wird nach dem Krieg ein Flüchtlingslager errich-tet. Die alte Flughalle muss Anfang der 60er Jahre den Kasernen weichen.

„Mayers Fähigkeit, 800 JahreStadtgeschichte auf sportliche150 Seiten zu raffen, machendas Buch neben den vielenlustigen und skurrilen Bege-benheiten lesenswert – nichtnur für Bayreuther.“

(Fränkischer Tag)

Bayreuths Geschichte kompakt

Verlag Friedrich Pustetwww.verlag-pustet.de

Bernd MayerKleine BayreutherStadtgeschichte

168 S., 48 Abb., kartoniert,ISBN 978-3-7917-2266-5,€ 12,90 (D)

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Die Herrn- oder MünzmühleAls eine von fünf Bayreuther Mühlen im Landbuch von 1421 aufgeführt

Von Helmut Haas

Mit der Herrnmühle (Münz-mühle) an der Opernstraßesetzen wir unsere Serie imHeimatkurier über Bayreu-ther Mühlen fort. Im Land-buch um 1421 werden fünfMühlen aufgeführt, unter ih-nen zwei an der „Rotmanß-pruck“ (Rotmainbrücke). Siewurden später zu einer zu-sammengelegt, der späterenHerrnmühle.Die genaue Lage der Herrn-mühle (auch Münzmühle ge-nannt) ist heute nicht mehrfeststellbar, da das Haus nacheinem Brand im Jahr 1903 ab-gebrochen wurde. Schon vor-her war der Mühlkanal in die-sem Bereich überbaut worden.Die Mühle stand schräg zurOpernstraße und ragte quer indie Münzgasse hinein, so dassnur ein sehr schmaler Wegzwischen dem Redoutenhaus(heute Café an der Oper) undder Mühle frei blieb. EineDurchfahrt breiterer Fuhr-werke war somit unmöglich.Die engen Verhältnisse imEinmündungsbereich Opern-straße/Münzgasse legteneinen Abbruch der Mühle na-he. Als 1894 der Durchbrucheiner Straße nach St. Georgen(Wölfelstraße) von BaumeisterWölfel geplant wurde, war dasSchicksal der Münzmühle be-siegelt.Bereits vor dem Abbruch die-ses markanten Gebäudes wa-ren die nach dem Baumeisterbenannten Wölfelbauten an

der Opernstraße errichtetworden. Die ursprünglicheHäuserzeile an dieser Stelle,die westlich an die Herrnmüh-le anschloss (unter ihnen dasobere und untere Tuchhaussowie die Hofbäckerei) muss-te diesem repräsentativenGebäudeblock weichen. DasUmfeld der Münzmühle hattesich also innerhalb wenigerJahrzehnte grundlegend ver-ändert.Der Name Herrnmühle leitetesich von der Bezeichnung„Mahlmühle der Fürsten undHerren“ ab. Sie war also dieMühle des Hofs. In spätererZeit wurde eine Gipsmühleangegliedert, ein zweistöcki-ger Fachwerkbau neben derMühle. Der Gipsmüller wurde

auch als Gipsbrenner be-zeichnet.Die Namen von 43 Müllern,die nacheinander auf derHerrnmühle saßen, wurdenvon Heimatforscherin Irm-gard Dämmrich in ihrem Bei-trag „Die Bayreuther Was-sermühlen“ für den Archiv-band des Historischen Vereinsfür Oberfranken (1987) ermit-telt. Die Reihe beginnt beiHans Seitz, der 1499 die bei-den benachbarten Mühlen ander „Rotmanßpruck“ zusam-menlegte, und endet mit demletzten Müller Johann GeorgSchiller, der 1873 das Anwe-sen übernahm.Nach dem Brand der Herrn-mühle 1903, bei dem ein Kindums Leben kam, wurde nochim gleichen Jahrzehnt an derEcke Wölfelstraße/Münzgas-se/Opernstraße ein repräsen-tatives Bankgebäude errich-tet.

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Hier wird der Mühlkanal in der Opernstraße überdacht.Links die Wölfelbauten, rechts die Münzmühle mit einergroßen Reklamefläche (um 1895).

Die 1903 abgebrannte Münzmühle an der Ecke Münzgasse/Opernstraße (um 1890).

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Ein industrielles NachkriegswunderAls in der Saas die berühmten Karlsbader Oblaten produziert wurden

Von Bernd Mayer

Nur mühsam kam BayreuthsWirtschaft nach dem totalenZusammenbruch im April1945 wieder auf die Beine. Inder allgemeinen Nachkriegs-tristesse, in der sich lähmendeLethargie breit machte, gab esjedoch auch einige überra-schende Lichtblicke. Vor al-lem die von den alteingesesse-nen Bayreuthern anfangs we-

nig geschätzten Flüchtlingesorgten mit ihrer Kreativitätund ihrer Innovationsfreudefür erfolgreiche Betriebs-gründungen. Einer von ihnenwar der Karlsbader WilhelmWolf, der zusammen mit sei-nem Kompagnon BertholdDittmann „Deutschlandsgrößte Oblatenfabrik“ auf dieBeine stellte.Als Wolf 1946 aus seiner böh-mischen Heimat ausgewiesenwurde, trug er nach eigenerAussage als einzige Gepäck,das ihm nicht genommenwurde, das sorgsam gehüteteFamilienrezept zur Herstel-lung der weltberühmtenKarlsbader Oblaten bei sich.Die ersten Probepackungenfertigte er im August 1947 inder Richard-Wagner-Straße

an. Nach einer Zwischensta-tion in der Schulstraße 8 ver-legte er seine Produktions-stätte nach Wendelhöfen, woer bereits 70 Personen be-schäftigte. 1948 siedelte ersich im Industriegebiet derehemaligen NSKK-Motor-sportschule in der Saas an, woauch andere Betriebe wie dieGardinenweberei Zappeihren Sitz hatten.

Als „Törtlasmacherin“

Die heute 84-jährige Wal-traud Anderson, die Tochtervon Berthold Dittmann,arbeitete zunächst als Packe-rin und später als „Törtlas-macherin“, von Prinzesstört-chen. Dabei wurde eine Obla-te mit Kreme bestrichen undin Tortenstückchen aufge-teilt. Die leckere Produk-tionspalette fand im ausge-hungerten Deutschland rei-ßenden Absatz. 800 000 Obla-ten wurden zeitweise monat-lich hergestellt, mit einer ein-gebackenen Ansicht vomFestspielhaus auf der Vorder-seite. Sie gingen sogar wag-gonweise nach Großbritan-nien und Frankreich.

Waltraud Anderson weißauch die soziale Einstellungdes Betriebs zu rühmen. „Wirhaben sogar Betriebsausflügeunternommen, wo gab’s dasdamals schon?“ Dank derBackkunst von Wilhelm Wolfund dem Organisationstalentvon Berthold Dittmann warder Betrieb an der Spitze gutaufgestellt. Zur Belegschaftgehörten auch einige Akade-miker, die heilfroh über einenArbeitsplatz waren. Der Be-trieb boomte, und die Zeit-zeugin weiß zu erzählen, dasszeitweise in mehreren Schich-ten gearbeitet werden musste.So beeindruckend war die Er-folgsgeschichte, dass sogardie Wochenzeitung Die Zeitdarüber berichtete. In einemInterview mit der BayreutherLokalzeitung FränkischePresse bezifferte WilhelmWolf im Januar 1949 die Be-legschaftsstärke mit 174 Be-schäftigten, unter ihnen zu 80Prozent Ausgebombte undFlüchtlinge. Sorge bereiteteder Geschäftsführung derRohstoffmangel. Wolf ließdamals durchblicken, dass dieProduktion bei ausreichenderVersorgung mit Zucker, Mehl

und anderen Zutaten noch be-trächtlich ausgeweitet wer-den könnte. Für das Bayreu-ther Wirtschaftsleben war dieFirma laut Fränkischer Pres-se von erheblicher Bedeutung.Doch schon wenige Jahre spä-ter kam für die Oblatenbä-ckerei das Aus. Nach der Er-innerung von Waltraud An-derson wurde in der DDR einBetriebsfahrzeug samt demGeld beschlagnahmt. Aberauch die Konkurrenz wurdeimmer stärker, und der Ver-such, auch andere Produktewie Schokolade in die Pro-duktion aufzunehmen,scheint nicht erfolgreich ge-wesen zu sein. Nach dem Zu-sammenbruch des Betriebswurde Georg Wolf Makro-nen- und Waffelbäcker in derBäckerei Popp am Röhrensee.Für Waltraud Anderson be-gann ein neues beruflichesLeben mit Nylonstrümpfenbeziehungsweise mit derenLaufmaschen. Erst mit derHand und später maschinellhäkelte sie für ihre Kundin-nen Laufmaschen wiederhoch, „Repassieren“ nannteman diese Tätigkeit. Die Lie-be zu den Oblaten hat sie einLeben lang bewahrt.

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Arbeiterinnen der „Ersten BayreutherOblatenfabrik“ in der früheren Motor-

sportschule in der Saas.

Waltraud Anderson als„Törtlasmacherin“ um 1949.

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Page 13: Heimatkurier 04 2010

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impressum

HEIMAT-KURIER

Das historische Magazindes Nordbayerischen Kuriers

Verantwortlich:Gert-Dieter Meier

Redaktion: Bernd Mayer

Mitarbeit: Dr. SylviaHabermann, Helmut Haas,

Herbert Scherer

Fotos/Repros:Archiv Bernd Mayer,

Dieter Härtl,Fritz Lauterbach,Rüdiger Kranz,

Karlheinz Lammel,Historisches Museum der

Stadt Bayreuth

Historische Karikaturen:Matthias Ose

Gesamtanzeigenleitung:Michael Rümmele (verantw.)

Anzeigenleitung:Andreas Weiß

Nordbayerischer KurierGmbH & Co.

Zeitungsverlag KGMaximilianstraße 58/60

95444 Bayreuth undTheodor-Schmidt-Straße 17

95448 Bayreuth

© 2010 Nordbayerischer Kurier

Das veränderte Mainflecklein75 Jahre liegen zwischen diesen beiden Aufnahmen

Ein Dreivierteljahrhundertliegt zwischen diesen beidenBildern. Als die Aufnahmeoben entstand, war die alteSchlachthofbrücke bereitsabgerissen. Dagegen ist nochdas über zwei Jahrhundertealte Mainwirtshäuschen zusehen an der Einmündung desalten Grabens, wo heute derHohenzollernring verläuft.Seine Tage waren damals je-

doch schon gezählt. In derunmittelbaren Nachbarschaftsteht bereits der neu errichte-te Häuserblock. Im Hinter-grund breitet sich die Main-aue aus, auf der 1910 das ers-te Volksfest abgehalten wur-de. Das Mainflecklein musstejedoch auch für so mancheGroßkundgebung der Nazisherhalten. Die Hindenburg-straße wurde 1934/35 zur

Ausfallstraße nach Kulmbachausgebaut, und links nebendem Schlachthof entsteht zudieser Zeit die Rotmainhalle(siehe auch Seite 4/5). DasHaus ganz rechts, in dem dieFirma Schießl ihren Sitz hat-te, zeigt die heutige Situationmit dem in den 30er Jahrenneu errichteten Gasthauszum Main und dem Cineplex-Kino im Hintergrund.

QuizgewinnerÜber 1000 Einsendungen hat-ten wir bei unserem Bay-reuth-Quiz schon lange nichtmehr. Die Frage 1 wurde lei-der von über der Hälfte derLeser falsch beantwortet. Dierichtige Antwort: A) Goethe-straße A) Bahnhofstraße C)Casselmannstaße. Die Ge-winner: Christa Nawrath,Grünewaldstraße 2, 2. PreisMargot Ploss, Furtwängler-straße 6 a, 3. Preis ErwinBrodelt, Holländerstraße 8(alle Bayreuth). Kontakt-adresse: KURIER-Lokal-redaktion, Sekretariat, Tele-fon. 09 21/ 50 01 63.

Die Preise wurden gestiftetvon

Oberkonnersreuther Str. 6,Bayreuth, Tel. 09 21/5 28 83

Besuchen Sie das von FamilieSchmitt geführte RestaurantZur Sudpfanne in Bayreuth-Oberkonnersreuth vor den To-ren der Wagnerstadt.

Page 14: Heimatkurier 04 2010

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Machen Siemit:

Schreiben Sie die richtigeLösung auf eine Postkarte,vergessen Sie nicht IhrenNamen und Anschrift undwerfen Sie die Karte inden nächsten Briefkastenoder geben Sie diese ineiner der Kurier-Ge-schäftsstellen ab. Einsen-deschluss ist der 13. Janu-ar 2011. Der Rechtsweg istausgeschlossen. Bitteadressieren Sie die Post-karte an:

Nordbayerischer KurierHeimat-Kurier/

Historisches QuizMaximilianstraße 58/60

95444 Bayreuth

Diese Straße (um 1935) führt ins Stadtzentrum. Ihr Name?A) Erlanger Straße, B) Kulmbacher Straße, C) Schulstraße

Wie heißt diese schöne Wohnstraße (um 1905)?A) Lisztstraße, B) Parkstraße, C) Nibelungenstraße

Wie heißt dieser Bereich in der Innenstadt (um 1905)?A) Dammallee, B) Luitpoldplatz, C) August-Bebel-Platz

Das historische Quiz um Alt-BayreuthUnser Gewinnspiel für Stadtkenner und findige Neubürger

Gewinnen Sie:1. Preis:

1 Magnum-Champagnerflasche

aus dem Hause Paul Goerg

2. Preis:Alfi-Isolierkanne mit

zwei Cappuccino-Tassenim Zeitungsdesign

3. PreisAlfi-Isolierkanne mit

zwei Cappuccino-Tassenim Zeitungsdesign

Was läuftsteht imKurier.

Page 15: Heimatkurier 04 2010

Der belebteste Platz der gan-zen Stadt war über Jahrhun-derte der Sternplatz, der bisvor 70 Jahren noch den NamenKutscherplatz trug. Tatsäch-lich befanden sich gleich ander Einmün-dung zurMaxstraßedie Pferde-droschken,die Vorläu-fer unsererTaxis. AufdemKutschbockwarteten dieKutscher aufFahrgäste.Wenn es all-zu langedauerte, be-kamen dieDroschken-gäule den mitgebrachten Ha-fersack umgehängt, um eineFresszeit einzulegen.Im Winter stampften die„Hamberla“, wie sie im Volks-mund hießen, vor Kälte mit denHufen, und der Atem dampfteaus ihren Nüstern. Doch zurFestspielzeit kamen sie so rich-tig in Trab. Von den Fiakernwurden sie dann festlich her-ausgeputzt, mit blitzendem

Zaumzeug und einem Kopf-schmuck aus Stoff mit rotenund weißen Ohren. So gerietdie Auffahrt zum Festspiel-haus mit den ebenso he-rausgeputztenGästenzu einemprachtvollenSchauspiel.Auch in den Hotels nahe demKutscherplatz hielt man Pfer-de und einen Hotelwagen. EinHausdiener mit grüner Schür-ze und einer Mütze mit derAufschrift „Hotel GoldenerAnker“ oder Hotel „Schwar-zes Roß“ fuhr damit zumBahnhof, um die Gäste mitihren Koffern abzuholen und

bei der Abreise wieder hinzu-bringen. In aller Ruhe konn-ten Touristen vor ihren Hotelsanhalten und aussteigen, denndamals störte sie kein Verkehrauf der Straße. Es war eine

gemütliche Zeit. Und wennauch manchmal Pferdeäpfelauf die Straße gefallen waren,so holten die praktisch den-kenden Bayreuther Gartenbe-sitzer Eimer und Schaufelherbei, und die momentaneLandluft war schnell wiederverflogen. Wer beseitigt schonheute die Auspuffgase derBenzinkutschen?Mit dem Fortschritt der Zeit

wurden dieeinst so ge-duldig da-stehendenDroschken-gäule undihre Kut-scher vonden schnel-leren Autosverdrängtund der Kut-scherplatzverlor seinensinnvollenNamen. Einanderer

Name, den ihm der Volks-mund gab, blieb jedoch nochlange an ihm kleben: Maul-affenplatz. Tatsächlich gab esan diesem Platz so viel zu be-staunen wie an keinem ande-ren Punkt der Stadt, und Endeder 30er Jahre wurden notori-sche Eckensteher sogar miteinem Bußgeld bedroht.

Vom altenKutscherplatz

Der Bayreuther Sternplatz vor 100 Jahren

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Chemiestudiumabsolvieren. Nur dann ver-mag er zu entscheiden, obEierschalen unter die nativ-organischen Abfälle gezähltwerden und folglich in dieBiomülltonne geworfen wer-den dürfen oder aber ob siedem ungiftig-anorganischenMüll zuzuordnen sind. Auchgrundsätzliche Fragen wiedie, ob durch die Vermen-gung von Klößresten mit üb-riggebliebenem Schokola-denpudding giftige Dioxinefreiwerden können oder obein rostiger Nagel noch alsAltmetall oder bereits alsEisenoxyd im Container fürChemiesalze abgelagertwerden muss, kann nur einchemisch geschulter Abfall-sortierer letztgültig ent-scheiden. Die Einrichtungeines chemischen Heimla-bors, wo man in Zweifelsfäl-len alle nötigen Analysenvornehmen kann, ist für je-den Haushalt deshalb ebensozu empfehlen wie die einer

Müllaufbereitungs-werkstatt,welche es dem müllbewuss-ten Bürger ermöglicht, ausmehreren Materialien zu-sammengesetzte Wegwerf-gegenstände in ihre Einzel-heiten zu zerlegen und dieseder entsprechenden Spezial-entsorgung zuzuführen. Lee-re Konservenbüchsen bei-spielsweise müssen folgen-den vier Arbeitsgängenunterzogen werden: 1. einerVollwaschung, die sie von al-len noch vorhandenen Gu-lasch-, Tomatensuppen-, Ra-violi- und anderen -resten,welche der organischen Bio-entsorgung zuzuführen sind,befreit. 2. muss die aufge-klebte Papieretikette, aus derihr früherer Inhalt ersichtbarwar, in einem warmen Was-serbad abgelöst, getrocknetund in den Altpapiercontai-ner geworfen werden. 3. giltes, mit einem mechanischenoder elektrischen Dosenöff-ner die Unterseite der Büch-se herauszuschneiden undden verbliebenen Hohlkörpersodann mit einer hydrauli-schen Metallpresse so zu-sammenzudrücken, dass vonder ehemals voluminösenKonservendose nur noch einedünne Folie im Format einesBriefkuverts übrig bleibt.Diese überstellt man zusam-mengebündelt tausend-stückweise dem Altmetall-händler. Bei der Einrichtungeiner solchen Heimwerkstattsollte man grundsätzlichgroßräumig planen.

Problematisch sind die Alt-glascontainer deswegen,weil sie in weiten Kreisender Bevölkerung als

Säufertreffsgelten. Männer (seltenerFrauen), die hier mit einemGroßraum-Mercedes bzw.-BMW voller Wein- undSchnapsflaschen ankommenund dieselben in den Contai-ner werfen, wirken meistensauch alle etwas scheu undverlegen, wie frisch ertappteSittenstrolche. Sie verdäch-tigen sich oft auch gegensei-tig des Alkoholismus, ob-

wohl viele von ihnen auchMarmeladengläser, Essig-,Rasier- und Haarwasserfla-schen einwerfen. DenselbenEindruck haben auch dieAnwohner, welche die Fla-schenwerfer mit dem Fern-glas von ihrem Balkon ausbeobachten. – Große, echte,um ihren Ruf bedachte Trin-ker kommen deshalb auchnur nachts (wenn das Ein-werfen verboten ist) und stel-len ihre Flaschen wie eineMilitärparade zum letztenAppell vor den Containernauf. Dass es sich verbietet,

ausgebrannteGlühbirnen

sowie eingeglaste Hoch-zeitsfotos, die man nach derScheidung nicht mehr be-nötigt, alte Brillen, Opern-gläser, Fernrohre und soweiter in den Glascontainerzu werfen, ohne dass manvorher eine sorgfältige Tren-nung der gläsernen Subs-tanzen von den rahmendenMetall-, Horn- und Papier-materialien vorgenommenhat, ist wohl selbstver-ständlich. Generell solltejeder Bürger, der seinenMüllabfall so ernst nimmtwie seine Ehe und Fami-lie, ein mehrsemestriges

Mit dem Mülleimerauf Du und Du

Von WAFNER

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☎ 0921/82196