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Der lange Weg zum klassischen Vierkanter im Mostviertel …
Hermine Paumann 19.4.2014
Portfolio
Bezugnehmend auf das Seminar 352F3SKIO2: „Baukultur im Mostviertel“ (19.-20.04.2013 Seitenstetten)
Lehrgang: Kulturpädagogik
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Inhaltsverzeichnis
Wo liegt das Mostviertel?………………………………………………………….. Seite 3
Der Begriff des Vierkanters ………………………………………………………. Seite 4
Entwicklung vom Haufenhof zum Vierkanter …………………………………… Seite 4
Die Wiege des Vierkanters – das oberösterreichische Traunviertel …………. Seite 7
Der Vierkanter im Mostviertel ……………………………………………………. Seite 8
Warum es im 19. Jh. zur Vergrößerung der Gehöfte kam ……………………. Seite 9
Typische Merkmale eines Vierkanters ………………………………………….. Seite 10
Wie Vierkanthöfe heute genutzt werden . ……………………………………… Seite 12
Maßnahme zur Stärkung des Mostviertels als Tourismusgebiet ……………… Seite 12
Möglicher Themenbezug zur Schule ……………………………………………. Seite 13
Literaturnachweis …………………………………………………………………. Seite 14
Bildnachweis ……………………………………………………………………….. Seite 14
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Wo liegt das Mostviertel?
„Mostviertel“ ist ein volkstümlicher Ausdruck, der auf das gesamte Viertel ober dem
Wienerwald zwischen Enns und der Traisen übertragen wurde und heute touristisch genutzt
wird. Kernzone des Mostviertels ist jedoch der Raum um Haag mit den Gemeinden St.
Valentin, St. Peter/Au, Wolfsbach, Weistrach, Seitenstetten und Strengberg, Amstetten –
dort, wo die größten Vierkanter und Birnbäume stehen.
Abbildung1: Birnbaum in voller Blüte
Seinen Obstbaumbestand verdankt das Mostviertel nicht nur günstigen ökologischen
Voraussetzungen, sondern auch klugen Weichenstellungen durch Maria Theresia und Kaiser
Joseph II., die die Anpflanzung von Streuobstbäumen verordneten. Die flächendeckende
Streuobstkultur begründet schließlich den bäuerlichen Wohlstand im 19. Jahrhundert, der
zum Ausbau der klassischen Vierkanthöfe führte, die bis heute diese herrliche Landschaft
prägen.
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Abbildung 2: Blühende Birnbäume
Der Begriff des Vierkanters
Der Vierkanter in seiner heutigen Form ist nicht älter als 100 bis 150 Jahre. Der Begriff
wurde von Gustav Bancalari, einem Bauernhausforscher, 1893 eingeführt. „Der Vierkanter ist
eine der vollkommensten Gehöftformen der Welt und hat, um so vollkommen zu werden,
mindestens 600 Jahre gebraucht“ (Rudolf Heckl, OÖ Baufibel 1949).
Nach derzeitigem Stand der Forschung ist auszuschließen, dass weder die Ziegelbauweise,
noch die viertraktige Hausform auf römische oder keltische Wurzeln zurückgeführt
werdenkann, wie lange fälschlicherweise behauptet wurde.
Entwicklung vom Haufenhof zum Vierkanter
Wie Höfe im Früh- und Hochmittelalter aussahen, lässt sich nur lückenhaft erschließen. Fest
steht, dass alle Behausungen im ländlichen Raum bis in die frühe Neuzeit in Blockbauweise
als Einraumhaus aus Holz gebaut, mit Lehm abgedichtet und mit Stroh gedeckt wurden. Im
Zentrum stand die Feuerstelle.
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Im ausgehenden Mittelalter erfolgte eine Abtrennung der Rauchküche von der Stube,
verbunden mit einer deutlichen Verbesserung der Wohnqualität.
Von der Küche aus wurde ein Kachelofen beheizt – ein unverrückbarer Bestandteil jeder
Bauernstube.
Neben dem Einraumwohnhaus gruppiert lagen Wirtschaftsgebäude wie Stallungen, Stadel,
Scheunen, Feldkästen, Backofen, Dörrhaus und Bienenhaus. Diese Anhäufung von
Gebäuden nennt man Haufen- oder Streuhof, auch Vielhaus-Gehöft. Die Haufenhofform
herrschte auch im 17. Jahrhundert noch im Mostviertel vor.
Aus dem Zusammenwachsen des Rauchstubenhauses mit einem kastenartigen,
unterkellerten Speicher setzte sich eine besondere Bauform durch.
Dieser Grundriss führte zu nachhaltiger Entfaltung. Noch heute beinhaltet jeder Wohntrakt
eines Vierkanters die Struktur und die Raumaufteilung des Mittelflurhauses. Dem Wohnteil
(Stube und Rauchküche) wurden später noch ein bis zwei Zimmer angefügt, dem
unbeheizten und unterkellerten Speicherteil wurden ebenfalls zweckdienliche Räume
angegliedert.
Im Flachland wuchsen die Teile des unregelmäßigen Haufenhofs ringförmig um einen
zentralen Hofraum zusammen. Die wichtigsten Gebäudeteile waren Wohnhaus und Stall. Ab
dem 17. Jahrhundert wurde festes Mauerwerk, meist Bruchstein, verwendet..
Der Prozess der Regelhofbildung begann in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts. Die
einzelnen Baukörper des ursprünglichen Haufenhofs rückten zueinander. Über
Zwischenstufen des Paar-, Haken- und Doppelhakenhofs entstanden der Vierseithof und
schließlich der Vierkanthof. Die Gebäude des Paarhofes, Wohnhaus und Stall, stehen meist
in Massivbauweise parallel zueinander. Beim Haufenhof sind die beiden Trakte rechtwinkelig
verkantet. Beim Doppelhakenhof sind Wohnhaus, Stall und Stadel u-förmig angeordnet. Der
Dreiseithof hat ebenfalls u-förmig angeordnete Trakte und eine Tormauer. Die Dachfirste
sind ungleich hoch. Neben diesen Übergangsstufen zum klassischen Vierkanter existieren
bereits verschiedene Ausformungen rechteckiger und quadratischer Vierseithöfe.
Seit der Renaissance übten die Meier- und Zehenthöfe der umliegenden Grundherrschaften
eine große Vorbildwirkung auf die Vierkanthöfe aus. Freiherr Wolf Helmhard von Hohenberg
(1612-1688) gab bereits 1682 genaue Anleitungen zur Errichtung für den vierseitigen
Regelhof. Allen vier Gebäudetrakten wurden die entsprechenden Funktionen und
Räumlichkeiten zugewiesen.
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Auch Pfarrhöfe, Mühlen und Vorspanngasthöfe setzten prägende Impulse für das Entstehen
des klassischen Vierkanthofes.
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Abbildung 3 (Quelle: aus Cerny 2012, S. 58)
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Wiege des Vierkanters – das oberösterreichische Traunviertel
Ab dem 16. Jh. wurden zahlreiche Meier- und Zehenthöfe der Klosterherrschaften St. Florian
und Kremsmünster aufgelassen, verpachtet und schließlich vererbrechtet. Die Inhaber dieser
Höfe wurden rasch wohlhabend und gingen im 18. und 19. Jh. unter dem Begriff „Florianer
Bauernadel“ in die Geschichte ein. Repräsentative Porträts gehörten zur Prestigepflege jener
Familien.
Abbildung 4: Holzmodell eines Vierkanthofes aus Lambach im Österreichischen Museum für Volkskunde (Quelle: Wikipedia)
Ihre übergroßen Höfe waren Ausnahmeerscheinungen und nicht repräsentativ für den
gesamten, damaligen Bauernstand.
Allmählich griff der Vierkanter im angrenzenden Mostviertel, jenseits der Enns liegend,
Raum. Der Ennsfluss bildete jedoch nie eine Kulturgrenze. Traunviertel und Mostviertel
weisen auch eine naturräumliche Geschlossenheit auf. Typisch ist auch der tiefgründige
Lehmboden, aus dem Millionen von Ziegeln für den Bau der Vierkanthöfe geschlagen und
gebrannt wurden.
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Abbildung 5:Großvierkanter aus dem Florianer Landl für Heckl die letzte Ausbaustufe (Heckl 1949, S. 70)
Der Vierkanter im Mostviertel
Impulse gaben hier die Meierhöfe der Adelssitze und die Wirtschaftshöfe großer
Pfarrherrschaften. Das Bedediktinerstift Seitenstetten war nicht nur geistig-kulturelles
Zentrum, sondern auch der größte landwirtschaftliche Betrieb der Region. Die gesamte
Klosteranlage wird häufig als „Vierkanter Gottes“ bezeichnet. Der Stiftsmeierhof von
Seitenstetten ist einer der ältesten und der monumentalsten zweigeschossigen Vierkanter
des Mostviertels (132 x 66m). Er ist das Urbild des regionalen Vierkanters.
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Abbildung 6: „Vierkanter Gottes“, (Quelle: noe.orf.at)
Warum es im 19. Jh. im Mostviertel zur Vergrößerung der Gehöfte kam
Ab der Mitte des 19. Jahrhunderts vollzog sich die nachhaltigste Veränderung in der
Hauslandschaft des Mostviertels. Eine Ursache waren die Auswirkungen der theresianisch-
josephinischen Reformen zu gezielter Förderung des Bauernstandes, was nachhaltig zu
einer Produktionssteigerung in der Landwirtschaft führte. Weiters wurden neue
Futterpflanzen im bisherigen Brachland angebaut, die Viehzucht wurde durch
Sommerstallfütterung intensiviert und die Düngemethoden wurden verbessert. Die
Ertragssteigerung erforderte neue Betriebsorganisationen und eine Erweiterung der
Bauformen, also eine Runderneuerung der zu klein gewordenen Gehöfte.
Außerdem wurde 1848 die bäuerliche Untertänigkeit aufgehoben, d.h. die Bauern wurden
unbeschränkte Eigentümer von Grund und Boden.
Most war der Haustrunk der Bauern, er wurde aber in der 2. Hälfte des 19. Jahrhunderts ein
begehrtes Volksgetränk der Arbeiterschaft. Reger Handel wurde betrieben, sodass die vollen
Mostkeller zur Quelle des Wohlstandes wurden. Der Reichtum führte zu einer kräftigen
Ankurbelung der Bautätigkeit und ein Großteil der damals eingeschossigen Gehöfte wurde
aufgestockt oder sogar von Grund auf erneuert.
Der Bau der Westbahn spielte ebenfalls eine wesentliche Rolle für die Verbreitung des
Vierkanters. Die Bahntrasse führte durch das Mostviertel und aus allen Kronländern der
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Monarchie, vor allem aus Italien und Böhmen, kamen Wanderarbeiter hierher. Diese
mussten verköstigt und einquartiert werden.
Nach Fertigstellung der Bahn blieben viele Arbeitskräfte und waren fachkundig beim Ausbau
der Vierkanter. Die italienischen Bauarbeiter brachten eine effiziente Technik der
Ziegelherstellung in eigenen Feldöfen ins Mostviertel.
Typische Merkmale eines Vierkanters
Es gibt zwar ein einheitliches Grundschema, dennoch gleicht kein Hof dem anderen. Der
Vierkanter ist gekennzeichnet durch seine Geschlossenheit und die Verbindung seiner vier
Trakte (Wohnhaus, Stadel / Scheune, Stall und Schuppen), die dadurch einen
geschlossenen Innenhof bilden, die zweigeschossige Gebäudehöhe und das einheitlich
geneigte Dach mit ungebrochener First- und Trauflinie. Je nach Größe teilt man die
Vierkanter in Kleinvierkanter (Seitenlänge der Hausfront beträgt weniger als 30 Meter und
eine Fensterachse hat 6-10 Fenster), in mittlere Vierkanter (Seitenlänge der Hausfront
beträgt 30-40 Meter) und in die Großvierkanter. (Die Hausfront beträgt 40-60 Meter und eine
Fensterachse hat 15-20 Fenster).
Abbildung 7: mittelgroßer Vierkanter
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Wichtigste Voraussetzung für die Ziegelerzeugung war die Qualität des Rohstoffes. Die
Tonlagerstätten um Haag lieferten optimales Material. Die Sichtziegelhöfe aus diesem Raum
zählen daher zu den besterhaltenen Exemplaren. Als Fundamente dienten behauene
Konglomeratblöcke aus Steinbrüchen, selten auch Granitsteine aus dem Mühlviertel.
Wo Lehmerde als Baustoff rar war, wurde Stein verwendet. Dann bestehen die Mauern aus
unverputzten Sandsteinblöcken. In den Schotterzonen des Enns-Donau-Winkels kam es zur
Ausformung des Schichtenmauervierkanters, der unverkennbar italienische Einflüsse zeigt.
Abbildung 8: Schichtmauerwerk (Klement 1982, S.40)
Ab 1870 wurden Putzfassaden nach städtisch-bürgerlichem Vorbild gestaltet. Die glatten und
ungegliederten Fassaden wurden nun mit architektonischen Schmuckformen wie Lisenen,
Gurtgesimsen oder gebogenen Fenster- und Türstürzen angereichert. Aus den 1920-er
Jahren stammen Fassaden mit modischem Jugendstildekor.
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Wie Vierkanthöfe heute genutzt werden
Heute gibt es eine Vielzahl an Nutzungsmöglichkeiten, dennoch wird der Vierkanthof
mittlerweile oft als „Problemfall“ betrachtet, dessen Raumaufteilung nicht mehr zeitgemäß sei
und dessen Sanierung, Modernisierung und Erhaltung eine große finanzielle
Herausforderung darstelle. Auch die Nachfolge und der Generationenwechsel stellt zum
Teil eine Herausforderung dar.
Der Frage, wie gegenwärtig diese großen Gehöftformen genutzt werden, ging man in Haag
nach. In Haag führte man eine Studie bezüglich der Nutzung durch und teilte die Höfe
anschließend in vier Typen ein: in den „verlassenen“, den „beharrenden“, den
„spezialisierten“ und den „umgebrochenen“ Vierkanthof. Unter den beharrenden Höfen sind
jene zu verstehen, deren zukünftige Nutzung ungewiss erscheint. Die spezialisierten
Vierkanthöfe sind landwirtschaftliche Betriebe, die sich beispielsweise auf intensive Hühner-
oder Schweinemast verlegt haben. Der umgebrochene Vierkanthof wird als Firmensitz und
Wohnung genutzt.
Maßnahme zur Stärkung des Mostviertels als Tourismusgebiet
Wie eingangs erwähnt, wird das Mostviertel auch touristisch vermarktet.
Abbildung 9: www.moststrasse.at
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„Leader“ macht es sich zum Ziel, die ländlichen Regionen Europas auf dem Weg zu einer
eigenständigen Entwicklung zu unterstützen sowie Kooperationen und Maßnahmen zur
Stärkung und Entwicklung des ländlichen Lebensraums, der ländlichen Wirtschaft und der
Lebensqualität zu fördern. Die vorrangigen Themenbereiche bilden das „Touristische
Produkt Moststraße“ sowie „Innovative Landwirtschaftsprodukte & Vermarktungsalternativen
inklusive Kulturlandschaft“.
Alle Maßnahmen sollen dazu beitragen, die Moststraße und somit auch das Mostviertel als
wichtige Genussregion Österreichs zu positionieren und es soll die Lebensqualität der
Bewohner verbessern.
)
Abbildung 10: Entwicklungsziele der Region Moststraße 2007-2013 (Quelle: www.moststrasse.at)
Möglicher Themenbezug zur Schule
Ich arbeite seit mehr als 25 Jahren als Hs-Lehrerin in einer ländlichen Gegend, in
Steinakirchen/Forst, das im Mostviertel liegt. Gut könnte ich mir vorstellen, im Rahmen eines
Projektes „Fotografie“ mit den Schülern Höfe des Heimatwohnortes (speziell elterliche Höfe
der Schüler) unter die Lupe zu nehmen, das Aussehen und die Unterschiede zu analysieren
und durch Befragungen auf die Nutzungsformen einzugehen.
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Literaturnachweis:
Cerny, Heimo: Vierkanter. Wahrzeichen des Mostviertels. Amstetten: Volkskultur NÖ, 2012.
Dietl, Werner, Martin Heintel u. Norbert Weixlbaumer: Vierkanter Haag. Entwicklungsperspektiven eines regionalen Kulturgutes. Wien: 2011.
Heckl, Rudolf: Oberösterreichische Baufibel. Die Grundformen des ländlichen Bauens. Salzburg: Otto Müller Verlag, 1949.
Klement, Wolfgang u. Bernhard Hasenberger u.a. : Bauernhöfe. Form und Bedeutung alter Gehöfte in Oberösterreich. Linz: OLV, 1982.
Kriechbaum, Eduard: Das Bauernhaus in Oberösterreich. Forschungen zur Deutschen Landes- und Volkskunde. Band XXIX. Heft 5. Stuttgart: Engelhorns, 1933.
Cerny, Heimo u. Franz Überlackner: Die Moststraße. Zwischen Donaustrand und Alpenrand. St.Pölten: Residenz Verl., 2006.
Bildnachweis:
Abbildung 1: privates Foto
Abbildung 2: privates Foto
Abbildung 3 Cerny 2012, S.58
Abbildung 4: Quelle Wikipedia (18.4.2014)
Abbildung 5: Heckl
Abbildung 6: Quelle: noe.orf.at (18.4.2014)
Abbildung 7: privates Foto
Abbildung 8: Klement 1982
Abbildung 9: www.moststrasse.at (18.4.2014)
Abbildung 10: www.moststrasse.at (18.4.2014)
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