Insight Januar 2015

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Insight: Professor Froehlich, Ihre Patienten holen sich oft Infor- mationen im Internet. Ist das nicht problematisch, weil sie dort Falsches lesen könnten? Prof. Froehlich: Oft kommen sie dabei auf Fragen, die sie sich selbst nicht gestellt hätten. Ich lade sie ein, das Gelesene mit mir zu diskutieren. Neulich wollte ein Patient unbedingt ein neues Biologikum haben. Er hatte im Internet gelesen, dass das gut helfe. Ich erklärte ihm, dass das in seiner Situation nicht angebracht wäre. Die meisten Patienten sind aber sehr gut informiert. Wie bleiben Sie wissenschaftlich auf dem Laufenden? Ich lese regelmässig Internetseiten für Fachärzte und Fachzeitschriften. Ausser- dem gehe ich zu Kongressen und Fortbildungen im In- und Ausland und «Die Fragen der Patienten inspirieren mich» Florian Froehlich behandelt mehr als 200 IBD-Patienten. Sein Ziel: Jeden optimal zu betreuen. Sein Rezept: Zuhören, Recherche und Weiterbildungen. Die Kraft hierfür schöpft er durchs Malen. Informationen für Teilnehmende der Schweizer Kohortenstudie zu Morbus Crohn und Colitis Ulcerosa 01 – Januar 2015 Gerhard Rogler Professor für Gastroenterologie am Unispital Zürich und Leiter der Swiss IBD-Kohortenstudie Liebe Leserinnen und Leser Im letzten News- letter erfuhren Sie einiges über die Arbeit der Swiss IBD-Wissenschafter. Doch wir forschen nicht nur im Labor oder auf Station. Wir sorgen uns auch darum, ob Menschen mit IBD gut versorgt sind. Hierzu gehört, dass Ihr Gastroenterologe stets informiert ist. Lesen Sie auf Seite 1 und 2, wie das Prof. Florian Froehlich macht: Er erzählt Ihnen, warum er durch seine Patienten wissenschaftlich auf dem Laufen- den bleibt, wie er sich fortbildet und was eine gute Studie aus- macht. Wie gut es Patienten mit chronischen Krankheiten geht, untersucht die so genannte Versorgungsforschung. Auf Seite 3 können Sie über ein Projekt unserer Kohorte hierzu lesen. Was alles passieren kann, wenn die Bedürfnisse der Betroffenen von Behörden nicht wahrgenommen werden, berichtet ein Leidens- genosse auf Seite 4. Je länger Sie in der Studie bleiben, desto bes- ser können wir Menschen mit IBD behandeln. Bleiben Sie deshalb bei uns! Ich wünsche Ihnen einen guten Start ins neue Jahr.

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Informationen für Teilnehmende der Schweizer Kohortenstudie zu Morbus Crohn und Colitis Ulcerosa Aus dem Inhalt: «Die Fragen der Patienten inspirieren mich» Teure Medikamente helfen – oder nicht?

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Page 1: Insight Januar 2015

Insight: Professor Froehlich,

Ihre Patienten holen sich oft Infor-

mationen im Internet. Ist das

nicht problematisch, weil sie dort

Falsches lesen könnten?

Prof. Froehlich: Oft kommen sie dabei auf Fragen, die sie sich selbst nicht gestellt hätten. Ich lade sie ein, das Gelesene mit mir zu diskutieren. Neulich wollte ein Patient unbedingt ein neues Biologikum haben. Er hatte im Internet gelesen, dass

das gut helfe. Ich erklärte ihm, dass das in seiner Situation nicht angebracht wäre. Die meisten Patienten sind aber sehr gut informiert.

Wie bleiben Sie wissenschaftlich

auf dem Laufenden?

Ich lese regelmässig Internetseiten für Fachärzte und Fachzeitschriften. Ausser-dem gehe ich zu Kongressen und Fortbildungen im In- und Ausland und

«Die Fragen der Patienten inspirieren mich»Florian Froehlich behandelt mehr als 200 IBD-Patienten. Sein Ziel: Jeden optimal zu betreuen. Sein Rezept: Zuhören, Recherche und Weiterbildungen. Die Kraft hierfür schöpft er durchs Malen.

Informationen für Teilnehmende der Schweizer Kohortenstudie zu Morbus Crohn und Colitis Ulcerosa

01 – Januar 2015

Gerhard Rogler Professor für Gastroenterologie am Unispital Zürich und Leiter der Swiss IBD-Kohortenstudie

Liebe Leserinnen

und Leser

Im letzten News-

letter erfuhren Sie

einiges über die

Arbeit der Swiss

IBD -Wissenschafter. Doch wir

forschen nicht nur im Labor oder

auf Station. Wir sorgen uns auch

darum, ob Menschen mit IBD

gut versorgt sind. Hierzu gehört,

dass Ihr Gastroenterologe stets

informiert ist. Lesen Sie auf Seite

1 und 2, wie das Prof. Florian

Froehlich macht: Er erzählt Ihnen,

warum er durch seine Patienten

wissenschaftlich auf dem Laufen-

den bleibt, wie er sich fortbildet

und was eine gute Studie aus-

macht. Wie gut es Patienten mit

chronischen Krankheiten geht,

untersucht die so genannte

Versorgungsfor schung. Auf Seite

3 können Sie über ein Projekt

unserer Kohorte hierzu lesen. Was

alles passieren kann, wenn die

Bedürfnisse der Betroffenen von

Behörden nicht wahrgenommen

werden, berichtet ein Leidens-

genosse auf Seite 4. Je länger Sie

in der Studie bleiben, desto bes-

ser können wir Menschen mit IBD

behandeln. Bleiben Sie deshalb

bei uns! Ich wünsche Ihnen einen

guten Start ins neue Jahr.

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mache Lernprogramme im Internet. Häufig bringen mich Gespräche mit Patienten dazu, mich weiter in ein Thema zu vertiefen.

Warum das?

Angeregt durch die Fragen recherchiere ich, was es Neues gibt. Neulich erzählte mir ein Patient, er habe vor sechs Monaten mit Tiefseetauchen begonnen und auf den Reisen verschlimmere sich oft seine IBD. Ich erinnerte mich an eine Studie meines Kollegen Stephan Vavricka vom Unispital Zürich: Langstreckenflüge können eine IBD verschlimmern. Mein Patient flog in die Tauchgebiete immer mit dem Flugzeug. Der Mann entschied sich kurzerhand, auf diesen Sport zu verzich-ten.

Lassen sich alle Patienten so

leicht von neuen Erkenntnissen

überzeugen?

Bei Patienten mit Morbus Crohn, die rauchen, fehlt mir manchmal die Koopera-tion. Auch wenn ich ihnen erkläre, dass sie viel mehr Medikamente brauchen, wenn sie weiter rauchen, kommen sie vom Tabak nicht weg. Manche Patienten

verhalten sich zu fordernd, zum Beispiel wenn wiederholte Therapieversuche fehlschlagen. Dann versuche ich ihnen zu erklären, dass wir halt leider einige Fälle von IBD immer noch nicht heilen können. Deshalb lade ich auch meine Patienten ein, an unserer Kohortenstudie teilzuneh-men. Denn nur mit vielen Daten können wir unser Wissen über IBD ständig erweitern und bessere Therapien finden.

Wie können Sie gute von schlechten

Studien unterscheiden?

Man muss die Artikel sehr aufmerksam lesen. In einer Studie zu einem neuen Medikament müssen zum Beispiel genügend Studienteilnehmer untersucht worden sein. Die Studie muss idealer-weise so aufgebaut sein, dass weder Teilnehmer noch Auswerter wissen, wer das Medikament und wer ein Scheinprä-parat bekommt. Ein neues Medikament löst oft erst eine Euphorie aus, dann folgt eine gewisse Ernüchterung. Das ist dann manchmal nicht einfach, den Patienten zu erklären. Für die Gespräche brauche ich deshalb viel Zeit – und die nehme ich mir.

Professor Froehlich interessiert sich nicht nur für Medizin. Neugierig geworden? www.florianfroehlich.comhttp://de.wikipedia.org/wiki/ Florian_Froehlich

Swiss IBD – insight – Januar 2015 2

Die Swiss IBD-Studie

wurde 2005 gestartet. Es ist eine Kohortenstudie. Dabei werden eine oder mehrere Gruppen von Menschen («Kohorte») über einen längeren Zeitraum beobachtet. Die Forscher erhoffen sich davon viele Inform ationen, z. B. welche Faktoren einen Schub auslösen, wie sich IBD auf die Lebensqua lität auswirkt oder welche Nebenwirkungen Medikamente langfristig verursachen.

Bruno Raffa, Präsident der

Schweizerischen Morbus Crohn-

und Colitis ulcerosa-Vereini gung

�:4**=��ÄUKL[!�7H[PLU[LU�R�UU[LU�besser versorgt werden.

«Viele Patienten, die sich neu

bei der SMCCV anmelden, berichten

verzweifelt von Therapien, die

ihnen nicht helfen. Meistens handelt

es sich dabei um jahrelange

Cortison-Behandlungen. Ich rate

ihnen, schnellstens den Arzt zu

wechseln, aber auch den Kontakt

zu anderen Betroffenen zu suchen.

Menschen mit IBD könnte es oft

besser gehen.

Man müsste Allgemeinärzten und

Gastroenterologen in der Praxis

zum Beispiel eine einfache Check-

liste zu neuen Behandlungsstra-

tegien zur Ver fügung stellen. Wich-

tig wäre auch ein regelmässiges

<WKH[L�ILPT�7ÅLNL��\UK�(Ya[�� praxispersonal – denn mit diesen

haben Patienten fast mehr Kontakt

als mit dem Arzt.»

IM ZWEIFEL ARZT

WECHSELN

Patienten wissenschaftliche Neuigkeiten zu erklären, kostet Zeit. Die nimmt sich Florian Froehlich.

Page 3: Insight Januar 2015

3 Swiss IBD – insight – Januar 2015

Teure Medikamente helfen – oder nicht?

Das Institut beschäftigt seit

1998 zwölf Forscher aus Ökonomie

und Medizin, um Lösungen für

KPL�-PUHUaPLY\UN�\UK�LMÄaPLU[L�Versorgung der Bevölkerung mit

Gesundheitsdienstleistungen

a\�ÄUKLU��)LP�KLY�ZV�NLUHUU[LU�Versorgungsforschung untersu-

chen Wissenschafter, wie sich

die Gestaltung der Gesundheits-

versorgung auf den Krankheits-

verlauf auswirkt und welche

Therapien kosteneffektiv sind.

Mit den Erkenntnissen entwickeln

die Wissenschafter Konzepte,

wie man die Versorgung verbes-

sern kann und überprüfen sie im

Alltag. Mark Dusheiko, Professor

am IEMS, ist bereits ein Experte

für Versorgungsforschung in

Grossbritannien. Jetzt konzentriert

er sich auf die Schweiz und hat

gemeinsam mit seinen Kollegen

aus Lausanne mehrere Studien mit

Teilnehmern der IBD-Kohorte

geplant. (siehe Text links)

Krankenversicherungen fragen immer öfter, ob sich die hohen Kosten für IBD-Medikamente lohnen. Das will der Gesundheitsökonom Mark Dusheiko aus Lausanne mit seinen Studien belegen.

E ine Pharmafirma entwickelt ein neues Medikament gegen IBD. Die Behör-

den lassen das Präparat zu, Hunderte von IBD-Patienten bekommen es, und Versicherungen zahlen zähneknirschend den höheren Preis. Doch Jahre später finden Forscher heraus: Das Medikament wirkt gar nicht besser als die herkömmli-chen, preiswerteren. Tausende von Franken wurden unnötig ausgegeben. «Krankenversicherungen verlangen immer häufiger Nachweise, dass sich neue Therapien auch finanziell lohnen», sagt Mark Dusheiko, Professor am Institut für Gesundheitsökonomie und Management an der Uni Lausanne (IEMS). Mit den neuen Biologika gehe es zwar vielen Patienten besser, sagt Dusheiko. «Aber wir müssen jetzt belegen, dass die hohen Kosten auch gut investiert sind, etwa weil Patienten seltener ins Spital müssen oder nicht so oft krankgeschrieben sind.» Gemeinsam mit seiner Kollegin Karine Moschetti will der Gesundheitsökonom verschiedene Aspekte untersuchen: Wie sich Unterschiede in der Behandlung auf die Krankheit auswirken, ob Patienten regelmässig ihren Arzt sehen, wie die Krankheit ihr Berufsleben beeinflusst und

wie sich IBD-bedingte Arbeitsausfälle auf die Ökonomie in der Schweiz auswirken. «Unsere Ergebnisse werden uns helfen, für Patienten effektivere Behandlungsstra-tegien zu finden, die sich vielleicht je nach Beruf unterscheiden und mehr auf die Wünsche der Betroffenen zugeschnitten sind.» Sie als Teilnehmer der IBD-Kohorte können viel dazu beitragen, dass IBD-Patienten ein beschwerdefreies Leben haben und Versicherungen gerne die Kosten für Therapien übernehmen.

Das Institut

IEMS der Uni

Lausanne

Gute Studien müssen zeigen, dass sich die Ausgaben für teure Medikamente lohnen – etwa weil die Patienten seltener ins Spital müssen.

Mark Dusheiko Professor für Gesundheits-ökonomie an der Uni Lausanne

Page 4: Insight Januar 2015

Swiss IBD – insight – Januar 20154

«Wir brauchen eine Park karte für Invalidenparkplätze»

Kenan Kaya leidet seit mehr als 20 Jahren unter Morbus Crohn. Er hat einiges erlebt, weil er während der Schübe rechtzeitig ein WC finden wollte.

Das macht einen guten Arzt aus: Er …

– nimmt sich Zeit für meine Fragen– hört zu – erklärt, warum er mir diese oder jene

Therapie empfiehlt– plant realistische Therapieziele– berücksichtigt meine Wünsche bei

der Behandlung– geht regelmässig auf Fortbildungen– nimmt an meinen Sorgen teil, auch

wenn sie nichts mit IBD zu tun haben

Bestens betreut?

Auch in den kommenden Monaten organisiert die Patientenvereinigung SMCCV wieder spannende und in-formative Veranstaltungen. Zum Redak-tionsschluss waren die Termine noch nicht bekannt. Bitte schauen Sie unter → www.smccv.ch

Herausgeber: Studienleitung Erscheint: 3 × jährlichAuflage: 5000Text und Konzept: Witte / Winkler, ZürichDesign: Crafft Kommunikation AG, www.crafft.chDruck und Vertrieb: IUMSP, LausanneKontakt: [email protected]

Insight: Herr Kaya, Sie wollen unbedingt eine Parkkarte für Schwer-

behinderte. Warum das denn? Kenan Kaya: Dann hätte ich mir nicht all die Prellungen zugezogen und keine Busse von 120 Franken zahlen müssen!

Das müssen Sie uns erklären.

Neulich fand ich keinen Parkplatz, an dem ich rasch halten konnte. Nach stundenlangem rumkurven fuhr ich schliesslich in ein Parkhaus in Oerlikon neben einem Supermarkt. Ich rannte auf´s WC – gerade noch rechtzeitig. Leider klemmte die WC-Tür so, dass ich nicht wieder herauskam. Ich klopfte und rief, aber keiner hörte mich, denn das Kaufhaus hatte inzwischen geschlossen. So kletterte ich über die oben offene WC-Tür. Ich muss ausgerutscht sein, jedenfalls fiel ich auf die Kacheln. Ich humpelte zum Personalausgang. Zum Glück hielt man mich nicht für einen Einbrecher.

Und weshalb mussten Sie die Busse zahlen?

Das war eine Woche später. Ich hatte einen Kontrolltermin bei meiner Hausärz-tin. Wieder drückte mein Darm so, dass ich innert Minuten ein WC brauchte. Ich fand auf die Schnelle aber nur einen Invalidenparkplatz und erreichte wieder nur ganz knapp das WC. Als ich zurückkam, steckte der Strafzettel an der Wind-schutzscheibe.

Haben Sie sich beim Strassenverkehrsamt nicht beschwert?

Doch. Ich sagte, ich könne mir doch nicht in die Hose machen! Aber es half nichts. Dann fragte ich nach einem Ausweis für den Invalidenparkplatz. Aber den bekommen nur Leute, die eine erhebliche Gehbehinderung haben.

Hilft kein Arztzeugnis?

Meine Hausärztin schrieb eines, und Professor Rogler vom Unispital schickte drei Briefe an die Behörde. Keine Chance. Wir IBD-Patienten brauchen aber so einen Ausweis! Keiner kann sich vorstellen wie es ist, so dringend auf´s WC zu müssen, dass einem schon der kalte Schweiss ausbricht. Ich wünschte, die Leute würden mehr über IBD wissen, dann hätten sie auch mehr Verständnis.