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Freiheit feiern Ein Heft zum Reformationsjubiläum Juli 2016 | Nr. 68 Was heute ankommt Ein Gespräch über Reformation im 20. Jahrhundert Seite 3 Wann was los ist Termine im Jubiläumsjahr Seite 8 Wo es Hilfe gibt Die Beratungsstelle refugio Seite 10

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Freiheit feiernEin Heft zum

Reformationsjubiläum

Juli 2016 | Nr. 68

Was heute ankommt Ein Gespräch über Reformation im 20. JahrhundertSeite 3

Wann was los ist Termine im Jubiläumsjahr Seite 8

Wo es Hilfe gibtDie Beratungsstelle refugio Seite 10

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Liebe Leserinnen, liebe Leser,

2017 ist es 500 Jahre her, dass Martin Luther seine Thesen an die Tür der Schlosskirche zu Wittenberg genagelt hat. Grund genug, um gemeinsam zu feiern. In Wittenberg laufen die Vorbe-reitungen schon auf Hochtouren und auch in Stuttgart wird schon vieles zum Reformationsjubiläum geplant und organisiert. Start-schuss im Kirchenkreis ist im Herbst mit dezentralen ökumeni-schen Gottesdiensten und ChurchNights in Gemeinden und Distrikten. Es folgen dann das ganze Jahr durch eine Vielzahl an verschiedenen Formaten und Angeboten.Wir haben für dieses Heft ein paar davon herausgegriffen und beschreiben, was dort passiert. Wo kann ich mitmachen, welche Veranstaltungen erwarten mich, welche Termine sind wichtig? Dieses Heft soll Ihnen in der Flut der Angebote eine Orientierung geben.Im zweiten Teil unseres Heftes beschäftigen wir uns wieder mit dem Thema Flüchtlinge. 50 bis 60 Prozent der hier ankommen-den Flüchtlinge sind traumati-siert. „refugio stuttgart e.V.“, eine Anlaufstelle für traumatisierte Flüchtlinge, kümmert sich um sie. Wir stellen die Einrichtung vor. Im November-Heft haben wir über die Ankunft von Flüchtlin-gen im Evangelischen Waldheim Sonnenwinkel berichtet. Im Frühjahr unterhielten wir uns mit einer Ehrenamtlichen.

Eine anregende Lektüre wünscht Ihnen das Redaktionsteam und Ihre Monika Johna

Festival von Jugendwerk und Diakonie

Freiheit spüren, feiern und aufatmen

D a ist Freiheit. Das Festival – lautet das Motto dieses zentra-len Festes an einem Septemberwochenende 2017, zu dem das

Evangelische Jugendwerk Württemberg (ejw) und die Diakonie Württemberg gemeinsam einladen.

„Zum Reformationsjubiläum wird es viele dezentrale Veranstaltungen geben. An diesem Wochenende wollen wir zen-tral gemeinsam feiern“, sagt Diakonie-dekan Klaus Käpplinger. An prominen- ter Stelle, auf dem Stuttgarter Schloss-platz, soll das Thema Freiheit an dem Wochenende 23. und 24. September 2017 mit einem Festival auf verschie-denste Art und Weise begangen und thematisiert werden. Im Hintergrund steckt eine Steuerungs-gruppe mit Haupt- und Ehrenamtlichen aus Diakonie und Jugendwerk bereits mitten in den Vorbereitungen. Alles ist freilich zu diesem Zeitpunkt noch nicht festgezurrt, fest steht aber, dass allerlei geboten sein wird. Geplant ist, dass man die Hauptbühne im Innenhof des Neuen Schlosses aufbaut und sich dort an den beiden Tagen namhafte Künstler und bekannte Persönlichkeiten tummeln. Am Samstag wird der Schwerpunkt des Programms auf den diakonischen Ein-richtungen liegen, während am Sonn-tag die Jugend im Mittelpunkt stehen wird. „Der Fokus liegt bei uns auf den 13- bis 17-Jährigen“, erläutert Robby Höschele, Referent für experimentelle und kulturelle Bildung beim ejw und ebenso wie Dekan Käpplinger Mitglied in der Steuerungsgruppe. Höhepunkt wird am Samstag um 17 Uhr ein ökumenischer Gottesdienst mit dem evangelischen Bischof Frank Otfried

July und seinem katholischen Amts-kollegen Gebhard Fürst sein. Zuvor wird auf dem Schlossplatz ein buntes Pro-gramm mit verschiedenen Mitwir-kungsmöglichkeiten geboten. Im An-schluss an den Gottesdienst soll es dann auf der Hauptbühne ein musikalisches Programm geben, unter anderem mit Bands und Gruppen aus dem diakoni-schen Bereich. Am Sonntag wird das Festival um 11 Uhr starten, das Bühnen-programm soll um 12 Uhr beginnen. Am Nachmittag sind an umliegenden Orten vier Gottesdienste geplant. Zum Ab-schluss soll es auf der Hauptbühne ein Musikprogramm mit bekannten Größen aus der Musikbranche geben. „Unser Programm soll junge Leute ansprechen und es soll ökumenischen Charakter ha-ben. Wir haben in der Projektgruppe auch Leute aus dem katholischen Be-reich , von der APIS und aus methodis-tischen Gemeinden dabei“, erläutert Robby Höschele. Besonders für Gruppen soll das Wo-chenende ein interessantes Programm bieten. Die Idee ist, dass Gemeinde-gruppen, Konfirmandengruppen oder Mitarbeiterkreise gemeinsam zu dem Festival gehen. Der Eintritt ist frei, und natürlich sollen die Besucher viele schö-ne Erfahrungen wieder mit nach Hause nehmen können. „Leib und Seele sollen aufatmen“, sagt Dekan Käpplinger. Monika Johna

Jugendliche bei einer Veranstaltung des ejw [Foto: Eberhard Fuhr, ejw

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Juli 2016 | Nr. 68 Freiheit feiern

Die meinen das ernstEine 500 Jahre alte Botschaft im 21. Jahrhundert

K irche macht was“ heißt die Kampagne, mit der die Landeskirche die eigenen Mitglieder und jene Menschen bewegen will, die der Kirche zwar nahe stehen, die sich aber noch nicht in der

Kirche engagieren. Das besondere: Wer will, kann mitreden. Wer will, kann seine Ideen einbringen. Egal, ob Kirchenmitglied seit vielen Jahren, ob Ausgetretener oder besonders Engagierter. Denn was die Kirche dann macht, das bestimmen viele.

Zum Reformationsjubiläum 2017 hat sich die Evangelische Landeskirche Württemberg in die Fußspuren Martin Luthers begeben und dabei die ausgetretenen Pfade links liegen ge-lassen. Um im Vorfeld des Lutherjubiläums eine Kampagne zu organisieren, hat sich Dr. Christiane Kohler-Weiß, die Refor-mationsbeauftragte der Evangelischen Landeskirche Würt-temberg, mit Geschäftsleiter Till Heckel von der Agentur Le-onhardt und Kern zusammengesetzt. Ein Werber und eine Theologin nähern sich einem gemeinsamen Begriff, einem gemeinsamen Nenner des Verständnisses von Freiheit und Reformation. Herausgekommen ist ein spannendes Gespräch über Mitsprache, über griffige Begriffe, mit denen auch Theo-logen leben können und über Brücken zwischen Thesen und Menschen. Wir haben zugehört.

Alte Botschaft und moderne Gesellschaft

Wie macht man aus einem Begriff wie Reformation ein Pla-kat? Eigentlich ein Widerspruch an sich. Denn Reformation meint ja viele und vieles. Viele Thesen. Viele Menschen. Viele

Meinungen. Und das nun in eine einzelne Aussage bringen – geht das? „Reformation ist ein seltener Begriff im Bereich Marketing. Für mich war es spannend, die Reformation mal mit kirchlichen Augen zu sehen und sie aus kirchlicher Sicht nähergebracht zu bekommen“, sagt Till Heckel. Die Aufgabe an ihn und seine Kollegen war, das Spannungsfeld zwischen einer 500 Jahre alten Botschaft und der modernen Medien-gesellschaft des 21. Jahrhunderts auf ein Plakat zu bringen.

Fokussieren auf eine These

Was haben die Thesen eines Martin Luther einem Menschen unserer Zeit zu sagen? „Es ging nicht darum, viele Thesen um-zusetzen, sondern uns zu konzentrieren und fokussieren auf einzelne Aussagen. Es ging darum, Werbung zu einem ganz bestimmten Thema zu machen, von dem wir wissen, dass das die Gesellschaft bewegt“, erläutert Till Heckel. Christiane Kohler-Weiß setzte sich mit dem Team von Leon-hardt und Kern zusammen und erklärte die Thesen und ihren Hintergrund. Sie versuchte, über Begriffe von heute zu den

Die Brückenbauer: Till Heckel … … im Gespräch mit Christiane Kohler-Weiß. [Fotos: Thomas Rathay]

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Begriffen der Lutherschen Zeit Zugänge zu schaffen. „Zum Beispiel das Priestertum aller Gläubigen. Was hieß das denn damals, was könnte das für uns heute heißen? Dieser Frage bin ich zusammen mit dem Team nachgegangen“, sagt die Fachfrau in Sachen Reformation.

Brücken bauen

Die Werbeagentur griff schließlich einzelne Punkte heraus. „Das ist spannend“, sagte der Werber. „Ja, aber“, sprach die Theologin. Wo der Werber die Reformation auf einen griffigen Slogan brachte, hätte Christiane Kohler-Weiß dann doch ger-ne noch Hintergründe auf-gezeigt. Reformation auf ein paar dürre Worte beschrän-ken? Und was ist mit all den weiterführenden Gedanken, mit all den Thesen, mit all den theologischen Ausfüh-rungen? Schließlich hat der Vorschlag der Agentur über-zeugt. „Die Idee, eine Aussage, die man aus dem kirchlichen Kontext kennt, mit einer Frage zu kontrastieren, die aus einem ganz anderen Kontext kommt, die hat mir sofort gut gefallen. Das finde ich genial“, erklärt die Theologin. Denn ihr sei es wichtig, eine Brücke sowohl zu den Menschen als auch zur Reformation zu schaffen.

Sich öffnen und sich selbst in Frage stellen

Ein entscheidender „Aha-Moment“ zum Thema Reformation und ihre Umsetzung ins Hier und Jetzt war für Till Heckel die Sitzung, in der es darum ging, den entscheidenden Gremien die Kampagne vorzustellen. „Wir erläuterten schließlich unser Konzept zu dem Vorschlag ‚der Herr ist mein Hirte – bin ich ein Schaf? ’ und waren doch sehr gespannt. Dann kam die erste Reaktion: ‚Das ist der Maßstab. Das wollen wir’. Da wur-de mir klar: Die meinen das ernst. Die wollen sich wirklich öffnen“, erläutert Till Heckel. „Das ist ganz reformatorisch. Wir wollen uns mit der Kampagne selbst in Frage stellen“, führt Christiane Kohler-Weiß aus. Das Priestertum aller Gläu-bigen soll in die Tat umgesetzt werden. Jeder, der will, kann bei den einzelnen Leitthemen seine Vorschläge einreichen. Bewertet werden diese Ideen nicht von Kirchenmitgliedern, sondern von Externen, von der Öffentlichkeit und einer un-abhängigen Jury, die nach eigenem Gutdünken entscheiden darf. „Wir wollten, dass sich die Reformation auch in den Metho-den widerspiegelt. Luther ging es darum, dass sich die Men-schen angesprochen fühlen. Diesem Ansatz wollten wir fol-gen“, erklärt Christiane Kohler-Weiß.

Dialoge brauchen Zeit

„Die Welt der Kommunikation hat sich verändert. Die Bot-schaft ist zwar dieselbe geblieben, aber die Form muss eine andere werden. Mit dieser Kampagne geben wir den Leuten ein Sprachrohr zurück. Sie ermöglicht ein Gespräch, einen

Dialog“, sagt Till Heckel, den diese Offenheit seitens sei-nes Auftraggebers sehr überrascht hat. „Und dieser Dialog braucht Zeit. Diese sozialen Netzwerke zu be-spielen ist ziemlich aufwän-dig. Das war für mich eine neue Erfahrung“, erläutert Christiane Kohler-Weiß. Und was nimmt der Werbe-fachmann mit aus diesem Prozess, aus diesem Auftrag, der aus dem alltäglichen Rahmen einer Werbeagentur fiel? „Ich nehme für mich ganz persönlich unheimlich viel mit“, so Till Heckel. „Es freut mich, dass wir mit die-sem Projekt jetzt ganz viel Reformation auslösen und die Kirche bewegen. Und ich staune angesichts der einge-

reichten Ideen darüber, dass Reformation so vielfältig sein kann.“ Überhaupt Reformation. Dieser Begriff hat sich dank der Erläuterungen der Theologin eindrücklich beim Werber eingeprägt:. „Was dort vor 500 Jahren geschaffen wurde, ganz ohne Internet, ohne Telefon, einzig und allein mit dem Medium Dorfplatz, das beeindruckt mich sehr.“ Monika Johna

„Sich ganz reformatorisch …

… selbst in Frage stellen.“

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Juli 2016 | Nr. 68 Freiheit feiern

Eine Nacht, viele Möglichkeiten:

Die „Nacht der Freiheit“ im Kirchenkreis

V om 12. auf den 13. Mai 2017 wird Freiheit das zentrale Thema sein. Von Zuffenhausen bis Birkach, von Feuerbach bis Vaihingen: ... da ist Freiheit.

Ein mehrstündiger Gottesdienst mit Liedern, Gesängen und Gebe-ten von Freiheit, mit viel Frei- raum zum Träumen und Meditie-ren, eine nächtliche Diskussions-runde im Bezirksrathaus über die Freiheit von Bürgern, Beamten und Politikern, eine Ausstellung der örtlichen Künstlergruppe mit Bildern, die sich in künstlerischer Freiheit jeglicher Festlegung wi-dersetzen, ein Konzert, bei dem Chöre und Orchester, Sänger und Musiker aus dem Stadtgebiet mit-einander Freiheit interpretieren. In der „Nacht der Freiheit“ begin-nend am 12. Mai 2017 ab 19 Uhr stecken unzählige Möglichkeiten. „Es gibt verschiedene Zugangs-weisen zur Vorbereitung einer ‚Nacht der Freiheit’: Man kann sich der Gestaltung dieser Nacht thematisch annähern, von beson-deren Orten her denken, an be-sondere Ereignisse anknüpfen, von besonderen Menschen her entwi-ckeln oder ungewöhnliche Veran-staltungsformate zum Ausgangs-punkt der Planungen machen. Schauen Sie selbst, was Ihnen und Ihrer Gemeinde beziehungsweise Ihrer Einrichtung entspricht“, sagt Pfarrerin Dr. Christiane Kohler-Weiß, Beauftragte für das Reformationsjubiläum in der Evangelischen Landeskirche in Würt-temberg. Das heißt: in aller Freiheit können die Gemeinden Ideen entwi-ckeln und unter dem gemeinsamen Dach Veranstaltungen anbieten. „Für den Kirchenkreis Stuttgart ist geplant, die Veranstaltungen um 19, 21 und 23 Uhr beginnen zu lassen“, erklärt Monika Renninger, Leiterin des Hospitalhofs. Es kann zu allen drei Uhrzeiten etwas an-geboten werden, muss aber nicht, auch einzelne Uhrzeiten aus dem Dreierpaket sind als Veranstaltungsstart möglich – und die Besucher der „Nacht der Frei-heit“ können zwischen den einzelnen

Angeboten und Orten wechseln. Chris-tiane Kohler-Weiß hat einen ganzen Ka-talog an Fragestellungen entwickelt, der helfen soll, ein Format für die Frei-heit zu finden. Sie rät dazu, die eigene Motivation zu ergründen, vorab zu klä-ren, wen man einladen und was man bewirken möchte. Soll es zu einer Dis-kussion kommen? Will man zum Nach-denken an regen oder zum Mitmachen, soll mein Wissen erweitert werden oder soll ich spirituelle Erfahrungen machen? Was ist mir am Thema Freiheit wichtig, was ist für mich spannend? Wann fühle ich mich frei/unfrei? Was schätze ich an unserer freien Gesellschaft? Wo erlebe ich Freiheit als bedroht? Was hat das Thema mit meinem Glauben zu tun und mein Glaube mit der Freiheit? Hat

sich das in meiner Glaubens-geschichte verändert? Wie erlebe ich meine Gemeinde: als Ort der Freiheit oder der Unfreiheit? Und ganz praktisch die Frage: Welche Möglichkeiten bietet die Nacht als Veranstaltungszeit?Auch bei der Wahl der äußeren Gegebenheiten ist viel Freiheit vorhanden. An welchem Ort könn-te das Thema Freiheit eine beson-dere Rolle spielen? Vielleicht an einem Ort, der mit Freiheit zu tun hat? Oder an einem Ort, der ge-rade mit diesem Begriff kontras-tiert? Welche besonderen Orte gibt es im Stadtteil, die mit dem Thema Freiheit oder Unfreiheit zu tun haben? Welche Orte spielen nachts eine besondere Rolle? Als da wären Bahnhof, Gefängnis, Re-daktionsbüro, Druckerei, Kino, Theater, Galerien, Bars, Jugend-zentren, Baudenkmäler, Reise-büros, Flüchtlingsunterkünfte, Tafel laden oder Bücherei. Und welche Personen leben in unserem Ort, in unserer Stadt, die etwas In-teressantes zum Thema Freiheit zu sagen haben könnten?

„Es sollen ganz unterschiedliche Ver-anstaltungen das Thema „Freiheit“ als zentralen Begriff der Reformation ent-falten, möglichst in Kooperation mit nicht-kirchlichen Gesprächspartnern beziehungsweise Einrichtungen in in-terreligiösen Kontexten und in un ge-wöhnlichen oder bewährten Veranstal- tungsformaten“, erklärt Monika Ren-ninger. Der Kirchenkreis Stuttgart wird einen Veranstaltungsflyer mit den Ver-anstaltungen aus allen Gemeinden im Kirchenkreis und Plakatvorlagen zur Verfügung stellen und außerdem selbst im öffentlichen Raum und auf der Homepage für die Nacht der Freiheit werben. Monika Johna

Die Stuttgarter Stiftskirche wird eine der Veranstaltungs- orte für die „Nacht der Freiheit“. [Foto: Thomas Rathay]

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Katholischer Stadtdekan Christian Hermes:

Zeugnis unserer Hoffnung geben

Mitdenken, Mitdiskutieren

Luthers Freiheitsschrift gemeinsam lesen

Der Freiheit eines Christenmenschen nachgehen, die Bedeutung der Schrift Luthers für unsere heutige Zeit ergrün-den, darum geht es im kommenden Jahr. Was heißt es heute, zuallererst Gott zu gehorchen? Was ist der Dienst der Liebe in unserer Welt mit all ihren Sachzwängen? Wofür nutzt der moder-ne Mensch seine Freiheit? Was bedeutet der Begriff Freiheit heute? Dieses Ange-bot nähert sich der Reformation auf literarischen Wegen und lädt alle Inter-essierten dazu ein, mitzulesen, mit zu-

denken und mitzudiskutieren. „Luthers Schrift ‚Von der Freiheit eines Christen-menschen’ enthält für uns viel Span-nung. Es geht darum, in aller Freiheit zu handeln, sich einzig Christus verpflich-tet zu wissen – und gleichzeitg dem Nächsten zu dienen. Wie kann das heu-te aussehen?“, fragt Pfarrerin Astrid Riehle. Zur Vorbereitung auf das gemeinsame Lesen der Lutherschen Schrift gibt es ein Angebot im Hospitalhof, das sich auch an mögliche Multiplikatoren rich-tet. Zwei Lektüre-Kurse im Januar be-ziehungsweise Februar 2017 werden ei-ne Spur legen und ins Thema einführen. Im Februar und März wird dann gele-sen. Dies kann und soll dezentral in den Gemeinden geschehen. Vieles ist dabei denkbar und möglich: Die Gemeinden können die Vorlage nutzen und mit ih-rem Angebot weitere Institutionen, Amtsträger oder interessante Persön-lichkeiten ins Boot holen. Gemeinsam gelesen werden kann dann die Frei-

heitsschrift beispielsweise auch in Bib-liotheken oder Bürgersälen, mit einem Polizisten, dem Bezirksvorsteher, einem Bürgermeister, einem Künstler, Natur-wissenschaftler oder Mediziner ... - mit Menschen, die zum Begriff Freiheit in besonderer Verbindung stehen. Monika Johna

Die Zeiten der Polemik zwischen evan-gelischer und katholischer Christenheit sind glücklicherweise in unserem Land und in unserer Stadt überwunden. Die Ökumene hat unsere Konfessionen ein-ander näher gebracht, theologisch und praktisch, auf der Ebene der Geistlichen und Kirchenleitungen wie im Leben der Gemeinden, Gruppen und Familien. An-gesichts des Rückgangs der flächende-ckenden Volkskirchen können wir es uns auch gar nicht mehr erlauben, unsere Glaubwürdigkeit durch konfessionelle Zänkereien zu untergraben. Viel mehr eint uns als uns trennt. Und dieses in versöhnter Verschiedenheit Ei-nende kann nicht genug gesucht und

gefeiert werden. So kann der 500. Jah-restag der Reformation auf keiner Seite, wie in früheren Zeiten, zur triumphalis-tischen Selbstbejubelung oder zur Ab-wertung der anderen missbraucht werden. Der Reformation an-gemessen gedenken heißt überhaupt: nicht an ein fernes histori-sches Ereignis erin-nern, sondern heute und immer sich dafür einzusetzen, dass die Kirchen sich „re-for-mieren“, das heißt in die Form bringen, in

der Jesus Christus als Herr der Kirche sie heute braucht und sendet. „Ecclesia semper reformanda“ - Reformation ist deshalb kein fernes Ereignis, sondern

geistliche Aufgabe heute. In dieser refor-matorischen Haltung lassen Sie uns das Re-formationsgedenken in Stuttgart begehen und gemeinsam Zeug-nis von unserer Hoff-nung geben in der Stadt und für die Stadt

Die Freiheit eines Christenmenschen – eine Herausforderung sowohl zu Luthers Zeiten als auch heute. [Foto: fotolia]

Dekan Hermes [Foto: KDA]

Luthers Thesen – eine von 95 [Foto: ajo]

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Juli 2016 | Nr. 68 Freiheit feiern

Wittenberg – Württemberg – Stuttgart-Stammheim

Reformationsjubiläum kommt in Fahrt – auch in Stuttgart

D as Reformationsjubiläum 2017 kommt in Fahrt. Die evangelischen Landeskirchen Baden und Württemberg haben gemeinsam ein Ideenheft zur Vorbereitung auf das Jubiläumsjahr heraus-

gegeben. Eine ganze Reihe an Veranstaltungen ist geplant. Im November 2016 startet in Genf der Europäische Stationenweg, der die Städte der Reformation miteinander verknüpfen wird. Die Nie-derlande und Slowenien, Ungarn und Irland stehen auf dem Plan, ebenso wie Augsburg und Worms.

Im Mai 2017 wird er dann in Witten-berg ankommen. Am 20. Mai wird dort auch die Weltausstellung mit den sie-ben Toren zur Freiheit eröffnet. Am 24. Mai startet schließlich der Deutsche Evangelische Kirchentag in Berlin, der am 28. Mai seinen Abschluss in Wit-tenberg feiert. Am 25. Mai beginnen die Kirchentage auf dem Weg in Leip-zig, Magdeburg, Erfurt, Jena/Weimar, Dessau-Roßlau und Halle/Eisleben. Auch der Kirchenkreis Stuttgart be-schäftigt sich mit dem Reformationsju-biläum und steckt schon mitten in den Planungen. Die evangelischen Landes-kirchen Baden und Württemberg haben gemeinsam ein Ideenheft zur Vorberei-tung auf das Jubiläumsjahr herausge-geben. Manches wird zentral in der Stuttgarter Mitte stattfinden. Aber auch die Gemeinden sind eingeladen,

beim Reformationsjubiläum mitzuma-chen. „Dafür wird der Kirchenkreis Ma-terial zur Verfügung stellen. Das ist eine gute Chance, sich mit anderen Institu-tionen, mit Vereinen und Personen zu

verknüpfen und Menschen über die eigene Gemeinde hi-naus anzusprechen“, sagt Pfarrerin Astrid Riehle, Referentin beim Stadtdekanat. Einige Gemeinden stehen mit eigenen Ideen in den „Start-löchern“. So plant die K ir chengemeinde Stammheim bei-spielsweise gemein-same Mahlzeiten mit „Tischreden“ im Geis-

te Martin Luthers. Ein Zeitstrahl auf den folgenden Seiten zeigt, welche Veran-staltungen geplant sind. Christoph Schweizer/Monika Johna

Jahrhundertfeiern zum Reformations-tag waren immer Anlass zur Abgren-zung der Konfessio-nen. Dies wird 2017 anders sein. Zum Glück.Evangelische und Katholische in Stutt-gart begehen das Reformationsjubilä-

um gemeinsam. Auch in gemeinsamer Gestal-tung des 31. Oktober 2017. Dadurch wird deutlich, dass bei allem Schmerz über die Tren-nung beide Kirchen in der Stadt sich bemühen, das Gemeinsame in den Vordergrund zu stellen. Gemeinsam sind wir he-rausgefordert, in der

Stadt Zeugnis abzulegen und Gottes Gegenwart zu bezeugen. So erwarte ich, dass das gemeinsame Reformati-onsgedenken unsere Einheit in versöhn-ter Verschiedenheit stärken wird.

Evangelischer Stadtdekan Søren Schwesig:

Die Einheit der Konfessionen stärken

Dekan Schwesig [Foto: ajo]

Ob Wittenberg oder Stammheim: Hier geht’s zum Re-formationsjubiläum. [Foto: fotolia]

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Da weht Freiheit - zeig dich!

Freiheit in Zeiten des Terrors, Freiheit in der Kunst, Freiheit der Persönlichkeit - Freiheit, ein hohes Gut das es zu schützen und täglich zu erringen gilt. Die Teilnehmenden des Workshops „Zeig dich!“ ergrün-

den, was es mit der Freiheit auf sich hat.

Menschen unterschiedlicher Kulturen und Nationalitäten aus dem Kirchenkreis und der Region sind eingeladen, mitzuma-chen. Zwischen Oktober 2016 und Juni 2017 erarbeiten sie gemeinsam ein Theaterstück zur Freiheit. Szenen daraus werden sie am Montag, 5. Juni, im Gottes-dienst in der Stiftskirche und am Nachmittag beim „Fest der weltweiten Kirche und Mission“ aufführen. Das außergewöhnliche Theater-Projekt regt an, singend, tan-zend, spielend, frei und lebendig aufeinander zuzugehen, Fremdheit wahrzunehmen und Grenzen zu überschreiten.„Auf spielerische Weise werden sich die Teilnehmenden mit zentralen Fragen der Freiheit auseinandersetzen“, erklärt As-trid Riehle. Freiheit hat viele Facetten, wirft viele Fragen auf: Was heißt Freiheit für mich? Wie steht es um die Freiheit des Andersdenkenden? Wo erlebe ich den Geist der Freiheit? „Um diese Fragen soll es gehen“, erläutert die Dekanatsreferentin. Die künstlerische Leitung haben der Schauspieler und Thea-terpädagoge Felix Beck und der Musiker Felix Mende. Die Evangelische Landeskirche Württemberg, Gemeinden an-derer Sprachen und Herkunft und die Evangelische Kirche in Stuttgart laden zu der interkulturellen Performance ein.

Erstes Treffen: Dienstag, 18. Oktober 2016 von 18 bis 21 Uhr Ort: Gemeindezentrum der Petrusgemeinde in Stuttgart-Gablenberg, Gablenberger Hauptstraße 92.

Anfahrt: ab Hbf Stuttgart - Bus Linie 42 bis H Gablenberg Infos, Anmeldung, Projektbegleitung: Astrid Riehle, Telefon 07 11/20 68-301, [email protected] ajo

Es ist eine gute Tradition, aber im kom-menden Jahr wird es bei diesem Fest ganz besondere Programmpunkte ge-ben. Missionsgesellschaften, Gemein-den anderer Sprache und Herkunft und die Evangelische Landeskirche Würt-temberg feiern an Pfingstmontag, 5. Juni 2017, zusammen mit vielen Besu-chern in den vielen Sprachen Stutt-garts, Gastgeber ist der Kirchenkreis. Das Fest beginnt mit einem Gottes-dienst mit Landesbischof Frank Otfried July, zahlreichen Gemeinden anderer Sprachen und Herkunft und den Mit-wirkenden des Theaterprojekts zum Thema Freiheit. Gemeinsam zieht die Festgesellschaft dann zum Hospital-viertel In der Mitte der Stadt rund um die Hos-pitalkirche und im neuen Hospitalvier-

tel wird die Reformation als Weltbürge-rin gefeiert. Dort lassen Veranstalter und Gäste den Geist der Freiheit kräftig wehen! Gemeinden aus einhundert Ländern bieten kulinarische Köstlichkeiten aus aller Welt. Die Besucher sind eingeladen zu Mitmachaktionen und Workshops, es gibt Missions- und Gemeindestände mit Infos und eine offene Musikbühne. Schließlich werden im Rahmen des Fes-tes noch Menschen aus Württemberg ausgesendet, die in andere Länder zie-hen, um dort in Projekten und Kirchen weltweit zu arbeiten. Monika Johna

Ein Fest mit internationalem Flair

Frei und lebendig aufeinander zugehen: der Theater-Workshop [Foto: z]

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Juli 2016 | Nr. 68 Freiheit feiern

Die Freiheit eines Christenmenschen – eine Herausforderung sowohl zu Luthers Zeiten als auch heute. [Foto: fotolia]

Mit diesen Links finden Sie Informationen zum Thema Reformations jubiläum: Evangelische Landeskirche in Württemberg: www.reformation-württemberg.deEvangelischer Kirchenkreis Stuttgart: www.reformation-stuttgart.deEvangelische Landeskirche in Baden: www.reformation-baden.deEKD: www.luther2017.deEKD und Deutscher Evangelischer Kirchentag: www.r2017.orgIdeenwettbewerb der Evangelischen Landeskirche Württemberg: www.kirche-macht-was.de

Die Luther-Vignette finden Sie zum

Download unterwww.ev-ki-stu.de

Drei Tage Kirchenmusikfest

Wo man die Freiheit zum Klingen bringt

Dass die Musik an diesen drei Tagen vom 14. bis zum 16. Juli 2017 in Stutt-gart eine ganz eigene Bühne bekommt, liegt in der Natur der Sache. Stuttgart ist eine Musikstadt und der Kirchenkreis trägt mit seinen Angeboten und Pro-grammen, mit seinen exzellenten Musi-kern und hochkarätigen Chören in ho-hem Maße dazu bei. Musik ist ein wesentliches Element der Reformation. Martin Luther wusste um die reformatorischen Eigenschaften von Musik und hat dieses Sprachrohr des freiheitlichen Glaubens sehr geschätzt. Darum ist Musik ein wichtiger Bestand-teil unserer Kirche. An ganz vielen Orten in der Stadt wird Musik zu hören sein. Das wohlklingende Wochenende beginnt am Freitag, indem Landesbischof Frank Otfried July das Fest eröffnet. Außerdem ist im Rahmen der „Stunde der Kirchenmusik“ ein gro-ßes Konzert geplant. Der Samstag ist der Tag der „Sänger- und Bläserchöre“: „In den Kirchen gibt es schöne und interessante Workshops aller Art zu Themen wie Gospel, Singen ohne Noten, Lutherlieder, interreligiöses Sin-gen oder chorische Stimmbildung“, sagt Kirchenkreiskantor Jörg-Hannes Hahn. Am Nachmittag werden die Sängerin-nen und Sänger, Bläserinnen und Bläser selbst aktiv bei einem gemeinsamen Singen und Musizieren in der Porsche-Arena. Werke von Händel, Schütz und Haydn sowie Highlights aus der Chor-mappe 2017 stehen auf dem Programm. Am Abend dann finden Konzerte aller Art in den Stuttgarter Kirchen statt.Sonntags dreht sich alles um die Kinder. Die Kinderchöre der Landeskirche treten auf in den Stuttgarter Gottesdiensten. Nachmittags geht auch der Nachwuchs in die Porsche-Arena, um dort gemein-sam zu musizieren.

Die Mitglieder der Sänger- oder Bläser-chöre sollten sich diesen Termin auf alle Fälle schon einmal in ihren Kalender ein-tragen! Monika Johna

Da klingt Freiheit“ lautet das Motto dieses Wochenendes, und eines ist nach einem ersten Blick ins Pro-gramm klar: an ganz vielen Orten wird ganz viel Musik in der Luft liegen. Wer mag, macht mit, wer

lieber still genießt, wird ebenso eine Vielzahl an Möglichkeiten dazu finden.

KMD Jörg-Hannes Hahn, chinesische Solisten und der Bachchor [Foto: privat]

Stiftskantor Kay Johannsen mit Stuttgarter Kantorei und Stiftsphilharmonie [Foto: M. Danzé]

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Mo. 31. Oktober 2016Dezentrale Eröffnung des Reformationsjubiläums mit ökumenischen Gottesdiensten und ChurchNights in Gemeinden und Distrikten, Vorstellung der neu revidierten Lutherbibel in den Gottesdiensten

Freitag, 17. November 2016 Auftaktveranstaltung der Landeskirche im Kursaal Bad Cannstatt „Baden-Württemberg liest Luther“ Lesung, Landesbischof im Gespräch mit Gästen

Eine ganze Fülle interessanter Veranstaltungen erwartet Sie im kommenden Jubiläumsjahr. In den Gemeinden vor Ort wird etliches angeboten. Hier eine Übersicht über die Aktionen im Kirchenkreis.

Fr. – So. 20.-22. Januar 2017 Pop-Oratorium Luther Porsche Arena Stuttgart

01. Februar 2017 – 31. März 2017 Stuttgart liest Luther » Von der Freiheit eines Christenmenschen «Lesegruppen in Gemeinden und Distrikten

Fr, 07. April 2017Ausstellungseröffnung „Luther kommt nach Württemberg“Ausstellung 08.04. – 10.06. in der Schlosskirche

Fr. 12. Mai 2017 » …da ist Freiheit! « Nacht der Freiheit (Baden & Württemberg) in den Gemeinden und Distrikten im Kirchenkreis

So./Mo. 04./05. Juni 2017 Nacht der offenen Kirchen an Pfingsten im bewährten Format

Oktober

2016

Juni

2017

10./24. Januar 2017 Lektüre-Kurs im Hospitalhof » Von der Freiheit eines Christenmenschen «(auch für Multiplikatoren)

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Reformat ions jub i läumJubiläumsjahr

2016 2017

Mo. 05. Juni 2017 » … da weht Freiheit «„Fest der weltweiten Kirche und Mission“ am Pfingstmontag Stiftskirche und Hospital-hof/-ViertelGemeinden und ihre Ökumenischen Partner gestalten mit

Fr.-So. 14.-16. Juli 2017 » ... da klingt Freiheit « Kirchenmusikfest in Stuttgart Gemeinden laden Gäste in den Gottesdienst

Di 24. Oktober 2017 Reformationsempfang Kirchenkreis Stuttgart im Hospitalhof

26. – 30.10.2017 Festwoche zum Reformationsjubiläum mit Thementagen

Di. 31. Oktober 2017 GottesdiensteGesetzlicher Feiertag mit gemeinsamem Geläut um 10 Uhr, die Gemeinden sind eingeladen, dezentrale Gottesdienste anzubieten

Stiftskirche: Ev. Festgottesdienst der Landeskirchen in Baden und Württemberg mit den Landesbischöfen Prof. Dr. Jochen Cornelius-Bundschuh und Dr. h.c. Frank Otfried July und Landesregierung

18:00 Ökumenischer Gottesdienst Landesbischof Dr. h.c. Frank Otfried July und Bi-schof der Diözese Rottenburg-Stuttgart Dr. Gebhard Fürst in Stuttgart

abends/nachts: ChurchNights Dezentraler liturgischer Start und gemeinsamer Höhepunkt und Abschluss in der Stadtmitte Stuttgart

Mi. 01. November 2017 » Christus, unsere Hoffnung «Ökumenisches Auferstehungszeug-nis, evangelische Pfarrer predigen im katholischen Gottesdienst

Außerdem Programm im Evangelischen Bildungszentrum Hospitalhof

· Vorträge zur Reformationsgeschichte in Württemberg

· Theologiekurs zu den „Sola“-Begriffen

· Lektürekurs Freiheitsschrift

Mehr Informationen unter www.hospitalhof.de

„ ... da ist Freiheit“Oktober

2017

Veranstaltung der Landeskirche

Zentralveranstaltung des Kirchenkreises

Formate, zu denen die Gemeinden eingeladen sind, selbst etwas zu machen, selbst etwas anzubieten

Sa.-So. 23.+ 24. Sept. 2017 » … da ist Freiheit. Das Festival «Reformationsfest der Ev. Landeskirche in Württemberg mit diakonischen Einrichtungen in Stuttgart und dem ejw

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Der Verein refugio stuttgart kümmert sich um traumatisierte Flüchtlinge

Wo Folter und Krieg nicht das letzte Wort haben

B ei refugio stuttgart e.V. finden traumatisierte Flüchtlinge und ihre Ange-hörigen Beratung, Begleitung und Behandlung. Ein ganzes Netzwerk an

Menschen und Institutionen hilft dabei.

Es ist Mittwochmorgen, 9.30 Uhr. Eine Seniorin mit sportlichem Kurzhaar-schnitt betritt den Vorraum der refu-gio-Geschäftsstelle im Stuttgarter Sü-den. „Guten Morgen!“, grüßt sie fröhlich in die Runde. Im angrenzenden Zimmer zieht sie eine Akte aus dem Hängeregis-ter, klemmt sich diese unter den Arm und macht sich auf in eines der Behand-lungszimmer ein Stockwerk tiefer. Hil-degard Adler ist Psychotherapeutin und behandelt bei refugio rund 15 Klienten. Kurz darauf tritt ein älterer Herr über die Schwelle. Kaum hat er sich an einem kleinen Schreibtisch niedergelassen und die Telefonanlage umgestellt, dann klin-gelt es auch schon. Am Apparat ist eine Sozialarbeiterin, die sich um einen Flüchtling aus dem Irak sorgt. Er kann zwar bald bei refugio eine Therapie be-ginnen. Seine psychischen Probleme haben sich aber so massiv verschlim-mert, dass er sofort Hilfe braucht. Wer kann in einer solchen Situation helfen? Hartmut Heinrich berät sich mit Kathrin Bonn, der psychologischen Leitung. Hartmut Heinrich und Hildegard Adler stehen für einen wichtigen Bereich bei

refugio: sie arbeiten beide ehrenamt-lich. Hartmut Heinrich in der Verwal-tung, Hildegard Adler als eine von zehn ehrenamtlichen Therapeutinnen und Therapeuten. Die Hilfe für traumati-sierte Flüchtlinge ist ein komplexes Gebilde. „Um jeden Klienten herum gibt es ein kleines Netzwerk“, sagt Cornelia Vereecke-Richter, Geschäftsführerin von refugio stuttgart e.V. Ein wichti - ger Teil davon sind die ehrenamtlichen Begleiter. Rund 30 Ehrenamtliche haben im ver-gangenen Jahr flankierend zu einer The-

rapie Flüchtlinge und ihre Familien be-gleitet. Sie besuchen die Flüchtlinge und ihre Familien regelmäßig, lernen mit ihnen oder den Angehörigen deutsch, helfen bei der Wohnungs-suche, gehen mit zu Ärzten oder auf Ämter. Bei alldem ist es wichtig, dass die Begleiter es richtig einordnen können, wenn ihr Klient sich zurückzieht und sich abweisend verhält. Oder erkennen, wann es Zeit ist, sich Hilfe dazu zu holen. Der Weg zum ehrenamtlichen Begleiter ist weit, denn guter Wille allein reicht bei diesen komplexen Problemlagen na-türlich nicht aus. Zunächst fragt die Eh-renamtskoordinatorin die Motivation der Anwärter ab. Dann folgt ein persön-liches Gespräch, und dann kommt die Schulung. Worauf muss ich achten? Wie erkenne ich eine Krise? Die Ehrenamt-lichen lernen, Situationen fachgerecht einzuschätzen und entsprechend zu handeln. Vor dem Einsatz gibt es noch ein Gespräch mit dem Therapeuten. „Wir haben hier die schweren Fälle“, sagt Cornelia Vereecke-Richter. Was heißt das? Das Trauma der Flüchtlinge beginnt im Herkunftsland, wo sie le-bensbedrohliche Situationen erleben. Sie werden verfolgt, diskriminiert, ver-gewaltigt, gefoltert. Sie fliehen vor Krieg oder Bürgerkrieg. Diese Erlebnisse

Die Anlauf- und Beratungsstelle hat ihre Geschäftsräume im Stuttgarter Süden. [Fotos: Monika Johna]

Hartmut Heinrich berät sich mit Kathrin Bonn, der psychologischen Leitung

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Juli 2016 | Nr. 68 Thema Flüchtlinge Willkommen

setzen sich auf der Flucht fort, indem ihr Leben weiter bedroht ist. „Viele kommen seelisch – und manchmal auch körperlich – schwer verletzt bei uns an und leiden unter vielfältigen, oft erheblichen Beschwerden, häufig in Form einer Posttraumatischen Belas-tungsstörung“, erläutert Cornelia Vereecke-Richter. Das zeigt sich in Essstörungen, Angst-zuständen, schweren Depressionen, Schmerzen oder Panikanfällen und geht bis zu Suizidgedanken. Schon ein Was-serglas kann die Erinnerung an die Flucht wachrufen und etwas im Inneren des Flüchtlings auslösen, wovon das Gegenüber nichts ahnt. „Wenn das nicht behandelt wird, setzt sich das fort und bleibt ein Leid“, erklärt Cornelia Vereecke-Richter. In der Regel dauert es Wochen, ehe eine Therapie beginnen kann. Davor stehen zunächst sozialarbeiterische Hilfen und Beratung beim Asylantrag. Und nicht zuletzt und vor allem die Stabilisierung des Klienten. „Man kann die Menschen nicht gleich mit ihren Traumata kon-frontieren. Sie sollen zunächst ihre ei-gene Kraft sehen können, die ihnen ge-holfen hat, das alles durchzustehen“, führt die Geschäftsführerin aus. Laut refugio sind 20 bis 40 Prozent aller Flüchtlinge, die nach Deutschland kom-men, traumatisiert. 533 Klienten wur-den im Jahr 2014 dort behandelt, 2013 waren es noch 436, 2015 lag man bei rund 750 Flüchtlingen. „Wir haben sehr viele Anfragen.“ Für noch mehr Be-gleitungen und Behandlungen fehlt es jedoch an Personal. Insgesamt zwölf Personen arbeiten hauptamtlich bei refugio, neben der Geschäftsführerin und einer Verwaltungskraft sind dies zehn Psychologen, Sozialpädagogen oder Sozialarbeiter.

Meistens ist es notwendig, dass ein Übersetzer bei der Therapie der ge-flüchteten Menschen aus Syrien, Af-ghanistan, aus Eritrea, Sri Lanka, der Türkei, dem Iran und Irak dabei ist. Mit dieser speziellen Therapiesituation kann und will jedoch nicht jeder Therapeut arbeiten. Dies schränkt den Kreis der möglichen Ehrenamtlichen ein. Auch geeignete Übersetzer zu finden ist eine aufwändige Angelegenheit, muss er doch auch das Vertrauen der Beteiligten gewinnen und beim Übersetzen die kul-turellen Feinheiten vom jeweiligen Her-kunftsland und von Deutschland im Blick haben. 2002 hat sich der Verein refugio stutt-gart e.V. gegründet, 2014 wurde in Tü-bingen eine Außenstelle eröffnet. Vie- les von dem, was in der täglichen Ar- beit läuft, kann nur über Projektmittel oder Spenden abgerechnet werden. 2014 standen auf der Ausgabenseite für Personal, Verwaltung und Mieten rund 400.000 Euro. „Unsere Verwaltungs-kosten, die Tanz- oder Musiktherapien,

die Stabilisierung vor der Therapie – all das ist wichtig. Aber all das können wir nicht abrechnen. Deshalb sind wir auf Spenden und Fördermittel angewiesen“, erklärt Cornelia Vereecke-Richter.Es sind junge Menschen und Senioren, Berufstätige und Rentner, die sich bei refugio stuttgart engagieren. „Ich bin seit 2008 dabei, ich kam zu refugio über einen Kollegen meiner Frau, die Kinder- und Jugendtherapeutin ist“, erzählt Hartmut Heinrich. Zunächst hat er eine Ausbildung als Begleiter absolviert, als dann jemand für den Telefondienst ge-sucht wurde, ist er spontan dort einge-sprungen. „Ich habe auch noch andere Ehrenämter, und ich helfe da, wo ich gebraucht werde“, sagt der agile Senior lapidar und greift zum Telefonhörer. Die nächste Anfrage steht an. Monika Johna

Liebe Leserinnen und liebe Leser,in der vergangenen Ausgabe des IN haben wir Ihnen drei schöne Orte geschenkt, zum Genießen, Verweilen, zur Ruhe kommen, drei Kirchenräu-me, in die sie eintauchen konnten. Und wir haben versprochen, dass wir im nächsten Heft die Frage auflösen, um welche Kirchen es sich handeltz. Dieses Versprechen wollen wir nun gerne einlösen. Die erste Kirche war

die Franziskakirche in Birkach. Die evangelische Dorfkirche wurde am 4. November 1780 eingeweiht. Ihr Stifter war Herzog Carl Eugen von Württemberg. 1985 erhielt die Birkacher Kirche durch Beschluß des Kirchengemeindrats den Namen „Franziska-Kirche“ nach der Reichs-gräfin Franziska von Hohenheim (1748-1811), der Geliebten und späteren Gemahlin Herzog Carl Eugens

von Württemberg. Die zweite Kirche ist die Stiftskirche, die in der Innen-stadt gelegene Hauptkirche der Evangelischen Landeskirche Württem-berg. Die dritte Kirche im Bunde ist die Steigkirche in Bad Cannstatt, mit dem Baujahr 1966 ist die 50-Jahr- Jubilarin eindeutig die Jüngste in der Runde.

Cornelia Vereecke-Richter, Geschäftsführerin von refugio stuttgart e.V.

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Dorothee Wolf: Bedarf an Beratung wächst

Christian Springer pendelt zwischen den Welten und kommt in die Nachtschicht

V oll besetzte Gottesdienste sind bei der Gottesdienstreihe „Nachtschicht“ keine Seltenheit. Kein Wunder, wenn sich Prominente wie der ARD-Wettermann Sven Plöger und die Kabarettisten Dieter Krauß und

Max Uthoff für 2016 als Gesprächspartner bei Nachtschichtpfarrer Ralf Vogel angemeldet haben und wenn die Musik von Hochkarätern wie Cassandra Steen, dem Jommelli-Kammerensemble oder den „Füenf“ kommt.

In ihrem ersten Beruf ist Dorothee Wolf Hebamme. Später studierte sie Psycho-logie in Tübingen und absolvierte eine Ausbildung zur Beraterin am Evangeli-schen Zentralinstitut für Ehe-, Famili-en- und Lebensberatung in Berlin. Nun ist es ihre Aufgabe, ein multidisziplinä-res Kollegenteam zu leiten und Klienten bei der Bearbeitung schwieriger Situa-tionen zu begleiten.„Der Bedarf an psychologischer Bera-tung wächst“, sagt Wolf. Gerade im städtischen Kontext seien viele Men-

schen einsam oder lebten in flüchtigen Beziehungen. Die Mobilität in der Ar-beitswelt sowie die oft schwierige Ko-ordination von Beruf und Familie trü-gen dazu bei, dass Einzelne und Be- ziehungen unter Stress gerieten. Dem begegnet die Psychologische Bera-tungsstelle neben Einzelgesprächen verstärkt mit Gruppenangeboten. „In der Gruppe sind die Teilnehmenden nicht auf die Therapeutin fixiert, son-dern profitieren voneinander“, beob-achtet Wolf.Der neuen Beratungsstellen-Leiterin liegt die Vernetzung mit anderen Hilfs-diensten am Herzen. Schon ihre Vor-gängerin Dorothee Schif, die Ende Feb-ruar in den Ruhestand verabschiedet wurde, legte großen Wert auf gute Ab-sprachen und Kooperationen, etwa mit

dem Jugendamt und mit verschiedenen kommunalen und kirchlichen Bera-tungsstellen. Auch mit den Fachbera-tungen für die 124 evangelischen Kin- dergärten in Stuttgart steht die Bera-tungsstelle im Austausch. Diese Kon-takte will Wolf weiter pflegen. Christoph Schweizer

Zum Hintergrund: Die Psychologische Beratungsstelle der Evangelischen Kirche in Stuttgart hat zwei Standorte (Augustenstr. 39B in Stuttgart-West und Löwenstr. 115 in Degerloch). Pro Jahr nehmen rund 2.000 Menschen das Angebot in Anspruch. Zum An-gebot der Beratungsstelle gehören Erziehungs-, Familien- und Jugend-beratung, Ehe- und Paarberatung, Le-bensberatung und Supervision.

Ralf Vogels Gesprächspartner bei der Nachtschicht am 25. September um 19 Uhr in der Andreaskirche in Obertürkheim ist der Kabarettist Christian Springer. Bis zu zwei Millionen syrische Flüchtlinge leben im Vier-Millionen-Staat Libanon unter schwersten Bedingungen. Christian Springer hat des-halb mit „Orienthelfer“ eine Hilfsorganisation gegründet, die sich vor allem für die Bildung der Kinder einsetzt. So pendelt er zwischen den Welten und hält unserer Welt mit sprühen-dem Humor und glühender Betroffenheit den Spiegel vor. Mit ihm kommen aus München Musiker der dortigen Staats-oper. Gemeinsam mit ihren Kollegen aus Stuttgart bilden sie das „Jommelli-Kammerensemble“, das sich mit Konzerten in der Staatsoper und der Liederhalle einen Namen gemacht hat. Diese Nachtschicht ist der ökumenische Eröffnungsgot-tesdienst zur „Interkulturellen Woche“ und wird veranstaltet in Kooperation mit dem Asylpfarramt und dem AK Asyl Stuttgart.

Die ehemalige Bundesverfassungsrichterin Dr. Christine Hoh-mann-Dennhardt kommt zur Nachtschicht am 21. Oktober um 18 Uhr. Thema: „Da kannst du arbeiten, bis du weiß wirst – Gerechtigkeit in der Arbeitswelt“, musikalisch umrahmt von Johannes Werner, Masterstudent Musikhochschule Stuttgart und der Band „Regenbogen“ Weitere Informationen unter www.nachtschicht-online.de

Beratungsstellen-Leiterin Dorothee Wolf [Foto: Schweizer]

Keine Angst vor Promis – Komödiant Hirschhausen war 2012 in der Nachtschicht zu Gast [Foto: Nachtschicht]

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Juli 2016 | Nr. 68 Aus dem Kirchenkreis

Wiedereinweihung

Das Hospiz - neue Räume am alten Platz

N ur zehn Monate nach Beginn der Umbauarbeiten konnte im Hospiz in der Stafflenbergstraße Wieder-einweihung gefeiert werden. In den neugestalteten Räumen sind der ambulante Bereich, die Station für

Erwachsene und ein Teil der Verwaltung untergebracht.

Die alte Villa in der Stafflenbergstraße bekam einen Anbau, und die Haustechnik wurde komplett erneuert. Sechs Zimmer haben nun direkten Zugang zu einer Nasszelle, zwei Zimmer haben ein eigenes Bad. Die Anzahl der Zimmer wurde von sie-ben auf acht erhöht. Im Erdgeschoss gibt es jetzt einen Raum der Stille, ein großes Pflegebad und einen Raum für die Klangschalentherapie.Im neu gestalteten Sozialraum können Supervisionen, Fortbil-dungen und Teamsitzungen stattfinden. Ein Gästezimmer bie-tet Angehörigen die Möglichkeit, im Haus zu übernachten. „Wir freuen uns, dass wir mehr Platz für die Station haben; gleichzeitig ist für uns - unsere den Gästen zugewandte Hal-tung – nach wie vor das Wichtigste und die Basis unserer Ar-beit“, betonte Elisabeth Kunze-Wünsch. Zwei Millionen Euro haben die Baumaßnahmen gekostet. „Der Umbau war nur möglich durch großzügige Spender“, erklärte Eckart Schultz-Berg, der zuständige Dekan für das Hospiz. Finanziell unterstützt haben unter anderem die Zapp-Rupp-mann-Stiftung, die Fernsehlotterie und die Helene-Pfleiderer-Stiftung.

Im Interimsquartier geblieben sind das ambulante Kinderhos-piz und die Kübler-Ross-Akademie. Zusammen mit der Sitz-wache und dem stationären Kinderhospiz sollen diese Berei-che Ende 2017 in die Villa an der Diemershalde einziehen, die gerade entsprechend umgebaut wird. Monika Johna

Amtseinführung zum 1. Januar 2016

Christof Schmidt ist neuer Bläser-referent des Kirchenkreises.

Zusammenarbeit ist dem zweifachen Vater wichtig, der an der Posaunenchor-arbeit in den Gemeinden besonders schätzt, dass sie generationenübergrei-fend ist. Christof Schmidt ist der Bläser-referent für die 30 Posaunenchöre im Kirchenkreis mit ihren knapp 800 Blä-sern, „der Ansprechpartner bei allen Fragen und Problemen“, wie er sagt. Auf die Nachwuchsarbeit will er ein beson-deres Augenmerk haben. „Priorität Nummer eins haben die Angebote für Jungbläser“, erklärt er. Bereits im Mai steht hierzu ein erstes Projekt, ein Be-gegnungskonzert des staatlichen Schul-amts, auf seinem Plan.

Bei Rolf Bareis, heute leitender Obmann des evangelischen Posaunendienstes in Deutschland (EPiD), lernte er die ersten Schritte mit seinem absoluten Wunsch-instrument. Geboren ist Christof Schmidt in Schwä-bisch Hall, aufgewachsen in Öhringen. Mit 14 Jahren begann der Instrumental-unterricht an der Heilbronner Musik-schule. An der Pädagogischen Hoch-schule in Heidelberg studierte Christof Schmidt Englisch und Musik. Es folgten drei Jahre Aufenthalt in England und das Referendariat in Sindelfingen. Sechs Jahre arbeitete der Englisch- und Mu-siklehrer anschließend als Redakteur für

englische Schulbücher beim Klett-Ver-lag. Seit 2006 leitet Christof Schmidt den Posaunenchor an der Stuttgarter Christuskirche. Bis zum Sommer 2015 unterrichtete der Wahltübinger am Mu-sikgymnasium in Michelbach, dazu ka-men noch diverse Projekte wie der „Hohen lohe Brass“ und regelmäßige Auftritte als Solist oder in Orchestern im In- und Ausland. Monika Johna

V.l.n.r. Dekan Eckart Schultz-Berg, Peter Pfeifle von der Helene-Pfleiderer-Stiftung, Kirchenpfleger Hermann Beck, Prälat i.R. Martin Klumpp (Förderverein), Stadtdekan Søren Schwesig, Architekt RolfMühleisen und Hospizleiterin Elisabeth Kunze-Wünsch durchtrennen gemeinsam das rote Band. [Foto: Monika Johna]

Christof Schmidt ist der neue Bläserrefe-rent des Kirchenkreises. [Foto: z]

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&kurzbündig

20 Jahre „Musik am 13.“ Seit 20 Jahren leitet Kirchenkreis-kantor Jörg-Hannes Hahn die renommierte Konzertreihe „Mu-sik am 13.“. Sie ist in der Cannstatter Stadtkirche und Luther-kirche beheimatet, findet mit ihren Schwerpunkten in Neuer und Alter Musik aber auch weit über Cannstatt hinaus Beach-tung. Beim Jubiläumskonzert am 13. Januar in der Cannstatter Stadtkirche gab es selten gehörte Werke von Max Reger (1873-1916) zu hören. Weitere Infos: www.musik-am-13.de

Kirchengemeinden können seelische Gesundheit fördern Neues Projekt im Kirchenkreis. Ein gemeinsames Projekt des Kirchenkreises mit der Evangelischen Gesellschaft Stuttgart (eva) und dem Dienst für ärztliche Mission will Haupt- und Eh-renamtliche in Kirchengemeinden befähigen, Menschen mit psychischen Erkrankungen zu begleiten. In den einzelnen Ge-meinden sollen Projektgruppen die Hilfsangebote für psychisch kranke Menschen im Gemeindegebiet oder in der Nachbar-schaft in den Blick nehmen und prüfen, wie die Zusammenar-beit der Angebote untereinander und mit den Kirchengemein-den verbessert werden kann. Auch eigene Maßnahmen wie ehrenamtliche Seelsorgeangebote oder Treffpunkte für Men-schen mit psychischen Erkrankungen und ihre Angehörigen können geplant werden. Ansprechpartner für das Projekt sind Gabriele Rein von der Evangelischen Gesellschaft ([email protected]) und Dekan Klaus Käpplinger ([email protected]).

„Bach : vokal“ – hundertste Aufführung in der Stiftskirche Die hundertste Aufführung in der viel beachteten Konzertreihe „Bach : vokal“ in der Stiftskirche war im Gottesdienst am 31. Januar mit Bachs Kantaten zum Fest „Mariä Reinigung“. Die Ensembles der Stiftsmusik Stuttgart führen unter dem Titel „Bach : vokal“ von 2011 bis 2021 das gesamte Vokalwerk von Johann Sebastian Bach auf. Die künstlerische Leitung hat Stiftskantor Kay Johannsen. Infos und Termine unter www.bach-vokal.de.

Bleiben Sie informiert! Den wöchentlichen Newsletter des Kir-chenkreises Stuttgart bestellen Sie unter www.ev-ki-stu.de/aktuelles-hoer-bar/rundbrief/. Auf Facebook finden Sie den Kir-chenkreis unter www.facebook.com/Ev.Kirche.Stuttgart.

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175 Jahre Evangelische Schulen in Stuttgart

V on der „Privat-Lehranstalt für Töchter“ zur Reformschule

„(…) Schulen, die in Erfüllung des Auftrags der Kirche nach den Grundsätzen evangelischen Glaubens und evangelischer Erziehung geführt werden.“ Schwerwiegend klingt der Stif-tungszweck in der Satzung der Schulstiftung: Ist die-ser Auftrag nicht eine Last für die Verantwortlichen? Doch hinter der strengen Fassade geht es bunt und vielfältig zu. Über die „Grundsätze des evangeli-schen Glaubens“ und ihren zeitgemäßen Ausdruck de-battieren Synoden, Ge-meinden, Einrichtungen und Werke - und auch die Schulen. Und den Begriff „evangelische Erziehung“ benutzt kaum noch jemand. Der Pietismus steht am Anfang. Für den Privatunterricht ihrer Töchter stellte die fromme Kaufmannsfamilie Reihlen 1836 den Lehrer Friedrich Weidle an. Der Zulauf von anderen Mäd-chen war so groß, dass Friedrich Reihlen und drei weitere Vä-ter im März 1841 die Genehmigung zur Errichtung einer „Pri-vat-Lehranstalt für Töchter“ beantragten. Schon am 5. Mai 1841 konnte die neue Schule eröffnen. Über die Jahre wurde daraus „das MÖRIKE“, heute Gymnasium und Realschule.Dazu kam die Reformpädagogik. 1908 gründete ein Deger-locher Verein die „Reformschule Heidehof“ als „Freiluft-, Gar-ten- und Waldschule“ (heute Heidehof-Gymnasium). Man wollte Lernschule sein, aber ohne „tyrannisches Einpauken“; man wollte zugleich „Arbeitsschule“ sein mit dem Prinzip der „Selbstbetätigung“ und man wollte „Erziehungsschule“ sein, die der „körperlichen Erziehung“ gleichen Wert zumaß wie den geistigen Leistungen.Reformpädagogisch ist auch die Johannes-Brenz-Schule aus-gerichtet. Mit der Eröffnung dieser Grundschule mit Hort wollten die Eltern Konzepte für eine neue Zuordnung von Schule, Kind und Eltern entwickeln.So fasst die Schulstiftung ihren Auftrag heute zusammen mit den Begriffen „Profil und Innovation“. Mit Wilfried Här- le, emeritierter Theologieprofessor, versteht sie das „als die beiden Brennpunkte einer Ellipse“; denn „ohne Profil steht die schulische Innovation in der Gefahr, zur bloßen Anpas-sung an gängige Trends zu werden.“ Und „ohne Innovation stehen (…) auch profilierte Schulen in der Gefahr, zu Fossilen zu werden.“

Matthias AhrensReferent des Vorstands

Evangelische Schul stiftung Stuttgart

Friedrich Weidle, Privat-lehrer 1836-1841, Schul-leiter am Mörike 1841-1869 [Foto: Archiv]

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Juli 2016 | Nr. 68 Aktuell

Für Kirche muss begeistert werden

Neu im Medienpfarramt: Monika Johna

Zu ihren Terminen fährt sie bei Wind und Wetter mit dem Rad. Auch in ihrem beruflichen Werdegang ist Monika Johna mit vielen Wassern gewaschen. Sie ist Pädagogin und Journalis-tin. Sie hat als freie Mitar-beiterin für verschiedene Redaktionen und seit 2011 auch regelmäßig für das Evangelische Medienpfarr-amt geschrieben. Sie war Öffentlichkeitsarbeiterin beim Evangelischen Kirchentag in Stuttgart. Monika kommt in der Region Stuttgart herum, engagiert sich auch direkt vor ihrer Haustür in Dürrlewang. Ich habe sie beim Lesen des Vaihinger Gemeindebriefes entdeckt. Dort ist sie mir mit sensiblen Porträts von Engagierten der Kirchenge-meinde aufgefallen. Die hat sie ehrenamtlich geschrieben.Öffentlichkeitsarbeiterinnen brauchen neben sprachlichen Fähigkeiten und einer kommunikativen Ader auch jede Menge Kreativität, konzeptionelle Denke und Stressresistenz. Von diesen Zutaten bringt Monika Johna reichlich mit. Darüber hinaus hat sie als Engagierte der Jugendarbeit im ehemaligen Kirchenbezirk Degerloch, später als Kirchengemeinderätin und seit 2014 auch als Kirchenkreissynodale, ein vertieftes Verständnis dafür entwickelt, was Kirche ist, was sie sein kann und wie sie tickt an ihren Sonn- und Alltagen. Ganz nebenbei managt die Ehefrau eines Fahrradhändlers eine Familie mit drei Schulkindern. Weshalb sie ihre Texte oft mitten in der Nacht verfasst. Mails um 1 Uhr in der Frühe sind keine Sel-tenheit. Warum liegt ihr die Öffentlichkeitsarbeit am Herzen? „In der Kirche engagieren sich so viele wunderbare Menschen auf eindrückliche Art und Weise. Davon muss erzählt, für Kirche muss begeistert werden“, sagt sie. Glückwunsch an den Kir-chenkreis, dass mit Monika Johna das Medienpfarramt zu-mindest interimsweise in guten Händen ist! Christoph Schweizer

Mit viel Freude Wissen weitergeben

Wie soll man neun Jahre in etwas mehr als fünf Zeilen packen? Denn so lange hat Christoph Schweizer als Medienpfarrer beim Kir-chenkreis Stuttgart gear-beitet. Er war der An-sprechpartner für Sie in den Gemeinden, für die Medien und die Öffentlich-keit, hat zahllose Anfragen verschiedenster Art bear-beitet und regelmäßig das

IN herausgegeben. Und vor allem: er hat sich bei alldem jedes Mal mit großer Begeisterung, Freude und Offenheit auf neue Themen und Menschen eingelassen und sich für deren Bot-schaften interessiert.Da kann es nur bei einem kleinen Ausschnitt all dessen blei-ben, was Christoph Schweizer als Medienpfarrer bewegt hat. Die Öffentlichkeitsarbeit war ihm in seiner Stuttgarter Zeit ein zentrales Anliegen. „Ich gelernt, wie viel Freude die Bil-dungs- und Beratungsarbeit mit Erwachsenen macht. Da hast du Leute vor dir sitzen, die opfern ihre Freizeit und wollen was lernen.“ Ein Höhepunkt seien dabei die beiden „Stuttgarter Foren Öffentlichkeitsarbeit“ gewesen, die sich mit der Frage aller Fragen eines Öffentlichkeitsarbeiters beschäftigten: Wie setzen wir Themen in der Öffentlichkeitsarbeit? „Ich habe sie gemeinsam mit Hilmar Gattwinkel und mit der praktischen Theologin Dr. Kristin Merle vorbereitet.Das war einfach richtig inspirierend“, schwärmt Christoph. Im Stuttgarter Gasthaus hat er während des Kirchentages täglich zuverlässig das Ak-tuellste zusammengefasst und nach draußen gesendet. Mir war er ein geschätzter Kollege, mit dem ich sehr gern zusam-mengearbeitet habe. Neben all dem hat Christoph noch eine Familie gegründet. Mit seiner Frau Tina und den beiden Söh-nen hat es ihn nun hinauf auf Esslingens Höhen gezogen. Dort kann sich jetzt die Gemeinde Esslingen-Hohenkreuz an ihrem neuen Gemeindepfarrer erfreuen. Monika Johna

Das Buch zur Nachtschicht ist da!

Walter Sittler, Hartmut Rosa, Sarah Wiener, Sven Plöger und Schwester Margret - sie alle waren schon in der

Nachtschicht. Momente, die besonders berühren, sind nun zusammengefasst in einem Buch von Nachtschichtpfarrer Ralf Vogel. Das Buch hat den Titel „Nachtschicht“ und ist er-hältlich in jedem Buchladen, es kann auch direkt beim Verlag „Evangelische Gemeindepresse GmbH“ bestellt werden - oder man kommt einfach zur nächsten Nachtschicht und kauft es dort im Anschluss. Das Buch spiegelt Momente wieder, in de-

nen die besondere Atmosphäre der Nachtschicht aufleuchtet.Sie entstanden, als sich die Ge-sprächspartnerinnen und -partner ganz offen über die für sie entschei-denden Fragen des Lebens und des Glaubens äußerten. ajo

Monika Johna [Foto: privat]

Christoph Schweizer [Foto: ajo]

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Es duftet nach Holz und der Blick vom Gruppenraum geht direkt auf eine satt-grüne Steuobstwiese – wer den neu ge-bauten Stöckachkindergarten besucht, mag kaum glauben, dass er sich mitten in der Stadt, in einem dicht besiedelten Gebiet, befindet. Im Juni wurde Einrich-tung eingeweiht. „In zehnmonatiger Bauzeit ist hier ein ganz be-sonderes Gebäude entstan-den, in Holzbauweise und in zukunftsweisender energe-tisch hervorragender Bauwei-se“, betonte Stadtdekan Søren Schwesig in seinem Grußwort. Auch Sozialbürgermeisterin Isabel Fezer zeigte sich sehr angetan von dem wohltuen-den Raumklima. „Nicht nur Menschen und Aktivitäten wirken auf Kinder, sondern auch Räume beeinflussen Bil-dungsprozesse positiv“, erläu-terte sie und lobte die gute Zusammenarbeit: „Die Stadt kann den Ausbau der Kindertagesstätten nicht alleine stemmen. Wir brauchen die enga-gierten, guten Täger – solche wie die Evangelische Kirchen gemeinde.“ Und neben viel Lob gab’s auch noch Ge-schenke: Jürgen Hamann von der Schwäbischen Bank brachte einen

Scheck über 2. 500 Euro mit. „Es ist ein Haus geworden, in dem sich alle wohlfühlen – die Kinder, die Eltern und die Mitarbeitenden“, freut sich Pe-tra Wolff, die Leiterin der Einrichtung. Auf 720 Quadratmetern können die Kinder künftig spielen und toben. Zir-belholz an der Decke sorgt für wohl-

riechenden und sehr schön anzusehen-den Lärmschutz. In jedem der vier Gruppenräume befindet sich eine kleine Küche, damit die Kinder unmittelbar ins Kochen und Backen miteinbezogen werden können. Mobiliar mit Rollen er-möglicht es dem Betreuungspersonal ganz leicht, das Umfeld je nach Bedarf

umzugestalten.Der neue Kindergarten besteht fast vollständig aus Holz und kann nahezu emissionsfrei und fast ohne Energiezu-fuhr betrieben werden. „Die Kinder- und Familientagesstätte am Stöckach dürfte der erste praktisch CO2-freie Kindergarten in Deutschland sein“,

schätzt das Bauunternehmen Eurokindergarten GmbH. Die Firma hat das außergewöhnli-che Haus gebaut und über-nimmt die Baukosten, die Evangelische Gesamtkirchen-gemeinde ist Mie terin. Nach 20 Jahren geht der Kindergarten dann in den Besitz der Gesamtkirchen gemeinde über. In der Kindertagesstätte gibt es nun vier anstelle der bisherigen drei Gruppen und sie hat acht statt bisher sieben Stunden ge-öffnet. Die Einrichtung verfügt über 40 Plätze für Drei- bis

Sechsjährige und über 20 Plätze für Kinder unter drei Jahren. Monika Johna

Kindergarten I: Ein Platz im Grünen mitten in der Stadt

Kindergarten II: Grundstein fürs neue Haus ist schon gelegt

Ebenfalls im Juni feierte die Christusge-meinde Grundsteinlegung zu ihrem Ge-meindehaus mit Kindergarten. Dazu überbrachte Dekan Schwesig seine Se-genswünsche und Pfarrer Dinkel griff mit viel Einsatz in die Gitarrensaiten und stimmte fröhlich zusammen mit den Kindergartenkindern Handwerker-lieder an.Das künftige Haus wird frei vor der Kir-che stehen. Im Erdgeschoss werden bar-rierefrei zugänglich ein großer und ein kleiner Gemeindesaal untergebracht

sein. Der Kindergarten bekommt das gesamte obere Geschoss. Dank der neu-en Räumlichkeiten wird es zukünftig vier anstelle von bisher zwei Gruppen und Ganztagesplätze geben und es wird möglich sein, Kinder unter drei Jahren zu betreuen. Das Gesamtpaket umfasst 4,4 Millionen Euro an Kosten, darin eingeschlossen sind die geplanten Ausgaben, um die Jugendräume zu renovieren. Die Chris-tuskirchengemeinde selbst muss davon 1,24 Millionen Euro aufbringen.

ajo

Stadtdekan Schwesig und Pfarrer Dinkel bei der Grundsteinlegung [Foto: ajo]

Gruppenbild im Garten vor dem neuen Haus mit den Kindern,prominenten Gästen und den Verantwortlichen des Kirchen-kreises [Foto: ajo]

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Juli 2016 | Nr. 68 Aus dem Kirchenkreis

Die Richtkrone wird emporgezogen [Foto: ajo]

Als musikalischer Botschafter hat sich der Bachchor unlängst in ferne Länder begeben und die Herzen des Publikums im Sturm erobert. Im Frühjahr konzer-tierte er mit der „Schöpfung“ von Jo-seph Haydn in China. Die beiden ersten Konzerte des renommierten Chores der Evangelischen Kirche in Stuttgart unter der Leitung von Kirchenmusikdirektor

Jörg-Hannes Hahn fanden zusammen mit Solisten und einem jungen chinesi-schen Orchester in Peking statt. Auf ein Konzert in der Dianli-Universität folgte ein Auftritt in der berühmten Peking-University. Hier kam es zu einer sponta-nen Zugabe mit deutschen Volksliedern im Treppenhaus der Universität, die stürmisch bejubelt wurde. In Shanghai

sang der Bachchor in der vollbesetzten Francisco Xavier Kirche. In dieser ältes-ten Kirche in Shanghai musizierte der Bachchor gemeinsam mit zwei chinesi-schen Chören. Auch dieses Konzert zum Abschluss der Konzertreise fand begeis-terte Resonanz.

Hospiz II: Das nächste Etappenziel ist erreicht

Der Bachchor unterwegs in fernen Ländern

Sieben Stunden nur für michViel Anklang hat der Anerkennungstag der Diakoniemitarbeitenden gefunden. Unter dem Motto „Sieben Stunden nur für mich“ kamen über einhundert Teil-nehmende, um sich mal richtig verwöh-nen zu lassen. „Die Mitarbeiter sind sonst diejenigen, die sich um ihre Mit-menschen kümmern. Beim Anerken-nungstag sollen sie mal nur auftanken und diesen Tag genießen können“, sagt Dekan Klaus Käpplinger, der erste Vor-

sitzende der Arbeitsgemeinschaft der Diakonie in Stuttgart. Zu der Arbeitsge-meinschaft gehören rund 40 diakoni-sche Einrichtungen, das Arbeitsfeld reicht von der Altenpflege über Haus-wirtschaft bis zur Kinderbetreuung, von der Krankenpflege über Beratung bis zur Verwaltung. Nach dem Gottesdienst ging es in verschiedene Workshops - von Filzen über Glasmalerei bis zu Zau-bern und Trampolinspringen. ajo

Auf der Baustelle des Kinderhospizes konnte Richtfest gefeiert werden. „Es ist uns ein Herzensanliegen, mit Ih-nen als den Freunden und Partnern des Kinderhospizes diesen Tag zu begehen. Wir sind dankbar für die großartige Un-terstützung und den guten Verlauf der Bauarbeiten“, betonte Elvira Pfleiderer, die stellvertretende Hospizleiterin und Projektleiterin des Neubaus Kinder- und Jugendhospiz. Die neue Einrichtung wird von vielen Familien sehnlichst erwartet. In Baden-Württemberg leben 5.700 Kinder, die an einer lebensverkürzenden Erkrankung leiden. Sie sollen mit dem ersten baden-württembergischen stationären Kinder- und Jugendhospiz künftig die Möglich-keit bekommen, bis zu vier Wochen im Jahr in der schön gelegenen ehemaligen Villa Dittmann eine Auszeit vom kräfte-zehrenden Alltag nehmen zu können. „Wir schaffen hier einen Ort zum Auf-

schnaufen, Auftanken und Verweilen für 200 Familien pro Jahr“, freute sich Kirchenpfleger Hermann Beck. 8,5 Millionen Euro sind nun für den Umbau angesetzt. Wenn alles fertig ist, stehen 2.400 Quadratmeter zur Verfü-gung. Dann gibt es Platz für acht er-

krankte Kinder. In jedem der acht Zim-mer können auch die Familien übernachten. Zusätzlich werden zwei Familienzimmer und drei Familien-appartements eingerichtet. ajo

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Ehrenamt im Sonnenwinkel

Dort helfen, wo es gerade nötig ist

I ch habe nach fünf Monaten ein ganz anderes Bild von der Arbeit mit Flüchtlingen“, sagt Claudia Schlayer. Die dreifache Mutter ist jetzt, nachdem ihre eigenen Kinder aus dem Gröbsten raus sind, in den Freundes-

kreis für die Unterkunft im Waldheim Sonnenwinkel eingetreten. Seitdem sieht ihr Alltag gänzlich anders aus.

Will man Claudia Schlayer im Waldheim Sonnenwinkel finden, dann muss man eigentlich nur schauen, wo mehrere Men-schen beisammen stehen. Sobald sie die Räume im Dachswald betritt, kommen auch schon Bewohner auf sie zu, begrüßen sie herzlich, machen einen kleinen Scherz, erzählen ihr was oder - und das kommt sehr häufig vor - haben Fragen. Fragen zu all den Papieren und Unterlagen, die sie vom Amt zugesen-det bekommen und die sie ausfüllen sollen. Fragen zu ihrem Aufenthaltsstatus, zu den Deutschkursen, von denen es zu wenige gibt, zu einem anstehenden Arztbesuch. Ein „Frage-bogen zur Bestimmung des für die Prüfung des Antrages zu-ständigen Mitgliedsstaates“ wird ihr von einem jungen Mann entgegengestreckt. Was das sein soll, wer weiß das schon. Claudia Schlayer kennt das inzwischen. Sie, die vor der Fami-lienzeit in der Gastronomie tätig war, hat sich mittlerweile ganz gut eingearbeitet in die Höhen und Tiefen der Formular-bürokratie. Sie weiß zum Beispiel auch, dass es ganz schnell gehen muss, wenn einer der Flüchtlinge eine Aufenthalts-gestattung erhält. „Dann wechselt die Zuständigkeit vom Sozialamt zum Job-center und es muss innerhalb kürzester Zeit ein riesiger bürokratischer Auf-wand bewältigt werden“, erklärt sie. Da-zu braucht es Menschen, die dann zu-sammen mit dem Flüchtling regelmäßig aufs Amt gehen und sich gemeinsam mit ihm um Formulare und Papiere

kümmern. Im Dachswald will man nun versuchen, über Kurz-patenschaften hierfür Leute zu gewinnen. „Dabei dreht es sich lediglich darum, innerhalb von rund vier Wochen Zeit für Behördengänge und das Drumherum einzubringen“, erläutert Claudia Schlayer. Sie habe mehrere Phasen durchlebt, seit sie im vergangenen Herbst in den Freundeskreis eingestiegen sei, erzählt sie. „Am Anfang habe ich ganz furchtbar geträumt. Ich habe erst ler-nen müssen, dass ich unsere Schützlinge auch alleine lassen kann, ich musste lernen, mich abzugrenzen“, erinnert sie sich. Und jetzt? Was macht sie jetzt dort im Waldheim? „Hm, ei-gentlich alles. Wo es was gibt, da packe ich an“, überlegt sie. Geben tut es immer was und davon ausreichend. In der Fami-lie von Claudia Schlayer ist es schon ein „running gag“, wenn die Hobbyimkerin zu ihrem Mann und ihren drei Kindern sagt, dass sie noch kurz in den Sonnenwinkel fahre. Dann lachen alle Vier und fragen: „Deutsche Zeit ‚kurz’ oder Sonnen-winkelzeit?“ Warum macht sie das alles? Warum kommt sie so gut wie täg-lich in den Sonnenwinkel und hört zu, erläutert deutsche Be-griffe und erklärt Regeln des Zusammenlebens in Deutsch-land, damit die Integration, von der sie sagt, dass sie hier in kleinen Schritten beginnt, ihren Lauf nehmen kann? „Am An-fang hatte ich den Wunsch zu helfen. Jetzt sehe ich die Not-wendigkeit. Diese Menschen haben nur die Chance auf eine vernünftige Integration, wenn man sie an der Hand nimmt, begleitet, Hilfe zur Selbsthilfe gibt“, sagt sie. Manches an ih-ren eigenen Lebensumständen ist Claudia Schlayer in den vergangenen Monaten noch stärker ins Bewusstsein gerückt: „Der einzige Unterschied zwischen den Bewohnern und mir ist, dass ich das Glück habe, in Deutschland geboren zu sein. Wenn wir in ein anderes Land gehen, dann haben wir immer die Option, dass wir zurückkönnen. Das können diese Men-schen hier nicht.“ Monika Johna

Integration aktiv angehen: Claudia Schlayer mit Bewohnern der Unterkunft im Sonnenwinkel [Foto: Monika Johna]

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