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Altlasten-Leitfaden Schleswig-Holstein Einblicke Ordner 2

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Landesamt für Landwirtschaft,Umwelt und ländliche Räume

Schleswig-Holstein

Altlasten-LeitfadenSchleswig-Holstein

Einblicke in die Arbeit des LLURAufgaben – Menschen – Ergebnisse 2014/15

Schleswig-Holstein. Der echte Norden.Ordner 2

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Altlasten-Leitfaden Erfassung – Ordner 1

1 Ziele und Bedeutung der Erfassung2 Rechtliche Grundlagen3 Methoden der Erfassung4 Vorgehensweise bei der Erfassung von Altablagerungen5 Vorgehensweise bei der Erfassung von Altstandorten6 Vorgehensweise bei der Erfassung von Verdachts­

flächen und schädlichen Bodenveränderungen

Anhang

A 1 Branchenkatalog­Schleswig­Holstein (BKAT­SH)A 2 InformationsblätterA 3 FormulareA 4 Bearbeitungshilfen zur VorklassifizierungA 5 Katalog zur Einstufung des Gefährdungspotentials der

Branchen in Schleswig­Holstein (alphabetische Branchenklassenliste)A 6 KlassifizierungsformularA 7 ErfassungsbögenA 8 Verzeichnis der Archive in Schleswig­HolsteinA 9 Luftbildquellen

Altlasten-Leitfaden Erfassung – Ordner 2

A 10 Fallbeispiele für die ErstbewertungA 11 Branchenblätter

Altlasten-Leitfaden Erfassung – Ordner 3

A 12 Kurzfassung der BranchenklassenlisteA 13 Langfassung der Branchenklassenliste (alphabetisch)A 14 Negativliste 1 und 2

Altlasten-Leitfaden Erfassung – Ordner 1

1 Ziele und Bedeutung der Erfassung2 Rechtliche Grundlagen3 Methoden der Erfassung4 Vorgehensweise bei der Erfassung von Altablagerungen5 Vorgehensweise bei der Erfassung von Altstandorten6 Vorgehensweise bei der Erfassung von Verdachts­

flächen und schädlichen Bodenveränderungen

Anhang

A 1 Branchenkatalog­Schleswig­Holstein (BKAT­SH)A 2 InformationsblätterA 3 FormulareA 4 Bearbeitungshilfen zur VorklassifizierungA 5 Katalog zur Einstufung des Gefährdungspotentials der

Branchen in Schleswig­Holstein (alphabetische Branchenklassenliste)A 6 KlassifizierungsformularA 7 ErfassungsbögenA 8 Verzeichnis der Archive in Schleswig­HolsteinA 9 Luftbildquellen

Altlasten-Leitfaden Erfassung – Ordner 2

A 10 Fallbeispiele für die ErstbewertungA 11 Branchenblätter

Altlasten-Leitfaden Erfassung – Ordner 3

A 12 Kurzfassung der BranchenklassenlisteA 13 Langfassung der Branchenklassenliste (alphabetisch)A 14 Negativliste 1 und 2

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Herausgeber:

Landesamt für Natur und Umwelt

des Landes Schleswig-Holstein

Hamburger Chaussee 25

24220 Flintbek

Tel.: 0 43 47 I 704-0

www.lanu-sh.de

Ansprechpartnerinnen:

Dr. Verena Brill; Tel.: 0 43 47 I 704-536

Dr. Ulrike Ströh-Neben: 0 43 47 I 704-586

Titelfotos (Fotoautor):

Altstandort (GGM Lübeck)

Gefährdungsabschätzung-Sondierung

(Dr. Ulrike Ströh-Neben)

Sanierung eines Altstandortes

(GeoC GmbH, Kiel)

Kondensatschacht einer Entgasungsanlage

für Deponiegas (Egbert Bußmann)

Chromgerbabteilung einer Lederfabrik

(Dr. Ulrike Ströh-Neben)

Herstellung:

Pirwitz Druck & Design, Kiel

Juli 2003

ISBN: 3-923339-90-9

Diese Broschüre wurde auf

Recyclingpapier hergestellt.

Diese Druckschrift wird im Rahmen der

Öffentlichkeitsarbeit der schleswig -

holsteinischen Landesregierung heraus -

gegeben. Sie darf weder von Parteien

noch von Personen, die Wahlwerbung

oder Wahlhilfe betreiben, im Wahl -

kampf zum Zwecke der Wahlwerbung

verwendet werden. Auch ohne zeit -

lichen Bezug zu einer bevorstehenden

Wahl darf die Druckschrift nicht in einer

Weise verwendet werden, die als Partei -

nahme der Landesregierung zu Gunsten

einzelner Gruppen verstanden werden

könnte. Den Parteien ist es gestattet,

die Druckschrift zur Unterrichtung ihrer

eigenen Mitglieder zu verwenden.

Die Landesregierung im Internet:

www.landesregierung.schleswig-holstein.de

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Inhalt

1 Ziele und Bedeutung der Erfassung

2 Rechtliche Grundlagen

2.1 Bundes- und landesrechtliche Regelungen2.1.1 Bundes-Bodenschutzgesetz (BBodSchG)2.1.2 Landesbodenschutz- und Altlastengesetz (LBodSchG)2.1.3 Weitere landesrechtliche Regelungen2.2 Erfassung als Teil der Altlastenbearbeitung2.3 Verhältnis zwischen Erfassung nach LBodSchG und behördlicher Ermittlungspflicht nach BBodSchG2.4 Hinweise zum Vollzug datenschutzrechtlicher Regelungen und zum Anspruch auf Informationen über die

Umwelt im Bereich des LBodSchG2.4.1 Zulässigkeit der Datenverarbeitung2.4.1.1 Datenerhebung und –speicherung2.4.1.2 Aufbewahrung und Archivierung2.4.1.3 Datenübermittlung2.4.2 Anspruch auf Informationen über die Umwelt

3 Methoden der Erfassung

3.1 Erfassung von Altablagerungen3.2 Erfassung von Altstandorten3.2.1 Historische Erhebung von Altstandorten3.2.2 Historische Erkundung von Altstandorten

4 Vorgehensweise bei der Erfassung von Altablagerungen

4.1 Konzept der Erfassung von Altablagerungen4.2 Durchführung der Erfassung von Altablagerungen4.3 Ergebnisse der Erstbewertung von Altablagerungen

5 Vorgehensweise bei der Erfassung von Altstandorten

5.1 Konzept der Erfassung von Altstandorten5.2 Durchführung der historischen Erhebung von Altstandorten5.2.1 Auswertung von Informationsquellen5.2.2 Prüfung der Altlastenrelevanz5.2.3 Ermittlung erster Kerndaten5.3 Durchführung der Erstbewertung von Altstandorten5.3.1 Vorklassifizierung5.3.2 Multitemporale Kartenauswertung5.3.3 Bauaktenauswertung5.3.4 Ergänzung weiterer Kerndaten5.3.5 Klassifizierung5.3.5.1 Aufbau des Klassifizierungsverfahrens5.3.5.2 Erläuterung des Erstbewertungsformulars5.4 Ergebnisse der Erstbewertung von Altstandorten

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6 Vorgehensweise bei der Erfassung von Verdachtsflächen

und schädlichen Bodenveränderungen

6.1 Konzept der Erfassung von Verdachtsflächen und schädlichen Bodenveränderungen6.2 Durchführung der Erhebung von Verdachtsflächen und schädlichen Bodenveränderungen6.3 Durchführung der Erstbewertung von Verdachtsflächen und schädlichen Bodenveränderungen6.4 Durchführung der Erhebung der Flächenart „Sonstiges“

Anhang

Band 1

A 1 Branchenkatalog-Schleswig-Holstein (BKAT-SH)A 2 InformationsblätterA 2.1 Hinweise zur BauaktenauswertungA 2.2 Hinweise zur Bewertung der GrundwassernutzungA 3 FormulareA 3.1 OrtsterminA 3.2 ZeitzeugenaussageA 4 Bearbeitungshilfen zur Vorklassifizierung A 4.1 Erläuterungstext zur Verwendung der Negativlisten in Schleswig-HolsteinA 4.2 Negativliste 1A 4.3 Negativliste 2A 5 Katalog zur Einstufung des Gefährdungspotentials der Branchen in Schleswig-Holstein (alphabetische Branchenklassenliste)A 6 KlassifizierungsformularA 7 ErfassungsbögenA 7.1 Erfassungsbogen - AltablagerungenA 7.2 Erfassungsbogen – AltstandorteA 8 Verzeichnis der Archive in Schleswig-HolsteinA 9 Luftbildquellen

Band 2

A 11 Branchenblätter

Band 3

A 12 Kurzfassung der BranchenklassenlisteA 13 Langfassung der BranchenklassenlisteA 14 Negativliste 1 und 2

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A 11 Branchenblätter

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Einleitung Im Rahmen der Historischen Erhebung von Altstandorten werden mehr als 100 Jahre Gewerbe- und Industriegeschichte berücksichtigt, in denen sich das Gefährdungspotential vieler Branchen ganz erheblich verändert hat. Ausschlaggebend sind insbesondere die im Verlaufe der Ge- schichte eingesetzten Hilfsstoffe und die baulichen Rahmenbedingungen der Produktionsstät- ten. Bei der Erstbewertung von Altstandorten sind deshalb detaillierte Branchenkenntnisse von sehr großer Bedeutung, um eine Einstufung hinsichtlich der Altlastenrelevanz zu ermöglichen. Mit der Erstellung von branchenbezogenen Informationsblättern, den sogenannten Branchen- blättern, wurde diese Problematik aufgegriffen. Zunächst wurden Branchen, die im Rahmen der Erfassung sehr häufig ermittelt wurden und bei denen die Vermutung bestand, dass sich ihre Umweltrelevanz im Verlauf der Zeit erheblich verändert hat, einer differenzierten Betrachtung unterzogen. Es handelt sich bei diesen Nennungen sowohl um Gewerbe im handwerklichen Maßstab (z.B. Malereien, Tischlereien und Drehereien) als auch um Industriebetriebe (z.B. Ma- schinenfabriken). Bei der Erstellung wurde insbesondere die gewerblich/industrielle Entwicklung in Schleswig-Holstein berücksichtigt. Die vorliegenden Branchenblätter sind als Arbeitshilfe für die Klassifizierung von Altstandorten in Schleswig-Holstein konzipiert und primär für diesen Arbeitsschritt zu nutzen. Sie geben dem Bearbeiter bzw. der Bearbeiterin wichtige Informationen über einzelne Branchen, aus denen in Abhängigkeit vom Nutzungszeitraum unterschiedliche Gefährdungspotentiale abzuleiten sind. Ein besonderer Schwerpunkt liegt auf der Beschreibung der ausgeübten Tätigkeiten und der Produktionsverfahren einschließlich möglicher Zusatzstoffe unter besonderer Berücksichtigung des Betriebszeitraumes. Es wird sowohl auf den Beginn des Einsatzes umweltrelevanter Stoffe, als auch auf Beschränkungen sowie Anwendungsverbote hingewiesen, um eine bessere Ab- grenzung altlastrelevanter Zeiträume zu ermöglichen. Diese Informationen sollten bei der Klas- sifizierung genutzt werden, um gegebenenfalls ein frühzeitiges Ausscheiden vieler Verdachts- standorte aufgrund der Sach- bzw. Aktenlage zu ermöglichen. Prinzipiell haben die Branchenblätter folgenden Aufbau: 1 Bezeichnung der Branche 2 Historischer Überblick 3 Allgemeiner Verfahrensablauf 4 Umweltrelevante Verfahrens- und Produktionsschritte sowie Verunreinigungspotentiale 5 Gesetzliche Ausführungsvorschriften für verwendete Stoffe/Stoffgruppen 6 Altlastrelevante/Altlastirrelevante Nutzungszeiträume Die Branchenblätter wurden von Dr. Klaus Schlottau, Histinvest Bremen, in enger Abstimmung mit dem LANU erstellt. Sie erscheinen in einer Loseblattsammlung, um eine Weiterführung zu ermöglichen. Die Grundlagen dieser Ausarbeitungen sind einerseits Erfahrungen, die aus hun- derten historischen Recherchen in ganz Norddeutschland resultieren, sowie andererseits die technik- und umwelthistorischen Forschungen des Autors an der Universität Hamburg. Altlasten-Leitfaden Schleswig-Holstein: Erfassung Anhang 11

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Altlasten-Leitfaden Schleswig-Holstein: Erfassung Anhang 11

Alphabetische Liste der vorliegenden Branchenblätter

Aluminiumwarenfabriken (neu 2011) Anlagenbau Apparatebau Bekleidungsbetriebe Bettfedernreinigung (neu 2011) Böttcherei Chemische Reinigung (neu 2011) Dreherei Fahrzeugbau Feinmechanische Werkstätten Galvanische und Feuermetall-Industrie Gießerei Kraftfahrzeugwerkstätten Kühlerbau Küperei Lackiererei Malerei (Aktualisierung 2011) Maschinenfabriken Matratzenreinigung (neu 2011) Metallbearbeitung – Arbeitstechniken und Verfahren der .... Metallschleiferei Metallwarenfabriken Metallwerke (neu 2011) Öl- und Margarinefabriken (Aktualisierung 2011) Schiffswerften und Schiffsreparaturbetriebe Schlosserei Schmiede Stahlbau Teppichreinigung (neu 2011) Tischlerei (Aktualisierung 2011) Tuchfabriken

Altlasten-Leitfaden Schleswig-Holstein: Erfassung Anhang 11

Alphabetische Liste der vorliegenden Branchenblätter

Aluminiumwarenfabriken (neu 2011) Anlagenbau Apparatebau Bekleidungsbetriebe Bettfedernreinigung (neu 2011) Böttcherei Chemische Reinigung (neu 2011) Dreherei Fahrzeugbau Feinmechanische Werkstätten Galvanische und Feuermetall-Industrie Gießerei Kraftfahrzeugwerkstätten Kühlerbau Küperei Lackiererei Malerei (Aktualisierung 2011) Maschinenfabriken Matratzenreinigung (neu 2011) Metallbearbeitung – Arbeitstechniken und Verfahren der .... Metallschleiferei Metallwarenfabriken Metallwerke (neu 2011) Öl- und Margarinefabriken (Aktualisierung 2011) Schiffswerften und Schiffsreparaturbetriebe Schlosserei Schmiede Stahlbau Teppichreinigung (neu 2011) Tischlerei (Aktualisierung 2011) Tuchfabriken

Altlasten-Leitfaden Schleswig-Holstein: Erfassung Anhang 11

Alphabetische Liste der vorliegenden Branchenblätter

Aluminiumwarenfabriken (neu 2011) Anlagenbau Apparatebau Bekleidungsbetriebe Bettfedernreinigung (neu 2011) Böttcherei Chemische Reinigung (neu 2011) Dreherei Fahrzeugbau Feinmechanische Werkstätten Galvanische und Feuermetall-Industrie Gießerei Kraftfahrzeugwerkstätten Kühlerbau Küperei Lackiererei Malerei (Aktualisierung 2011) Maschinenfabriken Matratzenreinigung (neu 2011) Metallbearbeitung – Arbeitstechniken und Verfahren der .... Metallschleiferei Metallwarenfabriken Metallwerke (neu 2011) Öl- und Margarinefabriken (Aktualisierung 2011) Schiffswerften und Schiffsreparaturbetriebe Schlosserei Schmiede Stahlbau Teppichreinigung (neu 2011) Tischlerei (Aktualisierung 2011) Tuchfabriken

Druckerei (neu 2018) Flachdruck (direkte Verfahren) Hochdruck (Buchdruck) Offsetdruck Siebdruck Tiefdruck

(Stand: August 2018)

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Altlasten-Leitfaden Schleswig-Holstein: Erfassung Anhang 11

Werkzeugfabriken Wollwäschereien und Hautwollfabriken Zimmerei

Altlasten-Leitfaden Schleswig-Holstein: Erfassung Anhang 11

Werkzeugfabriken Wollwäschereien und Hautwollfabriken Zimmerei Altlasten-Leitfaden Schleswig-Holstein: Erfassung Anhang 11

Alphabetische Liste der vorliegenden Branchenblätter (Stand Dezember 2011)

Aluminiumwarenfabriken (neu 2011) Anlagenbau Apparatebau Bekleidungsbetriebe Bettfedernreinigung (neu 2011) Böttcherei Chemische Reinigung (neu 2011) Dreherei Fahrzeugbau Feinmechanische Werkstätten Galvanische und Feuermetall-Industrie Gießerei Kraftfahrzeugwerkstätten Kühlerbau Küperei Lackiererei Malerei (Aktualisierung 2011) Maschinenfabriken Matratzenreinigung (neu 2011) Metallbearbeitung – Arbeitstechniken und Verfahren der .... Metallschleiferei Metallwarenfabriken Metallwerke (neu 2011) Öl- und Margarinefabriken (Aktualisierung 2011) Schiffswerften und Schiffsreparaturbetriebe Schlosserei Schmiede Stahlbau Teppichreinigung (neu 2011) Tischlerei (Aktualisierung 2011) Tuchfabriken

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Altlasten-Leitfaden Schleswig-Holstein: Erfassung Anhang 11 Histinvest - Dr. Klaus Schlottau, Bremen

Branchenblatt Aluminiumwaren-fabriken

Inhaltsverzeichnis Seite 1 Bezeichnung der Branche 2

2 Historischer Überblick 2

3 Allgemeiner Verfahrensablauf 3

4 Umweltrelevante Verfahrens- und Produktionsschritte sowie Verun- reinigungspotentiale 4

5 Gesetzliche Ausführungsvorschriften für verwendete Stoffe/ Stoffgruppen 5

6 Altlastrelevante/altlastirrelevante Nutzungszeiträume 6

7 Literaturhinweise 7

Abb. 1: Polieren (Quelle: HANOW)

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Seite 2 Branchenblatt Aluminiumwarenwerke

Altlasten-Leitfaden Schleswig-Holstein: Erfassung Anhang 11

1 Bezeichnung der Branche

Produkte der Aluminiumwarenfabriken zählen sowohl zur Konsum- als auch zur

Investitionsgüterindustrie und werden unter einer Firmenmarke über den Haushalts-,

Eisen-, Stahl- und Baubedarfshandel an den Endverbraucher verkauft. Zu den Pro-

dukten gehören einerseits alle aus Aluminium bestehenden Haushaltsgegenstände

ohne elektrischen Antrieb oder elektronische Kontrolle wie z.B. Töpfe, Pfannen, Be-

steckteile, Flaschen oder Dosen. Andererseits werden Produkte wie z.B. Türen,

Fenster, Zäune, Tore etc. über Baumärkte und den Fachhandel vertrieben.

Eine Aluminiumware entsprechend der obigen Definition wird in der Regel durch

Schmieden, Stauchen oder Tiefziehen aus Aluminiumblechen und -profilen herge-

stellt, und dann mit einer Oberflächenveredelung durch Oxidieren, Polieren, Email-

lieren oder Lackieren verkaufsfertig gemacht (vgl. Branchenblatt Metallwarenfabri-

ken).

2 Historischer Überblick

Die Aluminiumwarenfabriken etablierten sich, basierend auf den bekannten Metall-

handwerken, seit dem Ende des 19. Jahrhunderts zunehmend als eigenständige

Branche. Obgleich Aluminium das häufigste Metall in der Erdrinde ist, wurde es erst

am Ende des 18. Jahrhunderts entdeckt und im 19. Jahrhundert durch Chemiker

untersucht. Da Aluminium sich sehr leicht mit anderen Elementen verbindet, war es

aus Tonerde und Alaunen nur chemisch und nicht hüttentechnisch abzuscheiden,

so dass das reine Aluminium einen sehr hohen Preis hatte. Eine technische Ver-

wendung gelang erst, nachdem seit dem Ende des 19. Jahrhunderts genügend

Strom für eine elektrolytische Trennung aus der Schmelze zur Verfügung stand –

Aluminiumhütten entstanden daher überwiegend neben großen Wasserkraftwerken.

Heute wird Aluminium hauptsächlich aus Bauxit (enthält bis zu 60% Tonerde) ge-

wonnen.

Die Herstellung von Aluminium ist nur in großtechnischen Anlagen, die mit vielen

kontinuierlich beschickten Öfen ausgestattet sind, rentabel. In Deutschland gab es

daher zu Beginn des 20. Jahrhunderts nur wenige Aluminiumwerke. Eine technische

Verwendung im industriellen Maßstab war zunächst nicht vorhanden. Dies änderte

sich erst mit der Herstellung und Vermarktung der hochfesten Aluminiumlegierung

„Duraluminium“ für Konstruktionszwecke im Luftschiffbau. Aluminiumhalbzeuge

(Drähte, Bleche und Profile) wurden nicht mehr nur für Feldflaschen und Kochge-

schirre der Reichswehr, sondern zunehmend auch für Elektrokabel, den Schiff-,

Fahrzeug- oder Kesselbau, für Haushaltswaren aller Art sowie für Leitern, Türen

oder Fenster eingesetzt.

Die meisten Betriebe der Aluminiumwarenindustrie gehören zu den mittelgroßen

Firmen, die aus den Bereichen des Metall- und Kesselbaus stammen. Während bis

zum Beginn des Konsumzeitalters in den 1950er Jahren viele Haushalts- und Ei-

senwaren noch in Kleinserienfertigung vollständig von einem Betrieb hergestellt

wurden, begann danach die Herstellung von Großserien, die später aus Kosten-

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Branchenblatt Aluminiumwarenfabriken Seite 3

Altlasten-Leitfaden Schleswig-Holstein: Erfassung Anhang 11

gründen in andere Länder verlegt oder durch Zukauf von Fertigprodukten „ohne

Namen“ ergänzt wurde. Parallel zur Firmenkonzentration und zur Auflage der Groß-

serien verlief allerdings eine entgegengesetzte Entwicklung: mit dem Ende der

1960er Jahre war der kriegsbedingte Nachholbedarf der Haushalte gedeckt und

man begann die „billigen“ Aluminiumwaren gegen Stahl- oder Silberwaren auszu-

tauschen. Nach der Wirtschaftskrise, die der ersten Ölkrise Anfang der 1970er Jah-

re folgte, konnten sich in Deutschland nur noch wenige Betriebe der Aluminiumwa-

renindustrie behaupten. Es handelt sich zumeist um Firmen, die sich auf die Herstel-

lung von Isolierfenstern, Türen, Folien und ähnlichen Gegenständen spezialisiert

haben.

Wesentliche Arbeitsschritte der Aluminiumwarenindustrie sind identisch mit jenen

der Metallbearbeitungsindustrie. Hierzu gehören insbesondere: formende Metallbe-

arbeitung, Metallverbindungstechniken wie Schweißen, Schrauben und Nieten,

Oberflächenbehandlungen wie z.B. Lackierungen oder Eloxierungen. Zum Eloxieren

werden die Waren oder Halbzeuge in einem elektrolytischen Bad künstlich mit einer

starken Aluminiumoxidschicht versehen, die glasartig transparent ist und sich zu-

dem leicht durch andere Metalle färben lässt.

3 Allgemeiner Verfahrensablauf

Eine Aluminiumwarenfabrik umfasst häufig folgende wesentliche Arbeitsprozesse,

die sowohl früher als auch gegenwärtig noch als selbständige Gewerbebetriebe

bestehen können:

- Gießerei für Messer-/ Handgriffe oder Tiegelguss für Lager und massive

Bauteile, z.B. im Fahrzeugbau (vgl. Branchenblatt Gießerei),

- Stauchen und Tiefziehen für Töpfe und Behälter (vgl. Branchenblätter

Schmiede und Fahrzeugbau),

- Schweißen und Löten für Fenster, Türen, Leitern, Behälter, Gerüste etc. (vgl.

Branchenblätter Arbeitstechniken und Verfahren der Metallbearbeitung sowie

Schlosserei),

- Lackiererei (vgl. Branchenblatt Lackiererei) und Emailliererei.

Für die Herstellung gewöhnlicher Töpfe wurden gewalzte Aluminiumblechplatten

bezogen, aus denen mit Hilfe von Schablonen die Vorformen des Gefäßes gestanzt

werden. Die Rohform wurde sodann durch die Arbeit eines mechanisierten Ham-

mers in eine vorgegebene Form getrieben. Aus der Arbeit mit mechanischen Häm-

mern (Presslufthammer oder motorgetriebener Hammer) mit geringem Bärgewicht

resultierte der Übergang zum Tiefziehen der Behälterform.

Der Vorgang des Tiefziehens ist ebenfalls aus der Schmiede übernommen worden.

In diesem Fall werden mit einem speziellen Werkzeug die Rohformen in eine vorge-

gebene Form gepresst. In der Neuzeit wird diese Arbeit gewöhnlich von einem hyd-

raulischen Presswerk unter großem Druck ausgeführt.

Während die getriebenen Gefäße Formabweichungen aufwiesen, weil sie ohne

Formschablone ausgeführt wurden, begann mit dem Tiefziehen der Übergang in die

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Seite 4 Branchenblatt Aluminiumwarenwerke

Altlasten-Leitfaden Schleswig-Holstein: Erfassung Anhang 11

industrielle Serienproduktion. Die Topfgrößen wurden in Abstimmung zu den

Durchmessern der Herdringe gewöhnlicher Kohleöfen standardisiert und die Töpfe

konnten so zu einem Kegel gestapelt werden. Mit dem Durchbruch der Elektroherde

nach 1960 wurden in der Regel nur noch vier Topfgrößen hergestellt, die einen be-

sonders ebenen Boden haben mussten. Zu diesem Zweck wurden die Topfböden

geschliffen, um einen guten Kontakt zur Herdplatte zu gewährleisten.

Fabriken, die sich auf die Herstellung von Behältern, Leitern, Fenstern etc. speziali-

sierten, bezogen die Bleche und Profile von den Aluminiumwerken, denen immer

auch ein Walzwerk angeschlossen war. Aluminiumfolien werden deshalb von Alu-

miniumwerken hergestellt. Die Bleche und Profile werden durch Scheren oder Sä-

gen auf die erforderlichen Maße zugeschnitten und dann durch Verbindungstechni-

ken wie z.B. Schrauben, Schweißen oder Nieten miteinander verbunden. Da Alumi-

nium gewöhnlich leicht oxidiert und die Oxidschicht einen metallischen Glanz be-

sitzt, werden diese Gegenstände fast nie lackiert. Sofern Aluminium im Möbelbau

eingesetzt wird, wird jedoch häufig eine Lackschicht aufgetragen.

Die Aluminiumwarenfabriken mit Belegschaften von zumeist mehr als 100 Personen

waren seit dem ersten Drittel des 20. Jahrhunderts nach dem obigen Schema auf-

gebaut. Eine Aluminiumwarenfabrik enthält daher meist wesentliche Verfahrensab-

schnitte der Metallbearbeitung einschließlich der Lackierung oder einer Eloxierung.

4 Umweltrelevante Verfahrens- und Produktionsschritte sowie Verunreinigungspotentiale

Die industrielle Nutzung des Aluminiums setzte erst nach und nach im 20. Jahrhun-

dert ein. Eine Phase des Übergangs von der Hand- zur Maschinenarbeit ist daher

nicht zu beobachten. Die Herstellung der Aluminiumtöpfe wurde in der Regel gleich

industriell mit Hilfe des Tiefziehens ausgeführt. Gegenüber einer traditionellen Mes-

serschmiede oder einer Topffabrik sind lediglich zusätzliche Verunreinigungsquellen

im Bereich der Antriebsmaschinen, der Kompressoren für Lufthämmer oder der

Hydraulikanlagen für Tiefziehpressen zu berücksichtigen. Aluminiumwaren werden

im Gegensatz zu den traditionellen Metallwaren nicht gehärtet, so dass eine Verun-

reinigung durch Schwermetalle und Öle nicht im gleichen Maße zu erwarten ist. Wie

in allen metallbearbeitenden Betrieben ist mit Verunreinigungen durch Metalle, aber

auch Mineralöle und Lösungsmittel zu rechnen. Im Gegensatz zu den Metallwaren

wurden die Aluminiumwaren jedoch im Walzwerk nicht mit Mineralölen, sondern mit

Vaseline (Weichparaffin) benetzt. Vaseline diente auch bei der nachfolgenden for-

menden Arbeit des Tiefziehens als Trennmittel. Da Vaseline Hauptbestandteil von

z.B. Salben ist, kann diesem Stoff, obwohl aus der Erdölraffination stammend, kein

Schadstoffpotential zugeordnet werden.

Eine Aluminiumwarenfabrik besteht aus wenigen Abteilungen ohne komplexe Me-

tallbearbeitungen wie Drehen oder Fräsen, so dass eigentliche Kontaminations-

schwerpunkte nicht auszumachen sind. Da die Reinigung von Maschinen, Werk-

zeugen und Werkstücken unter Einsatz von Lösungsmitteln vollzogen wird, ist eine

Verunreinigung der Werkstattbereiche und der Lagerplätze jedoch nicht auszu-

schließen.

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Branchenblatt Aluminiumwarenfabriken Seite 5

Altlasten-Leitfaden Schleswig-Holstein: Erfassung Anhang 11

Neben diesem Bereich potentieller Kontaminationen ist insbesondere auch die La-

ckiererei zu berücksichtigen, weil hier stets mit einem Handhabungsverlust von Lö-

sungsmitteln zu rechnen ist.

Die elektrolytische Eloxierung von Töpfen, Bechern, Rahmen, Fensterprofilen etc.

fand unter Einsatz schmelzfähiger Metallpigmente statt, die allerdings selten eluier-

bar sind.

Detaillierte Verunreinigungspotentiale für Aluminiumwarenfabriken lassen sich in der

Regel erst auflisten, wenn die Art der Metallbearbeitung und Oberflächenbe-

handlung bekannt ist. Ein mögliches Kontaminationsspektrum ergibt sich aus den

Einsatzstoffen in den Bereichen Tiefzieherei, Montage, Eloxiererei und Lackiererei.

5 Gesetzliche Ausführungsvorschriften für verwendete Stoffe/Stoffgruppen

Tabelle 1 Altlastrelevante Stoffe und ihr zeitlicher Einsatz

Stoff Nutzung Verstärkte An-wendung ab

Verwendungsbe-schränkung/

Verbot

LCKW.1 Lösungs- und Reinigungsmit-

tel (Kaltreiniger) im Werkstatt-betrieb sowie in den Lackiere-reien.

ca. 1925 1981/1986 (zum Teil)

BTEX.2 Lösungs- und Reinigungsmit-

tel im Werkstattbetrieb sowie in den Lackierereien.

ca. 1925 1986 (zum Teil)

PCB (Polychlo-rierte Biphe-nyle).

3

Wurden in Kühlölen einge-setzt, um die Entzündungs-temperatur zu erhöhen.

ca. 1930 1978/1989

Wassermischba-re Kühlschmier-stoffe (N-Nitros-amin-Bildung).

4

Schmier- und Kühlmittelersatz für Öle mit Flammschutzmit-teln.

ca. 1955 1997

PCP (Penta- chlorphenol).

5

Wurden in Emulsionen zur Haltbarmachung eingesetzt.

ca. 1930 1986/1989

1 9/1981 Technische Regel für gefährliche Arbeitsstoffe TrgA 502: Verwendungsbeschrän-

kung für Tetrachlorkohlenstoff; 21.4.1986 2.BImSchV: Verordnung zur Emissionsbeschränkung von leichtflüchtigen Halo- genwasserstoffen, Anwendungsbeschränkungen 1990 in der Neufassung verschärft. 2 26.8.1986 GefStoffV: Verwendungsbeschränkung für Benzol auf geschlossene Systeme.

3 26.7.1978 10.BImSchV: Verwendungsbeschränkung auf geschlossene Systeme;

18.7.1989, PCB-Verbotsverordnung: Herstellungs-, Inverkehrsbringungs- und Verwen- dungsverbot, 1993 durch ChemVerbotsV abgelöst. 4 4/1997 Technische Regel für Gefahrstoffe TRGS 611, Verwendungsbeschränkungen für

wassermischbare bzw. wassergemischte Kühlschmierstoffe, bei deren Einsatz N-Nitros- amine auftreten können (Verbot von Nitrit im KSS) 5

26.8.1986 GefStoffV: Verwendungsbeschränkung für PCP, z.B. nicht in Aufenthaltsräu-- men einzusetzen;

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Seite 6 Branchenblatt Aluminiumwarenwerke

Altlasten-Leitfaden Schleswig-Holstein: Erfassung Anhang 11

12.12.1989 PCP-Verbotsverordnung: Herstellungs-, Inverkehrsbringungs- und Verwen- dungsverbot, 1993 abgelöst durch ChemVerbotsV.

6 Altlastrelevante/altlastirrelevante Nutzungszeiträume

Bis zum Ende des 19. Jahrhunderts sind keine wesentlichen Veränderungen in der

stofflichen Bearbeitung oder der Zusammensetzung der Hilfsstoffe für die Metallin-

dustrie bekannt. Dieser Zeitraum kann daher als altlastirrelevant angesehen wer-

den. Die technische und industrielle Verwendung des Aluminiums setzte erst nach

den 1920er Jahren in größerem Ausmaß ein.

Mit dem Einsatz von Verbrennungsmotoren als Kraftmaschinen und der Entwicklung

von Kompressoren, Hydraulikpumpen sowie anderer Hilfsaggregate sind allgemeine

Verunreinigungen durch Betriebsstoffe und Öle anzunehmen. Mit der stofflichen

Bearbeitung von Werkstücken sowie dem gängigen Verfahren der Metallformung

sind bis in die Gegenwart keine merklich höheren Gefährdungspotentiale verbunden

(vgl. Branchenblatt Metallwarenfabriken).

Im Bereich der Lackiererei gab es im Laufe der Zeit Veränderungen hinsichtlich der

Altlastenrelevanz, die im Branchenblatt Lackiererei ausführlich dargestellt sind. Die

Eloxierung des Aluminiums ist in der Regel nicht mit dem Freiwerden von Schad-

stoffen verbunden.

Tabelle 2 Zusammenfassung aller altlastrelevanten Aspekte und Zuordnung zu

den Branchenklassen SH. Zeitspanne Hilfsstoffe Nebenprodukte Altlastrelevante

Aspekte Branchen-klasse SH

1900 – 1930 Seifen, Wasser,

zunehmende Men-

gen an Mineralölen,

aliphatische Lö-

sungsmittel, metall-

haltige Glasschmel-

zen

Metallspäne, ge-

ring verölt

keine Abwasser-

anlagen, keine

Bodenbefestigung

0

1931 – 1960 Öle, Emulsionen,

Lösungsmittel aller

Art

ölige Metallabfälle,

Schwermetalle;

Lösungsmittel-

rückstände, Farb-

und Lackschläm-

me

Keine Abscheider

für Farbschlämme

3

1961 – 1980 Emulsionen, Lö-

sungsmittel aller Art,

metallhaltige Eloxa-

te, erste Kunststoff-

beschichtung mit

Teflon

ölige Metallabfälle,

Schwermetalle,

Lösungsmittel-

rückstände, Farb-

und Lackschläm-

me

Einführung der

Entgiftung und

Neutralisation von

Abwässern sowie

Abscheider für

Farbschlämme

und Nebel

3

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Branchenblatt Aluminiumwarenfabriken Seite 7

Altlasten-Leitfaden Schleswig-Holstein: Erfassung Anhang 11

1981 – Ge-

genwart

Emulsionen, BTEX,

metallhaltige Eloxa-

te, Kunststoffbe-

schichtung mit Tef-

lon

ölige Metallabfälle,

Ölschlämme,

Schwermetalle,

Farb- und Lack-

schlämme

Verbot von Kaltrei-

nigern

3

Branchenklasse 0: kein Gefahrenpotential Branchenklasse 1: Gefahrenpotential sehr gering Branchenklasse 2: Gefahrenpotential gering Branchenklasse 3: Gefahrenpotential mäßig Branchenklasse 4: Gefahrenpotential hoch Branchenklasse 5: Gefahrenpotential sehr hoch

7 Literaturhinweise

HANOW, M. (HRSG.): Schleswig-Holstein und seine Industrie. Verlag M. Dumont

Schauberg, Köln, 1957.

LUEGER, O. (HRSG.): Lexikon der gesamten Technik und ihrer Hilfswissenschaf-

ten, I. Band, 1. Auflage. Deutsche Verlagsanstalt, Stuttgart und Leipzig, 1904.

ROHR, B.; WIELE, H. (HRSG.): Lexikon der Technik. VEB Bibliographisches Institut

Leipzig, Leipzig, 1982.

SCHMÖHLE, C.: Von den Metallen und ihrer Geschichte, Band 1 und 2. R. & G.

Schmöhle Metallwerke, Menden, 1967/1969.

SINGER, C.; HOLMYARD, E.J.; HALL, A.R. et al. (HRSG.): A History of Technolo-

gy, Vol. V (The Late Nineteenth Century). Clarendon Press, Oxford, 1958.

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Altlasten-Leitfaden Schleswig-Holstein: Erfassung Anlage 11 Histinvest – Dr. Klaus Schlottau, Bremen

Branchenblatt Anlagenbau

Inhaltsverzeichnis Seite 1 Bezeichnung der Branche 2 2 Historischer Überblick 2 3 Allgemeiner Verfahrensablauf 3 4 Umweltrelevante Verfahrens- und Produktionsschritte sowie Verun-

reinigungspotentiale 3 5 Gesetzliche Ausführungsvorschriften für verwendete Stoffe/

Stoffgruppen 4 6 Altlastrelevante/altlastirrelevante Nutzungszeiträume 4 7 Literaturhinweise 5

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Branchenblatt Anlagenbau Seite 2

Altlasten-Leitfaden Schleswig-Holstein: Erfassung Anhang 11

1 Bezeichnung der Branche

Als Unternehmen des Anlagenbaus werden Fabriken bezeichnet, deren Aufgabe

darin besteht, Werkzeug- oder Arbeitsmaschinen so zu verbinden, dass eine sinn-

volle Produktionslinie zur Herstellung eines Vor- oder Endproduktes entsteht. Dabei

sind die Arbeitstakte einzelner Maschinen mit Hilfe mechanischer, elektromechani-

scher/elektrooptischer oder elektronischer Regelungseinrichtungen miteinander ab-

zustimmen. Die Anlagenbauindustrie vereinigt alle Grundelemente des traditionellen

Maschinenbaus mit jenen des technischen Instrumentenbaus (Feinmechanik) sowie

elektromechanischen Bereichen. Die Anlagenbauindustrie kann gewissermaßen als

Einrichtungshaus für Fabriken bezeichnet werden. Sie konzipiert nach den Vorga-

ben des Kunden eine Produktionseinrichtung, konstruiert und produziert die Einzel-

maschinen, Kontrolleinrichtungen sowie Transporthilfsmittel und baut die Einzelteile

der Anlage vor Ort auf.

Die Anlagenbauindustrie ist in der Regel auf bestimmte Produktionsanlagen spezia-

lisiert, z.B. Druckstraßen für Druckereien, Abfüllanlagen für die Nahrungs- und Ge-

nussmittelindustrie oder Produktionsstraßen für Automobilhersteller. Es handelt sich

um mittelständische Betriebe, deren Personalstärke nur selten 100 Mitarbeiter über-

schreitet.

Für den Laien verwirrende Bezeichnungen einzelner Apparate haben den Begriff

„Anlagenbau“ allerdings in der Umgangssprache z.B. mit „HiFi-Anlagen“ oder „Satel-

liten-Anlagen“ in Verbindung gebracht. Der industrielle Anlagenbau ist jedoch einzig

und allein im Bereich der Investitionsgüterindustrie anzusiedeln.

2 Historischer Überblick

Das Entstehen von Anlagenbaubetrieben setzt die Existenz von Maschinenfabriken

voraus. Als historischer Kern des Anlagenbaus in Deutschland kann die Textilindust-

rie angesehen werden. Deren Verfahrensablauf von der Rohfaser zum Gewebe war

besonders geeignet, Einzelmaschinen (Reißwölfe, Vorstreck- und Streckmaschinen,

Spinn- und Zwirnmaschinen usw.) für den kontinuierlichen Arbeitsprozess zu kon-

struieren und mittels Transportbänder zu verbinden sowie automatische Waagen,

Fadenwächter etc. als Regelungsanlagen einzubauen.

Die sinnvolle Kombination von Arbeitsmaschinen mit Hilfe von Steuerungs- und

Messeinrichtungen, automatischen Transportmaschinen bis hin zur Verpackung gilt

seit Mitte des 19. Jahrhunderts als eine der wesentlichen Ingenieurleistungen und

wird als Verfahrenstechnik an den Ingenieurschulen und Technischen Universitäten

gelehrt.

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Branchenblatt Anlagenbau Seite 3

Altlasten-Leitfaden Schleswig-Holstein: Erfassung Anhang 11

3 Allgemeiner Verfahrensablauf

Die Branche des Anlagenbaus hat sich wie oben ausgeführt historisch aus dem Ma-

schinenbau entwickelt. Der Anlagenbau als vom Maschinenbau losgelöste, eigen-

ständige Branche existiert in Schleswig-Holstein erst etwa seit den 1960er Jahren.

Damit verbunden war auch ein Wandel der Tätigkeitsschwerpunkte. Nur der Kern-

bereich, nämlich die Planung, Konstruktion und Montage der Maschinen sowie der

elektrotechnischen Schaltanlagen, wurde weiterhin ausgeführt, die verwendeten

Bauteile hingegen wurden in der Regel von Fremdfirmen bezogen. Der letzte Ferti-

gungsschritt, die Lackierung und Ausrüstung für den Versand erfolgte ebenfalls im

Betrieb. Das Tätigkeitsfeld richtete sich also mehr an dem Spektrum der Feinme-

chanik und des Schaltanlagenbaus aus.

Abb. 1: Bau von Steuerungsanlagen (Quelle: VEREIN DEUTSCHER MASCHI-

NENBAU-ANSTALTEN).

4 Umweltrelevante Verfahrens- und Produktionsschritte sowie Verunreinigungspotentiale

Im Hinblick auf umweltrelevante Verfahrens- und Produktionsschritte wird insbeson-

dere auf das Branchenblatt Feinmechanische Werkstätten verwiesen.

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Branchenblatt Anlagenbau Seite 4

Altlasten-Leitfaden Schleswig-Holstein: Erfassung Anhang 11

5 Gesetzliche Ausführungsvorschriften für verwendete Stoffe/Stoffgruppen

Tabelle 1 Altlastrelevante Stoffe und ihr zeitlicher Einsatz

Stoff Nutzung Verstärkte Anwendung

ab

Verwendungsbe-schränkung/Verbot

PCB (Polychlorierte Biphenyle).

1

Einsatz in Kühl- und Hyd-raulikölen, um die Entzün-dungstemperatur zu erhö-hen.

ca. 1930 1978/1989

Wassermischbare Kühlschmierstoffe (N-Nitrosamin-Bildung).

2

Schmier- und Kühlmittel-ersatz für Öle mit Flamm-schutzmitteln.

ca. 1955 1997

PCP (Pentachlor-phenol).³

Einsatz in Emulsionen zur Haltbarmachung.

ca. 1930 1986/1989

LCKW.4 Lösungs- und Reinigungs-

mittel (Kaltreiniger) im Werkstattbetrieb sowie in den Lackierereien.

ca. 1925 1981/1986 (zum Teil)

BTEX.5 Lösungs- und Reinigungs-

mittel im Werkstattbetrieb sowie in den Lackiererei-en.

ca. 1925 1986 (zum Teil)

1

26.7.1978 10.BImSchV: Verwendungsbeschränkung auf geschlossene Systeme; 18.7.1989, PCB-Verbotsverordnung: Herstellungs-, Inverkehrsbringungs- und Verwen- dungsverbot, 1993 durch ChemVerbotsV abgelöst. 2 4/1997 Technische Regel für Gefahrstoffe TRGS 611, Verwendungsbeschränkungen

für wassermischbare bzw. wassergemischte Kühlschmierstoffe, bei deren Einsatz N-Nitrosamine auftreten können (Verbot von Nitrit im KSS) 3

26.8.1986 GefStoffV: Verwendungsbeschränkung für PCP, z.B. nicht in Aufenthaltsräumen einzusetzen; 12.12.1989 PCP-Verbotsverordnung: Herstellungs-, Inverkehrsbringungs- und Verwen- dungsverbot, 1993 abgelöst durch ChemVerbotsV. 4 9/1981 Technische Regel für gefährliche Arbeitsstoffe TrgA 502: Verwendungsbeschrän-

kung für Tetrachlorkohlenstoff; 21.4.1986 2.BImSchV: Verordnung zur Emissionsbeschränkung von leichtflüchtigen Halogenwasserstoffen, Anwendungsbeschränkungen 1990 in der Neufassung verschärft. 5 26.8.1986 GefStoffV: Verwendungsbeschränkung für Benzol auf geschlossene Systeme.

6 Altlastrelevante/altlastirrelevante Nutzungszeiträume

Bis zu den 1960er Jahren existierten in Schleswig-Holstein keine eigenständigen

Anlagenbaubetriebe, so dass die Bewertung altlastrelevanter Nutzungszeiträume

erst 1960 beginnt. Sollten Anlagenbaubetriebe aus der Zeit vor 1960 ermittelt wor-

den sein, sind für die Bewertung des Gefährdungspotentials die Branchenblätter der

Feinmechanischen Werkstätten und eingeschränkt der Maschinenfabriken heranzu-

ziehen.

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Branchenblatt Anlagenbau Seite 5

Altlasten-Leitfaden Schleswig-Holstein: Erfassung Anhang 11

Tabelle 2 Zusammenfassung aller altlastrelevanten Aspekte und Zuordnung zu

den Branchenklassen SH.

Zeitspanne Hilfsstoffe Nebenprodukte Altlastrelevante

Aspekte

Branchen-

klasse SH

1960 –

1980

Bohr- und Schneid-

öle, PCB, Emulsio-

nen, Fungizide,

Bakterizide, BTEX,

CKW, Säuren, Lot-

material, Flussmittel,

Lacke

ölige Metallspäne;

Ölschlämme mit

PCB, Schwermetal-

le, Lackrückstände

Entölen der Späne

mit CKW

4

1981 –

Gegenwart

Bohr- und Schneid-

öle, Emulsionen,

BTEX, Fungizide,

Bakterizide, Säuren,

Lotmaterial, Fluss-

mittel, Lacke

ölige Metallspäne;

Ölschlämme,

Schwermetalle,

Lackrückstände

Verbot des Einsat-

zes von verschie-

denen Schadstof-

fen, geregelte Ab-

fallentsorgung,

Einsatz lösemittel-

armer Lacke und

Abkapselung von

der Umwelt

2

Branchenklasse 0: kein Gefährdungspotential Branchenklasse 1: Gefährdungspotential sehr gering Branchenklasse 2: Gefährdungspotential gering Branchenklasse 3: Gefährdungspotential mäßig Branchenklasse 4: Gefährdungspotential hoch Branchenklasse 5: Gefährdungspotential sehr hoch

7 Literaturhinweise

MOMMERTZ, K. H.: Bohren, Drehen und Fräsen. Geschichte der Werkzeugma-

schinen. Rowohlt Verlag, Reinbek, 1981.

ROHR, B.; WIELE, H. (HRSG.): Lexikon der Technik. VEB Bibliographisches Insti-

tut, Leipzig, 1982.

STAU, C. H.: Die Drehmaschinen, Drehbänke und verwandte Werkzeugmaschinen.

Berlin, Göttingen und Heidelberg, 1963.

VEREIN DEUTSCHER MASCHINENBAU-ANSTALTEN (HRSG.): Spezialisierung,

Präzision, Qualität. Maschinenbau-Verlag, Frankfurt, o. J..

WITTMANN, K.: Die Entwicklung der Drehbank. Berlin, 1941 (2. Auflage: Düsseldorf

1960).

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Altlasten-Leitfaden Schleswig-Holstein: Erfassung Anhang 11 Histinvest - Dr. Klaus Schlottau, Bremen

Branchenblatt Apparatebau

Inhaltsverzeichnis Seite 1 Bezeichnung der Branche 2 2 Historischer Überblick 2 3 Allgemeiner Verfahrensablauf 3 4 Umweltrelevante Verfahrens- und Produktionsschritte sowie Verun-

reinigungspotentiale 4 5 Gesetzliche Ausführungsvorschriften für verwendete Stoffe/Stoffgruppen 4 6 Altlastrelevante/altlastirrelevante Nutzungszeiträume 5 7 Literaturhinweise 7

Abb.1: Endkontrolle der Wähltafeln für Telefonapparate (Quelle: HANOW).

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Branchenblatt Apparatebau Seite 2

Altlasten-Leitfaden Schleswig-Holstein: Erfassung Anhang 11

1 Bezeichnung der Branche

Produkte der Apparatebauindustrie werden im Volksmund meist als Maschinen be-

zeichnet wie z.B. die Kaffeemaschine. Der Maschinenbau im heutigen Sprachge-

brauch ist jedoch eher dem Anlagenbau gleichzusetzen, welcher sich anhand der

Kundenorientierung vom Apparatebau unterscheidet.

Während der Apparatebau häufig zur Konsumgüterindustrie gehört und daher auch

einen meist unmittelbaren Kundenkontakt hat bzw. unter einem Handelsnamen,

einer „Marke“, bekannt ist, zählt der Maschinen- bzw. Anlagenbau zur Investionsgü-

terindustrie. Eine Definition des Begriffs „Apparat“ ist daher kaum schlüssig zu leis-

ten. Möglich ist jedoch eine Negativbestimmung: Technische Gegenstände, die

nicht der Herstellung anderer Waren oder Halbfertigprodukte oder der Fortbewe-

gung dienen (Fahrzeugbau) und zumeist unmittelbar vom Endverbraucher genutzt

werden, können als Apparate bezeichnet werden. Häufig wird auch die synonyme

Bezeichnung „Gerät“ verwandt.

Es handelt sich hierbei um alle technischen Ausstattungen des gewöhnlichen Haus-

halts oder auch eines Büros wie z.B. Kühlschrank, Herd, Fernsehgerät, Telefon oder

Waschmaschine. In Einzelfällen können sich daher u.a. auch Verbindungslinien zum

Maschinenbau ergeben. Das Vordringen des Heimwerkerbedarfs mit motorisierten

Werkzeugen für Garten und Hobby hat zu einer zusätzlichen Verwischung von

Grenzlinien beigetragen.

Das Gehäuse eines Apparates entsprechend der obigen Definition wird in der Regel

aus Metallblechen mit einer Oberflächenveredelung, Sperrholz oder Kunststoff her-

gestellt. In diese Form werden dann mechanische, elektromechanische oder elekt-

rothermische Bestandteile eingebaut, die die Funktion des Apparates bestimmen.

2 Historischer Überblick

Der Apparatebau etablierte sich basierend auf verschiedenen Metallhandwerken

seit der Mitte des 19. Jahrhunderts zunehmend als eigenständige Branche. Durch

die Kombination mehrerer Gewerke, z.B. der Feinmechaniker mit den Kupfer-

schmieden, war es seit dem Beginn der Gewerbefreiheit, 1860, möglich, Betriebe

aufzubauen, die Gerätschaften für den Haushalt, aber auch für den Fabrikbetrieb

herstellten. Durch weitere Differenzierung entstand dann die Trennung vom Maschi-

nen- bzw. Anlagenbau, welche überwiegend für die Einrichtung von Fabriken tätig

sind.

Ursprung einer Apparatebaufirma kann ein Kesselschmied sein, der unter seinen

metallenen Kessel eine elektrische Heizspirale baute und das neue Gerät als Heiß-

wasserbereiter oder Eierkocher verkaufte. Es kann aber ebenso ein Feinmechaniker

sein, der bislang nur mechanische Blendensteuerungen herstellte, diese nun mit

einer Linse und einem Gehäuse ausstattet und künftig Fotoapparate verkauft: einen

Apparatebaubetrieb konnte jeder geschickte Mechaniker eröffnen, der sich am Ende

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Branchenblatt Apparatebau Seite 3

Altlasten-Leitfaden Schleswig-Holstein: Erfassung Anhang 11

des 19. Jahrhunderts mit den neuen Möglichkeiten der Elektrizität, Optik oder Ra-

diowellen auskannte.

Die meisten Betriebe der Apparatebauindustrie gehören heute zu den klein- und

mittelgroßen Firmen, die aus den Bereichen der Feinmechanik und des Kesselbaus

stammen. Während bis zum Beginn des Konsumzeitalters in den 1950er Jahren

viele Apparate noch in Einzelfertigung vollständig von einem Betrieb hergestellt

wurden, wandelte sich danach die Betriebsstruktur insbesondere in den Großbetrie-

ben der Unterhaltungselektronik und der Haushaltsgeräte deutlich: Rahmen, Ge-

häuse, Motoren, Elektrik und Elektronik wurden zugeliefert und in Serienfertigung

endmontiert. Da die Kosten trotz Serienfertigung stiegen, wurden in den 1970er Jah-

ren viele Großbetriebe in andere Länder auslagert, so dass sich in Deutschland

seither kaum noch großindustrielle Apparatebaubetriebe befinden. Gegenwärtig sind

die verbliebenen Betriebe überwiegend auf die Anfertigung von Kleinserien oder

Einzelfertigungen spezialisiert.

Wesentliche Arbeitsschritte der Apparatebauindustrie sind identisch mit jenen der

Metallindustrie. Hierzu gehören insbesondere die formende Metallbearbeitung ferti-

ger Bleche, Metallverbindungstechniken wie Schweißen, Schrauben und Nieten

sowie Oberflächenbehandlungen wie z.B. Lackierungen oder Emaillierungen. In

Einzelfällen, besonders in Großbetrieben, werden unter Umständen auch fräsende

und schleifende Bearbeitungen von Lagern und Wellen oder das Gießen von Ge-

häusen oder Lagerschalen selbst ausgeführt.

3 Allgemeiner Verfahrensablauf

Ein Apparatebaubetrieb umfasst häufig folgende wesentliche Arbeitsprozesse, die

sowohl früher als auch gegenwärtig noch als selbständige Gewerbebetriebe beste-

hen können:

- Rahmen- und Gehäusebau (vgl. Branchenblatt Schlosserei),

- Dreherei, Fräserei (vgl. Branchenblatt Dreherei und Feinmechanische Werk-

stätten),

- Elektrik und Elektronik,

- Montage und Lackiererei (vgl. Branchenblatt Lackiererei).

Die größeren Apparatefabriken mit Belegschaften von mehr als 100 Personen wa-

ren Anfang des 20. Jahrhunderts nach dem obigen Schema aufgebaut. Größere

Gussteile für die Rahmenkonstruktion wurden hinzugekauft. Vereinzelt wurden von

Großbetrieben bereits damals Unteraufträge an Drehereien, Fräsereien, Stanzerei-

en oder Polierereien vergeben, um eine möglichst hohe Serienstückzahl zu ermögli-

chen. Ein Bezug fremdgefertigter Teile wurde im Laufe der Zeit zum Normalfall. Der

Kernbereich der Unternehmung jedoch, die Konstruktion und Montage der Apparate

sowie der elektrotechnischen Schaltanlagen, blieb in der Regel in einem Werk.

Die Tätigkeiten einer Apparatebaufabrik beinhalten daher wesentliche Verfahrens-

abschnitte der Metallbearbeitung einschließlich der Lackierung in einer personellen

und maschinellen Grundausstattung, die dem minimalen Auftragsstand proportional

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Branchenblatt Apparatebau Seite 4

Altlasten-Leitfaden Schleswig-Holstein: Erfassung Anhang 11

ist. Darüber hinaus werden nach betriebswirtschaftlichen Kriterien Unterfertigungs-

aufträge mit anderen selbständigen Metallbearbeitungsfirmen geschlossen.

4 Umweltrelevante Verfahrens- und Produktionsschritte sowie Verunreinigungspotentiale

Eine traditionelle Apparatefabrik bestand bis ca. 1950 aus einem komplexen Gefüge

aller bekannten Metallbearbeitungen.

In der Dreherei der feinmechanischen Fertigungsabteilung können neben den übli-

chen Verlusten an Mineralölen aus den Maschinen insbesondere die Kühlöle, die

seit Anfang der 1930er Jahre PCB-haltig gewesen sein können, Kontaminationen

verursacht haben. Da die Reinigung von Maschinen, Werkzeugen, Werkstücken

und Drehspänen unter Einsatz von Lösungsmitteln vollzogen wurde, ist eine Verun-

reinigung der Werkstattbereiche und der Lagerplätze nicht auszuschließen.

Neben diesem Hauptbereich potentieller Kontaminationen ist insbesondere auch die

Lackiererei zu berücksichtigen, weil hier stets mit einem Handhabungsverlust von

Lösungsmitteln, schwermetallhaltigen Lacken sowie Hilfsstoffen zu rechnen ist.

Durch den jahrzehntelangen Einsatz von Dampfkraft sind auf dem Firmengelände

häufig schwermetallhaltige Aschen und Schlacken ausgebracht worden, wodurch

flächige Kontaminationen entstanden sein können. Punktuelle Belastungen durch

Quecksilber oder PCB können sich im Bereich der Gleichrichter und Transformato-

ren befinden (siehe Branchenblatt Arbeitstechniken und Verfahren der Metallbear-

beitung).

Detaillierte Verunreinigungspotentiale für Apparatebaufabriken lassen sich in der

Regel erst auflisten, wenn die Art der Metallbearbeitung und Oberflächenbehand-

lung bekannt ist.

5 5 Gesetzliche Ausführungsvorschriften für verwen-dete Stoffe/Stoffgruppen

Tabelle 1 Altlastrelevante Stoffe und ihr zeitlicher Einsatz

Stoff Nutzung Verstärkte An-

wendung ab Verwendungs-beschränkung/

Verbot

PCB (Polychlo-rierte Biphe-nyle).

1

Einsatz in Kühlölen, um die Entzündungstemperatur zu erhöhen.

ca. 1930 1978/1989

Wassermischba-re Kühlschmier-stoffe (N-Nitros-amin-Bildung).

2

Schmier- und Kühlmittelersatz für Öle mit Flammschutzmitteln.

ca. 1955 1997

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Branchenblatt Apparatebau Seite 5

Altlasten-Leitfaden Schleswig-Holstein: Erfassung Anhang 11

PCP (Penta-chlorphenol).³

Einsatz in Emulsionen zur Halt-barmachung.

ca. 1930 1986/1989

LCKW.4 Lösungs- und Reinigungsmittel

(Kaltreiniger) im Werkstattbe-trieb sowie in den Lackiererei-en.

ca. 1925 1981/1986 (zum Teil)

BTEX.5 Lösungs- und Reinigungsmittel

im Werkstattbetrieb sowie in den Lackierereien.

ca. 1925 1986 (zum Teil)

1 26.7.1978 10.BImSchV: Verwendungsbeschränkung auf geschlossene Systeme;

18.7.1989, PCB-Verbotsverordnung: Herstellungs-, Inverkehrsbringungs- und Verwen- dungsverbot, 1993 durch ChemVerbotsV abgelöst. 2 4/1997 Technische Regel für Gefahrstoffe TRGS 611, Verwendungsbeschränkungen für

wassermischbare bzw. wassergemischte Kühlschmierstoffe, bei deren Einsatz N-Nitrosamine auftreten können (Verbot von Nitrit im KSS) 3

26.8.1986 GefStoffV: Verwendungsbeschränkung für PCP, z.B. nicht in Aufenthaltsräumen einzusetzen; 12.12.1989 PCP-Verbotsverordnung: Herstellungs-, Inverkehrsbringungs- und Verwen- dungsverbot, 1993 abgelöst durch ChemVerbotsV. 4 9/1981 Technische Regel für gefährliche Arbeitsstoffe TrgA 502: Verwendungsbeschrän-

kung für Tetrachlorkohlenstoff; 21.4.1986 2.BImSchV: Verordnung zur Emissionsbeschränkung von leichtflüchtigen Halogenwasserstoffen, Anwendungsbeschränkungen 1990 in der Neufassung verschärft. 5 26.8.1986 GefStoffV: Verwendungsbeschränkung für Benzol auf geschlossene Systeme.

6 Altlastrelevante/altlastirrelevante Nutzungszeiträume

Bis zum Ende des 19. Jahrhunderts sind keine wesentlichen Veränderungen in der

stofflichen Bearbeitung oder in der Zusammensetzung der Hilfsstoffe für die Metall-

industrie bekannt. Es handelt sich lediglich um eine Maschinisierung und Mechani-

sierung der bisherigen Handarbeit.

Die Entwicklungen in der spanabhebenden Metallverarbeitung seit Anfang des 20.

Jahrhunderts stellten erhöhte Anforderungen an die Maschinen, die Handhabung

der Werkzeuge und der zu bearbeitenden Materialien. Durch die verbesserten

Schneidstähle ergaben sich zunehmend höhere Schnittgeschwindigkeiten, die eine

Schmierung und Kühlung der Werkstücke und -zeuge erforderlich machten. Wäh-

rend anfänglich noch Seifenwasser, das auf die Grenzflächen gespritzt wurde, zur

Werkzeug/-stückkühlung ausreichte, musste seit der Einführung der Schnellschnitt-

stähle zunehmend auf wärmeleitende, hochsiedende Öle und Emulsionen zurück-

gegriffen werden. Diese Öle benötigen seit dem Ende der 1920er Jahre Chlororga-

nika (z.B. PCB) als Flammschutz; Emulsionen mussten mit Emulgatoren, Fungizi-

den und Bakteriziden (z.B. PCP) hergestellt und haltbar gemacht werden. Ebenfalls

etwa seit Anfang der 1930er Jahre ist in Schleswig-Holstein mit einer verstärkten

Anwendung chlorierter Kohlenwasserstoffe als Lösungsmittel (Per, Tri) zu rechnen.

Die für die Schweißarbeiten notwendigen Acetylenanlagen befanden sich wegen der

Explosionsgefahr zumeist abseits der Werkstatt in einem Schuppen, neben dem

auch die Absetzbecken für Karbidschlamm (Calciumhydroxid) zu suchen sind. Es ist

nicht auszuschließen, dass dieser Schlamm auf das Betriebsgelände verbracht

wurde. Karbidschlämme können aufgrund ihrer Alkalität einen Einfluss auf die Lös-

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Branchenblatt Apparatebau Seite 6

Altlasten-Leitfaden Schleswig-Holstein: Erfassung Anhang 11

lichkeit von Schadstoffen im Boden und Grundwasser haben. In den 1960er Jahren

wurden die Anlagen durch die Anlieferung der Gase in Flaschenbündeln ersetzt.

Steigende Metallpreise in den Jahren zwischen 1960 und 1980, besonders nach der

Einführung des Abfallwirtschaftsgesetzes, führten zudem dazu, Drehspäne in mög-

lichst sauberer Form wiederzuverwenden, so dass diese häufig schon beim Erzeu-

ger mit Kaltreinigern oder anderen Lösungsmitteln entölt wurden.

Auch im Bereich der Lackiererei gab es im Lauf der Zeit Veränderungen hinsichtlich

der Altlastenrelevanz (vgl. Branchenblatt Lackiererei).

Veränderungen in der Bewertung der Umweltrelevanz ergeben sich insbesondere

für den Zweiten Weltkrieg, da alle rüstungswirtschaftlich bedeutenden Betriebe der

Kontrolle ziviler Aufsichtsbehörden weitgehend entzogen waren, und daher häufig in

baulichen Anlagen arbeiteten, die für Gewerbebetriebe auch nach damaligem Stand

der Technik nicht geeignet waren. Es fehlte zumeist an einer Befestigung des Fuß-

bodens sowie an geeigneten Abwasseranlagen. Ähnlich ist die Nachkriegszeit zu

beurteilen, da behördliche Kontrollen zu diesem Zeitpunkt nur eingeschränkt durch-

geführt wurden.

Tabelle 2 Zusammenfassung aller altlastrelevanten Aspekte und Zuordnung zu

den Branchenklassen SH.

Zeitspanne Hilfsstoffe Nebenprodukte Altlastrelevante

Aspekte Branchen-klasse SH

bis 1900 Seifen, Wasser, Lein-

öle, Rüböle, geringe

Mengen Mineralöle

Metallspäne keine Abwasser-

anlagen, keine

Bodenbefesti-

gung

0

1900 – 1930 Seifen, Wasser, erste

Bohröle ohne PCB;

zunehmende Mengen

an Mineralölen, alipha-

tische Lösungsmittel

gering verölte Me-

tallspäne, Karbid-

schlamm, Lö-

sungsmittelrück-

stände;

keine Abwasser-

anlagen, keine

Bodenbefesti-

gung

0

1931 – 1960 Bohr- und Schneidöle,

PCB, Emulsionen,

Fungizide, Bakterizide,

hauptsächlich aliphati-

sche und aromatische

Lösungsmittel, Lacke

ölige Metallspäne,

Ölschlämme mit

PCB, Schwerme-

talle; Lösungsmit-

telrückstände,

Karbid-, Farb- und

Lackschlämme

Keine Abschei-

der für Farb-

schlämme; bis in

die Nachkriegs-

jahre häufig un-

befestigte Böden

und fehlende

Ölabscheider

4

1961 – 1980 Bohr- und Schneidöle,

PCB, Emulsionen,

Fungizide, Bakterizide;

Säurebeizen, Detergen-

tien, Lösungsmittel aller

Art, Lacke

ölige Metallspäne,

Ölschlämme mit

PCB, Schwerme-

talle, Lösungsmit-

telrückstände;

Farb- und Lack-

schlämme

Entölen der Spä-

ne mit CKW.

Einführung der

Entgiftung und

Neutralisation

von Abwässern

sowie Abschei-

der für Farb-

schlämme und

-nebel

4

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Branchenblatt Apparatebau Seite 7

Altlasten-Leitfaden Schleswig-Holstein: Erfassung Anhang 11

1981 – Ge-

genwart

Bohr- und Schneidöle,

Emulsionen, Fungizide,

Bakterizide; Säurebei-

zen, Detergentien,

BTEX, Lacke

ölige Metallspäne,

Ölschlämme, Lö-

sungsmittelrück-

stände, Schwer-

metalle, Farb- und

Lackschlämme

Verbot von ver-

schiedenen

Schadstoffen,

Einführung löse-

mittelarmer La-

cke, geregelte

Abfallentsorgung

3

Branchenklasse 0: kein Gefährdungspotential Branchenklasse 1: Gefährdungspotential sehr gering Branchenklasse 2: Gefährdungspotential gering Branchenklasse 3: Gefährdungspotential mäßig Branchenklasse 4: Gefährdungspotential hoch Branchenklasse 5: Gefährdungspotential sehr hoch

7 Literaturhinweise

HANOW, M. (HRSG.): Schleswig-Holstein und seine Industrie. Verlag M. Dumont

Schauberg, Köln, 1957.

LUEGER, O. (HRSG.): Lexikon der gesamten Technik und ihrer Hilfswissenschaf-

ten, VII. Band, zweite Auflage. Deutsche Verlagsanstalt, Stuttgart und Leipzig, 1938.

MOMMERTZ, K. H.: Bohren, Drehen und Fräsen. Reinbek, 1981.

ROHR, B.; WIELE, H. (HRSG.): Lexikon der Technik. VEB Bibliographisches Insti-

tut, Leipzig, 1982.

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Altlasten-Leitfaden Schleswig-Holstein: Erfassung Anhang 11 Histinvest – Dr. Klaus Schlottau, Bremen

Branchenblatt Bekleidungsbetriebe

Inhaltsverzeichnis Seite 1 Bezeichnung der Branche 2 2 Historischer Überblick 2 3 Allgemeiner Verfahrensablauf 3 4 Umweltrelevante Verfahrens- und Produktionsschritte sowie Ver-

unreinigungspotentiale 4 5 Gesetzliche Ausführungsvorschriften für verwendete Stoffe/

Stoffgruppen 5 6 Altlastrelevante/altlastirrelevante Nutzungszeiträume 5 7 Literaturhinweise 6 Abb. 1: Nähsaal eines Bekleidungswerkes in Neumünster um 1928 (Quelle:

STADTARCHIV NEUMÜNSTER)

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Branchenblatt Bekleidungsbetriebe Seite 2

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1 Bezeichnung der Branche

In Kleiderfabriken werden Stoffe oder Tuche zu Oberbekleidung verarbeitet. Wä-

schefabriken hingegen fertigen Leib- und Bettwäsche an. Bekleidungswerke oder -

betriebe und Wäschefabriken produzieren beide Waren nach normierten Größen-

vorgaben in großer Stückzahl aber aus einer begrenzten Anzahl von Stoffen oder

Mustern (Konfektion). Wäschefabriken sind daher analog den Bekleidungsbetrieben

zu bewerten.

Grundsätzlich wird mit einer stark differenzierten Arbeitsteilung für einen anonymen

Abnehmer, der seine Kleidung „von der Stange“ kauft, produziert. Dies ist das

Hauptunterscheidungsmerkmal zu einer Schneiderei, wo für einzelne Kunden indivi-

duelle Stoffe nach Maß verarbeitet werden, und daher nur ein geringer Grad an Ar-

beitsteilung und wenige Arbeitskräfte vorhanden sind. Bekleidungswerke als Ober-

begriff der industriellen Konfektionsnäherei hingegen weisen eine große Zahl von

Arbeitskräften bis hin zu 2000 Mitarbeiterinnen auf.

2 Historischer Überblick

Das Herstellen von Wäsche und Bekleidung war bis zum Beginn des 20. Jahrhun-

derts überwiegend eine häusliche Tätigkeit der Frauen. Die gewerbliche Schneiderei

für einzelne Kunden hingegen war von Männern dominiert. Es handelte sich zumeist

um kleine Werkstätten mit ein bis zwei Gesellen oder Lehrlingen, die die Stoffe, wel-

che der Kunde mitbrachte, nach Maß zuschnitten und vernähten. Schneider waren

daher besonders für die teuren Bekleidungsstücke – Anzüge, Mäntel etc. – zustän-

dig.

Mitte des 19. Jahrhunderts wurde in Amerika und Europa die Nähmaschine mit

Tretwippenantrieb entwickelt und zur Produktionsreife gebracht. Es handelte sich

damals um eine mechanisch anfällige Konstruktion, die eine hohe Geschicklichkeit

und große Erfahrung für die Koordination von Maschinengeschwindigkeit und Stoff-

vorschub erforderte. Sie wurde daher zunächst nur in Schneidereien eingesetzt. Bis

ca. 1880 hatte sich bei den meisten Fabrikaten eine mechanische Steuerung des

Vorschubes mit Hilfe von Klemmen durchgesetzt. Diese Neuerung ermöglichte so-

wohl den Einsatz angelernter Hilfskräfte, als auch die Einführung in private Haushal-

te.

In den Fabriken wurden die Nähmaschinen in großer Zahl nebeneinander aufgestellt

und über eine zentrale Transmission angetrieben. Eine zweite Reihe wurde gegen-

überliegend aufgebaut und die Fläche zwischen den Maschinen als Arbeitsfläche

genutzt. Sie entwickelte sich bald zum Fördersystem der entstehenden Ware, indem

sie zur Rinne geformt wurde, in der die Halbfertigware bis zum letzten Handgriff

immer weiter geschoben wurde (siehe Abbildung 1). Zugleich entwickelte sich an

dieser Anordnung die Arbeitsteilung innerhalb der Näherei.

Da das Lohnniveau in der Bekleidungsindustrie ständig unterhalb dem anderer

Branchen lag, waren die Großbetriebe seit der Mitte der 1950er Jahre gezwungen,

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Branchenblatt Bekleidungsbetriebe Seite 3

Altlasten-Leitfaden Schleswig-Holstein: Erfassung Anhang 11

die Arbeitskräfte mit eigenen oder angemieteten Bussen aus größeren Entfernun-

gen, insbesondere aus dem ländlichen Umkreis jenseits städtischer Verkehrsinfra-

struktur, heranzutransportieren und zum Feierabend den Rücktransport zu über-

nehmen. Ende der 1970er Jahre ist die Bekleidungsindustrie überwiegend in Länder

mit niedrigerem Lohnniveau abgewandert und es gibt nur noch wenige größere Be-

kleidungswerke in überwiegend ländlich strukturierter Umgebung.

3 Allgemeiner Verfahrensablauf

Die Bekleidungswerke bezogen die fertigen Stoffe und Tuchbahnen von den Her-

stellungsbetrieben. Die Verarbeitung begann nach einer visuellen Überprüfung des

Materials auf Fehler mit dem Zuschnitt. Mit Hilfe von größennormierten Schablonen

wurden die benötigten Stoffteile ausgeschnitten.

Abb. 2: Visuelle Prüfung der Rohware in den 1950er Jahren. (Quelle: HANOW)

In der Näherei erfolgte schrittweise die arbeitsteilige Fertigstellung des Textilstückes

(z.B. einer Hose). Je komplizierter der Aufbau des Kleidungsstückes war, desto län-

ger war eine derartige „Fertigungsstraße“. Es handelt sich in den Bekleidungsbetrie-

ben um eine typische Fließbandarbeit, bei der die Rinne die Funktion eines Förder-

bandes übernimmt.

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Branchenblatt Bekleidungsbetriebe Seite 4

Altlasten-Leitfaden Schleswig-Holstein: Erfassung Anhang 11

Abb. 3: Zuschnitt mit einer Elektroschere in den 1950er Jahren. (Quelle: HANOW)

Im letzten Arbeitsschritt wurde das fertige Textilgut gebügelt bzw. gemangelt und

versandfertig gemacht.

4 Umweltrelevante Verfahrens- und Produktionsschritte sowie Verunreinigungspotentiale

Für Bekleidungswerke sind keine spezifischen umweltrelevanten verfahrenstechni-

schen Produktionsschritte bekannt. Die Tuche wurden in der Regel bereits in den

Tuchfabriken mit den erforderlichen allgemeinen oder speziellen Appreturhilfsmitteln

ausgestattet, so dass eine besondere Ausrüstung in den nähenden Betrieben nicht

mehr notwendig war.

Für das Bügeln oder Mangeln wurden zwar zumeist Hilfsstoffe eingesetzt, diese

basierten allerdings fast immer auf Stärke und waren auswaschbar. Glanz wurde

durch den Druck von Bügelmaschinen oder Mangeln und etwas aufgesprühtes

Pflanzenöl erzeugt.

Während der Bearbeitung an den Maschinen konnte es gelegentlich geschehen,

dass Öl aus den Maschinen austrat und Flecken im Tuch erzeugte. Für diese Fälle

wurde eine kleine Teilreinigung oder Fleckentfernung vor dem Bügeln und Verpa-

cken durchgeführt. Bis zum Ende der 1920er Jahre wurde das Nähmaschinenöl im

Allgemeinen mit Hilfe von Waschbenzin entfernt. Danach wurden leichte oder

schwere Chlorkohlenwasserstoffe für diesen Zweck eingesetzt. Da aber nur einzel-

ne Flecken damit entfernt wurden und nicht das ganze Kleidungsstück bearbeitet

wurde, gelangten nur geringe Menge der umweltgefährdenden Stoffe durch Hand-

habungsverluste in die Umwelt.

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Branchenblatt Bekleidungsbetriebe Seite 5

Altlasten-Leitfaden Schleswig-Holstein: Erfassung Anhang 11

Je größer ein Bekleidungswerk allerdings war, desto mehr war er auf die Eigener-

zeugung von Antriebs- und Heizenergie sowie die Anlage eines eigenen Betriebsho-

fes angewiesen. Eigene Dampfkraftanlagen waren bis zum Ende des 2. Weltkrieges

die Regel und wurden dann durch den Bezug von Strom nach und nach ersetzt.

Zeitgleich wuchs aber der Fuhrpark der Großbetriebe stetig an.

5 Gesetzliche Ausführungsvorschriften für verwendete Stoffe/Stoffgruppen

Für Bekleidungswerke liegen keine speziellen Ausführungsvorschriften vor. Tabelle 1 Altlastrelevante Stoffe und ihr zeitlicher Einsatz

Stoff Nutzung Verstärkte An-wendung ab

Verwendungsbe-schränkung/ Verbot

LCKW.1 Lösungsmittel für Fett- und Ölfle-

cken ca. 1930 1981/1986 (zum Teil)

1 9/1981 Technische Regel für gefährliche Arbeitsstoffe TrgA 502: Verwendungsbeschrän-

kung für Tetrachlorkohlenstoff; 21.4.1986 2.BImSchV: Verordnung zur Emissionsbeschränkung von leichtflüchtigen Halo- genwasserstoffen, Anwendungsbeschränkungen 1990 in der Neufassung verschärft.

6 Altlastrelevante/altlastirrelevante Nutzungszeiträume

Trotz der zum Teil großen Ballung von Arbeitskräften in den Kleiderfabriken ging

von ihnen bis in die 1920er Jahre keine größere Gefährdung aus als von den

Schneidereien.

Erst mit dem Einsatz von chlorierten Lösungsmitteln für die Fleckentfernung bzw.

dem Ausbau von eigenen Betriebshöfen für die Transporte von Material und beson-

ders Arbeitskräften gewann die Branche eine Umweltrelevanz, die allerdings nicht

besonders hoch war, weil es sich hierbei nur um Nebenbetriebe handelte.

Als für chlorierte Kohlenwasserstoffe zu Beginn der 1980er Jahre Nutzungsein-

schränkungen eingeführt wurden, war die Branche in der Bundesrepublik bereits

nahezu erloschen. Kleinere Nachfolgebetriebe, die sich im Zuge der Herausbildung

sogenannter höherwertiger „Markenkleidung“ nach und nach wieder etablieren

konnten, besitzen heutzutage dementsprechend keine gravierende Umweltrelevanz.

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Branchenblatt Bekleidungsbetriebe Seite 6

Altlasten-Leitfaden Schleswig-Holstein: Erfassung Anhang 11

Tabelle 2 Zusammenfassung aller altlastrelevanten Aspekte und Zuordnung zu

den Branchenklassen SH.

Zeitspanne Hilfsstoffe Nebenprodukte Altlastrelevante

Aspekte Branchen-klasse SH

bis 1930 Stärke, Pflanzen-

öle, Waschbenzin

Putzlumpen 0

1931 – 1980 Stärke, Pflanzen-

öle, CKW, Ge-

ruchsstoffe

Putzlumpen In begrenztem Um-

fang Fleckentfer-

nung mit CKW, Ent-

stehen eines Be-

triebshofes

3

1981 – Ge-

genwart

Stärke, Pflanzen-

öle, Geruchsstoffe

Putzlumpen Einschränkung der

CKW-Nutzung, klei-

nere Betriebshöfe

2

Branchenklasse 0: kein Gefährdungspotential Branchenklasse 1: Gefährdungspotential sehr gering Branchenklasse 2: Gefährdungspotential gering Branchenklasse 3: Gefährdungspotential mäßig Branchenklasse 4: Gefährdungspotential hoch Branchenklasse 5: Gefährdungspotential sehr hoch

7 Literaturhinweise

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HANOW, M. (HRSG.): Schleswig-Holstein und seine Industrie. Verlag M. Dumont

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HELL, E.: Jugendliche Schneiderinnen und Näherinnen in München: Eine Untersu-

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Branchenblatt Bekleidungsbetriebe Seite 7

Altlasten-Leitfaden Schleswig-Holstein: Erfassung Anhang 11

STRUBE, B.: Entwicklung der Textil- und Bekleidungsindustrie: Entwicklungen und

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Altlasten-Leitfaden Schleswig-Holstein: Erfassung Anhang 11 Histinvest Dr. Klaus Schlottau – Bremen

Branchenblatt Bettfedernreinigung

Inhaltsverzeichnis Seite 1. Bezeichnung der Branche 2 2. Historischer Überblick 2 3. Allgemeiner Verfahrensablauf 2 4. Umweltrelevante Verfahrens- und Produktionsschritte sowie 6

Verunreinigungspotentiale 5. Gesetzliche Ausführungsvorschriften für verwendete Stoffe/ 7

Stoffgruppen 6. Altlastenrelevante/altlastirrelevante Nutzungszeiträume 7 7. Literaturhinweise 8

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Seite 2 Branchenblatt Bettfedernreinigung

Altlasten-Leitfaden Schleswig-Holstein: Erfassung Anhang 11

1. Bezeichnung der Branche

Bettfedern sind die Federn bestimmter Geflügelarten in einer vom Handel genorm-

ten Zusammensetzung und Beschaffenheit. Es handelt sich grundsätzlich um gewa-

schene Geflügelfedern, die durch Rupfen von Gänsen, Enten, Hühnern oder Puten

gewonnen werden.

Bettfedern, die neu in den Handel gelangen, müssen gemäß RAL 092 A (Reichs-

ausschuß für Lieferbedingungen, 1925; fortgeführt nach dem Zweiten Weltkrieg als

RAL – Deutsches Institut für Gütesicherung und Kennzeichnung e.V.) durch die

Wäsche mit Wasser und milden Seifen von unreinen Bestandteilen und Krankheits-

keimen, die durch die Geflügelhaltung oder durch die Schlachtung in die Rohware

gelangt ist, befreit werden und durch den Einsatz von Wasserdampf über einen hin-

reichenden Zeitraum von weiteren Keimen, Motteneiern etc. gereinigt werden. Eine

alleinige Reinigung mit Dampf ist nicht ausreichend und daher gemäß Vorgaben des

Ausschusses für Lieferbedingungen (RAL) ebensowenig gestattet, wie die Ausrüs-

tung der Federn mit beschwerenden Stoffen oder Mottenpulver etc.

Gebrauchte Bettfedern verklumpen und müssen daher regelmäßig gereinigt werden.

Durch Druck, Schweiß und Ausdünstungen verkleben die Federn im Bettinlett und

bilden, zusammen mit abgeblätterten kleinen Kielteilen und pulverisiertem Feder-

mark sowie dem unvermeidbaren Federbruch, Klumpen. Bettdecken, Kissen etc.

werden in Bettfedernreinigungen gemäß den Vorgaben des RAL analog den Vor-

schriften für Rohfedern durch Wasser, Seifen und Dampf gereinigt.

2. Historischer Überblick

Ab dem 19. Jahrhundert wurden Geflügelfedern als Füllung für Bettdecken und

Kissen eingesetzt.

Die Aufnahme des Handelsverkehrs mit China am Ende des 19. Jahrhunderts ging

einher mit einem steigenden Import von Federn geschlachteter Gänse und Enten,

der bis zu 12.000t jährlich in den 1950er Jahren anstieg – der heimische Anfall

von Rohfedern, die in den Handel gelangten, betrug hingegen kaum 250 t im Jahr.

Die Handelsfirmen erhielten die Federn in Preßballen und mussten daher die Rei-

nigung, Aufbereitung und Sortierung sowie die Verpackung vornehmen.

3. Allgemeiner Verfahrensablauf

Die Federreinigung erfolgt, entsprechend der Warenkette, zum ersten Mal beim Im-

porteur oder Großhändler. Geflügelfedern dürfen gemäß RAL-Bestimmungen seit

1925 erst dann als Bettfedern verkauft werden, wenn

a) durch einen Sortier- und Waschvorgang alle nicht fedrigen Bestandteile (Stroh,

Kot, Blut, Staub, Geflügelgeruch, Bruch- und Langfedern sowie staubiges Fe-

dernmark) beseitigt wurden und

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Branchenblatt Bettfedernreinigung Seite 3

Altlasten-Leitfaden Schleswig-Holstein: Erfassung Anhang 11

b) durch die Behandlung mit Heißdampf Parasiten, Keime, Mottenbrut wirkungsvoll

abgetötet wurden sowie

c) die gereinigte Feder durch weiteren Heißdampf „belebt“, also elastisch und vo-

luminös gemacht wurde.

Nachdem die Ballen aufgeschnürt wurden, werden die Rohfedern zunächst einer

Vorreinigung in einer Trockenreinigungsmaschine unterworfen. Die Maschine be-

steht aus einer rotierenden Siebtrommel, die mit Hilfe von Ventilatoren ständig mit

Luft gespült wird. Die mechanische Bewegung und der Luftaustausch sorgt dafür,

dass Staub und Schmutzteile beseitigt werden.

In einem anschließenden Arbeitsgang werden die vorgereinigten Federn dann von

Hand oder mit Hilfe einer Maschine vorsortiert. Entfernt werden hierbei Kielfedern,

Flugfedern und andere Langfedern, Bruchfedern oder verbliebene Schmutzteile, die

sich in der Trockenreinigungsmaschine nicht mechanisch haben lösen lassen. Die

maschinelle Vorsortierung besteht in der Regel darin, die Federn in einen hohen

Behälter mit seitlichen Taschen zu füllen, diesen dann von unten mit Luft solange zu

beaufschlagen, bis die Federn, entsprechend ihrem Luftwiderstand einem der Fang-

körbe zugeordnet sind: Schmutzklumpen und Steinchen bleiben unten liegen, wäh-

rend sich die Daunen im obersten Fach wiederfinden lassen. Durch die Trockenrei-

nigung und die Vorsortierung werden ca. 25 Prozent des ursprünglichen Rohfeder-

gewichts aussortiert und als Dünger verkauft.

Abb. 1: Federnsortiermaschinen der Fa. Manteuffel, Lübeck 1956. (Quelle: IHK

ZU LÜBECK)

In kleineren Betrieben dient die Vorsortiermaschine allein der Reinigung während

Großbetriebe die jeweiligen Federqualitäten getrennt in den nächsten Arbeitsgang

geben. Es handelt sich um die Federnwäsche. Die Federn werden nach der Vorsor-

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Seite 4 Branchenblatt Bettfedernreinigung

Altlasten-Leitfaden Schleswig-Holstein: Erfassung Anhang 11

tierung in eine Waschmaschine mit einer langen zylindrischen Trommel gefüllt. Für

die Federnwäsche eignet sich nur handwarmes Wasser und Feinwaschmittel bzw.

Feinseifen, so dass die Wäsche jener von Wolle ähnelt. Organische Lösungsmittel

können bei dieser Wäsche nicht eingesetzt werden, weil dadurch das Federmark

und die Feder ausgetrocknet und folglich brüchig werden: Ein Hautfettrest muss

immer in der Feder verbleiben. Da weder intensive Reinigungsmittel noch heißes

Wasser einsetzbar sind, werden die Federn daher lange und mit oftmaligem Was-

seraustausch gewaschen, bis auch die letzten Unreinlichkeiten und besonders der

spezifische Geflügelgeruch beseitigt worden sind.

Aus der Waschmaschine werden die Federn in eine Schleuder umgefüllt, die aller-

dings mit relativ geringer Umdrehungszahl betrieben wird, um die feuchten Feder-

massen nicht so stark an die Wandungen zu pressen, dass Federbruch entstehen

könnte. Nach der Vortrocknung gelangen die Federn dann in die zweite wesentliche

Reinigungsmaschine, einen Dämpfer, in dem sie mit überhitztem Dampf unter leich-

tem Überdruck sowohl keimfrei desinfiziert werden als auch durch eine leichte Rota-

tion des liegenden, doppelwandigen Druckzylinders aufgelockert, füllig und elastisch

werden.

Abb. 2: Federnwaschmaschine der Fa. Manteuffel, Lübeck 1956 (Quelle: IHK

ZU LÜBECK)

Nach der Reinigung wird die Feder bereits als Bettfeder bezeichnet. Für den Handel

müssen allerdings einzelne Qualitäten getrennt werden. Dies erfolgt wiederum in

einer Sortiermaschine, die als stehender Schacht, in dem ein konstanter Luftstrom

von unten nach oben erzeugt wird, ausgebildet ist. Ein mechanisches Einzugswerk

befördert kontinuierlich Federn aus einem unten vor der Maschine befindlichen Vor-

rat in diesen Luftstrom, so dass die Bettfedern aufgewirbelt und in den Steigkanal

gesogen werden. Je leichter die Feder ist, desto höher fliegt sie, wirbelt dort, wo

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Branchenblatt Bettfedernreinigung Seite 5

Altlasten-Leitfaden Schleswig-Holstein: Erfassung Anhang 11

Erdanziehungskraft und Auftrieb einander ausgleichen, hin und her und gleitet auf

dem Luftstrom dann in eine der seitlich angebrachten Sortierkammern. In jeder der

übereinander angebrachten Kammern befinden sich am Ende des Sortierprozesses

nach Gewicht und Größe gleichartige Federn.

Die Wertschöpfung des Bettfedernhandels erfolgt insbesondere in der Sortierung.

Daunen, der leichteste und fülligste Teil der Federn, sind um ein Vielfaches teurer

als Federn, besitzen allerdings nur geringe mechanische Strapazierfähigkeit und

verkleben durch Schweiß recht schnell. Da eine Bettdecke die geringsten mechani-

schen Belastungen erfährt, kann der Daunenanteil bis zu 95 % betragen, während

ein hoher Daunenanteil für ein Kopfkissen nachteilig ist. Bettfedern müssen hinsicht-

lich der Geflügelart, der Farbe und der Sorte deklariert werden.

Die Bettfedernreinigung im Bettenfachhandel folgt im Wesentlichen dem Ablauf in

der Fabrik; die Qualität der beschriebene Reinigung in der Bettfedernfabrik wird im

Fachhandel allerdings nicht erreicht, weil es sich, im Gegensatz zur Reinigung der

Rohfeder in der Fabrik, um eine Aufarbeitung gebrauchter Federn handelt. Das In-

lett wird im Fachhandel auf einer Seite geöffnet und der Inhalt über einen Ansaug-

trichter in die Maschine befördert.

Abb. 3: Entleerung eines Oberbettes in eine Reinigungsmaschine (Quelle:

www.bettfedernreinigung.de).

Reinigungsmaschinen im Fachhandel haben folgende Aufgaben: Bettfedern unter-

liegen während des Gebrauchs Alterungserscheinungen, so blättern kleinere Kiel-

teilchen ab, das Federnmark trocknet aus und setzt sich als Staub an die Federn.

Infolge der mechanischen Beanspruchung werden Federn beschädigt, es bildet sich

Federnbruch. Weiterer Schmutz resultiert aus den Kotpartikeln der in Betten leben-

den Milben. Dieser Partikelschmutz, bestehend aus den Kielschuppen, Federn-

markpulver, Federnbruch und Milbenkot wird durch ein Ausblasverfahren, das dem

der Sortiermaschine ähnelt, entfernt. Es handelt sich in der Regel um ca. ein Viertel

des Füllungsgewichtes, das durch diese mechanische Reinigung verloren geht und

ersetzt werden muss.

Die Federn eines Bettes werden zudem durch Körperschweiß und Körperflüssigkei-

ten, die durch das Inlett hindurch in die Federn gelangen, nach und nach ver-

schmutzt. Durch mechanische Belastungen dieser feuchten Bereiche verklumpen

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Seite 6 Branchenblatt Bettfedernreinigung

Altlasten-Leitfaden Schleswig-Holstein: Erfassung Anhang 11

die Federn mit der Zeit. Um auch diese Verunreinigungen zu beseitigen und um

lebende Milben und deren Gelege zu zerstören, werden die Federn, wie in der Fab-

rik, mit Heißdampf behandelt, so dass hier eine Reinigung, eine Desinfektion und

auch eine Erneuerung der Füllkraft bewirkt wird. Ein Waschvorgang ist in der Bett-

federnreinigung des Fachhandels allerdings nicht üblich, so dass eingedrungene

Körperfette und Körperflüssigkeiten nicht ausgewaschen werden.

Nach dem Reinigungsvorgang wird die aufbereitete Federmenge mit ca. 25 Prozent

Neufedern in der Maschine gemischt, um wieder genügend Füllvolumen für das

Oberbett oder das Kissen zu haben und dann in das neue oder gewaschene Inlett

eingeblasen, das dann vernäht wird.

Abb. 4: Befüllung eines Oberbettes mit aufbereiteten Bettfedern (Quelle:

www.bettfedernreinigung.de).

4. Umweltrelevante Verfahrens- und Produktionsschritte sowie Verunreinigungspotentiale

Die Bettfedernreinigung in Bettfedernfabriken wie z.B. in der Fabrik von Willy Man-

teuffel, Lübeck-Schlutup erfolgt in der Reihenfolge Sortierung, Entstaubung, Wä-

sche, Dämpfung, Sortierung. Durch die Sortierung und Entstaubung entsteht ein

Materialverlust in Höhe von ca. 25 Prozent der Rohfedern. Dieser Materialverlust

wird gesammelt, gegebenenfalls gemahlen und dann als Dünger verkauft. Gefähr-

dende Stoffe gelangen dabei nicht in die Umwelt.

Der Waschvorgang wird mit lauwarmem Wasser und Feinseifen durchgeführt, um

wasserlösliche Verschmutzungen, Kot, Urin, Blut und einen geringen Teil der kör-

pereigenen Fette des Geflügels zu entfernen. Da starke Seifen oder Lösungsmittel

nicht eingesetzt werden können, erfolgt ein vielfacher Austausch des Waschwas-

sers, so dass die Federnwäscherei mit einem verhältnismäßig hohen Wasserver-

brauch verbunden ist. Die Abwässer werden in der Regel in einem betrieblichen

Klärwerk aufbereitet und dann in die Abwasserkanalisation geleitet. Gefährdende

Stoffe werden bei der Wäsche nicht genutzt.

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Branchenblatt Bettfedernreinigung Seite 7

Altlasten-Leitfaden Schleswig-Holstein: Erfassung Anhang 11

Zur Desinfektion der Federn, zur Beseitigung von Ungeziefer und deren Gelegen,

insbesondere aber, um die Elastizität der Federn und damit das Füllvolumen zu re-

generieren, erfolgt als letzter Reinigungsvorgang eine Behandlung mit Heißdampf

unter Druck. Es erfolgt kein Zusatz von chemischen Desinfektionsmitteln.

Die „Reinigung“ im Bettenfachhandel wird in einer Kombinationsmaschine durchge-

führt. Es handelt sich hierbei im eigentlichen Sinne um eine „Aufbereitung“, weil eine

Wäsche in der Maschine nicht durchgeführt wird. Partikelschmutz wird ausgeblasen

und durch eine Sortieranlage entfernt. Schweiß- oder feuchtigkeitsverklumpte Fe-

dern werden durch eine Behandlung mit Heißdampf gelockert und wieder füllig. Mit

dieser Dampfbehandlung erfolgt zugleich eine Desinfektion, die auch Ungeziefer,

z.B. Milben und deren Eier, abtötet. Stoffe, die die Umwelt gefährden, werden bei

diesem Verfahren nicht eingesetzt.

Bettfedernreinigung ist daher weder im fabrikmäßigen Betrieb, noch als Reinigung

im Fachhandel mit umweltgefährdenden Stoffen verbunden.

5. Gesetzliche Ausführungsvorschriften für verwendete Stoffe/ Stoffgruppen

In der Bettfedernreinigung werden keine umweltgefährdenden Stoffe eingesetzt.

6. Altlastrelevante/altlastirrelevante Nutzungszeiträume

Eine Differenzierung der Nutzungszeiträume für die Bettfedernreinigung durch deut-

liche Verfahrensveränderungen ist nicht möglich. Mit dem Beginn des Imports chi-

nesischer Federn in den 1880er Jahren beginnt die fabrikmäßige Reinigung der

Rohfedern, die insgesamt als Bettfedernreinigung angesprochen wird.

Der Bettenfachhandel verfügte stets auch über Sortiermaschinen, um die einzelnen

Qualitäten zu mischen, insbesondere aber, um Altfedern aufzubereiten. Diese Altfe-

deraufbereitung wurde den Kunden, quasi im Nebenerwerb, als „Reinigung“ ange-

boten. Maschinentechnisch handelt es sich jedoch lediglich um Miniaturisierungen

der Sortier- und Dämpfanlagen einer wirklichen Federnreinigung. Verfahrenstechni-

sche Abweichungen zwischen Reinigung und „Aufbereitung“ bestehen darin, dass

insbesondere keine Federnwäsche durchgeführt wird.

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Seite 8 Branchenblatt Bettfedernreinigung

Altlasten-Leitfaden Schleswig-Holstein: Erfassung Anhang 11

Tabelle 1 Zusammenfassung aller altlastrelevanten Aspekte und Zuordnung zu

den Branchenklassen SH

Zeitspanne Hilfsstoffe Nebenprodukte Altlastrelevante Aspekte

Branchen- klasse SH

1880 - Ge-

genwart

Wasser, Seifen Federnmehl 0

Branchenklasse 0: kein Gefährdungspotential Branchenklasse 1: Gefährdungspotential sehr gering Branchenklasse 2: Gefährdungspotential gering Branchenklasse 3: Gefährdungspotential mäßig Branchenklasse 4: Gefährdungspotential hoch Branchenklasse 5: Gefährdungspotential sehr hoch

In der Branchenklassenliste ist die Tätigkeit unter „Federnreinigungen“ zu finden.

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Branchenblatt Bettfedernreinigung Seite 9

Altlasten-Leitfaden Schleswig-Holstein: Erfassung Anhang 11

ORLAND, B.: Wäsche waschen. Technik und Sozialgeschichte der häuslichen Wä-

schepflege, Rowohlt Verlag, Reinbek bei Hamburg, 1991.

ROGGENHOFER, G.: Die Wäscherei in ihrem ganzen Umfange. Bearbeitet nach

den neuesten Erfahrungen auf dem Gebiete der chemischen und Naßwäscherei

unter Mitwirkung bewährter Fachmänner, 3. vermehrte und verbesserte Auflage,

Ziemsen-Verlag, Wittenberg 1927.

SCHMIDT-LIEB, Willy: Federn und Daunen – Fühlen und Staunen. 100 Jahre

Frankfurter Bettfedernfabrik Fritz Volker GmbH. Eigenverlag Fritz Volker GmbH,

Frankfurt 1985.

SIEVERT, Maria: Experimentelle Untersuchungen über die Desinfektion von Betten

und Matratzen in überhitztem Dampf. Diss. Med. Münster 1962.

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Altlasten-Leitfaden Schleswig-Holstein: Erfassung Anhang 11 Histinvest - Dr. Klaus Schlottau, Bremen

Branchenblatt Böttcherei

Inhaltsverzeichnis Seite 1 Bezeichnung der Branche 2 2 Historischer Überblick 2 3 Allgemeiner Verfahrensablauf 2 4 Literaturhinweise 4 Abb.1: Böttcherei von 1936, verschiedene Arbeitsschritte werden gezeigt.

(Quelle: KETTEMANN)

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Branchenblatt Böttcherei Seite 2

Altlasten-Leitfaden Schleswig-Holstein: Erfassung und Erstbewertung Anhang 11

1 Bezeichnung der Branche

Der Böttcher ist ein Handwerker, der Fässer oder Bottiche aus Holz für die Lage-

rung und den Transport von Waren anfertigt. Andere Bezeichnungen sind Fassbin-

derei oder Küferei, wobei letztere primär im Zusammenhang mit der Herstellung von

Weinfässern genannt wird. Die Böttcherei unterscheidet sich hinsichtlich der Pro-

duktionsweise und der eingesetzten Stoffe grundsätzlich von der Fassfabrik oder

Fassreinigungs- und –reparaturbetrieben sowie von Fabriken für die Produktion von

Metall- oder Kunststofffässern.

2 Historischer Überblick

Böttcher oder Küfer sind Handwerker, deren Arbeiten im Zeitraum vom Mittelalter

bis etwa in die ersten beiden Jahrzehnte des 20. Jahrhundert benötigt wurden. Her-

gestellt wurden hölzerne Transport,- Lager- und Reaktionsgefäße (Weinkeller, Bier-

keller). Nicht nur für den Transport flüssiger Waren, sondern auch für Fische, Ge-

treide, Stoffe, Bücher, Felle, Papier etc. wurden Fässer benutzt, damit die Waren

den Transport ohne Bruch- und Feuchtigkeitsschäden überstanden. Aus Holz gefer-

tigte Fässer und Bütten waren die Aufbewahrungs- und Transportmittel der Vergan-

genheit schlechthin. In den Hafenstädten entstand daraus ein spezialisiertes Ge-

werbe für die Transportverpackung und Umpackarbeiten, die Küperei (siehe Bran-

chenblatt Küperei).

Die Böttchereiprodukte waren zu einem großen Teil Gebrauchsgüter für andere

Gewerbe. Daher war dieses Handwerk in hohem Maße von den Betrieben und ihrer

Konjunktur abhängig, denen es zuarbeitete. Die Böttcherei spielte nicht nur in Städ-

ten mit einem hohen Bedarf an Transportfässern eine große Rolle, sondern auch

auf dem Lande. In den ländlichen Gebieten Schleswig-Holsteins wurden in den

landwirtschaftlichen Betrieben und den dazu dazugehörigen Gewerben eine große

Zahl an Fässern benötigt. Dieser hohe Bedarf führte um die Jahrhundertwende auch

zur Gründung erster Fassfabriken. Aber weder die handwerkliche noch die industri-

elle Herstellung von Holzbehältern konnte langfristig überleben, da die Konkurrenz

der modernen Werkstoffe wie Metall und später Kunststoff zu groß war.

Nur in der Fischindustrie behielt das Fass als Lager- und Transportmittel noch bis in

die 1960er Jahre eine größere Bedeutung. Im Allgemeinen wurden die Holzfässer in

der Lebensmittelindustrie erst durch die Plastikfässer verdrängt.

3 Allgemeiner Verfahrensablauf

Das Fass wird je nach Verwendungszweck vom Böttcher aus dem Holz von Nadel-

oder Laubbäumen angefertigt. Fässer für die Lagerung und den Transport von Ge-

tränken werden nahezu ausschließlich aus dem Holz von Laubbäumen hergestellt.

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Branchenblatt Böttcherei Seite 3

Altlasten-Leitfaden Schleswig-Holstein: Erfassung und Erstbewertung Anhang 11

Den Körper des Fasses bilden die Dauben, dies sind leicht gebogene Bretter mit

konvex geformtem Profil, sowie die beiden Fassböden. Die Dauben werden von

Fassbändern oder „Reifen“ aus weichem, aber zähem Holz zusammengehalten. Für

große Fässer werden Bandeisen verwendet, auf denen das Fass auch gerollt wer-

den kann.

Für die Herstellung der Fassdauben und der -böden werden glatt gewachsene und

astfreie Holzstämme zu gleich langen Kloben geschnitten, die der Höhe der späte-

ren Fässer entsprechen. Die Kloben werden zunächst grob zerteilt und dann mit

einer Spaltklinge zu Brettern gespalten. Nach dem Trocknen und Sortieren werden

die Hölzer auf einer Ziehbank mit Zieheisen zu Dauben oder Böden geformt. Die

einzelnen Dauben, deren Mitte etwas breiter ist, werden zu einem Gebinde neben-

einander gelegt, angepasst, beidseitig mit einem Hobel nachbearbeitet und mit zwei

Falzen für die Fassböden versehen. Auf der Innenseite wird ein sogenanntes

„Schlagband“ an jede Daube geheftet, so dass nach dem Verbinden der beiden

Enddauben ein gefäßartiges Gebilde entstanden ist, bei dem die Dauben nur in der

Mitte Kontakt haben. Durch Feuer, Dampf oder mit Hilfe von Winden werden die

Dauben dann um den unteren Fassboden gezwungen und durch Fassreifen oder -

bänder in Form gehalten. Das entstehende Fass wird dann umgedreht, damit weite-

re Fassbänder aufgeschlagen werden können.

Abb.2: Aufsetzen des Fasses mit Setzreifen. (Quelle: MEHL)

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Branchenblatt Böttcherei Seite 4

Altlasten-Leitfaden Schleswig-Holstein: Erfassung und Erstbewertung Anhang 11

Diese Prozedur wird für die Oberseite wiederholt. Nachdem der Fasskörper fertig-

gestellt ist, werden Spund- und Zapfenloch zum Befüllen bzw. Entleeren der Fässer

gebohrt, verbliebene Unebenheiten beseitigt und das Holz durch Leinöl oder Was-

ser zum Quellen gebracht, so dass die Dauben sich vollständig aneinander pressen.

Bottiche werden durch das mittige Teilen fertiger Fässer hergestellt.

Sowohl in der handwerklichen Böttcherei, als auch in frühen Fassfabriken entstan-

den durch den Arbeitsprozess in der Regel nur Schnitt- und Hobelspäne, die im Be-

trieb selbst verbraucht wurden. Da die hölzernen Fässer im 20. Jahrhundert fast nur

für die Lagerung und den Transport von Nahrungsmitteln hergestellt wurden, be-

handelte man sie weder mit Teer, Carbolineum oder Fungiziden, so dass Verunrei-

nigungen durch diese Stoffe nicht zu befürchten sind. Im Allgemeinen wurden nur

pflanzliche Öle zum Quellen des Holzes und äußerliche Anstriche auf der Basis die-

ser Öle verwendet. Die Branche „Böttcherei“ zählt somit nicht zu den altlastrelevan-

ten Gewerben.

4 Literaturhinweise

KETTEMANN, O.: Handwerk in Schleswig-Holstein. Studien zur Volkskunde und

Kulturgeschichte Schleswig-Holsteins, Band 18. Karl Wachholtz Verlag, Neumüns-

ter, 1987.

MEHL, H. (HRSG.): Altes Handwerk in Schleswig-Holstein. Werkzeug und Arbeits-

formen im Wandel. Westholsteinische Verlagsanstalt Boyens & Co., Heide, 1999.

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Altlasten-Leitfaden Schleswig-Holstein: Erfassung Anhang 11 Histinvest - Dr. Klaus Schlottau, Bremen

Branchenblatt Chemische Reinigung

Inhaltsverzeichnis Seite

1 Bezeichnung der Branche 2

2 Historischer Überblick 2

3 Allgemeiner Verfahrensablauf 5

3.1 Detachur 7

3.2 Reinigung 7

4 Umweltrelevante Verfahrens- und Produktionsschritte sowie Verun-

reinigungspotentiale 12

5 Gesetzliche Ausführungsvorschriften für verwendete Stoffe/

Stoffgruppen 15

6 Altlastrelevante/altlastirrelevante Nutzungszeiträume 16

7 Literaturhinweise 18

Anhang Gebräuchliche Detachurmittel 20

Abb. 1: Blick in die Reinigungshalle der Fa. Stichweh, Hannover 1978. (Quelle:

KURZ)

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Seite 2 Branchenblatt Chemische Reinigung

Altlasten-Leitfaden Schleswig-Holstein: Erfassung Anhang 11

1 Bezeichnung der Branche

Die chemische Reinigung dient der Entfernung von Fetten, Ölen, Ruß, Schmierstof-

fen oder anderen Verschmutzungen aus Textilien und Leder. Sie unterscheidet sich

von der Wäscherei darin, dass anstelle des Wassers als Lösungsmittel für wasch-

wirksame Seifen ein leicht flüchtiges chemisches Lösungsmittel mit hohem Lö-

sungsvermögen für Fette und Öle eingesetzt wird. Es handelt sich daher um eine

sogenannte „Trockenreinigung“. Diese Bezeichnung, die der englischen und franzö-

sischen Bezeichnung entspricht, war auch in Deutschland bis zum Beginn des 20.

Jahrhunderts gebräuchlich und brachte zum Ausdruck, dass fast kein Wasser für die

Reinigung benutzt wurde. Diese strikte Trennung galt und gilt jedoch nur scheinbar,

weil Kleidung niemals ausschließlich nur mit Schmutz verunreinigt ist, der sich ent-

weder mit Wasser oder mit einem der chemischen Lösungsmittel entfernen lässt.

Wasserlösliche Verunreinigungen wie Schweiß, Urin, Rotwein etc. wurden daher

früher vor oder nach der Hauptreinigung durch eine Detachur beseitigt, während in

der Neuzeit stets geringe Mengen wasserlösliche waschaktive Reinigungsmittel im

Vollautomaten zugesetzt werden. Dieses Reinigungswasser muss als Kontaktwas-

ser, in dem sich geringe Mengen der Reinigungsflüssigkeit gelöst haben, gesondert

behandelt werden.

2 Historischer Überblick

Die chemische Reinigung als eigenständiger Dienstleistungsbetrieb entstand aus

der Färberei. Für das Nachfärben gebrauchter, in der Regel verschmutzter Kleidung

war es erforderlich, die Faser im Gewebe möglichst sauber mit der neuen Farbflotte

in Berührung zu bringen, daher ist in der Färberei die Vorstufe zur gewerblichen

Reinigung zu suchen. Das Bedürfnis nach anderen Waschverfahren für Kleidung

entstand im 19. Jahrhundert, weil im Zuge der Industrialisierung immer mehr Fette

und Schmieröle eingesetzt wurden und in der Luft ein zunehmender Anteil Ruß vor-

handen war. Die üblichen Schmutzpartikel wie Staub etc. sammelten sich auf diesen

wasserunlöslichen Flecken und konnten dann auch mit den üblichen Verfahren nicht

entfernt werden.

Der französische Färber Jolly Bellin wandte im Jahr 1826 erstmalig Terpentinöl für

die Beseitigung fetthaltiger und verharzter Flecken in der Fleckentfernung (De-

tachur) an und stellte dabei fest, dass dieses Mittel nicht allein für die Fleckenent-

fernung, sondern auch für die Wäsche des gesamten Kleidungsstückes geeignet

war. Er konnte daher auf die bekannten Verfahren der Nasswäsche - langes Ein-

weichen, Reiben, Kochen, Spülen – verzichten, was zugleich auch mit einem Vorteil

für die Oberbekleidung verbunden war: sie schrumpfte und verzog oder verfilzte sich

nicht. Zudem mussten Seidenapplikationen oder Mischgewebe nicht mehr von dem

Kleidungsstück abgetrennt und später wieder aufgenäht werden.

Terpentinöl hat jedoch einen lang anhaltenden Geruch, so dass wenig später Ben-

zol und Benzine für diese Reinigung genutzt wurde. Die technische Ausstattung

unterschied sich in keiner Weise von jener der Färberei oder der zu diesem Zeit-

punkt in den Großstädten aufkommenden Großwäschereien. Bereits Bellin hatte

aus der Reinigung in seiner Schönfärberei einen eigenen Geschäftszweig gemacht,

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Branchenblatt Chemische Reinigung Seite 3

Altlasten-Leitfaden Schleswig-Holstein: Erfassung Anhang 11

indem er diese Leistung auch unabhängig von der Färberei anbot. Als „Pariser

Waschanstalt“ wurden ab 1850 in den europäischen Großstädten nach und nach

Großbetriebe der Färberei und Reinigung gegründet, so z.B. 1853 in Hannover die

„Färberei und Neueste Chemische Pariser Waschanstalt“ von Friedrich A. Stichweh.

1854 wurde in Berlin die erste Wäscherei und Färberei, die die trockene und chemi-

sche Reinigung anbot, gegründet (Orland, 1991). Es handelte sich hierbei um die

Firma Spindler.

Die Wandlung der kleingewerblichen Schönfärberei zur chemischen Reinigung mit

Benzin war jedoch nur mit Ausnahmen möglich: Der Umgang mit leichtflüchtigem

Benzin war mit erheblichen Brandgefahren verbunden, so dass die Stadt Paris be-

reits vor dem Ende des 19. Jahrhunderts die Aufnahme dieses Gewerbes in der

Stadt und deren Umfeld verboten hatte. 1903 wurden vergleichbare Auflagen auch

für das Deutsche Reich verbindlich, nachdem sich der Gesetzgeber mit der Situati-

on der Reinigungsgewerbe, von denen es zu diesem Zeitpunkt bereits 1.540 Betrie-

be gab, beschäftigt hatte. Wie die bereits genannten Firmen von Spindler oder

Stichweh mussten die neuen Reinigungsbetriebe an die Peripherie ausweichen, wo

die Gefährdung der Nachbarn durch Brände nicht so groß war, z.B. „Spindlerfeld“ in

Berlin. Um den Kontakt zu den Kunden zu halten, wurden daher in den Geschäfts-

vierteln der Städte Annahmestellen eingerichtet, wo die Kunden die Kleidung abge-

ben und wieder in Empfang nehmen konnten.

Abb 2: Liegende Benzinwaschmaschine mit Dampfseparator und Kondensator,

1927. (Quelle ROGGENHOFER; 1927).

In den Betrieben waren aus sicherheitstechnischen Gründen nach und nach ge-

schlossene Waschmaschinen, Schleudern und Trockner eingeführt worden, die sich

erheblich von den Anfängen der Maschinisierung der Wäscherei unterschieden. Zur

Vermeidung der Benzinverdunstung, die eine der Hauptursachen für vielfach ent-

stehende Brände war, wurden die Maschinen mit manuell zu schließenden oder

halbautomatisch schließenden Deckeln versehen, die zugleich an eine Absauganla-

ge angeschlossen waren. Aus dieser Schutzmaßnahme entwickelte sich der Ge-

danke, das Benzin, den teuersten Verbrauchsstoff der Reinigung, zurückzugewin-

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Seite 4 Branchenblatt Chemische Reinigung

Altlasten-Leitfaden Schleswig-Holstein: Erfassung Anhang 11

nen, indem die Maschinen und Absauganlagen an eine Redestillation angeschlos-

sen wurden. Hieraus entstand allmählich ein fast geschlossenes System. Allein das

Umladen von Maschine zu Maschine bei geöffneten Deckeln führte noch zu erhebli-

chen Verdunstungen, so dass ab Mitte der 1920er Jahre die ersten Kombinations-

maschinen für Waschen, Schleudern und Trocknen aufkamen, in denen als Schutz-

gas Stickstoff eingesetzt wurde. Diese Maschinen benötigten allerdings eine große

Stellfläche und hatten einen hohen Kraft- und Wärmebedarf sowie zahlreiche Ne-

benanlagen für die Kühlung, Kondensation und Redestillation, so dass nur Großbe-

triebe über derartige Anlagen verfügten.

Eine Hauptursache für die Brände in Benzinwäschereien war damit fast beseitigt

worden. Eine anderes Problem, die statische Aufladung des Benzins in der Maschi-

ne, das besonders bei der Reinigung von wollenen Kleidungsstücken auftrat, konnte

seit dem Beginn des 20. Jahrhunderts durch den Zusatz von „Benzinseife“, einem

Magnesiumsalz, herabgesetzt werden. Durch diese Sicherheitseinrichtungen gelang

es der Benzinwäscherei bis zum Ende der 1960er Jahre konkurrenzfähig zu ande-

ren Reinigungsverfahren, die sich nach und nach etablierten, zu bleiben.

Bei den konkurrierenden Reinigungsmitteln handelte es sich in der Regel um che-

mische Lösungsmittel, die bereits aus der Detachur bekannt waren. Insbesondere

wurden in der Fachliteratur seit ca. 1904 Tetrachlorkohlenstoff und seit ca. 1920

bzw. Ende der 1920er Jahre Trichlorethen und Perchlorethen zunehmend genannt.

Diese Lösungsmittel waren in der Chemie zwar bereits seit 1820 bzw. 1840 be-

kannt, wurden aber erst jetzt in größeren Mengen von der Chemischen Industrie

hergestellt, so dass der Preis langsam auf jenen von Benzol oder Benzin sank. Der

große Vorteil dieser Chlorkohlenwasserstoffe (CKW) bestand darin, dass sie nicht

brennbar waren und folglich auch in den offenen Altmaschinen, die bei vielen kleine-

ren Betrieben immer noch in Gebrauch waren, genutzt werden konnten.

1949 wurden in den Vereinigten Staaten die ersten geschlossenen Reinigungsvoll-

automaten patentiert, 1951 wurde von der Firma Böwe auch in Deutschland eine

vergleichbare Maschine angeboten. Alle Arbeitsvorgänge (das Vorspülen, Waschen

und Schleudern) fanden innerhalb einer Maschine statt, so dass nur noch das Tro-

ckenen auf Hängegestellen außerhalb der Maschine von statten ging. Diese Ma-

schinen waren für die Anwendung der halogenierten Kohlenwasserstoffe und deren

Redestillation in einem Wärmetauscher prädestiniert. Es handelte sich zunächst

noch um Geräte mit einem hohen Platzbedarf und Drehstromanschluss, die bis zu

80 kg Wäsche und ca. 200 l Flotte enthielten. Ein Jahrzehnt später hatten sich die

Dimensionen der Reinigungsautomaten deutlich verringert, weil sie nur noch für

eine Wäschebeladung von bis zu 20 kg ausgelegt waren. Sie benötigten eine Stell-

fläche von ca. 4 m² bei einer Höhe von ca. 2,20 m. In den Großreinigungen waren

bis zu zehn solcher Maschinen zu einem Karussell vereint, das von einer Person

bedient wurde.

In der Reinigungsbranche gab es bis zu diesem Zeitpunkt nur die Trennung von

zentralem Reinigungsbetrieb an der Peripherie und Annahmestellen im Zentrum der

Stadt. Aus den Annahmestellen konnten sich nun Filialen oder Ladengeschäfte ent-

wickeln, weil die Maschinen klein genug waren und die LHKW als Lösungsmittel

einen sicheren Betrieb gemäß damaliger Arbeitsschutzauflagen auch in den Innen-

städten gestatteten. Für den Betrieb einer Schnellreinigung wurde daher seit 1954

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Branchenblatt Chemische Reinigung Seite 5

Altlasten-Leitfaden Schleswig-Holstein: Erfassung Anhang 11

keine abgeschlossene Lehre als Wäscher oder Reiniger verlangt, so dass auf der

Basis eines Sachkundenachweises Reinigungsbetriebe in großer Zahl entstanden,

die vorwiegend von einem italienischen Maschinenbaubetrieb mit den notwendigen

Geräten ausgestattet wurden. Zusätzlich entstanden seit ca. 1960 Waschsalons, in

denen auch Reinigungsautomaten im Selbstbedienungsbetrieb aufgestellt wurden.

Der Bedarf an chemischen Reinigungen, der durch neue Kunstfasern gefördert wur-

de, und die Möglichkeit, diese Dienstleistung nunmehr auch selbstständig in unmit-

telbarer Nachbarschaft der Kunden anzubieten, führte dazu, dass in den 1970er

Jahren mehr als 20.000 Reinigungsbetriebe in der Bundesrepublik existierten. Von

diesen waren zwei Drittel als klein- oder mittelständisches Unternehmen geführt. In

den Einkaufszentren, den Innenstädten, selbst in den Ladenzeilen der neuen Hoch-

haussiedlungen waren nunmehr chemische Reinigungen ein selbstverständlicher

Bestandteil des Branchenmixes.

Abb. 3: Chemischreiniger beim Befüllen eines Reinigungsautomaten, 1984.

(Quelle: RZEPKA, 1984)

Seit der Verkündung des 2. Bundes-Immissionsschutzgesetzes 1990 nahm die An-

zahl der Reinigungen bis auf gegenwärtig ca. 3.200 rapide ab. Nach Berechnungen

des Verbandes der Deutschen Textilreiniger benötigte 1990 eine normale kleinge-

werbliche Reinigung ein Kapital von DM 120.000,- um den Betrieb innerhalb der

Übergangsfrist von 2 Jahren für Altbetriebe auf die neuen gesetzlichen Auflagen

umzurüsten.

3 Allgemeiner Verfahrensablauf

Die Kleidungsstücke werden gewöhnlich nach Gewicht oder Stückzahl vom Kunden

bei der Annahmestelle, einem Fahrer oder direkt im Reinigungsbetrieb aufgegeben.

Eine Fachkraft sortiert daraufhin die Kleidungsstücke anhand der Pflegezeichen und

Farben den Waschgängen in Benzin oder Per zu und kontrolliert zugleich, ob be-

sondere Flecken vorhanden sind, die einer Vordetachur zu unterziehen sind. Sofern

eine Vorbehandlung erforderlich ist, wird diese an einem Detachurtisch durchge-

führt, bevor die Kleidung dann einer Vollreinigung in Benzin, Per oder einem Fluor-

chlorkohlenwasserstofflösungsmittel zugeführt wurde. Die chemische Reinigung

wird in der Maschine unter ständiger Bewegung vollzogen. Bis ca. 1950 musste die

Kleidung dann von der offenen oder geschlossenen Waschmaschine in eine

Schleuder umgeladen werden. In den neuen Automaten war die Schleuder inte-

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Seite 6 Branchenblatt Chemische Reinigung

Altlasten-Leitfaden Schleswig-Holstein: Erfassung Anhang 11

griert, so dass diese Handhabung, die stets mit großen Abtropfverlusten verbunden

war, entfiel. Aus der Schleuder wurden die Kleidungsstücke bis zum Ende der

1980er Jahre zum Trocknen auf offenen Ständern getrocknet, so dass auch hierbei

noch Abtropf-, vor allem aber Verdunstungsverluste eintraten.

Nach dem Trocknen wurde kontrolliert, ob alle Flecken entfernt worden waren. Falls

dies nicht der Fall war, wurde geprüft, ob mit Hilfe einer Nachdetachur eine vollstän-

dige Reinigung möglich war – im Zweifelsfall wurde diese unterlassen, um nicht das

Gewebe zu zerstören. Gewöhnlich wurde die Nachkontrolle bereits mit dem Bügeln

oder Dämpfen verbunden. Nach Abschluss dieser Arbeiten musste im Versand die

Kundenlieferung anhand der Einlieferungsscheine und der einzelnen Annahmestel-

len wieder zusammengestellt werden.

Die chemische Reinigung ist daher, unabhängig von singulären Ereignissen oder

vermeidbaren Handhabungsverlusten, grundsätzlich mit vier Verfahrensschritten,

die die Umwelt beeinträchtigen können, verbunden:

1. Die Reinigung, bei der gefährdende flüssige Stoffe freigesetzt werden kön-

nen;

2. Die Trocknung der gereinigten Kleidung, bei der Gase der Reinigungsmittel

freigesetzt werden können, die in der Umgebung kondensieren;

3. Die Rückgewinnung des Lösungsmittels aus der Trommel und aus der Klei-

dung durch Schleudern, Abpumpen, Absaugen in Vorrats- und Arbeitstanks;

4. Die Reinigung des Lösungsmittels durch Abscheidung von groben Verunrei-

nigungen in Schmutz-, Nadel- und Flusenfängern und Filtern sowie die an-

schließende Reinigung durch Destillation.

Selbst in einem geschlossenen Maschinensystem entstehen daher Rückstände

bzw. Abfälle, die bei fachkundiger Betriebsführung in geschlossenen Behältern auf-

gefangen und von Fachbetrieben entsorgt werden.

Abb. 4: Schematische Darstellung des Reinigungsmittelflusses in einem Reini-

gungsautomaten (Quelle: AbwV, Anhang 52).

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Branchenblatt Chemische Reinigung Seite 7

Altlasten-Leitfaden Schleswig-Holstein: Erfassung Anhang 11

3.1 Detachur

In der Detachur prüft der Reiniger, ob die Kleidung Flecken enthält, die mit dem Lö-

sungsmittel, mit dem die Reinigung durchgeführt werden soll, nicht entfernt werden

können. Entsprechend der Art der Flecken, der Art der Faser und des gewählten

Grundreinigungsmittels müssen dann von der Fachkraft Lösungsmittel für die Vor-

behandlung (gegebenenfalls auch für die Nachdetachur) gewählt werden, mit denen

diese Verunreinigungen dann vor dem allgemeinen Waschgang entfernt werden.

Dies geschieht gewöhnlich auf einem mit Zinkblech beschlagenen Detachurtisch.

Zunächst wird der Fleck durch Bürsten von festen Verunreinigungen befreit, dann

wird Filterpapier unter den Fleck gelegt und mit einem Lappen das Lösungsmittel

vorsichtig eingerieben und gleich wieder aufgesogen.

Die Art der Lösungsmittel und der Lösungsmittelgemische für diesen Zweck ist sehr

vielfältig. Fast immer aber ist eines der Lösungsmittel beteiligt, mit denen auch eine

Vollreinigung ausgeführt werden könnte. Daneben tauchen auch Seifen, Reini-

gungsverstärker, Tenside oder Enzyme auf. Die gebräuchlichsten Detachurmittel

sowie deren Synonyme oder Handelsnamen sind in alphabetischer Folge im An-

hang aufgeführt.

3.2 Reinigung

Das Grundproblem jeder Reinigung besteht darin, ein polares Lösungsmittel zu fin-

den, das einen nicht in Wasser oder Seife löslichen verschmutzenden Stoff löst,

ohne die Kleidung zu entfärben oder gar zu zerstören. Solche lipophilen Lösungs-

mittel standen erst mit der Entwicklung der Petrochemie und der Chemischen In-

dustrie zur Verfügung. In der Regel aber waren die Lösungsmittel bereits zuvor in

Laboren entdeckt oder in kleinen Mengen produziert worden. Die Mengen jedoch,

die von Reinigungen benötigt wurden, konnten Labore nicht produzieren oder sie

waren so teuer, dass, angesichts der zunächst großen Verluste in den offenen Ma-

schinen, ein Einsatz sich aus betriebswirtschaftlichen Gründen verbot.

Ein weiterer Gesichtspunkt für die Wahl des Reinigungsmittels bestand in der An-

wendungssicherheit. Narkotisierende Mittel wie Äther, Chloroform, Benzol oder Ace-

ton, die zudem noch brandgefährlich waren, wurden daher zwar in kleinen Mengen

eingesetzt, jedoch in der Regel nicht für die Massenware genutzt. Benzine waren

zwar ebenfalls feuergefährlich, konnten aber ab Ende des 19. Jahrhunderts zu-

sammen mit den Benzinseifen unter Beachtung aller Sicherheitsvorschriften ohne

größere Probleme genutzt werden. Nachdem ab Mitte der 1920er Jahre immer mehr

geschlossene Maschinen auf den Markt kamen und nicht entzündliche Lösungsmit-

tel zur Verfügung standen, begann die Automatisierung und Verkleinerung bei

gleichzeitiger Rückgewinnung der Lösungsmittel, die letztlich zu den verhältnismä-

ßig sicheren Vollautomaten der Neuzeit führte. Neue synthetische Textilfasern er-

forderten neue Lösungsmittel, die in den Fluorchlorkohlenwasserstoffen gefunden

wurden, so dass nunmehr eine breite Palette von Lösungsmitteln für unterschiedli-

che Textilfasern und Flecken zur Verfügung stand. Die folgende Tabelle 1 vermittelt

eine chronologisch geordnete Übersicht über die gebräuchlichen Trockenreini-

gungsmittel, deren Eigenarten und Einsatzgebiete sowie deren Handelsnamen.

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Seite 8 Branchenblatt Chemische Reinigung

Altlasten-Leitfaden Schleswig-Holstein: Erfassung Anhang 11

Tabelle 1 Chronologie der wichtigen Trockenreinigungsmittel

Name Nutzungszeit-raum

Bemerkungen

Terpentinöl 1825 - 1860 Terpentinöl ist eine farblose, giftige Flüssigkeit, die nicht wasserlöslich ist. Es war das erste, zufällig gefundene Trockenreinigungsmittel. Es handelt sich um ein durch Destillation gereinig-tes Kiefern- oder Kienöl. Der Nachteil des Öls besteht darin, dass dem damals gewöhnlich unraffinierten Terpentin ein übler Geruch anhaf-tet. Mit gereinigtem Terpentinöl (Universalver-dünner) wird auch heute noch gearbeitet – vgl. Tabelle Detachiermittel im Anhang.

Spiritus, Alkohol 1850 Mit dem Anstieg der gewerblichen Brennerei als landwirtschaftlichem Nebengewerbe stand seit Mitte des 19. Jahrhunderts genügend Äthanol zur Verfügung, um in der Reinigung in Massen eingesetzt werden zu können. Aus steuerlichen Gründen wurde dem Alkohol allerdings ein Ver-gällungsmittel zugesetzt.

Petroleum 1860 - 1900 Die zwischen 150°C und 220°C siedenden Fraktionen der Alkane kamen ab 1859 mit der Verbreitung der Petroleumlampe in zunächst sehr geringen Mengen über die Apotheken auf den Markt. Mit zunehmendem Import von Rohöl und dem Aufbau der ersten Raffinerien in Bre-men und Hamburg ab 1865 wurde Petroleum (Lampenöl), aus dem dann später die Benzine destilliert wurden, so preiswert, dass es auch in der Reinigung eingesetzt wurde.

Leichtbenzin/ Petroleumbenzin

1860 - 1960 Die niedrig siedenden Mineralkohlenwasser-stoffe der Alkane zwischen Pentan und Nonan kamen ab 1850 in zunächst sehr geringen Mengen als Wundbenzin über die Apotheken auf den Markt und wurden wegen des hohen Preises und der Feuergefahr nur in der De-tachur eingesetzt. Mit der Einführung der Vaku-umdestillation in Europa ab 1904 stand Leicht-benzin in großen Mengen zur Verfügung und verbilligte sich ganz entscheidend, so dass die Benzinreinigung zum Standard wurde. Da die-ses Reinigungsmittel sich sehr schnell entzün-dete, trug die Erfindung der Benzinseife ent-scheidend zur Ausbreitung bei.

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Branchenblatt Chemische Reinigung Seite 9

Altlasten-Leitfaden Schleswig-Holstein: Erfassung Anhang 11

Name Nutzungszeit-raum

Bemerkungen

Schwerbenzin (Handelsnamen z.B.: Kristallöl 30, Stoddard Solvent, White Spirit, Essovarsol, Test-benzin)

1860 – 1960 Mit Schwerbenzin als Reinigungsmittel sollen bereits die ersten Reinigungsbetriebe in Berlin, Warschau, Wien oder Hannover gearbeitet ha-ben. Es handelt sich heute um ein Gemisch von Alkanen zwischen Nonan und Dodecan, die teils oberhalb des Petroleums sieden und mit dem 1925 von dem Amerikaner Stoddard er-fundenen White Spirit oder Stoddard Solvent vergleichbar sind. Diese Schwerbenzine stehen den Paraffinen schon sehr nahe und sind daher zwar brennbar, aber nicht so leicht entzündlich wie Benzin oder Leichtbenzin. Unter Berück-sichtigung der Faktoren Reinigungswirkung, Betriebskosten und Betriebssicherheit für Rei-nigungsmittel handelte es sich lange Zeit um das Mittel der Wahl. Schwerbenzin wird auch heute noch in vielen Ländern eingesetzt. Seit 1993 werden Paraffine oder Paraffinöle als so-genannte „neue Kohlenwasserstoffe“ (vgl. dort) auch in der Reinigung wieder verstärkt einge-setzt.

Benzol/ Hütten-benzin

1870 Benzol (C6H6) wurde als eines der ersten künst-lich hergestellten organischen Lösungsmittel zunächst nur zögerlich in der Detachur einge-setzt, seitdem aber die Gasanstalten größere Mengen davon produzierten (ca. 1870), auch in der Trockenreinigung. Der Vorteil bestand da-rin, dass kein Geruch verblieb. Nachteilig war die große Feuergefährlichkeit und Giftigkeit sowie der sehr hohe Preis, der erst zum Ende des 19. Jahrhunderts sank. Da in Schleswig-Holstein nur das Hochofenwerk in Lübeck mit einer derartigen Nebenproduktanlage ausge-stattet war, ist der Einsatz von Benzol als Sub-stitut zu Benzin unwahrscheinlich.

Tetrachlorkohlen-stoff/ Tetrachlor-methan (Han-delsname z.B. Tetra oder As-ordin)

1904 - 1960 Seit 1904 ist das 1830 erfundene Tetra (CCl4) in der Literatur als Alternative genannt. Es hatte den großen Vorteil gegenüber den bisherigen Lösungsmitteln, nicht brennbar zu sein und nahezu jeden Fleck entfernen zu können. Von Nachteil war allerdings der hohe Preis, so dass ein massenhafter Einsatz in den damaligen offenen Maschinen nicht erfolgte.

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Seite 10 Branchenblatt Chemische Reinigung

Altlasten-Leitfaden Schleswig-Holstein: Erfassung Anhang 11

Name Nutzungszeit-raum

Bemerkungen

Trichlorethen „Tri“ (Handelsnamen z.B.: Tri, Dynatri, Trilene, Westro-sal, Drawinal)

1920 - 1930 Trichlorethen (C2HCL3) verdankte seine Ver-wendung in der Reinigung einerseits seiner relativ hohen Wasserlöslichkeit, andererseits dem verhältnismäßig geringen Preis und der Tatsache, dass es wie Tetra nicht brennbar ist. Zunächst als Reinigungsverstärker in der Nasswäsche eingesetzt, konnte es bald Benzol und Tetra in der Trockenreinigung verdrängen. Da es aber an der Luft unter Lichteinfluss schnell in Chlorwasserstoff, Kohlenmonoxid und Phosgen zerfällt, und zudem die Metalltei-le der Maschinen angreift, konnte es mit dem bald danach entwickelten Per nicht konkurrie-ren.

Perchlorethen/ Tetrachlorethen „Per“ (Handelsname: Perawin, Dy-naper, Dow-Per, Wacker-Per, Phillsolv, Per-cosolv)

1930 - aktuell Perchlorethen (C2CL4). war nicht teurer als Trichlorethen, zersetzte sich an der Luft aber nicht in dem hohen Maße und griff auch die Maschinen nicht so intensiv an. Zudem war es ebenfalls nicht brennbar, so dass Per bis in die Gegenwart in ca. 80 % aller Reinigungen ge-nutzt wird.

Monofluortri-chlorethan (R 11) (Handelsnamen z.B.: Frigen 11, Freon 11, Fri-Dohna F 11, Di-onal, Kaltron DC 11)

1960 - 1980 Mit der Einführung neuer chemischer Textilfa-sern (Nylon, Nyltest, Perlon, Dralon etc.) wur-den in der chemischen Reinigung Lösungsmit-tel benötigt, die die Faser nicht wieder auflös-ten. Die meisten Kunststofffasern werden bei der Herstellung in Lösungsmitteln verflüssigt, die nach der Passage der Spinndüsen mög-lichst schnell verdunsten, so dass Leichtbenzi-ne, BTEX und LHKW für die Reinigung nicht mehr in Frage kamen. Als Alternative wurde die Gruppe der Fluorchlorkohlenwasserstoffe (FCKW) entdeckt, die aufgrund ihrer thermi-schen Stabilität bereits in den Kühlkreisläufen der Kühlschränke eingesetzt wurde. Sie sind nicht brennbar, können Fette und Öle gut lösen und sind leicht zu redestillieren. R 11 (CFCl3) hatte, ähnlich wie ehedem Tri, allerdings den Nachteil sehr flüchtig zu sein, so dass selbst in geschlossenen Automaten der Verbrauch unwirtschaftlich war. Nachdem sich bis 1980 herausgestellt hatte, dass nicht alle modernen Stoffe, die mit dem Pflegesymbol F gekennzeichnet waren, dem R 11 widerstan-den, wurde seine Nutzung in Automaten ein-gestellt.

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Branchenblatt Chemische Reinigung Seite 11

Altlasten-Leitfaden Schleswig-Holstein: Erfassung Anhang 11

Name Nutzungszeit-raum

Bemerkungen

Trifluortrichlor-ethan (R 113) (Handelsnamen z.B.: Frigen 113, Freon 113, Fri-Dohna F 113, Kaltron DC, Val-clene)

1960 - 1990 R 113 (C2F3CL3) wurde zeitgleich mit R 11 eingeführt und besaß ähnliche Vorteile, ver-dunstete allerdings nicht in gleicher Menge und löste moderne Textilien weniger als R 11, so dass dieses Reinigungsmittel bis ca. 1990 ne-ben Per und Schwerbenzin zum Standard der gebräuchlichen Lösungsmittel gehörte. Der Einsatz ist wegen erheblicher Gesundheitsge-fährdungen verboten.

1,1,1-Trichlor-ethan

1985 - 1992 1,1,1-Trichlorethan ist ein Reinigungsmittel, das erst kurz vor der Verabschiedung des WHG eingeführt wurde. Es handelt sich um ein Lösungsmittel, das bereits in der Metallentfet-tung mit Erfolg eingesetzt worden war und dann wegen seiner hohen chemischen und physikalischen Stabilität auch Eingang in die Chemische Reinigung fand. Der Verdacht, dass dieses Mittel mutagen und canzerogen ist sowie die 1991 erfolgten Verbote und Nut-zungseinschränkungen gegen die in der Reini-gung eingesetzten LHKW, zu denen auch die-ser Stoff gehört, beendeten die kurze Karriere des 1,1,1-Trichlorethan ebenso wie die des Dichlorethan.

Kohlenwasser-stofflösemittel (KWL) (Handelsnamen z.B.: Shellsol TK, Shellsolreiniger DSC, Rynex, Green-earth, n-Undecan, N 11, Actrel Dry, Clean 56)

1993 - aktuell Die „neuen Kohlenwasserstoffe“ in der Reini-gungschemie, die ohne Fluor- oder Chlorver-bindungen auskommen, wurden nach Einfüh-rung der 2. BImSchV als Alternativen zu den umweltschädigenden LHKW und FCKW pro-pagiert. Es handelt sich in der Regel um Gemi-sche von Alkanen, Cycloalkanen und Aroma-ten mit zehn bis zwölf C-Atomen: Paraffine von Decan bis Dodecan oder Cyclodecan bis Cyclododecan sowie um Naphthaline: Methyl- und Dimethylnaphthaline. Ein Teil dieser neuen Lösungsmittel wurde in der Geschichte der Reinigung bereits seit lan-ger Zeit unter dem Namen „Schwerbenzin“ benutzt. Neben die Alkane sind nun aber auch die Cyclo- und Isoalkane getreten, die ähnliche Reinigungseigenschaften besitzen. Insgesamt ist dieses Reinigungsmittel dem Dieselkraft-stoff, der schon jahrzehntelang in der Ent-wachsung, Entfettung und Entölung von Fahr-zeugen und Maschinen eingesetzt wurde, in der Zusammensetzung und Eigenschaften relativ ähnlich. Gegenwärtig werden ca. 20 % der Reinigungen mit diesem Mittel durchge-führt.

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Seite 12 Branchenblatt Chemische Reinigung

Altlasten-Leitfaden Schleswig-Holstein: Erfassung Anhang 11

4 Umweltrelevante Verfahrens- und Produktionsschritte sowie Verunreinigungspotentiale

Die Umstellung der Maschinen auf eine vollständig geschlossene Arbeitsweise be-

gann in den 1920er Jahren und war bis in die 1930er Jahre im Wesentlichen abge-

schlossen. Bis dahin traten während der Wäsche erhebliche Verdunstungen des

Lösungsmittels auf, denen sich die Verkleckerungen beim Umladen von einer Ma-

schine zur nächsten noch hinzugesellten. Pro Waschgang war ein Verlust von bis zu

30 Prozent anzunehmen. Sofern es sich um Benzine handelte, waren die Verduns-

tungen und auch die Verkleckerungen in der Regel nicht nachhaltig umweltrelevant.

Verdunstungen von Tetra, Tri oder Per jedoch sammelten sich wegen ihres spezifi-

schen Gewichtes auf dem Boden, im Estrich und in den Kellern, kondensierten dort

und konnten dann über den Boden ins Grundwasser gelangen.

Abb. 5: Schematische Darstellung des Trocknungs- und Kondensationsvorganges

(Quelle: AbwV, Anhang 52).

Geschlossene Maschinen wurden in der Benzinwäscherei zunächst noch mit

Schutzgas betrieben, um Entzündungen zu vermeiden. Aus betriebswirtschaftlichen

Gründen wurden sie - wie auch Maschinen für die anderen Lösungsmittel – an eine

Anlage zur Rückgewinnung der Lösungsmittel, eine Redestillation, angeschlossen,

so dass sich die durchschnittlichen Lösungsmittelverluste pro Waschgang auf ca. 10

Prozent reduzieren ließen. Bei einer Maschinenfüllung mit 80 kg Wäsche und ca.

200 l Flotte betrug der Verlust mithin immer noch ca. 20 l Lösungsmittel. Diese Ver-

luste waren auf das noch immer gebräuchliche Umladen von Maschine zu Maschine

sowie die anschließende Lufttrocknung zurückzuführen.

Mit der Einführung der Redestillation im kontinuierlichen Betrieb entstand neben den

Lösungsmittelverlusten ein neuer Problemstoff: Im Lösungsmittel sind alle öligen,

fettigen, harzigen, teerhaltigen und sonstigen Schmutzstoffe gelöst. Hier ist insbe-

sondere die Anreicherung von polychlorierten Dibenzodioxinen (PCDD) und poly-

chlorierten Dibenzodifuranen (PCDF) im Destillationsrückstand von Bedeutung. Bei-

de Stoffe sind in der angelieferten Ware enthalten und werden durch die Reinigung

herausgelöst. Die Entsorgung erfolgt heute fachgerecht zusammen mit den Aktiv-

kohlefiltern und dem Kontaktwasser.

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Branchenblatt Chemische Reinigung Seite 13

Altlasten-Leitfaden Schleswig-Holstein: Erfassung Anhang 11

Abb. 6: Schematische Darstellung des Destillationsvorganges (Quelle: AbwV,

Anhang 52).

Mit der Einführung der geschlossenen Vollautomaten sank der Lösungsmittelverlust

seit 1960 von ca. 10 auf gegenwärtig ca. 1 Prozent des eingesetzten Flottenvolu-

Ablaufschemata der Chemischen Reinigung

Industriereinigung, offene Systeme bis ca. 1990 Filialen, geschlossene Automaten, ab ca. 1992

• 1. Annahme: Chargenkennzeich-nung.

• 2. Sortieren: Sortierkriterien sind Pflegekennzeichen und Farbe.

• 3. Vordetachur: Beseitigung von Flecken, die mit dem Lösungsmit-tel des Hauptreinigungsganges nicht zu entfernen sind.

• 4. Hauptreinigung: Maschinenwä-sche, die in Lösungsmitteln durch-geführt wird, die den Pflegekenn-zeichen entsprechen.

• 5. Umfüllen in Transportbehälter.

• 6. Schleudern, um die Reinigungs-flüssigkeit zu entfernen.

• 7. Umfüllen in Transportbehälter.

• 8. Trocknen des Reinigungsgutes in Trockenmaschinen.

• 9. Nachdetachur, um Flecken zu beseitigen, die in dem Hauptreini-gungsmittel nicht löslich waren.

• 10. Lüften in Hängegestellen.

• 11. Finish und Legen.

• 12. Ausgabe: Zusammenstellung des Kundenauftrages.

• 1. Annahme: Chargenkenn-zeichnung.

• 2. Sortieren: Sortierkriterien sind Pflegekennzeichen und Farbe.

• 3. Vordetachur: Beseitigung von Flecken, die mit dem Lösungs-mittel des Hauptreinigungsgan-ges nicht zu entfernen sind.

• 4. Hauptreinigung: Maschinen-wäsche, die in Lösungsmittel durchgeführt wird, die den Pfle-gekennzeichen entsprechen. In der Maschine wird zugleich ge-schleudert, getrocknet, gelüftet und Lösungsmitte redestilliert.

• 5. Nachdetachur, um Flecken zu beseitigen, die in dem Hauptrei-nigungsmittel nicht löslich wa-ren.

• 6. Finish und Legen.

• 7. Ausgabe: Zusammenstellung des Kundenauftrages.

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Seite 14 Branchenblatt Chemische Reinigung

Altlasten-Leitfaden Schleswig-Holstein: Erfassung Anhang 11

mens. Dieser Verlust war teils auf das Auslüften der Kleidung nach dem Reini-

gungs- und Schleudervorgang, teils auf die Entsorgung von Kondensat, Kontakt-

wasser und Destillationsrückständen in den öffentlichen Kanal, zurückzuführen. Erst

am Beginn der 1990er Jahre wurde dieser Verlust durch die Einführung der Kälte-

absorptionstechnik in der vollautomatischen Kleidertrocknung minimiert. Seither sind

die Reinigungsmaschinen in einem vollständig geschlossenen Kreislauf mit Filter-

kartuschen für die Gase, Aktivkohlefiltern für die gekühlte Abluft sowie gesondert zu

entsorgenden Rückstandscontainern für Schmutzrückstände, verbrauchte Filter und

Kontaktwasser zu betreiben. Während des Reinigungsvorganges und des anschlie-

ßenden Trocknens können die Maschinen nicht geöffnet werden, bis der Vorgabe-

wert in der Trockenluft unterschritten ist. Reinigungen, die seit 1988 mit einer neuen

vollautomatischen Maschine ausgestattet wurden, werben daher gerne mit einem

Ein-Stunden-Service.

Insgesamt ist über die Jahrzehnte eine kontinuierliche Verminderung der Lösungs-

mittelverluste durch eine stetige Verbesserung der Automaten zu beobachten. Frü-

her übliche Verkleckerungen und Handhabungsverluste beim Befüllen und Entladen

der Maschinen sind durch den Einbau von Messsonden, die mit dem Türschloss

gekoppelt sind ausgeschlossen. Das Reinigungsmittel wird nicht mehr von Hand

aufgefüllt, sondern gelangt über Pumpen, die mit Sonden gesichert sind, in die Ma-

schine, wo zugleich mehrere Tanks vorhanden sind. Zusätzlich steht der ganze Au-

tomat zum Schutz gegen Unfälle oder Leitungsbruch in einer Wanne, deren Ablauf

über eine Pumpe an den Reinigungsmittelkreislauf angeschlossen ist. Geringfügige

Lösungsmittelverluste treten im Destillationsrückstand und im Kontaktwasser auf.

Sie werden dort gesondert abgeschieden und fachgerecht entsorgt. Der Grenzwert

beträgt derzeit 0,5 mg/l AOX im Abwasser und kann bei Beachtung der Auflagen

und der Wartungsfristen eingehalten werden.

Potentielle Eintragsorte:

Kontaminationen des Bodens, der Bodenluft und des Wassers und damit verbunden

eine Gefährdung der Umwelt und letztendlich des Menschen konnten entstehen z.

B. durch:

Handhabungsverluste beim Abfüllen des Lösemittels aus den 240 l Fäs-

sern oder in Tanks

Handhabungs- und Abtropfverluste beim Entleeren der Reinigungsma-

schine

Leckagen an Reinigungsmaschinen (Korrosion, Verschleiß von Dich-

tungsmaterialien)

Handhabungs- und Abtropfverluste beim Ersetzen des verbrauchten Lö-

semittels

unsachgemäße Lagerung von lösemittelhalt igen Abfällen (Destillat ions-

schlämme, Filterkartuschen, Aktivkohle)

unsachgemäßer Betrieb der Abscheider

undichte Leitungstrassen, in die lösemittelhalt iges Kontaktwasser einge-

leitet wurde

Entlüftungsbereich (Kondensation der lösemittelhalt igen Abluft)

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Branchenblatt Chemische Reinigung Seite 15

Altlasten-Leitfaden Schleswig-Holstein: Erfassung Anhang 11

5 Gesetzliche Ausführungsvorschriften für verwendete Stoffe/ Stoffgruppen

9/1981 Technische Regel für gefährliche Arbeitsstoffe TrgA 502: Verwendungsbe-

schränkung für Tetrachlorkohlenstoff;

21.04.1986 2. BImSchV: Verordnung zur Emissionsbeschränkung von leichtflüchti-

gen Halogenwasserstoffen;

10.12.1990 Weitere Anwendungsbeschränkungen in der 2. Verordnung zur Durch-

führung des BImSchV;

22.06.2004 Verordnung über Anforderungen an das Einleiten von Abwasser (Ab-

wasserverordnung – AbwV), gültig ab Januar 2005, Anhang 52: Chemischreinigung.

29.04.2007 Gesetz über die Umweltverträglichkeit von Wasch- und Reinigungsmit-

teln (Wasch- und Reinigungsmittelgesetz – WRMG);

06. 07.2007 Mindestanforderungen an Abwassereinleitungen gemäß § 7a WHG –

Chemischreinigungen. Hinweise und Erläuterungen zum Anhang 52 der AbwV.

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Seite 16 Branchenblatt Chemische Reinigung

Altlasten-Leitfaden Schleswig-Holstein: Erfassung Anhang 11

6 Altlastrelevante/altlastirrelevante Nutzungszeiträume

Für die Chemischreinigungsbranche gibt es keine altlastirrelevanten Zeiträume, weil

alle Lösungsmittel die Umwelt gefährden. Eine grundsätzliche Differenzierung ist

jedoch möglich, weil die einzelnen Lösungsmittel ein unterschiedliches Abbauver-

halten haben. Zu diesen zählt mit Sicherheit Benzin. Da aber dieses Lösungsmittel

insgesamt über einen Zeitraum von annähernd 100 Jahren von 1860 bis 1960 die

mittleren und großen Reinigungsbetriebe dominierte, muss eine historische Recher-

che ermitteln, ob für die Nutzung eine mäßige oder geringe Gefährdung angenom-

men werden kann. Aufgrund des Einsatzes von LHKW im Rahmen der Detachur

seit ca. 1900 wird in der Regel von einer mäßigen Gefährdung auszugehen sein.

Von dieser Gefährdungseinschätzung sind daher insbesondere Großbetriebe betrof-

fen, die in den Stadtrandgebieten bis etwa 1960 betrieben wurden.

Im Gegensatz zu anderen Branchen spielt bei den chemischen Reinigungen sowohl

eine geringere Betriebsgröße als auch die Lage eine bedeutende Rolle bei der Ein-

schätzung des Gefährdungspotentials. Im Zeitraum zwischen 1954 und 1990 haben

die Klein- und Mittelbetriebe in stadtnahen oder innerstädtischen Lagen vermutlich

sehr viel häufiger als die Großbetriebe mit LHKW gereinigt, weil diese Lösungsmittel

auch in solchen Publikumslagen genehmigungsfähig waren.

Ab Mitte der 1950er bis Anfang der 1990er Jahre gilt für chemische Reinigungen

jeder Größe eine grundsätzlich sehr hohe Gefährdungsvermutung, weil LHKW oder

FCKW trotz Redestillation ohne ausreichende Sicherheit gegen Lösungsmittelver-

luste eingesetzt wurden.

Seit dem Beginn der 1990er Jahre, nachdem bestimmte Lösungsmittel verboten

wurden und eine geregelte Abfallentsorgung für Filter- und Rückstandsmaterial vor-

geschrieben war, hat sich die Umweltrelevanz dieser Branche verändert. Aufgrund

technischer Sicherungsmaßnahmen in den Maschinen sind Handhabungsverluste

mit flüssigen und gasförmigen Lösungsmitteln ausgeschlossen, so dass nur noch

eine geringe Umweltgefährdung, verursacht z.B. durch unsachgemäßen Umgang

und den Austausch der Filter und Destillationsrückstände, angenommen werden

muss.

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Branchenblatt Chemische Reinigung Seite 17

Altlasten-Leitfaden Schleswig-Holstein: Erfassung Anhang 11

Tabelle 2 Zusammenfassung aller altlastrelevanten Aspekte und Zuordnung zu

den Branchenklassen SH.

Zeit-

spanne

Hilfsstoffe Nebenprodukte Altlastrelevante

Aspekte

Branchen-

klasse SH

bis 1925 Benzin, Benzol,

Chloroform und

Terpentin, ge-

legentlich be-

reits Tetra

Detachurmittel

jeder Art, vgl.

Anhang

Keine Abwasseran-

lagen, keine Bo-

denbefestigung

2

1926 -

1954

Beginn der

Nutzung von

Tetra, Tri und

ab 1931 von

Per. Großbe-

triebe blieben in

der Regel bis in

die 1960er Jah-

re bei der Ben-

zinreinigung.

Detachurmittel Ganz überwiegende

Nutzung von Ben-

zin. Aus der De-

tachur jedoch kleine

Mengen LHKW-

Lösungsmittel auf

unbefestigten Bö-

den und in den Ab-

wasserleitungen

möglich. Destillati-

onsrückstände im

Schlamm.

3

1955 –

1991

Beginn der

Nutzung von

Per und Tri in

zahlreichen

Kleinbetrieben

mit Reinigungs-

automaten.

Zusätzlich R 11

und R113 ab

1960 bis 1992.

Detachurmittel Die Betreiber benö-

tigten lediglich ei-

nen Sachkunde-

nachweis, eine La-

denfläche von mi-

nimal 40 m² sowie

Abwasser- und

Drehstroman-

schluss. Die Auto-

maten waren gegen

willkürliche Eingriffe

in den Programm-

ablauf nicht gesi-

chert, besaßen kei-

ne Lösungsmittel-

pumpen, so dass

Verkleckerungen

üblich waren. Ent-

sorgung des

Schlamms erfolgte

täglich in den Kanal.

Aktivkohlefilter wur-

den erst 1976 für

Maschinen mit mehr

als 25 kg Füllge-

wicht Pflicht.

5

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Seite 18 Branchenblatt Chemische Reinigung

Altlasten-Leitfaden Schleswig-Holstein: Erfassung Anhang 11

Zeit-

spanne

Hilfsstoffe Nebenprodukte Altlastrelevante

Aspekte

Branchen-

klasse SH

1992 -

Gegen-

wart

Nutzung von

Per sowie KWL

in allen Be-

triebsgrößen.

Detachurmittel

dürfen keine

LHKW enthalten

Gesetzliche Ver-

pflichtung, nur noch

bestimmte Lö-

sungsmittel zu nut-

zen und alle Rück-

stände, Filter etc.

einer gesonderten

Entsorgung zuzu-

führen. Technische

Kontrolleinrichtun-

gen und Vorkeh-

rungen gegen Be-

dienungs- und

Handhabungsfehler

schließen verfah-

renstechnische Lö-

sungsmittelverluste

praktisch aus.

2

Branchenklasse 0: kein Gefährdungspotential Branchenklasse 1: Gefährdungspotential sehr gering Branchenklasse 2: Gefährdungspotential gering Branchenklasse 3: Gefährdungspotential mäßig Branchenklasse 4: Gefährdungspotential hoch Branchenklasse 5: Gefährdungspotential sehr hoch

7 Literaturhinweise

BAYERISCHES LANDESAMT für Wasserwirtschaft: Merkblatt Nr. 4.5/2-52, Hin-

weise zu Anhang 52 zur Abwasserverordnung (Chemischreinigung). 2005.

BOTTLER, M.: Bleich- und Detachiermittel der Neuzeit. Ziemsen-Verlag, Witten-

berg, 1908.

JENKO, L. und KOPF, E.: Das Entfernen von Flecken aus Geweben (Detachieren).

Elbemühl-Verlag, Leipzig und Wien, 1931.

JOCLÉT, V.: Die Kunst- und Feinwäscherei in ihrem ganzen Umfange. 4. gänzlich

umgearbeitete Auflage, A. Hartlebens’s Verlag, Wien und Leipzig, 1905.

KOCH, D. u.a.: Lexikon für Textilreiniger. Verlag Neuer Merkur, München, 1973.

KURZ, J. u.a.: 125 Jahre Stichweh. Von Pompeji bis Hannover und 125 Jahre

Stichweh. Herausgegeben von Färberei und Reinigung, Eigenverlag F.A. Stichweh,

Hannover, 1978.

LÖCHER, W. und KURZ, J.: Die Wäscherei. Theorie und Praxis moderner Betriebs-

führung. Verlag Neuer Merkur, München, 1970.

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Branchenblatt Chemische Reinigung Seite 19

Altlasten-Leitfaden Schleswig-Holstein: Erfassung Anhang 11

LUEGER, O. (HRSG.): Lexikon der gesamten Technik und ihrer Hilfswissenschaf-

ten. 1. Auflage, Deutsche Verlagsanstalt, Stuttgart und Leipzig, 1904.

NICLAUß, M. u.a.: Inventarisierung von Bodenkontaminationen auf Geländen mit

ehemaliger Nutzung aus dem Dienstleistungsbereich. Umweltbundesamt Berlin,

Forschungsbericht UBA-FB 89-053, Berlin, 1989.

ORLAND, B.: Wäsche waschen. Technik und Sozialgeschichte der häuslichen Wä-

schepflege. Rowohlt Verlag, Reinbek bei Hamburg, 1991.

ROGGENHOFER, G.: Die Wäscherei in ihrem ganzen Umfange. Bearbeitet nach

den neuesten Erfahrungen auf dem Gebiete der chemischen und Naßwäscherei

unter Mitwirkung bewährter Fachmänner. 3. vermehrte und verbesserte Auflage,

Ziemsen-Verlag, Wittenberg, 1927.

RZEPKA, J.: Das große Lexikon der Berufe. Westermann, Braunschweig, 1984.

SCHÜTZE, P. O.: Schönfärberei und chemische Reinigung mit brenn- sowie nicht-

brennbaren Lösungsmitteln. 2. Auflage, Ziemsen-Verlag, Wittenberg, 1927.

Untersuchung zu Emissionspfaden von polychlorierten Dioxinen und Furanen in

Chemischreinigungsanlagen. Umweltforschungsplan des Bundesministeriums für

Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit: Luftreinhaltung. Forschungsbericht Nr.:

104 08 326. Im Auftrag des Umweltbundesamtes durchgeführt vom Bekleidungs-

physiologischen Institut Hohenheim, Eigenverlag, Bönningheim, 1993.

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Seite 20 Branchenblatt Chemische Reinigung

Altlasten-Leitfaden Schleswig-Holstein: Erfassung Anhang 11

Anhang

Gebräuchliche Detachurmittel:

Zeitgenössische Be-zeichnung/ Synonym oder Handelsname

Bestandteile Nutzung

Aceton Aceton Fette und Öle

Alkohol/ Spiritus/ Weingeist

Ethanol Allgemeines Reinigungsmittel

Ammoniak/ Salmiakgeist Ammoniak Säureflecken, Blut

Ammoniakseife Ölsäure + Chloroform + Benzin + Ammoni-ak

Löst sich auch in Wasser: Weiß-wäsche

Äther/ Essigäther/ Schwe-feläther

Ether Fette und Öle

Benzapon KR, Benzapon WL

Tenside, anionaktiv und nichtionogen

Reinigungsverstärker

Benzin/ Petroleumbenzin Benzin Trockenreinigung

Benzin-Isol/ Iso-Benzin-seife

Benzin + Magnesi-umseife

Chemische Trockeneinigung

Benzinseife, „Marienhö-her“ (pastöse Benzinseife)

Magnesiumseife + Saponin + Benzin

Waschverstärker für Benzinreini-gungen und Verhinderung stati-scher Aufladung

Benzol/ Steinkohlenben-zin/ Hüttenbenzin

Benzol Trockenreinigung

Benzolinol Benzol + Ether + Es-sigsäureester

Detachur

Burmol Natriumbisulfit Bleiche

Chlor/ Chlorkalk/ Chlor-wasser

Freies Chloridion, z.B. aus HCl

Bleichvorgänge

Chloroform/ Esdeform Trichlormethan Alte Öl- und Fettflecken

Deo-Lanadol Phenole, Chlor-phenole, Formalde-hyd, Hexachlorophen

Spezialzusatz für Kranken-haustextilien

Dichloräthylen Dichlorethylen Reinigungsmittel für Seide

Eisessig Essigsäure konz. Basische Flecken, Blut und Obst-flecken

Enzyme Enzyme Blut, Soßenflecken etc.

Essigoxalsäure Oxalsäure + 10%ige Essigsäure

Tinte und Farbflecken

Fuselöl Amylalkohol Detachur

Glyzerin Glyzerin Kaffee, Tannin, Farbflecken

Hartseife Spiritus + Harzkern-seife

Chemische Nasswäsche

Hexol Benzol + Aceton Detachur

Hummel’s Detachierflüs-sigkeit

Benzin + Alkohol + Tetrachlorkohlenstoff

Ausgehärtete Fette, Harze und Öle

Kaiseröl Petroleum Trockenreinigung

Kaliumbifluorid Kaliumbifluorid Ersatzstoff für Oxalsäure in der Bleiche

Lanodin Seife in LCKW Weißwäsche und Einweichen

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Branchenblatt Chemische Reinigung Seite 21

Altlasten-Leitfaden Schleswig-Holstein: Erfassung Anhang 11

Lavado Ammoniak + Terpen-tin

Detachur

Leupurol S, Limpigen BN, Limpigen CBN

Tenside, anionaktiv und nichtionogen

Reinigungsverstärker

Methylalkohol/ Holzgeist Methanol Allgemeines Reinigungsmittel

Movin DC Phenole, Chlor-phenole, Formalde-hyd, Hexachlorophen

Spezialzusatz für Kranken-haustextilien

Natriumperborat Natriumperborat Bleichen mit Sauerstoff

Novol Benzol + Seife Vollreinigungsmittel

Oxalsäure/ Zuckersäure Oxalsäure Rost, Tintenflecken auf weißen Stoffen

Oxomethan Phenole, Chlor-phenole, Formalde-hyd, Hexachlorophen

Spezialzusatz für Kranken-haustextilien

Oxyvol R Seife in LCKW Kochwäsche

Ozonol/ Hartseife Petroleum + Harz-kernseife

Chemische Nasswäsche

Perchloräthylen Perchlorethen Ersatz für Benzin und Tetrach-lorkohlenstoff

Perlano Seife in LCKW Baumwollkochwäsche

Photographentinte Seifenpulver + ca. 10 % Zyankali

Entfernung von Silbernitrat (Höl-lenstein)

Richterol/ Benzinseife/ Antibenzinpyridin

Magnesiumchlorid + Magnesiumsulfat + Kernseife

Waschverstärker für Benzinreini-gungen und Verhinderung stati-scher Aufladung

Sauerstoffseifen Seifenpulver + Per-borate/ Percarbona-te, die in Lanolin oder Vaseline gekapselt sind, z.B. „Persil“

Vollwaschmittel

Schwefelige Säure Schwefelige Säure Kirschen oder Rotwein auf wei-ßen Stoffen

Terpentin/ Holzäther/ Uni-versalverdünner

Terpentin Allgemeines Reinigungsmittel

Terpentin-Isol Terpentin + flüssige Seife

Chemische Trockenreinigung

Tetrachlorkohlenstoff/ Benzinoform

Tetrachlorkohlenstoff Alle Reinigungsvorgänge, be-sonders Fette, Öle, Harze

Tetra-Isol/ Tetrapol Tetrachlorkohlenstoff + flüssige Seife

Nassdetachur

Tetra-Öl/ Tetraseife/ Bäuchöl/ Hydraphthal/ Pott’s Emulgator

Seife in CCl4 Detachur

Trichloräthylen Trichlorethen Ersatz für Chloroform

Triol Trichlorethen + flüs-sige Seife

Chemische Nasswäsche, Nassdetachur

Weralin/ Universalbenzin-seife (flüssige Benzinseife)

Neutralseife + Tri-chlorethen

Nass- und Trockenreinigung

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Altlasten-Leitfaden Schleswig-Holstein: Erfassung Anhang 11 Histinvest - Dr. Klaus Schlottau, Bremen

Branchenblatt Dreherei

Inhaltsverzeichnis Seite

1 Bezeichnung der Branche 2

2 Historischer Überblick 2

3 Allgemeiner Verfahrensablauf 3

4 Umweltrelevante Verfahrens- und Produktionsschritte sowie Verun-

reinigungspotentiale 5

5 Gesetzliche Ausführungsvorschriften für verwendete Stoffe/

Stoffgruppen 6

6 Altlastrelevante/altlastirrelevante Nutzungszeiträume 7

7 Literaturhinweise 8

Abb. 1: Zeitgenössische Dreherei aus dem Jahr 1920. Infolge des Reihenan-triebes über die Transmissionswelle gruppieren sich die Maschinen auf kleinstem Raum (Quelle: STADLMANN).

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Branchenblatt Dreherei Seite 2

Altlasten-Leitfaden Schleswig-Holstein: Erfassung Anhang 11

1 Bezeichnung der Branche

Selbständige Drehereien entstanden am Ende des 19. Jahrhunderts als Spezialisie-

rung aus dem Gewerbe der Schlosser und der Feinmechaniker. Die Dreherei führt

nur eine einzige Bearbeitungsform aus: die spanabhebende Bearbeitung von Roh-

lingen zu Halbfertigteilen. Diesem Zweck dienen neben verschiedenartigen Dreh-

bänken auch Fräsmaschinen und diverse Schleifmaschinen. Der Beruf des Drehers

umfasst nicht die Montage der gefertigten Einzelteile zu Fertigprodukten.

2 Historischer Überblick

Nachdem am Ende des 18. Jahrhunderts in England der Tiegelstahl für Werkzeuge

hergestellt wurde, gelang es auch, Gusseisen für Lager und Draht für Schrauben zu

drehen. Die massiven Drehbänke wurden durch Göpelwerke, Wasserräder,

Dampfmaschinen und später auch mit Einzelmotoren angetrieben.

Zur Mitte des 19. Jahrhunderts wurde der bisher manuell geführte Drehmeißel auf

einer Mechanik, einem „Support“, installiert, so dass die Geschwindigkeit bei erhöh-

ter Präzision gesteigert werden konnte. Um den Verschleiß des Meißels zu vermin-

dern und die Wärmeausdehnung der Werkstücke sowie auch der Werkzeuge zu

vermeiden, musste fortlaufend gekühlt werden. Dies geschah zunächst mit Hilfe von

Wasser oder Seifen. Um auch der Korrosion der Werkstücke vorzubeugen, wurde

allerdings gelegentlich mit Öl gekühlt.

Der 1900 entwickelte Schnellschnitt-Stahl führte zu einer Verdreifachung der

Schnittgeschwindigkeit. Die damit einhergehenden höheren Belastungen der Ma-

schinen erforderten eine Verstärkung der Spindelstöcke und -lager sowie eine

Ölschmierung der Getriebe. Die Entwicklung hartmetallischer Schneidstoffe (ab

1920 Widia; 1926 Krupp) erhöhte die mögliche Schnittgeschwindigkeit und erforder-

te eine intensivere Schmierung und Kühlung der Werkzeuge und -stücke. Daraus

resultierte die Entwicklung besonderer Kühlschmierstoffe mit bestimmten stofflichen

Eigenschaften (s. Branchenblatt Arbeitstechniken und Verfahren der Metallbearbei-

tung).

Der nächste Entwicklungsschritt erfolgte 1952 mit der NC-Steuerung der Drehma-

schinen, eine manuelle Bearbeitung des Werkstücks war nun nicht mehr erforder-

lich, die Maschinen wechseln selbständig die Werkzeuge und -stücke, und leiten

letztere zum nächsten Automaten weiter, so dass Produktionsstraßen erheblich

verkürzt wurden.

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Branchenblatt Dreherei Seite 3

Altlasten-Leitfaden Schleswig-Holstein: Erfassung Anhang 11

Abb. 2: Zeichnung von 1841 (J. Nasmyth), auf der die wesentliche Verbesse-

rung der Drehereimaschinen dargestellt wird. Der Werkzeugschlitten an

der rechten Drehbank ermöglicht die Reproduktion gleicher Bauteile mit

hoher Präzision (Quelle: RUBY).

3 Allgemeiner Verfahrensablauf

In Drehereien werden unterschiedlichste Formen von metallischen Halbzeugen

(Achsen, Wellen, Kurbelwellen, Gehäuse etc.) aus gegossenen Rohlingen herge-

stellt. Als Roh- oder Arbeitsmaterial dienen vorwiegend Eisen, Messing, Bronze

bzw. Legierungen wie z.B. Neusilber, seit den 1970er Jahren zunehmend auch

Aluminium und Edelstahl. Außerdem werden in geringerem Umfang auch Hart-

gummi und Kunststoffe bearbeitet.

Im Produktionsablauf werden die Werkstücke durch maschinelle Bearbeitung mit-

tels Spanabnahme in ihrer Form und Geometrie verändert. In größeren Drehereien

werden neben den Drehbänken weitere Werkzeugmaschinen zum Einsatz ge-

bracht, z.B. Fräsmaschinen, Stoßmaschinen, Hobel, Bohrer sowie die Spezialma-

schinen der Schleiferei.

Das Honen, ein spanabhebendes Schleifverfahren ohne Richtungsänderung (z.B.

Bandschleifen als Flachhonen) dient der Verbesserung der Oberflächenqualität des

Werkstücks. Das Schleifen dient der Bearbeitung harter Werkstücke und zur Fein-

bearbeitung.

Drehende, fräsende, bohrende und auch schleifende Metallbearbeitungen erhitzen

das Werkzeug und das Werkstück, die sich dadurch ausdehnen. Außerdem erfolgt

eine raschere Abnutzung des Werkzeugs. Alle Arten der spanabhebenden Metall-

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Branchenblatt Dreherei Seite 4

Altlasten-Leitfaden Schleswig-Holstein: Erfassung Anhang 11

bearbeitung machen daher den Einsatz von Kühl- und Schmierstoffen erforderlich.

Höhere Schnittgeschwindigkeiten und axialer Vorschub stellen große Anforderun-

gen an die Kühlflüssigkeiten, die das Werkzeug und das Werkstück im Rahmen ei-

ner vorgegebenen Temperaturtoleranz halten müssen. Kühlflüssigkeiten sollen

möglichst auch noch Reibungswiderstände vermindern und korrosionshemmend

wirken. Als Kühlmittel für den Schnelldrehstahl reichten wässrige Seifen aus, für

Hartmetallmeißel seit den 1920er Jahren wurden zunehmend Öle und Emulsionen

eingesetzt, die als Additive Flammschutzmittel bzw. Fungizide oder Bakterizide ge-

gen Verfall enthielten.

Die Kühlschmierstoffe werden seit dem Einsatz besonderer Kühlstoffe (Seifen,

Ölen, Emulsionen etc.) nach Passage mehrerer Filter im Kreislauf geführt. Die Filt-

rierung ist notwendig, weil sich in dem Bad auch die abgedrehten Späne oder Dreh-

locken sammeln. Dieser metallische Abfall wird zu einem Sammellager transportiert

und nach Metallen getrennt aufbewahrt.

Die Späne sind in der Regel vollflächig verölt, der Gewichtsanteil der Kühlschmier-

stoffe beträgt ca. 8 % des Gesamtgewichts der Späne. Da die Altmetallhändler für

verölte Metallabfälle nach Einführung des Abfallwirtschaftsgesetzes einen geringe-

ren Preis zahlten, wurden häufig offene Gitterkörbe oder gelochte Fässer für die

Sammlung der Drehspäne benutzt, so dass Öl und Regenwasser abflossen. Um die

Reinigung zu beschleunigen, wurden auch Reinigungs- und Lösungsmittel auf die

Späne gesprüht. Die Folge ist, dass der eigentliche Werkstattbereich einer Dreherei

meist geringer belastet ist als die Lagerbereiche und Transportwege der Drehspä-

ne.

Die Dreherei ist grundsätzlich ein mittelständischer Betrieb mit einer Beschäftigten-

zahl zwischen 10 und 50 Mitarbeitern, gelegentlich auch bis zu 100 Mitarbeitern an-

steigend, so z.B. während der Weltkriege. Ihr Tätigkeitsbereich erstreckt sich auf

Sonderanfertigungen und Kleinserien. Metallbearbeitende Betriebe mit 1 bis 3

Werkzeugmaschinen hingegen sind in der Regel als Schlossereibetriebe oder „Me-

chanische Werkstätten“ dem Handwerk zugeordnet. In diesen Betrieben werden

häufig Reparaturarbeiten oder Einzelanfertigungen nach Vorlage oder Zeichnung

hergestellt. Drehereien sind als Abteilungen in Maschinenfabriken grundsätzlich

vorhanden. In Großbetrieben der Serienfertigung können sie eine Beschäftigtenzahl

von mehr als 1000 Mitarbeitern erreichen.

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Branchenblatt Dreherei Seite 5

Altlasten-Leitfaden Schleswig-Holstein: Erfassung Anhang 11

Abb. 3: Moderne Revolverkopfdrehbank in einer Dreherei der 1960er Jahre. Der

herabfließende Kühlschmierstoff sammelt sich mit den Spänen im Bett

der Maschine und wird von dort wieder zum Werkstück gepumpt (Quel-

le: VEREIN DEUTSCHER MASCHINENBAU-ANSTALTEN).

4 Umweltrelevante Verfahrens- und Produktionsschritte

sowie Verunreinigungspotentiale

Die spanabhebende Metallbearbeitung wird gewöhnlich in einem offenen Kreislauf

der Kühlschmierstoffe betrieben, so dass Handhabungsverluste unvermeidlich sind.

Da die Metallspäne von Ölen und Emulsionen vollständig benetzt sind, kommt es zu

erheblichen Austragungs- und Abtropfverlusten. Darüber hinaus muss das gesamte

Kreislaufsystem regelmäßig mit Lösungsmitteln gereinigt werden, um Verseifungen

und Verharzungen zu beseitigen. Außerdem wird nicht nur die Werkzeugmaschine,

sondern vor allem auch das Werkstück vor der weiteren Bearbeitung entölt. Vor

späteren Oberflächenbehandlungen erfolgt daher in der Regel eine Reinigung mit

Lösungsmitteln oder eine Beize.

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Branchenblatt Dreherei Seite 6

Altlasten-Leitfaden Schleswig-Holstein: Erfassung Anhang 11

Die Altlastenrelevanz der Drehereien resultiert aus der Verwendung und Lagerung

von Bohrölen, Kühlschmierstoffen, organischen Lösungsmitteln sowie aus der La-

gerung von Spänen ohne ausreichende Sicherung des Untergrundes.

Als Kontaminanten können Öle, PCB, PCP, BTX, CKW und Kühlschmierstoffe auf-

treten. Kritische Schadstoffe im Zusammenhang mit Kühlschmierstoffen waren (und

sind) Nitrit, Chlorverbindungen und bis in die 1980er Jahre polychlorierte Biphenyle

(PCB). In den Kühlschmierstoffen befinden sich weitere Additive wie z.B. Amine,

Fungizide, Bakterizide und Emulgatoren (nähere Einzelheiten im Branchenblatt Ar-

beitstechniken und Verfahren der Metallbearbeitung).

Bei der Lagerung von Schwermetallen und schwermetallhaltigen Ölschlämmen

kann es zu Migrationen kommen, wobei Beizen die Löslichkeit der Schwermetalle

fördern. Sind Emulgatoren eingesetzt worden, besteht die Gefahr, dass die Kühl-

schmiermittel Öl- und Fettabscheider passieren und emulgiert, und damit mobil, vor-

liegen. Bei nicht ordnungsgemäßer Entsorgung des Abwassers können die Schad-

stoffe in löslicher Form in den Boden gelangen.

5 Gesetzliche Ausführungsvorschriften für verwendete

Stoffe/Stoffgruppen

Tabelle 1 Altlastrelevante Stoffe und ihr zeitlicher Einsatz

Stoff Nutzung Verstärkte Anwen-

dung ab

Verwendungs-

beschränkung/

Verbot

PCB (Polychlorierte Biphenyle).

1

Wurden in Kühlölen einge-setzt, um die Entzündungs-temperatur zu erhöhen.

ca. 1930 1978/1989

Wassermischbare Kühlschmierstoffe (N-Nitrosamin-Bildung).

2

Schmier- und Kühlmittelersatz für Öle mit Flammschutzmit-teln.

ca. 1955 1997

PCP (Penta- chlorphenol).³

Wurden in Emulsionen zur Haltbarmachung eingesetzt.

ca. 1930 1986/1989

LCKW.4 Lösungs- und Reinigungsmit-

tel insbesondere für verölte Späne.

ca. 1925 1981/1986 (zum Teil)

1 26.7.1978 10.BImSchV: Verwendungsbeschränkung auf geschlossene Systeme;

18.7.1989, PCB-Verbotsverordnung: Herstellungs-, Inverkehrsbringungs- und Verwen- dungsverbot, 1993 durch ChemVerbotsV abgelöst. 2 4/1997 Technische Regel für Gefahrstoffe TRGS 611, Verwendungsbeschränkungen für

wassermischbare bzw. wassergemischte Kühlschmierstoffe, bei deren Einsatz N-Nitrosamine auftreten können (Verbot von Nitrit im KSS) 3

26.8.1986 GefStoffV: Verwendungsbeschränkung für PCP, z.B. nicht in Aufenthaltsräu--

men einzusetzen; 12.12.1989 PCP-Verbotsverordnung: Herstellungs-, Inverkehrsbringungs- und Verwen- dungsverbot, 1993 abgelöst durch ChemVerbotsV. 4 9/1981 Technische Regel für gefährliche Arbeitsstoffe TrgA 502: Verwendungsbeschrän-

kung für Tetrachlorkohlenstoff;

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Branchenblatt Dreherei Seite 7

Altlasten-Leitfaden Schleswig-Holstein: Erfassung Anhang 11

21.4.1986 2.BImSchV: Verordnung zur Emissionsbeschränkung von leichtflüchtigen Halogenwasserstoffen, Anwendungsbeschränkungen 1990 in der Neufassung verschärft.

6 Altlastrelevante/altlastirrelevante Nutzungszeiträume

Die Entwicklungen in der spanabhebenden Metallverarbeitung seit Anfang des 20.

Jahrhunderts stellten erhöhte Anforderungen an die Maschinen, die Handhabung

der Werkzeuge und der zu bearbeitenden Materialien. Durch die verbesserten

Schneidstähle ergaben sich zunehmend höhere Schnittgeschwindigkeiten, die eine

Schmierung und Kühlung der Werkstücke und -zeuge erforderlich machten. Wäh-

rend anfänglich noch Seifenwasser, das auf die Grenzflächen gespritzt wurde, zur

Werkzeug/-stückkühlung ausreichte, musste seit der Einführung der Schnellschnitt-

stähle zunehmend auf wärmeleitende, hochsiedende Öle und Emulsionen zurück-

gegriffen werden. Diese Öle benötigen seit dem Ende der 1920er Jahre Chlororga-

nika (z.B. PCB) als Flammschutz; Emulsionen mussten mit Emulgatoren, Fungizi-

den und Bakteriziden (z.B. PCP) hergestellt und haltbar gemacht werden. Mit einer

verstärkten Anwendung ist in Schleswig-Holstein etwa seit Anfang der 1930er Jahre

zu rechnen. Steigende Metallpreise in den Jahren zwischen 1960 und 1980, beson-

ders nach der Einführung des Abfallwirtschaftsgesetzes, führten zudem dazu,

Drehspäne in möglichst sauberer Form wiederzuverwenden, so dass diese häufig

schon beim Erzeuger mit Kaltreinigern oder anderen Lösungsmitteln entölt wurden.

Veränderungen in der Bewertung der Umweltrelevanz ergeben sich für den Zweiten

Weltkrieg, da Drehereien, die der Rüstungsproduktion dienten, der Kontrolle ziviler

Aufsichtsbehörden weitgehend entzogen waren, und daher häufig in baulichen An-

lagen arbeiteten, die für Gewerbebetriebe auch nach damaligem Stand der Technik

nicht geeignet waren. Es fehlte zumeist an einer Befestigung des Fußbodens sowie

an geeigneten Abwasseranlagen. Ähnlich ist die Nachkriegszeit zu beurteilen, da

behördliche Kontrollen zu diesem Zeitpunkt nur eingeschränkt durchgeführt wurden.

Tabelle 2 Zusammenfassung aller altlastrelevanten Aspekte und Zuord- nung zu den Branchenklassen SH.

Zeitspanne Hilfsstoffe Nebenprodukte Altlastrelevante

Aspekte

Branchen-

klassen SH

bis 1900 Seifen, Wasser Metallspäne Keine Abwasser-

anlagen, keine Bo-

denbefestigung

0

1900 – 1930 Seifen, Wasser, ers-

te Bohröle ohne

PCB.

Metallspäne, ge-

ring verölt.

keine Abwasser-

anlagen, keine Bo-

denbefestigung

0

1931 – 1960 Bohr- und Schneid-

öle, PCB, Emulsio-

nen, BTEX, Fungizi-

de, Bakterizide.

ölige Metallspäne;

Ölschlämme mit

PCB, Schwerme-

talle.

In den Drehspan-

lagern Abscheider

im Einzelfall ab

Anfang der 1930er

Jahre auf Weisung

der Gewerbeauf-

sicht nachweisbar.

3

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Branchenblatt Dreherei Seite 8

Altlasten-Leitfaden Schleswig-Holstein: Erfassung Anhang 11

1961 – 1980 Bohr- und Schneid-

öle, PCB, Emulsio-

nen, BTEX, CKW,

Fungizide, Bakterizi-

de; Säurebeizen und

Detergentien.

ölige Metallspäne;

Ölschlämme mit

PCB, Schwerme-

talle und Schwer-

metallsalze.

Entölen der Späne

mit CKW.

4

1981 – Ge-

genwart

Bohr- und Schneid-

öle, Emulsionen,

BTEX, Fungizide,

Bakterizide. Säure-

beizen und Deterge-

ntien.

ölige Metallspäne;

Ölschlämme,

Schwermetalle und

Schwermetallsal-

ze.

Verbot einiger

Schadstoffe.

3

Branchenklasse 0: kein Gefährdungspotential Branchenklasse 1: Gefährdungspotential sehr gering Branchenklasse 2: Gefährdungspotential gering Branchenklasse 3: Gefährdungspotential mäßig Branchenklasse 4: Gefährdungspotential hoch Branchenklasse 5: Gefährdungspotential sehr hoch

7 Literaturhinweise

LUEGER, O. (HRSG.): Lexikon der gesamten Technik und ihrer Hilfswissenschaf-

ten, VII. Band, 2. Auflage. Deutsche Verlagsanstalt, Stuttgart und Leipzig, 1938.

MOMMERTZ, K. H.: Bohren, Drehen und Fräsen. Reinbek, 1981.

ROHR, B.; WIELE, H. (HRSG.): Lexikon der Technik. Leipzig, 1982.

RUBY, J.: Werkzeug-Maschine. Magdeburg, 1997.

STADLMANN, F.: Vom Tagwerk der Jahrhundertwende. Europa-Verlag, Wien,

1985.

VEREIN DEUTSCHER MASCHINEN-BAUANSTALTEN (HRSG.): Spezialisierung,

Präzision, Qualität. Maschinenbau-Verlag, Frankfurt, o. J..

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Altlasten-Leitfaden Schleswig-Holstein: Erfassung Anhang 11 Histinvest Dr. Klaus Schlottau – Bremen

Branchenblatt Druckerei - Flachdruck (direkte Verfahren)

Inhaltsverzeichnis Seite

1. Bezeichnung der Branche 2

2. Historischer Überblick 3

3. Allgemeiner Verfahrensablauf 4

3.1. Druckformherstellung 4

3.2. Druckprozess 5

3.2.1. Bogenflachdruck 6

3.2.2. Rollenflachdruck 6

3.2.3. Druckfarbentrocknung 6

3.3. Druckverarbeitung 7

3.4. Druckfarben 7

4. Umweltrelevante Verfahrens- und Produktionsschritte sowie Ver- 8

unreinigungspotentiale

4.1. Umweltrelevanz der Druckformherstellung 8

4.2. Umweltrelevanz der Druckverfahren und der Farben 9

5. Gesetzliche Ausführungsvorschriften für verwendete Stoffe/ 9

Stoffgruppen

6. Altlastrelevante/altlastirrelevante Nutzungszeiträume 9

7. Literaturhinweise 11

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Seite 2 Branchenblatt Flachdruck (direkte Verfahren)

Altlasten-Leitfaden Schleswig-Holstein: Erfassung Anhang 11

1. Bezeichnung der Branche

Beim Flachdruckverfahren befinden sich die druckenden und nichtdruckenden Par-

tien in einer Ebene, dadurch unterscheidet sich diese Form des Druckens sowohl

vom Hochdruck, der erhabene Druckelemente (Lettern) nutzt, als auch vom Tief-

druck, bei dem Vertiefungen in der Druckplatte mit Farbstoff gefüllt werden. Die dru-

ckenden Bereiche der Druckform nehmen die ölhaltige Farbe aufgrund einer beson-

deren Vorbehandlung an, während die übrigen Flächen die Farbe abstoßen. Das

Druckverfahren nutzt die chemisch-physikalische Abstoßung von Wasser und Fett.

Das Flachdruckverfahren untergliedert sich in direkte Drucktechniken, zu denen die

Lithographie, bei der die Druckform aus Stein besteht, sowie der Lichtdruck, bei

dem als Druckform eine belichtete Gelatineschicht genutzt wird, gehören. Zu den

Flachdruckverfahren zählt aber auch der aus diesen weiterentwickelte Offsetdruck,

ein indirektes Druckverfahren. Er wird wegen seiner Bedeutung in einem gesonder-

ten Branchenblatt (Flachdruck (Offsetdruck)) behandelt.

Lithographie, Farblithografie, Fotolithografie sowie der Lichtdruck eigenen sich be-

sonders für die Herstellung von qualitativ hochwertigen Farbdrucken und Reproduk-

tionen von Kunstwerken oder Fotografien, so dass eine große Zahl von meist mittel-

ständischen Druckereien dieses Druckgewerbe betrieb.

Die zeitgenössischen Flachdruckverfahren zeichneten sich gegenüber den konkur-

rierenden Druckverfahren dadurch aus, dass die Druckvorlagenherstellung ver-

gleichsweise schnell und einfach war und von einer Vorlage auf einer Schnellpresse

stündlich bis zu 800 Drucke erzeugt werden konnten, so dass nicht allein die hohe

Druckqualität, sondern auch die Wirtschaftlichkeit für den Flachdruck sprach. Allein

in Berlin gab es um 1900 etwa 180 Lithographie-Betriebe, die Postkarten, Plakate,

Spielkarten und eine große Zahl anderer farbiger Druckerzeugnisse herstellten.

Farbig gedruckte Außenwerbung auf den Litfaßsäulen, die zeitgleich entstanden,

war auf den farbigen und wasserfesten Druck der Plakate aus dem Flachdruck an-

gewiesen.

Abb. 1: Schematische Darstellung des Flachdrucks in der Lithografie (Quelle:

WOLFSTURM, Abbildung von Walter Emmrich).

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Branchenblatt Flachdruckerei Seite 3

Altlasten-Leitfaden Schleswig-Holstein: Erfassung Anhang 11

2. Historischer Überblick

Die Lithographie als direktes Flachdruckverfahren wurde von Alois Senefelder

(1771-1834) im Jahr 1797 erfunden. Das Prinzip beruht auf dem chemischen Ge-

gensatz von Fett und Wasser, daher bezeichnete Senefelder das Verfahren auch

als chemische Druckerei.

Senefelder entdeckte bei Versuchen, Notenblätter im Hochdruckverfahren nachzu-

drucken, dass eine mit fettigem Stift erstellte Zeichnung auf Solnhofer Kalkstein

nach einer leichten Ätzung und anschließendem Gummieren eine fertige Druckvor-

lage darstellte, die nur feucht gehalten werden musste. Da Kalkstein den Belastun-

gen einer gewöhnlichen Presse nicht standhält, war es erforderlich, eine besondere

Presse, die den Druckbogen nur partiell auf die Vorlage presst, zu entwickeln. Es

handelte sich um eine Stangenpresse, mit der der Druck auf einen schwenkbaren

Arm, an dem eine Rakel befestigt war, auf die Druckvorlage übertragen wurde. Da

diese Arbeit besondere Sorgfalt und Erfahrung erforderte, führte Senefelder die be-

reits im Kupferdruck bekannte Zylinderpresse ein, so dass lediglich der Rahmen mit

dem eingespannten Stein durch das Druckwerk bewegt wurde. Der Wechsel des

Werkstoffes für die Druckplatte im Jahr 1886 durch Johnston führte zur Entwicklung

eines optimierten Schnelldruckverfahrens. Hier wurde erstmals eine Zinkplatte mit

lichtempfindlicher Beschichtung aus Asphaltlack verwendet. Die belichtete Zinkplat-

te ließ sich auf einen Druckzylinder montieren, so dass ein ununterbrochener

Druckvorgang, der auch den Rollendruck erlaubte, möglich wurde. Damit einher

ging auch der Wechsel von fettigen zu ölhaltigen Druckfarben.

Bis ca. 1840 wurde die Lithografie allein für den einfarbigen Druck eingesetzt und

war selbst im Buchdruck wegen der integrierbaren Sonderzeichen und Zeichnungen

konkurrenzfähig. Für den Akzidenzdruck und Werbedrucksachen sowie für die Her-

stellung von Zeitungen mit eingebundenen Werbegrafiken hatte diese Druckart zu-

dem den Vorteil, dass die Druckvorlagen schneller hergestellt werden konnten und

eine deutlich größere Zahl von Drucken ermöglichten. Zudem konnten die Steinplat-

ten nach dem Druck durch eine Nachbearbeitung mit Schmirgel und Poliermitteln

wieder für das nächste Druckmotiv genutzt werden.

Seit 1840 wurde die Lithografie durch die Chromolithografie, die Farblithografie,

ergänzt. Hierfür mussten Vorlagen entsprechend der Zahl der gedruckten Farben

hergestellt werden, so dass die Vorlagenherstellung arbeitsintensiver und in der

Druckerei für jede Farbe ein Druckwerk benötigt wurde. Durch diese Veränderung

wurden neue Märkte eröffnet (z.B. Farbdrucke für Plakate, Spielkarten, Zigaretten-

und andere Sammelbilder).

Die personalintensiven Tätigkeiten in der Druckvorlagenherstellung wurden seit et-

wa 1880 zunehmend durch die Druckvorlagenherstellung auf fotochemischem We-

ge übernommen: Zum einen entstand der Lichtdruck, bei dem eine lichtempfindliche

Gelatineschicht (Aluminium- oder Kaliumdichromat) auf einem Glasträger oder einer

Metallplatte über ein Negativ belichtet und anschließend entwickelt wird. Dadurch

ergeben sich Bereiche unterschiedlichen Quellverhaltens gegenüber Wasser, dar-

aus resultiert wiederum ein differenziertes Farbannahmeverhalten mit unterschiedli-

chen Farbtonwerten.

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Seite 4 Branchenblatt Flachdruck (direkte Verfahren)

Altlasten-Leitfaden Schleswig-Holstein: Erfassung Anhang 11

Außerdem wurde die Fotolithografie entwickelt, bei der ein auf Glas erzeugtes Ne-

gativ zunächst mit Farmerschem Abschwächer bzw. blauer Kleilitzfarbe oder

Quecksilberverstärker nachbehandelt werden konnte. Dieses Negativ wurde auf den

mit Eiweißchromat lichtempfindlich gemachten Druckstein mittels Belichtung über-

tragen (Steinkopie). Ein verwandtes Verfahren war die so genannte Asphaltkopie,

bei der der Stein statt mit Chromat mit einem Gemisch aus natürlichem Asphalt,

Terpentin, Benzol und Chloroform lichtempfindlich gemacht wurde.

Der Flachdruck war in dem Marktsegment der hochwertigen Druckerzeugnisse bis

Mitte des 20. Jahrhunderts wirtschaftlich konkurrenzfähig gegenüber dem sich seit

1910 für farbige Massenprodukte anbietenden Offsetdruck. 1956 wurden die Berufe

Lithograf und Steindrucker aus der Lehrlingsrolle der Industrie- und Handelskam-

mern gestrichen.

3. Allgemeiner Verfahrensablauf

3.1. Druckformherstellung

Lithografie

Für die Herstellung der Druckform benötigt ein Lithograf einen plangeschliffenen

Stein – z.B. Solnhofer Plattenkalkstein – mit entsprechender Vorbereitung sowie

eine Zeichenfeder aus Stahl und lithografische Tusche oder Kreide. Die Tusche

besteht wie auch die Kreide aus Wachs, Fett, Ruß und Seifen. Für unterschiedliche

Wirkungen und Bearbeitungen werden verschieden geformte Federn und Schaber,

die dem Radieren dienen, oder auch Stifte verschiedener Härten eingesetzt. Zu-

nächst erstellt der Lithograf eine Transparentzeichnung des Originals, die dann sei-

tenverkehrt auf dem Stein befestigt wird. Durch das Transparent hindurch sticht der

Lithograf mit seinen Werkzeugen nun die Zeichnung auf den Stein, so dass dort

jeweils Punkte oder Flächen mit der Tusche benetzt werden. Sobald die Durch-

zeichnung fertig ist, wird das Pergament entfernt, der Stein eventuell noch mit der

Technik der Kreidelithografie, die für flächigere Darstellungen besser geeignet ist,

nachbehandelt, dann mit Talkum abgerieben und anschließend mit Gummi arabi-

cum geschützt.

Bei der Chromolithografie war es notwendig, für jede Farbe einen separaten Druck-

stein zu erstellen und von Hand Farbwertrasterungen zu zeichnen: Kleine Punkte

oder Halbkreise, die eng nebeneinander gesetzt waren, ergaben dunkle Volltonflä-

chen, Punkte in größeren Abständen geringere Tonwerte. Diese aufwendige Tech-

nik wurde durch die Einführung der lichtempfindlichen Gelatinebeschichtung (Am-

moniumdichromat) in der Fotolithografie erheblich vereinfacht.

Lichtdruck

Der Lichtdruck wurde im letzten Drittel des 19. Jahrhunderts entwickelt und zählt, da

mit diesem Verfahren Halbtöne auch ohne Rasterung gedruckt werden können, zu

den Edeldruckverfahren. Die Druckform besteht aus einer ca. 10 mm dicken Glas-

oder Metallplatte, die in zwei Lagen mit einer lichtempfindlichen Emulsion aus Gela-

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Branchenblatt Flachdruckerei Seite 5

Altlasten-Leitfaden Schleswig-Holstein: Erfassung Anhang 11

tine und Ammonium- oder Kaliumdichromat beschichtet ist. Die Platte wird dann mit

einer intensiven Lichtquelle derart belichtet, dass das Licht durch ein fotografisches

Negativ strahlt und dabei ein Positivabbild auf der lichtempfindlichen Chromatierung

erzeugt. Die Chromate verändern unter Lichteinfluss die Löslichkeit der Gelatine

gegenüber Wasser, so dass nach dem Ausspülen der Chromate eine Gelatine-

schicht mit unterschiedlicher Härtung (Relief) bestehen bleibt. Für mehrfarbige Vor-

lagen ist es notwendig, für jede Farbe eine Druckform herzustellen; Faksimiledrucke

erforderten bis zu zwanzig Farbtonplatten.

Für die Herstellung von Texten in der Druckvorlage konnten zunächst auch nur

Zeichnungen auf Stein genutzt werden, so dass die Reproduzierbarkeit der Zeichen

hinter jener des Hochdrucks zurückstand. Mit der Weiterentwicklung der Fototechnik

konnten jedoch dortige Entwicklungen in Analogie zur Gelatinebeschichtung über-

nommen werden.

3.2. Druckprozess

Vor Beginn des Druckens werden die Platten mit einem Gemisch aus Glycerin und

Wasser befeuchtet, wodurch die Gelatineschicht entsprechend der vorherigen

Lichteinstrahlung zu quellen beginnt: Bereiche, die stark belichtet wurden, sind aus-

gehärtet und nehmen daher wenig oder kein Wasser auf; andere Flächen, die wenig

oder kein Licht erhielten, haben nur eine geringe Härtung und quellen daher ent-

sprechend stärker auf, so dass sie viel Wasser annehmen können. Da der Flach-

druck auf der Abstoßung von Wasser und Fett beruht, können die ausgehärteten

Bereiche der Druckplatte Farbe annehmen, während die anderen die Farbe absto-

ßen.

Gegenüber der Handpresse hatten Schnellpressen, die es seit der Mitte des 19.

Jahrhunderts gab, eine erheblich größere Produktivität, u.a. durch einen deutlich

größeren Vorlagenbereich, den Maschinenstein, auf dem eine große Menge von

vorher fertiggestellten Vorlagen gleichzeitig montiert werden konnte. Der Maschi-

nenstein orientierte sich an den Maximalgrößen der Bogen, so dass mit einem

Durchgang durchaus auch mehrere Druckaufträge parallel bearbeitet werden konn-

ten. Die Farbrakel der Handpresse wurde durch ein Farbwerk und ein Feuchtwerk

mit Walzen ersetzt, auch der Anpressdruck wurde durch eine Walze hergestellt.

Diese Druckmaschinen förderten das Bogenpapier nur noch in eine Richtung und

konnten von Dampfmaschinen angetrieben werden. Der Übergang zum Rollen-

flachdruck erforderte die Übertragung der Druckvorlage auf einen Presszylinder, so

dass seit dem Ende des 19. Jahrhunderts mit dem Zinkzylinder ein modernes

Druckwerk zur Verfügung stand.

Die Druckplatten der Lichtdruckschnellpressen, auf denen täglich bis zu 1.000 Bo-

gen bedruckt wurden, konnten im Bedarfsfall noch chemisch weiterbehandelt wer-

den. Formaldehyd wurde für die Fixierung der Gelatine und damit für eine höhere

Anzahl möglicher Drucke eingesetzt. Mit Alaun konnten auf der Platte nachträglich

einzelne Bereiche so retuschiert werden, dass sie dunkler wurden, das Gegenteil

wurde durch die Retusche mit Zyankali erreicht. Als Netzmittel gegen das In-

einanderfließen der Ölfarben wurde Ochsengalle eingesetzt. Trotz der Fixierung mit

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Seite 6 Branchenblatt Flachdruck (direkte Verfahren)

Altlasten-Leitfaden Schleswig-Holstein: Erfassung Anhang 11

Formaldehyd konnten von der Gelatineschicht höchstens 2.000 Drucke hergestellt

werden, so dass für weitere Drucke neue Vorlagen benötigt wurden. Die Farben für

diesen Druck waren sehr zähflüssig und wurden mit Ölfirnis gebrauchsfähig ge-

macht. Die Drucke (z.B. Plakate) hielten dadurch der Witterung lange stand.

Im 20. Jahrhundert hatten die Flachdruckpressen in der Druckindustrie allerdings

keine große Bedeutung. Mit der starken Entwicklung des Offsetdrucks seit 1910, der

auch für die Fertigung großer Auflagen bei nur geringen Qualitätsverlusten geeignet

war, wurden schon sehr schnell die Rollendruckanlagen für den Offsetdruck umge-

baut; die Bogendruckanlagen, die in mittelgroßen Betrieben noch für Jahrzehnte im

Einsatz waren, wurden nach und nach zu Andruckpressen der Offsetdruckerei

umgebaut.

Abb. 2: Maschinensaal einer Flachdruckerei 1910 (Quelle: GÖÖCK)

3.2.1. Bogenflachdruck

Flachdruckmaschinen für den Bogendruck dominierten seit Beginn der Lithografie.

Handelte es sich zunächst nur um Text- oder Notenblätter auf dem herkömmlichen

Format des Büttenpapiers, wuchs die Arbeitsfläche der Flachdruckmaschinen ent-

sprechend den Produktionsformaten der Papierindustrie, so dass es immer schwie-

riger wurde, die größer werdende Steinplatte mit einer Kniehebelpresse und einem

einfach Farbrakelwerk zu bewegen. Mit der Entwicklung von Schnellpressen, bei

denen nicht mehr der ganze Stein bewegt werden musste, sondern ein Walzensys-

tem die Arbeit übernahm, wurde die Maschinisierung möglich, so dass entspre-

chend den vielfachen Farbformen sehr große Maschinensäle entstanden. Bogen-

druckmaschinen wurden bis ca. 1880 im gesamten Flachdruck eingesetzt. Erst nach

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Branchenblatt Flachdruckerei Seite 7

Altlasten-Leitfaden Schleswig-Holstein: Erfassung Anhang 11

der Erfindung der Druckzylinder aus Zink oder später Aluminium wurde es möglich,

auch Rollenpapiere zu verarbeiten.

3.2.2. Rollenflachdruck

Die häufig hohe Auflage eines Druckauftrags macht den Rollenflachdruck gegen-

über dem Bogendruck wirtschaftlicher. Eine Rollenflachdruckmaschine wurde daher

zumeist für Zeitschriften oder Zeitungen mit farbigen Abbildungen eingesetzt, stand

hierbei aber bereits bei ihrer Einführung in Konkurrenz zum Tiefdruck. Nach dem

1. Weltkrieg hatte sich der Rollenoffsetdruck so weit verbreitet, dass die großen Ver-

lage bald auf den Rollenflachdruck verzichteten.

3.2.3. Druckfarbentrocknung

Im Mehrfarbendruck muss nach jedem Druckwerk getrocknet werden, so dass der

Vorgang der Trocknung Bestandteil des Flachdruckverfahrens ist. Der Begriff

„Trocknung“ umfasst alle Vorgänge, die nach der Farbübertragung von der Druck-

form auf das Papier stattfinden und zu einer stabilen Verbindung zwischen Bedruck-

stoff und Druckfarbe führen. Die Druckfarbe geht dabei mehr oder weniger schnell in

den festen Zustand über. Dies kann durch chemische Reaktionen - Oxidation und

bei moderneren Farben auch Polymerisation - oder durch Verdunstung erfolgen.

Von Bedeutung ist, dass die Farbe nicht bereits im Druckwerk trocknet, aber bereits

so trocken ist, dass der nächste Bogen ohne zu haften auf dem Stapel abgelegt

werden kann. Begünstigt wird dies dadurch, dass ein Großteil der nassen Farbe in

das Papier eindringt (wegschlägt). Die Flachdruckfarbe hat wegen der auf Absto-

ßung von Wasser und Fett beruhenden Flachdruckprinzipien typischerweise eine

sehr hohe Viskosität und enthält kaum Lösemittel. Die Verweildauer der Bogen in

den Bogendruckwerken reicht bei normaler Raumtemperatur aus, einen festen Film

auf der Oberfläche der Farbe zu bilden (Polymerisation).

Der schnellere Rollenflachdruck hingegen benötigt Trockenwerke zwischen den

einzelnen Farbdruckwerken, um das Verkleben zu vermeiden. Der Einsatz von Lö-

semitteln, die entweder die Grenzflächeneigenschaften von Wasser und Fett beein-

flussen oder aber Gelatine- bzw. Asphaltschichten wieder anlösen und damit das

Druckbild verändern würden, war nicht möglich, so dass nur dünnere Öle als ver-

dunstungsfördernde Verdünner in Frage kamen, die dann mit Hilfe von Gebläsen

zwischen den Druckwerken getrocknet wurden. Die Druckfarbe blieb dabei als Film

auf dem Bedruckstoff haften.

3.3. Druckverarbeitung

Die Druckverarbeitung reicht vom Beschneiden der Bogen über das Falzen bis zur

Herstellung von Broschüren und Festeinbänden. Während der Druckverarbeitung

erhalten bedruckte Bahnen, Bogen oder Tafeln die zur Nutzung erforderliche Gestalt

und die geforderten Gebrauchseigenschaften durch entsprechende Maschinen, die

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Seite 8 Branchenblatt Flachdruck (direkte Verfahren)

Altlasten-Leitfaden Schleswig-Holstein: Erfassung Anhang 11

unmittelbar hinter der Druckmaschine aufgestellt sind. Mit diesen Tätigkeiten sind in

der Regel keine altlastrelevanten Tätigkeiten verbunden.

3.4. Druckfarben

Saugende Bedruckstoffe wie Papier oder Pappen erfordern Farben, die schnell in

die Kapillaren wegschlagen und dabei bereits trocknen oder polymerisieren. Die

Farben, die allgemein im Flachdruck benutzt werden, setzen sich zusammen aus

den Schwarz-, Weiß- bzw. Buntpigmenten, dem Bindemittel, zumeist in Pflanzen-

ölen gelöste Harze sowie geringen Mengen an Trockenstoffen (Sikkativen). Als

Pigmente wurden neben dem traditionellen Ruß der Druckerschwärze nahezu aus-

schließlich Mineralien oder Schwermetalle genutzt, die in wenig Öl angerieben wur-

den. Teer- und Anilinfarben konnten nicht eingesetzt werden, weil mit den darin ent-

haltenen Lösemitteln die Druckvorlage verändert würde. Genutzt wurden daher nur

echte Ölfarben.

Als Trockenstoffe werden in der Druckerei Linoleate (Verbindungen von Leinöl mit

den Schwermetallen Blei, Mangan und Kobalt) bezeichnet. Ausgangsstoffe sind

Bleioxid, Bleiacetat, Mangandioxid, Manganborat sowie Kobaltacetat. Bei der Ver-

bindung des heißen Leinöls mit den genannten Schwermetallen entstehen feste

saure Salze, die gemahlen und dem öligen Lösemittel der Druckfarben beigefügt

werden. Die chemische Trocknung der Firnisse wird von diesen Stoffen nach dem

Druck sehr stark beschleunigt. Ihr Gewichtsanteil an den Druckfarben ist davon ab-

hängig, ob es sich um Bogen- oder Rollendruck handelt. Beim mehrfarbigen Druck

auf Rollendruckmaschinen kann das Gewicht der Trockenstoffe in der Druckfarbe

bis zu 5 % ansteigen, weil der Metallgehalt entscheidend für die Trocknung auf kata-

lytischem Weg ist. Druckfarben, die aus Bleipigmenten bestehen, benötigen keinen

Zusatz von Trockenstoffen, weil sie sehr schnell trocknen. Bleihaltige Trockenstoffe

hingegen können nicht mit Sulfidfarben benutzt werden, so dass Kobalttrockner, die

mit allen Farben kombinierbar sind, in zunehmendem Maße benutzt wurden.

4. Umweltrelevante Verfahrens- und Produktionsschritte sowie Verunreinigungspotentiale

4.1. Umweltrelevanz der Druckformherstellung

Die Druckformherstellung für das ursprüngliche Flachdruckverfahren, die Lithogra-

fie, weist keine altlastrelevanten Stoffe auf.

Mit der Entwicklung einer Gelatine- bzw. Asphaltbeschichtung der Druckformen

wurden seit ca. 1880 umweltrelevante Stoffe eingesetzt, die durch das Ausspülen zu

Verunreinigungen des Standortes führen konnten. Es handelte sich hierbei um

Cr(VI)-Salze sowie die Lösemittel Benzol, Toluol und Chloroform.

Zur Fixierung der Beschichtung wurde im Lichtdruck nach dem Spülen Formaldehyd

eingesetzt und gelegentlich Zyankali für die Retusche zu dunkler Druckbereiche

genutzt.

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Branchenblatt Flachdruckerei Seite 9

Altlasten-Leitfaden Schleswig-Holstein: Erfassung Anhang 11

Beide Beschichtungsformen bestanden bis in die 1950er Jahre nebeneinander.

4.2. Umweltrelevanz des Druckverfahrens und der Farben

Flachdruckfarben enthalten zu etwa 80% das Bindemittel Leinöl und Naturharz.

Meistens wurden die Farben nur mit Pflanzenölen verdünnt. Ein sehr großer Teil

des Bindemittels oxidiert sehr schnell auf dem Papier, das daher nicht so saugfähig

sein muss wie z.B. im Zeitungsdruck. Beim Anmischen der Farbe in den Farbkü-

chen, beim Umfüllen in die Farbwerke, insbesondere aber bei den Reinigungsarbei-

ten an der Maschine konnten Handhabungsverluste auftreten.

Zur Reinigung der Maschinen wurden im ersten Arbeitsgang Makulaturpapiere ge-

nutzt, eine zweite Reinigung zwischen den Arbeitstagen wurde mit dünnem Mineral-

öl, z.B. Spindelöl, das die Walzen nochmals säuberte, durchgeführt. Auch nach die-

sem Arbeitsgang wurde Makulaturpapier zum Aufsaugen durch die Maschine ge-

druckt. Die Makulaturpapiere wurden über den Altstoffhandel entsorgt. Die eigentli-

che Reinigung der Maschinen erfolgte mit Hilfe von Putzlappen und Terpentin, Ben-

zin oder später auch Toluol.

Der Flachdruck ist durch die Verwendung von wenigen Lösemitteln grundsätzlich

von geringerer Umweltrelevanz als z.B. der Tiefdruck. Zunächst wurden im 19.

Jahrhundert Terpentin, Petroleum und später Benzin sowie seit den 1920er Jahren

zunehmend Toluol, gelegentlich auch Benzol und Aceton, als Lösemittel und zur

Maschinenreinigung eingesetzt.

5. Gesetzliche Ausführungsvorschriften für verwendete Stoffe/ Stoffgruppen

Die gewerbliche Herstellung von Druckerzeugnissen mit den beiden direkten Flach-

druckverfahren Lithografie und Lichtdruck endete in den 1950er Jahren. Zu diesem

Zeitpunkt gab es noch keine gesetzlichen Ausführungsvorschriften zum Einsatz

umweltrelevanter Stoffe. Rechtliche Bedeutung hatten daher nur Vorgaben der Ge-

werbeordnung und des Baurechts, welche nach gegenwärtigem Kenntnisstand kei-

ne relevanten Hinweise enthielten.

6. Altlastrelevante/altlastirrelevante Nutzungszeiträume

Flachdruckereien sind bis etwa 1880 grundsätzlich von geringer Altlastenrelevanz,

weil die Druckformbeschichtung mit Gelatine oder Asphalt noch nicht eingesetzt und

keine Lösemittel in nennenswertem Umfang verwendet wurden. Durch die Weiter-

entwicklung zum Lichtsatz und das Ätzen der Druckplatten, die dann auf Zylinder

montiert wurden, entstand ein Gefährdungspotential durch Chrom(VI)-Salze, Na-

turasphalt, Benzol, Toluol, Aceton, Chloroform, Formaldehyd, Zyankali und in gerin-

gen Mengen Mineralöl.

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Seite 10 Branchenblatt Flachdruck (direkte Verfahren)

Altlasten-Leitfaden Schleswig-Holstein: Erfassung Anhang 11

Infolge der technischen Weiterentwicklung bestand die Möglichkeit, Text und Bild

zugleich zu drucken, und Druckerzeugnisse in hoher Auflage auch mit dem Flach-

druck herzustellen. Je schneller der Druck wurde, desto dünnflüssiger mussten die

Bindemittel für die Farben angemischt werden. Während im Druck mit Asphaltvorla-

gen nur Naturöle zur Verdünnung eingesetzt werden konnten, wurden beim Druck

mit Gelatineplatten auch traditionelle Lösemittel - Petroleum und Benzin - verwen-

det. Zur Vermeidung von Feuergefahren wurden diese seit den 1920er Jahren durch

Toluol verdrängt.

Innerhalb des Flachdrucks hat sich bis zum Ende der 1950er Jahre der Offsetdruck

so stark durchgesetzt, dass die beiden direkten Druckverfahren (Lithographie und

Lichtdruck) nicht mehr konkurrenzfähig waren. Sie werden seither nur noch von

Kunsthandwerkern oder Künstlern für Auflagen mit sehr geringer Auflage ausge-

führt.

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Branchenblatt Flachdruckerei Seite 11

Altlasten-Leitfaden Schleswig-Holstein: Erfassung Anhang 11

Tabelle 1 Zusammenfassung aller altlastrelevanten Aspekte und Zuordnung zu

den Branchenklassen SH

Zeitspanne Hilfsstoffe Nebenprodukte Altlastrelevante Aspekte

Branchen- klasse SH

1880 - 1925 Schwermetallfarben,

Chrom(VI)-Salze,

Naturasphalt, Petro-

leum, Benzin, Ben-

zol, Toluol, Chloro-

form, Formaldehyd,

Zyankali

Putzlappen, Ma-

kulaturpapier

Schwermetalle

aus Pigmenten

und Trockenstof-

fe - meist Blei-

salze - in Far-

brückständen.

Cr(VI), Lö-

sungsmittel und

Formaldehyd auf

vermutlich un-

dichten Estrichen

und in nicht vor-

handenen oder

unzweckmäßigen

Entwässerungen

5

1926 – 1960 Schwermetallfarben,

Cr(VI)-Salze, Na-

turasphalt, Formal-

dehyd, Zyankali,

Mineralöl in Farben,

Benzol, Toluol, Ace-

ton

Putzlappen, Ma-

kulaturpapier

Schwermetalle

aus Pigmenten

und Trockenstof-

fe - meist Kobalt

- in den Far-

brückständen.

Cr(VI)-Salze,

MKW, wenige

Aromaten. Ver-

besserung der

betrieblichen

Entwässerung.

5

1961 – Ge-

genwart

Die direkten

Flachdruckver-

fahren werden

nur noch als

Kunsthandwerk

im altlastirrele-

vanten Maßstab

betrieben.

0

Branchenklasse 0: kein Gefährdungspotential Branchenklasse 1: Gefährdungspotential sehr gering Branchenklasse 2: Gefährdungspotential gering Branchenklasse 3: Gefährdungspotential mäßig Branchenklasse 4: Gefährdungspotential hoch Branchenklasse 5: Gefährdungspotential sehr hoch

7. Literaturhinweise

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1999.

BERUFSGENOSSENSCHAFT DRUCK UND PAPIERVERARBEITUNG: Sicheres

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Seite 12 Branchenblatt Flachdruck (direkte Verfahren)

Altlasten-Leitfaden Schleswig-Holstein: Erfassung Anhang 11

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Branchenblatt Flachdruckerei Seite 13

Altlasten-Leitfaden Schleswig-Holstein: Erfassung Anhang 11

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- https://de.wikipedia.org/wiki/Lithografie (letzter Zugriff 05.11.2015)

- https://de.wikipedia.org/wiki/Lichtdruck_(Druck) (letzter Zugriff 05.11.2015)

- https://de.wikipedia.org/wiki/Fotolithografie_(Drucktechnik) (letzter Zugriff

16.11.2015)

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Altlasten-Leitfaden Schleswig-Holstein: Erfassung Anhang 11 Histinvest Dr. Klaus Schlottau – Bremen

Branchenblatt Druckerei – Hochdruck (Buchdruck)

Inhaltsverzeichnis Seite

1. Bezeichnung der Branche 2

2. Historischer Überblick 2

3. Allgemeiner Verfahrensablauf 3

3.1. Druckformherstellung 3

3.2. Druckprozess 4

3.3. Druckverarbeitung 5

4. Umweltrelevante Verfahrens- und Produktionsschritte sowie Ver- 5

unreinigungspotentiale

4.1. Umweltrelevanz der Druckformherstellung 5

4.2. Umweltrelevanz des Druckverfahrens und der Farben 6

5. Gesetzliche Ausführungsvorschriften für verwendete Stoffe/ 6

Stoffgruppen

6. Altlastrelevante/altlastirrelevante Nutzungszeiträume 6

7. Literaturhinweise 8

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Seite 2 Branchenblatt Hochdruck (Buchdruck)

Altlasten-Leitfaden Schleswig-Holstein: Erfassung Anhang 11

1. Bezeichnung der Branche

Die Hochdruckerei ist die älteste und zugleich die bis ins letzte Drittel des 20. Jahr-

hunderts am weitesten verbreitete Form der Druckerei. Im vorliegenden Branchen-

blatt wird der Buchdruck als Form des Hochdrucks abgehandelt. Weitere Formen

des Hochdrucks (Anilin- oder Flexo- und Lettersetdruck) werden aufgrund ihrer an-

deren Farbzusammensetzung und Übertragungstechnik an anderer Stelle betrachtet

(vgl. Branchenblätter Druckerei - Tiefdruck sowie Druckerei – Flachdruck (Offset-

druck)). Hergestellt wurden in kleinen, höchstens mittelgroßen Unternehmen vor-

rangig Bücher, Geschäfts- und Kontorbücher (Buchdruck), Werbeblätter, Broschü-

ren, Visitenkarten, Drucksachen (Akzidenzdruckerei) sowie liniertes Papier, Kartei-

karten oder Adressanhänger (Linieranstalten).

Das Hochdruckverfahren wurde von Johannes Gutenberg eingeführt, der einzelne

Lettern mit erhabenen Buchstaben zu einem Druckblock zusammenfügte und dann

mit den bereits bekannten Pressen die Druckfarbe auf das Papier übertrug. Auf den

aus Blei in Formen gegossenen Lettern befanden sich die spiegelverkehrten Abbil-

der der Buchstaben oberhalb des Sockels, so dass sich der Ausdruck "Hochdruck"

für die hochstehenden Buchstaben etablierte. Nachdem der Druckstock Zeile für

Zeile gesetzt war, wurde er in die Presse eingespannt. Die Lettern wurden an der

Oberfläche mit der Druckfarbe bestrichen, daher musste nach jedem Druckbogen

neue Farbe mit einem Wischer aufgetragen werden. Anschließend konnten die Let-

tern aus dem Druckstock entfernt, in die bekannten Letternkästen sortiert und neu

genutzt werden.

Abb. 1: Schema des Hochdrucks einer Heidelberger Tiegelpresse nach 1914

(Quelle: WOLFSTURM, Abbildung von Walter Emmrich).

2. Historischer Überblick

Die Geschichte der Druckerei in Westeuropa wird mit dem Lebenswerk von Johan-

nes Gensfleisch zur Laden, genannt Gutenberg (ca. 1400 – 1468), dem Erfinder der

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Branchenblatt Hochdruck (Buchdruck) Seite 3

Altlasten-Leitfaden Schleswig-Holstein: Erfassung Anhang 11

Hochdruckpresse und der gegossenen Lettern verbunden. Bis zum Ende des 19.

Jahrhunderts, als in großen Tageszeitungen zunehmend auch gerasterte Fotogra-

fien wiedergegeben werden sollten, wurden neben den Büchern auch Zeitungen

ausschließlich auf diese Weise hergestellt. Da die gesetzten Lettern des Hoch-

drucks für hohe Auflagen nicht geeignet waren und deren Herstellung viele Arbeits-

kräfte band, stellten die Zeitungs- und Zeitschriftenverlage bis in die 1960er Jahre

nach und nach auf billigere Flach- und Siebdruckverfahren, z.B. die Offsetdruckerei,

im Rotationsdruck um. Schon bei der Umstellung von Handsatz auf Maschinensatz

wurden die überflüssig gewordenen Pressen, Setzkästen und Schneidemaschinen

häufig von den arbeitslos gewordenen Druckern als Erstausstattung für die Selb-

ständigkeit erworben, so dass zwischen den 1920er und 1960er Jahren eine große

Zahl von Kleinunternehmen entstand. Ihre Verbreitung nahm mit der Einführung der

Kopiermaschinen und der digitalen Druckvorlagen seit den 1970er Jahren ab, so

dass Hochdruckereien in der beschriebenen Form heute nur noch musealen Wert

besitzen.

3. Allgemeiner Verfahrensablauf

Drucken ist ein Arbeitsprozess, der aus drei Teilschritten besteht und nach dem

mittleren Arbeitsschritt benannt worden ist (vgl. das folgende Schaubild).

1. Druckvorstufe

Druckformherstellung

in Abhängigkeit vom

Druckverfahren

2. Drucken

Druckform +

Papier +

Farbe

3. Druckverarbeitung

Falzen und Schneiden

Zusammentragen

Kleben, Heften, Binden

Produktionsfluss in der Druckerei

Abb. 2: Schematische Darstellung der Arbeitsvorgänge in einer Druckerei

3.1. Druckformherstellung

Die Herstellung der Lettern, die in verschiedenen Größen und Schriftarten einge-

setzt werden, geschieht durch ein Gussverfahren, bei dem flüssiges Letternblei (Blei

mit einem hohen Antimon- und mittlerem Zinngehalt) in Formen gegossen wird.

Hierzu sind ein Bleiofen und eine hohe Zahl von Negativformen aller Buchstaben

erforderlich. Da die Lettern nach etwa fünftausend Druckvorgängen abgenutzt sind,

müssen sie regelmäßig eingeschmolzen und neu gegossen werden. Durch Ver-

schmutzungen an den Lettern entstehen Verunreinigungen, Bleioxide, die so ge-

nannte „Bleikrätze", die von dem flüssigen Letternblei abgestrichen wird und zu

oberflächlichen Bleiverunreinigungen in der Umgebung des Ofens führen kann. Be-

reits Ende des 19. Jahrhunderts standen mit der „Linotype" und der „Monotype“

halbautomatische Setzmaschinen mit geschlossenen Ofensystemen zur Verfügung.

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Seite 4 Branchenblatt Hochdruck (Buchdruck)

Altlasten-Leitfaden Schleswig-Holstein: Erfassung Anhang 11

Parallel entwickelte sich ein Markt, der Kleindruckereien mit extern gegossenen Let-

tern versorgte.

Die Lettern wurden in kleinen Unternehmen in die Setzkästen einsortiert und dann

von Hand zu einem Druckstock zusammengefügt; größere Unternehmen hatten

hierfür bereits eine Setzmaschine (Typensetzmaschinen), die mit einer Schreibma-

schinentastatur ausgestattet war und den Handsatz beschleunigte. Die fertige

Druckform wird auch als Klischee bezeichnet.

Ende des 19. Jahrhunderts kamen die ersten kombinierten Zeilensetz- und Gieß-

maschinen auf. Für kleinere und mittlere Unternehmen lohnte sich diese Investition

zumeist nicht. Große Buchdruckereien mussten viele dieser Setzmaschinen haben,

um ihre Aufträge in der erforderlichen Auflagenzahl bearbeiten zu können.

3.2. Druckprozess

Der fertige Druckstock wird in der Presse befestigt und dünn mit Druckfarbe bestri-

chen. Anschließend wird der Papierbogen aufgelegt und mit dem oberen Druck-

stempel auf die Lettern gepresst, so dass die Druckfarbe direkt auf das Papier über-

tragen wird (Direktdruckverfahren). Beschrieben ist hier der Handdruckprozess, der

aber bereits zu Beginn des 19. Jahrhunderts mit ersten Maschinen vereinfacht wur-

de, so dass seit dem Ende des 19. Jahrhunderts die Arbeitsgänge des Farbauftrags

und der Papierzuführung bereits vollständig mechanisiert waren - maßgeblich wurde

dieser Prozess durch die "Heidelberger Druckmaschinen" vorangetrieben. In kleinen

Handdruckereien blieben einfache kurbelbetriebene Press- und Hebelwerke jedoch

noch lange in Gebrauch.

Die Druckfarbe für den typischen Schwarzdruck bestand historisch seit dem 15.

Jahrhundert aus fein gemahlenem Ruß, der in Leinöl dispergiert ist. Im Verlauf der

Zeit gab es diesbezüglich nur einen geringen Wandel, z.B. durch den Zuschlag von

blauen Farbstoffen und den vermehrten Einsatz von Mineralölen. Druckfarben die-

ser Art sind für saugfähige Papiere bis heute in Gebrauch, weil das Papier nach

dem Druck das farbgesättigte Öl in die Kapillaren zwischen den Papier- oder Papp-

fasern zieht, welches dort durch Polymerisation ohne Zusatz von Sikkativen oxidiert,

„trocknet", und damit die Farbe in dem Druckstoff stabilisiert. Von dieser Druckfarbe

und den im Folgenden genannten Buntdruckfarben sowie auch von den zur Maschi-

nenreinigung benötigten Materialien (z.B. Terpentin) gehen keine Umweltgefähr-

dungen aus. Glanzpapiere, Chrompapiere, Folien und Kunststoffe - Bedruckstoffe,

die keine Farben aufnehmen - können aufgrund der eingesetzten Farben und den

damit verbundenen Bindemitteln mit dem Hochdruckverfahren nicht bedruckt wer-

den, so dass Farbverluste in der Werkstatt kaum anfallen.

Seit dem Ende des 19. Jahrhunderts wurden zunehmend Vierfarbdrucke von Hoch-

druckereien hergestellt - bekannt sind z.B. die Kunstdruckeinlagen in den Lexikaedi-

tionen von Meyer oder Brockhaus. Für jede Farbe musste eine eigene Druckvorlage

hergestellt werden, so dass die Bogen mindestens viermal eingelegt und mit der

jeweiligen Farbe bedruckt wurden. Die Buntfarben des Hochdrucks mussten in den

Eigenschaften - Viskosität, Oxidation und Trockenverhalten - jenen des Schwarz-

drucks gleichen. Buntdruckfarben wurden daher zumeist aus Mineralsalzen oder

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Branchenblatt Hochdruck (Buchdruck) Seite 5

Altlasten-Leitfaden Schleswig-Holstein: Erfassung Anhang 11

bergmännisch gewonnenen Erden - Kreide, Umbra, Ocker oder Terra de Sienna -

hergestellt. Diese deckten die Farbskala Weiß und Orange bis Rotbraun ab. Kreide

wurde meist als Unterdruck für Gelbtöne benutzt, so dass Reinweiss aus Mineralien

und chemischen Fällungen gewonnen wurde: Aluminiumhydroxid, Bariumsulfat,

Zinkoxid; Bleiacetat und Zinksulfid dienten solange als Deckweiß, bis im 20. Jahr-

hundert Titandioxid aus Ilmenitgruben verwendet wurde. Für Rotfarben wurde zu-

meist Bleioxid (Mennige) eingesetzt, weil Zinnober (Quecksilbersulfid) und Cadmi-

umrot (Cadmiumsulfit oder -selenit) mit den meisten anderen Metallpigmenten ein-

schwärzen. Als Blaufarbe diente den Hochdruckern seit der frühen Neuzeit das Mi-

loriblau, das durch eine chemische Reaktion von Kaliumhexacyanoferrat(II) mit Ei-

sensulfat hergestellt wurde und gemahlen z.B. als Preußischblau, Berlinerblau oder

Pariserblau in den Handel gelangte. Ultramarin konnte im Hochdruck nicht einge-

setzt werden, weil es nicht mit Firnissen kombinierbar ist. Gelbe Farben wurden

häufig aus Chromgelb hergestellt: es handelte sich hierbei um eine Ausfällung von

Bleisalz mit Chromsäure (Blei(II)chromat). Da Chromgelb mit anderen schwefelhal-

tigen Metallpigmenten schwärzt, dienten Zinkgelb (Zinkchromat) und Cadmiumgelb

(Cadmiumsulfit) als Alternative.

Teerfarben wurden zunehmend in den Druckprozess integriert. Hierbei wurden aber

nur jene Farben genutzt, die ähnlich den vorgenannten Mineralien, als kristallisierte

Pigmente gewonnen, gemahlen und dann, mit Bindemittel versetzt, wie Drucker-

schwärze eingesetzt werden konnten.

3.3. Druckverarbeitung

Nach dem Drucken müssen die Bogen gefaltet, geschnitten und geheftet werden,

womit in der Regel aber keine Verunreinigungen verbunden sind. Im Rahmen der

verbreiteten Arbeitsteilung wurden diese Tätigkeiten bei größeren Aufträgen zumeist

von Buchbindereien übernommen.

4. Umweltrelevante Verfahrens- und Produktionsschritte sowie Verunreinigungspotentiale

4.1. Umweltrelevanz der Druckformherstellung

Handsetzereien mit kleinem Bleiofen haben seit fast 100 Jahren nur noch musealen

Charakter. Der Übergang vom Handsatz zu den nachfolgenden Linotype- und Mo-

notypesatzmaschinen erfolgte hauptsächlich während der 1920er Jahre. Nur noch

Kleinstbetriebe verblieben für den gelegentlichen Akzidenzdruck mit kleiner Auflage

bei diesem tradierten Verfahren, das zu Schwermetallbelastungen (insbesondere

Blei, Antimon und Zinn) führen kann.

Der Maschinensatz mit den oben genannten Setzmaschinen ist zwar ebenfalls mit

Letternblei verbunden, wird aber in einem kontinuierlich beheizten, geschlossenen

Ofen ausgeführt, so dass es seltener zu Bleiverunreinigungen kommen konnte und

keine Bleikrätze mehr anfiel. Die Maschinen konnten zudem nicht mit eingeschmol-

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Seite 6 Branchenblatt Hochdruck (Buchdruck)

Altlasten-Leitfaden Schleswig-Holstein: Erfassung Anhang 11

zenen, gebrauchten Lettern betrieben werden. Gebrauchte Lettern wurden haupt-

sächlich in Bleihütten aufbereitet.

4.2. Umweltrelevanz des Druckverfahrens und der Farben

Die verwendeten Farben enthielten historisch neben dem Farbpigment (Ruß) nur

das Bindemittel Leinöl, später wurde letzteres verstärkt durch Mineralöl bzw. Fett-

säureester ersetzt. Die Druckfarbe wird in der Maschine mechanisch auf dem

Druckstock verteilt und in der Regel vollständig vom Papier aufgenommen, so dass

nur wenige Handhabungsverluste zu erwarten sind. Zum Reinigen der Maschinen

werden Bogen aus Makulaturpapier eingelegt, die wie Löschpapier den Druckstock

und die Presse säubern. Anschließend wird die Presse mit Putzlappen und Terpen-

tin gereinigt.

5. Gesetzliche Ausführungsvorschriften für verwendete Stoffe/Stoffgruppen

Der Betrieb von Druckereien unterliegt zahlreichen gesetzlichen Bestimmungen und

Verordnungen.

Seit 1993 haben sich die Mitglieder des Verbandes der Druckfarbenindustrie in

Deutschland selbst verpflichtet, giftige und bzw. cancerogen, fortpflanzungsgefähr-

dend oder erbgutgefährdend wirkende Rohstoffe nicht mehr für die Farbherstellung

einzusetzen. Diese so genannte Ausschlussliste für Druckfarben und zugehörige

Produkte wird fortlaufend überarbeitet. Seit 1996 gilt dies europaweit.

Weitere Gesetze, Verordnungen und technische Regelwerke, die einen Einfluss auf

den Betrieb einer Druckerei bzw. den Einsatz von umweltrelevanten Stoffen haben,

sind u.a. zu berücksichtigen. Hierzu zählen z.B.:

- 1992 TRGS 404, Grenzwerte für Lösemittelgemische (aufgehoben 1997)

- 1993 Gefahrstoffverordnung (GefStoffV, Anhang V Nr. 4, Blei und anorgani-

sche Bleiverbindungen)

- 1996 TRGS 900 Arbeitsplatzgrenzwerte (Luft)

- 2007 TRGS 505 Blei

6. Altlastrelevante/altlastirrelevante Nutzungszeiträume

Die früheren Hochdruckereien (Buchdruck), die häufig aus dem veralteten Maschi-

nenbestand der modernisierten Zeitungsdruckereien entstanden, sind bis in die

1920er Jahre grundsätzlich von sehr geringer Altlastenrelevanz, weil nur wenige

Schwermetalle und keine umweltrelevanten Lösemittel in größeren Mengen einge-

setzt wurden.

Mit der Einführung der Heidelberger Tiegeldruckpresse nach dem Ersten Weltkrieg

wurde es möglich, die Druckgeschwindigkeit auf fast 5.000 Bogen pro Stunde zu

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Branchenblatt Hochdruck (Buchdruck) Seite 7

Altlasten-Leitfaden Schleswig-Holstein: Erfassung Anhang 11

steigern, so dass auch dünnere Druckfarben erforderlich wurden, damit die Bogen

sich schneller vom Druckstock, der nunmehr von einer automatischen Farbwalze

benetzt wurde, lösen konnten. Es wurden daher Druckfarben benutzt, die, neben

dem Leinöl oder Mineralöl, bis zu 20 Prozent Terpentinöl zur Verminderung der Vis-

kosität enthielten. Mit dieser Neuerung, die bis zum Beginn der 1980er Jahre über-

wiegend genutzt wurde, waren keine weiteren gravierenden Umweltgefährdungen

verbunden. Da zugleich auch die separaten Bleiöfen ausgedient hatten und durch

geschlossene Setzmaschinen oder durch gekaufte Lettern ersetzt wurden, nahm die

Wahrscheinlichkeit einer Bleiverunreinigung ab. In Druckereien, die den Mehrfar-

bendruck auf den Bogenmaschinen ausführten, können zusätzlich geringe Mengen

an anderen Schwermetallen aus den Farbpigmenten als Verunreinigungen aufgetre-

ten sein.

Nachdem seit Beginn der 1960er Jahre die neuen Bogenoffsetmaschinen (vgl.

Branchenblatt Druckerei – Flachdruck (Offsetdruck)) eingeführt wurden, übernah-

men diese schnelleren Maschinen nach und nach das gesamte Anwendungsspekt-

rum des Hochdruckverfahrens, so dass seit dem Ende der 1980er Jahre Hoch-

druckverfahren nur noch für spezielle Anwendungen, z.B. für Familiendrucksachen,

eingesetzt werden. Über den Gesamtzeitraum des Einsatzes gibt es daher zwar

unterschiedliche Schwerpunkte möglicher Verunreinigungen, die aber alle nur eine

geringe Umweltrelevanz haben.

Tabelle 1 Zusammenfassung aller altlastrelevanten Aspekte und Zuordnung zu

den Branchenklassen SH

Zeitspanne Hilfsstoffe Nebenprodukte Altlastrelevante

Aspekte Branchen- klasse SH

1880 - 1925 Letternblei, Druck-

farbe aus Ruß oder

Mineralpigmenten in

Leinöl.

Bleikrätze Bleirückstände

und Abfälle aus

dem Ofen und

der Setzmaschi-

ne, Schwerme-

tallpigmente aus

Farbrückständen

in geringer Men-

ge

1

1926 – 1990 Letternblei, Druck-

farbe aus Ruß oder

Mineralpigmenten in

Leinöl

Makulaturpapier,

Putzlappen

Schwermetall-

pigmente aus

Farbrückständen.

1

1991 – Ge-

genwart

Letternblei, Druck-

farbe aus Ruß oder

Mineralpigmenten in

Leinöl

Makulaturpapier,

Putzlappen

Das Verfahren

wird nicht mehr

im relevanten

Maßstab ange-

wandt.

0

Branchenklasse 0: kein Gefährdungspotential Branchenklasse 1: Gefährdungspotential sehr gering Branchenklasse 2: Gefährdungspotential gering Branchenklasse 3: Gefährdungspotential mäßig Branchenklasse 4: Gefährdungspotential hoch Branchenklasse 5: Gefährdungspotential sehr hoch

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Seite 8 Branchenblatt Hochdruck (Buchdruck)

Altlasten-Leitfaden Schleswig-Holstein: Erfassung Anhang 11

7. Literaturhinweise

BAUER, FRIEDRICH: Anfangsgründe für Buchdruckerlehrlinge. Verlag Klimsch &

Co., Frankfurt/ Main, 1928.

BAUMANN, W.; ROTHARDT, T.: Druckereichemikalien. Springer-Verlag, Berlin,

1999.

BAYERISCHES LANDESAMT FÜR WASSERWIRTSCHAFT: Hinweise zu Anhang

56 (Herstellung von Druckformen, Druckerzeugnissen und grafischen Erzeugnissen)

zur Abwasserverordnung - Merkblatt Nr. 4.5/2-56. München, 2005.

BUNDESVERBAND DRUCK E.V., ABTEILUNG UMWELTSCHUTZ: Abfälle in der

Druckindustrie.– Merkblatt zur Einstufung und Entsorgung von Abfällen. Wiesbaden,

1998.

DORTMUNDER BEITRÄGE ZUR ZEITUNGSFORSCHUNG, Bd. 58: Zeitungsdruck:

Die Entwicklung der Technik vom 17. zum 20. Jahrhundert. Mit Beiträgen von Martin

Welcke und Boris Fuchs. K. G. Saur, München, 2000.

GERHARDT, CLAUS W.: Beiträge zur Technikgeschichte des Buchwesens. Kleine

Schriften 1969-1976. Polygraph Verlag, Frankfurt/ Main,1976

GÖÖCK, ROLAND: Die großen Erfindungen: Schrift, Druck, Musik. Edition Sigloch,

Künzelsau, Salzburg und Leonberg,1984.

KIPPHAN, HELMUT: Handbuch der Printmedien. Technologien und Produktionsver-

fahren. Springer-Verlag, Berlin, Heidelberg, New York, 2000.

KLEIN, HEIJO: DuMont’s kleines Sachwörterbuch der Drucktechnik und grafischen

Kunst. 3. Auflage, DuMont Buchverlag, Köln, 1977.

KOCHERSCHEID, K.: Lehrbuch der Druckindustrie. Polygraph-Verlag, Frankfurt/

Main,1996.

OTTERSBACH, JOCHEM: Bedruckstoff und Farbe. Eine Werkstoffkunde für Dru-

cker und andere Fachleute der Druckindustrie. 3. erweiterte Ausgabe, Verlag Beruf

und Schule, Itzehoe, 1995.

SIEMONEIT, M.; ZEITVOGEL, W.: Satzherstellung. Vom Bleisatz zum Computer

Publishing. 3. Auflage, Polygraph- Verlag, Frankfurt/ Main, 1992.

SOBOTKA, W.; INMANN, H.: Umwelthandbuch für das Graphische Gewerbe. Wirt-

schaftsförderinstitut der Bundeskammer der gewerblichen Wirtschaft, Wien, 1994.

Ergänzungsband 1995.

WOLF, HANS-JÜRGEN: Geschichte der Druckpressen. Ein illustriertes Handbuch

mit einer ausführlichen Zeittafel. Interprint Druck- und Verlags GmbH, Frankfurt/

Main, 1974.

WOLF, HANS-JÜRGEN: Schwarze Kunst. Eine illustrierte Geschichte der Druckver-

fahren. Deutscher Fachverlag, Frankfurt/ Main, 1981.

WOLFSTURM, HANS-JÜRGEN; BURKHARDT, HERMANN: Hochdruck. © Urania-

Verlag in der Verlag Herder GmbH, Freiburg i. Br., 2007.

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Branchenblatt Hochdruck (Buchdruck) Seite 9

Altlasten-Leitfaden Schleswig-Holstein: Erfassung Anhang 11

Internet:

- https://de.wikipedia.org/wiki/Hochdruckverfahren (letzter Zugriff 03.06.2015)

- https://de.wikipedia.org/wiki/Setzmaschine (letzter Zugriff 06.07.2015)

- https://de.wikipedia.org/wiki/Bleisatz (letzter Zugriff 01.07.2015)

- https://de.wikipedia.org/wiki/Lettermetall (letzter Zugriff 06.07.2015)

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Altlasten-Leitfaden Schleswig-Holstein: Erfassung Anhang 11 Histinvest Dr. Klaus Schlottau – Bremen

Branchenblatt Druckerei - Flachdruck (Offsetdruck)

Inhaltsverzeichnis Seite

1. Bezeichnung der Branche 2

2. Historischer Überblick 3

3. Allgemeiner Verfahrensablauf 3

3.1. Druckformherstellung 3

3.1.1. Reproduktionsanstalten 4

3.2. Druckprozess 7

3.2.1. Bogenoffsetdruck 9

3.2.2. Rollenoffsetdruck 9

3.2.3. Druckfarbentrocknung 10

3.3. Druckfarben 11

3.4. Druckverarbeitung 12

4. Umweltrelevante Verfahrens- und Produktionsschritte sowie Ver- 12

unreinigungspotentiale

4.1. Umweltrelevanz der Druckformherstellung 12

4.2. Umweltrelevanz der Druckverfahren und der Farben 13

5. Gesetzliche Ausführungsvorschriften für verwendete Stoffe/ 14

Stoffgruppen

6. Altlastrelevante/altlastirrelevante Nutzungszeiträume 15

7. Literaturhinweise 17

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Seite 2 Branchenblatt Flachdruck (Offset)

Altlasten-Leitfaden Schleswig-Holstein: Erfassung Anhang 11

1. Bezeichnung der Branche

Das Verfahren des Offsetdrucks gehört zu den Flachdruckverfahren: druckende und

nichtdruckende Flächen der Druckform befinden sich in einer Ebene. Das Druckver-

fahren nutzt die chemisch-physikalische Abstoßung von Wasser und Fett, die dru-

ckenden Bereiche der Druckform nehmen die ölhaltige Farbe aufgrund einer beson-

deren Vorbehandlung an, während die übrigen Flächen das Wasser annehmen, das

die Farbe abstößt. Das Flachdruckverfahren untergliedert sich in direkte Drucktech-

niken (Lithographie und Lichtdruck) (vgl. Branchenblatt Druckerei - Flachdruck (di-

rekte Verfahren)) sowie das indirekte Offsetverfahren, das sich um 1910 aus den

anderen entwickelte. Es wird wegen seiner besonderen wirtschaftlichen Bedeutung

gesondert behandelt.

Abb. 1: Schematische Darstellung einer Bogenoffsetdruckerei für zwei Farben

(Quelle: www.saxoprint.de/blog/offsetdruck).

Wie alle Flachdruckverfahren eignet sich der Offsetdruck besonders für die Herstel-

lung von qualitativ hochwertigen Farbdrucken und kann im Gegensatz zu den ande-

ren Verfahren auch auf unelastischen Druckstoffen eingesetzt werden, weil der

Druck nicht durch den direkten Kontakt der eigentlichen Druckform, sondern über

ein Gummituch oder eine gummibespannte Walze indirekt ausgeführt wird. Die

Druckform hält daher deutlich länger und die Druckgeschwindigkeit konnte innerhalb

kurzer Zeit von 800 auf 10.000 Drucke/ Stunde gesteigert werden, so dass schon

kurz nach dem Ersten Weltkrieg auch in Deutschland Buch- und Zeitungsverlage,

aber auch Behörden- und Firmendruckereien, für die Herstellung ihrer Produkte auf

den Offsetdruck umstellten. Während der Kleinoffsetdruck bis zum Format DIN A2

vor allem von Kleinbetrieben ausgeübt wurde, waren mittelständische Buch- und

Zeitungsverlage mit Bogen- und Rollenoffsetdruckmaschinen, die bis zu zehn Far-

ben verarbeiten konnten, ausgestattet. Für den schnellen Kleinoffsetdruck wurden

bald vorgefertigte beschichtete Metallfolien, die nur noch belichtet, entwickelt und

gespült werden mussten, als Druckformmaterial von Zulieferern angeboten, so dass

die sonst personalintensive Druckvorlagenherstellung kalkulatorisch kaum mehr von

Belang war. Durch die Einführung der Trommelbelichter (Laser- und Laserdiodenbe-

lichter) und so genannter „wasserloser“ Offsetdruckvorlagen (Offsetdruckplatten)

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Branchenblatt Flachdruck (Offset) Seite 3

Altlasten-Leitfaden Schleswig-Holstein: Erfassung Anhang 11

konnte das Verfahren weiterentwickelt werden, so dass nach 1960 auch die Groß-

verlage ihre Tiefdruckereien auf das Offsetdruckverfahren umstellten. Gegenwärtig

werden ca. 70 Prozent aller Drucke im Offsetdruckverfahren hergestellt. Seit Ende

der 1980er Jahren werden in allen Druckereien grundsätzlich keine Dichromatbe-

schichtungen von Rohplatten mehr ausgeführt, sondern nur noch vorgefertigte Plat-

ten bezogen.

2. Historischer Überblick

Die Weiterentwicklung des direkten Flachdruckverfahrens, dessen Geschichte bis

zum Beginn des 20. Jahrhunderts bereits im entsprechenden Branchenblatt darge-

stellt wird, vollzog sich in einem schmalen Marktsegment und führte unmittelbar zum

eigentlichen Offsetdruck: Die amerikanischen Hersteller von Dosenkonserven hatten

nach und nach von der Dose mit gelötetem Deckel auf gebördelte Dosen umgestellt,

so dass ein Druck direkt auf das Blech versucht wurde. Der Druck von Zink- oder

Aluminiumplatten oder damit ausgestatteten Druckzylindern auf starre Walzbleche

zerstörte jedoch binnen weniger Umläufe die Druckform. Zwei Personen, Caspar

Hermann und Ira W. Rubel, beschäftigten sich in den Vereinigten Staaten zeitgleich,

aber unabhängig voneinander, mit dieser Problemstellung und gelangten zu ähnli-

chen Ergebnissen. Die Lösung bestand darin, einen elastischen Zwischenträger des

Druckbildes aus Kautschuk oder Gummi zwischen die primäre Druckform und das

Blech zu bringen.

Erste Bogendruckmaschinen nach diesem Prinzip wurden seit 1907 in Deutschland,

England und den Vereinigten Staaten auf den Markt gebracht. 1912 folgte die erste

Rollenoffsetmaschine in Deutschland. Hergestellt wurden weniger hochwertige Dru-

cke, als vielmehr Bücher und Verlagserzeugnisse mit mittleren Auflagen und gerin-

gen qualitativen Ansprüchen (z.B. „Groschenromane“). Der direkte Flachdruck blieb

aber in dem Marktsegment der hochwertigen Druckerzeugnisse bis in die Mitte des

20. Jahrhunderts wirtschaftlich konkurrenzfähig gegenüber dem Offsetdruck. Erst

seit ca. 1950 wurde der traditionelle Flachdruck durch weitere Entwicklungen in der

Druckvorlagenherstellung, insbesondere seit 1958 durch die Einführung des Vario-

Klischographen der Fa. Hell für den Zeitungsdruck, vom Offsetdruck abgelöst.

3. Allgemeiner Verfahrensablauf

3.1. Druckformherstellung

Die Druckform besteht aus einer dicken Metallplatte (historisch auch Mehrmetallplat-

ten), die in zwei Lagen mit einer Emulsion aus Gelatine und Ammonium- oder Kali-

umdichromat beschichtet wurde. Die Platte wurde dann mit einer intensiven Licht-

quelle belichtet, so dass das Licht durch ein fotografisches Negativ strahlt und dabei

ein Positivabbild auf der lichtempfindlichen Chromatierung erzeugt. Die Chromate

verändern unter Lichteinfluss die Löslichkeit der Gelatine gegenüber Wasser, so

dass nach dem Ausspülen der Chromate eine Gelatineschicht mit unterschiedlichem

Verhalten gegenüber Wasser bestehen bleibt (Relief). Für mehrfarbige Druckbilder

ist es notwendig, für jede Prozessfarbe eine Druckplatte (einen Farbauszug) herzu-

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Seite 4 Branchenblatt Flachdruck (Offset)

Altlasten-Leitfaden Schleswig-Holstein: Erfassung Anhang 11

stellen. Wenn Halbtonbilder (Fotos) enthalten sind, müssen die Farbauszüge geras-

tert werden, um die Tonwerte stufenlos darstellen zu können.

Mit der Weiterentwicklung der Fototechnik konnten jedoch dortige Entwicklungen in

Analogie zur Gelatinebeschichtung übernommen werden. Die Einführung des Licht-

satzes („Linofilm"-Setzmaschine von Linotype) führte zur Realisierung eines Satz-

bildes, das dem des Hochdrucks nicht nachstand. Der Übergang von der Fotolitho-

grafie zur Offsetreproduktion war fließend, da sich die Verfahrensschritte ähnelten.

Die Berufsbezeichnung Fotolithograf wurde auf die Offsetreproduktion übertragen,

1956 wurde dieser Lehrberuf in „Druckvorlagenvorbereiter - Fachrichtung Offset“

umbenannt. In den 1950er Jahren entstanden viele, meist kleine Reproduktionsan-

stalten, die sich auf die Herstellung von Druckvorstufen spezialisierten.

Seit den 1980er Jahren werden fast ausschließlich vorbeschichtete Aluminiumplat-

ten oder Kunststoff- bzw. Papierplatten, aber keine Mehrmetallplatten mehr, einge-

setzt. Auch die lichtempfindliche Beschichtung wird nicht durch die Verwendung von

Chromaten erreicht, sondern durch andere Stoffe (Diazochinone, Oxazole, Silberha-

logenide, Fotopolymere o.ä.).

3.1.1. Reproduktionsanstalten

Die Vorlagen, die in so genannten Reproanstalten bearbeitet wurden, waren Bilder

und retuschierte Schwarzweiß-Fotografien, später auch Farbdiapositive. Weitere

Vorlagen und Layouts wurden von Grafikern als Reinzeichnung mit montierten Tex-

ten auf Papier oder bereits als Film geliefert. Ein Reprofotograf fertigte mit Hilfe von

Farbfiltern Farbauszüge für die jeweilige Druckfarbe, die dann nach einigen Korrek-

turarbeiten in der nächsten Stufe zu einem Rasterdiapositiv verarbeitet wurden. Für

jede Farbe wird eine Montagefolie aus den Bild- und Textelementen montiert. Im

Kontaktgerät werden dann in einer Dunkelkammer von den Montagefolien Negative

hergestellt und entwickelt, diese Arbeit wurde während der 1960er Jahre zuneh-

mend von Entwicklermaschinen übernommen. Je nach positiv oder negativ arbei-

tender Plattenbeschichtung werden anschließend die Montagen direkt auf die Platte

oder erst nach einer weiteren Umkopie (Endfilm) auf die Offsetdruckplatte kopiert.

Die Montagen bzw. Endfilme werden auf einem Lichttisch in Kopierrahmen einge-

passt und mit der lichtempfindlich vorbeschichteten Druckplatte durch ein Vakuum

gegen eine Glasplatte gesogen und mit UV-Licht bestrahlt. Bei Positivplatten wer-

den die belichteten Kopierschichtbereiche zersetzt und in der Entwicklermaschine

ausgespült; zurück bleiben die zuvor durch Schwärzung des Films vor der Belich-

tung geschützten Stellen als druckende Flächen. Negativplatten funktionieren ent-

gegengesetzt, hier härten die belichteten Stellen und die unbelichteten Bereiche

werden ausgespült. In einer Andruckpresse kann das zu erwartende Ergebnis für

den Kunden dokumentiert und zusammen mit der Andruckskala, die die Farbauszü-

ge und Zusammendrucke darstellt, ausgeliefert werden.

Vorbeschichtete Offsetdruckplatten wurden 1949 von der Fa. Kalle erstmals auf den

Markt gebracht und schon 1956 begann mit der Einführung der mikrogekörnten

Aluminiumplatte der Übergang zur Eloxalbeschichtung der Druckplatten. Parallel

hierzu verlief die Entwicklung der Herstellung druckfertiger Klischees. Für den Off-

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Branchenblatt Flachdruck (Offset) Seite 5

Altlasten-Leitfaden Schleswig-Holstein: Erfassung Anhang 11

setdruck entwickelte die Fa. Hell 1958 den Vario-Klischographen, der eingefärbte

Folien mechanisch gravierte, so dass sie die Mikrokörnungen der Aluminiumdruck-

platten direkt ersetzen konnten. Dadurch wurde die Entwicklung der digitalen Bild-

verarbeitung in Trommelscannern, die seit dem Beginn der 1960er Jahre eingesetzt

hatte, mit der Entwicklung der Klischographen kombiniert. Die Entwicklung der La-

serscanner seit 1971 - auch hier gab die Fa. Hell mit dem Chromagraph die Rich-

tung vor - ermöglichte die Ausgabe gerasterter und farbkorrigierter Farbauszüge, so

dass Reprokameras für die Herstellung von gerasterten Kopiervorlagen nicht mehr

erforderlich waren.

Die Bildmontage und das Layout der Druckvorlagenherstellung übernahm seit dem

Beginn der 1980er Jahre zunehmend die Elektronische Bildverarbeitung (EBV) mit

Scanner, Bildschirmarbeitsplatz und Plottern. Die bisherige nasschemische Entwick-

lung unter Verwendung von Filmen wurde durch Ausstattung der EBV-Anlagen mit

Fotopolymer-beschichteten Platten, die direkt mit Laserlicht beschrieben werden,

mehr und mehr abgelöst. Auch Silberhalogenid- und Thermopolymerplatten können

im Computer-to-Plate-Belichter bearbeitet werden. Seit Beginn der 1990er Jahre

setzten sich unter dem Begriff „Desktop-Publishing" (DTP) Bildbearbeitungs- und

Layout-Programme durch, die die teuren großen EBV-Anlagen in kurzer Zeit durch

standardisierte Arbeitsplatzrechner ersetzten. Selbst die großen Trommel- und

Flachbettscanner, welche die Bildvorlagen als Raster- oder Vektordatei ausgaben,

wurden, seitdem 1998 die Digitalkamera mit hoher Auflösung eingeführt wurde,

überflüssig.

Seit einigen Jahren werden auch Druckmaschinen mit integrierter Druckformbebil-

derung („Computer to Press“) eingesetzt. Durch die direkte Belichtung der Druck-

platten in der Maschine entfällt das aufwändige manuelle Einspannen.

Daneben hat sich der so genannte digitale Offsetdruck entwickelt, bei dem vom

Computer gesteuert die elektrisch aufgeladene Flüssigtinte direkt auf das Drucktuch

appliziert wird. Druckplatten sind bei diesem Verfahren also überflüssig.

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Seite 6 Branchenblatt Flachdruck (Offset)

Altlasten-Leitfaden Schleswig-Holstein: Erfassung Anhang 11

Tabelle 1 Hilfsmittel und Stoffkomponenten bei der Druckformherstellung (Quel-

le: BUNDESVERBAND DRUCK E.V., ABTEILUNG UMWELT-

SCHUTZ, 1998)

Druckformtyp Hilfsmittel Stoffkomponenten

Positiv-, Negativ- bzw.

Umkehrplatte

Entschichter Alkalihydroxid, Natriumsilikat,

Netzmittel, Tenside, Alkohole,

Wasser

Korrekturmittel Säuren, Alkohole, Glykole,

Fluoride, Kohlenwasserstoffe

Gummierung Gummiarabicum, Dextrine,

Polymere, Biozide

Plattenreiniger Säuren, Kohlenwasserstoffe,

Emulgatoren, Wasser, Bims-

mehl

Einbrenngummierung Polymere, Tenside

Elektrofotografische

Platte

Toner Isoparaffine, Polyacrylate,

Ruß

Entschichter Monoethanolamine, Alkohole,

Natriumhydroxid, Tenside

Gummierung Gummiarabicum, Dextrine,

Polymere, Biozide

Silbersalzdiffusionsfo-

lien

Aktivator Hydrochinon, Natriumcarbo-

nat, Natriumthiosulfat, 2-

Methylaminoethanol, Bromide

Fixierer Mercaptane

Siberhalogenidplatten Entwickler Hydrochinon, Kaliumsulfit,

Kaliumcarbonat, Wasser

Entschichter Alkalisalze, Tenside, Alkohole,

Wasser

Gummierung Gummiarabicum, Dextrine,

Polymere, Biozide

Wasserlose Platten Vorbehandlungsmittel

(Entwickler)

Paraffine, Kohlenwasserstoffe,

Polypropylenglykol, Diethy-

lenglykol, Diglykolamin, Mo-

nobutylether

Nachbehandlungsmittel Isoparaffine, Kohlenwasser-

stoffe, Alkohole, Butylcarbitol,

Ethylcarbitol

Plattenreiniger Isoparaffine, Kohlenwasser-

stoffe, Polypropylenglykol

Konservierer Isoparaffine, Kohlenwasser-

stoffe, Phenole

Korrekturmittel Silikon, Kohlenwasserstoffe,

Isoparaffine

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Branchenblatt Flachdruck (Offset) Seite 7

Altlasten-Leitfaden Schleswig-Holstein: Erfassung Anhang 11

3.2. Druckprozess

Trotz Veränderung bei der Konzeption der neu eingeführten Offsetdruckmaschinen

blieb das Verfahren der Druckvorlagenherstellung gleich. Vor Beginn des Druckes

wurden die Druckplatten mit einem Gemisch aus Glycerin und Wasser befeuchtet,

wodurch die Gelatineschicht entsprechend der zuvor eingewirkten Lichtintensität zu

quellen begann. Stark belichtete Bereiche härteten aus, während wenig oder gar

nicht belichtete Flächen aufquollen, so dass druckende und nicht-druckende Berei-

che definiert wurden. Da das Druckprinzip auf der physikalisch-chemischen Absto-

ßung von Wasser und Fett beruht, können die ausgehärteten Bereiche der Druck-

platte Farbe annehmen, während die anderen das Wasser annehmen, das wiede-

rum die Farbe abstößt.

Das Druckwerk der Maschinen musste um ein mitlaufendes Feuchtwerk, das über

mehrere Walzen einen gleichmäßigen minimalen Film aus Wasser und Glycerin

verteilte, sowie um den gummituchbezogenen Zylinder erweitert werden, so dass

Offsetmaschinen grundsätzlich aus einem Plattenzylinder, auf dem die Druckplatte

montiert ist, aus dem Gummizylinder und dem Gegendruckzylinder sowie dem Farb-

und dem Feuchtwerk bestehen (vgl. Abb. 1). Das Feuchtmittel besteht aus Wasser,

Isopropanol und Zusätzen (z.B. Biozide, Entschäumer) und soll nicht-druckende

Partien farbfrei halten.

Das Farbwerk ist mit zahlreichen Walzen, die auch eine axiale Verreibefunktion ha-

ben, versehen, die dafür sorgen, dass die Farbe aus dem Vorrat stets gleichmäßig

auf den Zylinder mit der Druckvorlage übertragen wird. Damit auch quer zur Druck-

richtung eine Anpassung an unterschiedlich breite Bogen hergestellt werden kann,

lässt sich das Farbwerk mit Segmenten begrenzen, so dass nicht benötigte Berei-

che der Druckwalzen ohne Farbe bleiben. Moderne Offsetdruckmaschinen haben

zudem Wascheinrichtungen. Sollen die Bogen beidseitig zugleich bedruckt werden

(Schön- und Widerdruck), ist im Bogendruck eine Bogenwendeeinrichtung vorgese-

hen, während im Rollendruck beide Bahnseiten gleichzeitig im „Gummi-Gummi-

Prinzip“ (also ohne Gegendruckzylinder) bedruckt werden.

Sofern mehr als nur eine Farbe für den Druck benötigt wird, können weitere Druck-

werke hintereinander gekoppelt werden. Dafür ist es notwendig, die Bogen ggf. mit

Heißluft oder Infrarot zu trocknen. Getrocknet wird in der Regel nach dem letzten

Druckwerk, nur bei UV-Farben oder langen Wendemaschinen finden sich Zwi-

schenwerktrockner. Der wasserlose Offsetdruck ohne Feuchtwerk erlangte erst in

den 1980er Jahren eine gute Praxisreife durch die Verwendung spezieller Farbre-

zepturen und Plattenbeschichtungen. Durch den Wegfall des Feuchtmittels konnten

die Makulaturraten gesenkt und die Druckgeschwindigkeit sowie die Druckqualität

erhöht werden, allerdings müssen zur Beibehaltung der Druckqualität die Druckplat-

ten und Farbwalzen gekühlt werden. Etwa seit dem Jahr 2000 wird dieses Verfahren

auch im Rollenoffsetdruck für Zeitungen und magazinähnliche Produkte verwendet.

Mit der Entwicklung doppeltbreiter Druckwerke zu Beginn der 1960er Jahre wurde

es möglich, pro Druckwerk mehrere Druckaufträge gleichzeitig zu bearbeiten.

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Seite 8 Branchenblatt Flachdruck (Offset)

Altlasten-Leitfaden Schleswig-Holstein: Erfassung Anhang 11

Abb. 2: Maschinensaal einer Farbbogenoffsetdruckerei 1980 (Quelle: GÖÖCK).

Tabelle 2 Hilfsmittel und Stoffkomponenten im Offsetdruck (nach BUNDES-

VERBAND DRUCK E.V., ABTEILUNG UMWELTSCHUTZ, 1998 und

TEBERT, 1998/99)

Hilfsmittel Stoffkomponenten

Farbverdünner Leinöle, vegetabile Öle, Mineralöle

Firnisse Alkydharze, Hartharze, Leinöle, Mineralöle

Scheuerschutzpaste Paraffine, Polyethylen- und Polypropylenwachse

Antiablegepaste Maisstärke, Bindemittel, Mineralöle

Trockenstoffe Kobalt- und Mangansalze

Antitrockner Cyclohexanonoxime, Phenole, Ketone

Feuchtmittelzusatz Phosphorsäure, Zitronensäure, Glycerin, Isothiazo-

linone, Netzmittel, Tenside, Biozide

Silikon-Emulsion Silikone, Korrosionsinhibitoren

Druckbestäubungspuder Maisstärke, Calciumcarbonat, Kieselerde

Druckplattenreiniger Phosphorsäure, Essigsäure, Bimsmehl, Lösemittel,

Emulgatoren, Wasser

Gummituchreparaturmittel Dichlormethan, Xylol, Methanol

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Branchenblatt Flachdruck (Offset) Seite 9

Altlasten-Leitfaden Schleswig-Holstein: Erfassung Anhang 11

3.2.1. Bogenoffsetdruck

In der Kleinoffsetdruckerei, die nicht allein wegen ihrer meist geringen Belegschaft,

sondern auch wegen der kleinformatigen Drucke so genannt wurde, dominierte die

Bogenoffsetmaschine und verdrängte binnen kurzer Zeit den Hochdruck aus dem

entsprechenden Marktsegment. Mit dem Beginn des Kleinoffsets ist die Entstehung

von Reproanstalten verbunden, weil sich die kleineren und mittleren Betriebe in der

Regel keine personal- und kostenintensive Druckvorlagenherstellung leisten konn-

ten.

Gedruckt wurden anfänglich einfarbige Auflagen in kleinen und mittleren Mengen,

nach und nach ergänzt durch zwei- oder mehrfarbige Einlagen. Mit dem Übergang

zu breiteren Papierformaten, die beidseitig 64 Seiten auf einem Bogen druckten

- ein typischer Seitenumfang eines Romanheftes -, und haltbareren Druckplatten

konnten auch größere Auflagen von Büchern und Heften hergestellt werden, so

dass Buchverlage ebenfalls zunehmend auf das Angebot der Bogenoffsetdruckerei-

en zurückgriffen. Die Entwicklung im Buchdruck war verbunden mit der Vereinfa-

chung der Druckvorlagenherstellung im Schriftsatz, die mit der Linofilm- Fotosetz-

maschine begann und im digitalen Satz mündete. Aber nicht nur im einfarbigen

Druck, sondern auch in der Produktion von Farbdrucken konnte der Bogenoffset-

druck gegenüber dem Hoch- und Tiefdruck, aber auch in Konkurrenz zum tradierten

Flachdruck überzeugen, weil die Druckvorlagenherstellung bedeutend schneller und

kostengünstiger war, ohne dass das Druckerzeugnis im Verhältnis zum Aufwand

deutlich an Qualität einbüßte. Hochwertige Drucke konnten zunächst nicht auf diese

Weise hergestellt werden. Erst in den 1980er Jahren entwickelte sich der Bogenoff-

setdruck zum ultimativen Qualitätsdruckverfahren.

3.2.2. Rollenoffsetdruck

Die hohe Auflage von Tageszeitungen, Magazinen, Katalogen, Telefon- und Ad-

ressbüchern machte den Rollenoffsetdruck gegenüber dem Bogendruck wirtschaftli-

cher. Die Anfänge des Übergangs vom Bogen- zum Rollenoffsetdruck liegen bereits

vor dem Ersten Weltkrieg. In der Weimarer Republik stellten zunächst die Verlage

von Regionalzeitungen mit mittleren Auflagen auf dieses Verfahren um.

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Seite 10 Branchenblatt Flachdruck (Offset)

Altlasten-Leitfaden Schleswig-Holstein: Erfassung Anhang 11

Abb. 3: Rollenbogenoffsetdruckerei 1980 (Quelle: GÖÖCK).

Seit der Einführung der doppeltbreiten Maschinen und den Entwicklungen in der

Druckvorlagenherstellung Mitte der 1960er Jahre wurde der Betrieb auch für farbige

Großauflagen (z.B. Versandhauskataloge) wirtschaftlich. Im Unterschied zu den

Zeitungsverlagen, die wegen der Tagesaktualität nicht auf eine eigene Druckvorla-

genherstellung verzichten konnten, wurden die Druckvorlagen der Farbkataloge

meist extern in Reproanstalten hergestellt. Heute löst der farbige Rollenoffsetdruck

immer mehr den Magazin- und Katalog-Tiefdruck ab.

3.2.3. Druckfarbentrocknung

Im einfarbigen Offsetdruck hat die zähflüssige Ölfarbe genügend Zeit, durch Weg-

schlagen und Oxidation zu trocknen; im Mehrfarbendruck hingegen kann es durch

nasse Farbe zur Verschleppung und Verschmutzung der nachfolgenden Farben

kommen. Bedingt durch die zunehmende Geschwindigkeit und den höheren Anteil

von Bildern im Druck wurde im Bogenoffset Druckbestäubungspuder (Stärke oder

Calciumcarbonat) eingeführt, das auf den Ablagestapel geblasen wird, um zur Ver-

besserung der oxidativen Trocknung einen Abstand zwischen den Einzelbogen zu

erzeugen.

Im Rollenoffsetdruck kann aus technischen Gründen kein Puder eingesetzt werden

(Falzapparat, Geschwindigkeit), so dass Trockenwerke erforderlich sind (in der Re-

gel ein Endtrockner nach dem letzten Druckwerk), um eine schnelle Verdunstung

von Wasser und Heatsetölen zu erreichen. Mit der Einführung des wasserlosen

Druckes mit Hilfe von Silikonöl konnte zunächst ein Verzicht auf die Trockentechnik

erreicht werden, aber mit der Herstellung magazinähnlicher Produkte sowie der

Hybrid-Produktion von wasserlosem Zeitungsdruck mit gefeuchtetem Heatset-

Rollenoffset wurden auch bei Wasserlosmaschinen wieder Trockner erforderlich.

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Branchenblatt Flachdruck (Offset) Seite 11

Altlasten-Leitfaden Schleswig-Holstein: Erfassung Anhang 11

Im Offsetdruck findet im Gegensatz zum direkten Flachdruck eine mehrfache Farb-

übertragung (Form-Gummi-Bedruckstoff) statt, daher muss die Farbe etwas dünn-

flüssiger sein und wird mit Mineral- oder pflanzlichem Öl verdünnt. Die Farbe soll

nach der letzten Übertragung schnell in den festen Zustand übergehen, dies kann

durch die Kapillarwirkung von Papier, durch chemische Reaktionen (Oxidation, UV-

Polymerisation) oder durch Verdunstung (Heatsetöle) erfolgen. Wichtig ist, dass die

Farbe nicht bereits im Druckwerk trocknet. Die Offsetdruckfarbe hat eine sehr hohe

Viskosität. Die Verweildauer der Bogen im Druckwerk reicht bei normaler Raum-

temperatur für die Trocknung aus. Nur bei UV-Farben sind Zwischentrockner zwi-

schen den Druckwerken nötig. Die schnelleren Rollendruckmaschinen hingegen

benötigen immer einen Endtrockner nach dem letzten Druckwerk, um das Verkleben

zu vermeiden.

3.3. Druckfarben

Konventionelle Offsetfarben setzen sich aus folgenden Komponenten zusammen

(nach KIPPHAN, 2000):

Firnis (Bindemittel aus Harzen (20 bis 50%) mit einem hohen Kolopho-

niumanteil, Alkydharzen (bis 20%), pflanzlichen Ölen (bis 30%, Lein-, Soja-

oder Holzöl), Mineralölen (20 bis 40%) und Sikkativen (< 2%),

Farbmittel (Pigmente) je nach Farbton zwischen 10 und 30%, eingesetzt

werden neben Farbruß und Titanweiß (anorganisch) Buntpigmente (fast

ausschließlich organisch),

Additive (ca. 10%): Trocknungskatalysatoren (organische Metallsalze (Man-

gan, Kobalt, Cer etc.)), Wachse, Hautverhinderungsmittel.

Im Zuge des gesteigerten Umweltbewusstseins wurden in den letzten Jahren ver-

schiedene Wege zur Reduzierung möglicher Umweltbelastungen beschritten.

Zum einen wird versucht, Farben zunehmend auf Basis nachwachsender Rohstoffe

zu produzieren („Ökofarben“). Der im Bindemittel enthaltene Mineralölanteil soll da-

bei durch Monoester von Pflanzenölfetten ersetzt werden. Für den Rollenoffsetdruck

sind diese Farben aber nicht geeignet, da sie nicht schnell genug trocknen.

Auf den Einsatz giftiger bzw. cancerogener Rohstoffe wird seit 1993 verzichtet und

seit 1995 wurde kontinuierlich der Einsatz leichtflüchtiger Lösemittel reduziert.

Für den wasserlosen Offsetdruck war eine eigenständige Druckfarbenformulierung

notwendig, da Silikonöle quasi die Rolle des entfallenden Wassers übernehmen

müssen.

Beim UV-Offsetdruck werden Farben ohne Lösemittel und Verdünner eingesetzt,

stattdessen enthalten sie Acrylat-Monomere, -Oligomere und Fotoinitiatoren. Durch

Bestrahlung mit UV-Licht lösen letztere eine Polymerisation in der Druckfarbe aus,

die zur Härtung führt. Mit dieser Methode könne auch nicht-saugende Oberfläche

bedruckt werden. Eine Weiterentwicklung ist der Druck mit Elektronenstrahl- härten-

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Seite 12 Branchenblatt Flachdruck (Offset)

Altlasten-Leitfaden Schleswig-Holstein: Erfassung Anhang 11

den Farben, die auf Fotoinitiatoren verzichten können. Allerdings muss dabei im

Vakuum oder Inertgas gearbeitet werden.

3.4. Druckverarbeitung

Die Druckverarbeitung reicht vom Beschneiden der Bogen über das Falzen bis zur

Herstellung von Broschüren und Festeinbänden. Während der Druckverarbeitung

erhalten bedruckte Bahnen, Bogen oder Tafeln die zur Nutzung erforderliche Gestalt

und die geforderten Gebrauchseigenschaften durch entsprechende Maschinen, die

unmittelbar hinter der Druckmaschine aufgestellt sind. Mit diesen Tätigkeiten sind in

der Regel keine altlastrelevanten Tätigkeiten verbunden. Beim Rollenoffset sind die

Falzaggregate fast immer Bestandteil der eigentlichen Druckstraße.

4. Umweltrelevante Verfahrens- und Produktionsschritte sowie Verunreinigungspotentiale

4.1. Umweltrelevanz der Druckformherstellung

Auch im Offsetdruck werden die Druckformen mit fotoempfindlicher Gelatine be-

schichtet. Seit ca. 1880 wurden im Flachdruck umweltrelevante Stoffe eingesetzt,

die durch das Ausspülen der Formen nach dem Belichten in die Umwelt gelangen

konnten. Es handelte sich hierbei insbesondere um Chrom(VI)-Salze für die Gelati-

nebeschichtung.

Schon mit dem Beginn des Offsetdrucks löste sich die Druckvorlagenherstellung

von der Druckerei, weil im Kleinoffsetbetrieb die kosten- und personalintensive

Druckvorstufenherstellung nicht wirtschaftlich war. Aus diesem Grund entwickelten

sich neben der Offsetdruckerei selbständige Reproduktionsanstalten, in denen mit

entsprechenden Verunreinigungen zu rechnen ist (vgl. Branchenbezeichnung Re-

produktionsanstalt). Eine eigene Druckvorlagenherstellung war erst ab einer Be-

triebsgröße von mehr als einhundert Mitarbeitern rentabel; für Zeitungsdruckereien,

die aufgrund der Tagesaktualität eine Druckvorlagenabteilung benötigen, war die

hausinterne Reproanstalt hingegen zwingend.

Mit den Änderungen der Druckvorlagenherstellung von chemisch-physikalischen

Vorgängen während und nach der Belichtung hin zur elektromechanischen und

dann digitalen Bearbeitung der Platten und Filme veränderte sich nicht allein die

Unternehmensform, der Bereich Reproduktion wurde zunehmend wieder Teil der

Druckerei bzw. aus Reproanstalten entstanden Druckereien, sondern mit der Ein-

führung des Vario-Klischographens und des Scanners reduzierten sich nasschemi-

sche Entwickler, Beizen, Ätzbäder oder Fixierlösungen. Diese technische Entwick-

lung hatte zur Folge, dass am Ende der 1960er Jahre die Belastung durch Chroma-

te stark zurückging und seit den 1990er Jahren diese Stoffe nicht mehr eingesetzt

werden, weil das Desktop-Publishing einfacher, schneller und kostengünstiger ist

bzw. andere Vorlagenherstellungsverfahren entwickelt wurden.

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Branchenblatt Flachdruck (Offset) Seite 13

Altlasten-Leitfaden Schleswig-Holstein: Erfassung Anhang 11

4.2. Umweltrelevanz des Druckverfahrens und der Farben

Offsetdruckfarben enthalten bis zu 30 % die Bindemittel Lein- oder Sojaöl, darüber

hinaus auch Naturharz, meist Kolophonium. Farbpigmente und Trockenstoffe ma-

chen einen Anteil von 10 bis 30% aus, so dass es sich um typische Ölfarben han-

delt. Die Pflanzenölfarben geben unter gewöhnlichen Bedingungen keine leichtflüch-

tigen organischen Lösemittel ab, so dass beim Trocknen keine Belastungen entste-

hen. Ein sehr großer Teil des Bindemittels oxidiert bereits bei normaler Umgebungs-

temperatur auf dem Papier. Im Bereich des Rollenoffsetdrucks (Heatset) entstehen

durch das Verdunsten der Verdünner (Heatset-Öle) Dämpfe, die abgesaugt und

verbrannt werden. Mit dem Verfahren des wasserlosen Druckens ist grundsätzlich

der Einsatz von Silikonöl verbunden. Diese stören allerdings die Recyclingabläufe

des Makulaturpapiers, so dass nach Ersatz gesucht wird.

Beim Anmischen der Farbe, beim Umfüllen in die Farbwerke, insbesondere aber bei

den Reinigungsarbeiten an der Maschine können Handhabungsverluste auftreten.

Für die Gummi-Farbwalzenreinigung wurden Reinigungsmittel auf Mineralölbasis

verwendet, die früher oft noch Anteile von CKW, Alkoholen und aromatischen Koh-

lenwasserstoffen wie Benzol oder Toluol enthielten. Die Gummidrucktücher müssen

mindestens nach jeder Druckauflage gewaschen werden. Hierfür wurden meist

Testbenzine und z.T. Aceton eingesetzt. Textil-Feuchtwalzen wurden ebenfalls u.a.

mit Benzin und CKW gereinigt. Nummerierwerke wurden mit Lösemittelgemischen

aus Dichlormethan, Alkoholen (z.B. Isopropanol) und aromatischen Kohlenwasser-

stoffen behandelt.

Zur Regenerierung der Farbwalzen und Gummidrucktücher wurden Mittel angewen-

det, die sich aus Dichlormethan mit Anteilen von Estern, aromatischen Kohlenwas-

serstoffen (z.B. Xylol) und Alkoholen zusammensetzten.

Um eingetrocknete Farben von Gummidrucktüchern oder Farbwalzen zu lösen,

wurden überwiegend ähnliche Gemische wie zur Regenerierung eingesetzt, die

hauptsächlich CKW (Dichlormethan, Chloroform, 1,1,1-Trichlorethan, Trichlorethylen

und Tetrachlorethylen) enthielten.

Bei der Reparatur des Gummituches (Entfernen eingeklemmter Verunreinigungen,

Aufrichten gequetschter Bereiche) wurden historisch Lösungen aus Dichlormethan

mit Xylol- und Methanol-Zusätzen verwendet. Das Auftragen geschah von Hand mit

einem Pinsel.

In den 1980er Jahren wurde begonnen, insbesondere nach CKW-freien Alternativen

zu suchen. Seit 1995 wurde aufgrund einer Brancheninitiative verstärkt von leicht-

flüchtigen Lösemitteln auf schwerflüchtige Reinigungsmittel (Öle) umgestellt. Zu-

sätzlich wird derzeit nach alternativen Feuchtmitteln gesucht, um die Isopropanol-

Emissionen zu reduzieren. Die meisten Offsetdruckmaschinen haben heute automa-

tische Waschanlagen, in denen pflanzenölbasierte Waschmittel eingesetzt werden.

Für einzelne manuelle Reinigungen müssen ggf. Spezialreiniger verwendet werden.

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Seite 14 Branchenblatt Flachdruck (Offset)

Altlasten-Leitfaden Schleswig-Holstein: Erfassung Anhang 11

5. Gesetzliche Ausführungsvorschriften für verwendete Stoffe/

Stoffgruppen

Die Herstellung von Druckerzeugnissen im Offsetdruckverfahren nahm in den

1950er Jahren rasant zu, zu diesem Zeitpunkt waren jedoch noch keine gesetzli-

chen Ausführungsvorschriften zum Einsatz umweltrelevanter Stoffe in Kraft. Erste

Einschränkungen traten mit Beginn der 1970er Jahre ein, als viele der zuvor einge-

setzten umweltrelevanten Stoffe im Offsetdruck, insbesondere in der Druckvorla-

genherstellung, bereits nicht mehr eingesetzt wurden.

Der Betrieb von Druckereien unterliegt gegenwärtig zahlreichen gesetzlichen Be-

stimmungen und Verordnungen. Grundsätzlich handelt es sich bei vielen Anlagen

um genehmigungsbedürftige Anlagen gemäß 4. BImSchV. Seit 1993 haben sich

darüber hinaus die Mitglieder des Verbandes der Druckfarbenindustrie in Deutsch-

land selbst verpflichtet, giftige bzw. cancerogen oder mutagen wirkende Rohstoffe

nicht mehr für die Farbherstellung einzusetzen. Diese so genannte Ausschlussliste

für Druckfarben und zugehörige Produkte wird fortlaufend überarbeitet. Seit 1996

gilt eine europaweite Vereinbarung. Eine weitere Vereinbarung für den europäi-

schen Raum, der bereits 1995 eine entsprechende deutsche Brancheninitiative vo-

rausging, ist die 1999 verabschiedete „VOC Richtlinie über die Begrenzung von

Emissionen flüchtiger organischer Verbindungen...“. Diese wurde 2001 mit der Ein-

führung der 31. BImSchV in deutsches Recht umgesetzt und zeitgleich als Bran-

chenvereinbarung zur Reduzierung von Lösemitteln im Offsetdruck von der Branche

erweitert. Die Neuerungen dieser Richtlinie beeinflussen insbesondere den Rollen-

offsetdruck mit dem Schwerpunkt Heatset. Weitere Gesetze, Verordnungen und

technische Regelwerke, die Einfluss auf den Einsatz von bzw. den Umgang mit

umweltrelevanten Stoffen haben, sind zu berücksichtigen. Hierzu zählen u.a.:

- TA Luft (Abschnitt 3.1.7 Organische Stoffe)

- VAwS hinsichtlich der Lagerung und Abfüllung wassergefährdender Stoffe

(seit 2017 AwSV)

- WHG § 7a in Verbindung mit §1 Abwasserherkunftsverordnung (AbwHerkV)

hinsichtlich der Beschaffenheit von Abwässern (bis 1996), danach WHG §

57 bzw. 58 in Verbindung mit § 1 Abwasserverordnung (AbwV) bzw. der In-

direkteinleiterverordnung SH (bis 2000) sowie § 33 Landeswassergesetz SH

- Chemikaliengesetz (ChemG): gilt als Ermächtigungsgrundlage für die Ge-

fahrstoffverordnung (GefStoffV, in Verbindung mit den technischen Regeln

für Gefahrstoffe (TRGS)) und der Chemikalienverbotsverordnung (Chem-

VerbotsV)

- 1992 TRGS 404, Grenzwerte für Lösemittelgemische (1997 aufgehoben)

- 1995 Brancheninitiative der Grafischen Industrie zum Einsatz von emissi-

onsarmen Lösemitteln in Wascheinrichtungen

- 1996 TRGS 900 Arbeitsplatzgrenzwerte (Luft)

- 1996 IVU-Richtlinie (EU) bzw. 1999 Sektorenrichtlinie zur Begrenzung von

Emissionen flüchtiger organischer Verbindungen, 2010 ersetzt durch die eu-

ropäische IE-Richtlinie, in deutsches Recht umgesetzt im BImSchG und in

BImSchV

- 2007 BVT-Merkblatt für die Oberflächenbehandlung unter Verwendung von

organischen Lösemitteln

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Branchenblatt Flachdruck (Offset) Seite 15

Altlasten-Leitfaden Schleswig-Holstein: Erfassung Anhang 11

- 2008 TRGS 400 Gefährdungsbeurteilung für Tätigkeiten mit Gefahrstoffen

- 2013 TRGS 510 Lagerung von Gefahrstoffen in ortsbeweglichen Behältern

6. Altlastrelevante/altlastirrelevante Nutzungszeiträume

In der Offsetdruckerei bestand von Beginn an ein Gefährdungspotential durch

Chrom(VI)-Salze in der Druckformherstellung. In der Druckerei selber dominierten

Schwermetallpigmente, natürliche Öle und geringe Mengen Mineralöle. Infolge der

Entwicklung in der Vorlagenherstellung bestand die Möglichkeit, Text und Bild

gleichzeitig zu drucken. Zunehmend konnten auch Druckerzeugnisse in hoher Auf-

lage mit dem Offsetdruck hergestellt werden. Je schneller der Druck wurde, desto

dünnflüssiger mussten die Bindemittel für die Farben angemischt werden. Neben

Pflanzenölen wurden dafür auch Mineralöle eingesetzt.

Die am Ende der 1950er Jahre einsetzende Entwicklung neuer Formen der Druck-

vorlagenherstellung beendete die tragende Rolle der bisherigen Beschichtung von

Druckplatten. Es setzte eine zunehmende Verdrängung durch zunächst halogenid-

beschichtete Platten und seit den 1980er Jahren durch die Bebilderung von Druck-

platten mithilfe von Lasern ein. Bei der letztgenannten Weiterentwicklung entstehen

deutlich weniger umweltrelevante Verunreinigungen.

Die Entwicklung zum wasserlosen Offset wurde begleitet von Aluminium- und

Kunststoffplatten, bei denen das Feuchtmittel Wasser durch Silikonöl ersetzt wurde.

Silikonöle können Probleme im Papierrecycling verursachen. Beim Verfahren des

Rollenoffsetdrucks mithilfe von Heizeinrichtungen (Heatset) werden aus den zuge-

setzten Ölen bei Temperaturen von knapp unter 200 °C leichtflüchtige organische

Verbindungen freigesetzt. Diese müssen abgesaugt und in einer Verbrennung ent-

sorgt werden. Im so genannten Coldset-Verfahren, das bei Massenauflagen im Zei-

tungsdruck eingesetzt wird, werden den Farben geringe Mengen an Mineralöl zuge-

setzt. Hieraus können MKW-Rückstände in Farbresten resultieren.

Wasch- und Reinigungsmittel enthielten bis in die späten 1980er Jahre CKW und

auch aromatische Kohlenwasserstoffe wie z.B. Xylol. Danach wurde zunächst

hauptsächlich auf Isopropanol-haltige Reiniger umgestellt, bis diese dann durch eine

Brancheninitiative zur Verbesserung der Raumluft Mitte der 1990er Jahre überwie-

gend durch pflanzenölbasierende Reiniger ersetzt werden konnten.

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Seite 16 Branchenblatt Flachdruck (Offset)

Altlasten-Leitfaden Schleswig-Holstein: Erfassung Anhang 11

Tabelle 3 Zusammenfassung aller altlastrelevanten Aspekte und Zuordnung zu

den Branchenklassen SH

Zeitspanne Hilfsstoffe Nebenprodukte Altlastrelevante

Aspekte Branchen- klasse SH

1910 - 1925 Schwermetallfarben

auf Leinölbasis so-

wie Petroleum oder

Spiritus in der Dru-

ckerei. In der Druck-

vorlagenherstellung:

Chrom(VI)-Salze.

Putzlappen und

Makulaturpapier

Schwermetalle in

Farbrückständen.

Chrom(VI)-Salze

auf undichten

Estrichen und in

nicht vorhande-

nen/ unzurei-

chenden Ent-

wässerungsanla-

gen.

5

1926 - 1960 Schwermetallfarben

und Mineralöl in der

Druckerei. CKW-und

Aromaten-haltige

Wasch- und Reini-

gungsmittel.

Chrom(VI)-Salze,

alkoholische Löse-

mittel in der Druck-

vorlagenherstellung.

Putzlappen und

Makulaturpapier

Schwermetalle in

den Farbrück-

ständen.

Chrom(VI)-Salze,

MKW, CKW,

Aromaten. Ver-

besserung der

Entwässerungs-

anlagen in der

Druckvorlagen-

herstellung, die

auch räumlich

getrennt von der

Druckerei ist.

5

1961 - 1993 Schwermetallfarben

und Mineralöl in der

Druckerei. CKW-und

Aromaten-haltige

Wasch- und Reini-

gungsmittel.

Vorübergehend

Silberchlorid in der

Vorlagenherstellung,

die seit ca. 1980

ohne chemische

Hilfsstoffe arbeitet.

Silikonöl in der was-

serlosen Druckerei.

Putzlappen und

Makulaturpapier

Schwermetalle;

CKW, Aromaten.

Silikonöl in der

Makulatur

5

1994 - Ge-

genwart

Schwermetallredu-

zierte Farben, Mine-

ralöl, Alkohole, na-

türliche Öle, Silikon-

öl.

Putzlappen und

Makulaturpapier

Silikonöl in der

Makulatur. Sub-

stituierende Stof-

fe.

3

Branchenklasse 0: kein Gefährdungspotential Branchenklasse 1: Gefährdungspotential sehr gering Branchenklasse 2: Gefährdungspotential gering Branchenklasse 3: Gefährdungspotential mäßig Branchenklasse 4: Gefährdungspotential hoch Branchenklasse 5: Gefährdungspotential sehr hoch

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Branchenblatt Flachdruck (Offset) Seite 17

Altlasten-Leitfaden Schleswig-Holstein: Erfassung Anhang 11

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Seite 18 Branchenblatt Flachdruck (Offset)

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papierverarbeitung/offsetdruck/bogenoffsetdruck/arbeitsstoffe-

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Altlasten-Leitfaden Schleswig-Holstein: Erfassung Anhang 11 Histinvest Dr. Klaus Schlottau – Bremen

Branchenblatt Druckerei - Siebdruck

Inhaltsverzeichnis Seite

1. Bezeichnung der Branche 2

2. Historischer Überblick 3

3. Allgemeiner Verfahrensablauf 4

3.1. Druckformherstellung 4

3.1.1.Siebreinigung 8

3.2. Druckprozess 9

3.3. Druckfarben 10

3.4. Druckverarbeitung 10

4. Umweltrelevante Verfahrens- und Produktionsschritte sowie Ver- 12

unreinigungspotentiale

4.1. Umweltrelevanz der Druckformherstellung 12

4.2. Umweltrelevanz der Druckverfahren und der Farben 13

5. Gesetzliche Ausführungsvorschriften für verwendete Stoffe/ 13

Stoffgruppen

6. Altlastrelevante/altlastirrelevante Nutzungszeiträume 14

7. Literaturhinweise 16

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Seite 2 Branchenblatt Siebdruck

Altlasten-Leitfaden Schleswig-Holstein: Erfassung Anhang 11

1. Bezeichnung der Branche

Der Siebdruck unterscheidet sich signifikant von den anderen Druckverfahren, da

die Druckfarbe mit einem Werkzeug, der Rakel, durch ein engmaschiges Gewebe,

in dem eine Schablone fixiert ist, auf das zu bedruckende Material gedrückt wird.

Das Verfahren wird daher auch als „Durchdruckverfahren“ bezeichnet. Dort, wo die

im Gewebe befindliche Schablone den Durchdruck der Farbe verhindert, bleibt eine

ungefärbte Fläche, auf der in einem weiteren Arbeitsgang eine andere Farbe aufge-

bracht werden kann.

Die Herstellung der Druckform besteht darin, dass ein Textil-, Draht- oder Kunst-

stoffgewebe, das je nach Bedarf mehr oder weniger Fäden pro Zentimeter aufweist,

straff in einen Rahmen gespannt und dann mit einer lichtempfindlichen Beschich-

tung versehen wird, welche mit dem Abbild, das ggf. fotografisch gerastert wurde,

belichtet wird. Nach dem Entwickeln der Beschichtung verbleibt die Schablone im

siebartigen Gitter. Die fertigen Rahmen werden in der Druckmaschine über dem zu

bedruckenden Stoff eingesetzt und dann mit der jeweiligen Farbe geflutet, so dass

die Rakel die Farbe kurzzeitig durchdrückt. Nach dem Druck muss der Bedruckstoff

oder der bedruckte Gegenstand aus der Maschine entnommen und getrocknet wer-

den.

Ein Manko des Siebdrucks besteht daher darin, dass das Verfahren verhältnismäßig

viel Zeit in Anspruch nimmt und trotz deutlicher Beschleunigung bis in die Gegen-

wart nur wenige tausend Flachdrucke pro Stunde möglich sind bzw. die Druckge-

schwindigkeit bei Rollendruckanlagen nicht mehr als 1,5 m/s beträgt.

Abb. 1: Prinzip des Siebdrucks (Quelle: WOLFSTURM, Abbildung von Walter

Emmrich).

Die Einschränkungen in der Druckgeschwindigkeit werden kompensiert durch die

Vielfalt der bedruckbaren Stoffe und Gegenstände sowie die Möglichkeit, auch sehr

dicke Farbschichten durch Variation der Gewebefeinheit zu erzeugen. Bedruckt

werden Papiere oder Kartonagen (Flyer, Poster, Plakate, Etiketten, Werbeplakate,

Visitenkarten etc.), Textilien (Ober- und Unterbekleidung, Bettwäsche, Meterware

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Branchenblatt Siebdruck Seite 3

Altlasten-Leitfaden Schleswig-Holstein: Erfassung Anhang 11

etc.) sowie Keramik, Glas und Holz und Leder, ferner diverse Kunststoffe (Werbe-

geschenke, Reklameschilder, Displays, Leuchtreklamen). Industriell bedeutend ist

die Herstellung von gedruckten Schaltungen, Photovoltaikanlagen und Industrieaus-

rüstungen mit elektrischen oder elektronischen Funktionen. Der Siebdruck wird

hauptsächlich im Bereich der Werbung und Beschriftung, im Textil- und Keramik-

druck sowie für industrielle Anwendungen eingesetzt. Es handelt sich bei den Sieb-

druckunternehmen daher in der Regel nicht um Medien-, sondern um Industrie- und

Handwerksbetriebe.

2. Historischer Überblick

Der Siebdruck ist die jüngste Entwicklung der Drucktechnik. Gewerbliche Anwen-

dungen der Schablonentechnik lassen sich bereits im 19. Jahrhundert in der Deko-

ration von Gebrauchsgeschirr (z.B. Wedgwood-Geschirr), in der Illustration des

Buchdrucks im Stil des Art Deco und seit 1893 in der industriellen Fertigung von

emaillierten Werbetafeln finden. In den Vereinigten Staaten wurden seit 1880 Ver-

vielfältigungsgeräte für den Bürogebrauch in Schablonentechnik eingeführt. Hierbei

handelte es sich nicht mehr um offene Einzelschablonen, sondern bereits um

Schablonen, die auf Seidengaze hergestellt wurden, und somit mehrere Druck-

informationen nebeneinander darstellen konnten.

Das erste gewerbliche Unternehmen, das sich ausschließlich dem entstehenden

Siebdruck widmete, war 1908 die Firma Velvetone in San Francisco. Die Firma Se-

lectasine, ebenfalls in San Francisco beheimatet, ließ sich 1918 ein Verfahren der

Schablonenherstellung und des Mehrfarbendruckes patentieren, so dass Mitbewer-

ber eine Lizenz erwerben mussten. In Europa fand dieses Verfahren daher erst

1923 in Großbritannien, 1926 in der Schweiz und 1928 auch in Deutschland Ein-

gang - zeitgleich begann die Farbenindustrie Ölfarben für den Schilderdruck herzu-

stellen.

Genutzt wurde dieses Verfahren überwiegend in der Herstellung von Werbeschil-

dern und Leuchtwerbungen, die nach und nach die Emailleschilder in der Außen-

werbung verdrängten. Im Zweiten Weltkrieg wurde der Siebdruck in großem Umfan-

ge für die Beschriftung von Rüstungs- und Versorgungsgütern eingesetzt und ver-

drängte dort, wie auch in der gesamten Logistik, die Einzelschablone.

Eine militärische Nutzung durch die Alliierten ergab sich seit 1943 in der millionenfa-

chen Herstellung gedruckter Schaltkreise für Näherungszünder in Granaten. Zu-

gleich wurden Kunststofffasern aus Polyamid (Nylon) und Polyester entwickelt, die

gegenüber dem gezwirnten Seidenfaden den Vorteil hatten, nur aus einer Faser zu

bestehen (monofil), und damit ein sauberes Druckbild zu erzeugen und mehr Fäden

pro Quadratzentimeter zu ermöglichen. Nach dem Zweiten Weltkrieg hatte sich die

Technik des Siebdruckes soweit verbessert, dass nicht mehr nur Planflächen, son-

dern auch Hohlkörper bedruckt werden konnten.

In Konkurrenz zu den anderen Druckverfahren und auch zum Tampondruck konnte

der Siebdruck einen zwar geringen, aber stabilen Anteil im Bereich der Printmedien

nutzen. Weitere Einsatzmöglichkeiten ergaben sich insbesondere im Textildruck und

in der Beschichtung von Flächen mit elektrischen Leiterbahnen. Grafische und in-

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Seite 4 Branchenblatt Siebdruck

Altlasten-Leitfaden Schleswig-Holstein: Erfassung Anhang 11

dustrielle Anwendungen des Siebdrucks konnten hierbei auch von den Verbesse-

rungen in der Druckvorlagenherstellung profitieren.

Gegenwärtig findet eine Entwicklung statt, die insbesondere im Textildruck vom

Sieb- zum Digitaldruck führt. In anderen Bereichen (z.B. industrielle Anwendung)

bleibt der Siebdruck hingegen führend.

Seit 2011 nennt sich das Berufsbild Medientechnologe Siebdruck.

3. Allgemeiner Verfahrensablauf

Die Druckform des Siebdrucks besteht aus einem stabilen Rahmen, der mit einem

Gewebe bespannt ist, dessen Maschenweite entsprechend der gewünschten Farb-

auftragung zwischen 30 und 180 Fäden pro Zentimeter variiert. Auch die Faden-

dicke kann unterschiedlich sein, dünnere Fäden bei gleicher Fadenzahl pro cm füh-

ren z.B. zu ebenmäßigeren Linien, verbrauchen aber mehr Farbe und sind empfind-

licher. Die Lücken im Netz werden zur Vorbereitung der Schablonenherstellung mit

einer lichtempfindlichen Gelatine- oder Fotopolymerbeschichtung gefüllt und ge-

trocknet. Auf das beschichtete Gewebe wird dann eine Kopiervorlage (transparenter

Film aus Druckereien oder Reproanstalten) belichtet.

Das eindringende Licht verändert die Beschichtung derart, dass Bereiche entstehen,

die mit Wasser ausgewaschen werden können. Nach der Trocknung der gerahmten

Schablonensiebe können diese dann in die Druckmaschine eingesetzt werden. Eine

einfache Druckmaschine für den Flachbettdruck besteht aus einem Tisch mit einer

Spannvorrichtung für den Druckrahmen und einer darüber befindlichen Gummirakel,

die bis auf die Tischfläche abgesenkt werden kann. Die Netzfläche der Vorlage liegt

nur wenige Millimeter über dem Bedruckstoff, sodass die Rakel das Netz mit der

darauf befindlichen Druckfarbe im Kontaktbereich auf den Bedruckstoff herabdrückt

und das Netz sich nach dem Durchgang der Rakel von allein wieder anhebt. Die

Druckfarbe gelangt dabei nur an die Stellen auf den Bedruckstoff, die nicht durch die

Schablone im Netz abgedeckt sind.

Nach dem Druck wird das bedruckte Material aus der Maschine entnommen und

getrocknet. Sofern weitere Farben erforderlich sind, werden die Druckvorgänge an-

schließend fortgesetzt. Die benutzten Rahmen werden nach dem Ende des Druck-

auftrags von Farbresten gesäubert, getrocknet und vor dem nächsten Einsatz ent-

fettet.

3.1. Druckformherstellung

Die Druckvorstufe umfasst alle vorbereitenden Arbeitsschritte vor dem Druck: Lay-

out, Reinzeichnung, Herstellung der Text- und Bildvorlagen, Anfertigung der Kopier-

vorlagen, Andruck und die Druckformherstellung.

Die Druckform besteht aus einem gewebten Sieb aus Seide, Polyester, Nylon oder

Metall. Auf das Sieb wird eine lichtempfindliche Schicht aufgetragen, vergleichbar

jener im Flachdruckverfahren, die durch Lichteinstrahlung aushärtet wird. Die von

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Branchenblatt Siebdruck Seite 5

Altlasten-Leitfaden Schleswig-Holstein: Erfassung Anhang 11

den Durchlichtvorlagen abgedeckten Stellen härten nicht aus und können ausgewa-

schen werden.

Im Siebdruck werden spezielle Gewebe in unterschiedlichen Maschenweiten einge-

setzt. Gewebe mit geringer Siebfeinheit ergeben dabei einen hohen Farbauftrag und

werden im Textildruck genutzt. Gewebe mit hoher Feinheit sind in der Lage, Linien-

signaturen und Details wiederzugeben. Bis in die 1950er Jahre wurden Seidenge-

webe eingesetzt. Diese gezwirnten Fäden (multifil) hatten den Nachteil, dass sich in

den aufgedrehten Fasern Farbe ansammelt, die nur schwer zu beseitigen ist. Die

danach genutzten Fäden aus Nylon und Polyester besitzen nur einen einzigen Fa-

den (monofil), der zugleich eine hohe Zugspannung zulässt, keine ausfasernden

Linien im Druck erzeugt und sich zudem viel besser reinigen und wiederverwenden

lässt. Im gegenwärtigen Siebdruck werden daher ganz überwiegend Polyesterge-

webe eingesetzt. Siebe aus Stahlgewebe werden im Elektronik- und Keramikdruck

benutzt; Siebe aus vernickeltem Stahlgewebe eignen sich wegen ihrer Dauerhaf-

tigkeit insbesondere für den Rotationssiebdruck. Das Produkt „RotaMesh" z.B. ist

sowohl für den Textil- als auch für den Etikettendruck in großen Auflagen geeignet.

Die Vorbereitung des Siebes für den Druck beginnt mit der Entfettung. Ölige Far-

brückstände, die trotz einer Reinigung der gebrauchten Siebe noch vorhanden sind,

oder Öle und Fette aus der Produktion bei neuen Sieben müssen entfernt werden,

damit die Beschichtung vollständig an den Fäden haften kann und die Zwischen-

räume vollflächig benetzt. Für die Entfettung wurden zu Beginn Toluol, Xylol, Ben-

zol, später zunehmend Tenside, aber auch CKW (bis Anfang der 1990er Jahre) ein-

gesetzt.

Die lichtempfindliche Beschichtung bestand anfänglich aus einer Gelatine, deren

lichtempfindlicher Bestandteil Chrom(VI) war. Eine Rezeptur zu Beginn des 20.

Jahrhunderts für eine solche Beschichtung lautete: „20 cm³ einer zehnprozentigen

Lösung von trockenem Eiweiß in Wasser werden mit einem Gemisch von 80 cm³

Wasser, 30 g (…) Fischleim und 30-40 cm³ einer zehnprozentigen Ammoniumdi-

chromat Lösung vermengt.“ (Quelle: LUEGER, Seite 443). Die Druckform wurde

beidseitig mit der Emulsion aus Gelatine, Ammonium- oder Kaliumdichromat be-

schichtet und nach der Trocknung mit einer intensiven Lichtquelle belichtet, so dass

das Licht durch ein fotografisches Negativ strahlte und dabei ein Positivabbild auf

der lichtempfindlichen Chromatierung erzeugte. Die Chromate verändern unter

Lichteinfluss die Löslichkeit der Gelatine gegenüber Wasser, so dass nach dem

Ausspülen eine Gelatineschicht als Schablone im Sieb bestehen bleibt. Für mehr-

farbige Motive ist es notwendig, gerasterte bzw. ungerasterte Negative als Farbaus-

zug aus einer Reprokamera in der Projektionsbelichtung zu nutzen, um für jede

Farbe eine Vorlage herzustellen.

Im Gegensatz hierzu wird beim „Computer-to-Screen-Verfahren" (CTS-Verfahren)

seit den 1990er Jahren kein Film mehr benötigt. Computergesteuert wird das

Druckbild mit einem Ink-Jet-Drucker oder per Laserbelichtung direkt auf das Sieb

aufgespritzt. Bei dem Ink-Jet-Verfahren wird das Motiv mit lichtundurchlässiger Tinte

oder Flüssigwachs auf die Schablonenschicht aufgespritzt und das Sieb anschlie-

ßend mit einer Kopierlampe belichtet. Bei der Lasertechnik wird das Motiv unmittel-

bar in die lichtempfindliche Schicht belichtet.

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Seite 6 Branchenblatt Siebdruck

Altlasten-Leitfaden Schleswig-Holstein: Erfassung Anhang 11

Zu Beginn der 1970er Jahre wurde die chromathaltige Emulsion durch Diazo-

sensibilisierte Kopierschichten abgelöst. Grundlage der Beschichtung ist eine Di-

azoverbindung, eine reaktive N2-Bindung, die als Sensibilisator in den Beschichtun-

gen dient: bei Lichteinfall werden Stickstoffradikale für eine induzierte Polymerisati-

on des Gemenges von Mono- und Oligomeren freigesetzt. Es handelt sich hierbei

um eine Zwei-Komponenten-Beschichtung.

Die Ein-Komponenten-Kopierbeschichtung (Fotopolymer-sensibilisierte Kopier-

schicht) wurde in den 1980er Jahren entwickelt. Hierbei ist die lichtempfindliche

Komponente bereits in der Emulsion enthalten. Es handelt sich z.B. um so genannte

„SBQ-Produkte" („Stilbenium quarternized"). Die wasserlösliche, UV-Licht-sensible

Stilbengruppe (1,2-Diphenylethen) ist chemisch an Polyvinylalkohol gebunden, so

dass die Diazoverbindung als Radikaldonator nicht mehr zwingend notwendig ist.

In der Praxis erwies sich jedoch, dass für bestimmte Produktionen eine Kombination

beider Verfahren zu besseren Ergebnissen führt, so dass die Diazoverbindungen

gegenwärtig meist in Verbindung mit SBQ-Beschichtungen eingesetzt werden (Di-

azopolymer-sensibilisierte Kopierschicht).

Während die Zwei-Komponenten-Beschichtungen zumeist als Fertigmischung von

der Industrie bezogen und manuell oder maschinell aufgetragen wird, werden Ein-

Komponenten-Beschichtungen in Form eines industriell vorbeschichteten dünnen

Polyesterträgers verwendet, der direkt belichtet und wie ein Abziehbild auf das Sieb

übertragen wird (Direktfilm).

Diazo- und Fotopolymer-Beschichtungen belasten im Vergleich zu den Bichromaten

das Abwasser in geringerem Maße. Diazobeschichtungen sind preisgünstig und

haben einen hohen Belichtungsspielraum. Es gibt sie sowohl für den Druck mit Lö-

semittelfarben als auch für den Druck mit Wasserfarben.

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Branchenblatt Siebdruck Seite 7

Altlasten-Leitfaden Schleswig-Holstein: Erfassung Anhang 11

Tabelle 1 Hilfsmittel und Stoffkomponenten im Siebdruck (nach BUNDESVER-

BAND DRUCK E.V., ABTEILUNG UMWELTSCHUTZ, 1998)

Hilfsmittel Komponente Stoff

Gewebeklebstoffe

(2 Komponenten)

Lösemittel Ethylacetat, Aceton, Methyl-

keton

Bindemittel Urethanprepolymer

Härter Polyisocyanat

Gewebelacke

(1 Komponente)

Lösemittel Naphthene, Ethylacetat

Bindemittel Urethanprepolymer

Gewebelacke

(2 Komponenten)

Bindemittel Polyesterharze, Urethanpre-

polymer

Härter Tri-, Polyisocyanat

Entfettungsmittel Alkalien Phosphate, Silikate, Carbo-

nate, Amine

Säuren Citronensäure, Essigsäure,

Milchsäure, Phosphorsäure

Tenside Fettalkohlethoxylate, Alkyl-

glucoside, Fettalkoholsulfo-

nate

Retuschemittel Polyvinyldispersionen Polyvinylalkohol, Polyvinyl-

acetat

Kopierschichten Polyvinyldispersionen Polyvinylalkohol, Polyvinyl-

acetat, Acrylatharze

Sensibilisatoren Diazoniumsalze, Alkalidi-

chromate

Kopierfilme Polyvinyldispersionen Polyvinylalkohol, Polyvinyl-

acetat, Acrylat- und Acetat-

harze

Sensibilisatoren Diazoniumsalze, Alkalidi-

chromate

Farbstoffe Phthalocyanin, Pigmentvio-

lett, Thiazinfarbstoffe

Weichmacher Phthalate

Fungizige, Biozide

Härter Mineralsäuren

Entschichtungsmittel Periodat

Hilfsmittel

Geisterbildentferner Natriumhydroxid, Natrium-

hypochlorit

Tenside

Hilfsmittel

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Seite 8 Branchenblatt Siebdruck

Altlasten-Leitfaden Schleswig-Holstein: Erfassung Anhang 11

3.1.1 Siebreinigung

Die Siebdruckerei unterscheidet sich von anderen Druckverfahren auch dahinge-

hend, dass die benutzten Druckformen nach der Fertigstellung der Druckauflage

gereinigt werden müssen.

Nach dem letzten Druck befinden sich im Sieb noch sehr viele Farbreste, die in ei-

nem ersten Arbeitsgang mechanisch entfernt werden.

Schablonenreste, die sich danach noch an den Fäden des Netzes befinden, müssen

durch einen Entschichtungsvorgang beseitigt werden. Als Entschichter können flüs-

sige oder pastöse Beizen eingesetzt werden. Es handelt sich im einfachsten Fall um

wässrige Periodat-Lösungen, es können allerdings auch Lösemittel eingesetzt wer-

den. Zur Entfernung von „Geisterbildern“ werden z.B. Alkalihydroxide und historisch

aktivchlorhaltige Bleichmittel (Natriumhypochlorit) verwendet. Sofern keine weiteren

Lösemittel eingesetzt wurden, werden die Siebe anschließend mit einem Hoch-

druckgerät gereinigt.

Insbesondere bei der Entfernung von wasserbasierten Siebdruckfarbresten müssen

auch Lösemittel wie Xylol, Toluol, Dichlormethan, Solvent Naphtha etc. eingesetzt

werden. Aktuell wird nach möglichen Alternativen gesucht.

Die manuelle Entschichtung und Reinigung ist mit großen Handhabungsverlusten

verbunden und soll nur unter einem Abzug stattfinden, daher haben sich geschlos-

sene automatische Systeme durchgesetzt. Innerhalb des Systems werden abgelös-

te Farb- und Schablonenreste ausgesiebt und durch einen Dekantiervorgang von

dem Lösemittel getrennt. Das physikalisch gesäuberte Lösemittel kann danach für

weitere Reinigungsprozesse eingesetzt werden, muss aber regelmäßig ausge-

tauscht oder regeneriert werden. Die Regeneration findet in der Regel durch eine

Destillation statt. In den Automaten und den Räumen müssen aus Arbeitsschutz-

gründen Abzugsanlagen und Aktivkohlefilter installiert sein.

Bevor die gesäuberten Siebe erneut beschichtet werden, werden sie mit kresol-,

phenol- oder phosphorsäurehaltigen Lösungen vorbehandelt.

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Branchenblatt Siebdruck Seite 9

Altlasten-Leitfaden Schleswig-Holstein: Erfassung Anhang 11

Tabelle 2 Gebräuchliche Lösemittel in der Druckformreinigung und den Sieb-

druckfarben sowie die zugehörige Wassergefährdungsklasse (nach

BUNDESVERBAND DRUCK E.V., ABTEILUNG UMWELTSCHUTZ,

1998)

Stoff WGK*

1-Methoxypropanol-2 1

Xylol 2

Solvent Naphtha 2

Butylacetat 1

Aceton 1

Methylethylketon 1

Cyclohexanon 1

Diacetonalkohol 1

Benzylalkohol 1

Glykolsäurebutylester 1

1-Methoxypropylacetat 1

Isophoron 1

Butylglykol 1

Dipropylenglykol 1

Testbenzin 2

Ethylacetat 1

Butan-2-ol 1

3-Methoxy-1-butanol 1

* Wassergefährdungsklasse

3.2. Druckprozess

Im Vergleich zu den anderen Druckverfahren ist die Maschinenausstattung einer

Siebdruckerei vergleichsweise gering. Im einfachsten Fall reicht es aus, einen gro-

ßen Tisch mit einer Spannvorrichtung auszustatten, den vorbeschriebenen Rahmen

darauf zu befestigen, das Sieb mit der Druckfarbe zu fluten und mit einer Rakel in

einem gleichmäßigen Arbeitsgang das Sieb mit der Farbe auf die Druckbahnen zu

pressen.

Für eine Beschleunigung des Verfahrens sorgen ggf. die Mechanisierung der Pa-

pieranlage und der Papierabnahme sowie eine Mechanisierung der Druckrakel. Dies

ist möglich, indem entweder die Rakel oder der Drucktisch maschinell hin und her

bewegt wird.

Für eine größere Auflage und eine höhere Druckgeschwindigkeit wurden Rotations-

druckwerke entwickelt. Das druckende Werk besitzt einen Rundsiebzylinder, der mit

der Druckfarbe gefüllt ist, und diese mit einer innerhalb des Zylinders rotierenden

Rakel durch die Schablone auf den Bedruckstoff, der gleichmäßig über den Zylinder

geführt wird, überträgt. Durch die Kombination mehrerer solcher Druckwerke ist es

möglich, auch mehrfarbige Drucke auf Bahnen aufzubringen. Die Maximalge-

schwindigkeit beträgt gegenwärtig 1,5 m/s, die Auflagenhöhe ist deutlich begrenzt.

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Seite 10 Branchenblatt Siebdruck

Altlasten-Leitfaden Schleswig-Holstein: Erfassung Anhang 11

Abb. 2: Siebdruckmaschine im Flachbett 1970 (Quelle: GÖÖCK).

Je nach Farbtyp bzw. Anzahl der Druckwerke (Mehrfarben) muss ggf. ein Trocken-

werk zwischengeschaltet werden. Neben einfachen Trockengestellen gibt es ver-

schiedenartige Durchlauftrockner. Grundsätzlich gilt, dass entstehende leichtflüchti-

ge Verbindungen abgesaugt und gebunden werden müssen.

Siebdruck in der industriellen Fertigung wird in der Regel innerhalb des jeweiligen

Produktionsprozesses ausgeführt, so dass dieser Produktionsbereich nicht unter der

Branchenbezeichnung „Siebdruck“ zu ermitteln ist, sondern als Teilbereich des spe-

zifischen Produktes. So werden z.B. Gläser oder Kunststoffscheiben für Fahrzeuge

(Scheibenheizungen, Scheibenantennen, Armaturentafeln) in der Zulieferindustrie

erzeugt bzw. Scheiben für Haushaltsgeräte, Herdplatten etc. in der jeweiligen Elek-

tronik- oder Haushaltsgerätefabrik gedruckt. Leitende Beschichtungen in der Leiter-

plattenfertigung oder der Photovoltaikindustrie werden ebenfalls direkt in der Pro-

duktionsstätte hergestellt. Ältere Verfahren bis in die 1980er Jahre nutzten den Auf-

druck von säurefesten Lacken, die verhinderten, dass in einer Beize aus Ei-

sen(III)chlorid die Kupferschicht unter dem Lack aufgelöst wurde.

3.3. Druckfarben

Im Siebdruckverfahren lassen sich alle bekannten wasser- oder lösemittelhaltigen

Farben und Farbbreie verwenden.

Saugende Bedruckstoffe wie Papier oder Pappen erfordern Farben, die sich schnell

in die Kapillaren saugen und dabei trocknen oder polymerisieren. Farben für den

Textildruck sind in der Regel sehr zähflüssig und ziehen nur zu einem geringen Ma-

ße in das Textilgewebe ein, bevor sie trocknen. Farben, die auf Kunststoffen einge-

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Branchenblatt Siebdruck Seite 11

Altlasten-Leitfaden Schleswig-Holstein: Erfassung Anhang 11

setzt werden, müssen ebenfalls zähflüssig sein – in diesem Fall werden die Farben

z.T. mit Lösemitteln ausgestattet, um eine Verbesserung der Bindung zu erreichen;

der Druck auf Glas-, Kunststoff- oder Metalltafeln setzt voraus, dass diese fettfrei

sind, so dass vor dem Einsatz von Tensiden häufig leichtflüchtige Lösemittel zur

Vorbereitung des Bedruckstoffes verwandt werden. Für den Druck elektronischer

Schaltungen werden pastöse Gemenge leitender Metalle, häufig Edelmetalle, ver-

druckt.

Grundsätzlich können die Farben aber nach zwei Trocknungsarten unterschieden

werden: die physikalische oder die chemisch-reaktive Trocknung.

Physikalisch trocknende lösemittelhaltige Farben setzen sich zumeist folgenderma-

ßen zusammen (nach BUNDESVERBAND DRUCK E.V., ABTEILUNG UMWELT-

SCHUTZ, 1998):

Lösemittel: aromatische oder aliphatische Kohlenwasserstoffe (u.a. Xylol,

Testbenzin), Alkohole, Ester, Glykolether und -ester, Ketone, s. Tabelle 2)

Bindemittel: Naturharze, Öle, Alkydharze, Cellulosederivate, Keton- und

Phenolharze

Pigmente: anorganisch (Titanweiß, Ruß) und organisch; historisch auch toxi-

sche Pigmente wie Blei, Cadmium und Quecksilber; Blei wird für Spezialfar-

ben z.T. noch eingesetzt

Hilfsmittel: Weichmacher, Sikkative, Entschäumer, Netzmittel

zusätzlich ggf. Verdünner und/ oder Verzögerer sowie Sieböffner (Lösemit-

telgemische)

Im Zuge der Reduzierung des Einsatzes umweltrelevanter Lösemittel wurden auch

wasserbasierende Farben mit einem deutlich geringerem Lösemittelanteil (5 - 15 %,

zumeist Alkohole) entwickelt.

Zu den chemisch-reaktiv trocknenden Farben gehören folgende Farbsysteme:

Zwei-Komponenten-Farben: härten sehr schnell durch Zugabe eines Kataly-

sators

Kunstharz- bzw. Ölfarben: härten oxidativ durch Reaktion mit dem Luftsau-

erstoff; die Aushärtung kann bis zu mehreren Tagen dauern

UV-Farben: sind lösemittelfrei, aber acrylathaltig und härten nur durch Be-

strahlung mit starkem UV-Licht aus (sehr schnell); historisch wurde das

cancerogene Michlers Keton eingesetzt

Daneben gibt es eine Vielzahl weiterer Spezialfarben (z.B. Schmelzfarbe, Plastisol-

farben), aber auch eingefärbte Lebensmittel oder Gouachefarben können verwendet

werden. Hinzu kommen außerdem z.B. Duftfarben, thermochrome Farben, Leucht-

farben oder optisch-variable Farben.

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Seite 12 Branchenblatt Siebdruck

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3.4. Druckverarbeitung

Die Druckverarbeitung von Papierprodukten reicht vom Beschneiden der Bogen

über das Falzen bis zur Herstellung von Broschüren und Festeinbänden. Während

der Druckverarbeitung erhalten bedruckte Bahnen, Bogen oder Tafeln die zur Nut-

zung erforderliche Gestalt und die geforderten Gebrauchseigenschaften durch ent-

sprechende Maschinen. Mit diesen Arbeiten sind in der Regel keine altlastrelevan-

ten Tätigkeiten verbunden.

4. Umweltrelevante Verfahrens- und Produktionsschritte sowie Verunreinigungspotentiale

4.1. Umweltrelevanz der Druckformherstellung

Das Gefährdungspotential der Druckformherstellung, bei der fotoempfindliche Gela-

tine mit Chrom(VI)-Salzen eingesetzt wurde, ist vergleichbar mit dem des Flach-

drucks. Zur Fixierung der Beschichtung wurde nach dem Spülen Formaldehyd und

Ammoniumchromat eingesetzt.

Diese Beschichtungsform wurde erst in den 1970er Jahren durch Diazo- und seit

den 1980er Jahren auch durch SBQ-Beschichtungen abgelöst, so dass die Arbeits-

bereiche der Druckformherstellung und das Abwassersystem bei älteren Betrieben

durch die genannten Stoffe verschmutzt sein können.

Zur Druckformherstellung gehört auch die Entfettung der Siebe mithilfe leichtflüchti-

ger Lösemittel (Toluol, Xylol, CKW etc.), die seit dem Ende des 20. Jahrhunderts

von Tensiden abgelöst wurden.

Im Rahmen der Druckformherstellung ist auch die Entschichtung und Reinigung der

Siebe zu berücksichtigen: neben periodathaltigen Entschichtern wurden auch Lö-

semittel wie Xylol etc. und aktivchlorhaltige Bleichmittel eingesetzt. Daneben fielen

stückige Reste der Schablonen, die bis in die 1970er Jahre mit Chromaten belastet

sein konnten, an.

Auch die überschüssige Farbe kann ein umweltrelevanter Faktor sein. Noch flüssige

Farbe, die mit einer Rakel und Spachteln zurückgewonnen werden konnte, wurde

wieder eingesetzt. Angetrocknete Farbreste an den Fäden und in den Zwischen-

räumen des Netzes hingegen mussten entweder mit Lösemitteln oder mit basischen

Beizen (z.B. Ammoniak, Natronlauge, Natriumbicarbonat, Chlorbleichlauge) gelöst

werden. Zusammen mit den Schablonenresten ergab dies eine große Menge Farb-

schlamm, in dem sich auch Lösemittelreste befunden haben können.

Zusätzlich wurden aufbereitete Siebe vor dem Beschichten mit kresol-, phenol- oder

phosphorsäurehaltigen Lösungen behandelt.

Die Einführung der digitalen Belichtung seit den frühen 1990er Jahren wirkte sich

hinsichtlich des Gefährdungspotentials im Siebdruck nicht in gleicher Weise positiv

aus wie in den anderen Druckverfahren. Zwar sind Diazo- und Stilbenbeschichtun-

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Branchenblatt Siebdruck Seite 13

Altlasten-Leitfaden Schleswig-Holstein: Erfassung Anhang 11

gen weniger umweltgefährdend als Chrom(VI)-Verbindungen, aber auch nicht ohne

Probleme für die Gesundheit der Beschäftigten und die Umwelt.

Im Bereich der Druckformherstellung ist daher mit Chromaten, Formaldehyd, aroma-

tischen oder aliphatischen Kohlenwasserstoffen (Benzine, Toluol, Xylol), chlorierten

Kohlenwasserstoffen (z.B. Dichlormethan), Phenolen, Kresolen, belasteten Farb-

schlämmen und anderen umweltgefährdenden Stoffen zu rechnen.

4.2. Umweltrelevanz des Druckverfahrens und der Farben

Die Umweltrelevanz der eingesetzten Farben ist stark abhängig vom Verwendungs-

zweck, der die Auswahl des Farbtyps bedingt. Eine hohe Relevanz geht insbeson-

dere von lösungsmittelhaltigen Farben aus (s. Kapitel 3.3).

Beim Anmischen der Farbe, dem Umfüllen auf die Siebe und insbesondere bei der

Siebreinigung können Handhabungsverluste aufgetreten sein. Weitere mögliche

Umweltgefährdungen eines Siebdruckbetriebes gehen von der Maschinenreinigung,

bei der verharzte Farben von den Tischen oder Rotationswerken entfernt werden

müssen, aus.

Zur Reinigung der Maschinen wurden alle in der Druckerei üblichen Lösemittel ein-

gesetzt. Putzlappen, in denen sich Farbreste und Lösemittel (z.B. Toluol) befanden,

wurden historisch verfeuert; gegenwärtig sind Mehrweglappen die Regel. Für die

Reinigung eingesetzte Makulaturpapiere werden für den Altstoffhandel gesammelt.

Besonders kritisch sind großflächige Reinigungsvorgänge, bei denen insbesondere

leichtflüchtige Lösemittel in die Raumluft gelangen können. Aus Sicherheitsgründen

sind diese Vorgänge mittlerweile nur noch in geschlossenen Systemen mit einer

Lösemittel-Rückgewinnung und einer strikten Raumentlüftung zulässig.

Ein weiterer kritischer Faktor kann die offene Trocknung von Druckprodukten auf

Gestellen sein, sofern lösemittelhaltige Farben verwendet wurden.

5. Gesetzliche Ausführungsvorschriften für verwendete Stoffe/Stoffgruppen

Die Herstellung von gewerblichen Druckerzeugnissen im Siebdruckverfahren nahm

in den 1950er Jahren stark zu. Zu diesem Zeitpunkt wurde als dominierendes Be-

schichtungsverfahren mit Chromaten gearbeitet, es waren noch keine gesetzlichen

Ausführungsvorschriften zum Einsatz gefährdender Stoffe in Kraft. Erste Einschrän-

kungen traten in den 1970er Jahren ein, als aber bereits auch schon ein produkti-

onstechnischer Wandel beim Siebdruck (z.B. Ersatz chromathaltiger Beschichtun-

gen) eingesetzt hatte.

Der Betrieb von Druckereien unterliegt gegenwärtig zahlreichen gesetzlichen Best-

immungen und Verordnungen. Grundsätzlich handelt es sich bei vielen Anlagen um

genehmigungsbedürftige Anlagen gemäß 4. BImSchV. Seit 1993 haben sich dar-

über hinaus Mitglieder des Verbandes der Druckfarbenindustrie in Deutschland

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Seite 14 Branchenblatt Siebdruck

Altlasten-Leitfaden Schleswig-Holstein: Erfassung Anhang 11

selbst verpflichtet, giftige bzw. cancerogen oder mutagen wirkende Rohstoffe nicht

mehr für die Farbherstellung einzusetzen. Diese sogenannte Ausschlussliste für

Druckfarben und zugehörige Produkte wird fortlaufend überarbeitet. Seit 1996 gilt

eine europaweite Vereinbarung. Eine weitere Vereinbarung für den europäischen

Raum, der bereits 1995 eine entsprechende deutsche Brancheninitiative voraus-

ging, ist die 1999 verabschiedete „VOC Richtlinie über die Begrenzung von Emissi-

onen flüchtiger organischer Verbindungen...“. Diese wurde 2001 mit der Einführung

der 31. BImSchV in deutsches Recht umgesetzt und zeitgleich als Branchenverein-

barung zur Reduzierung von Lösemitteln von der Branche erweitert; für den Sieb-

druck wurden Gestaltungsregeln für Einrichtungen und Anlagen zur Reinigung und

Entschichtung von Siebdruckformen verabschiedet. Spezifisch für den Siebdruck

und die dort genutzten explosiven Lösemittel gilt die LASI-Veröffentlichung „Hand-

lungsanleitung für die Gefährdungsbeurteilung nach der Gefahrstoffverordnung:

Umgang mit Lösemitteln im Siebdruck“ von 2014. Zu beachten sind u.a. auch die

DIN EN 1010-1 sowie EN 1010-2 zu Sicherheitsanforderungen u.a. an den Bau von

Druckmaschinen. Weitere Gesetze, Verordnungen sowie technische Regelwerke,

die Einfluss auf den Einsatz von bzw. den Umgang mit umweltrelevanten Stoffen

haben, sind zu berücksichtigen. Hierzu zählen:

- TA Luft (Abschnitt 3.1.7 Organische Stoffe)

- VAwS hinsichtlich der Lagerung und Abfüllung wassergefährdender Stoffe

(seit 2017 AwSV)

- WHG § 7a in Verbindung mit §1 Abwasserverordnung (AbwV) hinsichtlich

der Beschaffenheit von Abwässern (bis 1996), danach WHG § 57 bzw. 58 in

Verbindung mit § 1 Abwasserverordnung (AbwV) bzw. der Indirekteinleiter-

verordnung SH (bis 2000) sowie § 33 Landeswassergesetz SH

- Chemikaliengesetz (ChemG): gilt als Ermächtigungsgrundlage für die Ge-

fahrstoffverordnung (GefStoffV, in Verbindung mit den technischen Regeln

für Gefahrstoffe (TRGS)) und der Chemikalienverbotsverordnung (Chem-

VerbotsV)

- 1992 TRGS 404, Grenzwerte für Lösemittelgemische (1997 aufgehoben)

- 1995 Brancheninitiative der Grafischen Industrie zum Einsatz von emissi-

onsarmen Lösemitteln in Wascheinrichtungen

- 1996 TRGS 900 Arbeitsplatzgrenzwerte (Luft)

- 1996 IVU-Richtlinie (EU) bzw. 1999 Sektorenrichtlinie zur Begrenzung von

Emissionen flüchtiger organischer Verbindungen, 2010 ersetzt durch die eu-

ropäische IE-Richtlinie, in deutsches Recht umgesetzt im BImSchG und in

BImSchV

- 2007 BVT-Merkblatt für die Oberflächenbehandlung unter Verwendung von

organischen Lösemitteln

- 2008 TRGS 400 Gefährdungsbeurteilung für Tätigkeiten mit Gefahrstoffen

- 2013 TRGS 510 Lagerung von Gefahrstoffen in ortsbeweglichen Behältern

6. Altlastrelevante/altlastirrelevante Nutzungszeiträume

Im gewerblichen Siebdruck bestand von Beginn an ein Gefährdungspotential durch

Chrom(VI)-Salze, Benzol, Toluol bzw. Xylol und Kresol, Phenol sowie Formaldehyd

in der Druckformherstellung und -vorbereitung; in der Druckerei selber dominierten

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Branchenblatt Siebdruck Seite 15

Altlasten-Leitfaden Schleswig-Holstein: Erfassung Anhang 11

Schwermetallpigmente, Harze als Bindemittel und aromatische bzw. aliphatische

leichtflüchtige Lösemittel.

Die Entwicklung neuer Techniken in der Druckvorlagenherstellung beendete spätes-

tens in den 1970er Jahren die vorherrschende Rolle der bisherigen Beschichtungen

von Drucksieben mit lichtempfindlichen Chromaten. Als Ersatz dienten Fotopoly-

merplatten, in denen giftige Diazoverbindungen als Radikaldonatoren benutzt wur-

den. Dieses Verfahren wurde zu Beginn der 1980er Jahre ergänzt durch den Ein-

satz von Stilbenen, die weniger umweltgefährdend sind.

Die zunehmende Beschriftung der Siebe auf digitalem Wege seit den 1990er Jahren

brachte, anders als bei anderen Druckverfahren, keine weitere Verbesserung des

Gefährdungspotentials im Arbeitsbereich der Druckformherstellung.

Die Verwendung von Schwermetallen in den Siebdruckfarben beschränkt sich seit

der Selbstverpflichtung der Farbhersteller in den 1990er Jahren (s. Kapitel 5.) nur

noch auf Spezialanwendungen im keramischen Siebdruck.

In der Siebdruckerei fallen grundsätzlich sehr viele Druckabfälle an. Es handelt sich

hierbei zum einen um die ausgehärteten Schablonen, die von den Sieben entfernt

werden müssen und große Mengen Farbschlamm aus den Reinigungs- und Ent-

schichtungsbädern sowie zum anderen um basische Beizmittel und aliphatische

bzw. aromatische Lösemittel. Lösemittel werden seit Beginn der 1990er Jahre zu-

nehmend in gekapselten Automaten eingesetzt und zurückgewonnen, so dass seit-

her eine geringere Belastung zu erwarten ist. Gleichzeitig setzte eine verstärkte Su-

che nach möglichen Alternativen ein.

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Seite 16 Branchenblatt Siebdruck

Altlasten-Leitfaden Schleswig-Holstein: Erfassung Anhang 11

Tabelle 3 Zusammenfassung aller altlastrelevanten Aspekte und Zuordnung zu

den Branchenklassen SH

Zeitspanne Hilfsstoffe Nebenprodukte Altlastrelevante

Aspekte Branchen- klasse SH

1928 – 1970 Schwermetallfarben,

Cr(VI)-Salze, Form-

aldehyd, Benzol,

Toluol, Xylol, CKW

(Dichlormethan),

Kresole, Phenole.

Putzlappen, Ma-

kulatur

Schwermetalle in

den Farbrück-

ständen. Cr(VI)-

Salze, CKW,

BTX, Kresol,

Phenol. Farb-

schlamm mit

Beiz- und Löse-

mitteln. Undichte

Estriche, nicht

vorhandene/

unzureichende

Entwässerungs-

anlagen.

5

1971 – 1993 Schwermetallfarben,

Fotopolymere mit

reaktiven Diazo- und

Stilbenverbindun-

gen, BTX, CKW,

Kresole, Phenole.

Putzlappen, Ma-

kulatur

Schwermetalle in

Farbrückständen;

CKW, BTX, Kre-

sol, Phenol.

Farbschlamm mit

Beiz- und Löse-

mitteln. Verbes-

serung der Ent-

wässerungssitua-

tion.

5

1994 - Ge-

genwart

Fotopolymere mit

reaktiven Diazo- und

Stilbenverbindun-

gen, schwermetall-

haltige Farben nur

für Spezialanwen-

dungen, Xylol, Kre-

sole, Phenole.

Putzlappen, Ma-

kulatur

gekapselte Anla-

gen, Lösemittel-

regeneration;

Entsorgung des

Farbschlamms

mit Beiz- und

Lösemitteln als

Sondermüll; sub-

stituierende Stof-

fe.

3

Branchenklasse 0: kein Gefährdungspotential Branchenklasse 1: Gefährdungspotential sehr gering Branchenklasse 2: Gefährdungspotential gering Branchenklasse 3: Gefährdungspotential mäßig Branchenklasse 4: Gefährdungspotential hoch Branchenklasse 5: Gefährdungspotential sehr hoch

7. Literaturhinweise

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Branchenblatt Siebdruck Seite 17

Altlasten-Leitfaden Schleswig-Holstein: Erfassung Anhang 11

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Seite 18 Branchenblatt Siebdruck

Altlasten-Leitfaden Schleswig-Holstein: Erfassung Anhang 11

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Branchenblatt Siebdruck Seite 19

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Altlasten-Leitfaden Schleswig-Holstein: Erfassung Anhang 11 Histinvest Dr. Klaus Schlottau – Bremen

Branchenblatt Druckerei - Tiefdruck

Inhaltsverzeichnis Seite

1. Bezeichnung der Branche 2

2. Historischer Überblick 3

3. Allgemeiner Verfahrensablauf 3

3.1. Druckformherstellung 4

3.1.1. Bearbeitung der Formzylinder in der Tiefdruckerei 6

3.2. Druckprozess 7

3.2.1. Bogentiefdruck 7

3.2.2. Rollentiefdruck 8

3.2.3. Tampondruck 9

3.2.4. Druckfarbentrocknung 10

3.3. Druckverarbeitung 11

3.4. Druckfarben 11

4. Umweltrelevante Verfahrens- und Produktionsschritte sowie Ver- 12

unreinigungspotentiale

4.1. Umweltrelevanz der Druckformherstellung 12

4.2. Umweltrelevanz des Druckverfahrens und der Farben 15

5. Gesetzliche Ausführungsvorschriften für verwendete Stoffe/ 16

Stoffgruppen

6. Altlastrelevante/altlastirrelevante Nutzungszeiträume 17

7. Literaturhinweise 20

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Seite 2 Branchenblatt Tiefdruck

Altlasten-Leitfaden Schleswig-Holstein: Erfassung Anhang 11

1. Bezeichnung der Branche

Der Tiefdruck ist ein altes und qualitativ hochwertiges Druckverfahren, dessen An-

fänge in Form des Kupferstichs und späteren Radierungen bis ins frühe 15. Jahr-

hundert zurück reichen. Die aufwändige Herstellung der Druckform hat dazu geführt,

dass dieses Druckverfahren bis in das 19. Jahrhundert hinein überwiegend von

Kunsthandwerkern ausgeübt wurde.

In den tiefenvariablen, gravierten Tiefdruckplatten oder -zylinder nehmen die Näpf-

chen eine unterschiedlich große Farbmenge auf. Die damit auf dem Bedruckstoff

erzeugte unterschiedliche Schichtdicke entspricht den Tonwertabstufungen der Ori-

ginalvorlage. Verbessert wird die Bildwirkung noch dadurch, dass die flüssige

Druckfarbe nach der Farbübertragung in den Bereichen tiefer Töne auf dem Be-

druckstoff etwas ausfließt und sich somit keine scharf abgegrenzten Rasterpunkte

ergeben und die Stege der Druckform nicht sichtbar werden. Wie beim Hochdruck

auch, ist es möglich, Vierfarbendrucke zu erzeugen, indem jeweils gerasterte Farb-

auszüge erstellt und gedruckt werden. Industriell eingesetzt wird das Verfahren seit

der Einführung der Heliogravüre (fotografisches Edeldruckverfahren) am Ende des

19. Jahrhunderts. Es wurde möglich, Fotografien mit Belichtung auf die Druckplat-

ten, die schon bald von Druckzylindern abgelöst wurden, zu übertragen. Die belich-

teten Bereiche wurden geätzt, so dass, entsprechend der Größe der Bildpunkte,

unterschiedlich tiefe Näpfchen entstanden. Seit dem Beginn des 20. Jahrhunderts

fand der Tiefdruck vor allem bei illustrierten Zeitungen mit hoher Auflage, später bei

Zeitschriften und Katalogen, Anwendung.

Die heutige Mindestauflagenhöhe von Tiefdrucken beträgt wegen der teuren Druck-

vorstufenherstellung etwa eine Million Exemplare. Wochenzeitschriften und Ver-

sandhauskataloge sind deshalb die Hauptprodukte, die im Tiefdruck produziert wer-

den. Solche Produkte werden nur in großen Druckhäusern hergestellt, so dass klei-

ne und mittelständische Betriebe keine vollstufige Tiefdruckerei betreiben - wohl

aber ausgelagerte Tätigkeiten der Druckvorlagenherstellung (z.B. Repro- und Kli-

scheeanstalten). Der Tiefdruck wird auch bei der Herstellung von Verpackungen aus

Mehrschichtpapieren oder Karton sowie auf Folien aus Kunststoff oder Metall einge-

setzt, häufig befindet sich die Druckerei dann in entsprechenden Betrieben, z.B. der

Verpackungs- oder Konservenindustrie. Die entsprechenden Druckzylinder werden

zumeist jedoch zugeliefert.

Es gibt viele spezifische Tiefdruckanwendungen mit unterschiedlichen Anforderun-

gen und Bedürfnissen sowie auch Kombinationen der verschiedenen Druckverfah-

ren. Diese Bandbreite soll und kann nicht umfänglich in diesem Branchenblatt erläu-

tert werden, es geht hier vornehmlich um einen ersten allgemeinen Überblick.

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Branchenblatt Tiefdruck Seite 3

Altlasten-Leitfaden Schleswig-Holstein: Erfassung Anhang 11

Abb. 1: Schematische Darstellung des Tiefdrucks in einer Rotationsdruckma-

schine (Quelle: © Helmut Kipphan, Handbuch der Printmedien, Springer,

2000).

2. Historischer Überblick

Der Tiefdruck ist älter als das Druckverfahren Gutenbergs, das zu den Hochdruck-

verfahren gehört. In Form von Kupferstichen und Radierungen wurden bildhafte

Darstellungen auf Einzelblätter und Flugblätter gedruckt. Im 17. Jahrhundert wurden

Kupfer- und Stahlstiche bereits in Zylinderdruckwerken statt in den horizontalen

Pressen hergestellt. Größere Verlage mit einer eigenständigen Druckerei sowie ei-

ner vergleichsweise hohen Auflage und dem Bedarf an bildlichen Darstellungen, so

z.B. die Maschinenbücher und Enzyklopädien des 18. Jahrhunderts, griffen auf die-

se Möglichkeit zurück, insbesondere, um feinere Linien und Schraffuren für

Schwarz-Weißverläufe darstellen zu können. Erst mit der Entstehung der Fotografie

und der Kenntnis von lichtempfindlichen Beschichtungen über die Heliogravüre seit

dem Ende des 19. Jahrhunderts gab es wieder bedeutende Fortschritte im Tief-

druck. Diese fanden allerdings nur im industriellen Rahmen von Großverlagen oder -

druckereien Anwendung.

3. Allgemeiner Verfahrensablauf

Die Druckbildinformation wird in Vertiefungen der Druckform gespeichert. Es handelt

sich im Ursprung um Radierungen, Holz-, Kupfer- oder Stahlstiche, für die das Ne-

gativ mit schneidenden oder schabenden Werkzeugen in die Platte eingearbeitet

wird. Die Vertiefungen werden mit Farbstoff aufgefüllt, so dass auf dem Druckstoff

ein positives Bild erzeugt wird. Diese Verfahren, die vom 15. bis zum Ende des 19.

Jahrhunderts entwickelt wurden, wurden seit der Entstehung der Fotografie zuneh-

mend industrialisiert: zähe Farbfirnisse wurden durch dünnflüssige, lösemittelhaltige

Teerfarben ausgetauscht, Druckplatten wichen Druckzylindern, Graveure wurden

durch Reprofotografen ersetzt.

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Seite 4 Branchenblatt Tiefdruck

Altlasten-Leitfaden Schleswig-Holstein: Erfassung Anhang 11

Bei der Druckformherstellung wird die Kopiervorlage, ein Film, auf optischem Wege

auf den fotochemisch beschichteten Druckformrohling, die unbelichtete Druckform,

übertragen. Für jede Primärfarbe wird eine Druckform mit Hilfe des entsprechenden

Farbauszugs hergestellt. Nach der Belichtung des Druckformrohlings schließt sich

evtl. ein Zwischenschritt, z.B. eine Erwärmung, an, bevor die Entwicklung mit den

vom Druckformmaterial abhängigen chemischen bzw. physikalischen Prozessen -

meist ätzende oder mechanische Arbeitsschritte - folgt. Das Verfahren der Heliogra-

vüre erhielt erst seit 1960 durch die Einführung eines optisch gesteuerten mechani-

schen Stichels der Fa. Hell eine ernsthafte Konkurrenz. Die Druckwalzenhalbscha-

len werden abschließend behandelt, d.h. eingebrannt oder konserviert sowie für die

Befestigung in der Druckmaschine vorbereitet. In der Druckvorbereitung ist mit Bei-

zen, Entwicklern sowie galvanischen Bädern zu rechnen. Da Mineralöle, Schwerme-

talle und Lösemittel auch in den Farben vorhanden sind, ist die Tiefdruckerei in fast

allen Abteilungen altlastrelevant.

1. Druckvorstufe

Druckformherstellung

in Abhängigkeit vom

Druckverfahren

2. Drucken

Druckform +

Papier +

Farbe

3. Druckverarbeitung

Falzen und Schneiden

Zusammentragen

Kleben, Heften, Binden

Produktionsfluss in der Druckerei

Abb. 2: Schematische Darstellung der Arbeitsschritte im Druckereigewerbe.

3.1. Druckformherstellung

Nach der Erfindung der Fotografie vor Mitte des 19. Jahrhunderts wurde der

Wunsch nach einer Wiedergabe im Druck immer stärker. Doch mit der damals ver-

fügbaren Technik im Buchdruck war man nicht in der Lage, Halbtöne wiederzuge-

ben. Aber mit der Erfindung der Reprokamera 1881 wurden die Voraussetzungen

für den modernen Tiefdruck gelegt. Für Reprokameras wurden Gitternetze in Form

von Glasrastern geschaffen, die auf fotografisch-optischem Wege die Tonwerte des

Originals in unterschiedlich große Rasterpunkte, das heißt, druckfähige Elemente,

zerlegten.

Die Heliogravüre, auch als Fotogravur bezeichnet, besteht aus einer Kupferplatte,

die mit geschmolzenem Kolophonium vorbehandelt ist, um darauf eine mit Kalium-

oder Ammoniumdichromat lichtempfindlich gemachte Gelatineschicht anhaften zu

können. Die Platte wird dann mit einer zuvor gerasterten Kontaktkopie der Text-

oder Bildvorlage belegt und belichtet. Die Lichteinwirkung bewirkt, dass die chroma-

tierte Gelatine aushärtet, so dass die unbelichteten Bereiche mit warmem Wasser

entfernt werden können. Es verbleibt ein Relief von Gelatineerhebungen, die dann

mit Eisen(III)chlorid geätzt werden. Je geringer die Reliefstärke ist, desto länger und

tiefer dringt die Beize ein, so dass nach dem Entfernen der gesamten Gelatinebe-

schichtung unterschiedlich tiefe und große Näpfchen entstehen.

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Branchenblatt Tiefdruck Seite 5

Altlasten-Leitfaden Schleswig-Holstein: Erfassung Anhang 11

Ein ähnliches, aber industriell besser nutzbares Ätzverfahren wurde nach dem Zwei-

ten Weltkrieg aus dem Siebdruck übernommen. Es handelt sich um das Formätzen

mit Pigmentpapier - Pergamentpapier, das mit Gelatine beschichtet und kurz vor der

Verwendung mit einer Chrom(VI)salzlösung lichtempfindlich gemacht wird. Nach der

Belichtung in einem Kopierrahmen wird das Pigmentpapier in einer Übertragungs-

maschine auf die Formzylinderoberfläche „kaschiert“. Durch das Aufweichen und

Ausspülen der unbelichteten und daher löslichen Gelatine in warmem Wasser mit

anschließender Trocknung entsteht ein Relief von unterschiedlich dicken Gelatine-

schichten zwischen den erhabenen Rasterstegen. Vor dem Ätzen in einer Ei-

sen(III)chlorid-Lösung werden alle nichtdruckenden Partien mit einem säurefesten

Asphaltlack abgedeckt. Dieses Verfahren blieb bis zur Mitte der 1960er Jahre nahe-

zu konkurrenzlos.

Erst mit dem Helio-Klischograph der Firma Hell aus Kiel wurde 1961 eine optisch-

mechanische Alternative zur Heliogravüre und dem Pigmentpapier eingeführt. Der

Abtastzylinder der elektromechanischen Gravur und der zu gravierende Formzylin-

der sind entweder mechanisch oder elektronisch miteinander gekoppelt. Auf dem

Abtastzylinder wird ein Positiv des Druckbildes auf einem mit Silbernitrat beschichte-

ten Polyesterzylinder, einem sogenannten Opalfilm, optisch abgetastet. Je nach

Helligkeit des gescannten Bildpunktes wird eine entsprechende Lichtmenge reflek-

tiert; diese wird in ein elektrisches Signal gewandelt. Die Ausgangssignale des Ab-

tastkopfes werden im Rechner elektronisch so aufbereitet, dass der Gravierkopf mit

dem Diamantstichel auf der späteren Druckwalze entsprechend gesteuert wird. Vom

Rechner werden zwei Signale dem Gravierkopf zugeführt: das eigentliche Bildsignal

sowie das die Rasterfeinheit und Winkellage definierende Rastersignal. Beide erge-

ben ein moduliertes Signal zur Steuerung des Gravierkopfes. Nachdem die Bildda-

ten, als Folge der Verbesserung der Computertechnik seit Mitte der 1990er Jahre,

unmittelbar geeignet sind, den Gravierkopf zu steuern, konnte der Zwischenschritt

der Reprofotografie und des Entwickeln eines Opalfilms ausgelassen werden, so

dass spätestens seit den 1990er Jahren die Heliogravüre durch die mechanisierte

Druckvorlagenherstellung abgelöst und diese wiederum durch die Digitalisierung

vereinfacht werden konnte.

1995 kam ein digitalisiertes, direktes Gravierverfahren mit einem Laser auf den

Markt, bei dem ein Festkörperlaser eine Zinkschicht graviert. Die derart erzeugten

Näpfchen sind in ihrer Form geätzten Näpfchen ähnlich. Der gravierte Zylinder wird

nach einem Schleif- und Reinigungsprozess verchromt. Die Aufbereitung des Druck-

formzylinders nach dem Drucken geschieht mit ähnlichen chemischen, mechani-

schen und galvanischen Methoden wie die Aufbereitung eines Kupferzylinders. Im

Wesentlichen wird der Schritt der Verkupferung durch einen galvanischen Prozess

des Verzinkens ersetzt. Indirekte Lasergravierverfahren (Laser-Ablation-Transfer-

Verfahren) arbeiten mit einer lichtempfindlichen schwarzen Schicht, die auf dem

Kupfer des Formträgers aufgebracht ist und mit dem Laser bildmäßig (aus dem digi-

talen Datenbestand) abgetragen wird. Die Druckform wird anschließend an den frei-

gelegten Stellen geätzt.

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Seite 6 Branchenblatt Tiefdruck

Altlasten-Leitfaden Schleswig-Holstein: Erfassung Anhang 11

Abb. 3: Schematische Darstellung der Druckformherstellung in der Tiefdruckerei

(abgeändert nach WOLF).

Die Rasterungstechnik erfuhr über die Jahre deutliche Verbesserungen. Die ersten

Anlagen, die elektronisch rastern konnten, waren ab ca. 1960 Ausgabescanner

(Trommelbelichter), die die Filme mit sehr fein fokussierten Laserstrahlen beschrie-

ben. Beim Reproduzieren von mehrfarbigen Abbildungen wird das Original mehr-

fach mit entsprechenden Filtern gescannt und in die Standardfarbauszüge zerlegt:

Cyan, Magenta, Gelb und Schwarz. Für jede der Farben muss ein eigener Druck-

formzylinder erstellt werden.

3.1.1. Bearbeitung der Formzylinder in der Tiefdruckerei

Im Tiefdruck werden nahtlose Formzylinder mit stets gleichbleibendem Durchmes-

ser benötigt, so dass die Wiederverwendung des Zylinders mit regelmäßigen galva-

nischen Verkupferungen verbunden ist. Nach dem Druck wird der Formzylinder aus

dem Druckwerk ausgebaut und mit Lösemitteln gewaschen, dann in einem Bad mit

Hilfe von Salzsäure entchromt. Anschließend wird entweder chemisch mit Ei-

sen(III)chlorid oder mechanisch mit Dreh- oder Fräsbänken die nicht mehr benötigte

Gravur entfernt. Um die notwendige Schichtdicke für die Gravur zu erhalten, wird

der Zylinder daraufhin erneut galvanisch verkupfert und anschließend poliert.

Auf den sauberen Formträger wird dann mit dem oben beschriebenen Verfahren

das Druckbild aufgebracht und ein Probedruck durchgeführt, um das Druckbild und

die Passgenauigkeit der verschiedenen Farbformen zu testen. Vor der Verchromung

im galvanischen Bad muss der gesamte Zylinder wieder mit Lösemitteln gereinigt

und entfettet werden. Nach einer weiteren Sichtung der Oberfläche und eventuellem

Finishing von Fehlern in der Chromschicht kann die Form in die Druckmaschine

eingebaut werden.

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Branchenblatt Tiefdruck Seite 7

Altlasten-Leitfaden Schleswig-Holstein: Erfassung Anhang 11

Abb. 4: Tiefdruckätzerei ca. 1980 (Quelle: GÖÖCK).

3.2. Druckprozess

Im künstlerischen Tiefdruck wird die Farbe in die Vertiefungen hineingewischt. An

Tiefdruckmaschinen taucht der Druckformzylinder etwa bis zur Hälfte in die Druck-

farbe ein. Eine Rakel sorgt dann dafür, dass auf den nichtdruckenden Formelemen-

ten die Druckfarbe entfernt wird, so dass nur in den Vertiefungen Druckfarbe ver-

bleibt. Ein hoher Anpressdruck und die Adhäsionskräfte zwischen Bedruckstoff und

Farbe bewirken die Farbübertragung auf den Bedruckstoff. Eine Besonderheit die-

ses Drucks besteht darin, dass pro Farbauszug ein kompletter Formzylinder ver-

wendet wird. Der flächenvariable Tiefdruck kommt heute kaum noch zur Anwen-

dung. Der konventionelle, also nur tiefenvariable Tiefdruck verliert ebenfalls mehr

und mehr an Bedeutung, da die Druckformherstellung auf komplizierten Kopier- und

ätztechnischen Verfahren beruht. Aus diesem Grund hat sich das tiefen- und flä-

chenvariable Tiefdruckverfahren, das industriell auf einer elektromechanischen Gra-

vur der Formzylinder beruht, in der Praxis durchgesetzt.

3.2.1. Bogentiefdruck

Tiefdruckmaschinen für den Verpackungsdruck unterscheiden sich von denen, die

im Illustrationsdruck verwendet werden, in der Ausstattung insbesondere hinsichtlich

der eingesetzten Bedruckstoffe und Farben sowie der Weiterverarbeitung der be-

druckten Bahn. Im Verpackungstiefdruck werden sowohl Bogen- als auch Rollen-

maschinen eingesetzt. Bogentiefdruckmaschinen haben den Vorteil, dass aufgrund

der einfacheren Druckformherstellung auch kleinere Auflagen im Tiefdruck wirt-

schaftlich hergestellt werden können. Vermehrt kommt der Bogentiefdruck bei be-

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Seite 8 Branchenblatt Tiefdruck

Altlasten-Leitfaden Schleswig-Holstein: Erfassung Anhang 11

sonderen Druck- und Veredelungsansprüchen im Verpackungs- und Etikettendruck

sowie beispielsweise im Magazin- und Sicherheitsdruck zum Einsatz.

Abb. 5: Prinzipskizze einer modernen Bogentiefdruckmaschine der Fa. Moog:

Die Papierführung erfolgt von rechts nach links über drei Druckwerke mit

beheizten Übergabewalzen und IR-Trocknung (rot) vor dem eigentlichen

Bogentrockner mit Absaugung links über der Bogenablage. (Quelle:

http://www.idd.tu-darmstadt.de/media/fachgebiet_idd/vddseminare/ar-

chiv /vddseminar_100715kurrek.pdf).

3.2.2. Rollentiefdruck

Die häufig hohe Auflage eines Druckauftrags macht den Rollentiefdruck gegenüber

dem Bogentiefdruck wirtschaftlicher. Eine Rollentiefdruckmaschine z.B. für den Ver-

packungsdruck besteht aus einer Abrollung, in der die unbedruckte Papierrolle auf-

genommen wird, hintereinander angeordneten Tiefdruckeinheiten und einer Aufrol-

lung. Die automatische Fließfertigung für Verpackungen brachte es mit sich, dass im

Anlagenbau die Tiefdruckeinheiten neben speziellen Verarbeitungseinheiten fast in

den Hintergrund gedrängt wurden, so dass man in einigen Branchen von einer Ver-

packungsmaschine mit angeschlossenen Druckeinheiten sprechen kann. Ende der

1950er Jahre wurde der Tiefdruck in der Verpackungsindustrie eingeführt. Die Ent-

wicklung wurde beschleunigt durch die gleichzeitige Einführung neuer Verpa-

ckungsmaterialien (z.B. Cellophan). Zum Bedrucken dieses Materials mussten die

vorhandenen Tiefdruckmaschinen modifiziert werden. Um eine gute Haftung der

neu entwickelten Druckfarben auf diesem nicht saugfähigen Material zu erreichen,

wurden neben Vorbehandlungen der Folienoberflächen mit Grundlack Veränderun-

gen an den Trocknungseinrichtungen der Tiefdruckwerke erforderlich. Außerdem

musste mit geringeren Zugspannungen der Bahn (Bedruckstoff) in der gesamten

Maschine und vor allem an der Aufwicklung gearbeitet werden können, um ein Ver-

kleben der aufgewickelten Rollen zu verhindern.

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Branchenblatt Tiefdruck Seite 9

Altlasten-Leitfaden Schleswig-Holstein: Erfassung Anhang 11

Abb. 6: Rollentiefdruck 1970 (Quelle: GÖÖCK).

3.2.3 Tampondruck

Der Tampondruck ist ein indirektes Tiefdruckverfahren, bei dem das druckbildüber-

tragende Zwischenelement als „Tampon“ bezeichnet wird. In der Mitte der 1960er

Jahre wurde ein erster Prototyp einer Tampondruckmaschine mit elektrischem An-

trieb vorgestellt. Die Entwicklung von Silikontampons brachte den Durchbruch für

das Verfahren, das seit den 1970er Jahren erfolgreich beim Bedrucken verschie-

denster Körperformen und Oberflächenstrukturen eingesetzt wird. Der Druck nass in

nass mit lösemittelhaltigen Farben erlaubt auch mehrfarbigen Druck in guter Quali-

tät.

Der Tampondruck nutzt als Druckform ein Tiefdruckklischee. Dieses wird, während

der Tampon sich über dem Druckgut befindet, mittels einer Rakel mit Farbe geflutet.

Nach dem Druckvorgang bewegt sich der Tampon über das Klischee, das gleichzei-

tig abgerakelt wird, so dass sich so nur noch an den Bildstellen in den vertieften

Näpfchen Farbe befindet. Der Tampon wird nun abgesenkt und bedeckt aufgrund

seiner Elastizität das Druckbild auf dem Klischee. Die Farbe muss so beschaffen

sein, dass sie auf der silikonierten Oberfläche haften bleibt. Nach dem Abheben des

Tampons wird dieser über den zu bedruckenden Gegenstand geführt und auf die-

sen abgesenkt. Der nachgiebige Tampon passt sich der Werkstückform an. Die

Farbe auf dem Tampon ist inzwischen weiter getrocknet und haftet an der Oberflä-

che des Werkstücks. Vorteile hat der Tampondruck beim Bedrucken fast beliebig

geformter Oberflächen. Für große Mengen zu bedruckender Gegenstände, zum

Beispiel Flaschenverschlüsse, ist der Rotationstampondruck ein geeignetes Druck-

verfahren (z.B. 50.000 bis 80.000 Flaschendeckeln pro Stunde in Brauereien).

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Seite 10 Branchenblatt Tiefdruck

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Abb. 7: Prinzip des Tampondrucks (Quelle: EINDRUCK werbeagentur,

www.ein-druck.net).

3.2.4. Druckfarbentrocknung

Im Mehrfarbendruck muss nach jedem Druckwerk getrocknet werden, so dass der

Vorgang der Trocknung Bestandteil des Druckprozesses ist. Der Begriff „Trocknung“

umfasst grundsätzlich alle Vorgänge, die nach der Farbübertragung von der Druck-

form auf den Bedruckstoff stattfinden und zu einer stabilen Verbindung zwischen

Bedruckstoff und Druckfarbe führen. Die Druckfarbe geht dabei in den festen Zu-

stand über. Je nach Aufbau der Druckfarbe für das jeweilige Druckverfahren kann

die Trocknung durch chemische Reaktion (Oxidation und Polymerisation), physikali-

sche Vorgänge (Wegschlagen, Verdunsten) oder die Kombination beider erfolgen.

An die Beschaffenheit der Druckfarben hinsichtlich der Trocknungseigenschaften

werden zwei gegensätzliche Forderungen gestellt: a) keine Verfestigung der Druck-

farbe auf den Walzen während des Maschinenlaufes oder kurzer Stillstandszeiten,

b) schnelle Verfestigung der Druckfarbe auf dem Bedruckstoff nach dem Druckvor-

gang. Die Trocknung der Druckfarben wird beeinflusst von: 1. der Zusammenset-

zung der Druckfarbe, 2. Eigenschaften des zu bedruckenden Materials (u.a. Saug-

fähigkeit), 3. Druckbedingungen (Farbmenge, Druckgeschwindigkeit), 4. klimatische

Bedingungen (Luftfeuchte, Raumtemperatur), 5. Aufbau des Trockners (Luftbewe-

gung an der Farboberfläche, Einwirkzeit, usw.). Von entscheidendem Einfluss ist die

Temperatur, wobei höhere Temperaturen meist vorteilhaft sind.

Die Tiefdruckfarbe unterscheidet sich von der Hochdruckfarbe (siehe Branchenblatt

Hochdruck - Buchdruck) hinsichtlich der Herkunft und der Viskosität. Mineralfarben

und mineralische Pigmente werden wegen der hohen Arbeitsgeschwindigkeit nicht

genutzt. Druckfarben mit niedriger Viskosität und einem schnell verdunstenden Lö-

semittel (zur vollständigen Farbübertragung aus den tiefliegenden Rasternäpfchen

auf das Papier) werden sowohl im Bogen- als auch im Rollentiefdruck eingesetzt.

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Branchenblatt Tiefdruck Seite 11

Altlasten-Leitfaden Schleswig-Holstein: Erfassung Anhang 11

Die Viskosität wird über einen hohen Anteil an Lösemittel (Toluol) mit niedrigem

Siedepunkt in der Farbe erreicht. Das Lösemittel muss nach Verlassen der Druck-

zone zur Trocknung der Farbe in einem Trockner durch Wärmezufuhr ausgetrieben,

also verdunstet werden. Vor dem Gebläse wird ein Teil der Umluft abgezweigt und

in eine Lösemittelrückgewinnungsanlage geführt, um die Lösemittelkonzentration in

der Arbeitsumgebung nicht zu stark ansteigen zu lassen.

Über den Lösemittelgehalt wird die Trocknung an die Druckgeschwindigkeit ange-

passt, so dass die Haftung auf der zu bedruckenden Fläche deutlich höher als die

am Tampon ist. Besonders soll die Tampondruckfarbe gute Haftfähigkeit entwickeln.

Durch niedrig siedende Lösemittelzusätze (z.B. je nach Kunststoff: Reintoluol,

Ethylacetat, Methanol, Ethanol, n-Pentan etc.; vor 1993 aber auch halogenierte und

andere Kohlenwasserstoffe, z.B. Methylenchlorid, oder für PET m-Kresol oder Tri-

chloressigsäure etc.), die die zu bedruckende Oberfläche leicht anlösen, wird er-

reicht, dass die Farbe auch auf Kunststoffoberflächen gut haftet. Zweikomponenten-

farben mit Härtern auf Isocyanatbasis werden wegen der längeren Trockenzeit sel-

tener eingesetzt.

Die im Flexodruck (Hochdruckverfahren) eingesetzten Farben entsprechen denen

des Verpackungstiefdruckverfahrens. Aus diesem Grund sollte sich die Bewertung

des Gefährdungspotentials des Flexodrucks an dem des Tiefdrucks orientieren.

3.3. Druckverarbeitung

Die Druckverarbeitung reicht vom Beschneiden der Bogen über das Falzen bis zur

Herstellung von Broschüren und Festeinbänden. Während der Druckverarbeitung

erhalten bedruckte Bahnen, Bogen oder Tafeln die zur Nutzung erforderliche Gestalt

und die geforderten Gebrauchseigenschaften durch entsprechende Maschinen, die

unmittelbar hinter der Druckmaschine aufgestellt sind. Mit diesen Arbeiten sind in

der Regel keine altlastrelevanten Tätigkeiten verbunden.

3.4. Druckfarben

Die Farben, die im Tiefdruck benutzt werden, setzen sich üblicherweise aus den

Pigmenten für Schwarz und den drei Grundfarben, dem Lösemittel (z.B. organische

Lösemittel aus der Gruppe der Aromaten), einem Bindemittel (z.B. einem Firnis oder

Glycerin) und weiteren Zusatzstoffen (u.a. Trockenstoffe) zusammen. Entsprechend

der gewünschten Farbtöne kann der Drucker die Farbe aus den oben genannten

Farbtönen (CMYK-System) selbst mischen oder aus dem Farbsystem "HKS" fertig

gemischte Farben der Farbenfabriken einsetzen. Welche Farbe genutzt wird, hängt

auch von dem Bedruckstoff und dessen Eigenschaften sowie der erforderlichen

Oberflächenbeschaffenheit, Lichtechtheit und Reibefestigkeit ab. Als Bedruckstoff

fungiert traditionell das Papier, ergänzt um Pappen, Textilien, Bleche und Folien aus

Metall oder Kunststoff. Saugende Bedruckstoffe wie Papier oder Textilien erfordern

Farben, die schnell auftrocknen, während Bleche und Folien mit Farben bedruckt

werden, deren Lösemittel, zumeist Aromaten, schnell verdunsten.

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Seite 12 Branchenblatt Tiefdruck

Altlasten-Leitfaden Schleswig-Holstein: Erfassung Anhang 11

Die größte Bedeutung in der Tiefdruckerei haben die organischen Pigmente, die den

Druckfarben den gewünschten Farbton verleihen. Unterschieden werden Bunt- und

Schwarzpigmente (Farbruß). Die gegenwärtig bedeutenden anorganischen Pigmen-

te sind: Weißpigmente (z.B. Titandioxid), Metalleffektpigmente (Gold- und Silber-

bronzen), Perlglanzpigmente und Fluoreszenzpigmente (für Tagesleuchtfarben)

sowie synthetische Pigmente (z.B. Azo- oder polyzyklische Pigmente). Daneben gibt

es eine Vielzahl weiterer Effektpigmente, die z.B. thermo- oder photochrom reagie-

ren.

Im Tiefdruck wird eine dünnflüssige Farbe benötigt, die bei der hohen Druckge-

schwindigkeit die Näpfchen des Vorlagenzylinders füllen kann. Das Tiefdruckfarb-

werk besteht lediglich aus einer Farbvorratskammer, aus der heraus die Druckform

direkt mit Farbe versorgt wird, und einer Rakel. Lösemittel haben im Tiefdruck eine

große Bedeutung; sie sorgen für die geringe Viskosität der Farbe, außerdem wird

mit ihnen auch die Pigmentkonzentration, die Farbdichte, verändert. Für den Illustra-

tions- und den Verpackungstiefdruck müssen wegen der unterschiedlichen Anforde-

rungen an die jeweilige Verpackung unterschiedliche Lösemittel verwendet werden.

Lösemittel für den Illustrationstiefdruck waren bis in die 1950er Jahre benzolhaltige

Homologenraffinate, Toluol und Xylol, danach setzte sich das Reintoluol durch. Im

Verpackungstiefdruck werden als Lösemittel überwiegend Ethanol oder Acetat ein-

gesetzt bzw. wasserbasierende Farben verwendet. Aber auch das Druckverfahren

(Bogen- oder Rollentiefdruck) bestimmt Art und Menge des eingesetzten Lösemit-

tels; so werden beim langsameren Bogentiefdruck vorwiegend Alkohole verwendet,

während der schnellere Rollentiefdruck größere Mengen an toluolhaltigen Lösemittel

benötigt. Zur Vermeidung von Rissen im Farbfilm werden ggf. Weichmacher zuge-

setzt. Scheuerfeste Druckfarben werden besonders für den Druck von Verpackun-

gen und für matt gestrichene Papiere verwendet, geruchs- und migrationsarme

Druckfarben für den Druck von Lebensmittel- und Genussmittelverpackungen. Foli-

enfarben sind Druckfarben, die oxidativ trocknen und eingesetzt werden, wenn Be-

druckstoffe nicht saugfähig sind (z.B. Kunststofffolien).

4. Umweltrelevante Verfahrens- und Produktionsschritte sowie Verunreinigungspotentiale

4.1. Umweltrelevanz der Druckformherstellung

Der erste Abschnitt in der moderneren Druckformherstellung ist seit ca. 1955 die

Erzeugung der Kopiervorlagen für die Druckplatten. Die Satzherstellung erfolgt auf

automatisierten Belichtern zur Herstellung der Textfilmvorlagen. Filme müssen ent-

wickelt und auf die Druckplatten kopiert werden. Druckplatten werden dann graviert,

geätzt oder ausgewaschen. Bei den beiden letzteren Varianten werden neben den

galvanischen Bädern insbesondere Säuren, Laugen, Asphaltlack, Eisen(III)chlorid,

Kupfer, Chrom (III) und Chrom (VI) sowie Nickel eingesetzt. In den verschiedenen

Vorstufen werden für Wasch- und Reinigungsvorgänge Petroleum, Benzin, Terpen-

tinersatz, Benzol, Toluol oder Xylol genutzt. Wichtige Lösemittel für den Verpa-

ckungstiefdruck sind daneben: Ethylalkohol (Sprit), Ethylacetat (Essigester) und

Wasser.

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Branchenblatt Tiefdruck Seite 13

Altlasten-Leitfaden Schleswig-Holstein: Erfassung Anhang 11

Die fotografische Reproduktion in der Druckvorstufe erfordert Entwickler- und Fi-

xierbäder, mit denen der silberhaltige Film als Vorlage für die Druckplatten behan-

delt wird. Die Haltbarkeit des Entwicklerbades lässt sich seit ca. 1980 mit Hilfe von

Entwicklersparsystemen verlängern. Dadurch wurde die Entsorgungsmenge an ver-

brauchtem Entwickler, der als besonders überwachungsbedürftiger Abfall eingestuft

wird, erheblich vermindert. Beim Fixierer tragen Kreislaufsysteme mit elektrolyti-

scher Entsilberung deutlich zur Standzeitverlängerung bei; auch hier kann dadurch

die Sonderabfallmenge reduziert werden. Das zurückgewonnene Silber wird stofflich

verwertet. Innerhalb der Druckvorstufe hat sich seit ca. 1975 ein grundlegender

technologischer Wandel vollzogen. Der konventionelle Umgang mit Setzmaschine,

Reprokamera und Film wurde durch die Computertechnik abgelöst. Trotzdem blieb

für eine zeitlich begrenzte Übergangsphase für kleinere Betriebe der Druckvorla-

generstellung, die die Investition nicht bewältigen konnten, der Informationsträger

Film ohne Alternative. Mit dem Einsatz von computergesteuerten Belichtungs- und

Graviersystemen fielen die Fotochemikalien und -materialien teilweise oder sogar

vollständig weg. Diese seit 1990 nahezu ausschließlich verwendete physikalische

Gravur hat die Umwelt deutlich entlastet.

Tabelle 1 Altlastrelevante Stoffe bei der Druckbildübertragung durch Ätzen

(Quelle: BUNDESVERBAND DRUCK E.V., ABTEILUNG UMWELT-

SCHUTZ, 1998); ergänzt um PFOS

Präparat Stoffe

Sensibilisierungslösung Alkalidichromat

Trocknungsbeschleuniger Alkohol

Abdeckmittel Asphaltlack

Ätzlösung (Kupfer) Eisen(III)chlorid

Reiniger Toluol

Netzmittel PFOS

Bei der Druckformherstellung müssen unter ökologischen Gesichtspunkten die Pro-

zesse Ätzen und Gravieren des Formzylinders unterschieden werden. Die galvani-

sche Behandlung der Zylinder ist bei beiden Prozessen gleich (siehe Tabelle 2):

Entchromen (chemisch mit HCl oder elektrolytisch), Entkupfern (mechanisch), Ent-

fetten (s.o.), Aufkupfern (elektrolytisch), Verchromen (elektrolytisch). Galvanikanla-

gen in Druckereien arbeiteten seit den 1970er Jahren auch unter Einsatz von PFOS

als Netzmittel. Regeneriereinrichtungen halten die Verarbeitungsbäder im funktions-

fähigen Zustand, die Kupfer- und Chrombäder müssen selten ausgetauscht und

dem Recycling zugeführt werden. Die Systeme arbeiten mittlerweile vollständig ge-

schlossen.

In zunehmendem Maße werden auch die präzisen und schnelleren Direkt-Laser-

Verfahren eingesetzt, eine Kombination verschiedener Rasterarten ist hier ebenfalls

möglich. Im Bogentiefdruck werden neben Tiefdruckzylindern auch digitale wasser-

auswaschbare Fotopolymerplatten verwendet, die deutlich umweltfreundlicher sind.

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Altlasten-Leitfaden Schleswig-Holstein: Erfassung Anhang 11

Tabelle 2a Zusammenfassung der verschiedenen Arbeitsschritte bei der galvani-

schen Bearbeitung von Rohzylindern (Quelle: BUNDESVERBAND

DRUCK E.V., ABTEILUNG UMWELTSCHUTZ, 1998)

Arbeitsschritt Verfahren/ eingesetzte Stoffe

Entfetten maschinell/elektrolytisch mit cyanfreiem Natriumhydroxid

Dekapieren Entfernen der Oxidschicht im Tauchbad (10%ige Salz-

oder Schwefelsäure) oder von Hand

Vernickeln schwach saures Nickelbad (Nickelsulfat, Nickelchlorid,

Borsäure) (historisch war stattdessen eine cyanidische

Vorverkupferung üblich)

Grundverkupferung vollautomatisch in schwefelsaurem Kupferbad (Kup-

fersulfat, 96%ige Schwefelsäure)

Mechanische Oberflä-

chenbearbeitung

vollautomatisch durch Drehen, Schleifen, Fräsen und

Polieren mit Polierstein und Polierpapier

Aufkupfern vollautomatisch in schwefelsaurem Kupferbad (Kup-

fersulfat, 96%ige Schwefelsäure) in verschiedenen

Schichtstärken je nach Verfahren (beim Ballardhautver-

fahren, einer 1926 eingeführten Trennschicht aus Silber

über dem Grundkupfer, damit die geätzte Druckform ein-

fach abgezogen werden kann, muss nach dem Dekapie-

ren eine Trennlösung (früher auf Basis von Silber, Nickel

oder Quecksilber, gegenwärtig ein Natriumsulfatgemisch)

aufgebracht werden)

Verchromen elektrolytisch mit Chrom(VI)oxid, Schwefelsäure, PFOS;

Titananode (historisch wurde eine Bleianode eingesetzt,

so dass der Schlamm aus Bleichromat bestand).

Tabelle 2b Zusammenfassung der verschiedenen Arbeitsschritte bei der galvani-

schen Bearbeitung von gebrauchten Druckzylindern (Quelle: BUN-

DESVERBAND DRUCK E.V., ABTEILUNG UMWELTSCHUTZ, 1998)

Arbeitsschritt Verfahren/ eingesetzte Stoffe

Reinigen Toluol, selten Xylol, Ethanol

Entchromen Mechanisch beim Ballardhautverfahren, ansonsten elekt-

rolytisch mit 17%iger Schwefelsäure

Entkupfern überwiegend mechanisch durch Fräsen, elektrolytisch

mit Ätznatron und gasförmigem Ammoniak

Entfetten maschinell/elektrolytisch mit cyanfreiem Natriumhydroxid

weitere Schritte vgl. Tab. 2a

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Branchenblatt Tiefdruck Seite 15

Altlasten-Leitfaden Schleswig-Holstein: Erfassung Anhang 11

Tabelle 2c mögliche eingesetzte Stoffe bei der Zylinderkorrektur (abhängig von

der Korrekturart) (Quelle: BUNDESVERBAND DRUCK E.V., ABTEI-

LUNG UMWELTSCHUTZ, 1998)

Präparat Stoffe

Reiniger Toluol, Terpentinersatz, Petroleum, Salzsäure, Aceton

Entfettungsmittel Tripelpuder, verdünnte Essigsäure

Entoxidierungsmittel Essigsäure (3%ig), Salzsäure (4%ig) oder Schwefel-

säure (2%ig)

Trocknungsbeschleuniger 5%ige Spiritus- oder Methanollösung

Nachätzfarbe Ruß, Bindemittel, Lösemittel

Abdeckungsmittel Asphaltlack

Farbhärter asbestfreies Talkumpuder

Ätzmittel Kupfer: Eisen(III)chlorid, verdünnte Salpetersäure, Am-

moniumpersulfat

Chrom: Salzsäure, Zinkchlorid, Phosphorsäure

Aktivierungslösung Nickelsulfat, Nickelchlorid, Borsäure

Schleifmittel Holzkohle, Schleifpapier

4.2. Umweltrelevanz des Druckverfahrens und der Farben

Der Tiefdruck ist durch die Verwendung von Lösemitteln grundsätzlich von großer

Umweltrelevanz. Erst durch die dünnflüssigen Lösemittel wurde das Verfahren in-

dustriell nutzbar. Zunächst wurden daher im 19. Jahrhundert Terpentin, Petroleum,

dann Benzin und seit den 1920er Jahren zunehmend Toluol und Xylol, gelegentlich

auch Benzol als Lösemittel eingesetzt. In den 1950er Jahren wurden die benzolhal-

tigen Aliphate aus Raffinerien durch Toluol (seit den 1990er Jahren nur noch Reinto-

luol) als Lösemittel ersetzt. Ein sehr großer Teil des Lösemittels verdunstet gewöhn-

lich im Papier, das aus diesem Grund möglichst saugfähig sein sollte. Beim Anmi-

schen der gebrauchsfertigen Farbe, beim Umfüllen in die Farbwerke, insbesondere

aber bei den Reinigungsarbeiten an der Maschine traten früher häufig Handha-

bungsverluste auf. Zur Reinigung der Maschinen wurden meist Makulaturpapiere

genutzt, die dann in den Altstoffhandel gelangten. Die eigentliche Reinigung erfolgte

mit Hilfe von Putzlappen, die wiederum mit Lösemitteln getränkt wurden. Die Putz-

lappen wurden zum Teil in der Kesselfeuerung verbrannt, überwiegend jedoch in

einer externen Reinigung gewaschen. Diese Art der Handhabung ist aktuell nicht

mehr üblich. Meist werden integrierte Wascheinrichtungen verwendet, die mit ver-

schiedenen Verfahren arbeiten, oder externe Firmen mit einer Maschinengrundrei-

nigung (durch Ausfrieren mit Trockeneis) beauftragt. Es kommen sowohl wasser-

als auch lösemittelbasierte Reinigungssysteme zum Einsatz, die ggf. mit ange-

schlossenen Destillier- bzw. Abwasserbehandlungsanlagen arbeiten. Trotzdem ist

auch weiterhin während des Druckvorgangs eine manuelle Reinigung mit reini-

gungsmittelgetränkten Mehrweglappen notwendig.

Tiefdruckfarben enthalten teilweise bis zu etwa 80% das Lösemittel Toluol. In den

Trocknern wird das Toluol abgesaugt und der Rückgewinnungsanlage zugeführt; die

Rückgewinnungsquote lag im Jahr 2000 bei über 98%. Durch die Kapselung der

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Tiefdruckanlagen gelangt fast kein Toluol mehr aus den Druckwerken als diffuse

Emission in den Arbeitsraum. Auf den Produktionsprozess abgestimmte Abluftanla-

gen sorgen für die Einhaltung der rechtlichen Vorgaben. Ein Teil des zurückgewon-

nenen Toluols wird in der Druckerei zur Verdünnung der als Konzentrat angeliefer-

ten Druckfarbe wiederverwendet. Die Überschüsse der Rückgewinnung gehen zur

Wiederverwendung an den Farbenhersteller zurück. Toluolreduzierte Farben (R-

Farben) verringern den Toluolgehalt in den Druckerzeugnissen und erhöhen die

Rückgewinnungsquote nochmals. Hauptlösemittel für Verpackungsdruckfarben sind

gegenwärtig Alkohole und Ester, als Trocknungsverzögerer werden Glykolderivate

eingesetzt.

Die verwendeten Farbpigmente sind sowohl anorganischen (z.B. Ruß) als auch or-

ganischen Ursprungs (z.B. Azo-, polyzyklische und verlackte Pigmente). Bei den

eingesetzten Bindemitteln handelt es sich überwiegend um Natur- oder Kunstharze

und Firnisse. Zunehmend werden auch Bindemittel auf Basis nachwachsender

Rohstoffe (z.B. Cellulosederivate oder Dicarbonsäuren) verwendet. Außerdem wer-

den den Tiefdruckfarben eine enorme Bandbreite verschiedenster Additive (z.B.

Netzmittel, Wachse, Weichmacher, Fungizide, Entschäumer etc.) zugesetzt, um die

Eigenschaften je nach eingesetztem Verfahren zu optimieren. Wichtigste Substanz-

klassen sind hier Wachse, Silikone, Epoxide, Phenole, Amine und organische Säu-

ren.

5. Gesetzliche Ausführungsvorschriften für verwendete Stoffe/ Stoffgruppen

Der Betrieb von Druckereien unterliegt zahlreichen gesetzliche Bestimmungen und

Verordnungen.

Grundsätzlich handelt es sich bei bestimmten Anlagen um genehmigungsbedürftige

Anlagen gemäß 4. BImschV. Seit 1993 haben sich die Mitglieder des Verbandes der

Druckfarbenindustrie in Deutschland selbst verpflichtet, giftige bzw. cancerogen,

fortpflanzungsgefährdend oder erbgutgefährdend wirkende Rohstoffe nicht mehr für

die Farbherstellung einzusetzen. Diese so genannte Ausschlussliste für Druckfarben

und zugehörige Produkte wird fortlaufend überarbeitet. Seit 1996 gilt dies europa-

weit.

Eine weitere Vereinbarung für den europäischen Raum ist die 1999 verabschiedete

„VOC-Richtlinie über die Begrenzung von Emissionen flüchtiger organischer Verbin-

dungen, die bei bestimmten Tätigkeiten und in bestimmten Anlagen bei der Ver-

wendung organischer Lösemittel entstehen“ (Richtlinie 1999/13/EG vom

19.03.1999). Diese wurde 2001 mit der Einführung der 31. BImSchV in deutsches

Recht umgesetzt. Die Neuerungen dieser Richtlinie beeinflussen Rollenoffset (Heat-

set), Tiefdruck, Flexodruck, Rotationssiebdruck, Laminierung und Klarlackauftrag.

Für diese Verfahren werden von einem bestimmten Schwellenwert an Emissions-

grenzwerte für Abgase und diffuse Emissionen festgelegt.

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Branchenblatt Tiefdruck Seite 17

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Bezüglich des Einsatzes von PFC als Netzmittel in der Galvanik gilt seit dem

27.06.2008 eine Nutzungsbeschränkung (Richtlinie/2006/122 EG vom 12.12.2006).

Diese Richtlinie wurde in den vergangenen Jahren fortgeschrieben.

Andere Gesetze, Verordnungen und technische Regelwerke, die einen Einfluss auf

den Betrieb einer Druckerei bzw. den Einsatz von umweltrelevanten Stoffen haben,

sind u.a. zu berücksichtigen. Hierzu zählen z.B.:

- TA Luft (Abschnitt 3.1.7 Organische Stoffe)

- VAwS hinsichtlich der Lagerung und Abfüllung wassergefährdender Stoffe

(seit 2017 AwSV)

- WHG § 7a in Verbindung mit §1 Abwasserverordnung AbwV hinsichtlich der

Beschaffenheit von Abwässern (bis 1996), danach WHG § 57 bzw. 58 in

Verbindung mit § 1 Abwasserverordnung (AbwV) bzw. der Indirekteinleiter-

verordnung SH (bis 2000) sowie § 33 Landeswassergesetz SH

- Chemikaliengesetz (ChemG): gilt als Ermächtigungsgrundlage für die Ge-

fahrstoffverordnung (GefStoffV, in Verbindung mit den technischen Regeln

für Gefahrstoffe (TRGS)) und der Chemikalienverbotsverordnung (Chem-

VerbotsV)

- 1992 TRGS 404, Grenzwerte für Lösemittelgemische (1997 aufgehoben)

- 1993 Gefahrstoffverordnung (GefStoffV, Anhang V Nr. 4, Blei und anorgani-

sche Bleiverbindungen)

- 1995 Brancheninitiative der Grafischen Industrie zum Einsatz von emissi-

onsarmen Lösemitteln in Wascheinrichtungen

- 1996 TRGS 900 Arbeitsplatzgrenzwerte (Luft)

- 1996 IVU-Richtlinie (EU) bzw. 1999 Sektorenrichtlinie zur Begrenzung von

Emissionen flüchtiger organischer Verbindungen, 2010 ersetzt durch die eu-

ropäische IE-Richtlinie, in deutsches Recht umgesetzt im BImSchG und in

BImSchV

- 2007 TRGS 505 Blei

- 2007 BVT-Merkblatt für die Oberflächenbehandlung unter Verwendung von

organischen Lösemitteln

- 2008 TRGS 400 Gefährdungsbeurteilung für Tätigkeiten mit Gefahrstoffen

- 2013 TRGS 510 Lagerung von Gefahrstoffen in ortsbeweglichen Behältern

6. Altlastrelevante/altlastirrelevante Nutzungszeiträume

Tiefdruckereien bis zum Anfang des 20. Jahrhunderts (z.B. Kupferdruckanstalten

etc.) sind grundsätzlich von geringer Altlastenrelevanz, weil nur Schwermetalle und

noch keine Lösemittel in nennenswertem Umfang eingesetzt wurden. Industriell

wurde das Verfahren zumeist nur zur Illustration von Mehrfarbenseiten als Einlagen

in Lexika (Brockhaus, Meyer) genutzt. Das Tiefdruckverfahren zur Illustration von

Zeitungen wurde erstmals 1911 in Freiburg eingeführt. Vor dem Druck des Textes

durchliefen die Bahnen zunächst ein Tiefdruckwerk, bevor sie im gewöhnlichen

Hochdruck mit dem Text bedruckt wurden. Durch die Weiterentwicklung zum Licht-

satz und zur Ätzung der Platten, die dann auf Zylinder montiert wurden, bestand

seither auch die Möglichkeit, Text und Bild zugleich zu drucken. Infolge dieser Ent-

wicklung wurden zunehmend Druckerzeugnisse in hoher Auflage mit dem Tiefdruck

hergestellt. Je schneller der Druck wurde, desto flüssiger mussten die Farben mit

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Seite 18 Branchenblatt Tiefdruck

Altlasten-Leitfaden Schleswig-Holstein: Erfassung Anhang 11

Hilfe von Lösemitteln angemischt werden. Zur Vermeidung von Feuergefahren wur-

den seit den 1920er Jahren Petroleum und Benzin durch Toluol und Xylol verdrängt.

Auch heute beträgt der Anteil dieser Lösemittel noch bis zu 80 Prozent in der Druck-

farbe, allerdings führten verschiedene Veränderungen in der Produktionstechnik

dazu, dass deren Einfluss auf das Gefährdungspotential der Branche erheblich ab-

genommen hat. Insbesondere sind hier die Einkapselung von Anlagen, die Absau-

gung von Emissionen und die Rückgewinnung von Lösemitteln zu nennen.

Seit ca. 1990 sind eine bedeutende Reduktion der Gesamtmenge der Lösemittel

und auch eine Substitution durch unbedenkliche Mittel zu beobachten. Zur Redukti-

on der Emission flüchtiger organischer Stoffe (VOC - Volatile Organic Compounds)

wurde in Deutschland eine Brancheninitiative angeregt. Die Hersteller von Druck-

maschinen, Wascheinrichtungen und Walzen haben sich darin verpflichtet, dass in

allen Wascheinrichtungen vom Baujahr 1995 an emissionsarme Reinigungsmittel

verwendet werden sollen. Die Lösemittelemissionen aus Waschvorgängen sind

dementsprechend seit 1995 drastisch zurückgegangen.

Reinigungsmittelreste aus den Wascheinrichtungen der Druckmaschinen sind eben-

so wie verunreinigte Filter, Einwegputzlappen (nur in Einzelfällen) und Waschtücher

aus den Wascheinrichtungen als Sonderabfall zu entsorgen. Mehrwegputzlappen,

die von Großreinigungen zur Miete angeboten werden, ermöglichen eine Wieder-

verwendung der Putzlappen.

Rest- und Abfallstoffe wie z.B. Makulatur, leere Farbgebinde, verbrauchte Entwick-

ler- und Fixierbäder sowie Metall- oder Kunststoffspäne werden mittlerweile grund-

sätzlich fachgerecht entsorgt. Druckplatten aus Aluminium oder beschichtetem Kup-

fer können zur Weiterverwertung dem Schrotthandel zugeführt werden; Druckplatten

auf Polyesterbasis werden als Hausmüll entsorgt, so dass eine Gefährdung durch

Abfallprodukte nicht mehr gegeben ist. Schwieriger ist die Entsorgung von Farbres-

ten und Waschflüssigkeiten. Da es sich hierbei z.T. um Sondermüll handelt, müssen

die geschlossenen Gebinde Spezialfirmen übergeben werden, die sie ordnungsge-

mäß entsorgen.

In Druckfarben werden zunehmend umweltverträgliche Substanzen verwendet. In

einer Selbstverpflichtung haben sich die nationalen Druckfarbenhersteller 1993 be-

reit erklärt, bestimmte Pigmente, Farbstoffe, Lösemittel, Weichmacher sowie giftige

Stoffe nicht mehr einzubringen. Mineralöle werden nach und nach durch pflanzliche

Öle (Sojaöl) ersetzt. Der Chlorgehalt der Druckfarben beträgt heute durchschnittlich

weniger als 0,5%. Schwermetalle sind nur noch im geringen Umfang in bestimmten

Druckfarben enthalten, z.B. Eisen und Mangan in anorganischen Pigmenten, Kobalt

als Trockenstoff und Kupfer in organischen Blau- und Grünpigmenten. Außerdem

hat sich durch den zunehmenden Einsatz geschlossener Systeme spätestens seit

den 1980er Jahren eine deutliche Verminderung des Gefährdungspotentials erge-

ben.

Die Druckmaschinenhallen und die Galvanikräume sind in der Regel mit Fliesen, die

sowohl Säuren und Laugen als auch Lösemitteln widerstehen, ausgerüstet, so dass

Farb- und Lösemittelverunreinigungen durch Handhabungsverluste bei der Reini-

gung in die Entwässerung gelangen, wo sie von Abscheidern aufgenommen und

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Branchenblatt Tiefdruck Seite 19

Altlasten-Leitfaden Schleswig-Holstein: Erfassung Anhang 11

dann fachgerecht entsorgt werden können. Metallspäne aus der Druckzylinderbear-

beitung werden an Metallrecyclingbetriebe geliefert; Metallschlämme aus der Gal-

vanik werden, wegen des hohen Materialwertes, von spezialisierten Wiederaufberei-

tungsfirmen oder Metallhütten übernommen, so dass saure Metallschlammablage-

rungen in der Regel nicht zu befürchten sind. Risse oder ähnliches in den Fliesen

sowie defekte Dichtungen in den Muffen der Entwässerung können jedoch zum Ein-

tritt von Schadstoffen in den Boden und das Grundwasser geführt haben.

Tabelle 3 Zusammenfassung aller altlastrelevanten Aspekte und Zuordnung zu

den Branchenklassen SH

Zeitspanne Hilfsstoffe Nebenprodukte Altlastrelevante Aspekte

Branchen- klasse SH

1880 - 1925 Schwermetallfarben,

Teer- und Anilinfar-

ben, Petroleum,

Benzin

Putzlappen, Ma-kulatur, Anoden-schlamm mit Blei, Kupfer und Chrom, der an Hütten abgege-ben wurde

Schwermetalle

aus Farbrück-

ständen, ungere-

gelte Entsorgung

der Abfälle und

Abwässer, über-

wiegend kleine

Betriebe

2

1926 – 1980 Schwermetallfarben,

Mineralölfirnis, To-

luol, Xylol, Säuren

und Laugen,

Schwermetalle aus

der Galvanik; seit

ca. 1970 PFOS in

der Galvanik

Putzlappen, Ma-kulatur, Anoden-schlamm mit Blei, Kupfer, Zink und Chrom. Kup-ferfolie seit 1926, Kupferspäne seit ca. 1960, die ebenfalls an Hüt-ten abgegeben wurden

Schwermetalle,

Ätzbäder, Aro-

maten

Entsorgung der

Abfälle und Ab-

wässer

5

1981 – 1993 Schwermetallfarben,

Leinöl; Säuren und

Laugen, PFOS in

der Galvanik

Putzlappen, Ma-kulatur, Anoden-schlamm mit Kupfer, Zink und Chrom; Kupferfo-lie und Kupfer-späne.

Reduktion der

gefährdenden

Stoffe durch Ver-

ringerung, Sub-

stitution bzw.

Rückgewin-

nungstechniken;

verbesserte An-

lagentechnik

durch Kapselung

4

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Seite 20 Branchenblatt Tiefdruck

Altlasten-Leitfaden Schleswig-Holstein: Erfassung Anhang 11

1994 - Ge-

genwart

Schwermetallredu-zierte Farben, Lein-öl; benzolfreies To-luol, Säuren und Laugen, PFC in der Galvanik

Mehrwegputz-

lappen, Makula-

turpapier in redu-

zierter Menge,

Metallschlamm

mit Kupfer,

Chrom und Zink;

Kupferfolie und

Kupferspäne.

Verringerung der

Altlastenrelevanz

der Druckfarben

durch Verzicht

auf gefährdende

Farbpigmente;

Verminderung

des Einsatzes

und der Immissi-

on von flüchtigen

organischen

Verbindungen;

weiter verbesser-

te Anlagentech-

nik durch Kapse-

lung

3

Branchenklasse 0: kein Gefährdungspotential Branchenklasse 1: Gefährdungspotential sehr gering Branchenklasse 2: Gefährdungspotential gering Branchenklasse 3: Gefährdungspotential mäßig Branchenklasse 4: Gefährdungspotential hoch Branchenklasse 5: Gefährdungspotential sehr hoch

7. Literaturhinweise

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Branchenblatt Tiefdruck Seite 21

Altlasten-Leitfaden Schleswig-Holstein: Erfassung Anhang 11

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DRUCKFARBEN: Ausschlussliste für Druckfarben und zugehörige Produkte. 8.

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Seite 22 Branchenblatt Tiefdruck

Altlasten-Leitfaden Schleswig-Holstein: Erfassung Anhang 11

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(letzter Zugriff am 22.03.2018).

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13.06.2018).

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Altlasten-Leitfaden Schleswig-Holstein: Erfassung Anhang 11 Histinvest - Dr. Schlottau, Bremen

Branchenblatt Fahrzeugbau

Inhaltsverzeichnis Seite 1 Bezeichnung der Branche 2 2 Historischer Überblick 2 3 Allgemeiner Verfahrensverlauf 2 4 Umweltrelevante Verfahrens- und Produktionsschritte sowie Verun-

reinigungspotentiale 3 5 Gesetzliche Ausführungsvorschriften für verwendete Stoffe/

Stoffgruppen 4 6 Altlastrelevante/altlastirrelevante Nutzungszeiträume 5 7 Literaturhinweise 6

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Branchenblatt Fahrzeugbau Seite 2

Altlasten-Leitfaden Schleswig-Holstein: Erfassung Anhang 11

1 Bezeichnung der Branche

Fahrzeugbaubetriebe, die hauptsächlich Spezialfahrzeuge, Fahrzeugaufbauten,

Anhänger oder Wohnwagen herstellen, entstanden seit dem Beginn der privaten

Motorisierung zu Beginn der 1920er Jahre, verstärkt aber in den 1950er Jahren.

Anfangs überwogen dabei sehr kleine Betriebe. Wartungs- und Reparaturarbeiten

an Motoren, Getrieben, der Elektrik usw. werden nicht ausgeführt.

2 Historischer Überblick

Grundsätzlich ist historisch zwischen den Werkstoffen Holz und Metall zu unter-

scheiden. Im Fahrzeugbau dominierte das Holz als Werkstoff bis zum Ende des 19.

Jahrhunderts und wurde dann zunehmend durch Eisenbleche und neuerdings auch

durch Kunststoffe abgelöst.

Der Holzfahrzeugbau wurde Wagnerei genannt und betraf die Anfertigung von Kut-

schen, Karren und Frachtfahrzeugen, die von Tieren gezogen wurden. Der Wagner

fertigte die hölzernen Speichenräder und ließ sie vom Schmied mit einem eisernen

Reifen versehen. Vom Schmied bezog er auch die eisernen Achsen und Lagerscha-

len, die er in die Radnabe einbaute. Der Wagenboden war das Fundament für den

Aufbau, der je nach Verwendungszweck offen oder gedeckt war. In der Regel wur-

den von den Wagnereien Lastfahrzeuge für die Bauern und das Fuhrwesen erbaut.

Der Metallkarosseriebau für Straßenfahrzeuge wurde industriell im Rahmen der

Serienfertigung selbsttragender Karosserien ab Mitte der 1920er Jahre eingeführt.

„Selbsttragend“ bedeutet, dass der Wagenboden und der Aufbau eine gemeinsame

Einheit bilden und ein tragender Rahmen oder Wagenboden nicht mehr erforderlich

ist.

Diese spezielle Bauweise von Fahrzeugen konnte sich jedoch nur für Personen-

kraftwagen und Luftfahrzeuge durchsetzen. Lastfahrzeuge und Güterwaggons be-

sitzen zumeist nach wie vor einen tragenden Unterbau und einen separaten Aufbau,

weil sich diese Lastfahrzeuge von allen Seiten großflächig beladen lassen müssen,

so dass ein festes Dach und seitliche feste Holme nur hinderlich wären.

Mit der selbsttragenden Karosserie verlor auch das Handwerk der Wagner im Fahr-

zeugbau an Bedeutung.

3 Allgemeiner Verfahrensverlauf

Die Anfertigung einer Karosserie bildet den Beginn des Fahrzeugbaus. Zu diesem

Zweck werden Tafel- oder Rollenbleche mit Hilfe von Stanzen und Pressen so ge-

formt, dass sie eine flache Bodengruppe mit den Aussparungen für die Radläufe,

den Motor und das Getriebe ergeben. Auf die gleiche Weise werden die seitlichen

Holme und die Dachform aus Blechen gestanzt und gepresst. Mit Hilfe von Auto-

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Branchenblatt Fahrzeugbau Seite 3

Altlasten-Leitfaden Schleswig-Holstein: Erfassung Anhang 11

genschweißanlagen, die seit ca. 1960 zunehmend durch Elektroschweißanlagen

abgelöst wurden, werden die Bauteile zu einem Gehäuse zusammengefügt.

Entsprechend werden für die Herstellung von Anhängern in Fahrzeugbauwerkstät-

ten rechteckige Hohlprofile aus starken Blechen geformt, sie bilden den Unterbau

eines Anhängers. Auf diesem tragenden Bauelement werden dann entweder ge-

schlossene Aufbauten z.B. für Wohnanhänger oder Tiertransporter bzw. offene Auf-

bauten mit Plane und Spriegel für Transportanhänger befestigt.

Die wichtigste Verbindungstechnik im Fahrzeugbau ist das Schweißen. Zur Vorbe-

reitung werden die Bauteile im Bereich der Schweißnaht zuerst durch Sandstrahlen

entrostet. Der anfallende Sandabfall wurde früher häufig zusammen mit den Rost-

partikeln und eventuellen Farbresten als Kehricht auf dem Firmengelände deponiert.

Neben diversen Handwerkzeugen verfügt ein Fahrzeugbaubetrieb gewöhnlich über

folgende Einrichtungen:

Werkzeugmaschinen: u.a. Bohrmaschine, Schleifbock und Drehbank sowie

hydraulische Pressen;

Schweißanlagen: verwendet werden die Gasschmelzschweißung, elektrische

Schweißverfahren oder elektrische Punktschweißgeräte;

Über- und Unterflur-Arbeitsstände in Form von Hebebühnen oder Montage-

gruben, denen für die Bewegung schwergewichtiger Teile zumeist auch Hebe-

einrichtungen wie z.B. Laufkatzen oder Werkstattkräne zugeordnet sind;

Kompressoren für die Erzeugung von Druckluft für verschiedenste Zwecke,

z.B. zum Reifenfüllen, für die Hebebühne, zum Sandstrahlen oder zum Reinigen

durch Ausblasen.

Die in Fahrzeugbauwerkstätten durchgeführten Arbeiten umfassen nicht die allge-

meine Pflege der Fahrzeuge, laufende Wartungsarbeiten oder Instandsetzungs- und

Reparaturarbeiten (siehe Branchenblatt KFZ-Werkstätten).

Die Lackierung der Fahrzeuge oder Fahrzeugteile erfolgt in der Lackiererei, hier

werden auch Schleif- und Grundierungsarbeiten ausgeführt. Meist werden die Lacke

mit einem Druckluftkompressor in stark verdünnter Form mehrschichtig aufgetragen.

Die Lackierkabine ist zum Schutz der Mitarbeiter und der Umwelt von der Werkstatt

getrennt und verfügt heutzutage über eine Abluftanlage mit Lösungsmittelfilter. Hin-

ter der Lackierkabine befindet sich eine Trockenkabine, in der der Lacküberzug un-

ter Einsatz von Strahlungswärme schnell austrocknet. Diese „Einbrennkammer“ ist

ebenfalls an das Abluftsystem angeschlossen (siehe Branchenblatt Lackiererei).

4 Umweltrelevante Verfahrens- und Produktionsschritte sowie Verunreinigungspotentiale

In der Anfangszeit der Eisenbahnen und der Motorfahrzeuge wurden die Fahrzeug-

aufbauten grundsätzlich noch aus Holz hergestellt, während die Fahrgestelle bereits

aus Stahl bestanden. Das Gefährdungspotential des Holzbaus ist mit dem anderer

holzbearbeitender Branchen wie z.B. Tischlereien und Zimmereien vergleichbar.

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Branchenblatt Fahrzeugbau Seite 4

Altlasten-Leitfaden Schleswig-Holstein: Erfassung Anhang 11

Verunreinigungen können insbesondere durch Holzkonservierungen und die Ver-

wendung teerhaltiger Abdichtungen entstanden sein (siehe Branchenblatt Zimme-

rei).

Der Fahrzeugbau ist ansonsten prinzipiell als Stahlbau mit einem geringen Schad-

stoffspektrum anzusehen. Es handelt sich überwiegend um Eisenschrott (Blech,

Schweißschlackenkrümel etc.) und geringe Mengen an Sandstrahlrückständen. Da

die Fahrgestelle aber mittels Grundierung und Farbe vor Rostbildung geschützt

werden müssen, können Verunreinigungen durch schwermetallhaltige Farben auf-

treten. Außerdem ist u.a. von der Verwendung von Schmierfetten, Ölen (z.T. PCB-

haltig) und Lösungsmitteln auszugehen.

Des Weiteren ist bis in die 1960er Jahre Karbidschlamm aus den Acetylengasent-

wicklern angefallen, welcher aufgrund seiner Alkalität einen Einfluss auf die Löslich-

keit von Schadstoffen im Boden bzw. Grundwasser haben kann.

Als Kontaminanten in der Lackiererei treten metall- oder kunststoffhaltige Schleif-

stäube, wässrige Lackschlämme, Lackgebinde, Filtermatten, Abdeckmaterial und

halogenierte sowie nicht-halogenierte Lösungsmittel als Verdünner auf.

Neben den abteilungsgebundenen Verunreinigungen können Kontaminationen

durch zentrale Einrichtungen wie Druckluftkompressoren, Ladestationen, Wasch-

plätze, Abwasser- und Abscheidereinrichtungen sowie Sammelbehälter entstehen,

die in jedem größeren Betrieb anzutreffen sind. Hierbei ist insbesondere der mögli-

che Einsatz PCB-haltiger Hydrauliköle zu beachten. Außerdem bleibt fraglich, in-

wieweit kleinere Betriebe überhaupt über Schlammfänge und Abscheider verfügten.

5 Gesetzliche Ausführungsvorschriften für verwendete Stoffe/ Stoffgruppen

Seit dem 1. November 1986 erfolgt die Entsorgung von Altölen nach Maßgabe des

Abfallgesetzes. Durch den dort festgelegten weiten Altölbegriff werden grundsätzlich

alle flüssigen oder halbflüssigen Stoffe erfasst, die mineralölbürtig sind, sowie syn-

thetische Kohlenwasserstoffe, aber auch sonstige ölartige Stoffe, z.B. synthetische

Öle auf der Basis von PCB und halogenhaltige Ersatzprodukte. Unter den neuen

Altölbegriff fällt auch eine Reihe von Lösemitteln, insbesondere Testbenzine,

Waschbenzine und lösemittelhaltige Reiniger.

Mit der Altöl-Verordnung (27.10.1987) wurde eine ausreichend dimensionierte

Ölauffangwanne unter dem Altölbehälter Vorschrift. Die Abnahme und Kontrolle der

Einrichtung erfolgte zunächst über das Gewerbeaufsichtsamt, heute über die Staat-

lichen Umweltämter. Die Entsorgung wird von zertifizierten Firmen durchgeführt.

Seit Eintreten der Abfallgesetze und Gefahrstoff-Verordnungen (Mitte bis Ende der

1980er Jahre) müssen alle Betriebsflüssigkeiten und ölverschmutzten Betriebsmittel

getrennt gesammelt und einem Verwerter zugeführt werden.

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Branchenblatt Fahrzeugbau Seite 5

Altlasten-Leitfaden Schleswig-Holstein: Erfassung Anhang 11

Tabelle 1 Altlastrelevante Stoffe und ihr zeitlicher Einsatz

Stoff Nutzung Verstärkte An-

wendung ab Verwendungsbe-schränkung/ Ver-

bot

PCB (Polychlorierte Biphenyle).

1

Einsatz z.B. in Kühl- und Hyd-raulikölen sowie Motorölen

ca. 1930 1978/1989

LCKW.2 Lösungs- und Reinigungsmit-

tel (Kaltreiniger) ca. 1925 1981/1986 (zum

Teil)

BTEX.3 Lösungs- und Reinigungsmit-

tel im Werkstattbetrieb, Be-standteil des Vergaserkraft-stoffs.

ca. 1925 1986 (zum Teil)

1

26.7.1978 10.BImSchV: Verwendungsbeschränkung auf geschlossene Systeme; 18.7.1989, PCB-Verbotsverordnung: Herstellungs-, Inverkehrsbringungs- und Verwen- dungsverbot, 1993 durch ChemVerbotsV abgelöst. 2 9/1981 Technische Regel für gefährliche Arbeitsstoffe TrgA 502: Verwendungsbe-

schränkung für Tetrachlorkohlenstoff; 21.4.1986 2.BImSchV: Verordnung zur Emissionsbeschränkung von leichtflüchtigen Halogenwasserstoffen, Anwendungsbeschränkungen 1990 in der Neufassung verschärft. 3 26.8.1986 GefStoffV: Verwendungsbeschränkung für Benzol auf geschlossene Systeme.

6 Altlastrelevante/altlastirrelevante Nutzungszeiträume

Fahrzeugbaubetriebe waren zu keinem Zeitpunkt altlastirrelevant. Je nach Alter und

Größe der Werkstatt sowie in Abhängigkeit von den genutzten Lösungsmitteln usw.

können unterschiedliche Gefährdungspotentiale vorliegen. Grundsätzlich wird bei

der vorliegenden Einstufung jedoch davon ausgegangen, dass trotz eines ver-

gleichbaren Schadstoffspektrums der Stoffumsatz und das Abfallaufkommen in den

Fahrzeugbaubetrieben erheblich geringer ist als bei KFZ-Werkstätten.

Die Wagnerei als historischer Kern der Branche ist überwiegend durch potentielle

Verunreinigungen aufgrund der verwendeten Holzkonservierungsstoffe, Farben,

Lacke und Lösungsmittel gekennzeichnet. Mit dem Übergang in eine Metallverarbei-

tung kamen Sandstrahlrückstände, Schwermetalle, Fette, Öle, Lösungsmittel usw.

hinzu.

Durch den vermehrten Einsatz grundwassergefährdender, CKW-haltiger Reini-

gungs- und Lösungsmitteln bis in die 1980er Jahre liegt daher trotz besserer Aus-

stattung der Werkstätten und des Entwässerungssystems ein gleichbleibendes Ge-

fährdungspotential vor. Bis in die Gegenwart haben sich infolge umweltgesetzlicher

Eingriffe bedeutende Verbesserungen ergeben, eine Umweltgefährdung kann je-

doch trotzdem nicht vollständig ausgeschlossen werden.

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Branchenblatt Fahrzeugbau Seite 6

Altlasten-Leitfaden Schleswig-Holstein: Erfassung Anhang 11

Tabelle 2 Zusammenfassung aller altlastrelevanten Aspekte und Zuordnung zu

den Branchenklassen SH

Zeitspanne Hilfsstoffe Nebenprodukte Altlastrelevante

Aspekte Branchen-klassen SH

1880 – 1930 Fette, Holzkonser-

vierungsstoffe,

aliphatische Lö-

sungsmittel.

Holzspäne. Keine Bodenbe-

festigung oder

Abwassersysteme

in den Werkstät-

ten.

1

1931 – 1950 Laugen, Öle, Teer-

öle, Lacke, PCB,

Lösungsmittel aller

Art, Rostschutzan-

striche, Schmierstof-

fe.

Metallspäne,

Lackreste,

schwermetall-

haltige Farb-

schlämme, ver-

brauchte Lö-

sungsmittel,

Sandstrahlrück-

stände, Karbid-

schlamm.

Werkstattböden

zumeist nicht öl-

dicht, Sammelan-

lagen und Ab-

scheider für Öle

etc. sind die Aus-

nahme.

3

1951 – 1985 Öle, Waschbenzine,

BTEX, LCKW, Rost-

schutzanstriche,

Lacke, Schmierstof-

fe, PCB.

Metallspäne,

Lackreste,

schwermetall-

haltige Farb-

schlämme, ver-

brauchte Lö-

sungsmittel,

Sandstrahlrück-

stände

Zunahme des

Einsatzes von

CKW-haltigen

Lösungsmitteln.

3

1986 – Ge-

genwart

Öle, Waschbenzine,

BTEX, Tenside,

Rostschutzanstri-

che, Schmierstoffe,

Lacke.

Metallspäne,

Lackreste,

schwermetall-

haltige Farb-

schlämme,

Sandstrahlrück-

stände, verbrau-

chte Lösungsmit-

tel

Verbot von Kaltrei-

nigern, halogenier-

ten Lösungsmitteln

usw., Altölverord-

nung, Ein-satz

wasserlöslicher

Farben.

2

Branchenklasse 0: kein Gefährdungspotential Branchenklasse 1: Gefährdungspotential sehr gering Branchenklasse 2: Gefährdungspotential gering Branchenklasse 3: Gefährdungspotential mäßig Branchenklasse 4: Gefährdungspotential hoch Branchenklasse 5: Gefährdungspotential sehr hoch

7 Literaturhinweise

HELLER, A.: Motorwagen und Fahrzeugmaschinen für flüssigen Brennstoff. Ein

Lehrbuch für den Selbstunterricht und für den Unterricht an technischen Lehranstal-

ten. Springer-Verlag, Berlin, 1912.

HESSEL, W.: Der Fahrrad- und Motorfahrzeugbau. Leipzig, 1905.

KÖNIG, W. u.a.: Schadstoffe beim Schleifvorgang. Schriftenreihe Bundesanstalt für

Arbeitsschutz, Fb. 427. Dortmund, 1985.

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Branchenblatt Fahrzeugbau Seite 7

Altlasten-Leitfaden Schleswig-Holstein: Erfassung Anhang 11

SCHOLLAIN, W.: Handbuch für die Kraftfahrzeuginstandsetzung. Band 1: Grundla-

gen. Springer-Verlag, Berlin, 1955.

STEINITZ, E. W.: Richtige Maschinenschmierung. Kraftmaschinen, Arbeitsmaschi-

nen, Transportwesen, Fahrzeuge. Kurzer Wegweiser für die Praxis. Berlin, 1932.

TRZEBIATOWSKY, H.: Die Fahrzeuge und ihre Instandhaltung. Ein Lehr- und

Nachschlagebuch für Fahrzeugmechaniker, Fahrzeugelektriker, für Reparaturwerk-

stätten, Meisterkurse und Fachschulen. Band 2: Instandhaltung der Fahrzeuge,

Sondergruppen, Tabellen und Anhang, 15. neubearbeitete Auflage. Giessen, 1972.

WEINER, R.: Die Abwässer der Metallindustrie (Metallverarbeitende und galvano-

technische Betriebe), 3. erweiterte Auflage. Eugen Leuze Verlag, Saulgau, 1965.

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Altlasten-Leitfaden Schleswig-Holstein: Erfassung Anhang 11 Histinvest - Dr. Klaus Schlottau, Bremen

Branchenblatt Feinmechanische

Werkstätten

Inhaltsverzeichnis Seite

1 Bezeichnung der Branche 2

2 Historischer Überblick 2

3 Allgemeiner Verfahrensablauf 2

4 Umweltrelevante Verfahrens- und Produktionsschritte sowie Verun-

reinigungspotentiale 3

5 Gesetzliche Ausführungsvorschriften für verwendete Stoffe/

Stoffgruppen 5

6 Altlastrelevante/altlastirrelevante Nutzungszeiträume 5

7 Literaturhinweise 7

Abb. 1: Lehrwerkstatt eines feinmechanischen Großbetriebes um 1950 (Quel-le: STADLMANN).

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Branchenblatt Feinmechanische Werkstätten Seite 2

Altlasten-Leitfaden Schleswig-Holstein: Erfassung Anhang 11

1 Bezeichnung der Branche

In feinmechanischen Betrieben werden unterschiedlichste mechanische bzw. elekt-

romechanische Kleingeräte aus Metall gefertigt, überarbeitet oder repariert. Das

Arbeitsgebiet reicht von der Schraubenanfertigung über die Herstellung von Arma-

turen und Gehäusen bis hin zum Bau kompletter mechanischer/elektromecha-

nischer Geräte wie Rechen-, Schreib- und Nähmaschinen, Pumpen oder Automa-

ten. Der Ursprung der Branche ist im Uhren- und Instrumentenbau zu suchen.

In Abgrenzung zum allgemeinen Maschinen- bzw. Apparatebau, wo seit der Indust-

rialisierung immer größere Maschinen hergestellt wurden, hat die Feinmechanik die

Aufgabe, in immer kleineren Dimensionen alle notwendigen mechanischen Funktio-

nen von Maschinen oder Automaten zu vereinen. Größere feinmechanische Betrie-

be („Fabriken“) sind eher dem Apparatebau zuzuordnen und werden im entspre-

chenden Branchenblatt berücksichtigt.

2 Historischer Überblick

Feinmechanische Werkstätten wurden zumeist als Handwerksbetriebe in Universi-

täts- und Hafenstädten gegründet, waren aber zum Ende des 19. Jahrhunderts

auch in ländlichen Bezirken anzutreffen.

Zunächst wurden aus den metallischen Werkstücken mit Hilfe von Handwerkzeu-

gen und kleinen Drehbänken nur einfache Waagen und Messgeräte aller Art, ver-

messungstechnische Instrumente, nautische Geräte, Rechenmaschinen oder Blen-

den hergestellt. Später, etwa seit Beginn der industriellen Revolution (ca. 1870),

stieg der Bedarf an Steuerungs- und Regelmechanismen, so dass parallel zur Ver-

feinerung der Mechanik auch elektrische Relais und Steuerungen in der Feinme-

chanik verwendet wurden.

3 Allgemeiner Verfahrensablauf

Die Bearbeitungsschritte der feinmechanischen Werkstätten sowie deren Entwick-

lung sind im Allgemeinen eng an die bekannten Verfahren der Dreherei (siehe

Branchenblatt Dreherei) und Schlosserei (siehe Branchenblatt Schlosserei) ange-

lehnt. Unterschiede bestehen hauptsächlich in der Dimension der Werkstücke und

Arbeitsmaschinen.

Als Roh-/Arbeitsmaterial dienen vorwiegend Messing, Bronze bzw. Legierungen wie

z.B. Neusilber, seit den 1970er Jahren zunehmend auch Aluminium und Edelstahl.

Außerdem werden in geringerem Umfang Hartgummi und Kunststoffe be- und ver-

arbeitet.

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Branchenblatt Feinmechanische Werkstätten Seite 3

Altlasten-Leitfaden Schleswig-Holstein: Erfassung Anhang 11

Abb. 2: Hörgeräteeinzelanfertigung Mitte der 1960er Jahre (Quelle: STADT-

ARCHIV KIEL).

Der spanenden Formung schließt sich vielfach eine Verlötung von Werkstücken an.

Gebräuchlich sind sowohl die Hartlötung unter Verwendung von Silberlot als auch

die Weichlötung unter Verwendung von Zinn oder Bleizinn. Die Reinigung der zu

lötenden Werkstücke erfolgt mit Salzsäure, als Flussmittel dient u.a. Borax (siehe

Branchenblatt Arbeitstechniken und Verfahren der Metallbearbeitung).

Die abschließende Veredelung der Metalloberflächen kann rein mechanisch durch

Polieren erfolgen, wobei das fertige Werkstück entweder mittels gepreßtem Filz mit

Polierpasten („Polierrot“) blank gerieben wird oder mit Hilfe geeigneter Schmirgel

eine Strichpolitur erhält (siehe Branchenblatt Metallschleiferei). Gelegentlich werden

die Werkstücke noch über einer offenen Flamme gebläut. In Einzelfällen wurden die

Oberflächen aber auch durch Galvanisieren, häufig ein Vernickeln oder Verchro-

men, veredelt (siehe Branchenblatt Galvanische und Feuermetall-Industrie).

4 Umweltrelevante Verfahrens- und Produktionsschritte

sowie Verunreinigungspotentiale

Die spanabhebende Metallbearbeitung wird in einem offenen Kreislauf der Kühl-

schmierstoffe betrieben, so dass Handhabungsverluste unvermeidlich sind. Da die

Metallspäne von Ölen und Emulsionen vollständig benetzt sind, kommt es zu Aus-

tragungs- und Abtropfverlusten. Darüber hinaus muss das gesamte Kreislaufsystem

regelmäßig mit Lösungsmitteln gereinigt werden, um Verseifungen und Verharzun-

gen zu beseitigen. Außerdem wird nicht nur die Werkzeugmaschine, sondern vor

allem auch das Werkstück vor der weiteren Bearbeitung entölt. Vor einer weiteren

Oberflächenbehandlung erfolgt daher in der Regel eine Reinigung mit Lösungsmit-

teln oder eine Beize (siehe Branchenblatt Dreherei).

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Branchenblatt Feinmechanische Werkstätten Seite 4

Altlasten-Leitfaden Schleswig-Holstein: Erfassung Anhang 11

Abb. 3: Mittelständischer Betrieb Anfang des 19. Jahrhunderts (Quelle: STADL-

MANN).

Sofern eine galvanische Oberflächenveredelung der Werkstücke, die vielfach in

Tauchbädern erfolgte, vorgenommen wurde, wurden verschiedene Säuren und

Laugen sowie Cyanide eingesetzt. Leckagen an den Bädern sowie Handhabungs-

und Abtropfverluste stellen hier die Hauptursachen für mögliche Kontaminationen

dar.

Die Altlastenrelevanz der feinmechanischen Werkstätten resultiert aus der Verwen-

dung und Lagerung von Bohrölen, Kühlschmierstoffen, organischen Lösungsmitteln

sowie der Lagerung von Spänen ohne ausreichende Sicherung des Untergrundes.

Als Kontaminanten können hauptsächlich Öle, PCB, PCP, BTEX, CKW und Kühl-

schmierstoffe auftreten. Kritische Schadstoffe im Zusammenhang mit Kühlschmier-

stoffen waren (und sind) Nitrit und Chlorverbindungen sowie bis in die 1980er Jahre

polychlorierte Biphenyle (PCB). In den Kühlschmierstoffen befinden sich weitere

Additive wie z.B. Amine, Fungizide, Bakterizide und Emulgatoren (nähere Einzelhei-

ten siehe Branchenblatt Arbeitstechniken und Verfahren der Metallbearbeitung).

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Branchenblatt Feinmechanische Werkstätten Seite 5

Altlasten-Leitfaden Schleswig-Holstein: Erfassung Anhang 11

5 Gesetzliche Ausführungsvorschriften für verwendete

Stoffe/ Stoffgruppen

Tabelle 1 Altlastrelevante Stoffe und ihr zeitlicher Einsatz

Stoff Nutzung Verstärkte

Anwendung

ab

Verwendungsbe-

schränkung/ Ver-

bot

PCB (Polychlorier-te Biphenyle).

1

Einsatz in Kühl- und Hydraulik-ölen, um die Entzündungstempe-ratur zu erhöhen.

ca. 1930 1978/1989

Wassermischbare Kühlschmierstoffe (N-Nitrosamin-Bildung).

2

Schmier- und Kühlmittelersatz für Öle mit Flammschutzmitteln.

ca. 1955 1997

PCP (Pentachlor-phenol).³

Einsatz in Emulsionen zur Halt-barmachung.

ca. 1930 1986/1989

LCKW.4 Lösungs- und Reinigungsmittel

(Kaltreiniger) im Werkstattbe-trieb.

ca. 1925 1981/1986 (zum Teil)

BTEX.5 Lösungs- und Reinigungsmittel

im Werkstattbetrieb. ca. 1925 1986 (zum Teil)

1

26.7.1978 10.BImSchV: Verwendungsbeschränkung auf geschlossene Systeme; 18.7.1989, PCB-Verbotsverordnung: Herstellungs-, Inverkehrsbringungs- und Verwen- dungsverbot, 1993 durch ChemVerbotsV abgelöst. 2 4/1997 Technische Regel für Gefahrstoffe TRGS 611, Verwendungsbeschränkungen für

wassermischbare bzw. wassergemischte Kühlschmierstoffe, bei deren Einsatz N-Nitrosamine auftreten können (Verbot von Nitrit im KSS) 3

26.8.1986 GefStoffV: Verwendungsbeschränkung für PCP, z.B. nicht in Aufenthalts- räumen einzusetzen; 12.12.1989 PCP-Verbotsverordnung: Herstellungs-, Inverkehrsbringungs- und Verwen- dungsverbot, 1993 abgelöst durch ChemVerbotsV. 4 9/1981 Technische Regel für gefährliche Arbeitsstoffe TrgA 502: Verwendungsbeschrän-

kung für Tetrachlorkohlenstoff; 21.4.1986 2.BImSchV: Verordnung zur Emissionsbeschränkung von leichtflüchtigen Halogenwasserstoffen, Anwendungsbeschränkungen 1990 in der Neufassung verschärft. 5 26.8.1986 GefStoffV: Verwendungsbeschränkung für Benzol auf geschlossene Systeme.

6 Altlastrelevante/altlastirrelevante Nutzungszeiträume

Die Entwicklungen in der spanabhebenden Metallverarbeitung seit Anfang des 20.

Jahrhunderts stellten erhöhte Anforderungen an die Maschinen, die Handhabung

der Werkzeuge und den Umgang mit den zu bearbeitenden Materialien.

Durch die verbesserten Schneidstähle ergaben sich zunehmend höhere Schnittge-

schwindigkeiten, die eine Schmierung und Kühlung der Werkstücke und -zeuge

erforderlich machten. Während anfänglich noch Seifenwasser, das auf die Grenz-

flächen gespritzt wurde, zur Werkzeug/-stückkühlung ausreichte, musste seit der

Einführung der Schnellschnittstähle zunehmend auf wärmeleitende, hochsiedende

Öle und Emulsionen zurückgegriffen werden. Diese Öle benötigen seit dem Ende

der 1920er Jahre Chlororganika (z.B. PCB) als Flammschutz; Emulsionen mussten

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Branchenblatt Feinmechanische Werkstätten Seite 6

Altlasten-Leitfaden Schleswig-Holstein: Erfassung Anhang 11

seither mit Emulgatoren, Fungiziden und Bakteriziden (z.B. PCP) hergestellt und

haltbar gemacht werden. Mit einer verstärkten Anwendung ist in Schleswig-Holstein

etwa seit Anfang der 1930er Jahre zu rechnen.

Das Reinigen der Werkstücke erfolgte in der Regel bis Ende der 1950er Jahre

hauptsächlich durch die Verwendung von Benzin bzw. BTEX, erst danach erfolgte

ein verstärkter CKW-Einsatz. Steigende Metallpreise in den Jahren zwischen 1960

und 1980, besonders nach der Einführung des Abfallwirtschaftsgesetzes, führten

zudem dazu, Drehspäne in möglichst sauberer Form wiederzuverwenden, so dass

diese häufig schon beim Erzeuger mit Kaltreinigern oder anderen Lösungsmitteln

entölt wurden.

Veränderungen in der Bewertung der Umweltrelevanz ergeben sich insbesondere

für den Zweiten Weltkrieg, da feinmechanische Werkstätten, die der Rüstungspro-

duktion dienten, der Kontrolle ziviler Aufsichtsbehörden weitgehend entzogen wa-

ren, und daher häufig in baulichen Anlagen arbeiteten, die für Gewerbebetriebe

auch nach damaligem Stand der Technik nicht geeignet waren. Es fehlte zumeist

an einer Befestigung des Fußbodens sowie an geeigneten Abwasseranlagen. Ähn-

lich ist die Nachkriegszeit zu beurteilen, da behördliche Kontrollen zu diesem Zeit-

punkt nur eingeschränkt durchgeführt wurden.

Darüber hinaus ist unter Umständen zu berücksichtigen, dass bis in die 1950er/

1960er Jahre hinein auch feinmechanische Werkstätten z.T. über kleinere eigene

Galvanisiereinrichtungen verfügten, in denen vorwiegend vernickelt oder verchromt

wurde. Sofern ein entsprechender Hinweis auf diesen Nutzungsaspekt vorliegt, ist

bei der Branchenklassenzuordnung ein Abgleich mit dem Branchenblatt Galvani-

sche und Feuermetall-Industrie erforderlich.

Tabelle 2 Zusammenfassung aller altlastrelevanten Aspekte und Zuordnung zu

den Branchenklassen SH.

Zeitspanne Hilfsstoffe Nebenprodukte Altlastrelevante

Aspekte

Branchen-

klasse SH

bis 1900 Seifen, Wasser,

Säuren, Lotmaterial,

Flussmittel.

Metallspäne. keine Abwasser-

anlagen, keine

Bodenbefestigung

0

1900 –

1930

Seifen, Wasser,

erste Bohröle ohne

PCB, Säuren, Lot-

material, Flussmittel.

gering verölte Me-

tallspäne.

keine Abwasser-

anlagen, keine

Bodenbefestigung

0

1931 –

1960

Bohr- und Schneid-

öle, PCB, Emulsio-

nen, Fungizide, Bak-

terizide, BTEX,

Waschbenzin, Säu-

ren, Lotmaterial,

Flussmittel.

ölige Metallspäne;

Ölschlämme mit

PCB, Schwermetal-

le.

Abscheider sind in

Einzelfällen ab

1930 auf Weisung

der Gewerbeauf-

sicht nachweisbar.

3

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Branchenblatt Feinmechanische Werkstätten Seite 7

Altlasten-Leitfaden Schleswig-Holstein: Erfassung Anhang 11

1961 –

1980

Bohr- und Schneid-

öle, PCB, Emulsio-

nen, Fungizide, Bak-

terizide, BTEX,

CKW, Säuren, Lot-

material, Flussmittel.

ölige Metallspäne;

Ölschlämme mit

PCB, Schwermetal-

le.

Entölen der Späne

mit CKW.

4

1981 –

Gegenwart

Bohr- und Schneid-

öle, Emulsionen,

BTEX, Fungizide,

Bakterizide, Säuren,

Lotmaterial, Fluss-

mittel.

Ölige Metallspäne;

Ölschlämme,

Schwermetalle.

Verbot des Einsat-

zes von verschie-

denen Schadstof-

fen, geregelte Ab-

fallentsorgung.

2

Branchenklasse 0: kein Gefährdungspotential Branchenklasse 1: Gefährdungspotential sehr gering Branchenklasse 2: Gefährdungspotential gering Branchenklasse 3: Gefährdungspotential mäßig Branchenklasse 4: Gefährdungspotential hoch Branchenklasse 5: Gefährdungspotential sehr hoch

7 Literaturhinweise

BECK, A.: Vom Zirkelschmied zum Mechaniker. Ein Beitrag zur Geschichte der

Feinmechanik in Sachsen. In: Photographie und Forschung, Jahrgang 3. Dresden,

1941.

BOSCH, ROBERT AG (HRSG.): Handbuch für Lehrlinge der allgemeinen Feinme-

chanik. Eigenverlag der Robert Bosch AG, Stuttgart, 1928.

LAßWITZ, E.: Von Maschinen, die schreiben und rechnen. Mercedes-Verlag, Zella-

Mehlis, 1936.

LUEGER, O. (HRSG.): Lexikon der gesamten Technik und ihrer Hilfswissenschaf-

ten, VII. Band, zweite Auflage. Deutsche Verlags-Anstalt, Stuttgart und Leipzig,

1938.

MOMMERTZ, K. H.: Bohren, Drehen und Fräsen. Rohwohlt Verlag, Reinbek, 1981.

ROHR, B.; WIELE, H. (HRSG.): Lexikon der Technik. VEB Bibliographisches Insti-

tut, Leipzig, 1982.

STADLMANN, F.: Vom Tagwerk der Jahrhundertwende. Europa-Verlag, Wien,

1985.

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Altlasten-Leitfaden Schleswig-Holstein: Erfassung Anhang 11 Histinvest – Dr. Klaus Schlottau, Bremen

Branchenblatt Galvanische und Feuermetall-Industrie

Inhaltsverzeichnis Seite 1 Bezeichnung der Branche 2 2 Historischer Überblick 2 3 Allgemeiner Verfahrensablauf 4 4 Umweltrelevante Verfahrens- und Produktionsschritte sowie Verun-

reinigungspotentiale 6 5 Gesetzliche Ausführungsvorschriften für verwendete Stoffe/

Stoffgruppen 8 6 Altlastrelevante/altlastirrelevante Nutzungszeiträume 8 7 Literaturhinweise 9 Abb. 1: Größter Metalloberflächen-Veredelungsbetrieb in Schleswig-Holstein in

den 1950er Jahren (Quelle: HANOW).

Foto

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Branchenblatt Galvanische und Feuermetall-Industrie Seite 2

Altlasten-Leitfaden Schleswig-Holstein: Erfassung Anhang 11

1 Bezeichnung der Branche

Die Beschichtung von Gebrauchsgegenständen und Werkzeugen mit verschiede-

nen Materialien (z.B. Metall, Glas/Emaille, Kunststoff) dient dem Schutz vor Korrosi-

on, Dekorationszwecken, der Veredelung minderwertiger Materialien oder der Ver-

besserung physikalischer Eigenschaften. In diesem Branchenblatt wird nur auf die

Beschichtung von Materialien mit Metallen eingegangen, nicht aber auf Verfahren,

bei denen eine Umwandlung der Metalloberfläche stattfindet (z.B. Aloxidieren).

Die Beschichtung kann auf mechanischem (Plattierung), metallurgischem (Feuer-

vergoldung, Feuerverzinkung) oder elektrochemischem Wege (Galvanisierung)

durchgeführt werden. Grundsätzlich lässt sich jeder Werkstoff mit einer oder mehre-

ren der genannten Beschichtungsmethoden veredeln. Grenzen bilden allein die

Bruchfestigkeit und der Flammpunkt des zu beschichtenden Materials: Holz und

Kunststoff können nicht feuerverzinkt, Keramik kann nicht plattiert werden. Da das

Plattieren, eine Beschichtungstechnik mit Hilfe von Treibhämmern und Wärme, in-

dustriell keine Bedeutung hat und hauptsächlich im Kunstgewerbe ausgeübt wird,

wird diese Technik in der folgenden Darstellung vernachlässigt.

Galvanische Betriebe, historisch oft auch als Vernickelungs- oder Verchromungsbe-

triebe bezeichnet, und Feuerverzinkereien können sowohl Einzelbetriebe im hand-

werklichen Maßstab, als auch Firmen mit einer Belegschaftsstärke von bis zu 100

und mehr Personen sein. Andererseits sind sie oft Bestandteil größerer Metallbe-

triebe (z.B. in Walzwerken, Fahrzeugfabriken etc.).

2 Historischer Überblick

Die Feuerbeschichtung von Metallen gab es bereits in der Antike, sie ist damit we-

sentlich älter als die Galvanisierung, die um 1840 zunächst im Kunstgewerbe und

um 1880 auch in der Industrie, eingeführt wurde. Die Feuerbeschichtung erfolgt

entweder im Schmelztauchbad oder im Metallspritzverfahren. Bei dieser Technik

wird mit Hilfe eines Lötrohrs das z.B. in einer Gasflamme geschmolzene Metall auf

das Werkstück gespritzt. Das Werkstück und die Schmelze gehen hierbei im Grenz-

bereich eine Legierung ein: der Vorgang entspricht daher dem Löten, dient aber

nicht der Verbindung zweier Werkstücke.

Das elektrochemische Verfahren der Galvanik entstand um 1840 gleichzeitig in allen

sich industrialisierenden Ländern. Voraussetzung für das Verfahren war die Exis-

tenz leistungsfähiger galvanischer Elemente (Batterien), um den benötigten Strom-

fluss und die Stromdichte zu erhalten. Die Galvanik basiert auf der Erkenntnis, dass

von einem elektropositiven Element (Anode) zu einem elektronegativen Element

(Kathode) solange ein Strom geladener Teilchen fließt, bis die Differenz ausgegli-

chen ist.

Historisch betrachtet, wurden bis in die beginnende Neuzeit (18. Jahrhundert) zu-

meist nur kleine Metallteile mit Edelmetallen beschichtet. Gold- und Silberschmiede

dominierten in der Feuerbeschichtung. Erst als mit der beginnenden Industrialisie-

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Branchenblatt Galvanische und Feuermetall-Industrie Seite 3

Altlasten-Leitfaden Schleswig-Holstein: Erfassung Anhang 11

rung erste Massenartikel für den Konsum (gegossene Metallknöpfe, Besteck- und

Haushaltswaren) hergestellt wurden, erfolgten die Feuerbeschichtungen in einem

Bad aus geschmolzenem Metall. Obgleich seither kein offenes Feuer mehr im Ver-

fahren vorhanden war, blieb die Bezeichnung erhalten.

Abb. 2: Feuerverzinkerei in den 1950er Jahren (Quelle: HANOW)

Zunächst wurden in der Galvanik mangels leistungsstarker Batterien nur kleine Ge-

genstände bearbeitet. Man benötigte hierfür ein Bad mit einer leitenden Flüssigkeit,

in welches das Beschichtungsmetall als Anode und das Werkstück als Kathode ein-

gehängt wurden. Sobald an der Anode Strom angelegt wurde, begannen die gela-

denen Metallionen zu wandern. In der Massenfertigung wurden die Werkstücke

(z.B. Besteckteile) an einem leitenden Draht aufgehängt und durch das galvanische

Bad gezogen. Noch kleinere Teile, z.B. Metallknöpfe oder Kugellager, wurden auf

einem leitenden Metallsieb bearbeitet. Eine Sonderentwicklung, auf die hier nur kurz

eingegangen wird, ist die Galvanoplastik. Auf einem billig und schnell zu erstellen-

den Matrizenmaterial, z.B. eine Gipsbüste, wurde galvanisch ein Edelmetall aufge-

tragen. Im Gegensatz zur traditionellen Gießerei war diese Methode für die Massen-

fertigung geeignet und benötigte wenig Material und Nachbearbeitungszeit.

In den 1870er Jahren wurden Generatoren mit hoher Leistung entwickelt. Seither

war die Galvanik nicht mehr auf die teuren, leistungsschwachen Batterien angewie-

sen.

Durch Elektroraffination aus der Schmelze konnten zudem sehr reine Metallbarren

hergestellt werden, die in großen Bädern für die galvanische Beschichtung einsetz-

bar waren. Parallel gelang es, Metalle direkt aus den häufig cyanidhaltigen Lösun-

gen der galvanischen Bäder auf den Werkstücken abzuscheiden, so dass allseitig

gleichmäßige und sehr dünne Überzüge möglich wurden, die wenig Material ver-

brauchten und kaum Polierarbeit erforderten. Seither wurden nicht nur die Kleinteile,

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Branchenblatt Galvanische und Feuermetall-Industrie Seite 4

Altlasten-Leitfaden Schleswig-Holstein: Erfassung Anhang 11

sondern auch ganze Konstruktionselemente und Bleche in galvanischen Bädern

veredelt. Als Beschichtungsmetalle sind neben den Edelmetallen insbesondere Kup-

fer, Zinn, Cadmium, Chrom und Nickel zu nennen.

Zink wird in galvanischen Bädern nur bei extrem hoher Stromdichte als gleichmäßi-

ger Überzug abgeschieden, ansonsten entsteht eine schwammartige Oberflächen-

struktur, die die Weiterbearbeitung des Werkstückes stark erschwert. Da Zink je-

doch Eisen und Stahl solange besonders gut schützt, bis es durch Korrosion ver-

braucht ist, kann auf die Verzinkung mittels Zinksalzbäder oder durch Diffusion nicht

verzichtet werden. Meist werden jedoch die Verfahren der Feuerverzinkung ange-

wendet.

3 Allgemeiner Verfahrensablauf

Selbständige Galvanische Betriebe und Feuerverzinkereien sind typische Lohnbe-

triebe. Sie erhalten vom Auftraggeber entweder einzelne Konstruktionsteile (z.B.

Stoßstangen zum Verchromen) oder Eisenkonstruktionen (z.B. Zaunsegmente zum

Verzinken).

Folgende Behandlungsstufen werden in den Betrieben durchlaufen:

Oberflächenvorbehandlung (Schleifen, Polieren, Beizen, Entfetten)

Zwischenarbeitsgänge (Spülen, Neutralisieren, Dekapieren, Entgiften,

anodisch Aufrauen)

Verfahren der Metallabscheidung (Verkupfern, Verchromen, Verzinken

usw.)

Nachbehandlungsverfahren (Lackieren usw.)

Den angelieferten Metallteilen haften aus den vorangegangen Arbeitsschritten noch

Öle, Fette, Zunder, Schmutz und, bedingt durch den Transport oder die Lagerung,

Rost an. Diese Verschmutzungen müssen vor der Oberflächenbeschichtung voll-

ständig entfernt werden. Zu diesem Zweck werden die bekannten mechanischen

und chemischen Reinigungsverfahren der Metallindustrie durchgeführt (siehe Bran-

chenblatt Arbeitstechniken und Verfahren der Metallbearbeitung). An die erste, me-

chanische Reinigung schließen sich fettlösende Behandlungen mit Lappen, Pinseln

oder in Bädern an. Als Lösungsmittel wurden historisch zuerst verseifende Alkalien

sowie beizende Säuren genutzt. Seit Beginn des 20. Jahrhunderts wurden mehr und

mehr aliphatische Lösungsmittel, meist in Form von Waschbenzin, dann aromati-

sche Lösungsmittel in Form von Benzol, genutzt. Der gute Reinigungserfolg dieser

organischen Lösungsmittel wurde jedoch durch den hohen Verbrauch und die starke

Brandgefahr beeinträchtigt. Um die Löslichkeit zu erhöhen und den Arbeitsprozess

zu beschleunigen, wurden die Werkstücke häufig mit erwärmten Lösungsmitteln

unter hohem Druck bearbeitet, so dass trotz anschließender Redestillation ein hoher

Verdunstungsverlust eintrat. Die Gase konnten sich in den Werkhallen ausbreiten

und dort durch offene Feuer, Öfen oder Funken entzündet werden. In der Galvano-

technik ersetzten daher seit Ende der 1920er Jahre die nicht brennbaren chlorierten

Kohlenwasserstoffe (Per und Tri) fast unmittelbar alle brennbaren Lösungsmittel wie

Petroleum, Benzin oder Benzol.

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Branchenblatt Galvanische und Feuermetall-Industrie Seite 5

Altlasten-Leitfaden Schleswig-Holstein: Erfassung Anhang 11

Nach der Reinigung sollen die Werkstücke nicht mehr angefasst werden, weil mit

jedem weiteren Handgriff neue Schmutzstoffe aufgetragen werden. Daher werden

die Werkstücke an Hebezeugen, in Gitterkörben oder an Ketten befestigt und ge-

langen so in die Beizerei, wo die metallische Oberfläche des Werkstückes für die

Anlagerung oder Aufbringung des metallischen Überzuges optimiert wird. Je nach-

dem, aus welchem Metall das Werkstück besteht bzw. welches Metall aufgetragen

werden soll, wird eine spezielle Beize bzw. eine passende Säure-Konzentration

ausgewählt. Gewöhnlich wird eine der folgenden Säuren einzeln oder im Gemisch

eingesetzt: Salzsäure, Schwefelsäure, Salpetersäure, Phosphorsäure, Bromsäure,

Essigsäure oder Oxalsäure (siehe Branchenblatt Arbeitstechniken und Verfahren

der Metallbearbeitung).

Im Anschluss an die Beize gelangen zu verzinkende Werkstücke sofort in eine hei-

ße Zinkschmelze. Dort bildet sich an der Grenzfläche beider Metalle eine Legierung,

die für die Haftung sorgt. Das Werkstück wird nur wenige Minuten in der Schmelze,

die eine Temperatur von ca. 450° C besitzt, belassen und kühlt dann langsam aus –

eine schnelle Abkühlung würde zum Reißen der Verzinkung führen. In den Verzin-

kungsbädern bildet sich nach und nach eine Eisen-Zinkkruste, so dass die Becken

nach einiger Gebrauchsdauer entleert und die Kruste abgeschlagen werden muss.

Diese sowie alle anderen Zinkrückstände, die sich durch Tropfverluste als Krusten

auf den Böden der Werkhalle und der Transportwerkzeuge bilden, werden in Zink-

hütten abgegeben.

Das Galvanikbad muss leitende (elektrolytische) Eigenschaften haben und enthält

daher, unabhängig davon, ob es sauer oder basisch ist, ein lösliches Salz des je-

weils aufzutragenden Metalls (z.B. Chloride, Fluoride, Sulfate, Sulfite, Ammoni-

umsulfate etc.) in einer Konzentration von ca. 2 %. Fast alle Bäder, besonders aber

die alkalischen, enthalten außerdem Kaliumcyanid bzw. seit etwa 1910 auch cya-

nidhaltige Doppelsalze, Soda und sogenannte Glanzstoffe. Kaliumcyanid in einer

Konzentration von ca. 2 % war erforderlich, um das Ausfällen des Metalls aus der

Lösung zu erreichen. Dabei wurde allerdings auch giftiges Cyanid freigesetzt, zu

dessen Bindung daher immer ein Sulfit im Überschuss in der elektrolytischen Lö-

sung vorhanden sein musste. Bis etwa 1910 wurden die Lösungen zumeist nach

Erfahrungsgrundsätzen und Betriebsrezepturen selber angesetzt. Mit der Entwick-

lung der Doppel- und Tripelsalze übernahm die chemische Industrie zunehmend die

Zulieferung der Salze, die praktischerweise auch gleich als Sulfit (z.B. K4Cu2(CN)6 x

K2SO3) verkauft wurden. Das Salz wurde sackweise geliefert, nach Bedarf in Was-

ser aufgelöst oder zum Nachbessern in gebrauchte Elektrolytlösungen gegeben.

Verbrauchte Lösungen wurden in der Regel ausgefällt und der metallische Nieder-

schlag an Metallhütten verkauft.

Neben den üblichen galvanischen Bädern und den Feuerbeschichtungsverfahren

(Schmelztauch-, Metallspritzverfahren) werden Materialoberflächen z.B. auch durch

chemische Reduktion im Sudverfahren (Eintauchen des unedleren Werkstücks in

geeignete Lösung des edleren Metalls bei höheren Temperaturen ohne äußere

Stromquelle) oder Aufdampfen im Vakuum veredelt. Beim Verzinken durch Sheradi-

sieren diffundiert Zinkstaub bei ca. 400°C in rotierenden Eisentrommeln direkt in die

Stahloberfläche des Werkstücks. Beim Kalorisieren wird Stahl in Aluminiumpulver,

Al2O3 und Chlorammonium bei 900°C geglüht.

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Branchenblatt Galvanische und Feuermetall-Industrie Seite 6

Altlasten-Leitfaden Schleswig-Holstein: Erfassung Anhang 11

Werkstücke, die feuerverzinkt wurden, werden nach dem Abkühlen zumeist ohne

intensive Nachbehandlung an den Auftraggeber zurückgesandt. Werkstücke der

Galvanik werden hingegen fast ausnahmslos durch Schleifen und Polieren weiter

bearbeitet, bis sich eine makellos glänzende Oberfläche ergibt (siehe Branchenblatt

Metallschleiferei).

4 Umweltrelevante Verfahrens- und Produktionsschritte sowie Verunreinigungspotentiale

Arbeiter und Anwohner der feuerverzinkenden bzw. galvanischen Betriebe haben

insbesondere bei größeren Betrieben hinsichtlich der Gefährdung durch metallische

Dämpfe und Stäube traditionell einen gesundheitsgefährdende Arbeits- bzw. Woh-

nort gehabt. Die Entwicklung der Elektrochemie im 19. Jahrhundert hat dies noch

verstärkt, da sie nun zusätzlich mit löslichen Schwermetallsalzen und Cyaniden um-

gingen, die durch Handhabungsverluste in den Boden, das Grundwasser sowie die

Vorfluter gelangen konnten.

Bei Altstandorten dieser Branchen sind Bodenkontaminationen mit verschiedenen

Schadstoffen grundsätzlich zu erwarten. Schwermetallkontaminationen befinden

sich jedoch im Allgemeinen aufgrund der eingeschränkten Verlagerung nur in den

oberen 35 cm des Bodens.

In der Geschichte dieser Industrie gibt es einige grundsätzliche Einschnitte, die mit

jeweils zunehmenden Belastungen der Umweltmedien verbunden sind.

Bis in das letzte Drittel des 19. Jahrhunderts sind mögliche Verunreinigungen auf

Metallsalze und -stäube zurückzuführen. Diese entstanden bei der Reinigung der

Werkstücke in alkalischen oder sauren Bädern, beim Bürsten, Putzen oder Polieren.

Es handelt sich in der Regel um Verunreinigungen kleineren Maßstabs.

Ab etwa 1870 begann der Einsatz von Petroleum, später Benzin und schließlich

Benzol oder anderer Aromaten für die Reinigung der Werkstücke, so dass zusätz-

lich zu den oben genannten Schwermetallsalzen und –stäuben mit organischen Lö-

sungsmitteln als Kontaminanten zu rechnen ist. Zeitgleich wurden Elektrolyte für die

Galvanik entwickelt, die Schwermetallsalze und Kaliumcyanid in ständiger Lösung

halten. Während des Bearbeitungsvorganges und des Transportes vom Entfettungs-

zum Beizbad und weiter zum Galvanikbad tropften ständig Lösungsmittel und

Schwermetallsalze auf den Boden. Sofern dieser Risse aufwies, konnten die

Schadstoffe in den Untergrund gelangen, wo die Löslichkeit der Schwermetalle im

Boden durch die Säuren aus Abtropfverlusten gefördert wurde.

Seit Beginn der 1930er Jahre ist davon auszugehen, dass aliphatische und aromati-

sche Lösungsmittel vollständig durch chlorierte Kohlenwasserstoffe, insbesondere

durch Per und Tri, abgelöst wurden. Obgleich sich seither das von Benzin und Ben-

zol ausgehende Gefahrenpotential reduziert hat, wurde durch die Einführung der

CKW ein weit bedeutenderes Problem geschaffen. Die Gefährdungen durch

Schwermetalle (z.B. Cr III/VI, Sn, Cu, Cd, Ni, Pb), Schwermetallsalze, giftige Be-

gleit- und Reaktionsstoffe des Verfahrens haben sich weder in der Kriegs- noch den

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Branchenblatt Galvanische und Feuermetall-Industrie Seite 7

Altlasten-Leitfaden Schleswig-Holstein: Erfassung Anhang 11

Nachkriegszeiten vermindert, sondern sind durch den Vierjahresplan und die fol-

gende Kriegs- und Nachkriegswirtschaft bis zum Beginn der 1950er Jahre sogar

noch verstärkt worden, weil Aspekte des Arbeitsplatz-, Gewässer- oder Boden-

schutzes nachrangig waren.

Mit dem Verbot der offenen Anwendung chlorierter Kohlenwasserstoffe und ihrem

Ersatz wurde seit dem Ende der 1980er Jahre nach und nach eine Verbesserung

des Umweltschutzes erreicht. Zugleich wurden die Arbeitsbedingungen und die

Schutztechniken in Galvanikbetrieben durch Abkapselung der Prozesse von der

Umwelt (Bearbeitung in geschlossenen Flüssigkeits- und Gaskreisläufen, Entgiftung

der Abluft, Sammlung der Schlämme und Altbäder in geschlossenen Containern,

ordnungsgemäße Entsorgung der Abfallstoffe) deutlich verbessert.

Abb. 3: Galvanisierung von Metallmöbeln in den 1920er Jahren (Quelle: STADL-

MANN)

Detaillierte Auflistungen von Verunreinigungspotentialen für die Galvanische Indust-

rie lassen sich in der Regel erst dann erstellen, wenn die Art der Vor-/Zwischen- und

Nachbehandlung, der Metallbeschichtung sowie der genaue Nutzungszeitraum be-

kannt sind.

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Branchenblatt Galvanische und Feuermetall-Industrie Seite 8

Altlasten-Leitfaden Schleswig-Holstein: Erfassung Anhang 11

5 Gesetzliche Ausführungsvorschriften für verwendete Stoffe/Stoffgruppen

Tabelle 1 Altlastrelevante Stoffe und ihr zeitlicher Einsatz

Stoff Nutzung Verstärkte Anwendung

ab

Verwendungsbe-schränkung/ Verbot

BTEX.1 Lösungs- und Reinigungsmittel

für die Vorbereitung der Werk-stücke.

ca. 1925 1986 (zum Teil)

LCKW.2 Lösungs- und Reinigungsmittel

(Kaltreiniger) für die Vorberei-tung der Werkstücke.

ca. 1925 1981/1986 (zum Teil)

Schwermetalle.3 Beschichtungsmetalle in den

Elektrolytbädern ca. 1880 1993 (zum Teil)

1 26.8.1986 GefStoffV: Verwendungsbeschränkung für Benzol auf geschlossene Systeme.

2 9/1981 Technische Regel für gefährliche Arbeitsstoffe TrgA 502: Verwendungsbe-

schränkung für Tetrachlorkohlenstoff; 21.4.1986 2.BImSchV: Verordnung zur Emissionsbeschränkung von leichtflüchtigen Halogenwasserstoffen, Anwendungsbeschränkungen 1990 in der Neufassung verschärft. 3

26.10.1993 GefStoffV: Mengenbeschränkung für Arsen-Gehalt; Verwendungsbeschrän- kung für Cadmium

6 Altlastrelevante/altlastirrelevante Nutzungszeiträume

Bis zum letzten Drittel des 19. Jahrhunderts sind keine wesentlichen Veränderungen

in der stofflichen Bearbeitung oder Zusammensetzung der Hilfsstoffe für die Galva-

nische Industrie bekannt. Es handelte sich lediglich um eine schrittweise Maschini-

sierung und Mechanisierung der bisherigen Handarbeit, wobei auch die Dimensio-

nen der Werkstücke und Bäder langsam anstiegen. Viele kleine historische Hand-

werksbetriebe sind auf diesem niedrigen Arbeitsniveau verblieben.

Die Entwicklungen der Dynamomaschine seit Mitte der 1870er Jahre und der Metal-

lurgie seit Beginn des 20. Jahrhunderts ermöglichten jedoch den schnellen Wandel

vom vormals eher handwerklichen Charakter zu industriellen Fabrikbetrieben mit

hohem Energiebedarf und starkem Einsatz von Säuren, Laugen, Lösungsmitteln

sowie wasserlöslichen, cyanidhaltigen Metallsalzen.

Die zunächst verwendeten aliphatischen und aromatischen Lösungsmittel waren in

Betrieben, die ständig mit Wärme, Feuer und Funkenschlag arbeiteten, extrem ge-

fährlich, so dass nicht brennbare Lösungsmittel (CKW) spätestens Ende der 1920er

Jahre schnell und umfassend eingeführt wurden. Erst nach deren Nutzungsbe-

schränkung in den 1980er Jahren nahm das Gefährdungspotential ab, da die CKW

z.B. durch Detergentien oder andere, technische Lösungen (z.B. Ultraschall) substi-

tuiert wurden.

Auch heute noch werden Lösungsmittel, lösliche Schwermetallsalze, Cyanide und

andere umweltrelevante Stoffe eingesetzt. Allerdings sind die Böden der Werkhallen

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Branchenblatt Galvanische und Feuermetall-Industrie Seite 9

Altlasten-Leitfaden Schleswig-Holstein: Erfassung Anhang 11

in der Regel besonders versiegelt und die Abluft durchläuft Filtersysteme. Lösungs-

mittel werden in nahezu geschlossenen Kreisläufen geführt und Restbeizen, aufge-

brauchte Elektrolytbäder und –schlämme werden in hermetisch geschlossenen Con-

tainern verwahrt und von Fachbetrieben entsorgt oder aufbereitet.

Tabelle 2 Zusammenfassung aller altlastrelevanten Aspekte und Zuordnung zu

den Branchenklassen SH.

Zeitspanne Hilfsstoffe Nebenprodukte Altlastrelevante

Aspekte Branchen-klasse SH

Bis ca. 1880 Seifen, Wasser, ge-

ringe Mengen Petro-

leum, Säuren, Lau-

gen, Metallsalze

Metallschlämme,

aufgebrauchte

galvanische Ele-

mente

Keine Abwasser-

anlagen, kaum

Bodenbefestigung

0

1880 – 1930 Seifen, Wasser, Pet-

roleum, Waschbenzin,

Benzol, Säuren, Lau-

gen, Metallsalze, Cy-

anide, Sulfite

Metallschlämme

und Schwerme-

talle, verbrauch-

te Säuren und

Elektrolyte

Keine Abwasser-

anlagen, unzurei-

chende Bodenbe-

festigung; Ablage-

rungen auf dem

Betriebsgelände

4

1931 – 1980 Seifen, Wasser, Säu-

ren, Laugen, CKW,

Metallsalze, Cyanide,

Sulfite

Metallschlämme

und Schwerme-

talle, verbrauchte

Säuren und

Elektrolyte

In Kriegs- und

Nachkriegszeiten

ohne Überwach-

ung; Ablagerungen

auf dem Betriebs-

gelände

5

1981 – Ge-

genwart

Seifen, Wasser, ein-

geschränkt CKW,

weitere Lösungsmit-

tel, Detergentien,

Säuren, Laugen, Me-

tallsalze, Cyanide,

Sulfite

Metallschlämme,

verbrauchte Säu-

ren und Elektro-

lyte

Substitution der

CKW durch Deter-

gentien, Ultraschall

etc.; Abkapselung

der Verfahren

gegen die Umwelt,

überwachte Ab-

fallentsorgung

3

Branchenklasse 0: kein Gefährdungspotential Branchenklasse 1: Gefährdungspotential sehr gering Branchenklasse 2: Gefährdungspotential gering Branchenklasse 3: Gefährdungspotential mäßig Branchenklasse 4: Gefährdungspotential hoch Branchenklasse 5: Gefährdungspotential sehr hoch

7 Literaturhinweise

GAIDA, W.: Einführung in die Galvanotechnik. Eugen Leuze Verlag, Saulgau, 1980.

HANOW, M. (HRSG.): Schleswig-Holstein und seine Industrie. Verlag M. Dumont

Schauberg, Köln, 1957.

KATALYSE-INSTITUT: Chemie am Arbeitsplatz. Gefährliche Arbeitsstoffe, Berufs-

krankheiten und Auswege. Rowohlt-Verlag, Reinbek, 1987.

KRÄMER, P.; WEINER, R.; FETT, M.: Die Geschichte der Galvanotechnik und die

Entwicklung der galvanischen Überzüge bis zur Neuzeit. Eugen Leuze Verlag,

Saulgau, 1959.

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Branchenblatt Galvanische und Feuermetall-Industrie Seite 10

Altlasten-Leitfaden Schleswig-Holstein: Erfassung Anhang 11

LUEGER, O. (HRSG.): Lexikon der gesamten Technik und ihrer Hilfswissenschaf-

ten, Band 8, 2. neu bearbeitete Auflage. Deutsche Verlagsanstalt, Stuttgart und

Leipzig, 1904.

MEINCK, F.; STOOFF, H.; WELDERT, R.: Industrie-Abwässer. Schriftenreihe des

Vereins für Wasser-, Boden- und Lufthygiene, Band 6. Stuttgart, 1953.

MEINCK, F.; STOOFF, H.; KOHLSCHÜTTER, H.: Industrie-Abwässer. Schriftenrei-

he des Vereins für Wasser-, Boden- und Lufthygiene, Band 6, dritte, verbesserte

und erweiterte Auflage. Gustav Fischer, Stuttgart, 1960.

ROHR, B.; WIELE, H. (HRSG.): Lexikon der Technik. VEB Bibliographisches Insti-

tut, Leipzig, 1982.

SÄCHSISCHES LANDESAMT FÜR UMWELT UND GEOLOGIE (HRSG.): Hand-

buch zur Altlastenbehandlung – Branchenbezogene Merkblätter: 11. Galvanikbe-

triebe. Eigenverlag, Dresden, 2000.

STADLMANN, F.: Vom Tagwerk der Jahrhundertwende. Europa-Verlag, Wien,

1985.

WEINER, R.: Die Abwässer der Metallindustrie (Metallverarbeitende und galvano-

technische Betriebe), 3. erweiterte Auflage. Eugen Leuze Verlag, Saulgau, 1965.

ULLMANN, F. (HRSG.): Enzyklopädie der technischen Chemie, 5ter Band. Urban &

Schwarzenberg, Urban & Schwarzenberg, Berlin und Wien, 1917.

ULLMANN, F. (HRSG.): Enzyklopädie der technischen Chemie, 5ter und 7ter Band,

zweite, völlig neu bearbeitete Auflage. Urban & Schwarzenberg, Berlin und Wien,

1930.

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Altlasten-Leitfaden Schleswig-Holstein: Erfassung Anhang 11 Histinvest - Dr. Klaus Schlottau, Bremen

Branchenblatt Gießerei

Inhaltsverzeichnis Seite 1 Bezeichnung der Branche 2

2 Historischer Überblick 2

3 Allgemeiner Verfahrensablauf 2 3.1 Modellbau 3 3.2 Formerei 3 3.3 Gießerei 4 3.4 Putzerei 4

4 Umweltrelevante Verfahrens- und Produktionsschritte sowie Verun-

reinigungspotentiale 5

5 Gesetzliche Ausführungsvorschriften für verwendete Stoffe/Stoffgruppen 6

6 Altlastrelevante/altlastirrelevante Nutzungszeiträume 7

7 Literaturhinweise 8

Abb. 1: Gießerei in den1950er Jahren (Quelle: HANOW).

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Branchenblatt Gießerei Seite 2

Altlasten-Leitfaden Schleswig-Holstein: Erfassung Anhang 11

1 Bezeichnung der Branche

Gießereien gehören zu den Mittel- und Großbetrieben. Ihre Aufgabe ist die Herstel-

lung gegossener Halbfertigprodukte z.B. für den Maschinenbau. Die Gießerei um-

faßt die Herstellung eines Modells und der Gussform, die Verflüssigung des Metalls

(z.B. Eisen) sowie die Nachbearbeitung der gegossenen Rohlinge. Generell werden

Gießereibetriebe in Eisen- und Stahlgießereien (Grauguss, Temperguss, Stahlguss)

und in Nichteisengießereien (Leichtmetallguss, Schwermetallguss) eingeteilt. Der

allgemeine Verfahrensablauf wird im Folgenden am Beispiel einer Eisengießerei

erläutert.

Die Produkte einer Gießerei sind sowohl Einzelanfertigungen nach Maß oder Vorla-

ge, als auch die serielle Erzeugung von bestimmten Bauteilen, z.B. Zylinderblöcken.

Die Herstellung von Einzelstücken und Kleinserien ist auch gegenwärtig das Spezi-

algebiet selbständiger, konzernungebundener Gießereien, die selten mehr als 100

Arbeitskräfte beschäftigen. Die Herstellung von Großserien wird überwiegend in

Gießereien vorgenommen, die zunächst als Abteilung eines Maschinenbaukon-

zerns entstanden, heute aber überwiegend rechtlich selbständig auf dem Markt der

Maschinen- und Investitionsgüterindustrie tätig sind. Gießereien dieser Art haben

eine Mitarbeiterzahl, die bis zu 2.000 Personen reicht. Beide beschriebenen Be-

triebsformen können um einen Maschinenbaubetrieb, der entweder die Rohlinge im

Auftrag weiterverarbeitet oder Endprodukte herstellt, erweitert sein.

2 Historischer Überblick

Während der Industrialisierung in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts wurde

Eisen zum billigsten Konstruktionsmaterial. Eisenguss wurde daher in großer Men-

ge für die Konstruktion von Maschinen, aber auch im Eisenbahn- und Brückenbau

eingesetzt. Gusseisen war ein preiswertes, stabiles und leicht zu erzeugendes Ma-

terial, um daraus die Grundgerüste von Arbeits- und Werkzeugmaschinen, Getrie-

beschalen und Motorenblöcke herzustellen, aber auch, um harte Kurbelwellen, La-

gerschalen und andere Maschinen- und Motorenteile zu drehen. Gusseisen besitzt

nicht die Elastizität und Zähigkeit von Schmiedeeisen, dafür aber, je nach Zuschlag,

gute Fließeigenschaften, Korrosionsbeständigkeit und Oberflächenhärte.

3 Allgemeiner Verfahrensablauf

Die im Konstruktionsbüro erstellten Detailpläne werden in der Modellbauabteilung in

dreidimensionale Modelle umgesetzt. Diese werden dann in der Formerei als Nega-

tiv in Formsand abgebildet. In der Gießerei werden die Formen mit dem verflüssig-

ten Eisen gefüllt und anschließend zum Abkühlen gelagert. Nachdem Form und

Formsand von dem erkalteten Gussstück entfernt wurden, werden in der Putzerei

die Werkstücke nachbearbeitet. In der Versandabteilung endet der Tätigkeitsbe-

reich der Eisengießerei.

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Branchenblatt Gießerei Seite 3

Altlasten-Leitfaden Schleswig-Holstein: Erfassung Anhang 11

3.1 Modellbau

Im Modellbaubereich werden Positivmodelle im Maßstab 1:1 aus Holz, Metall, Gips,

Wachs oder Harz hergestellt. Fertige Modelle werden mit wachsartigen Überzügen

versehen. In einem Modellbaubereich sind daher alle gewöhnlichen Holzbearbei-

tungsmaschinen und Werkzeuge anzutreffen, die auch in einer Tischlerei oder

Drechslerei vorhanden sind. Werden für die Herstellung von Massenartikeln Model-

le aus Metall gefertigt, sind die entsprechenden Werkzeugmaschinen vorhanden.

Wurden die Modelle bis in die 1950er Jahre überwiegend aus Harthölzern und Gips

hergestellt, so nahm seither der Anteil von Kunststoffen und Kunstharzen stetig zu.

Infolgedessen wurden im zunehmenden Maße auch Lösungsmittel, besonders Ben-

zol, Toluol und Xylol eingesetzt, um die Kunststoffe zu formen, Kunststoffmatten

oder Bewehrungen zu verkleben und Werkzeuge zu reinigen.

Die Modelle wurden und werden in der Regel nicht besonders konserviert oder ge-

gen Holzschädlinge imprägniert, wenn sie wegen hoher Stückzahlen ohnehin re-

gelmäßig erneuert werden müssen. Die Modelle für Einzelanfertigungen oder Klein-

serien hingegen wurden nur selten genutzt und mussten daher geschützt werden.

Die gelagerten Modelle wurden gegebenenfalls mit Imprägnierungs-, Pilz- und an-

deren Schädlingsbekämpfungsmitteln behandelt.

Dauermodelle werden heute oft auch im Auftrag der Gießereien von separaten

Spezialbetrieben hergestellt.

3.2 Formerei

In der Formerei werden die Positivmodelle in einem Formkasten zumeist mit Form-

sand unter Schwingungen und Druck eingerüttelt und dann entweder entnommen

oder als verlorenes Modell ausgeschmolzen. Im Formsand entstehen so Vertiefun-

gen oder Hohlräume, die in der Gießerei durch flüssiges Eisen ausgefüllt werden.

Die Aushöhlungen in der Form sind außerdem mit Zuflusskanälen für flüssiges Ei-

sen und mit Abluftkanälen für Luft und heiße Gase versehen.

Die Abbindung des Formsandes erfolgte früher zumeist durch Tone, Kaseine mit

einem geringen Kalkzusatz oder durch natürliche Harze bzw. Sulfitlauge, Öl oder

Wasserglas. Gegenwärtig haben sich mehr und mehr Kunstharze (z.B. Furanharze)

durchgesetzt. Beim Umgang mit den Bindern sind Handhabungsverluste möglich,

die zu Verunreinigungen führen können.

Formsand darf nicht durch Fremdstoffe, insbesondere nicht durch ausschmelzbare

Teile oder Eisen, verunreinigt sein. Daher haben die Gießereien einen hohen Be-

darf an Sanden und bereiten den Formsand häufig selber auf. Die gebrauchten

Formsande und Rückstände aus der Aufbereitung enthalten viel Eisen, daneben

Schwermetalle sowie Bindemittelreste. Außerdem können sie auch PAK enthalten,

da organische Substanzen durch die hohen Gießtemperaturen verbrannt werden,

wobei PAK entstehen.

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Branchenblatt Gießerei Seite 4

Altlasten-Leitfaden Schleswig-Holstein: Erfassung Anhang 11

Die Formmaschinen werden zumeist durch Pressluft oder durch eine Hydraulik be-

tätigt, so dass mit Kompressoren- und Hydraulikölen im Bereich einer Formerei zu

rechnen ist.

3.3 Gießerei

Fertige Formkästen werden in die eigentliche Gießerei transportiert. Dort befinden

sich ein oder mehrere sogenannte „Kupolöfen“ mit einem Durchmesser von ca. 3 -

5 m und einer Höhe von bis zu 20 m. In ihnen wird aus Roheisen, Eisenschrott und

Gussbruchstücken mit Zuschlägen von Kalk (zur Reduktion) und Flussspat (als

Flussmittel) sowie Legierungsmetallen (zur Veredlung) Gusseisen hergestellt. Ku-

polöfen werden indirekt durch Gas oder Strom beheizt, bis das Metall der jeweiligen

Charge geschmolzen ist. Dieses wird dann durch einen Abstich in die Mundlöcher

der Formkästen abgelassen, maschinell eingepresst oder geschleudert, so dass es

die Hohlräume ausfüllt und innerhalb der Form erstarrt.

Selbst große Kupolöfen können selten mehr als 2.000 kg Schmelze in einer Charge

herstellen, so dass für eine kontinuierliche Fertigung von Kleinteilen mindestens

zwei Öfen zugleich benötigt werden. Ein dritter Ofen ist bei Großbetrieben gängig,

um Kleinteile herzustellen oder als Reserve zu dienen. Eine Betriebsunterbrechung

ist für Kupolöfen nicht vorgesehen, aus diesem Grund arbeiten auch mittlere Betrie-

be gewöhnlich in mehreren Schichten, um die Öfen auszulasten. In regelmäßigen

Abständen von einigen Jahren muss die Ofenausmauerung jedoch erneuert wer-

den.

Der regelmäßig anfallende Ofenausbruch wurde häufig zur Hof- und Wegebefesti-

gung verwendet.

3.4 Putzerei

Nach dem Guss müssen die Formen langsam erkalten. Dazu werden sie in einem

Zwischenlager oder in Gießgruben, die über der Form mit Sand aufgefüllt werden,

zum Abkühlen gelagert, bevor sie geöffnet werden können und der Formsand ab-

geschlagen werden kann.

Die gebrauchten Formsande werden in einer Mahl- und Sichtmaschine teilweise

aufbereitet, die Formkästen grob gereinigt und wieder in die Formerei gebracht,

während das rohe Gussstück in die Putzerei gelangt. Nach einer ersten Sichtkon-

trolle, die zur Ausscheidung von Fehlgüssen dient, werden mit Hilfe von Meißeln,

Feilen, Sandstrahlgebläsen und Schleifmaschinen die Kanten und Gusslöcher

nachbearbeitet. In Einzelfällen werden die Stücke auch chemisch (z.B. mit Säuren)

entsandet.

Abschließend wird das Gussstück mit Rostschutzfarbe oder Grundierung behandelt.

In diesem Zusammenhang wird darauf hingewiesen, dass sich unter Umständen

entsprechend der Auftraggebervorgaben auch weitere Bearbeitungsschritte (Ober-

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Branchenblatt Gießerei Seite 5

Altlasten-Leitfaden Schleswig-Holstein: Erfassung Anhang 11

flächenbeschichtungen, mechanische Bearbeitungen) anschließen können. Hierbei

können weitere Schadstoffe anfallen.

Abb. 2: Öffnen und Abschlagen der Gussformen (Quelle: HANOW).

4 Umweltrelevante Verfahrens- und Produktionsschritte

sowie Verunreinigungspotentiale

Eine Gießerei produziert als Abfallstoffe überwiegend Formsande sowie Rückstän-

de aus der Formsandaufbereitung, dem Schmelzprozess (z.B. Schlacke) und der

Putzerei (Strahlsande). Die Rückstände und die alten Formsande wurden ein-

schließlich der enthaltenen Schadstoffe (überwiegend Eisen, Schwermetalle, dane-

ben Bindemittelrückstände) zumeist als billiges Auffüllungsmaterial auf dem Be-

triebsgelände eingebaut. Diese Abfallstoffe können im gesamten Betriebsbereich

und in der näheren Umgebung einer Gießerei vermutet werden. Außerdem wurden

historisch die beim Schmelzen entstehenden Gase, die leichtflüchtige Metallverbin-

dungen enthalten, unkontrolliert ins Freie geleitet, so dass in der Umgebung mit

metallischen Abscheidungen zu rechnen ist.

Neben den Abfallstoffen, die grundsätzlich mit dem Betrieb einer Gießerei verbun-

den sind, treten als weitere Verunreinigungsbereiche der Rohstofflagerplatz und der

Modellbaubereich hervor.

Mit Altölen verschiedenster Art ist im Bereich der Schrott- und Gussschrottlagerung

zu rechnen. Gussschrott entsteht in großen Mengen durch das Zertrümmern guss-

eiserner Maschinengehäuse, die zumeist stark mit Altölen und Ölschlämmen verun-

reinigt sind. Die anhaftenden Altöle enthalten nach ca. 1930, besonders aber nach

dem Zweiten Weltkrieg, auch PCP und PCB. Der Lagerbereich einer Gießerei im

Zeitraum zwischen ca. 1930 und 1990 kann daher mit Stoffen, die jenen eines

Schrottplatzes gleichen, verunreinigt sein.

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Branchenblatt Gießerei Seite 6

Altlasten-Leitfaden Schleswig-Holstein: Erfassung Anhang 11

Moderne Modelltischlereien verwenden auch Lösungsmittel. Es können daher im

Arbeits- und Lagerbereich Verunreinigungen durch BTEX auftreten. Daneben sind

in geringem Maße Schwermetalle und andere Schadstoffe aus der Holzkonservie-

rung im Bereich des Modelllagers möglich.

Weiterhin ist aus dem Bereich der Formerei mit Schadstoffen zu rechnen. Hierzu

zählen:

chemische Binder aus Handhabungsverlusten

PAK aus Verbrennungsvorgängen

PCB-haltige Öle

Säuren, Laugen, Beizhilfsstoffe aus der chemischen Entsandung (z.B.

Salzsäure, Kaliumhydroxid, Cyanide oder Chromate)

Schwermetalle und Lösungsmittel aus der Oberflächengrundierung.

Insgesamt besteht das Schadstoffinventar in der Regel also aus Metallen und

Schwermetallen sowie deren Verbindungen, PAK, PCB, Kohlenwasserstoffen,

BTEX und, abhängig von der Nachbehandlung der Gussstücke, in manchen Fällen

LCKW.

5 Gesetzliche Ausführungsvorschriften für verwendete

Stoffe/Stoffgruppen

Tabelle 1 Altlastrelevante Stoffe und ihr zeitlicher Einsatz

Stoff Nutzung Verstärkte

Anwendung

ab

Verwendungsbe-

schränkung/ Ver-

bot

PCB (Polychlorier-te Biphenyle).

1

Einsatz in Kühlölen, um die Entzün-dungstemperatur zu erhöhen. Haftet an Gussschrott, daher erfolgt eine zeitliche Verschiebung des Auftre-tens in der Gießerei.

ca. 1930 1978/1989

Wassermischbare Kühlschmierstoffe (N-Nitrosamin-Bildung).

2

Schmier- und Kühlmittelersatz für Öle mit Flammschutzmitteln. Haftet an Gussschrott, daher erfolgt eine zeitliche Verschiebung des Auftre-tens in der Gießerei.

ca. 1955 1997

BTEX.3 Lösungs- und Reinigungsmittel im

Modellbaubereich. ca. 1925 1986 (zum Teil)

1

26.7.1978 10.BImSchV: Verwendungsbeschränkung auf geschlossene Systeme; 18.7.1989, PCB-Verbotsverordnung: Herstellungs-, Inverkehrsbringungs- und Verwen- dungsverbot, 1993 durch ChemVerbotsV abgelöst. 2 4/1997 Technische Regel für Gefahrstoffe TRGS 611, Verwendungsbeschränkungen für

wassermischbare bzw. wassergemischte Kühlschmierstoffe, bei deren Einsatz N-Nitrosamine auftreten können (Verbot von Nitrit im KSS) 3 26.8.1986 GefStoffV: Verwendungsbeschränkung für Benzol auf geschlossene Systeme.

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Branchenblatt Gießerei Seite 7

Altlasten-Leitfaden Schleswig-Holstein: Erfassung Anhang 11

6 Altlastrelevante/altlastirrelevante Nutzungszeiträume

Für die Zeitspanne zwischen der Industrialisierung und dem Ende der 1920er Jahre

sind keine wesentlichen Veränderungen in der stofflichen Bearbeitung oder in der

Zusammensetzung der Hilfsstoffe für die Gießerei-Industrie bekannt. Es handelt

sich lediglich um eine Mechanisierung der bisherigen Handarbeit. Gießereien dieser

Zeitspanne haben durch den Anfall von Formsanden und durch die Eisen- und

Schlackenreste auf dem Betriebsgelände mit Sicherheit zu einer Verunreinigung

beigetragen, jedoch besteht für diese wie auch für die Altölverunreinigungen im

Bereich des Gussschrottlagers keine besondere Gefährdungsvermutung.

Mit Beginn der 1930er Jahre, verstärkt noch nach dem Zweiten Weltkrieg, gelang-

ten auch PCB über den Stoffkreislauf des Schrotthandels auf die Lagerplätze der

Gießereien, so dass sie dort neben einer möglichen Verunreinigung durch Mineral-

ölkohlenwasserstoffe (MKW) und Schwermetalle zu erwarten sind. Obgleich PCB

bereits seit einiger Zeit verboten sind, ist davon auszugehen, dass durch die nut-

zungsbedingte Verschiebung und den Schrotthandel auch nach dem Nutzungsver-

bot Schrott mit PCB-haltigem Altöl verarbeitet wurde.

In der Modellbauabteilung wurden seit Mitte der 1950er Jahre verstärkt Kunststoffe

eingesetzt. Verbunden damit können Lösungsmittelverunreinigungen durch Hand-

habungsverluste entstanden sein. Verunreinigungen dieser Art sind auch gegen-

wärtig zu erwarten.

Tabelle 2 Zusammenfassung der altlastenrelevanten Aspekte und Zuordnung

zu den Branchenklassen SH.

Zeitspanne Hilfsstoffe Nebenprodukte Altlastrelevante As-

pekte

Branchen-

klasse SH

bis 1930 Formsande,

Schrott, über-

wiegend na-

türliche Binder

Schwermetalle,

Formsande, Strahl-

sande (ab 1884),

Schlacken, Gussres-

te, Ofenausbruch,

PAK

Keine Bodenbefesti-

gung, Ablagerung von

Form- und Strahlsan-

den, Rückständen und

Schlacken auf der Be-

triebsfläche

1

1931 – 1950 Formsande,

zunehmend

chemische

Binder; Hyd-

rauliköle;

Flussmittel

(Fluorsäure);

erster Guss-

schrott mit

PCB; Mine-

ralöle

Formsande, Strahl-

sande, Schwerme-

talle, Schlacken,

Ölschlämme mit

PCB, Gussreste,

Ofenausbruch, PAK

Infolge der Kriegswirt-

schaft ohne Überwa-

chung; oftmals keine

Abwasseranlagen, kei-

ne Bodenbefestigung;

Ablagerung von Form-

und Strahlsanden,

Rückständen und

Schlacken auf dem

Betriebsgelände

3

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Branchenblatt Gießerei Seite 8

Altlasten-Leitfaden Schleswig-Holstein: Erfassung Anhang 11

1950 – Ge-

genwart

Formsande,

natürliche und

chemische

Binder; Fluss-

mittel (Fluor-

säure); Hyd-

rauliköle;

Gussschrott

mit PCB; Mi-

neralöle;

überwiegend

BTEX

Formsande, Strahl-

sande, Schwerme-

talle, Schlacken,

Gussreste, Ofen-

ausbruch, Schwer-

metalle, Ölschläm-

me mit PCB, Lö-

sungsmittelrück-

stände, PAK

Seit Beginn der 1980er

Jahre Abnahme des mit

PCB verunreinigten

Schrottes, Zunahme

der Kunststoffverarbei-

tung im Modellbau und

der Formerei; zuneh-

mende Ablagerung von

Form- und Strahlsan-

den, Rückständen und

Schlacken auf zugelas-

senen Deponien

3

Branchenklasse 0: kein Gefährdungspotential Branchenklasse 1: Gefährdungspotential sehr gering Branchenklasse 2: Gefährdungspotential gering Branchenklasse 3: Gefährdungspotential mäßig Branchenklasse 4: Gefährdungspotential hoch Branchenklasse 5: Gefährdungspotential sehr hoch

7 Literaturhinweise

BRADKE, H. J.; HANSONIS-JOULEH, H.: Untersuchungen zur umweltrelevanten

Beurteilung von Formsanden für die Form- und Kernherstellung, herausgegeben

vom Industrieverband Gießerei-Chemie e.V.. Frankfurt, 1979.

HAHN, H.: Eisenhüttenkunde. Eisengießerei, Schmieden, Walzen. In: Uhland’s

Handbuch für den praktischen Maschinenkonstrukteur, Band VIII, 2. vollständig neu

bearbeitete Auflage. Berlin, 1905.

HANOW, M. (HRSG.): Schleswig-Holstein und seine Industrie. Verlag M. Dumont

Schauberg, Köln, 1957.

LUEGER, O. (HRSG.): Lexikon der gesamten Technik und ihrer Hilfswissenschaf-

ten, Band 4, 2. neu bearbeitete Auflage. Stuttgart und Leipzig, 1904.

MEINCK, F.; STOOFF, H.; WELDERT, R.: Industrie-Abwässer. Schriftenreihe des

Vereins für Wasser-, Boden- und Lufthygiene, Band 6. Stuttgart, 1953.

STADLMANN, F.: Vom Tagwerk der Jahrhundertwende. Europa-Verlag, Wien,

1985.

WEINER, R.: Die Abwässer der Metallindustrie, 3. neu bearbeitete Auflage. Eugen

Leuze Verlag, Saulgau, 1965.

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Altlasten-Leitfaden Schleswig-Holstein: Erfassung Anhang 11 Histinvest - Dr. Klaus Schlottau, Bremen

Branchenblatt Kraftfahrzeugwerk-stätten

Inhaltsverzeichnis Seite 1 Bezeichnung der Branche 2 2 Historischer Überblick 2 3 Arbeitstechniken 3 4 Umweltrelevante Verfahrens- und Produktionsschritte sowie Ver-

unreinigungspotentiale 5 5 Gesetzliche Ausführungsvorschriften für verwendete Stoffe/

Stoffgruppen 6 6 Altlastrelevante/altlastirrelevante Nutzungszeiträume 7 7 Literaturhinweise 9 Abb. 1: KFZ-Werkstatt in den 1950er Jahren (Quelle: LEUSCHNER).

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Branchenblatt Kraftfahrzeugwerkstätten Seite 2

Altlasten-Leitfaden Schleswig-Holstein: Erfassung Anhang 11

1 Bezeichnung der Branche

Kraftfahrzeugwerkstätten (Synonyme von ca. 1920 bis 1950 auch Garage, Autoga-

rage, Großgarage oder Garagenbetrieb) sind in Schleswig-Holstein seit dem Beginn

der privaten Motorisierung Anfang der 1920er Jahre, hauptsächlich aber seit der

flächendeckenden Einführung der Kraftfahrzeuge in den 1950er Jahren, entstanden.

Überwogen in der Frühzeit kleine Werkstätten ohne Markenbindung, so sind ge-

genwärtig zentrale Großwerkstätten lizensierter und firmengebundener Autohändler

die Regel.

Grundsätzlich werden neben der allgemeinen Pflege der Kraftfahrzeuge (Waschen,

Abschmieren usw.) und laufenden Wartungsarbeiten (Wechsel von Betriebsflüssig-

keiten, Nachstellarbeiten, Überprüfungen) alle erforderlichen Reparaturen an den

Fahrgestellen, Karosserien, Motoren und Antriebsteilen durchgeführt. Zu Beginn der

1960er Jahre fand zunehmend eine Differenzierung in eigenständige Spezialwerk-

stätten statt:

Zylinder- und Kurbelwellenschleifereien, die die mechanischen Arbeiten der

Motoreninstandsetzung ausführen (siehe Branchenblatt Metallschleiferei),

Vulkanisierwerkstätten, die die Ausbesserung der Bereifung durch Vulkanisie-

ren und insbesondere die Runderneuerung der Reifen übernehmen,

Kraftfahrzeug-Elektrik-Werkstätten für die Instandsetzung der elektrischen

Anlage von Kraftfahrzeugen,

Spezialwerkstätten für Diesel-Einspritzgeräte, die auf die fachgerechte Prü-

fung und Instandsetzung der Einspritzdüsen und Einspritzpumpen spezialisiert

sind,

spezialisierte Karosseriewerkstätten für schwierige Schweißarbeiten,

spezialisierte Lackierwerkstätten für umfangreichere Lackierarbeiten (siehe

Branchenblatt Lackiererei),

Autosattlereien für die Reparatur und Herstellung von Sitzpolsterungen, Fuß-

und Innenraumauskleidungen, Faltdachreparaturen usw..

Diese Spezialwerkstätten sind jedoch nicht Gegenstand des vorliegenden Bran-

chenblattes. Es wird nur auf die gängige Kraftfahrzeugwerkstatt eingegangen, die im

Wesentlichen Reparatur- und Wartungsarbeiten betreibt.

2 Historischer Überblick

Die ersten Straßenfahrzeuge mit Benzinmotor wurden in Europa und Amerika in den

1880er Jahren eingeführt, wobei die wenigen Fahrzeuge zumeist geschäftlichen

oder repräsentativen Zwecken dienten und von den Chauffeuren gewartet und repa-

riert wurden.

Erste private Nutzungen entstanden nach dem Ende des Ersten Weltkrieges. Paral-

lel entwickelten sich entlang den Reichsstraßen und in größeren Städten ein erstes

Tankstellennetz sowie erste Reparaturbetriebe, die häufig aus Schmieden oder

Wagnereien hervorgingen.

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Branchenblatt Kraftfahrzeugwerkstätten Seite 3

Altlasten-Leitfaden Schleswig-Holstein: Erfassung Anhang 11

Die Massenmotorisierung setzte in Schleswig-Holstein Mitte der 1930er Jahre ein,

wurde aber durch den Zweiten Weltkrieg unterbrochen. Erst zu Beginn der 1950er

Jahre lebte sie wieder auf und hält bis heute an.

Parallel zur Verbreitung des Automobils entstand eine Vielzahl von Autowerkstätten.

In den 1920er Jahren entwickelte sich der Beruf des Automobilschlossers, des heu-

tigen Kraftfahrzeugmechanikers. Grundsätzlich musste er alle Teile des Fahrzeugs,

also Fahrgestell, Motor, Karosserie und Elektrik, reparieren können. Viele Sonder-

arbeiten wurden jedoch nach und nach ausgegliedert (siehe Kapitel 1) und sind heu-

te im typischen Profil einer Kraftfahrzeugwerkstatt nur noch in Ausnahmen vorhan-

den.

3 Arbeitstechniken

Die in Kraftfahrzeugwerkstätten durchgeführten Arbeiten umfassen neben der all-

gemeinen Pflege der Kraftfahrzeuge (Waschen, Abschmieren usw.), laufende War-

tungs- (Ölwechsel, Wechsel der anderen Betriebsflüssigkeiten, Nachstellarbeiten

und Überprüfungen) und Instandsetzungsarbeiten (einfache Ausbesserungen bis zu

vollständigen Überholungen von Motor, Trieb- und Fahrwerk).

Abb. 2: Kraftfahrzeugreparaturwerkstatt aus dem Jahr 1927 (Quelle: STADL-

MANN).

Eine große Kraftfahrzeugwerkstatt besteht aus folgenden Abteilungen:

Mechanische Werkstatt:

In der mechanischen Werkstatt erfolgt die technische Wartung des Fahrzeuges:

Motoren- und Getriebeöle, Kühl- und Bremsflüssigkeiten werden ergänzt oder er-

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Branchenblatt Kraftfahrzeugwerkstätten Seite 4

Altlasten-Leitfaden Schleswig-Holstein: Erfassung Anhang 11

setzt. Batterien werden ebenso geprüft wie Stoßdämpfer, Zünd-, Vergaser- und

Ventileinstellungen der Motoren, Abgasuntersuchungen werden vorgenommen. Die

gesamte Mechanik inklusive der Bremsen wird geprüft und defekte Teile ausge-

tauscht. Zur Kontrolle des Fahrzeugunterbodens, des Fahrwerks und zum Wechsel

der Öle wird das Fahrzeug mittels einer Hebebühne angehoben oder über eine

Montagegrube gefahren (früher in allen Werkstätten vertreten und heute nur noch

Standard in Lastkraftwagenwerkstätten).

Karosseriereparaturwerkstatt:

In der Karosseriewerkstatt werden defekte und verrostete Blechteile des Fahrzeugs

ausgetauscht, Unfallschäden beseitigt sowie Richt- und Schweißarbeiten vorge-

nommen. Zum Richten des Fahrzeugs nach einem Unfallschaden wird das Fahr-

zeug nach der Demontage der Kotflügel, der Motors, Getriebes und der Achsen

sowie anderer Teile auf eine Richtbank gesetzt. Gestauchte Holme oder Boden-

gruppen werden dort entweder vollständig ersetzt oder mit Hilfe hydraulischer Pres-

sen gezogen. Schäden an den Dächern werden danach unter Einsatz von Brennern

und hydraulischen oder manuellen Ausbeulwerkzeugen beseitigt.

Zur Vorbereitung der Schweißstellen und beim Wechsel von Blechteilen müssen

Schleif- und Entrostungsarbeiten ausgeführt und Lack sowie Unterbodenschutz mit-

tels Einsatz von Sandstrahlgeräten oder Schleifmaschinen entfernt werden. An die

Blechbearbeitung schließen sich Spachtel-, Grundier- und Rostschutzmaßnahmen

an.

Lackierwerkstatt:

Die Beseitigung von Lackschäden oder eine Neulackierung erfolgt in der Lackiere-

rei. Vor der endgültigen Lackierung werden die Fahrzeuge oder die Fahrzeugteile

gespachtelt, geschliffen, grundiert und feingeschliffen. Meist werden die Lacke mit

einem Druckluftkompressor in stark verdünnter Form mehrschichtig aufgetragen.

Die Lackierkabine ist zum Schutz der Mitarbeiter und der Umwelt von der Werkstatt

getrennt und verfügt heutzutage über eine Abluftanlage mit Lösungsmittelfilter. Hin-

ter der Lackierkabine befindet sich eine Trockenkabine, in der der Lacküberzug un-

ter Einsatz von Strahlungswärme schnell austrocknet. Diese „Einbrennkammer“ ist

ebenfalls an das Abluftsystem angeschlossen (siehe Branchenblatt Lackiererei).

Wagenpflege:

Neben verschiedenen Reinigungsmitteln für die Unterbodenwäsche wurden auch

alle Arten von Lösungsmitteln für die Säuberung von Einzelteilen eingesetzt. Bis in

die 1980er Jahre dienten Petroleum, Benzol, Waschbenzin sowie Laugen der Reini-

gung, gefolgt von Tri- oder Tetrachlorethylen und anderen sogenannten Kaltreini-

gern, die alle CKW enthielten. Diese Reinigungsmittel sind mittlerweile durch ten-

sidhaltige Produkte sowie den Einsatz von Dampfstrahlgeräten mit hohem Düsen-

druck ersetzt worden.

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Branchenblatt Kraftfahrzeugwerkstätten Seite 5

Altlasten-Leitfaden Schleswig-Holstein: Erfassung Anhang 11

Allgemeine Maschinen, Hilfsmittel und Werkzeuge:

Neben diversen Handwerkzeugen verfügt eine Werkstatt gewöhnlich über folgende

Einrichtungen:

Werkzeugmaschinen: u.a. Bohrmaschine, Schleifbock und Drehbank sowie

hydraulische Pressen;

Schweißanlagen: verwendet werden die Gasschmelzschweißung, elektrische

Schweißverfahren oder elektrische Punktschweißgeräte, die sich besonders für

Karosseriearbeiten eignen. Schwierigere Schweißarbeiten werden in der Regel

in Spezialwerkstätten ausgeführt;

Überflur- und Unterflur-Arbeitsstände in Form von Hebebühnen oder Monta-

gegruben, denen für die Bewegung schwergewichtiger Teile zumeist auch He-

beeinrichtungen wie z.B. Laufkatzen oder Werkstattkräne zugeordnet sind;

Kompressoren für die Erzeugung von Druckluft für verschiedenste Zwecke,

z.B. zum Reifenfüllen, für die Hebebühne, zum Sandstrahlen und zum Reinigen

durch Ausblasen.

4 Umweltrelevante Verfahrens- und Produktionsschritte sowie Verunreinigungspotentiale

Verunreinigungen in der mechanischen Werkstatt können durch folgende Stoffe

hervorgerufen werden: Öle und Ölschlämme aus Motoren und Getrieben, Schmier-

fette, halogenierte und nicht-halogenierte Lösungsmittel, alkoholhaltige Kühlflüssig-

keiten, Vergaser- und Dieselkraftstoffe, Bitumen, Teer und Teeröle, Kunstharze,

Asbest, Schwermetalle, Säuren (z.B. Batteriesäure), Sulfate und Phosphate von

Schwermetallen sowie öliger oder teerbeschichteter Schrott. Einige der verwende-

ten Öle enthielten in der Vergangenheit PCB-haltige Additive, ebenso wurden

Bremsflüssigkeiten PCB als Alterungsschutz zugesetzt.

Als Kontaminanten im Karosseriereparaturbereich treten Unterbodenschutzmittel

(Bitumenemulsionen, Kunstharze), halogenierte und nicht-halogenierte Lösungsmit-

tel als Reinigungs- und Entfettungsmittel, Rostumwandler und schwermetallhaltige

Grundierungsfarben sowie Mineralöle (z.B. Stoßdämpferöl) auf. Des Weiteren fallen

verunreinigte Schrottteile, Schleif- und Spachtelstäube sowie Sandstrahlrückstände

an.

In der Lackiererei können metall- oder kunststoffhaltige Schleifstäube, wässrige

Lackschlämme, Lackgebinde, schwermetallhaltige Altlacke und Hilfsmittel (Binder,

Härter),Filtermatten, Abdeckmaterial und halogenierte sowie nicht-halogenierte Lö-

sungsmittel als Verdünner zu Verunreinigungen führen.

Im Bereich der Wagenpflege spielen vor allen Dingen die Reinigungs- und Lö-

sungsmittel eine Rolle.

Neben den abteilungsgebundenen Verunreinigungspotentialen können Kontamina-

tionen durch zentrale Einrichtungen wie Druckluftkompressoren, Ladestationen,

Schrott- und Batteriesammelplätze, Abwasser- und Abscheidereinrichtungen sowie

Sammelbehälter auftreten, die in jeder größeren Werkstatt anzutreffen sind. Zudem

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Branchenblatt Kraftfahrzeugwerkstätten Seite 6

Altlasten-Leitfaden Schleswig-Holstein: Erfassung Anhang 11

ist fraglich, inwieweit kleinere Werkstätten historisch überhaupt über Schlammfänge,

Abscheider usw. verfügten.

Beim Wechsel der Motor-, Getriebe- und Differentialöle, die PCB-haltig gewesen

sein können, und der entsprechenden Filter sowie bei Reparaturen an diesen Teilen

kommt es in der Werkstatt zu Spritz- und Handhabungsverlusten. Diese sind in den

Montagegruben größer als auf einer Hebebühne. Die Bodeneinläufe älterer Gruben

sind zumeist nicht an Abscheider angeschlossen gewesen und wurden bei Werk-

stattmodernisierungen fast immer verfüllt, so dass es auch heute durch Setzungs-

risse und Fugen zu Verunreinigungen des umgebenden Bodens kommen kann.

Durch nicht öldichte Fußböden kommt es auch unter den Säulenhebebühnen, Auf-

fahrrampen und Gruben zu Verschmutzungen des darunterliegenden Bodens durch

Handhabungsverluste. Außerdem ist zu berücksichtigen, dass seit Anfang der

1930er Jahre auch die Hydrauliköle häufig PCB-haltig waren.

Altöle jeder Art wurden bis zum Beginn der 1970er Jahre selten entsorgt. Fast alle

Werkstätten setzten die oftmals in Fässern gesammelten Öle vor dem Winter als

Korrosionsschutz für den Unterboden ein. Die Öle wurden mit einer Sprühpistole

aufgetragen und dann zur besseren Haftung mit Feinsand und Staub abgestreut. In

der Vergangenheit wurden zum Teil auch Teerölprodukte (Carbolineum) oder soge-

nannter „Dachlack“ (Bitumenprodukt) hierfür verwendet.

5 Gesetzliche Ausführungsvorschriften für verwendete Stoffe/ Stoffgruppen

Seit dem 1. November 1986 erfolgt die Entsorgung von Altölen nach Maßgabe der

Vorschriften des Abfallgesetzes (AbfG) vom 27.08.1986. Nach § 5a Abs.1 Satz 1

AbfG finden die Vorschriften des Abfallgesetzes auf Altöle auch Verwendung, wenn

sie keine Abfälle im Sinne von § 1 Abs. 1 AbfG sind. Durch den weiten Altölbegriff

werden grundsätzlich alle flüssigen oder halbflüssigen Stoffe erfasst, die mineralöl-

bürtig sind, sowie synthetische Kohlenwasserstoffe, aber auch sonstige ölartige

Stoffe, z.B. synthetische Öle auf der Basis von PCB und halogenhaltige Ersatzpro-

dukte (§ 4 Abs. 1 Satz 1 AltölV). Unter den neuen Altölbegriff fällt auch eine Reihe

von Lösemitteln, insbesondere Testbenzine, Waschbenzine und lösemittelhaltige

Reiniger.

Mit der Altöl-Verordnung (27.10.1987) wurde eine ausreichend dimensionierte

Ölauffangwanne unter dem Altölbehälter Vorschrift. Die Abnahme und Kontrolle der

Einrichtung erfolgte früher über das Gewerbeaufsichtsamt, heute über die Staatli-

chen Umweltämter. Die Entsorgung von Ölen wird seither von zertifizierten Firmen

durchgeführt. Seit Inkrafttreten der Abfallgesetze und Gefahrstoff-Verordnungen

(Mitte bis Ende der 1980er Jahre) müssen alle Betriebsflüssigkeiten und ölver-

schmutzten Betriebsmittel getrennt gesammelt und einem Verwerter zugeführt wer-

den.

Am 01.04.1998 wurde die Altautoverordnung in Kombination mit der Selbstver-

pflichtung der Industrie zur Rücknahme verbindlich eingeführt. Die Verordnung gibt

einen rechtlichen Rahmen für die kostenlose Rücknahme aller Autos vor, die nach

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Branchenblatt Kraftfahrzeugwerkstätten Seite 7

Altlasten-Leitfaden Schleswig-Holstein: Erfassung Anhang 11

dem 01.04.1998 verkauft werden und nicht älter als 12 Jahre sind. Die Verordnung

regelt, dass Altautos künftig nur noch abgemeldet werden können, wenn ein dazu

berechtigter (zertifizierter) Verwertungsbetrieb einen sogenannten Verwertungs-

nachweis ausgestellt hat.

Tabelle 1 Altlastrelevante Stoffe und ihr zeitlicher Einsatz

Stoff Nutzung Verstärkte An-

wendung ab Verwendungsbe-schränkung/ Ver-

bot

PCB (Poly-chlorierte Biphenyle).

1

Einsatz z.B. in Kühl- und Hydraulik-ölen sowie speziellen synthetischen Ölen für Hochleistungsmotoren, um die Entzündungstemperatur zu er-höhen.

ca. 1930 1978/1989

LCKW.2 Lösungs- und Reinigungsmittel

(Kaltreiniger) ca. 1925 1981/1986 (zum

Teil)

BTEX.3 Lösungs- und Reinigungsmittel im

Werkstattbetrieb, Bestandteil des Vergaserkraftstoffs.

ca. 1925 1986 (zum Teil)

1 26.7.1978 10.BImSchV: Verwendungsbeschränkung auf geschlossene Systeme;

18.7.1989, PCB-Verbotsverordnung: Herstellungs-, Inverkehrsbringungs- und Verwen- dungsverbot, 1993 durch ChemVerbotsV abgelöst. 2 9/1981 Technische Regel für gefährliche Arbeitsstoffe TrgA 502: Verwendungsbeschrän-

kung für Tetrachlorkohlenstoff; 21.4.1986 2.BImSchV: Verordnung zur Emissionsbeschränkung von leichtflüchtigen Halogenwasserstoffen, Anwendungsbeschränkungen 1990 in der Neufassung verschärft. 3 26.8.1986 GefStoffV: Verwendungsbeschränkung für Benzol auf geschlossene Systeme.

6 Altlastrelevante/altlastirrelevante Nutzungszeiträume

Je nach Größe der Werkstatt, der Vielzahl unterschiedlicher Arbeitsschritte einzel-

ner Abteilungen und letztlich auch in Abhängigkeit von den verwendeten Reini-

gungsmitteln liegen unterschiedliche Gefährdungspotentiale vor.

Auf Grund der geringen Anzahl von Kraftfahrzeugen in Schleswig-Holstein vor 1930

wird den wenigen, kleinen Kraftfahrzeugwerkstätten, die vor diesem Zeitpunkt exis-

tierten, keine Altlastenrelevanz unterstellt.

Das Gefährdungspotential für den Zeitraum zwischen 1931 und 1950 ist insbeson-

dere wegen der Mängel an der Bodenabdichtung und am Abwassersystem höher zu

bewerten, allerdings wurden hauptsächlich nur relativ unproblematische aliphatische

Reinigungsmitteln eingesetzt. Vom Beginn der 1930er bis in die 1980er Jahre ist

allerdings auch mit der Verwendung PCB-haltiger Öle (z.B. Hydraulik oder Motoren)

und Bremsflüssigkeiten zu rechnen.

Mit der flächendeckenden Motorisierung ab 1950 in Schleswig-Holstein stieg sowohl

die Anzahl als auch die Größe der Betriebe kontinuierlich an, was allgemein zu ei-

nem vermehrtem Stoffumsatz führte. Mit dem zunehmenden Einsatz von grundwas-

sergefährdenden CKW-haltigen Reinigungs- und Lösungsmitteln bis in die 1980er

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Branchenblatt Kraftfahrzeugwerkstätten Seite 8

Altlasten-Leitfaden Schleswig-Holstein: Erfassung Anhang 11

Jahre liegt daher trotz besserer Ausstattung der Werkstätten und des Entwässe-

rungssystems ein größeres Gefährdungspotential vor.

Infolge neuer gesetzlicher Regelungen und Verordnungen ergeben sich für den Zeit-

raum ab ca. 1986 bedeutende Verbesserungen im Umweltschutz, eine Gefährdung

kann jedoch trotzdem nicht vollständig ausgeschlossen werden.

Tabelle 2 Zusammenfassung aller altlastrelevanten Aspekte und Zuordnung zu

den Branchenklassen SH

Zeitspanne Hilfsstoffe Nebenprodukte Altlastrelevante

Aspekte Branchen-klassen SH

bis 1930 Laugen, Säuren,

Schmierstoffe,

einfache Öle ohne

Additive, aliphati-

sche Lösungsmit-

tel.

Schrott, Me-

tallspäne, Altbat-

terien, ver-

schmutzte Putz-

lappen usw.

Keine Bodenbefes-

tigung und Abwas-

sersysteme in den

Werkstätten. MKW

sind zeitbedingt

zumeist schon

abgebaut

0

1931 – 1950 Laugen, Säuren,

Öle, PCB, Teeröle,

Lacke, Lösungs-

mittel aller Art,

Vergaser- und

Dieselkraftstoffe,

Bitumenemulsio-

nen (Unterboden-

schutz), Rost-

schutzanstriche,

Schmierstoffe.

Schrott, Me-

tallspäne, Altla-

cke, Kühlflüssig-

keiten von Werk-

zeugmaschinen,

Gebinde, Farb- &

Ölschlämme,

Schwermetalle,

Sandstrahlrück-

stände, ver-

brauchte Lö-

sungsmittel, ver-

schmutzte Putz-

lappen usw.,

Altbatterien

Die befestigten

Werkstattböden

sind zumeist nicht

öldicht, Sammel-

anlagen und Ab-

scheider für Öle

und Leichtflüssig-

keiten sind die

Ausnahme.

3

1951 – 1985 Laugen, Säuren,

Öle, PCB, Teeröle,

Lacke und Hilfs-

stoffe, Lösungsmit-

tel aller Art, Verga-

ser- und Diesel-

kraftstoffe, Glykole

und andere Alko-

hole, Bi-

tumenemulsionen,

Rostschutzanstri-

che, Schmierstoffe

Schrott, Me-

tallspäne, Altla-

cke, Kühlflüssig-

keiten von Werk-

zeugmaschinen,

Gebinde, Sand-

strahlrückstände,

Öl- und Farb-

schlämme,

Schwermetalle,

verbrauchte Lö-

sungsmittel, ver-

schmutzte Putz-

lappen usw.,

Altbatterien

Bedeutende Zu-

nahme des Einsat-

zes von CKW-

haltigen Lösungs-

mitteln, so dass

trotz der Speziali-

sierung von Werk-

stätten und einer

Verbesserung der

Abwasseranlagen

nachhaltige Schä-

den auftreten kön-

nen.

4

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Branchenblatt Kraftfahrzeugwerkstätten Seite 9

Altlasten-Leitfaden Schleswig-Holstein: Erfassung Anhang 11

1986 – 2000 Säuren, Laugen,

Öle, Tenside,

Waschbenzine,

Lacke und Hilfs-

stoffe, Glykole und

andere Alkohole,

Vergaser- und

Dieselkraftstoffe,

Kunstharze (Un-

terbodenschutz),

Rostschutzanstri-

che, Schmierstof-

fe.

Schrott, Me-

tallspäne, Kühl-

flüssigkeiten von

Werkzeugma-

schinen, Altlacke,

Gebinde, Öl- &

Farbschlämme,

Schwermetalle,

Sandstrahlrück-

stände, verbrau-

chte Reinigungs-

mittel, Altbatte-

rien, verschmutz-

te Putzlappen

usw.

Verbote von Kalt-

reinigern, haloge-

nierten Lösungs-

mitteln und PCB,

Einsatz wasserlös-

licher bzw. lösemit-

telarmer Farben,

Altölverordnung

und behördliche

Aufsicht führen zu

einer Entlastung.

3

Branchenklasse 0: kein Gefährdungspotential Branchenklasse 1: Gefährdungspotential sehr gering Branchenklasse 2: Gefährdungspotential gering Branchenklasse 3: Gefährdungspotential mäßig Branchenklasse 4: Gefährdungspotential hoch Branchenklasse 5: Gefährdungspotential sehr hoch

7 Literaturhinweise

HELLER, A.: Motorwagen und Fahrzeugmaschinen für flüssigen Brennstoff. Ein

Lehrbuch für den Selbstunterricht und für den Unterricht an technischen Lehranstal-

ten. Springer-Verlag. Berlin, 1912.

HESSEL, W.: Der Fahrrad- und Motorfahrzeugbau. Leipzig, 1905.

LEUSCHNER, K. (HRSG.): Neumünster – Ein Bildwerk. Verlag Kurt Leuschner,

Neumünster, 1959.

SCHOLLAIN, W.: Handbuch für die Kraftfahrzeuginstandsetzung. Band 1: Grundla-

gen. Springer-Verlag. Berlin, 1955.

STADLMANN, F.: Vom Tagwerk der Jahrhundertwende. Europa-Verlag, Wien,

1985.

STEINITZ, E. W.: Richtige Maschinenschmierung. Kraftmaschinen, Arbeitsmaschi-

nen, Transportwesen, Kraftfahrzeuge. Kurzer Wegweiser für die Praxis. Berlin,

1932.

TRZEBIATOWSKY, H.: Die Kraftfahrzeuge und ihre Instandhaltung. Ein Lehr- und

Nachschlagebuch für Kraftfahrzeugmechaniker, Kraftfahrzeugelektriker, für Repara-

turwerkstätten, Meisterkurse und Fachschulen. Bd. 2: Instandhaltung der Kraftfahr-

zeuge, Sondergruppen, Tabellen und Anhang, 15. neubearbeitete Auflage. Giessen,

1972.

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Altlasten-Leitfaden Schleswig-Holstein: Erfassung Anhang 11 Histinvest - Dr. Klaus Schlottau, Bremen

Branchenblatt Kühlerbau

Inhaltsverzeichnis Seite 1 Bezeichnung der Branche 2 2 Historischer Überblick 2 3 Allgemeiner Verfahrensablauf 3 4 Umweltrelevante Verfahrens- und Produktionsschritte sowie Ver-

unreinigungspotentiale 4 5 Gesetzliche Ausführungsvorschriften für verwendete Stoffe/

Stoffgruppen 4 6 Altlastrelevante/altlastirrelevante Nutzungszeiträume 5 7 Literaturhinweise 5

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Branchenblatt Kühlerbau Seite 2

Altlasten-Leitfaden Schleswig-Holstein: Erfassung Anhang 11

1 Bezeichnung der Branche

Aufgabe des Kühlerbaus ist die Herstellung eines Wärmeaustauschapparates, der

aus einer Vielzahl miteinander verbundener Röhren besteht. Die Wandung der Röh-

ren trennt zwei Medien unterschiedlicher Temperatur voneinander, erlaubt aber ei-

nen schnellen Wärmeübergang; demzufolge werden Wandungsmaterialien mit einer

hohen Wärmeleitfähigkeit bevorzugt. Um einen hohen Wärmeübergang zu errei-

chen, werden sehr große Oberflächen benötigt, so dass die Rohre zur Verbesse-

rung der Leistung mit dünnen Blechen verbunden werden können, die häufig zu-

sätzlich gewellt oder plissiert sind.

Welches Medium gekühlt werden soll, hängt von der Nutzung ab: Ein Flachheizkör-

per kühlt das durch die Heizung erwärmte Wasser im Heizungskreislauf ab, indem

die Wärme auf die kühlere Raumluft übertragen wird, in diesem Fall wird der Kühler

als Heizung bezeichnet; eine Klimaanlage hat hingegen die Aufgabe, die Raumluft

an den Wärmetauschern, die von einer Kühlflüssigkeit durchströmt werden, abzu-

kühlen. Die Klimaanlage funktioniert daher wie ein Kühlschrank.

Der industrielle Kühlerbau gehört zu den mittelständischen Betrieben mit selten

mehr als 100 Mitarbeitern, gelegentlich ist er auch als Abteilung von Fahrzeugfabri-

ken oder Blei- oder Metallhütten anzutreffen. In der Frühzeit der Massenmotorisie-

rung bis zum Ende der 1950er Jahre gab es viele Handwerksbetriebe, die sich auf

die Reparatur undichter Kühler spezialisiert hatten oder für Sonderfahrzeuge und

Industriebedarf Kühler herstellten. Nachdem die Kühlerreparatur an Bedeutung ver-

lor, hat sich ein Teil der Betriebe in den letzten Jahrzehnten zunehmend auch dem

Bereich des Klimaanlagenbaus zugewandt.

2 Historischer Überblick

In der Technik besteht ein großer Bedarf an Kühlern, nicht nur für die Prozessküh-

lung in der Chemischen Industrie, der Mineralölraffination oder in Kraftwerken, son-

dern auch insbesondere im Bereich des Verbrennungsmotorenbaus. Die Verbren-

nung des Treibstoffes im Motor erzeugt Temperaturen von mehr als 1.000°C. Ohne

Kühlung würden innerhalb sehr kurzer Zeit die Schmieröle zu brennen beginnen, die

Dichtungen schmelzen und der Motorblock reißen. Daher ist ein Verbrennungsmotor

rund um die Verbrennungszone von vielen Kanälen und Hohlräumen umgeben, in

denen das Kühlwasser zirkuliert. Damit dieses nicht zu kochen beginnt, wird es

beim Fahrzeug von einer Pumpe kontinuierlich durch einen Kühler, der dem Fahrt-

wind ausgesetzt ist, gepresst.

Der Autokühlerbau entstand also als Begleitgewerbe der Motorisierung am Anfang

des 20. Jahrhunderts. Motorfahrzeuge wurden damals von kleinen und mittleren

Betrieben in Kleinserien oder als Einzelanfertigungen gebaut. Die benötigten Kühler

aus Blei wurden zumeist von Bleilötereien nach Bedarf hergestellt und von diesen

oder kleinen Kraftfahrzeugreparaturwerkstätten repariert. Die Kühler waren großflä-

chig und wurden, nur von wenigen Verzierungen verdeckt, an der Stirnseite des

Fahrzeugs befestigt, um dem Fahrtwind optimal ausgesetzt zu sein. Daher wurden

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Branchenblatt Kühlerbau Seite 3

Altlasten-Leitfaden Schleswig-Holstein: Erfassung Anhang 11

sie oft von hochgeschleuderten Steinen durchschlagen. Das Fehlen von Kühlerven-

tilatoren führte zudem häufig zu einer Überhitzung und zu Bruchstellen in der Lö-

tung.

Kühler wurden aus Bleirohren oder Walzblei hergestellt und mit Lötzinn verbunden.

In der einfachsten Form handelte es sich um eine Reihe paralleler Bleirohre kleinen

Querschnitts, die an den Seiten mit großformatigen Bleirohren, welche den Vor- und

den Rücklauf darstellten, verbunden waren. Um die Wärmeaustauschfläche zu ver-

größern, wurden auf die Rohre zusätzlich Bleibleche gelötet. Zur Verbesserung der

Kühlung wurden mehrere solcher Kühleinheiten hintereinander montiert, so dass die

Durchflussgeschwindigkeit in den Kühlrohren sank und folglich die Kühlleistung

stieg. Der Nachteil dieser Systeme lag darin, dass zwischen Vor- und Rücklauf

grundsätzlich nur eine kurze Wegstrecke bestand.

Erst mit der industriellen Fertigung endloser Bleirohre in den Hüttenwerken ab etwa

1910 konnten komplexere Kühlanlagen konstruiert werden. Hierzu wird der Vorlauf

in möglichst viele sehr dünne Bleirohre aufgespalten, die in Schlangenlinien auf ei-

nem Stützgerüst befestigt werden und erst nach einer Wegstrecke von fünf und

mehr Metern wieder in den Rücklauf münden. Auch diese Rohre wurden zusätzlich

noch mit dünnen Bleiblechen versehen, so dass die kühlende Oberfläche stark er-

höht werden konnte. Die gerippten Bleche übernahmen zusätzlich die Funktion, den

Fahrtwind innerhalb des Kühlers optimal auf das jeweils hintere Kühlrohr zu leiten.

Mittlerweile ist der Querschnitt der Kühlrohre stetig weiter verkleinert worden, um

mehr Kühlfläche zu erreichen. Viele moderne Kühler haben eine Wabenstruktur, die

zumeist nicht mehr aus Rohren, sondern aus gepressten Bleiblechen mit feinen

Kanälen besteht. Je besser die Kühlleistungen wurden, desto kleiner wurden die

Kühlerdimensionen und die Lufteintrittsöffnungen in der Kühlerhaube. Dadurch be-

dingt nahmen die Steinschlagschäden ab, so dass die Zahl der Reparaturen zu-

rückging. Zugleich wurde es immer schwieriger für die Reparaturwerkstätten, den

Schaden zu finden und zu beheben. Bei einfachen Rohrkühlern war die Leckage

leicht zu finden und konnte ohne großen Demontageaufwand verlötet werden. Ein

moderner Kühler ist nach einem Steinschlagschaden oder einer Kollision irreparabel

zerstört und muss ausgetauscht werden. Infolge dieser Entwicklung ging auch die

Zahl der Fachwerkstätten zwischen 1950 und 1970 stark zurück.

3 Allgemeiner Verfahrensablauf

Bleirohre werden abgelängt und durch eine Lötung mit Weichlot (Blei-Zinn-

Legierung) verbunden, so dass eine möglichst lange und eng gepackte Kühleinheit

mit Vor- und Rücklauf entsteht. Die Lötstellen müssen sauber und fettfrei sein, so

dass zuvor eine Reinigung mit Lötfett und –säure erforderlich ist. Die Wärmezufuhr

für die Lötstelle kann bei Weichbleilötungen durch einen Handlötkolben oder durch

einen einfachen Gasbrenner gewährleistet werden. Das Lot verbindet die Werkstü-

cke miteinander und es entsteht eine dichte metallurgische Verbindung.

Mit der Ausdehnung der Aktivitäten auf den Klimaanlagen und Heizungsbau traten

Kupfer und Stahl neben das traditionelle Werkmaterial Blei. Kühler aus Kupfer- oder

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Branchenblatt Kühlerbau Seite 4

Altlasten-Leitfaden Schleswig-Holstein: Erfassung Anhang 11

Stahlrohren für den Klimaanlagenbau oder für den technischen Apparatebau (siehe

Branchenblatt Anlagenbau) müssen mit einem Hartlot oder einer Autogenschwei-

ßung verbunden werden. Für diesen Zweck ist entweder eine Acetylengasanlage

oder ein Gaslager notwendig. Die Kupfer- und Stahlrohre müssen im Bereich der

Schweißnähte entrostet sein, so dass Sandstrahleinrichtungen betrieben wurden.

Der Sandabfall wurde zusammen mit den Rostpartikeln als Kehricht häufig auf dem

Firmengelände deponiert.

Die fertigen Kühleinheiten, die in der Regel unter Wärmeeinfluss nicht formstabil

sind, werden in eine Rahmenkonstruktion aus Profileisen oder Blechen eingebaut,

damit sie dann in das Fahrzeug oder in die Produktionsanlage eingesetzt werden

können. Eine Lackierung oder Oberflächenbeschichtung, die auch nur auf den

Rahmen aufgetragen wird, findet meist erst beim Auftraggeber statt.

4 Umweltrelevante Verfahrens- und Produktionsschritte sowie Verunreinigungspotentiale

Im Bereich von Bleilötereien und Kühlerbauwerkstätten ist insbesondere mit Verun-

reinigungen durch Blei und Zinn zu rechnen. Beim Sägen, Schneiden und Reinigen

der Bleirohre und Bleiplatten entstehen Bleispäne, die zu Boden fallen. Durch das

Anätzen der Verbindungsstellen (Säurebehandlung) entstehen lösliche Bleisalze,

zumeist Chloride oder Acetate, die auf dem Boden als weißliche Schicht auskristalli-

sieren.

Beim Löten bilden sich Tropfen geschmolzener Blei-Zinn-Legierung, die zu Boden

fallen und dort auseinanderspritzen. Um das Zerspritzen zu vermeiden, und die Ar-

beitskräfte vor Verbrennungen zu schützen, hatten und haben Werkstätten, in de-

nen viel geschweißt oder gelötet wird, einen unbefestigten Boden oder ein besande-

tes Fundament. Mit dem Kehricht der Werkstatt wurden feste Metallabfälle häufig

auf den Hof verbracht. Durch ein beständig saures Milieu, das durch die Verwen-

dung von Säuren entsteht, besteht die Gefahr, dass Schwermetalle gelöst werden

und so in das Grundwasser gelangen können.

Die Acetylenanlage befand sich zumeist wegen der Explosionsgefahr abseits der

Werkstätten in Schuppen, neben denen auch die Absitzbecken für den Karbid-

schlamm lagen. Dieser Schlamm wurde häufig auf dem Betriebsgelände abgelagert

und kann aufgrund seiner Alkalität einen Einfluss auf die Löslichkeit von Schadstof-

fen im Boden bzw. Grundwasser haben. Eigenständige Anlagen wurden ab etwa

1960 nach und nach durch die Zulieferung von Gasen ersetzt. Diese lagerten dann

in Containern oder Flaschenbündeln, ohne dass von ihnen eine Umweltgefährdung

ausging.

5 Gesetzliche Ausführungsvorschriften für verwendete Stoffe/Stoffgruppen

Für Kühlerbaubetriebe liegen keine speziellen Ausführungsvorschriften vor.

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Branchenblatt Kühlerbau Seite 5

Altlasten-Leitfaden Schleswig-Holstein: Erfassung Anhang 11

6 Altlastrelevante/altlastirrelevante Nutzungszeiträume

Bis zum Ende des 20. Jahrhunderts fand lediglich eine Maschinisierung und Me-

chanisierung der bisherigen Handarbeit mit der Tendenz zur Automatisierung und

Verpressung von Materialien statt. Die Anzahl der Reparaturbetriebe für Autokühler

ist nach einem Höhepunkt in den 1950er Jahren kontinuierlich gesunken, so dass es

derartige Fachbetriebe in der Gegenwart kaum noch gibt. Der Kühlerbau hat sich

auf wenige große Zulieferbetriebe konzentriert, die Klein- und Mittelbetriebe haben

sich zunehmend auf den Bau von Klimaanlagen und Heizungen konzentriert.

Tabelle 2 Zusammenfassung aller altlastrelevanten Aspekte und Zuordnung zu

den Branchenklassen SH.

Zeitspanne Hilfsstoffe Nebenprodukte Altlastrelevante

Aspekte Branchen-klasse SH

bis 1900 Weichlot, Essig-

und Salzsäure.

Metallspäne. Kleiner Betriebs-

maßstab, keine

Abwasseranlagen,

keine Bodenbefesti-

gung.

1

1900 – 1960 Schwermetalle im

Lotmaterial

Metallspäne,

Sandstrahlrück-

stände, Karbid-

schlamm, Weich-

lot, Hartlot.

Keine Abwasseran-

lagen, keine Boden-

befestigung.

2

1961 – Ge-

genwart

Schwermetalle im

Lotmaterial; Essig-

und Salzsäure

Metallspäne,

Weichlot, Hartlot,

Sandstrahlrück-

stande

Ersatz der Acetylen-

anlagen durch ange-

lieferte Gase; Abla-

gerung der Abfälle

auf zugelassenen

Deponien

1

Branchenklasse 0: kein Gefährdungspotential Branchenklasse 1: Gefährdungspotential sehr gering Branchenklasse 2: Gefährdungspotential gering Branchenklasse 3: Gefährdungspotential mäßig Branchenklasse 4: Gefährdungspotential hoch Branchenklasse 5: Gefährdungspotential sehr hoch

7 Literaturhinweise

BERNSDORF, G.: Auf heißen Spuren. Vom Schmieden, Löten, Schweißen. Leipzig,

1986.

HAHN, H.: Eisenhüttenkunde. Eisengießerei, Schmieden, Walzen. Uhland's Hand-

buch für den praktischen Maschinenkonstrukteur, Band VIII, 2. vollständig neu be-

arbeitete Auflage. Berlin, 1905.

HOFFMANN, M.: Handbuch der praktischen Werkstatt-Mechanik. Metall- und Holz-

dreherei. Wien, Leipzig, 1925.

LOSS, A.: Handbuch der Dreherei. Leipzig, 1920.

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Branchenblatt Kühlerbau Seite 6

Altlasten-Leitfaden Schleswig-Holstein: Erfassung Anhang 11

LUEGER, O. (HRSG.): Lexikon der gesamten Technik und ihrer Hilfswissenschaf-

ten, Band 4 und Band 7, 2. neu bearbeitete Auflage. Deutsche Verlagsanstalt, Stutt-

gart und Leipzig, 1904.

SCHLOSSER, E.: Das Löten und Schweißen. Die Lote, Lötmittel und Lötapparate

und das autogene Schweißen der Metalle. Wien, 1922.

WEINER, R.: Die Abwässer der Metallindustrie (Metallverarbeitende und galvano-

technische Betriebe), 3. erweiterte Auflage. Eugen Leuze Verlag, Saulgau, 1965.

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Altlasten-Leitfaden Schleswig-Holstein: Erfassung Anhang 11 Histinvest - Dr. Klaus Schlottau, Bremen

Branchenblatt Küperei

Inhaltsverzeichnis Seite 1 Bezeichnung der Branche 2 2 Historischer Überblick 2 3 Allgemeiner Verfahrensablauf 3 4 Umweltrelevante Verfahrens- und Produktionsschritte sowie Ver-

unreinigungspotentiale 4 5 Gesetzliche Ausführungsvorschriften für verwendete Stoffe/

Stoffgruppen 4 6 Altlastrelevante/altlastirrelevante Nutzungszeiträume 5 7 Literaturhinweise 6

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Branchenblatt Küperei Seite 2

Altlasten-Leitfaden Schleswig-Holstein: Erfassung Anhang 11

1 Bezeichnung der Branche

Küper oder Küfer sind Handwerker, die bis in die 1960er Jahre Fässer oder Bottiche

aus Holz (Kufen oder Küpen) für die Lagerung und den Transport von Waren anfer-

tigten. Der Küper wird im 19. Jahrhundert überwiegend mit Gefäßen und Bottichen

in Verbindung gebracht, die der Lagerung oder Veredelung von Getränken dienten,

oder z.B. in der Textilindustrie als große Reaktionsbehälter benötigt wurden. Zu

nennen sind hier insbesondere Färberei- und Wäschereibottiche, woraus sich der

Ursprung des Begriffes „Küpenfärberei“ erklärt.

In den Hafenstädten entstand aus diesem Berufsbild ein spezialisiertes Gewerbe für

die Transportverpackung und Umpackarbeiten, die Küperei.

2 Historischer Überblick

Im Gegensatz zum Böttcher, der eine vergleichbare Tätigkeit ausübte (s. Branchen-

blatt Böttcherei), wandte sich die Küperei zunächst weniger dem Transportgewerbe

als dem vorindustriellen Bau von großen hölzernen Behältern zu, bevor diese Berei-

che zunehmend von Kupferschmieden oder Behälterbaubetrieben übernommen

wurden. Die Produkte waren Gebrauchsgüter für andere Gewerbe. Daher war die-

ses Handwerk in hohem Maße von den Betrieben und ihrer Konjunktur abhängig,

denen es zuarbeitete. Aber weder die handwerkliche noch die industrielle Herstel-

lung von Holzbehältern konnte langfristig überleben, da die Konkurrenz der moder-

nen Werkstoffe wie Metall und später Kunststoff zu groß war.

Als Spezialisten im Umgang mit großen Reaktions- und Transportgefäßen über-

nahmen die Küper in den großen Handels- und Seehafenstädten bereits im 19.

Jahrhundert zunehmend die Funktion, im Auftrag der Reeder oder Großhändler

Schiffsladungen zusammenzustellen oder in kleinere Einheiten für den Landtrans-

port zu den einzelnen Adressaten aufzuteilen. Hierfür wurden Fässer oder Kisten

und Kartons benötigt, die gegebenenfalls von der Küperei hergestellt und auch re-

pariert wurden, so dass nahe Verbindungen zu den Kistenfabriken und den Trans-

portverpackungsbetrieben entstanden.

Zusätzlich zu dieser Spezialisierung auf eine bestimmte Produktion, die mit einer

Handelsdienstleistung verbunden war, übernahmen viele Küpereien die Funktion,

gegenüber dem Versender oder Empfänger einer Ware den ordnungsgemäßen Zu-

stand und die Vollzähligkeit bzw. das exakte Gewicht zu dokumentieren und garan-

tieren. In dieser Funktion wurden Küpereien zusätzlich zu „Gütermessern“ oder La-

dungskontrolleuren, die von der Handelskammer vereidigt wurden, und auch die

Zolldeklaration ausführten. Es gab daher eine zusätzliche Spezialisierung der Küpe-

reien nach Waren (z.B. Weinküperei, Teeküperei oder Baumwollküperei), die jeweils

umfassenden Sachverstand für diese Waren hatten, Qualitätsunterschiede und Feh-

ler feststellen konnten und gegenüber den See- und Transportversicherungen als

Sachverständige tätig waren.

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Branchenblatt Küperei Seite 3

Altlasten-Leitfaden Schleswig-Holstein: Erfassung Anhang 11

Das Gewerbe wurde meist innerhalb des Hafens in den Lagerschuppen und, sofern

Umverpackungen der Waren durchzuführen waren, auch in eigenen Betriebsgebäu-

den innerhalb des Hafens bzw. der Zollgrenze durchgeführt. Die Herstellung von

Verpackungen geriet angesichts dieser Verschiebung des Aufgabengebietes zu-

nehmend in den Hintergrund. Dennoch hatten die Küpereien als mittelständische

Betriebe einen hohen Personal- und Transportmittelbedarf, weil ihre Tätigkeit unmit-

telbar an jene der Stauereien anschloss: Sobald die Ware von den Stauern im

Schuppen abgestellt worden war, wurde sie von den Mitarbeitern der Küperei ge-

wogen, vermessen und hinsichtlich der Qualität und etwaiger Transportschäden

kategorisiert. Jeder Ballen, jedes Fass erhielt einen Stempel oder Anhänger mit den

Angaben des Versenders, des Empfängers, dem Maß, Gewicht und der Warenart.

Diese Angaben wurden dann als Liste an den Zoll, die Reederei und die Spedition

weitergeleitet. Aufgrund der Arbeitsteilung und des hohen Zeitdrucks im Hafen hat-

ten Küpereien daher zumeist zwischen 20 und 50 Mitarbeiter.

In den letzten Jahrzehnten haben die Küpereien zunehmend eine weitere Dienst-

leistung für den Handel übernommen: die Preisauszeichnung der Waren für den

Endverbraucher. Im Auftrag des Empfängers, z.B. einer großen Handelskette, wer-

den die Waren (z.B. Bananen) portioniert, folienverpackt, gewogen und in Versand-

kartons abgepackt.

Hilfsmittel einer Küperei sind seit Aufnahme der geschilderten Dienstleistungsauf-

gaben insbesondere Flurförderfahrzeuge, Waagen, Abpackeinrichtungen, Rampen

sowie eine Druckerei, in der die benötigten Anhänger, Klebezettel oder Durch-

schreibesätze in großen Mengen hergestellt wurden. Der Betrieb einer Holzwerk-

statt hingegen verlor seit Einführung der Paletten, Container und insbesondere von

Kunststoff- und Aluminiumfässern immer mehr an Bedeutung und ist heute vernach-

lässigbar klein.

3 Allgemeiner Verfahrensablauf

Das Fass oder die Küpe wird je nach Verwendungszweck aus dem Holz von Nadel-

oder Laubbäumen angefertigt. Die genaue Herstellungsweise wird im Branchenblatt

Böttcherei beschrieben.

In den Küpereien entstanden durch diesen Arbeitsprozess in der Regel nur Schnitt-

und Hobelspäne, die im Betrieb selbst verbraucht wurden. Da die hölzernen Fässer

im 20. Jahrhundert fast nur für die Lagerung und den Transport von Nahrungsmit-

teln hergestellt wurden, behandelte man sie weder mit Teer, Carbolineum noch

Fungiziden, so dass Verunreinigungen durch diese Stoffe bei der Fassproduktion

nicht zu befürchten sind. Im Allgemeinen wurden nur pflanzliche Öle zum Quellen

des Holzes und äußerliche Anstriche auf der Basis dieser Öle verwendet. Sobald

der Küper allerdings eine Seetransportverpackung oder eine wiederverwendbare

Transportkiste herstellte, wurde diese von außen gegen Feuchtigkeit mit Teerölen

imprägniert. Sofern Handhabungsverluste bei diesen Arbeiten aufgetreten sind, ist

eine Verunreinigung des Bodens mit PAK nicht auszuschließen.

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Branchenblatt Küperei Seite 4

Altlasten-Leitfaden Schleswig-Holstein: Erfassung Anhang 11

Mit dem Wandel zum Dienstleistungsbetrieb wurden vermehrt Flurförder-, aber auch

Straßenfahrzeuge eingesetzt. Deren Anzahl erreicht jedoch in der Regel nicht die

Bedeutung einer Spedition oder eines Hafenumschlagbetriebes. Weil jeder Ballen,

jedes Fass, jeder Karton separat gekennzeichnet werden musste, hatten Küpereien

aber oftmals eine eigene Druckerei für die Produktion von Anhängern, Laufzetteln,

Aufklebern usw., sowie einen Bereich, in dem Kisten und Fässer mit Schablonen

beschriftet wurden. In der Druckerei wurden gewöhnlich nur schwarze und rote

Druckfarben verwendet. Für die Fassbeschriftung war eine Vorwäsche mit Lauge

und wasserfeste Ölfarbe erforderlich.

4 Umweltrelevante Verfahrens- und Produktionsschritte sowie Verunreinigungspotentiale

Im Hinblick auf umweltrelevante Verfahrens- und Produktionsschritte sowie weitere

Tätigkeitsaspekte mit Verunreinigungspotential sind die Arbeitsbereiche der Impräg-

nierung, des Transportgewerbes und der Druckerei zu beachten.

In der Fassimprägnierung und gelegentlich auch im Arbeitsbereich des Kistenbaus

wurden für sogenannte „Seeverpackungen“ Teeröle zum Schutz gegen Feuchtig-

keitsschäden eingesetzt. Die entsprechenden Fässer wurden zumeist gesondert

gekennzeichnet, damit sie später nicht für den Transport von Lebensmitteln genutzt

wurden. Diese Art der Verpackungskonservierung endete in der Regel mit der Lage-

rung unter Deck, wie sie bei Dampfschiffen ab 1900 die Regel wurde.

Der Betriebshof einer Küperei bildet mit den Straßenfahrzeugen, insbesondere aber

der Vielzahl von Elektrokarren und Staplern einen Verdachtsschwerpunkt. Die Be-

reiche der Akkuladestationen und Fahrzeugwartung können durch Batteriesäure,

Schwermetalle und Hydrauliköle verunreinigt sein.

Die Druckerei einer Küperei besteht zumeist nur aus einer einfachen Druckmaschi-

ne für den Schwarz- oder Rotdruck. Eine Ätzerei war nicht erforderlich, wie auch der

gesamte Arbeitsbereich der Druckvorlagenherstellung sich auf eine kleine Setzerei

reduzierte, die gewöhnlich fertige Lettern aus einer Bleisetzerei bezog. Potentielle

Verunreinigungen können hier folglich nur aus den verwendeten Druckfarben und

geringen Ölmengen resultieren.

5 Gesetzliche Ausführungsvorschriften für verwendete Stoffe/Stoffgruppen

Für Küpereien liegen keine speziellen Ausführungsvorschriften vor. Ansonsten wird

hier eingeschränkt auf das Branchenblatt Zimmerei verwiesen.

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Branchenblatt Küperei Seite 5

Altlasten-Leitfaden Schleswig-Holstein: Erfassung Anhang 11

6 Altlastrelevante/altlastirrelevante Nutzungszeiträume

Im letzten Drittel des 19. Jahrhunderts verlagerte sich, bedingt durch die starke

Ausweitung des Handels, der Tätigkeitsschwerpunkt der Küperei von der Herstel-

lung der hölzernen Küpen zu einem Dienstleistungsunternehmen. Es wurden zu-

nehmend Umverpackungen aus Holz in den unterschiedlichsten Dimensionen er-

stellt. Imprägnierungsarbeiten mit Teer wurden nur dann ausgeführt, wenn See-

kisten von außen wasserdicht gemacht werden mussten.

Der holzverarbeitende Betrieb wurde durch den Fremdbezug ungehobelter und ge-

hobelter Bretter oder Latten nach und nach auf wenige Handwerkzeuge beschränkt,

die für das Ablängen und Vernageln benötigt wurden. Große und kleine Kisten wur-

den mit Ölfarben nach Bedarf beschriftet, so dass im Werkstattbereich mit Farben

und Lösungsmitteln in geringem Umfang gerechnet werden kann.

Seit den 1920er Jahren wurden die Aktivitäten auch auf das Umverpacken und die

Deklaration der Waren ausgedehnt, so dass viele kleine und große Packzettel in

hauseigenen Druckereien hergestellt werden mussten. Zumeist wurden hier auch

Kleber und Formulare produziert. Daraus resultierend können auch Kontaminatio-

nen durch Farben und Lösungsmittel auf dem Betriebsgelände vorhanden sein. Die

Übernahme der Endverbraucherabpackung seit den 1980er Jahren und die Umstel-

lung auf Computeretiketten bzw. Barcode beendete in der Regel die Existenz der

eigenen Druckerei.

Seit der Mitte der 1920er Jahre wurde die Handarbeit bei Transportarbeiten zuneh-

mend durch Elektrokarren und Gabelstapler ersetzt. Einzelne Küpereien verfügten

in den 1960er Jahre über einen Fuhrpark von bis zu 50 Elektrokarren und Gabel-

staplern. Die Elektrofahrzeuge benötigten eine Ladestation, mussten regelmäßig

gewartet und gelegentlich repariert werden. Küpereien hatten daher oft einen eige-

nen Werkstattbereich. Mit dem Aufkommen des Containerverkehrs und der Umstel-

lung des Getränketransportes auf Kessel und Aluminiumgroßfässer, nahm seit etwa

Mitte der 1960er Jahre auch der Bedarf an Flurförderfahrzeugen in den Küpereien

wieder ab.

Tabelle 2 Zusammenfassung aller altlastrelevanten Aspekte und Zuordnung zu

den Branchenklassen SH.

Zeitspanne Hilfsstoffe Nebenprodukte Altlastrelevante As-

pekte Branchen-klasse SH

bis 1925 Imprägnierung mit

Teerölen. Druckfar-

ben in geringem

Maßstab.

Späne PAK auf unbefestig-

ten Böden

2

1926 –

1980

Teeröle, Druckfar-

ben; Akkumulatoren

und Ladegeräte

sowie Betriebsstoffe

für den Fuhrpark

Späne PAK auf unbefestig-

ten Böden, Beginn

des Einsatzes von

Elektrokarren, Gabel-

staplern und Straßen-

fahrzeugen.

3

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Branchenblatt Küperei Seite 6

Altlasten-Leitfaden Schleswig-Holstein: Erfassung Anhang 11

1981 –

Gegenwart

Akkumulatoren und

Ladegeräte sowie

Betriebsstoffe.

Verringerung des

Einsatzes von Elekt-

rokarren und Gabel-

staplern, Ende der

Druckerei

1

Branchenklasse 0: kein Gefährdungspotential Branchenklasse 1: Gefährdungspotential sehr gering Branchenklasse 2: Gefährdungspotential gering Branchenklasse 3: Gefährdungspotential mäßig Branchenklasse 4: Gefährdungspotential hoch Branchenklasse 5: Gefährdungspotential sehr hoch

7 Literaturhinweise

KARMARSCH, K.: A. W. Hertel’s moderne Bautischlerei für Tischler und Zimmerleu-

te. Hannover, 1869.

MEYER, F.: Vom Leben und Arbeiten in Tischlerwerkstätten um 1900. In: Grebing,

H.; Hemmer, H.-O.; Christmann, G. (HRSG.): Das Holz-Arbeiter-Buch. Die Ge-

schichte der Holzarbeiter und ihrer Gewerkschaften. Bund-Verlag, Köln, 1993.

MOELLER, J.: Die Rohstoffe des Tischler- und Drechslergewerbes. 1. Theil: Das

Holz. Verlag Fischer, Kassel, 1883.

RADKAU, J.; SCHÄFER, I.: Holz. Ein Naturstoff in der Technikgeschichte. Verlag

Rowohlt. Reinbek bei Hamburg, 1987.

REITH, R. (HRSG): Lexikon des alten Handwerks. Vom Spätmittelalter bis ins 20.

Jahrhundert. Verlag C.H. Beck, München, 1990.

SPANNAGEL, F.: Der Möbelbau. Ein Fachbuch für Tischler, Architekten und Lehrer.

Verlag Maier, Ravensburg, 1945.

UNGER, A.: Holzkonservierung. Schutz und Festigung von Holzobjekten. Callwey-

Verlag, Leipzig, 1990.

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Altlasten-Leitfaden Schleswig-Holstein: Erfassung Anhang 11 Histinvest - Dr. Klaus Schlottau, Bremen

Branchenblatt Lackiererei

Inhaltsverzeichnis Seite

1 Bezeichnung der Branche 2

2 Historischer Überblick 2

3 Allgemeiner Verfahrensablauf 3 3.1 Möbellackiererei 4 3.2 Fahrzeuglackiererei 5 3.3 Eingesetzte Farbpigmente und Hilfsstoffe 6

4 Umweltrelevante Verfahrens- und Produktionsschritte sowie Ver-

unreinigungspotentiale 8

5 Gesetzliche Ausführungsvorschriften für verwendete Stoffe/

Stoffgruppen 9

6 Altlastrelevante/altlastirrelevante Nutzungszeiträume 9

7 Literaturhinweise 10

Abb. 1: Umfüllen von Lacken um 1900 (Quelle: DEUTSCHES LACKINSTITUT).

Foto

Ich muß mal in der

Uni schauen.

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Branchenblatt Lackiererei Seite 2

Altlasten-Leitfaden Schleswig-Holstein: Erfassung Anhang 11

1 Bezeichnung der Branche

Das Handwerk der Lackierer umfasst definitionsgemäß die Lackierung von Möbeln

und anderen Einrichtungsgegenständen, aber auch das Lackieren von Fahrzeugen,

Maschinen, Anlagen oder Bauteilen. Dabei werden Flächen beschichtet, um sie

entweder gegen Witterungseinflüsse und Korrosion zu schützen oder mit dekorati-

ven Elementen zu versehen.

Merkmal der Lackiererei ist, dass ihr Gewerbe grundsätzlich auf dem betriebseige-

nen Grundstück ausgeübt wird, und eine eigene Werkstatt sowie ein Lager für

Werkzeuge, Farben, Lacke und Hilfsstoffe vorhanden sind. Die Belegschaft einer

Lackiererei besteht gewöhnlich aus einem Meister, bis zu zwei Gesellen sowie ein

bis zwei Lehrlingen.

2 Historischer Überblick

Die Bezeichnung „Lack“ basiert auf dem Schellack, der seit dem Altertum aus der

Körperflüssigkeit der Lackschildläuse gewonnen wurde. Vermischt mit Farbstoffen

wurden daraus die sehr teuren sogenannten „China-Lacke“. Der sogenannte „Ja-

pan-Lack“ hingegen war billiger herzustellen, weil dafür natürliches Harz (Kollopho-

nium, Bernstein etc.) in Leinöl oder Terpentin gelöst und mit Farbpigmenten verse-

hen wurde.

Grundsätzlich bestanden aber auch diese frühen Lacke aus einem Lösungsmittel

(z.B. Leinöl, später Birkenöl oder Terpentin), einem Bindemittel (z.B. Harze) und

dem Farbstoff (z.B. Ruß).

Bis zur Erfindung der Azo-Farbstoffe als Folge der Kohlechemie Mitte des 19. Jahr-

hunderts wurden die oben genannten Grundstoffe der Lacke kaum verändert. Da-

nach differenzierten sich sowohl die Grundbestandteile als auch die Anwendungs-

gebiete der Lacke.

Zur Grundausbildung der Lackierer, deren Gewerbe sich Ende des 18. Jahrhun-

derts von jenem der Maler getrennt hat, gehörte historisch die Zubereitung der

Farbpigmente, die Vorbereitung der Untergründe, das Mischen von Hilfsstoffen,

Farben und Lacken sowie der Deckanstrich mit witterungsbeständigen Farben.

Schon im 18. Jahrhundert gingen aus einigen Betrieben kleine Farb- und Lackfabri-

ken hervor, die auch neue, günstigere Farben entwickelten. Die meisten Lackierer

jedoch stellten ihre Lacke und Farbpulver bis zum Beginn des 20. Jahrhunderts

noch selbst her. Zu diesem Zeitpunkt setzte dann der Vertrieb von Farbpulvern und

fertigen Farben über Drogerien ein, so dass viele Lackierer begannen, ihr Material

von dort zu beziehen. Die mit dem Zubereiten der Harzlacke und Farbpigmente

verbundenen Tätigkeiten und Verschmutzungen sind seither nicht mehr in den

Werkstätten zu erwarten.

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Branchenblatt Lackiererei Seite 3

Altlasten-Leitfaden Schleswig-Holstein: Erfassung Anhang 11

Historisch wurden die Farbpigmente in einer Farbmühle oder auf einer Farbreibe-

platte zerrieben und mit dem Bindemittel zu einem Farbbrei vermischt. Parallel hier-

zu wurden die natürlichen Harze in einem Topf auf dem Herd erwärmt, und das

Farbpulver nach und nach zugegeben. Dabei ist aber zu beachten, dass die Lackie-

rer meist wenig Finanzmittel zur Verfügung hatten, so dass nur sehr kleine Mengen

der wertvollen Farbpulver und Harze bevorratet wurden, und man nur jeweils die

Menge herstellte, für die ein Bedarf bestand. Ein sorgsamer Umgang mit den Farb-

pigmenten war auch schon deshalb angezeigt, weil viele der verwendeten Pigmente

gesundheitsschädlich waren, und man Vergiftungen vermeiden wollte.

3 Allgemeiner Verfahrensablauf

Für den Anstrich von Holz, Metall, Leder oder Kunststoff, den typischen Werkstof-

fen für Möbel oder Fahrzeuge, werden Lacke genutzt. Die lackierten Gegenstände

sollen wischfest und wasserdicht oder wasserabweisend sein und vor Pilzbefall oder

Korrosion geschützt werden. Diese Anforderungen erfüllen Lacke, die mit aliphati-

schen oder wässrigen Lösungsmitteln, ersatzweise auch mit schnell trocknenden

Nitroverdünnungen, hergestellt werden, also z.B. Öl-, Nitro- oder Acryllacke.

Die Öllacke bestanden in der Regel aus einem Gemisch von pflanzlichem Öl, Har-

zen, weißem oder farblosem Füllstoff (Kreide, Kalk, Gips oder Wasserglas) sowie

dem gewünschten Pigmentfarbstoff. Im Gegensatz z.B. zu den Nitrolacken lassen

sich diese Lacke aber nur aufstreichen.

Nitrolacke wurden zunehmend seit den 1920er Jahren für Anstriche von Türen,

Fenstern und Möbeln eingesetzt. Es handelt sich hierbei um Lacke, die aus Cellulo-

senitrat, Kunstharzen und Weichmachern, gelöst in „Nitroverdünnung“, hergestellt

werden, und sich auch mittels Spritzpistolen applizieren lassen. Nitroverdünnung ist

ein Gemisch von niedrigsiedenden (Ester, Methanol, Ketone), mittelsiedenden (Spi-

ritus) und hochsiedenden (Ester, Glykolderivate) Lösungsmitteln im Verhältnis von

ca. 3 zu 6 zu 1. Der Anteil an Nitrolacken hat aber nach Einführung der Alkydharz-

lacke („Kunstharzlacke“) Mitte der 1930er Jahre und insbesondere der wasserlösli-

chen Acryllacke in den 1960er Jahren stetig abgenommen.

Die vor allem im Bautenbereich eingesetzten Dispersionslacke (Acryllacke, Poly-

urethanlacke etc.) entstehen durch die Dispergierung des Bindemittels in wässrige

Systeme (vgl. Branchenblatt Malerei: Dispersionswandfarben).

Die Verarbeitung der genannten Lacke erfolgt prinzipiell in mehreren Arbeitsschrit-

ten: Schleifen, Füllen und Grundieren des Untergrundes, Auftragen eines ersten

deckenden Farbfilms und dann gegebenenfalls das Aufmalen dekorativer Elemente

bevor eine abschließende Schutzschicht aufgetragen wird. Die Art der Lackapplizie-

rung richtet sich dabei nach dem verwendeten Lacktyp und dem gewünschten Ef-

fekt (z.B. Tauchbad bei Komplettbeschichtungen).

Reparaturlackierungen oder Lackerneuerungen wurden nach ähnlichem Muster

ausgeführt. Die Flächen mussten jedoch zuvor noch gereinigt, entfettet und abge-

spachtelt werden. Für diesen Zweck wurden neben den üblichen Hilfsstoffen Säu-

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Branchenblatt Lackiererei Seite 4

Altlasten-Leitfaden Schleswig-Holstein: Erfassung Anhang 11

ren, Laugen und aliphatische Lösungsmittel oder Nitroverdünnung eingesetzt. Das

Abbeizen von Lacken erfolgte auch mittels CKW-haltiger Abbeizer (Dichlormethan).

Mit der Verwendung von Lacken verbunden ist die Reinigung von Werkzeugen, Ar-

beitskleidung und Körper durch nichtwässrige Lösungsmittel.

Teeröle und Farben auf Teerölbasis wurden früher überwiegend mit ungesättigten

Fettsäuren gelöst und dann mit Laugen abgespült. Zum Entfernen von Ölfarben auf

der Basis von Naturharzen in pflanzlichen Ölen wurden Terpentine genutzt. In der

Neuzeit hat sich im Zuge der Einführung der Nitrolacke die sogenannte „Nitrover-

dünnung“ durchgesetzt. Parallel hierzu wurden gelegentlich auch Benzine, Aroma-

ten und chlorierte Kohlenwasserstoffe eingesetzt, weil der Reinigungserfolg schnel-

ler sichtbar war.

Entsprechend den verschiedenen Materialien z.B. für Möbel (Holzbretter, Span- o-

der Faserplatten) und Fahrzeuge (Metallbleche) unterscheidet sich auch der allge-

meine Verfahrensablauf für die Beschichtungen. Diese Aufteilung wird im Folgen-

den am Beispiel der Möbel- bzw. Fahrzeuglackiererei dargestellt.

Die grundlegenden Arbeiten vor Beginn der Beschichtung mit Farben bestehen zu-

meist in Reinigungsarbeiten oder Grundierungen, die wiederum entsprechend der

zu lackierenden Materialien zu differenzieren sind.

3.1 Möbellackiererei

Zunächst muss der gehobelte Holzuntergrund vorbereitet werden, indem Uneben-

heiten weggeschliffen, lose Holzteile abgelöst, Astlöcher aufgefüllt und Schwundris-

se verspachtelt werden. Saugende oder ölende Hölzer werden außerdem durch ei-

nen bindigen Grundierungsanstrich gesperrt.

Bei diesen Arbeiten handelt es sich um einfache handwerkliche Tätigkeiten, die

häufig von angelernten Hilfskräften ausgeführt werden. Als Hilfsstoffe werden zu-

meist folgende Stoffe eingesetzt:

Leim mit Füllstoffen (Kreide, Gips) zur Grundierung,

Gips zum Auffüllen und Spachteln,

Leinöl- oder Holzteerfirnis zum Sperren saugender Untergründe.

Nach dem Abtrocknen der Grundierungen wurden früher in der Regel stark mit Ter-

pentin verdünnte Farblacke als Erstanstrich vollflächig aufgetragen. Neben dem

dünnen Auftrag von Farbpigmenten aus den Mineralien wurde dadurch eine weitere

Füllung der Poren erreicht, so dass die Saugwirkung der Kapillaren deutlich vermin-

dert wurde.

Darüber wurde dann die Endlackierung mit einem der oben genannten Lacke in be-

liebiger Pigmentierung aufgebracht. Die Lackart und das Auftragsverfahren richten

sich dabei insbesondere danach, ob es sich um einen handwerklichen Betrieb oder

eine Möbelfabrik handelt. Eine automatische Spritzanlage z.B. ist erst ab einer ho-

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Branchenblatt Lackiererei Seite 5

Altlasten-Leitfaden Schleswig-Holstein: Erfassung Anhang 11

hen Stückzahl rentabel, so dass handwerkliche Möbellackierereien, die hauptsäch-

lich Reparaturen und Aufarbeitungen ausführen, in der Regel nicht über eine solche

Anlage verfügen.

Reparatur- oder Umlackierungen werden in einem vergleichbaren Arbeitsverfahren

durchgeführt. Der Reparaturbetrieb von Möbellackierereien ist seit ca. 1960 kontinu-

ierlich zurückgegangen, weil diese Arbeiten entweder in Heimarbeit von den Besit-

zern ausgeführt oder neue Möbel gekauft werden.

3.2 Fahrzeuglackiererei

Die Fahrzeuglackiererei unterscheidet sich hinsichtlich des Werkstoffes Metall von

der Möbellackiererei. Die eingesetzten Pigmente und Lösungsmittel hingegen sind

identisch. Metalle haben keine saugenden oder ölenden Eigenschaften, dafür aber

den Nachteil, dass das blanke unedle Metall durch Feuchtigkeit schnell oxidiert, und

dann unterhalb der Farbschichten zu rosten beginnt. Für den dauerhaften Erfolg

einer Lackierung ist daher ein blankes, trockenes Metall, auf dem die Grundierung

lückenlos aufgetragen ist, entscheidend.

In der Fahrzeugfabrik wird zu diesem Zweck eine Lackierstraße benutzt, in der die

Metallteile nochmals geschliffen, poliert und trockengeblasen werden, bevor die

Grundierung und Decklackierungen in bis zu acht Schichten aufgetragen werden.

Solch eine großindustrielle Lackiererei mit Sprühkammern, Tauchbädern und ähnli-

chen Einrichtungen entspricht allerdings nicht dem handwerklichen Standard einer

selbständigen Lackiererei oder einer Lackiererei als Bestandteil eines Karosseriere-

paraturbetriebes. Hier sind in der Regel mehrere Arbeitsplätze zum Schleifen, eine

Sandstrahlkammer, ein bis zwei Lackierkammern sowie eine Einbrennkammer zu

erwarten.

Das Fahrzeug oder Teile davon werden mit Hilfe von Sandstrahlgebläsen und fei-

nen Schleifpapieren bis auf das blanke Metall geschliffen, poliert und dann ent-

staubt. Dann wird eine erste, schnell trocknende Grundierung, zumeist eine farb-

neutrale Rostschutzgrundierung, mit Hilfe eines Druckluftsprühgerätes aufgebracht.

Diese Grundierung wird mit ganz feinem Wasserschleifpapier angeschliffen, ent-

staubt und getrocknet. Auf dem so vorbereiteten Untergrund wird dann eine zweite

Grundierung mit Farbpigmenten aufgesprüht. Nach dem Trocknen dieser Schicht

wird dann die farblich deckende Endlackierung aufgetragen.

Sonderlackierungen, z.B. mit Metallic-Effekten, benötigen eine weitere, teils trans-

parente Schlusslackierung, die sich mit der vorherigen Schicht verbindet. Dafür darf

die farbige Endlackierung noch nicht ausgetrocknet sein.

Eine Trocken- oder Einbrennkammer ist kein zwingender Bestandteil einer Lackie-

rerei. Weil aber die Zeit des Austrocknens und Aushärtens der Lackschichten deut-

lich verringert wird, ist eine derartige Einrichtung heutzutage aus ökonomischen

Gründen erforderlich.

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Branchenblatt Lackiererei Seite 6

Altlasten-Leitfaden Schleswig-Holstein: Erfassung Anhang 11

Reparaturlackierungen an Alt- oder Unfallfahrzeugen sind in den vergangenen

Jahrzehnten zum Hauptgegenstand der Arbeit von Fahrzeuglackierereien gewor-

den. Grundsätzlich unterscheiden sich die Arbeitsgänge nicht von den vorgenann-

ten. Es treten jedoch Handhabungen hinzu, die zum Teil in Reparaturbetrieben zu

erwarten sind, wie z.B. die Demontage defekter Teile (Stoßstangen, Lampen etc.).

Gelegentlich sind auch andere, ölende Teile des Fahrzeuges zu entfernen.

Für Reparaturlackierungen werden Vorarbeiten wie Schweißen, Ausbeulen, Spach-

teln etc. erforderlich. Erst dann beginnt die Arbeit des Schleifens, Polierens und La-

ckierens. Nach dem Lackieren müssen alle abgebauten Fahrzeugteile wieder be-

festigt werden. Im Vergleich zum Lackierbetrieb, der nur Neuteile behandelt, fällt

hier eine bedeutend größere Menge Lackstaub, aber auch Schrott und Altmetall,

an.

3.3 Eingesetzte Farbpigmente und Hilfsstoffe

Je nach Verwendungszweck und Farbwunsch gibt es sehr große Variations- und

Kombinationsmöglichkeiten bei den eingesetzten Farbpigmenten, so dass an dieser

Stelle nicht im Einzelnen darauf eingegangen werden kann (vgl. auch Branchenblatt

Malerei).

Grundsätzlich lassen sich für die Lackiererei Erdfarben (z.B. Ocker aus Goldocker-

Erden), Mineralfarben (z.B. Ultramarin aus Lapislazuli), Pflanzenfarbstoffe (z.B. In-

digo, Krapp) und Tierfarbstoffe (z.B. Sepia, Purpur) sowie Kombinationen dieser

Pigmente nutzen. Seit Beginn des 20. Jahrhunderts wurden, ausgehend von den

Teerfarben, immer mehr synthetische Farbpigmente entwickelt und verwendet, da

sie gleichbleibend reine Farbtöne, gute Maleigenschaften und hohe Färbekraft ge-

währleisten. Viele Lacke enthalten Schwermetalle (z.B. As, Pb, Cd, Cr, Cu, Hg, Zn),

wobei gegenwärtig nur noch in Ausnahmefällen auf Blei, Chrom oder Cadmium ba-

sierende Industrielacke zurückgegriffen wird.

Ebenso wie bei den Farbpigmenten gibt es auch bei den eingesetzten Bindemitteln

eine starke Variationsbreite.

Prinzipiell kann im historischen Maler- und Lackierergewerbe zwischen pflanzlichen,

tierischen und mineralischen Bindemitteln, die als filmbildende Komponente die

Widerstandsfähigkeit des Farbauftrages bestimmen, unterschieden werden. Ver-

wendet wurden in der Lackiererei insbesondere die pflanzlichen Öle und Harze. Seit

dem Ende der 1920er Jahre wurden zunehmend auch synthetische Bindemittel (Al-

kyd- und Epoxidharze, Polyurethan, Polyester usw.) entwickelt und vertrieben. Die-

se ermöglichen eine dickere, härtere, aber auch gleichzeitig elastischere Lack-

schicht, was z.B. die Witterungsbeständigkeit verbessert. Die Art des Bindemittels

bestimmt auch den Mechanismus der Lackhärtung (z.B. physikalisch durch Ver-

dunstung des Lösungsmittels oder chemisch durch die Reaktion verschiedener

Partner miteinander), da nicht alle Lösemittel mit jedem Bindemittel kompatibel sind.

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Branchenblatt Lackiererei Seite 7

Altlasten-Leitfaden Schleswig-Holstein: Erfassung Anhang 11

Tabelle 1 Häufig genutzte Pigmentstoffe

Farben Benennung Formel Anwendung

Weißfarben Stacholit / Lithophone ZnS / ZnSxBaSO4 Grundierung

Titanweiß TiO2 Grundierung, Lack

Gips CaSO4 Grundierung, Füll-stoff

Rotfarben Mennige Pb3O4 Rostschutzfarbe, Grundierungen

Cadmiumrot CdS / CdSe Lack

Braunfarben Umbra (Mn3O4 / Fe2O3 Lack

Gelbfarben Chromgelb PbCrO4 Lack

Chromorange PbCrO4xPb(OH)2 Lack

Cadmiumorange CdS Lack

Zinkgelb ZnS Lack

Blaufarben Ultramarin 3(Na2OxAl2O3)Na2S2 Lack

Berliner Blau Fe4[Fe(CN)6]2 Lack

Grünfarben Chromhydratgrün 2Cr2O3x3H2O Lack

Chromoxidgrün Cr2O3 Lack

Chromgrün Chromgelb + Berliner Blau Lack

Scheeles Grün Cu2As3 Lack

Permanent-Grün Chromhydratgrün + BaSO4 Lack

Schwarzfarben Ruß C Lack

Zinkgrau ZnS Lack

Karbonschwarz Naphthalinverbrennung Lack

Harze oder Peche wurden in der Vergangenheit zumeist in der Rohform in den

Handel gebracht, und mussten daher in der Lackiererei zunächst durch Sieden und

Dekantieren oder auch durch Raffination gereinigt werden. Dies geschah in Kesseln

unter ständigem Rühren. Gereinigtes Harz erstarrte dann in lagerfähigen Blöcken,

die je nach Bedarf erneut erwärmt wurden und dann in flüssigem Zustand mit ver-

dunstungsfähigem Lösungsmittel und den Pigmenten vermischt wurden.

Als Lösungsmittel traten zunächst pflanzliche Öle wie Leinöl oder Terpentin auf.

Diese wurden seit den 1920er Jahren zunehmend von der Nitroverdünnung (vgl.

oben) abgelöst. Parallel hierzu wurden zunehmend Benzin, Benzol und dessen

Homologe sowie leichtflüchtige Chlorkohlenwasserstoffe eingesetzt. Mit der zuneh-

menden Bedeutung der wasserlöslichen Acryllacke seit etwa 1960, nahm auch die

Verwendung dieser Lösungsmittel ab. Nitroverdünnung oder Terpentin hingegen

haben kaum an Bedeutung verloren und werden zusätzlich auch für die Reinigung

von Werkzeugen genutzt. Insbesondere seit den 1980er Jahren werden zuneh-

mend neue Lacke entwickelt, bei denen auf organische Lösungsmittel ganz oder

teilweise verzichtet wird. So gibt es mittlerweile die völlig lösemittelfreien Pulverla-

cke oder die feststoffreichen High Solid-Lacke.

Neben Pigmenten, Binde- und Lösemitteln kann es noch weitere Lackbestandteile

wie Emulgatoren, UV-Absorber, Sikkative und Füllstoffe geben, auf die hier aber

nicht weiter eingegangen werden kann.

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Branchenblatt Lackiererei Seite 8

Altlasten-Leitfaden Schleswig-Holstein: Erfassung Anhang 11

4 Umweltrelevante Verfahrens- und Produktionsschritte

sowie Verunreinigungspotentiale

Umweltrelevant in allen Lackierereien ist insbesondere die Entsorgung der schwer-

metallhaltigen Farbpigmentreste, der Mischgefäße und Farbemballagen, der Lö-

sungsmittel sowie der farbverschmierten Putzlappen. In Reparaturlackierereien

kommen große Mengen an Lackstaub, Strahlsand sowie gegebenenfalls verölte

Schrott- und Maschinenteile hinzu.

Die Art des Lackauftrages (Streichen, Sprühen, Tauchen etc.) beeinflusst ebenfalls

das Verunreinigungspotential durch die unterschiedlichen Dimensionen der Hand-

habungsverluste.

In neuzeitlichen Lackierereien ist seit Einführung der Nitrolacke meist auch eine

Farbsprühanlage vorhanden, zu deren Betrieb ein Kompressor mit großer Leistung

erforderlich ist. Der Standort von Kompressoren kann durch PCB-haltige Öle verun-

reinigt sein.

Die Herstellung der Farben durch Mahlen und Mischen von Bindemittel, Farbpig-

menten und Lösungsmitteln wurde zwar noch zu Beginn des 20. Jahrhunderts ge-

lehrt, aber in den Werkstätten zu diesem Zeitpunkt meist kaum mehr durchgeführt,

weil es billiger war, fertige Farben zu kaufen. Auch vorher kann aufgrund des gerin-

gen Mengenumsatzes und des sorgsamen Umgangs mit dem Farbpulver kein be-

sonderes Gefährdungspotential unterstellt werden (s. Kapitel 2). Eingetrocknete

Farbreste wurden historisch sogar häufig erneut vermahlen, um sie als Farbgrund-

lage für Erstanstriche zu verwenden. Ähnliches gilt auch für flüssige Farbreste; sie

wurden meist in einem Gebinde gesammelt, um bei Erstanstrichen oder Arbeiten

ohne ästhetischen Anspruch eingesetzt zu werden.

Die normale Werkstatt eines Lackierers ist daher hinsichtlich der Gefährdung in fol-

gende Bereiche zu unterteilen:

Arbeitsflächen für die Vorbereitung, dort ist nur mit abgeschliffenen ausgehärte-

ten Altlacken, Holz- oder Metallstaub und gegebenenfalls mit Strahlsanden zu

rechnen. Hier besteht normalerweise keine Gefährdungsvermutung.

In den Lackierkabinen wird der Lack aufgesprüht, so dass hier Farb- und Ver-

dünnungsmittelnebel entstehen, die sich an den Wänden und auf dem Fuß-

boden niederschlagen, aber heutzutage über Abluftanlagen mit Aktivkohlefiltern

aufgefangen werden. Eine Gefährdung besteht hier für den Baukörper durch

Einlagerung von Pigmenten und Lösungsmitteln, die den Estrich durchdringen

können.

In den Trocken- und Einbrennkammern ist keine Gefährdung zu erwarten.

Das Lager für Farben, Lacken und Lösungsmitteln wird zumeist auch zum Ver-

dünnen und Mischen und Umfüllen benutzt. Hier ist durch die möglichen Hand-

habungsverluste eine hohe Kontaminationsvermutung gegeben.

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Branchenblatt Lackiererei Seite 9

Altlasten-Leitfaden Schleswig-Holstein: Erfassung Anhang 11

5 Gesetzliche Ausführungsvorschriften für verwendete

Stoffe/Stoffgruppen

Tabelle 2 Altlastrelevante Stoffe und ihr zeitlicher Einsatz

Stoff Nutzung Verstärkte An-

wendung ab

Verwendungsbe-

schränkung/ Verbot

BTEX1 Lösungsmittel ca. 1920 1986 (zum Teil)

LCKW2 Lösungsmittel ca. 1940 1981/1986 (zum Teil)

Bleiverbindungen3 Farbstoff (z.B. Bleiweiß) historisch 1923/1990

1 26.8.1986 GefStoffV: Verwendungsbeschränkung für Benzol auf geschlossene Systeme.

2 9/1981 Technische Regel für gefährliche Arbeitsstoffe TrgA 502: Verwendungsbeschrän-

kung für Tetrachlorkohlenstoff; 21.4.1986 2.BImSchV: Verordnung zur Emissionsbeschränkung von leichtflüchtigen Halogenwasserstoffen, Anwendungsbeschränkungen 1990 in der Neufassung verschärft. 3 31.08.1923 Übereinkommen über die Verwendung von Bleiweiß zum Anstrich: Verbot der

Verwendung von Bleiweiß, Bleisulfat oder eines Erzeugnisses, das diese Farbstoffe ent- hält, für Innenanstriche sowie Regelung der Verwendung außerhalb des Verbotes. 23.04.1990 GefStoffV: Verwendungsbeschränkung von Bleikarbonat- und –sulfat-Farben auf Restaurierungsarbeiten historischer Kunstwerke oder Gebäude; in der nachfolgenden Fassung wird ein komplettes Herstellungs- und Verwendungsverbot für Bleikarbonate ausgesprochen.

6 Altlastrelevante/altlastirrelevante Nutzungszeiträume

Lackierereien nutzen seit ihrer Entstehung schwermetallhaltige Pigmente, so dass

grundsätzlich für jeden Zeitraum eine Grundgefährdung anzunehmen ist. Da der

Arbeitsanfall aber erst seit dem ersten Drittel des 20. Jahrhunderts anstieg, weil

durch immer billigere Möbelwerkstoffe eine Lackierung unumgänglich wurde, ist für

den Zeitraum vor ca. 1920 nur ein geringfügiges Gefährdungspotential zu erwarten.

Außerdem stieg die Zahl der Fahrzeuge erst mit der verstärkten Motorisierung der

Bevölkerung nach dem Zweiten Weltkrieg allmählich an.

Durch die Einführung der Nitrolacke ab ca. 1920 verstärkte sich in den folgenden

Jahren, insbesondere zwischen 1950 und 1970 das Gefährdungspotential, da für

das Lösen der Farbe sowie die Reinigung von Werkzeug, Körper und Kleidung

vermehrt auf aromatische Lösungsmittel (BTEX) und leichtflüchtige chlorierte Koh-

lenwasserstoffe (LCKW) zurückgegriffen wurde. Mit der Einführung der wasserlösli-

chen Dispersionslacke in den 1960er Jahre ist aber auch die Nutzung organischer

Lösungsmittel zurückgegangen.

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Branchenblatt Lackiererei Seite 10

Altlasten-Leitfaden Schleswig-Holstein: Erfassung Anhang 11

Tabelle 3 Zusammenfassung aller altlastrelevanten Aspekte und Zuordnung zu

den Branchenklassen SH.

Zeitspanne Hilfsstoffe Nebenprodukte Altlastrele-

vante Aspekte

Branchenklassen SH

Metall-

lackie-

rungen

Holz-/ Bau-

tenlackie-

rungen

bis 1920 Harze, Ter-

pentin, Leinöl,

Pigmente.

Leeremballagen,

Putzlappen etc.

Sorgsamer

Umgang mit

den Farbpig-

menten; meist

kleine Betriebe.

1 1

1921 –

1965

Harze, Ter-

pentin, Pig-

mente, Nitro-

verdünnung,

aliphatische,

aromatische,

z.T. auch ha-

logenierte Lö-

sungsmittel.

Leeremballagen,

Putzlappen etc.,

Farbstaub;

Strahlsande und

Schrott in Fahr-

zeuglackiererei-

en.

Fehlende Ab-

wasser- und

Abluftbehand-

lung, z.T. Ein-

satz von aro-

matischen oder

halogenierten

Lösungsmitteln.

5 3

1965 –

1985

Terpentin,

Pigmente,

Nitroverdün-

nung, ver-

mehrt alipha-

tische Lö-

sungsmittel.

Leeremballagen,

Putzlappen etc.,

Farbstaub,

Strahlsande und

Schrott in Fahr-

zeuglackiererei-

en.

Einführung

neuer Lacke

mit geringerem

Lösemittelanteil

bzw. auf Basis

neuer Bindemit-

tel

4 2

1985 – Ge-

genwart

Terpentin,

Pigmente,

Nitroverdün-

nung, haupt-

sächlich

aliphatische

Lösungsmit-

tel.

Leeremballagen,

Putzlappen etc.,

Farbstaub,

Strahlsande und

Schrott in Fahr-

zeuglackiererei-

en.

Verbot der

Verwendung

von halogenier-

ten Lösungs-

mitteln in offe-

nen Sys-temen

etc., Spritzan-

lagen mit Ab-

luftbehandlung

und z.T. Rück-

gewinnung

3 2

Branchenklasse 0: kein Gefährdungspotential Branchenklasse 1: Gefährdungspotential sehr gering Branchenklasse 2: Gefährdungspotential gering Branchenklasse 3: Gefährdungspotential mäßig Branchenklasse 4: Gefährdungspotential hoch Branchenklasse 5: Gefährdungspotential sehr hoch

7 Literaturhinweise

DEUTSCHES LACKINSTITUT (HRSG.): Die Welt der Lacke und Farben. Wissens-

wertes über Beschichtungsstoffe. Frankfurt, 2000.

FALBE, J.; REGITZ, M. (HRSG.): Römpp Chemie Lexikon, 9. Erweiterte und neu-

bearbeitete Auflage. Georg Thieme Verlag, Stuttgart, New York, 1993.

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Branchenblatt Lackiererei Seite 11

Altlasten-Leitfaden Schleswig-Holstein: Erfassung Anhang 11

HENGLEIN, F.A.: Grundriß der Chemischen Technik, 3. Auflage. Verlag Chemie,

Berlin, 1943.

LANGE, O.: Chemisch-technische Vorschriften. III. Band – Harze, Öle, Fette, 3. er-

weiterte und neubearbeitete Auflage. Verlag Otto Spamer, Leipzig, 1923.

LUEGER, O. (HRSG.): Lexikon der gesamten Technik und ihrer Hilfswissenschaf-

ten, zweite Auflage. Deutsche Verlags-Anstalt, Stuttgart und Leipzig, 1938.

MOLLE, F.: Wörterbuch der Berufsbezeichnungen. Eigenverlag, Groß-Denkte/ Wol-

fenbüttel, 1951.

KOCH, R.; KIENZLE, O. (HRSG.): Handwörterbuch der gesamten Technik und ihrer

Hilfswissenschaften. Deutsche Verlags-Anstalt, Stuttgart und Berlin, 1935.

ULLMANN, F. (HRSG.): Enzyklopädie der technischen Chemie, 2. neubearbeitete

Auflage. Urban & Schwarzenberg, Berlin und Wien, 1929.

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Altlasten-Leitfaden Schleswig-Holstein: Erfassung Anhang 11 Histinvest - Dr. Klaus Schlottau, Bremen

Branchenblatt Malerei

Inhaltsverzeichnis Seite

1 Bezeichnung der Branche 2

2 Historischer Überblick 2

3 Allgemeiner Verfahrensablauf 3

3.1 Gebäudeanstriche 3 3.2 Anstriche von Gebäudebestandteilen 4 3.3 Eingesetzte Farbpigmente und Bindemittel 6

4 Umweltrelevante Verfahrens- und Produktionsschritte sowie Verun-

reinigungspotentiale 6

5 Gesetzliche Ausführungsvorschriften für verwendete Stoffe/

Stoffgruppen 8

6 Altlastrelevante/altlastirrelevante Nutzungszeiträume 8

7 Literaturhinweise 9

Abb. 1: Maler um 1900 mit seinem Werkzeug und Transportmittel (Quelle: KETTEMANN).

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Seite 2 Branchenblatt Malerei

Altlasten-Leitfaden Schleswig-Holstein: Erfassung Anhang 11

1 Bezeichnung der Branche

Das Handwerk der einfachen Maler umfasst definitionsgemäß den Anstrich von In-

nen- und Außenflächen an Gebäuden, die Lackierung von Fenstern, Türen, Gittern,

Zäunen, Möbeln etc.

In dieser Darstellung werden alle Maler, die sich erwerbsmäßig mit dem Anstrich

von Gebäuden oder Gebäudeteilen beschäftigten, zur Gruppe der „Gebrauchsma-

ler“ zusammengefasst. Gemeinsames Merkmal dieser Gruppe ist, dass ihr Gewer-

be grundsätzlich auf dem Grundstück des Auftraggebers ausgeübt wird und eine

eigene Werkstatt sehr selten vorhanden ist bzw. sich auf ein Lager für Werkzeuge,

Farben, Lacke und Hilfsstoffe beschränkt. Die Belegschaft einer Malerei besteht

gewöhnlich aus einem Meister, bis zu zwei Gesellen sowie ein bis zwei Lehrlingen.

Nicht angesprochen werden die Kunstmaler, Schildermaler, Glasmaler etc. sowie

die hauptgewerblichen Lackierereien.

2 Historischer Überblick

Zur Grundausbildung der Maler gehörten historisch die Zubereitung der Farbpig-

mente, die Vorbereitung der Untergründe, das Mischen von Hilfsstoffen, Farben und

Lacken sowie der Deckanstrich mit witterungsbeständigen Farben.

Schon früh gingen aus einigen Malerbetrieben kleine Farb- und Lackfabriken hervor

(18. Jahrhundert), die auch neue, günstigere Farben entwickelten. Die meisten Ma-

ler jedoch stellten ihre Farbpulver bis zum Beginn des 20. Jahrhunderts noch selbst

her. Erst als zu diesem Zeitpunkt Farbpulver und fertige Farben über Drogerien ver-

trieben wurden, begannen viele Maler ihr Material von dort zu beziehen. Die mit

dem Zubereiten der Farbpigmente verbundenen Tätigkeiten und Verschmutzungen

sind seit damals also weder in den Werkstätten, noch auf den Baustellen zu erwar-

ten.

Historisch wurden die Farbpigmente in einer Farbmühle oder auf einer Farbreibe-

platte zerrieben und mit dem Bindemittel zu einem Farbbrei vermischt. Dabei ist

aber zu beachten, dass die Maler meist wenig Finanzmittel zur Verfügung hatten,

so dass nur sehr kleine Mengen der wertvollen Farbpulver bevorratet wurden, und

man nur jeweils die Menge verarbeitete, für die ein Bedarf bestand. Ein sorgsamer

Umgang mit den Farbpigmenten war auch schon deshalb angezeigt, weil viele der

verwendeten Pigmente gesundheitsschädlich waren, und man Vergiftungen ver-

meiden wollte.

Mit Ausnahme der Farbpigmentzubereitung sind aber alle anderen oben genannten

Arbeiten auch heute noch wesentliche Bestandteile der Tätigkeit.

Da die Verdienstmöglichkeiten der Maler früher sehr gering waren, war der Aktions-

radius aufgrund fehlender Fortbewegungsmittel eingeschränkt. Dies führte dazu,

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Branchenblatt Malerei Seite 3

Altlasten-Leitfaden Schleswig-Holstein: Erfassung Anhang 11

dass es historisch zwar sehr viele, aber meist nur kleine, ortsnahe Malerbetriebe

gab.

3 Allgemeiner Verfahrensablauf

Entsprechend den verschiedenen Materialien der Wände, Fenster und Türen sowie

der Beschläge und anderen Metallgegenstände unterscheidet sich auch der allge-

meine Verfahrensablauf für die Beschichtungen. Diese Aufteilung wird in der fol-

genden Darstellung beibehalten.

Die grundlegenden Arbeiten vor Beginn der Beschichtung mit Farben bestehen zu-

meist in Reinigungsarbeiten oder Grundierungen, die wiederum entsprechend der

anzustreichenden Materialien zu differenzieren sind.

3.1 Gebäudeanstriche

Zunächst muss der Wanduntergrund vorbereitet werden, lose Putzteile werden ab-

gelöst, Löcher aufgefüllt, Schwundrisse verspachtelt, Bewuchs durch Moose, Algen,

Kletterpflanzen und basische Ausblühungen (Mauersalpeter) entfernt. Grobe und

sandende Putze werden zunächst durch einen bindigen Grundierungsanstrich be-

festigt und egalisiert, feuchte Wände durch einen wassersperrenden Anstrich vor-

bereitet.

Bei diesen Arbeiten handelt es sich um einfache handwerkliche Tätigkeiten. Als

Hilfsstoffe werden zumeist folgende Stoffe eingesetzt:

milde organische Säuren gegen Ausblühungen,

Leim mit Füllstoffen (Kreide, Gips, Zellulose) zur Grundierung,

Gips zum Auffüllen und Spachteln sowie

Wasserglas (wasserlösliche Natrium- und Kaliumsalze der Kieselsäure) für

wassersperrende Schichten.

Im Bereich von Fundamenten, Kellern und Stallungen wurden seit dem 19. Jahr-

hundert auch Teere, davor Peche (Holzteer), als wassersperrende Farben einge-

setzt.

Nach dem Abtrocknen der Grundierungen wurden früher in der Regel stark mit

Wasser verdünnte Kalksuspensionen als Erstanstrich vollflächig aufgetragen

Darüber wurde dann der Deckanstrich mit einer Farbmischung, die durch Hinzufü-

gung von Blei-, Barium-, Zink- oder Titanoxiden sowie anderen Metalloxiden und

Metallsalzen deutlich mehr wassermischbare Pigmente enthielt, aufgebracht. Reine

Kalkfarben aus gelöschtem Kalk wurden wegen der keimtötenden Wirkung regel-

mäßig in Stallungen, Fabriken sowie den Abtritten verwendet.

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Seite 4 Branchenblatt Malerei

Altlasten-Leitfaden Schleswig-Holstein: Erfassung Anhang 11

Farbige Deckanstriche mit wasserlöslichen Pigmenten mussten in witterungsbeein-

flussten Bereichen zusätzlich mit einer transparenten, wasserabweisenden Schicht

versehen werden. Hierbei handelte es sich zumeist um Wasserglaslösungen (Alka-

lisilikate) oder Firnisse aus pflanzlichen Ölen, in denen Harze gelöst waren.

Auf den Deckanstrich konnten zur Dekoration oder wegen der wasserabweisenden

Wirkung und der besseren Wischfestigkeit Ölfarben aufgetragen werden. Derartige

Anstriche waren durch das Gewerbeaufsichtsamt besonders für Betriebe, die mit

Lebensmitteln arbeiteten, aber auch z.B. für Friseure, vorgeschrieben.

Seit Beginn der 1960er Jahre wurden zunehmend sogenannte „Binderfarben“ (Dis-

persionsfarben) eingesetzt, weil sie sowohl wasserabweisend als auch wischfest

sind, und zudem durch einen hohen Anteil an Pigmenten, die in Kunststoffen oder

Kunstharzen dispergiert sind, in einem Anstrich decken. Dispersionswandfarben

bestehen aus den feinstverteilten, gemahlenen Pigmenten (s. Kapitel 3.3) und ei-

nem gemahlenen Binder oder Füllstoff (Kunstharze, Kunststoffe, Kautschuk, Harze,

Polymerisate, Polykondensate etc.) in wässriger Lösung. In Neubauten werden

seither nur noch wasserlösliche Dispersionsfarben eingesetzt, während sich in der

Altbaurenovierung in Teilbereichen die älteren Beschichtungsmittel aus bauphysika-

lischen Gründen erhalten haben.

3.2 Anstriche von Gebäudebestandteilen

Nicht alle Anstrichstoffe, die für die Beschichtung von Wänden Verwendung finden,

sind auch für den Anstrich der unterschiedlichen Materialien der einzelnen Gebäu-

debestandteile (Holz, Metall oder Kunststoff) geeignet. Für den Anstrich dieser Bau-

teile wurden und werden überwiegend Lacke genutzt.

Die Bezeichnung „Lack“ basiert auf dem Schellack, der seit dem Altertum aus der

Körperflüssigkeit der Lackschildläuse gewonnen wurde. Vermischt mit Farbstoffen

wurden daraus die sogenannten, sehr teuren „China-Lacke“. Der sogenannte „Ja-

pan-Lack“ hingegen war billiger herzustellen, weil dafür natürliches Harz (Kollopho-

nium, Bernstein etc.) in Leinöl oder Terpentin gelöst und mit Farbpigmenten verse-

hen wurde.

Grundsätzlich bestanden auch diese frühen Lacke aus einem Lösungsmittel (Leinöl,

vom 14. Jahrhundert bis ca.1850, später Birkenöl oder Terpentin, beginnend ab ca.

1780 bis ca. 1900), einem Bindemittel (z.B. Harze) und dem Farbstoff.

Bis zur Erfindung der Azo-Farbstoffe als Folge der Kohlechemie Mitte des 19. Jahr-

hunderts wurden die oben genannten Grundstoffe der Lacke kaum verändert. Da-

nach differenzierten sich sowohl die Grundbestandteile als auch die Anwendungs-

gebiete der Lacke.

Im Rahmen dieser Darstellung werden jedoch nur die sogenannten „Maler-Lacke“

bearbeitet, welche folgende Eigenschaften aufweisen sollen: möglichst schnelle und

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Branchenblatt Malerei Seite 5

Altlasten-Leitfaden Schleswig-Holstein: Erfassung Anhang 11

geruchsneutrale Trocknung, Farbechtheit, Wischfestigkeit sowie eine einfache

Verarbeitbarkeit.

Diese Anforderungen erfüllen im wesentlichen Lacke, die mit aliphatischen oder

wässrigen Lösungsmitteln, ersatzweise auch mit schnell trocknenden Nitroverdün-

nungen, hergestellt werden, d.h. Öl-, Nitro- oder Acryllacke.

Die Öllacke bestehen in der Regel aus einem Gemisch von pflanzlichem Öl, Har-

zen, weißem oder farblosem Füllstoff (Kreide, Kalk, Gips oder Wasserglas) sowie

dem gewünschten Pigmentfarbstoff.

Nitrolacke wurden zunehmend seit den 1920er Jahren für Anstriche von Türen,

Fenstern und Möbeln eingesetzt. Es handelt sich hierbei um Lacke, die aus Cellulo-

senitrat, Kunstharzen und Weichmachern, gelöst in „Nitroverdünnung“, hergestellt

werden. Nitroverdünnung ist ein Gemisch von niedrigsiedenden (Ester, Methanol,

Ketone), mittelsiedenden (Spiritus) und hochsiedenden (Ester, Glykolderivate) Lö-

sungsmitteln im Verhältnis von ca. 3 zu 6 zu 1. Der Anteil an Nitrolacken hat aber

nach Einführung der wasserlöslichen Acryllacke seit den 1960er Jahren stetig ab-

genommen.

Dispersionslacke (Acryllacke, Polyurethanlacke etc.) auf wasserlöslicher Basis

entstehen durch die Dispergierung von vorgefertigten Polymeren in Monomeren wie

z.B. Buten etc. (vgl. Dispersionswandfarben).

Die Verarbeitung der genannten Lacke erfolgt in mehreren Arbeitsschritten: Schlei-

fen, Füllen und Grundieren des Untergrundes, Auftragen eines ersten deckenden

Anstrichs und dann gegebenenfalls das Aufmalen dekorativer Elemente.

Reparaturlackierungen oder Lackerneuerungen wurden nach ähnlichem Muster

ausgeführt. Die Flächen mussten jedoch zuvor noch gereinigt, entfettet und abge-

spachtelt werden. Für diesen Zweck wurden neben den üblichen Hilfsstoffen Säu-

ren, Laugen und aliphatische Lösungsmittel oder Nitroverdünnung eingesetzt. Das

Abbeizen von Lacken erfolgte auch mittels CKW-haltiger Abbeizer (Dichlormethan).

Mit der Verwendung von Lacken verbunden ist die Reinigung von Werkzeugen, Ar-

beitskleidung und Körper durch nichtwässrige Lösungsmittel.

Teeröle und Farben auf Teerölbasis wurden früher überwiegend mit ungesättigten

Fettsäuren gelöst und dann mit Laugen abgespült. Zum Entfernen von Ölfarben auf

der Basis von Naturharzen in pflanzlichen Ölen wurden Terpentine genutzt. In der

Neuzeit hat sich im Zuge der Einführung der Nitrolacke die sogenannte „Nitrover-

dünnung“ durchgesetzt. Parallel hierzu wurden gelegentlich auch Benzine, Aroma-

ten und chlorierte Kohlenwasserstoffe eingesetzt, weil der Reinigungserfolg schnel-

ler sichtbar war.

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Seite 6 Branchenblatt Malerei

Altlasten-Leitfaden Schleswig-Holstein: Erfassung Anhang 11

3.3 Eingesetzte Farbpigmente und Bindemittel

Je nach Verwendungszweck und Farbwunsch gibt es sehr große Variations- und

Kombinationsmöglichkeiten bei den eingesetzten Farbpigmenten, so dass an dieser

Stelle nicht im Einzelnen darauf eingegangen werden kann.

Grundsätzlich lassen sich aber Erdfarben (z.B. Ocker aus Goldocker-Erden), Mine-

ralfarben (z.B. Ultramarin aus Lapislazuli), Pflanzenfarbstoffe (z.B. Indigo, Krapp)

und Tierfarbstoffe (z.B. Sepia, Purpur) sowie Kombinationen dieser Pigmente un-

terscheiden. Seit Beginn des 20. Jahrhunderts werden immer mehr synthetische

Farbpigmente entwickelt und verwendet, da sie gleichbleibend reine Farbtöne, gute

Maleigenschaften und hohe Färbekraft gewährleisten. Zudem lassen sich synthe-

tisch deutlich mehr Farbtöne herstellen als in natürlichen Pigmenten und ihren

Kombinationsprodukten vorkommen. Speziell Lacke enthalten häufig Schwermetalle

(z.B. As, Pb, Cd, Cr, Cu, Hg, Zn).

Ebenso wie bei den Farbpigmenten gibt es auch bei den eingesetzten Bindemitteln

eine starke Variationsbreite. Früher beruhte die Zusammensetzung des sogenann-

ten „Malerleims“ meist auf eigenen Kreationen der Maler unter Verwendung von

verschiedenen Materialien wie z.B. Haut- und Klauenleim oder Fischleim. Erst in der

Neuzeit konnten auch hier vorgefertigte Standardprodukte über den Handel bezo-

gen werden. Prinzipiell kann historisch zwischen pflanzlichen (Leinöl, Harz, Stärke,

Wachs), tierischen (Knochenleim, Milch, Tran, Eiweiß) und mineralischen (Kalk,

Zement, Gips) Bindemitteln unterschieden werden. Verwendet wurden insbesonde-

re die Öle, das Kasein und im ländlichen Bereich das Rinderblut.

Der Malerleim wurde damals meist in Platten gelagert und bei Bedarf im Leimofen

der Werkstatt erwärmt und aufgeweicht, um anschließend mit den Pigmenten ver-

mischt und mit Wasser oder anderen Verdünnungsmitteln zur gebrauchsfertigen

Farbe aufbereitet zu werden.

Seit dem Ende der 1920er Jahre wurden zunehmend auch synthetische Bindemittel

(zunächst auf Phthalatharzbasis) entwickelt und vertrieben.

4 Umweltrelevante Verfahrens- und Produktionsschritte

sowie Verunreinigungspotentiale

Aufgrund der Mobilität des Malergewerbes besteht, wenn überhaupt, eine Gefähr-

dungsvermutung nur am Ort ihrer Tätigkeit, denn hier sind Materialverluste bei der

Handhabung, Lösungs- oder Reinigungsarbeiten möglich.

Problematisch ist insbesondere die Entsorgung der schwermetallhaltigen Farbpig-

mentreste, der Mischgefäße und Farbemballagen, der Lösungsmittel sowie der

farbverschmierten Putzlappen.

Die Herstellung der Farben durch Mahlen und Mischen von Bindemitteln, Farbpig-

menten und Lösungsmitteln wurde zwar noch zu Beginn des 20. Jahrhunderts ge-

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Branchenblatt Malerei Seite 7

Altlasten-Leitfaden Schleswig-Holstein: Erfassung Anhang 11

lehrt, aber in den Werkstätten der Maler zu diesem Zeitpunkt meist kaum mehr

durchgeführt, weil es billiger war, fertige Farben zu kaufen. Auch vorher kann auf-

grund des geringen Mengenumsatzes und des sorgsamen Umgangs mit dem Farb-

pulver kein besonderes Gefährdungspotential unterstellt werden (s. Kapitel 2). Ein-

getrocknete Farbreste wurden historisch sogar häufig erneut vermahlen, um sie als

Farbgrundlage für Erstanstriche zu verwenden. Ähnliches gilt auch für flüssige

Farbreste; sie wurden meist in einem Gebinde gesammelt, um bei Erstanstrichen

oder Arbeiten ohne ästhetischen Anspruch eingesetzt zu werden.

Die normale Werkstatt eines Gebrauchsmalers ist daher nur ein Lager für geringfü-

gige Mengen an Farben, Lacken und Lösungsmitteln, die im Rahmen kleinerer Ar-

beiten auf wechselnden Baustellen benötigt werden. Für Großaufträge werden die

Gebinde unmittelbar vom Großhandel auf die Baustelle geliefert. Leere Gebinde

wurden früher gemeinsam mit dem Bauschutt entsorgt, so dass eine Malerei in der

Regel nur eine Garage für das Lieferfahrzeug und eine kleine Fläche für die Lager-

haltung benötigte. Am gemeldeten Ort der Gewerbeausübung besteht daher für die

beschriebene herkömmliche Gebrauchsmalerei (kleiner Betriebsmaßstab) keine

Gefährdungsvermutung.

Eine Gefährdungsvermutung ist für das Gewerbe einer Malerei eng mit dem Be-

triebsmaßstab und der ausgeübten Tätigkeit verbunden. Folgende Aspekte sollten

bei der Bewertung Berücksichtigung finden.

Aspekte zur Verdachtsentkräftung:

kleine Grundstücksfläche mit Garagen ähnlichem Nebengebäude,

nur Wohnbebauung (z. B. Reihenhaus),

Einstufung: Kategorie A1 (Ausscheiden nach Kartenrecherche oder Bauaktenaus-

wertung).

Aspekte zur Verdachtserhärtung:

große Grundstücke mit entsprechend großen gewerblich genutzten Neben-

gebäuden,

Hinweise auf höhere Mitarbeiterzahl,

Hinweis auf Lackierarbeiten auf dem Standort (z. B. Lackierraum, Spritzan-

lage).

Einstufung: Die Bewertung ist hier den standortspezifischen Gegebenheiten anzu-

passen. Sofern die Haupttätigkeit in Lackierarbeiten vor Ort besteht, ist eine ent-

sprechende Bewertung vorzunehmen (Branchenbezeichnung und Branchenklasse,

siehe Branchenblatt „Lackierereien“).

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Seite 8 Branchenblatt Malerei

Altlasten-Leitfaden Schleswig-Holstein: Erfassung Anhang 11

5 Gesetzliche Ausführungsvorschriften für verwendete

Stoffe/Stoffgruppen

Tabelle 1 Altlastrelevante Stoffe und ihr zeitlicher Einsatz

Stoff Nutzung Verstärkte

Anwendung

ab

Verwendungsbeschrän-

kung/ Verbot

BTEX1 Lösungsmittel ca. 1920 1986 (zum Teil)

LCKW2 Lösungsmittel ca. 1940 1981/1986 (zum Teil)

Bleiverbindungen3 Farbstoff (z.B. Bleiweiß) historisch 1923/1990

1 26.8.1986 GefStoffV: Verwendungsbeschränkung für Benzol auf geschlossene Systeme.

2 9/1981 Technische Regel für gefährliche Arbeitsstoffe TrgA 502: Verwendungsbeschrän-

kung für Tetrachlorkohlenstoff; 21.4.1986 2.BImSchV: Verordnung zur Emissionsbeschränkung von leichtflüchtigen Halogenwasserstoffen, Anwendungsbeschränkungen 1990 in der Neufassung verschärft. 3 31.08.1923 Übereinkommen über die Verwendung von Bleiweiß zum Anstrich: Verbot der

Verwendung von Bleiweiß, Bleisulfat oder eines Erzeugnisses, das diese Farbstoffe ent- hält, für Innenanstriche sowie Regelung der Verwendung außerhalb des Verbotes. 23.04.1990 GefStoffV: Verwendungsbeschränkung von Bleikarbonat- und –sulfat-Farben auf Restaurierungsarbeiten historischer Kunstwerke oder Gebäude; in der nachfolgenden Fassung wird ein komplettes Herstellungs- und Verwendungsverbot für Bleikarbonate ausgesprochen.

6 Altlastrelevante/altlastirrelevante Nutzungszeiträume

Für eine Malerei in kleinem bzw. mittlerem Betriebsmaßstab ohne Lackierar-

beiten liegt in Schleswig-Holstein keine Gefährdungsvermutung vor.

Erstbewertung: Branchensynonym: Malerei bzw. Malerbetrieb, Branchenbe-

zeichnung: keine, Branchenklasse 0

Nur bei Vorliegen der in Kapitel 4 genannten Aspekte zur Verdachtserhärtung

ist für eine Malerei mit Lackierarbeiten in kleinem Umfang (z. B. eine Spritzka-

bine) die Tabelle 2 zur Bewertung heranzuziehen.

Tabelle 2 Zusammenfassung aller altlastrelevanten Aspekte und Zuordnung zu

den Branchenklassen SH

Zeitspanne Hilfsstoffe Nebenprodukte Altlastrelevante

Aspekte

Branchen-

klassen SH

bis 1930 Seifen, Terpentin,

Leinöl, Pigmente.

Leeremballagen,

Putzlappen etc.

Mobiles Bauhand-

werk; sorgsamer

Umgang mit den

Farbpigmenten;

meist sehr kleine,

ortsnahe Betriebe.

0

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Branchenblatt Malerei Seite 9

Altlasten-Leitfaden Schleswig-Holstein: Erfassung Anhang 11

1931 – 1972 Seifen, Terpentin,

Pigmente, Nitrover-

dünnung, aliphati-

sche, aromatische,

z.T. auch haloge-

nierte Lösungsmittel.

Leeremballagen,

Putzlappen etc.

Aufgrund der Mobili-

tät des Gewerbes

geringe Altlastenre-

levanz am Ort der

Gewerbeanmel-

dung; z.T. Einsatz

von aromatischen

oder halogenierten

Lösungsmitteln zu-

meist beim Auftrag-

geber.

2

1973 – Ge-

genwart

Seifen, Terpentin,

Pigmente, Nitrover-

dünnung, haupt-

sächlich aliphatische

Lösungsmittel.

Leeremballagen,

Putzlappen etc.

Aufgrund der Mobili-

tät des Gewerbes

sehr geringe Altlas-

tenrelevanz am Ort

der Gewerbeanmel-

dung., geregelte Ab-

fallentsorgung durch

veränderte Geset-

zeslage anzuneh-

men

1

Branchenklasse 0: kein Gefährdungspotential Branchenklasse 1: Gefährdungspotential sehr gering Branchenklasse 2: Gefährdungspotential gering Branchenklasse 3: Gefährdungspotential mäßig Branchenklasse 4: Gefährdungspotential hoch Branchenklasse 5: Gefährdungspotential sehr hoch

7 Literaturhinweise

FALBE, J.; REGITZ, M. (HRSG.): Römpp Chemie Lexikon, 9. Erweiterte und neu-

bearbeitete Auflage. Georg Thieme Verlag, Stuttgart, New York, 1993.

HEINEMANN, G. W.: 100 Jahre, 5. Februar 1861 – 5. Februar 1961, Friedrich Hei-

nemann Malereibetriebe Braunschweig und Wolfenbüttel, Vlg. Hempel, Braun-

schweig 1961.

HENGLEIN, F.A.: Grundriß der Chemischen Technik, 3. Auflage. Verlag Chemie,

Berlin, 1943.

KETTEMANN, O.: Handwerk in Schleswig-Holstein. Studien zur Volkskunde und

Kulturgeschichte Schleswig-Holsteins, Band 18. Karl Wachholtz Verlag, Neumüns-

ter, 1987.

KOCH, R.; KIENZLE, O. (HRSG.): Handwörterbuch der gesamten Technik und ihrer

Hilfswissenschaften. Deutsche Verlags-Anstalt, Stuttgart und Berlin, 1935.

LANGE, O.: Chemisch-technische Vorschriften. III. Band – Harze, Öle, Fette, 3. er-

weiterte und neubearbeitete Auflage. Verlag Otto Spamer, Leipzig, 1923.

LUEGER, O. (HRSG.): Lexikon der gesamten Technik und ihrer Hilfswissenschaf-

ten, zweite Auflage. Deutsche Verlags-Anstalt, Stuttgart und Leipzig, 1938.

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Seite 10 Branchenblatt Malerei

Altlasten-Leitfaden Schleswig-Holstein: Erfassung Anhang 11

MEHL, H. (HRSG.): Maurer, Maler, Zimmermann. Altes Bauhandwerk. Westholstei-

nische Verlagsanstalt Boyens & Co., Heide, 2001.

MOLLE, F.: Wörterbuch der Berufsbezeichnungen. Eigenverlag, Groß-Denkte/ Wol-

fenbüttel, 1951.

OHL, F. Was ist? Kleines Handlexikon für das Lack- und Farbenfach; für Farben-

und Lackindustrielle, industrielle und handwerkliche Lackier- und Malereibetriebe.

Verlag Dähne, Berlin-Schöneberg, 1940.

ULLMANN, F. (HRSG.): Enzyklopädie der technischen Chemie, 2. neubearbeitete

Auflage. Urban & Schwarzenberg, Berlin und Wien, 1929.

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Altlasten-Leitfaden Schleswig-Holstein: Erfassung Anhang 11 Histinvest – Dr. Klaus Schlottau, Bremen

Branchenblatt Maschinenfabriken

Inhaltsverzeichnis Seite 1 Bezeichnung der Branche 2 2 Historischer Überblick 2 3 Allgemeiner Verfahrensablauf 2 4 Umweltrelevante Verfahrens- und Produktionsschritte sowie Ver-

unreinigungspotentiale 3 5 Gesetzliche Ausführungsvorschriften für verwendete Stoffe/

Stoffgruppen 5 6 Altlastrelevante/altlastirrelevante Nutzungszeiträume 6 7 Literaturhinweise 8 Abb. 1: Modernes Maschinenbauunternehmen in den 1950er Jahren (Quelle:

HANOW).

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Branchenblatt Maschinenfabriken Seite 2

Altlasten-Leitfaden Schleswig-Holstein: Erfassung Anhang 11

1 Bezeichnung der Branche

Als Maschinenfabriken werden Unternehmen bezeichnet, deren Aufgabe darin be-

steht, Werkzeug- oder Arbeitsmaschinen herzustellen. Im Gegensatz zur sprachli-

chen Unschärfe im Gemeingebrauch werden die Unternehmen relativ strikt unter-

schieden: Kaffeemaschinen z.B. gehören zur Gruppe Apparatebau (vgl. Branchen-

blatt Apparatebau), während eine Mischmaschine für Beton hingegen gewöhnlich

von der Industriegruppe Anlagenbau hergestellt wird. Merkmale letzterer sind im

Wesentlichen eine Produktion von Investitionsgütern sowie der fehlende Kontakt

zum Endkonsumenten. Der Anlagenbau ist also heute eher dem Begriff Maschinen-

bau gleichzusetzen.

2 Historischer Überblick

Das Entstehen von Maschinenfabriken war eine Voraussetzung für die Entwicklung

der industriellen Revolution des 19. Jahrhunderts. Maschinenfabriken haben sich in

der Regel erst entwickelt, als es möglich wurde, Werkzeugmaschinen, Drehbänke,

Fräsen etc. aus Metall herzustellen.

Die Maschinenfabriken sind ursprünglich aus den mechanischen Abteilungen und

Reparaturbereichen von Eisengießereien oder Fahrzeugbaubetrieben, nicht selten

aber auch aus Schlossereien, Schmieden und sogar Textilfabriken hervorgegangen.

Oftmals handelte es sich zunächst um die Anfertigung von Einzelstücken für defekte

Maschinen, bevor der Wandel zur Fabrikation von Serienstücken einsetzte.

Bei der Einstufung der Branche in die Branchenklassen ist zu beachten, dass der

Begriff „Maschinenfabrik“ häufig schon sehr früh von den Betreibern gewählt wurde,

obwohl es sich oftmals noch um handwerkliche Betriebe handelte.

3 Allgemeiner Verfahrensablauf

Eine Maschinenfabrik integriert folgende wesentliche Arbeitsprozesse, die sowohl

früher, als auch gegenwärtig noch als selbständige Gewerbebetriebe bestehen:

- Eisengießerei mit Modelltischlerei, Formerei und Putzerei (vgl. Branchenblatt

Gießerei),

- Dreherei, Fräserei (vgl. Branchenblatt Dreherei),

- Schmiede mit Härterei (vgl. Branchenblatt Schmiede),

- Montage und Lackiererei (vgl. Branchenblatt Schlosserei und Lackiererei).

Die größeren Maschinenfabriken mit Belegschaften von mehr als 100 Personen

waren seit dem letzten Drittel des 19. Jahrhunderts nach dem obigen Schema auf-

gebaut. Größere Gussteile für die Rahmenkonstruktion wurden jedoch z.T. bereits

damals hinzugekauft, weil die Beschaffung eines großen Kupolofens ohne regelmä-

ßige Auslastung unrentabel war. Um eine möglichst hohe Serienstückzahl zu errei-

chen, wurden auch Unteraufträge an Drehereien, Fräsereien, Stanzereien oder Po-

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Branchenblatt Maschinenfabriken Seite 3

Altlasten-Leitfaden Schleswig-Holstein: Erfassung Anhang 11

lierereien vergeben. Der Bezug fremdgefertigter Teile wurde für die Maschinenbau-

industrie mit zunehmender Standardisierung von Schrauben, Muttern, Federn, Un-

terleg- und Federscheiben sowie anderer kleinerer Bauteile zum Normalfall. Der

Kernbereich der Unternehmung jedoch, die Konstruktion und Montage der Maschi-

nen sowie der elektrotechnischen Schaltanlagen, blieb in der Regel in einem Werk.

Zu diesem Fertigungsabschnitt gehört insbesondere die Lackierung und Ausrüstung

für den Versand.

Eine Maschinenfabrik enthält daher stets alle Verfahrensabschnitte der Metallbear-

beitung einschließlich der Lackierung in einer personellen und maschinellen Grund-

ausstattung, die dem normalen Auftragsstand proportional ist. Darüber hinaus wer-

den nach betriebswirtschaftlichen Kriterien Unterfertigungsaufträge mit anderen

selbständigen Metallbearbeitungsfirmen abgeschlossen.

4 Umweltrelevante Verfahrens- und Produktionsschritte sowie Verunreinigungspotentiale

Eine Maschinenfabrik besteht allgemein aus einem komplexen Gefüge aller bekann-

ten Metallbearbeitungen, zu denen sich, resultierend aus dem Modellbau, auch sol-

che der Holzbearbeitung hinzugesellen.

In der Metallbearbeitung wurden schon lange schwere Maschinen mit hohem Kraft-

bedarf eingesetzt. Daher verfügten die meisten Großbetriebe, aber auch zahlreiche

mittelgroße Betriebe, früh über eine eigene Kraftzentrale (meist eine Dampfmaschi-

ne) mit Riementransmissionen, Wellenübertragungen und später auch eine eigene

Stromerzeugung.

Daraus resultierten bis in die 1930er Jahre große Mengen an Aschen und Schla-

cken aus der Feuerung, in der zumeist auch betriebliche Abfälle verbrannt oder ge-

sintert wurden. Die Aschen und Schlacken wurden zusammen mit anderen geeigne-

ten Abfallstoffen, z.B. Kohlengrus aus den Bunkern und Sandstrahlrückständen,

häufig für die Befestigung des Betriebsgeländes genutzt, um den zunehmenden

Schwerlastverkehr zu ermöglichen. Seit ca. 1930 nahmen die Kesselfeuerungen mit

Schweröl und später auch mit Heizöl zu. Die Lagerung dieser Stoffe erforderte

Tanks, Pumpwerke, Übernahmestationen und Vorwärmanlagen, die bis in die

1960er Jahre fast immer durch unterirdische Rohre verbunden waren, welche häufig

korrodierten. Folglich sind an allen Orten, auf denen mit diesen Mineralölkohlen-

wasserstoffen umgegangen wurde, entsprechende Verunreinigungen nicht auszu-

schließen.

Die Verstromung der innerbetrieblich erzeugten Energie erforderte die Anlage eige-

ner Transformatorenstationen, Gleichrichter und anderer elektrotechnischer und

elektromechanischer Anlagen (z.B. Ölschützen, d.h. großvolumige relaisähnliche

Hochspannungsschalter mit Öl als Isolator). Die Umstellung der Nennspannung von

110V auf 220V erfolgte allgemein in den 1950er Jahren und machte die gesamte

elektrische Altausrüstung hinfällig, so dass diese Geräte verschrottet wurden. Ins-

besondere im Zuge dieser Umbauarbeiten, aber auch durch den normalen Betrieb

sowie durch Unfälle, gelangte aus den Transformatoren und Ölschützen Transfor-

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Branchenblatt Maschinenfabriken Seite 4

Altlasten-Leitfaden Schleswig-Holstein: Erfassung Anhang 11

matorenöl mit PCB und anderen Zusätzen in die Umwelt. Auch die Gleichrichter

erwiesen sich bei Unfällen oder nicht sachgerechter Demontage als umweltschädi-

gend, da sie je nach Größe bis zu 1.400 kg Quecksilber enthielten.

Während des 19. Jahrhunderts und vielfach noch bis in die 1920er Jahre wurden die

Maschinen selbst mit mechanischen Einrichtungen bewegt. Die Umstellung auf den

Einzelantrieb war fast immer auch mit der Umstellung auf eine hydraulische Über-

tragung der Kräfte verbunden. Innerhalb der Einzelmaschine befand sich eine Hyd-

raulikpumpe. Undichtigkeiten bei Pumpen, Vorratsbehältern und Hydraulikschläu-

chen sowie undichte Kolben führten oft zu einem merklichen Verlust an Hydrauliköl.

Dieses war früher fast immer mit PCB versetzt und kann daher in den Abfallstoffen,

im Bauwerk und im Untergrund Spuren hinterlassen haben. Der Einsatz von PCB

wurde 1972 auf geschlossene Systeme beschränkt und 1989 ganz verboten.

Da die Maschinen und Werkstoffe fast durchgängig verölt waren, wurden sie regel-

mäßig mit aliphatischen, aromatischen oder chlorierten Lösungsmittel gereinigt.

Diese können zu Kontaminationen geführt und zusätzlich die Mobilisierung von Mi-

neralölen bewirkt haben.

In der Gießerei handelt es sich insbesondere um Verunreinigungen, die aus der

Formsandaufbereitung resultieren, also um Feineisenteile, Verölungen des Guss-

schrottzuschlages, Furanharze sowie Öle aus den hydraulischen Anlagen und

Kompressoren (siehe Branchenblatt Gießerei).

Abb. 2: Endmontage eines Dampfkessels in einer Maschinenfabrik der 1950er

Jahre (Quelle: HANOW).

In der Dreherei können neben den üblichen Verlusten an Mineralölen aus den Ma-

schinen generell insbesondere die Kühlöle im Zeitraum von ca. 1930 bis in die

1980/1990er Jahre zu Verunreinigungen geführt haben, da sie PCB und andere

Schadstoffe enthielten. Da die Reinigung der Maschinen, der Werkzeuge, Werkstü-

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Branchenblatt Maschinenfabriken Seite 5

Altlasten-Leitfaden Schleswig-Holstein: Erfassung Anhang 11

cke und der Drehspäne unter Einsatz von Lösungsmitteln vollzogen wurde, können

dementsprechend die Werkstattbereiche und auch die Lagerplätze verunreinigt sein

(siehe Branchenblatt Dreherei).

Neben diesen Hauptbereichen potentieller Verunreinigungen sind auch die Härte-

reien und Lackierereien zu berücksichtigen, weil hier stets mit einem Verlust an Här-

te- bzw. Lösungsmitteln zu rechnen ist (siehe Branchenblatt Lackiererei bzw. Ar-

beitstechniken und Verfahren der Metallbearbeitung). Durch den Einsatz von Säu-

ren und Cyaniden in den Beiz- und Härtebäder können bei Handhabungsverlusten

oder Leckagen Schwermetalle im Untergrund mobilisiert worden sein.

Detaillierte Auflistungen von Verunreinigungspotentialen für Maschinenfabriken las-

sen sich in der Regel erst dann erstellen, wenn die Art der Metallbearbeitung und

der Oberflächenbehandlung bekannt ist.

5 Gesetzliche Ausführungsvorschriften für verwendete Stoffe/Stoffgruppen

Tabelle 1 Altlastrelevante Stoffe und ihr zeitlicher Einsatz

Stoff Nutzung Verstärkte Anwendung

ab

Verwendungsbe-schränkung/ Ver-

bot

PCB (Polychlo-rierte Biphenyle).

1

Einsatz in Kühl- und Hydraulikölen, um die Entzündungstemperatur zu erhöhen.

ca. 1930 1978/1989

Wassermischbare Kühlschmierstoffe (N-Nitrosamin-Bildung).

2

Schmier- und Kühlmittelersatz für Öle mit Flammschutzmitteln.

ca. 1955 1997

PCP (Pentachlor-phenol).³

Einsatz in Emulsionen zur Halt-barmachung.

ca. 1930 1986/1989

LCKW.4 Lösungs- und Reinigungsmittel

(Kaltreiniger) im Werkstattbetrieb sowie in den Lackierereien.

ca. 1925 1981/1986 (zum Teil)

BTEX.5 Lösungs- und Reinigungsmittel im

Werkstattbetrieb sowie in den La-ckierereien.

ca. 1925 1986 (zum Teil)

1 26.7.1978 10.BImSchV: Verwendungsbeschränkung auf geschlossene Systeme;

18.7.1989, PCB-Verbotsverordnung: Herstellungs-, Inverkehrsbringungs- und Verwen- dungsverbot, 1993 durch ChemVerbotsV abgelöst. 2 4/1997 Technische Regel für Gefahrstoffe TRGS 611, Verwendungsbeschränkungen für

wassermischbare bzw. wassergemischte Kühlschmierstoffe, bei deren Einsatz N-Nitrosamine auftreten können (Verbot von Nitrit im KSS) 3

26.8.1986 GefStoffV: Verwendungsbeschränkung für PCP, z.B. nicht in Aufenthaltsräumen einzusetzen; 12.12.1989 PCP-Verbotsverordnung: Herstellungs-, Inverkehrsbringungs- und Verwen- dungsverbot, 1993 abgelöst durch ChemVerbotsV. 4 9/1981 Technische Regel für gefährliche Arbeitsstoffe TrgA 502: Verwendungsbeschrän-

kung für Tetrachlorkohlenstoff; 21.4.1986 2.BImSchV: Verordnung zur Emissionsbeschränkung von leichtflüchtigen Halogenwasserstoffen, Anwendungsbeschränkungen 1990 in der Neufassung verschärft.

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Branchenblatt Maschinenfabriken Seite 6

Altlasten-Leitfaden Schleswig-Holstein: Erfassung Anhang 11

5 26.8.1986 GefStoffV: Verwendungsbeschränkung für Benzol auf geschlossene Systeme.

6 Altlastrelevante/altlastirrelevante Nutzungszeiträume

Bis zum Ende des 19. Jahrhunderts sind keine wesentlichen Veränderungen in der

stofflichen Bearbeitung oder in der Zusammensetzung der Hilfsstoffe für die Metall-

industrie bekannt. Es handelte sich lediglich um eine Maschinisierung und Mechani-

sierung der bisherigen Handarbeit. Die Entwicklungen der chemischen Industrie und

Metallurgie seit Beginn des 20. Jahrhunderts veränderten jedoch nach und nach die

Zusammensetzung der Werk- und Hilfsstoffe. Diese Veränderungen betrafen insbe-

sondere die Arbeitsbereiche der Dreherei, Härterei und Lackiererei.

Die Entwicklungen in der spanabhebenden Metallverarbeitung seit Anfang des 20.

Jahrhunderts stellten erhöhte Anforderungen an die Maschinen, die Handhabung

der Werkzeuge und der zu bearbeitenden Materialien. Durch die verbesserten

Schneidstähle ergaben sich zunehmend höhere Schnittgeschwindigkeiten, die eine

Schmierung und Kühlung der Werkstücke und -zeuge erforderlich machten. Wäh-

rend anfänglich noch Seifenwasser, das auf die Grenzflächen gespritzt wurde, zur

Werkzeug/-stückkühlung ausreichte, musste seit der Einführung der Schnellschnitt-

stähle zunehmend auf wärmeleitende, hochsiedende Öle und Emulsionen zurück-

gegriffen werden. Diese Öle benötigen seit dem Ende der 1920er Jahre Chlor-

organika (z.B. PCB) als Flammschutz; Emulsionen mussten seither mit Emulgato-

ren, Fungiziden und Bakteriziden (z.B. PCP) hergestellt und haltbar gemacht wer-

den. Ebenfalls etwa seit Anfang der 1930er Jahre ist in Schleswig-Holstein mit der

verstärkten Anwendung chlorierter Kohlenwasserstoffe als Lösungsmittel (Per, Tri)

zu rechnen.

Steigende Metallpreise in den Jahren zwischen 1960 und 1980, besonders nach der

Einführung des Abfallwirtschaftsgesetzes, führten zudem dazu, Drehspäne in mög-

lichst sauberer Form wiederzuverwenden, so dass diese häufig schon beim Erzeu-

ger mit Kaltreinigern oder anderen Lösungsmitteln entölt wurden.

In der Härterei befanden sich die Öfen und Bäder für die zu härtenden Werkstücke

regelmäßig in der unmittelbaren Nähe der Dreh-, Fräs- oder Poliermaschinen, so

dass von einem befestigten Boden der Werkstatt ausgegangen werden kann. Den-

noch ist mit kontinuierlichen Stoffverlusten durch Hantierungen mit dem Werkstück

zu rechnen. Bei der Härtung entstehen umweltgefährdende Abfallstoffe und Verun-

reinigungen, insbesondere Mineralöle, Säuren, Schwermetallsalze sowie Alkalicya-

nide und –cyanate, die in nicht mehr brauchbaren Härtereibädern gelöst vorliegen

können. Ferner können verbrauchte Härtereibäder aus verunreinigtem Blei beste-

hen. Die Entsorgung dieser Bäder ist für den Zeitraum vor 1970 selten belegbar.

Seit den 1970er Jahren werden verbrauchte schwermetallhaltige Härtereibäder und

auch Ölbäder von Spezialfirmen wieder aufbereitet. Die Verfahren waren jedoch in

den ersten Jahren nicht ausgereift, so dass die Altbäder vielfach in Containern auf

dem Betriebshof lagerten.

Die für die Schweißarbeiten notwendigen Acetylenanlagen befanden sich wegen der

Explosionsgefahr zumeist abseits der Werkstatt in einem Schuppen, neben dem

auch die Absetzbecken für Karbidschlamm (Calciumhydroxid) zu suchen sind. Es ist

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Branchenblatt Maschinenfabriken Seite 7

Altlasten-Leitfaden Schleswig-Holstein: Erfassung Anhang 11

nicht auszuschließen, dass dieser Schlamm auf das Betriebsgelände verbracht

wurde. Karbidschlämme können aufgrund ihrer Alkalität einen Einfluss auf die Lös-

lichkeit von Schadstoffen im Boden bzw. Grundwasser haben.

Auch im Bereich der Lackiererei gab es im Lauf der Zeit Veränderungen hinsichtlich

der Altlastenrelevanz (vgl. Branchenblatt Lackiererei).

Veränderungen in der Bewertung der Umweltrelevanz ergeben sich für die Weltkrie-

ge, da alle rüstungswirtschaftlich bedeutenden Betriebe der Kontrolle ziviler Auf-

sichtsbehörden weitgehend entzogen waren, und daher häufig in baulichen Anlagen

arbeiteten, die für Gewerbebetriebe auch nach damaligem Stand der Technik nicht

geeignet waren. Es fehlte zumeist an einer Befestigung des Fußbodens sowie an

geeigneten Abwasseranlagen. Ähnlich sind die Nachkriegszeiten zu beurteilen, da

behördliche Kontrollen zu diesem Zeitpunkt nur eingeschränkt durchgeführt wurden.

Tabelle 2 Zusammenfassung aller altlastrelevanten Aspekte und Zuordnung zu

den Branchenklassen SH.

Zeitspanne Hilfsstoffe Nebenprodukte Altlastrelevante

Aspekte Branchen-klasse SH

bis 1900 Seifen, Wasser,

Leinöle, Rüböle,

Mineralöle, Form-

sande, Schrott,

überwiegend natür-

liche Binder

Metallspäne, Schwer-

metalle, Formsande,

Strahlsande (ab

1884), Schlacken,

Gussreste, Ofenaus-

bruch, PAK

keine Abwasser-

anlagen, keine

Bodenbefesti-

gung, Ablage-

rung von Abfällen

auf der Betriebs-

fläche

1

1900 – 1930 Seifen, Wasser,

erste Bohröle ohne

PCB; zunehmende

Mengen an Mineral-

ölen, erste Lösungs-

mitteleinsätze, Blei,

Schwermetallsalze,

Formsande, Schrott,

überwiegend natür-

liche Binder

gering verölte Me-

tallspäne, geringe

Mengen Karbid-

schlamm, Schwerme-

talle, Form-sande,

Strahlsande (ab

1884), Schlacken,

Gussreste, Ofenaus-

bruch, PAK, Härterei-

abfälle

keine Abwasser-

anlagen, keine

Bodenbefesti-

gung, Ablage-

rung von Abfällen

auf der Betriebs-

fläche, infolge

der Kriegswirt-

schaft mangeln-

de Überwachung

2

1931 – 1960 Bohr- und Schneid-

öle, PCB, Emulsio-

nen, Fungizide,

Bakterizide; Schwer-

metallsalze, Blei,

Cyanide, Formsan-

de, zunehmend

chemische Binder;

Flussmittel (Fluor-

säure); Gussschrott

mit PCB; Mineralöle,

Lacke, hauptsäch-

lich aliphatische und

aromatische Lö-

sungsmittel, Lacke

ölige Metallspäne,

Ölschlämme mit PCB,

Schwermetalle; cya-

nidhaltige Härterei-

abfälle, Lösungsmit-

telrückstände, Farb-,

Karbid- und Lack-

schlämme, Form- und

Strahlsande, Schla-

cken, Gussreste,

Ofenausbruch, PAK

infolge der

Kriegswirtschaft

mangelnde Über-

wachung, keine

Abscheider für

Farbschlämme,

keine geregelte

Entsorgung der

Härterei- und

sonstiger Abfälle

4

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Branchenblatt Maschinenfabriken Seite 8

Altlasten-Leitfaden Schleswig-Holstein: Erfassung Anhang 11

1961 – 1980 Bohr- und Schneid-

öle, PCB, Emulsio-

nen, Fungizide,

Bakterizide;

Schwermetallsalze,

Blei, Cyanide, Säu-

rebeizen und Deter-

gentien; Formsande,

natürliche und che-

mische Binder;

Flussmittel (Fluor-

säure); Gussschrott

mit PCB; Mineralöle,

Lösungsmittel aller

Art, Lacke

ölige Metallspäne,

Ölschlämme mit PCB,

Schwermetalle; Lö-

sungsmittelrückstän-

de; Farb- und Lack-

schlämme, cyanidhal-

tige Abfälle aus der

Härterei, Formsande,

Strahlsande, Schla-

cken, Gussreste,

Ofen-ausbruch,

Schwer-metalle, PAK

Entölen der Spä-

ne mit CKW.

Einführung der

Entgiftung und

Neutralisation

von Abwässern

sowie von Ab-

scheidern für

Farbschlämme

und -nebel; un-

geregelte Ab-

fallentsorgung

4

1981 – Ge-

genwart

Bohr- und Schneid-

öle, Emulsionen,

Fungizide, Bakteri-

zide; Schwermetall-

salze, Cyanide, Blei,

Säurebeizen und

Detergentien, Form-

sande, natürliche

und chemische Bin-

der; Flussmittel

(Fluorsäure); Guss-

schrott mit PCB;

Mineralöle; über-

wiegend BTEX,

Lacke

ölige Metallspäne,

Ölschlämme, Schwer-

metalle, Farb- und

Lackschlämme, cya-

nidhaltige Abfälle aus

der Härterei, Form-

und Strahlsande,

Schlacken, Gussres-

te, Ofenausbruch,

Schwermetalle, PAK,

Lösungsmittelrück-

stände

seit Beginn der

1980er Jahre

Abnahme des mit

PCB verunreinig-

ten Schrottes,

Zunahme der

Kunststoffverar-

beitung in der

Gießerei; gere-

gelte Abfallent-

sorgung, Verbot

von verschiede-

nen Schadstof-

fen, Einsatz lö-

semittelarmer

Lacke

3

Branchenklasse 0: kein Gefährdungspotential Branchenklasse 1: Gefährdungspotential sehr gering Branchenklasse 2: Gefährdungspotential gering Branchenklasse 3: Gefährdungspotential mäßig Branchenklasse 4: Gefährdungspotential hoch Branchenklasse 5: Gefährdungspotential sehr hoch

7 Literaturhinweise

BERNSDORF, G.: Auf heißen Spuren. Vom Schmieden, Löten, Schweißen. Leipzig,

1986.

HANOW, M. (HRSG.): Schleswig-Holstein und seine Industrie. Verlag M. Dumont

Schauberg, Köln, 1957.

HOFFMANN, M.: Handbuch der praktischen Werkstatt-Mechanik. Metall- und Holz-

dreherei. Wien, Leipzig, 1925.

LOSS, A.: Handbuch der Dreherei. Leipzig, 1920.

LUEGER, O. (HRSG.): Lexikon der gesamten Technik und ihrer Hilfswissenschaf-

ten, Band 4, 2., neu bearbeitete Auflage. Deutsche Verlagsanstalt, Stuttgart und

Leipzig, 1904.

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Branchenblatt Maschinenfabriken Seite 9

Altlasten-Leitfaden Schleswig-Holstein: Erfassung Anhang 11

MEINCK, F.; STOOFF, H.; WELDERT, R.: Industrie-Abwässer. Schriftenreihe des

Vereins für Wasser-, Boden- und Lufthygiene, Band 6. Stuttgart, 1953.

MOMMERTZ, K. H.: Bohren, Drehen und Fräsen. Geschichte der Werkzeugma-

schinen. Rowohlt Verlag, Reinbek, 1981.

ROHR, B.; WIELE, H. (HRSG.): Lexikon der Technik. VEB Bibliographisches Insti-

tut, Leipzig, 1982.

SACHS; EISBEIN; KUNTZE; LINICUS: Spanlose Formung der Metalle. Mitteilungen

der Deutschen Materialprüfanstalten, Sonderheft 16. Berlin, 1931.

SCHLOSSER, E.: Das Löten und Schweißen. Die Lote, Lötmittel und Lötapparate

und das autogene Schweißen der Metalle. Wien, 1922.

STAU, C. H.: Die Drehmaschinen, Drehbänke und verwandte Werkzeugmaschinen.

Berlin, Göttingen und Heidelberg, 1963.

STEINBRINGS; MAIER: Der praktische Maschinenschlosser und Mechaniker. Ber-

lin, 1942.

WEINER, R.: Die Abwässer der Metallindustrie (Metallverarbeitende und galvano-

technische Betriebe), 3. erweiterte Auflage. Eugen Leuze Verlag, Saulgau, 1965.

WITTMANN, K.: Die Entwicklung der Drehbank. Berlin, 1941 (2. Auflage: Düsseldorf

1960).

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Altlasten-Leitfaden Schleswig-Holstein: Erfassung Anhang 11 Histinvest Dr. Klaus Schlottau – Bremen

Branchenblatt Matratzenreinigung

Inhaltsverzeichnis Seite 1. Bezeichnung der Branche 2 2. Historischer Überblick 2 3. Allgemeiner Verfahrensablauf 2 4. Umweltrelevante Verfahrens- und Produktionsschritte sowie Ver- 4

unreinigungspotentiale 5. Gesetzliche Ausführungsvorschriften für verwendete Stoffe/ 4

Stoffgruppen 6. Altlastenrelevante/altlastirrelevante Nutzungszeiträume 4

7. Literaturhinweise 5

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Seite 2 Branchenblatt Matratzenreinigung

Altlasten-Leitfaden Schleswig-Holstein: Erfassung Anhang 11

1. Bezeichnung der Branche

.Mit dem Aufkommen der Matratzen im 18. Jahrhundert wurde auch eine Reinigung

erforderlich. Die Reinigung der Matratzen durch Ausklopfen und Abbürsten wird in

Haushalten vielfach heute oftmals noch manuell getätigt, während sich das Reini-

gungsgewerbe bereits seit dem Ende des 19. Jahrhunderts auf eine Reinigung im

großtechnischen Maßstab spezialisierte. Besondere Bedeutung hat die Matratzen-

reinigung aus hygienischen Gründen z. B. in Krankenhäusern, Kasernenanlagen

und Hotels. Der Bedarf dieser Einrichtungen wurde zwar oft durch eigene Wäsche-

reien gedeckt, aber mit der Entwicklung der einteiligen Matratze wurden diese zu

groß und zu schwer und erforderten Einrichtungen, die nur im Rahmen von speziali-

sierten Dienstleistungsanbietern rentabel wirtschaften konnten.

Die Verunreinigung der Matratze erfolgt durch Körperschweiß und Körperflüssigkei-

ten, durch Hautpartikel, Hautfette und durch den Kot der sich von dieser Nahrungs-

grundlage ernährenden Milben (Guanin). Innerhalb eines Jahres kann sich daher in

einer Matratze ein halbes Kilogramm Milbenkot und anderer Partikelschmutz an-

sammeln. Dieser Schmutz muss durch Ausklopfen, Bürsten und intensives Aussau-

gen, das zugleich eine Trocknung bewirkt, entfernt werden. Milbengelege, Bakterien

und andere Infektionskeime, die besonders in den Krankenhausmatratzen zu erwar-

ten sind, müssen durch eine Desinfektion mit Heißdampf abgetötet werden.

2. Historischer Überblick

Bis ins 19. Jahrhundert wurden als Füllstoffe der Matratzen zum Beispiel Seegras,

Schafwolle oder Rosshaar eingesetzt, ab Ende des 19. Jahrhunderts erweiterte

sich die Auswahl der Füllstoffe um importierte Pflanzenfasern wie Sisal, Kokos

oder Alfagras. Als einteilige Vollmatratze hat sich in der Neuzeit die Schaumgum-

mi- oder Polyethylenmatratze durchgesetzt. Das Material wird industriell in großen

Blöcken hergestellt und nach Bedarf zugeschnitten. Die Höhe der Matratze ist vom

Raumgewicht abhängig, das darüber entscheidet, bis zu welchem Gewicht eine

Elastizität gewährleistet ist. Im Bettenfachhandel werden derartige Vollmatratzen

in der Regel mit einem fassonierten Bezug angeboten, so dass die Matratze mit

einem abgesteppten, baumwollwattegefüllten Drell in den Verkauf gelangt. Dieser

Bezug kann in der Regel entfernt und gewaschen werden.

Die Federkernmatratze unterscheidet sich von der Vollmatratze darin, dass in der

Füllung elastische Kammern eingebaut sind, die für eine flexible Liegefläche sor-

gen.

3. Allgemeiner Verfahrensablauf

Die Reinigung der Matratzen erfolgt in Abhängigkeit von Konstruktion und Ver-

schmutzung. Gepolsterte Vollmatratzen und Federkernmatratzen erfordern bereits

bei der Herstellung einen deutlich höheren Aufwand und wurden wegen ihrer relati-

ven Kostbarkeit viel seltener gewechselt. Eine Reinigung konnte nur durch eine

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Branchenblatt Matratzenreinigung Seite 3

Altlasten-Leitfaden Schleswig-Holstein: Erfassung Anhang 11

Fachkraft erfolgen, die in der Lage war, die Polsterung wieder fachgerecht zu füllen

und zu vernähen.

Matratzenreinigungen wurden gewerblich besonders dort aktiv, wo neben den übli-

chen Verschmutzungen durch Schweiß, Körperflüssigkeiten und Ungeziefer, Keime

zu bekämpfen waren: Krankenhäuser, Anstalten und Heime, Kasernen sowie Ho-

tels. Auch hier wurde zunächst die mechanische Reinigung in Form von Ausklopfen

und Lüften betrieben, um das Gros der Verschmutzungen zu beseitigen.

Seit dem Ende des 19. Jahrhunderts wurden auch die Matratzen mit sehr leistungs-

starken Staubsaugern bearbeitet, um den Schmutz zu entfernen ohne die Matratze

zu öffnen. Zu diesem Zweck wurden besonders Klopfsauger mit rotierenden Bürsten

entwickelt, die in einem Arbeitsgang sowohl den Drell reinigen, als auch durch ein

entsprechend hohes Vakuum den Staub, Kot und Partikel zerdrückter Füllungen

durch den Bezug hindurch anzusaugen. Ähnlich den Klopfsaugern in der Tep-

pichreinigung können diese Geräte mittlerweile auch mit aufgesprühten Reinigungs-

und Desinfektionsmitteln, zumeist Seifen auf der Basis von Alkoholen, ausgestattet

werden. Diese werden unmittelbar nach der Einwirkung wieder aufgesogen, so dass

die Matratze kaum feucht wird. Moderne Geräte, die besonders von Spezialfirmen in

Hotels eingesetzt werden, reinigen und durchlüften vor Ort eine Matratze innerhalb

einer Spanne von 20 Minuten und saugen dabei bis zu einem Kilogramm Schmutz

ein.

Abb. 1: Matratzendämpfer (Quelle: VOSSWERKE SAARSTEDT).

Diese Geräte können mit der Desinfektionseinrichtung inzwischen auch in Kranken-

häusern, Pflegebetrieben und anderen Einrichtungen mit einem hohen Keimpotenti-

al eingesetzt werden. Ursprünglich hatten die zumeist anstaltseigenen Wäschereien

für Matratzen eine Desinfektionskammer. In diesen Wäschereien, die den gewerbli-

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Seite 4 Branchenblatt Matratzenreinigung

Altlasten-Leitfaden Schleswig-Holstein: Erfassung Anhang 11

chen Wäschereien in Nichts nachstanden, wurde wie üblich zunächst der gesamte

Partikelschmutz durch Klopfen, Bürsten oder Saugen entfernt, dann wurden Einzel-

flecken je nach Fleckenart detachiert (Vgl.: Branchenblatt Chemische Reinigung)

und zuletzt gelangte die Matratze für einige Zeit in einen speziellen Schrank, in dem

durch überhitzten Dampf Keime und Ungeziefergelege abgetötet wurden.

Die modernste Variante der Reinigung von Matratzen besteht darin, die Matratze

vor Ort im Bett, mit Hilfe einer transportablen Spezialreinigungsmaschine zu säu-

bern. Die Maschine erzeugt hochfrequente Schwingungen, die die Schmutzpartikel

im Inneren der Matratze lösen, welche dann durch ein Gebläse abgesaugt werden.

Zugleich werden UV-Strahlen erzeugt, die in der Lage sind, Bakterien, Viren und

Gelege abzutöten. Im Anschluss an diese Reinigung wird die Matratze äußerlich

nochmals mit einem alkoholischen Desinfektionsspray behandelt, so dass auch ver-

bliebene Keime oder Pilze mit hoher Wahrscheinlichkeit vernichtet worden sind.

4. Umweltrelevante Verfahrens- und Produktionsschritte sowie Verunreinigungspotentiale

Die Reinigung von Matratzen ist nicht mit umweltrelevanten Verfahrensschritten

verbunden. Es werden nur Desinfektionsmittel und Seifen auf der Basis von Alkoho-

len eingesetzt, um eine rasche Trocknung zu ermöglichen..

5. Gesetzliche Ausführungsvorschriften für verwendete Stoffe/Stoffgruppen

Im Zusammenhang mit der Reinigung von Matratzen werden, mit Ausnahme der

Detachur (vgl. Branchenblatt Chemische Reinigung), keine Stoffe genutzt, für die

gesetzliche Anwendungsvorschriften erlassen wurden.

6. Altlastrelevante/altlastirrelevante Nutzungszeiträume

Die Matratzenreinigung ist zu keinem Zeitpunkt mit umweltschädlichen Verunreini-

gungen verbunden gewesen.

Tabelle 1 Zusammenfassung aller altlastrelevanten Aspekte und Zuordnung zu

den Branchenklassen SH

Zeitspanne Hilfsstoffe Nebenprodukte Altlastrelevante

Aspekte Branchen- klasse SH

1880 - Ge-

genwart

Seifen, Desinfekti-

onsspray.

0

Branchenklasse 0: kein Gefährdungspotential Branchenklasse 1: Gefährdungspotential sehr gering Branchenklasse 2: Gefährdungspotential gering Branchenklasse 3: Gefährdungspotential mäßig Branchenklasse 4: Gefährdungspotential hoch Branchenklasse 5: Gefährdungspotential sehr hoch

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Branchenblatt Matratzenreinigung Seite 5

Altlasten-Leitfaden Schleswig-Holstein: Erfassung Anhang 11

7. Literaturhinweise

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hen der Henkel & Cie. GmbH., Düsseldorf. Econ Verlag Düsseldorf 1966.

HACKENBERG, W.: Die Hygiene des Bettes, Diss. Med. Düsseldorf 1953.

HERZFELD, J.: Die Dampf-Wäscherei in ihrer Bedeutung und Anwendung für fiska-

lische, gewerbliche und private Anstalten, Verlag Fischer, Berlin 1894.

HEUSSNER, Fritz und Karl HUEMER sowie Siegfried ZUBER: Die industrielle Wä-

scherei, Fachbuchverlag, Leipzig 1967.

http://www.matratzenreinigung24.de (Zugriff am 11.09.2007).

KOCH, D. u.a.: Lexikon für Textilreiniger: Zusammenstellung aller stoffkundlichen,

chemischen, technischen und Praxis-Begriffe für Wäscherei, Chemischreinigung,

Färberei, Teppichreinigung, Lederpflege und verwandte Gebiete. Verlag Neuer Mer-

kur, München 1973.

KRÜGER, Ute: Reduktion der Besiedlung neuwertiger Matratzen mit Bakterien,

Schimmelpilzen und Hausstaubmilben durch Matratzenganzbezüge. Diss. Greifs-

wald 2002.

LINKE, Hans Robert: Die Geschichte des Bettes und der Matratze aus orthopädi-

scher Sicht, Triltsch Druck und Verlag, Düsseldorf 1979.

MAIER-STREIB, Sophie: Bettfedern und Roßhaar. Praktische Anleitung zum Wa-

schen, Entfetten, Bleichen, Desinfizieren und Geruchlosmachen der Bettfedern so-

wie zum Waschen und Auffrischen von Woll- und Roßhaarmatratzen und feiner

weißer Wollsachen. 7. Verbesserte und vermehrte Auflage, Karl Rohm Verlag,

Lorch o. J. (ca. 1910).

MASSOT, Wilhelm: Textil-Industrie III: Wäscherei, Bleicherei, Färberei und ihre

Hilfsstoffe, 2. umgearbeitete Auflage, G. J. Göschen’sche Verlagsbuchhandlung,

Leipzig 1911.

ROGGENHOFER, G.: Die Wäscherei in ihrem ganzen Umfange. Bearbeitet nach

den neuesten Erfahrungen auf dem Gebiete der chemischen und Naßwäscherei

unter Mitwirkung bewährter Fachmänner, 3. vermehrte und verbesserte Auflage,

Ziemsen-Verlag, Wittenberg 1927.

SCHMIDT-LIEB, Willy: Federn und Daunen – Fühlen und Staunen. 100 Jahre

Frankfurter Bettfedernfabrik Fritz Volker GmbH. Eigenverlag Fritz Volker GmbH,

Frankfurt 1985.

SIEVERT, Maria: Experimentelle Untersuchungen über die Desinfektion von Betten

und Matratzen in überhitztem Dampf. Diss. Med. Münster 1962.

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Seite 6 Branchenblatt Matratzenreinigung

Altlasten-Leitfaden Schleswig-Holstein: Erfassung Anhang 11

VOGT, Gustav: Die Wäscherei im Klein-, Neben- und Großbetrieb: Unter Berück-

sichtigung der Chemisch-Wäscherei und –Reinigung, der Fleckenreinigungskunde,

Desinfektion, Färberei und Bleicherei, Handschuhwäscherei und –Färberei, Tep-

pichreinigung usw. Max Jänecke Verlagsbuchhandlung, Hannover 1907.

VOSSWERKE SARSTEDT (Hg.): Die Technik der Wäscherei. Selbstverlag der

Vosswerke Sarstedt, Sarstedt 1939.

Page 249: Landesamt für Landwirtschaft, Einblicke in die Arbeit … this pageLandesamt für Landwirtschaft, Umwelt und ländliche Räume Schleswig-Holstein Altlasten-Leitfaden Schleswig-Holstein

Altlasten-Leitfaden Schleswig-Holstein: Erfassung Anhang 11 Histinvest - Dr. Klaus Schlottau, Bremen

Branchenblatt Arbeitstechniken und Verfahren der Metall-

bearbeitung

Inhaltsverzeichnis Seite 1 Einleitung 2 2 Reinigung von Werkstücken oder Werkzeugen 3 2.1 Mechanische Reinigung 3 Picken 3 Bürsten 3 Strahlen 4 Schleifen 5 Polieren 6 2.2 Chemische Reinigung 6 Alkalische Bäder 6 Reinigung mit Detergentien 7 Reinigung mit organischen Lösungsmitteln 7 Beizen 8 Abbeizen 9 Beizen für einzelne Metalle 9 2.3 Thermische Reinigung 11 3 Schneidende Bearbeitung von Werkstücken 11 4 Nicht-spanende Bearbeitung von Werkstücken 12 Drahtzieherei 12 Stauchen und Hämmern 12 Walzen 13 5 Spanende Bearbeitung von Werkstücken 13 6 Thermische Bearbeitung von Werkstücken 14 6.1 Thermische Verfahren mit Veränderung der Oberflächeneigen-

schaften 14 Traditionelle Metallhärterei 14 Thermisch molekulare Metallbehandlungen 16 6.2 Thermische Verfahren ohne Veränderung der Oberflächeneigen-

schaften 17 7 Kühlschmierstoffe 18 7.1 Aufgaben der Kühlschmierstoffe 18 7.2 Eigenschaften der Kühlschmierstoffe 18 7.3 Inhaltsstoffe der Kühlschmierstoffe 19 7.4 Schadstoffe beim Umgang mit Kühlschmierstoffen 20 8 Allgemeine Verunreinigungen durch den Metallbearbeitungsbetrieb 21 9 Literaturhinweise 22

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Branchenblatt Arbeitstechniken und Verfahren der Metallbearbeitung Seite 2

Altlasten-Leitfaden Schleswig-Holstein: Erfassung Anhang 11

1 Einleitung

Unter dem Oberbegriff Metallbearbeitung verbergen sich vielfältige Produktionsver-

fahren. In Abbildung 1 ist die Einteilung der metallbe- und verarbeitenden Technolo-

gien in Anlehnung an die DIN 8580 dargestellt.

Urformen

Umformen

Fügen

Trennen

Beschichten

Stoffeigen-

schaft ändern

Gießen, Sintern, Pulverme-tallurgie

Schmieden, Pressen, Walzen, Ziehen

Schweißen, Löten, Kle-ben, Nieten

Zerteilen, Spanen, Abtragen

Metallische Schutzschich-ten, Nichtmetal-lische anorga-nische Schutz-schichten, Or-ganische Schutzschich-ten

Wärmebehand-lung, Sintern/ Brennen

Abb. 1: Einteilung der metallbe- und verarbeitenden Technologien in Anlehnung

an DIN 8580

Jeder Betrieb, ob handwerklich oder industriell, hat jedoch seine eigenen Verfahren

und Produktsortimente, die häufig wechseln können. Seit Mitte des 19. Jahrhunderts

wurden die weitgehend gleichen Produktionsschritte und -verfahren durch Speziali-

sierungen auf bestimmte Produkte oder Dienstleistungen abgelöst. Obgleich die

Einzelbearbeitungsschritte in der Metallbearbeitung sehr vielfältig sind, gibt es den-

noch viele gemeinsame Verfahren und Arbeitsschritte.

Die wesentlichen Arbeitsschritte sind:

Mechanische Reinigung der Werkstücke

Chemische Reinigung der Werkstücke

Schneidende Bearbeitung der Werkstücke

Spanende Bearbeitung der Werkstücke

Nicht-spanende Bearbeitung der Werkstücke

Thermische Bearbeitung der Werkstücke

Gießerei

Oberflächenbehandlung von Metallen und Metallprodukten

Verbindungstechniken von Metallteilen

Die Punkte „Gießerei“ und „Oberflächenbehandlung von Metallen und Metallproduk-

ten“ sind eigenständige Bereiche der Metallbearbeitung, auf die in den entspre-

chenden Branchenblättern näher eingegangen wird. „Verbindungstechniken von

Metallbe- und verarbei-

tende Technologien

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Branchenblatt Arbeitstechniken und Verfahren der Metallbearbeitung Seite 3

Altlasten-Leitfaden Schleswig-Holstein: Erfassung Anhang 11

Metallteilen“, zu denen insbesondere die häufig angewandten Fertigungsverfahren

des Lötens und des Schweißens zählen, werden im Folgenden nicht behandelt, da

von diesen Verfahren kaum Kontaminationen ausgehen. Andere Verfahren wie die

Klebetechniken sind in der Metallbearbeitung nicht weit verbreitet und darüber hin-

aus in der Regel nicht mit Kontaminationen verbunden.

2 Reinigung von Werkstücken oder Werkzeugen

Als grundsätzliche Vorbehandlung der Werkstücke muss eine Reinigung von

Schmiermitteln, Korrosionen oder Lackschichten durchgeführt werden. Zu diesem

Zweck wird eine mechanische oder chemische Reinigung sowie eine anschließende

Beize eingesetzt.

2.1 Mechanische Reinigung

Zu den mechanischen Verfahren der Reinigung und Vorbereitung der Metallstücke

gehören das Picken, das Bürsten, das Strahlen, das Schleifen und das Polieren.

Picken

Das Picken ist ein Reinigungsverfahren, das bei stark verrosteten oder mit dicken

Farbschichten versehenen Metallteilen angewandt wird. Dabei werden mit einem

Hammer oder Meißel Brocken der Oxidschicht oder der Farbe in groben Stücken

entfernt. Gegenwärtig ist dieses Handverfahren lediglich in der Schifffahrt gebräuch-

lich. In der Industrie, besonders im Stahlbereich, gibt es Maschinen, die mit mecha-

nisierten Schlegeln versehen sind und das Werkstück mehrseitig bearbeiten, bevor

es zum Sandstrahlen weitergeleitet wird.

Für dieses Reinigungsverfahren werden keine Hilfsstoffe benötigt. Als Abfall entste-

hen die losgeschlagenen Oxidschichten, gegebenenfalls auch die abgeplatzten

Grundierungen, Farb- oder Lackschichten bei gebrauchten Metallen.

Bürsten

Es handelt sich um ein Verfahren, das geeignet ist, lose anhaftende Oxidschichten

oder Reste, die nach den groben Vorarbeiten (z.B. dem Picken) zurückgeblieben

sind, durch manuelles oder maschinelles Bürsten mit unterschiedlich harten Borsten

zu beseitigen. Das Bürsten mit Draht-, Messing- oder Wurzelbürsten ist ein Reini-

gungsverfahren, das in allen metallbearbeitenden Handwerken, in Montage- und

Reparaturbetrieben sowie in der Industrie eingesetzt wird.

Hilfsstoffe werden für diese Bearbeitungsstufe nicht benötigt. Als Abfall entstehen

grobkörnige Stäube aus Oxiden, Altfarben und Altlacken.

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Branchenblatt Arbeitstechniken und Verfahren der Metallbearbeitung Seite 4

Altlasten-Leitfaden Schleswig-Holstein: Erfassung Anhang 11

Strahlen

Das Strahlen ersetzt im industriellen Maßstab die beiden weitgehend handwerkli-

chen Reinigungsverfahren des Pickens und des Bürstens. Seit dem Ende des 19.

Jahrhunderts setzt die Stahlbauindustrie für die Reinigung der Werkstücke zuneh-

mend die so genannte „Sandstrahlung“ ein. Mit der Verbreitung der Elektromotoren

seit den 1920er Jahren begann auch das metallverarbeitende Handwerk Kompres-

soren und Sandstrahlgeräte zu verwenden. Hierbei wird mit Hilfe von Pressluft, die

in stationären oder mobilen Anlagen erzeugt wird, ein Strahlmittel aus einer Düse

gepresst. Dieses schlägt mit hoher Energie auf die zu bearbeitende Fläche auf und

reißt dabei die Rost- oder Farbschichten auf, so dass binnen kurzer Zeit die blanke

Metalloberfläche freigelegt wird. Anstelle der Pressluft wird in großen Industriebe-

trieben auch Wasser unter großem Druck als Transportmittel eingesetzt. Dies hat

den Vorteil, dass eine Staubentwicklung weitgehend vermieden wird. Je höher dabei

der Wasserdruck ist, desto weniger Strahlmittel wird benötigt, weil die Energie des

Wassers ausreicht, um die Metalloberfläche zu reinigen.

Bei den Strahlmitteln handelt es sich zumeist um Materialien, die in Wasser nicht

löslich sind und in der Regel miteinander keine Verbindungen eingehen. Traditionel-

les Hilfsmittel des Strahlens ist gewaschener Sand in unterschiedlichen Korngrößen.

Bereits in den 1920er Jahren wurde auch synthetischer Korund aus Aluminiumoxid

wegen seiner größeren Härte und scharfkantigeren Beschaffenheit genutzt. Mit ab-

nehmender Häufigkeit werden folgende Strahlmittel eingesetzt: Zirkonsand,

Chromsand, gemahlener Basalt, Siliziumkarbid, stählerne oder gusseiserne Körner,

Stahldrahtabschnitte sowie Industrieabfallprodukte (vor allem Kupferschlacke, Hoch-

ofenschlacke und Glasgrus).

Die Strahlmittel sind nach dem Gebrauch mit Metalloxiden, schwermetallhaltigen

Grundierungen, öl- und teerhaltigen Isoliermitteln sowie Farb- und Lackresten ver-

unreinigt. Bis in die 1970er Jahre wurden schadstoffbelastete Strahlmittel und

Schlacken in der Industrie und in Handwerksbetrieben häufig zur Bodenauffüllung

oder Wegeausbesserung benutzt.

Aus Kostengründen wird zunehmend eine Strahlmittelrückgewinnung betrieben, bei

der die Schadstoffe im Luftstrom durch Sedimentation oder andere physikalische

Verfahren vom Strahlmittel getrennt werden. Solche Reinigungsverfahren eignen

sich jedoch in der Regel nur für Strahlkabinen. Bei Strahlarbeiten im Freien, wie

zum Beispiel im Stahlbau und besonders im Schiffbau auf Reparaturwerften, kann

das Strahlmittel kaum zurückgewonnen werden.

Als Abfall entstehen schwermetallhaltige Strahlmittel (überwiegend Kupfer, Chrom,

Blei, Zink, aber auch Eisen und andere Metalle) sowie Metalloxide, schwermetallhal-

tige Grundierungen, öl- und teerhaltige Isoliermittel sowie Farb- und Lackreste aus

dem Reinigungsprozess.

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Altlasten-Leitfaden Schleswig-Holstein: Erfassung Anhang 11

Schleifen

Schleifen ist ein spanabhebender Prozess unter Verwendung von Schleifsteinen,

-papieren bzw. -bändern. Es dient zum Glätten der Oberflächen, zum Entfernen von

Zunder und Gusshaut und zur Beseitigung von Gieß- oder Stanzgraten bzw. kleinen

Fehlern in der Oberfläche.

Das Schleifen der Metalle wurde jahrhundertelang mit Hilfe von Schleifsteinen aus

Sandstein durchgeführt. Die Steine wurden mittels einer Handkurbel, im Falle von

Schleifwerkstätten auch von Wasserrädern, später von Dampfmaschinen oder

Elektromotoren, angetrieben. Neben den Schleifsteinen wurden auch Feilen oder

Handschleifsteine genutzt. Seit dem Beginn des 20. Jahrhunderts wurden mehr und

mehr künstliche Schleifsteine hergestellt, diese setzten sich überwiegend aus Quar-

zen, einem Gemenge von kieselsauren Stoffen, Bimsstein, Korund und anderen

Halbedelsteinen sowie Siliziumkarbid und künstlichem Korund auf der Basis von

Bauxit zusammen. Als Bindemittel dienten neben den ersten Zementen überwie-

gend Magnesiumoxid, Kautschuk, Schellack und Wasserglas. Nach dem Zweiten

Weltkrieg hat sich als Bindemittel Kaolin durchgesetzt, und die Schleifsteine wurden

keramisch gebacken.

Abb. 2: Arbeit an der Rundschleifmaschine (Quelle: HANOW).

Schleifbänder sind endlose, über zwei Rollen geführte Bänder aus einem textilen

Gewebe oder festem Papier mit aufgeleimten harten Kristallen bestimmter Korngrö-

ße.

Als Abfallstoffe treten insbesondere der Metallstaub sowie die Schleifsteinstäube

auf. Gelegentlich werden auch Schleifpasten oder Schleiffette für Arbeiten, die be-

reits in den Bereich der Polituren hineingehen, genutzt.

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Altlasten-Leitfaden Schleswig-Holstein: Erfassung Anhang 11

Polieren

Polieren ist ein sehr feines Schleifverfahren, bei dem Korngrößen im Nanometerbe-

reich zum Einsatz gelangen, um die Schleifspuren der vorherigen Bearbeitungsstufe

zu beseitigen. Die Kristalle lassen sich daher nicht auf einem Trägermaterial befes-

tigen, sondern werden in Form von Polierpasten eingesetzt. Die Spanabnahme er-

folgt durch harte Kristalle (Berylliumoxid für Hartmetalle und Chromoxid für gehärte-

ten Stahl), die in einer mehlartigen Paste aus weicheren Kristallen (Talk, Graphit)

oder Pudern weicher Schwermetalle gemischt sind. Beim Polieren wird die Paste

mit einem Lappen, Rundpoliermaschinen oder Wattebällen etc. verrieben und ver-

färbt sich durch Aufnahme der abgeschabten Metallpartikel des Werkstückes.

Altlastrelevant sind insbesondere die Schwermetalle der verbrauchten Pasten, die

zumeist im Kehricht als Industrieabfall entsorgt werden.

2.2 Chemische Reinigung

Die chemische Reinigung der Werkstücke lässt sich differenzieren in die Reinigung

mit Alkalien, die Reinigung mit Detergentien, die Reinigung mit organischen Lö-

sungsmitteln und die Reinigung mit Beizmitteln.

Alkalische Bäder

Alkalische Reinigungen mit Hilfe von Laugen sind traditionell in allen Metallhand-

werken durchgeführt worden. Es handelt sich hierbei um einen Waschvorgang, bei

dem durch Lauge als Lösungsmittel und mechanische Bewegung Fette verseift und

emulgiert werden. Dadurch werden die in den Fetten befindlichen Schmutzstoffe,

wie z.B. der Metallabrieb aus Lagern, in Suspension gebracht.

Bis zum Beginn der industriellen Revolution (Ende des 18. Jahrhunderts) wurden

fast immer Pottaschelösungen angewandt, die dann zunehmend durch Industrielau-

gen unterschiedlicher Konzentration ersetzt wurden. Neben dem Hauptbestandteil

Lauge enthalten die Reinigungsmittel seit ca. 1910 folgende Zusatzstoffe: Natrium-

karbonat, Phosphate, Silikate, Detergentien, Komplexbildner sowie Inhibitoren (u. a.

Natriumhyposulfit, Nitrite, Benzoate, Amine und Fettsäureester). Bis in die 1950er

Jahre wurden häufig auch Cyanide in geringer Konzentration hinzugefügt. Der Ge-

halt an Reinigungsmitteln in der gebrauchsfertigen Waschlauge hat von 1960 bis

1990 von ca. 100 g/l auf maximal 30 g/l Wasser abgenommen.

Meist in Kombination mit der Entfettung durch Laugen oder durch Fettlösungsmittel

wird auch die elektrolytische Entfettung angewendet. Die reinigende Wirkung der

Alkalien wird durch die elektrolytische Entwicklung von Wasserstoff oder Sauerstoff

an dem als Kathode oder Anode geschaltetem Werkstück stark unterstützt. Um ca.

1920 dienten als Elektrolyte kalte oder warme Lösungen von Alkalisalzen (Natri-

umcarbonat, Kaliumcarbonat, Ätzkali, Ätznatron, Cyankali).

Nach dem Lösungsvorgang liegen neben den Schadstoffen, die bereits Bestandteil

des Mittels sind, ölhaltige, emulsionsartige wässrige Lösungen mit verseiften oder

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Altlasten-Leitfaden Schleswig-Holstein: Erfassung Anhang 11

veresterten Fetten, Schwermetalle (u.a. Cadmium, Chrom, Kupfer, Nickel und Zink)

sowie Cyanide als Abfallstoffe vor.

Reinigung mit Detergentien

Die Reinigung mit Detergentien erfolgt ebenfalls im wässrigen Medium. Detergen-

tien sind synthetische Seifen, die seit ca. 1910 in den Handel gelangten. Sie enthal-

ten in der Regel Alkylsulfonate, die die Oberflächenspannung des Wassers derart

herabsetzen, dass wässrige Reinigungsmittel als Lösungsmittel eingesetzt werden

können. Sie lösen von der Metalloberfläche Schmiermittel und anhaftende feste

Partikel wie Schleifstaub ab.

Häufig werden Detergentien in spezifischen Mischungen mit Zusätzen anderer Rei-

nigungsmittel, insbesondere Seifen oder speziellen Emulgatoren, für unterschiedli-

che Reinigungsprobleme hergestellt.

In der Detergentienlösung liegen die emulgierten Fett- und Öltröpfchen sowie die

Feststoffe fein verteilt vor. Während der Stillstandzeiten entmischt sich die Emulsion

wieder, so dass sich die Öltröpfchen als Ölphase auf der Badoberfläche sammeln

und entfernt werden können. Gleichzeitig setzen sich die festen Schwebepartikel als

kompakter Schlamm auf dem Beckenboden ab.

Fast alle Detergentien waren bis in die jüngste Vergangenheit nur schwer abbaubar

und belasteten die Umwelt.

Reinigung mit organischen Lösungsmitteln

Die Reinigung mit organischen Lösungsmitteln (Solventreinigung) basiert auf ihrem

hohen Lösungsvermögen für Öle, Fette, Teere, Asphalte, Farben und Lacke. Bei

den Lösungsmitteln handelt es sich in der Regel um halogenierte oder halogenfreie

Kohlenwasserstoffe bzw. um Gemische dieser Stoffe.

Mengenmäßig bedeutsame Lösungsmittel waren seit 1860 aliphatische Lösungsmit-

tel (Petroleum, Terpentine) und Äther sowie seit ca. 1900 zunehmend Waschbenzi-

ne. Zugleich wurden vermehrt aromatische Lösungsmittel (Benzol, Toluol, Xylol) und

Aceton eingesetzt. Die Verwendung von Petroleum ist seit der Einführung der Ben-

zine auf einen vernachlässigbar geringen Anteil gesunken.

Die Lösungsmittel wurden ursprünglich von Hand mit Lappen oder Pinsel aufgetra-

gen. Dabei sammeln sich in der Lösung nach und nach der metallische Abrieb so-

wie die gelösten Öle und Fette an.

Ein gängiges Verfahren der Solventreinigung ist die Dampfentfettung. Hierbei wird

das Lösungsmittel erwärmt und kondensiert auf dem kalten Werkstück, wobei die

Öl- und Fettschichten kontinuierlich gelöst werden. Die oben genannten Lösungs-

mittel eignen sich wegen der schnellen Verdunstung und der Brand- oder Explosi-

onsgefahr nicht für die Dampfentfettung. Dieses Verfahren erfordert daher die An-

wendung schwer entzündlicher Lösungsmittel wie z.B. chlorierte Kohlenwasserstoffe

(CKW). Es wurden unter anderem folgende CKW verwendet: Trichlorethen, Per-

chlorethen und 1,1,1-Trichlorethan. Für die Reinigung von Kunststoffoberflächen

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Altlasten-Leitfaden Schleswig-Holstein: Erfassung Anhang 11

waren bis zum Verbot im Jahre 1991 fluorierte Chlorkohlenwasserstoffe (FCKW) in

Gebrauch.

Während die Verwendung der genannten Lösungsmittel früher ohne besondere Si-

cherheitsmaßnahmen erfolgte, ist der Einsatz seit 1972 mit hohen Auflagen verbun-

den. Zum Schutz der Menschen und der Umwelt wurden die Reinigungseinrichtun-

gen in Waschkabinen mit geregelter Entsorgung verlegt. Zugleich wurden anstelle

der halogenierten Lösungsmittel, deren Gebrauch mit einer hohen Grundwasserge-

fährdung einhergeht, detergentienhaltige Ersatzlösungsmittel eingeführt.

Belastende Stoffe der Solventreinigung sind insbesondere die Lösungsmittel selber,

daneben die in ihnen gelösten Stoffe, Fette und Mineralölkohlenwasserstoffe sowie

die schwermetallhaltigen Abriebstoffe, die in den Fetten und Ölen in Feinstverteilung

vorhanden sind. Bodenkontaminationen können durch Leckagen in den Entfet-

tungsanlagen (z.B. undichte Abwasserleitungen), aber auch durch Handhabungs-

verluste bei der Reinigung großer Werkstücke beim Wischen oder Abtropfverluste

nach der Entnahme aus Tauchbädern u. ä. verursacht werden. Neben Benzol sind

insbesondere die CKW altlastrelevant. Trotz ihrer flüchtigen Eigenschaften muss

davon ausgegangen werden, dass erhebliche Mengen z.B. aufgrund der Beton-

durchlässigkeit in den Boden gelangt sein können. Ferner ist zu berücksichtigen,

dass CKW über feste Abfälle und Schlämme den Boden kontaminieren können.

Beizen

Ziel des Beizens von Metallen ist es, die Oberfläche vor weiteren Behandlungen von

Oxidationsschichten zu befreien.

Fest an der Metalloberfläche haftende Oxidationsschichten wie Rost, Zunder oder

Grünspan lassen sich oft nur noch auf chemischem Wege entfernen. Als traditionel-

le Beizmittel sind seit dem 19. Jahrhundert Mineralsäuren in Reinform oder in Mi-

schungen eingesetzt worden. Da hochkonzentrierte und erhitzte Säuren schnell

auch das Metall angreifen, wurden ab dem Zweiten Weltkrieg sogenannte „Sparbei-

zen“ eingesetzt. Diese weisen deutlich geringere Säurekonzentrationen auf und

enthalten stattdessen mehr als zwei Säuren sowie Inhibitoren und Fettlöser. Als

Inhibitoren oder „Beizhemmer“ werden häufig Knochen- oder Hautleime eingesetzt.

Als Fettlöser nutzt man Detergentien oder organische Lösungsmittel.

Zur Unterstützung der Wirkung der Beizlösung setzt man auch elektrischen Strom

ein. Dieses Verfahren wird vor allem zur Entzunderung von Draht sowie Eisen und

Stahl angewendet. Die Zusammensetzung der Elektrolyte entspricht weitgehend

den Tauchbeizen, nur werden sie meist in verdünnter Form eingesetzt.

Neben diesen flüssigen Beizen gibt es für den gelegentlichen Einsatz oder die Ar-

beit auf Baustellen auch Beizpasten, die aus Säuren und einem Bindemittel, in der

Regel Kieselgur, bestehen.

Für die Beize von Drähten, legierten Stählen oder anderen dünn ausgezogenen

Metallen wurde seit dem 19. Jahrhundert eine Schmelze bestehend aus Natrium-

hydroxid mit Zusätzen von Natriumhydrid, Natriumnitrat und anderen Stoffen (Alka-

liperoxide, -chlorate, -nitrate, -manganate sowie -permanganate) genutzt. Weil das

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Branchenblatt Arbeitstechniken und Verfahren der Metallbearbeitung Seite 9

Altlasten-Leitfaden Schleswig-Holstein: Erfassung Anhang 11

Metall bei diesem Verfahren nicht selber von diesen Stoffen angegriffen wird, han-

delt es sich nicht um eine Beize im Sinne der obigen Definition.

Abbeizen

Das Reinigungsverfahren des Abbeizens wird zumeist zur Entfernung von Altfarben

angewandt und wird auch als Entlackung bezeichnet.

Durch den Einsatz eines zumeist polaren Lösungsmittels (z.B. Methylenchlorid)

werden die alten Farbschichten aufgelöst oder angeweicht, so dass sie in einer wei-

teren mechanischen oder chemischen Bearbeitungsstufe entfernt werden können.

Da die Abbeizmittel leicht flüchtig sind, werden sie meist nicht in reiner Form einge-

setzt, sondern mit Bindemitteln, Detergentien, Weichmachern, Inhibitoren und ande-

ren Hilfsstoffen versetzt.

Als Beize für verkohlte Metallteile haben sich seit ca. 1960 aggressive organische

Lösungsmittel und Beizen auf der Basis von Kresolen durchgesetzt. Ursprünglich

wurden für diesen Zweck Beizen in Form von kochender Chromsäure (10 - 20%ig)

eingesetzt.

In einer groben Einteilung lassen sich folgende Beizen unterscheiden:

Lösungsmittelbeizen für reversible Lacke, bei denen das Originallösungsmittel

auch für die Lösung eingesetzt werden kann (z.B. Benzine und Ethylacetat)

Alkalien, insbesondere Ammoniak und Natronlauge, Kalilauge, Trinatriumphos-

phat oder Mischungen davon

Methylenchlorid mit Inhibitoren

Aggressive organische Substanzen wie Aldehyde, Phenole etc.

Kresole mit Zusätzen von Methylenchlorid und Inhibitoren

Organische Säuren wie Ameisensäure

Chromsäure

Weichmacher in Form von Glykolen

Die gebrauchten Beizbäder sind vor allem mit Schwermetallen (Blei, Cadmium,

Chrom, Zink, Zinn, Kupfer) aus den Altfarben belastet. In der Vergangenheit wurden

häufig mehrere Beiz- und Lösungsmittel nacheinander eingesetzt, so dass Schwer-

metalle in den sauren Beizmitteln gelöst und ölige Verunreinigungen mit den organi-

schen Lösungsmitteln transportiert wurden.

Beizen für einzelne Metalle

Dem Beizen der Metalle muss eine gründliche Entfettung und mechanische Reini-

gung von anhaftenden Lackresten und dergleichen vorausgehen. Auch heute noch

stellt Schwefelsäure das mengenmäßig bedeutsamste Beizmittel dar. Entsprechend

der zu bearbeitenden Metalle lassen sich die Beizen in folgende Gruppen einteilen:

Eisen- und Stahlbeize: Hauptsächlich werden Schwefelsäure (5 -20 Gewichtspro-

zent), Salzsäure (10 - 15 Gew.%) und Phosphorsäure (15 - 20 Gew.%), mit deutli-

chem Abstand gefolgt von Zitronensäure, Oxalsäure, Natriumbisulfat und Fluorwas-

serstoff eingesetzt.

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Altlasten-Leitfaden Schleswig-Holstein: Erfassung Anhang 11

Edelstahlbeize: Als Beizmittel werden verdünnte Schwefel- oder Salzsäure, Fluor-

wasserstoff oder ein Gemisch von Salz- und Salpetersäure mit Ammoniumfluorid

verwendet.

Gusseisenbeize: Gusseisen wird gegenwärtig überwiegend elektrolytisch in

Schwefelsäure oder in einer Salzschmelze gebeizt.

Kupferbeize: Das Beizen von Kupfer wird hauptsächlich mit verdünnter Salpeter-

säure oder Schwefelsäure durchgeführt. Daneben gelangt Salpetersäure mit gerin-

gen Zusätzen von Schwefelsäure, Salzsäure oder Kochsalz zur Anwendung. Gele-

gentlich wird Kupfer während der Beize durch Zugabe von Chromsäure oder Di-

chromschwefelsäure gleichzeitig chromiert.

Aluminiumbeize: Aluminium wird überwiegend mit einer Beize aus Natronlauge (5 -

20 Gew.%) mit Zusätzen von Chloriden, Fluoriden und Nitriten vorbehandelt. Es

schließt sich eine Behandlung mit Mineralsäuren, Chromsäure, Fluorwasserstoff

oder Phosphorsäure an.

Zinkbeize: Zink und seine Legierungen werden meist mit verdünnter Salz-, Schwe-

fel- oder Flusssäure gebeizt, vereinzelt auch durch Zugabe von Sparbeizenzusätzen

(z.B. Thioharnstoff, Chinolin).

Magnesiumbeize: Magnesium und seine Legierungen werden entweder in einer

verdünnten Chromsäure, Salpetersäure oder Oxalsäure gebeizt.

Nach dem metalltypischen Beizen wird in der Regel mit Wasser gespült oder mit

Lauge neutralisiert und anschließend mit Wasser gespült. Zur Vorbeugung von

Flugrost wird meist mit einer stark verdünnten Phosphorsäure kurz nachgebeizt.

Von den oben genannten Hauptverfahren gibt es zahlreiche Varianten. Dazu zählen

das Abbeizen von metallischen Verzinkungen, Verchromungen, Pulverbeschichtun-

gen etc. durch hochkonzentrierte Lösungen mineralischer Säuren oder Cyanide.

Elektrolytisches Glänzen und elektrolytische Polituren werden im Anschluss an das

normale Beizbad durchgeführt. Bei diesen Verfahren wird durch die Elektrolyse die

Oberfläche in der Weise verändert, dass Erhebungen rascher abgetragen werden

als Vertiefungen. Als Elektrolyte wurden früher Perchlorsäure und konzentrierte Es-

sigsäure genutzt. Wegen der damit verbundenen Explosionsgefahr werden heute

Elektrolyte bevorzugt, die auf der Basis konzentrierter Phosphorsäure arbeiten. Für

Aluminium werden alkalische Bäder sowie für Silber und Cadmium alkalisch-

cyanidische Bäder verwendet. Das elektrolytische Glänzen kann auch in einer Lö-

sung aus Anilin, Amylalkohol, Ethandiol und n-Butanol durchgeführt werden.

Durch das Beizen der Metalle entstehen Abfälle in Form verbrauchter Beizbäder

und Spüllaugen, in denen sich Schwermetallsalze und andere Zuschlagstoffe der

Beizen angereichert haben. Bis zum Zweiten Weltkrieg wurden diese Abfallstoffe

zumeist in die Vorfluter abgelassen oder im Boden versickert. Auch bei einer gere-

gelten Abwasserentsorgung in modernen Beizanlagen sind Bodenkontaminationen,

z.B. durch undichte Abwasserleitungen nicht auszuschließen. Als potentielle Kon-

taminationsquelle sind dabei seit Mitte der 1950er Jahre auch die Säureregenerati-

onsanlagen zu beachten. Neben den mengenmäßig im Vordergrund stehenden

Säuren und der Natronlauge sind die zum Passivieren, zum Beizen von Kupfer,

Messing und Silber sowie zum elektrolytischen Glänzen von Cadmium verwendeten

Cyanide hervorzuheben. Vereinzelt wurden bis in die 1980er Jahre verbrauchte

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Branchenblatt Arbeitstechniken und Verfahren der Metallbearbeitung Seite 11

Altlasten-Leitfaden Schleswig-Holstein: Erfassung Anhang 11

Säuren aus Beizbädern wegen des hohen Eisen- und Phosphatgehaltes in Klärwer-

ken zur Ausflockung eingesetzt.

2.3 Thermische Reinigung

Wärme wurde auch zur Reinigung von Blechen, Formstücken oder anderen Walz-

werkprodukten vor deren Verarbeitung eingesetzt. In diesem Fall wird die Bearbei-

tung als Entzunderung bezeichnet, weil die Oxide kurz aufflammen und unter

Funkenbildung verbrennen. Ge- oder entzundert wurde vor allem in Metallbaube-

trieben, in Werften und Montagebetrieben. Außer den branchenüblichen Eisenoxi-

den entstehen dabei keine weiteren Abfallstoffe.

3 Schneidende Bearbeitung von Werkstücken

Bei der schneidenden Bearbeitung von Werkstücken wird zwischen mechanischen

und thermischen Methoden unterschieden.

Zu den mechanischen Methoden zählt das Ablängen der aus den Walzwerken be-

zogenen Profile und Rohre. Es handelt sich um eine besonders schwere und an-

strengende Arbeit, die zunächst mit Handmeißeln und Handsägen, später mit mo-

torbetriebenen Sägen sowie mit Meißelmaschinen betrieben wurde.

Eine große Arbeitserleichterung brachte die Einführung von thermischen Methoden

unter Verwendung von Autogenbrennern, Schneidbrennern und anderen Brenn-

schneideeinrichtungen mit verschiedenen brennbaren Gasen.

Beim Autogenbrennverfahren wird das abzulängende Eisen in einem Ofen oder

über der Flamme rotglühend erhitzt. Anschließend wird durch eine Düse reiner Sau-

erstoff auf die abzutrennende Stelle geleitet. Dabei oxidiert das Eisen zu Eisenoxid,

das einen geringeren Schmelzpunkt als Eisen hat, und wird durch den Luftstrom

fortgeblasen.

Für Verfahren zum Schneiden kalter Eisenprofile werden stets Sauerstoff und

brennbare Gase benötigt. Genutzt werden überwiegend Acetylen, Wasserstoff,

Leuchtgas, Propan und Butan. Letztere werden meist aus spezialisierten Gasfabri-

ken in Flaschen bezogen. Dagegen wurde Acetylen häufig in kleinen Entwicklern

auch von den handwerklichen Betrieben selber hergestellt.

Die Herstellung von Acetylen geschieht durch das Einwirken von Wasser auf Karbid,

wobei sich Acetylen bildet, das in einem gesonderten Druckkessel gesammelt wird.

Acetylenentwickler sind in den metallbearbeitenden Firmen bis in die 1960er Jahre

in Gebrauch gewesen und wurden durch den Bezug von Fertiggasen in Flaschen

ersetzt. Bei der Herstellung von Acetylen entsteht stets eine große Menge wässri-

gen Karbidschlamms. Dieser Schlamm wurde in Gruben gelagert, bis sich die Fest-

stoffe abgesetzt hatten, und dann auf Flächen, die leicht zu erreichen waren, depo-

niert. Große Metallbaubetriebe haben auf diese Weise häufig ihr Gelände aufge-

höht.

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4 Nicht-spanende Bearbeitung von Werkstücken

Bei allen nicht-spanenden Metallbearbeitungen wird das Werkstück durch Druck,

Zug, Schlag, Wärme oder durch Kombination dieser Möglichkeiten plastisch ver-

formt. Bedeutende Verfahren der spanlosen Verformung sind: Schmieden, Ziehen,

Stauchen, Walzen, Pressen, Treiben, Tiefziehen und Extrudieren.

Zum Erhitzen werden überwiegend Schmiedeessen genutzt. Größere Werkstücke

werden in Flammöfen erwärmt. Als Feuerungsmaterial wurde traditionell Holzkohle

verwendet. Seit Beginn der Industrialisierung wurde zur Feuerung zunehmend

Steinkohle mit einem möglichst geringen Asche- und Schwefelgehalt eingesetzt.

Nach dem Verformen wird in der Regel geglüht, um Spannungen zu beseitigen.

Danach werden die Teile erneut gebeizt und anschließend konserviert.

Drahtzieherei

Das Drahtziehen ist ein Metallverformungsverfahren ohne Wärmezufuhr, bei dem

stabförmige Metalle jeder Art durch Zieheisen mit kegeligen Löchern gezogen wer-

den, und dadurch bei einer gleichzeitigen Querschnittsverringerung immer länger

werden. Dieses Verfahren erfordert den Einsatz von Kühlschmierstoffen. Draht wird

durch Patentieren (Erwärmen im Metallbad, häufig Blei) im Gefüge verbessert.

Grober Metalldraht wurde früher nur durch schmiedende Verformung produziert. Im

19. Jahrhundert wurden Grobdrähte überwiegend für die Herstellung von Nägeln

und Gewindestangen verwendet, aus denen dann Schrauben hergestellt wurden.

Gegenwärtig ist der bedeutendste Produktionszweig der Drahtzieherei die Produkti-

on von Wolframdraht für Glühbirnen.

Stauchen und Hämmern

Stauchen und Hämmern sind Verfahren zur Verdichtung eines metallischen Werk-

stückes durch einen plötzlich auftretenden Druck, der z.B. durch einen Schmiede-

hammer erzeugt werden kann. Beim Stauchen befindet sich das Werkstück in einer

Matrize. Durch Hämmern wird es in die Form hineingedrückt und selbst verdichtet.

Lange Zeit wurde diese Arbeit mit dem Handhammer des Schmiedes ausgeführt.

Erst in der frühen Neuzeit wurden Hämmer mit immer größerem Bärgewicht (Ge-

wicht des Hammerklotzes) eingesetzt, die durch Wasserräder oder andere Ener-

giemaschinen angetrieben wurden. Im 19. Jahrhundert wurden in den Hüttenwerken

und in den Hochofenwerken Dampfhämmer mit Bärgewichten von mehr als 20 t

eingesetzt. In der metallbearbeitenden Industrie überwogen Bärgewichte zwischen

30 und 150 kg.

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Branchenblatt Arbeitstechniken und Verfahren der Metallbearbeitung Seite 13

Altlasten-Leitfaden Schleswig-Holstein: Erfassung Anhang 11

Walzen

Beim Walzen wird das Werkstück zwischen zwei gegenläufigen Zylindern hindurch-

geführt und dadurch verbreitert, wobei zugleich die Materialdicke abnimmt. Sollen

Profile jeder Art erzeugt werden, müssen die Walzen mit entsprechenden Matrizen

versehen sein. Es werden sowohl erhitzte als auch kalte Metalle gewalzt. Kaltge-

walzte Metalle erhalten eine härtere Oberfläche.

5 Spanende Bearbeitung von Werkstücken

Bei der spanenden Metallbearbeitung werden aus einem rohen Werkstück bestimm-

te Formen und vorgegebene Maße herausgearbeitet, indem mit Hilfe schneidender

Werkzeuge Metallspäne abgenommen werden. Spanende Arbeitsgänge sind unter

anderem Fräsen, Bohren, Drehen, Sägen, Feilen, Hobeln oder Schaben. Fast jeder

metallbearbeitende Betrieb wendet einige der zerspanenden Verfahren an, die in

vielen Fällen den Einsatz von Kühlschmierstoffen erfordern.

Bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts wurden die meisten dieser Arbeiten mit Hilfe von

Handwerkzeugen durchgeführt. Seither wurden immer mehr Werkzeugmaschinen

konstruiert, die jeweils einem spezifischen Zweck dienen (z.B. Dreh-, Fräs- und Ho-

belbänke, Bohrmaschinen etc.).

Die Drehbank ist die älteste und bedeutendste Maschine in der Metallbearbeitung.

Mit einem fest arretierten Werkzeug werden von einem rotierenden Werkstück kon-

tinuierlich Metallspäne abgenommen. Dieser entscheidende Übergang zur Massen-

fabrikation wurde im ersten Drittel des 19. Jahrhunderts vollzogen. Dadurch konnten

die Werkstücke mit hoher Präzision bearbeitet werden, womit die Standardisierung

und die Serienfertigung von Schrauben, Muttern, Wellen, Riemenscheiben und letzt-

lich ganzen Maschinen möglich wurde.

Abfallstoffe der spanenden Metallbearbeitung sind die Metallspäne. Durchschnittlich

werden bei spanenden Bearbeitungen - mit Ausnahme des Bohrens - ca. 20 - 30 %

des Werkstoffgewichtes entfernt. Bei der Herstellung bestimmter Teile, z.B. Kurbel-

wellen, kann der Metallverlust auf bis zu 90 % ansteigen. An den Metallspänen haf-

ten immer Fette, Öle oder sonstige Kühlschmierstoffe. Der nicht mehr nutzbare An-

teil der Kühlschmierstoffe kann weitere Komponenten enthalten, die in Kapitel 7

aufgeführt sind.

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Branchenblatt Arbeitstechniken und Verfahren der Metallbearbeitung Seite 14

Altlasten-Leitfaden Schleswig-Holstein: Erfassung Anhang 11

Abb. 3: Wartung der Revolverkopfdrehbank (Quelle: HANOW).

6 Thermische Bearbeitung von Werkstücken

Die thermischen Verfahren der Metallbe- und verarbeitung lassen sich grundsätzlich

unterteilen in:

- thermische Behandlungen mit Veränderung der Metalloberflächeneigenschaften

- thermische Behandlungen ohne Veränderung der Metalloberflächeneigenschaf-

ten

Die meisten thermischen Verfahren betreffen die Veränderung der Oberflächenhär-

te, die Erweichung der Gesamtstruktur oder die Veränderung des elastischen Ver-

haltens. In allen Verfahren wird das Werkstück nacheinander erhitzt und abge-

schreckt bzw. abgekühlt.

6.1 Thermische Verfahren mit Veränderung der Oberflächeneigenschaften

Traditionelle Metallhärterei

Die Metallhärterei betrifft überwiegend Werkstücke aus Stahl. Bei Werkstücken, von

denen nur Abschnitte oder Teile gehärtet werden sollen, wird jener Teil, dessen Ei-

genschaften unverändert bleiben soll, mit einer Härtepaste eingestrichen. Diese

enthält fein gemahlene Kleie als Bindemittel, Talk (Magnesiumsilikat), ca. 18% Kali-

umcyanid sowie Wasserglas zum Befeuchten.

Nach dem Ende des Härtens wird die Paste unter Einsatz von Lauge oder einer

Suspension von Magnesium in Spiritus wieder entfernt. Dabei können durch Hand-

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Altlasten-Leitfaden Schleswig-Holstein: Erfassung Anhang 11

habungsverluste die eingesetzten Stoffe, insbesondere die Cyanide, in den Boden

bzw. ins Grundwasser gelangen.

Die älteste Art der Härtung in einer Schmiede bestand darin, den Gegenstand in der

Esse bis zu einer bestimmten Glutfarbe zu erhitzen und dann der jeweiligen Abküh-

lung zu unterziehen. Es handelt sich hierbei um das sogenannte Flammhärten. Kri-

tisch hierbei ist, dass Kohlenstoffmoleküle aus der Holzkohle des Schmiedefeuers

mit der Metalloberfläche reagieren und zu einer Versprödung führen können.

Bereits zu Beginn des 19. Jahrhunderts wurden daher Öfen errichtet, in denen das

Werkstück ohne Kontakt zum Feuerungsmaterial erwärmt werden konnte. Dieses

sogenannte Ofenhärten mit Temperaturen von ca. 750° C ist auch gegenwärtig

noch das gebräuchlichste Verfahren in den Härtereien.

Bereits vor dem Ersten Weltkrieg hat sich für Stahl, der ohne Zufuhr weiteren Koh-

lenstoffs erwärmt werden soll, die Erwärmung in Bädern aus geschmolzenem Blei

eingebürgert. Dieses Verfahren wurde nach dem Zweiten Weltkrieg aber oft durch

Bäder aus geschmolzenem Salz ersetzt. Die Salzschmelze verflüssigt sich in der

Regel durch die Zugabe von Soda und Salpeter leichter.

Die wesentlichen Eigenschaften des Stahls sind abhängig von der Art und Dauer

der Abkühlung, die mehrere Tage betragen kann. Erfolgt die Abkühlung durch Ab-

schreckung, ist die stoffliche Zusammensetzung des Abkühlungsmittels und die da-

raus resultierende Wärmeleitfähigkeit ausschlaggebend für die Eigenschaften des

Stahls. Die gebräuchlichsten Mittel zur Abschreckung sind Wasser, Luft und Öle

oder Fette.

Zumeist wird Wasser eingesetzt, das zur Erhöhung der Wärmeleitfähigkeit mit Här-

tereisalzen versetzt wird. Es werden in der Regel Salze und Säuren bis zu einem

Gewichtsanteil von 2 % zugeschlagen. Bei den Säuren handelt es sich meist um

mineralische, selten um organische Säuren. Als Salze werden vor allem Chloride

und Karbonate, untergeordnet auch Borate, Chloride, Nitrate und Nitrite der Erdalka-

ligruppe verwendet. Seit wann cyanidhaltige Salze in der Härterei eingesetzt wer-

den, ist nicht geklärt. Es ist jedoch davon auszugehen, dass sie zumindest seit den

1930er Jahren zum festen Bestandteil der Härtereisalze gehören.

Luft als Mittel zur Abschreckung kann eine schnelle oder langsame Abkühlung be-

wirken. Entscheidend ist das Volumen der Luftzufuhr und die Geschwindigkeit, mit

der der Luftstrom auf den zu härtenden Gegenstand trifft. Zusatzstoffe oder Gase,

die in diesem Zusammenhang gebraucht werden, sind nicht bekannt.

Die Härtung in Öl oder Fett bewirkt im Vergleich zur Abschreckung in Wasser eine

langsamere Abkühlung, die zugleich auch Schrumpfrissen vorbeugt. Das Werkstück

wird allerdings nicht so hart wie im Wasserbad. Benutzt wurden früher tierische Fet-

te und Talg, die zunehmend durch pflanzliche Öle, insbesondere Leinöl, ersetzt

wurden. In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts traten Mineralöl und Petroleum

an die Stelle von Leinöl. Zugleich entstanden durch die Glycerinproduktion neue

Möglichkeiten der Härterei, so dass gegenwärtig für die industrielle Härtung in Öl

neben Mineralöl auch Glycerin verwendet wird.

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Altlasten-Leitfaden Schleswig-Holstein: Erfassung Anhang 11

Nach dem Härten werden die Werkstücke nochmals „angelassen“, d. h. erhitzt, je-

doch nicht geglüht, um die Spannungen innerhalb des Materialgefüges abzubauen.

Durch das Anlassen wird zudem die Zähigkeit des Stahls erhöht.

Bei der Härtung fallen verschiedene umweltgefährdende Abfallstoffe an, insbeson-

dere Mineralöle, Säuren, Schwermetallsalze sowie Alkalicyanide und -cyanate, die

in den nicht mehr brauchbaren Härtereibädern gelöst sein können. Den mengen-

mäßig größten Anteil stellen dabei die Abschreckmittel, vor allem die Öle und Salz-

bäder. Verluste an Härteölen resultieren aus dem erfahrungsgemäß häufigen Über-

schwappen der Kühlbäder beim Eintauchen der Werkstücke und insbesondere aus

Abtropfverlusten von den entnommenen Werkstücken. Zum Trocknen werden diese

häufig auf Sand gestellt. Salzbäder sind oft cyanidhaltig, wobei sich die Cyanide im

Sumpf dieser Bäder ansammeln. Die Bäder müssen meist täglich entschlammt wer-

den. Es ist nicht auszuschließen, dass Härtesalzrückstände auf oder in unmittelba-

rer Nähe des Betriebsgeländes abgelagert worden sind. Ferner gibt es außerdem

nicht mehr brauchbare Härtereibäder aus verunreinigtem Blei.

Thermisch molekulare Metallbehandlungen

Bei diesen Verfahren, die zumeist Stahl oder Gusseisen betreffen, wird die Oberflä-

chenstruktur der Metalle molekular beeinflusst. Mit Ausnahme des Verfahrens der

Entkohlung werden in den thermischen Verfahren dieser Art bestimmte Elemente in

die oberflächige Struktur der Metallwerkstücke eingefügt, ohne dass es sich um eine

Legierung im eigentlichen Sinne handelt. Zu diesen Verfahren gehören u. a. das

Carbonatisieren, die Oberflächenhärtung, das Nitrieren, das Silizieren, das Sulfinie-

ren, das Chromieren und das Aluminisieren. Zumeist werden Metallsalzen in die

Oberflächenstruktur der Werkstücke eingebracht, daran anschließend können die

Werkstücke zusätzlich noch in Öl, Wasser oder Luft gehärtet werden. Zahlenmäßig

bedeutende Verfahren der molekularen Metallbehandlung sind bis in die Gegenwart

das Carbonatisieren und die Oberflächenhärtung.

Carbonatisieren oder „Zementieren“ ist der Fachausdruck für das Hinzufügen von

Kohlenstoffmolekülen in die oberen Molekülschichten des Werkstückes. Zu diesem

Zweck wird das Werkstück geglüht und dann in heißem Zustand für ca. eine Woche

mit einer Schicht gemahlener Holzkohle bedeckt, so dass die Kohlenstoffatome

während der Prozessdauer im Zementierofen in das Eisen migrieren.

Bei der Oberflächenhärtung werden die zu härtenden Teile auf einer Art Tablett

ringsum mit Kohlenmehl umhüllt und dann für mehrere Stunden in einen vorge-

wärmten Etagenofen geschoben. Das Verfahren wird zumeist in der Maschinenbau-

industrie für Teile, die als Lager oder Gleitflächen einer stärkeren Beanspruchung

ausgesetzt sind, durchgeführt. Der Nachteil besteht allerdings darin, dass die Ein-

dringtiefe der Kohlenstoffe in die Metallstruktur begrenzt ist. Ein noch älteres Verfah-

ren der Oberflächenhärtung bestand in der Anwendung von gelbem Blutlaugensalz

(Kaliumhexacyanoferrat, K4Fe(CN)6). Bei der Verbrennung des feingemahlenen

Puders auf dem glühenden Eisen entstehen Kaliumcyanid, Stickstoff und Kohlen-

stoff. Der freigesetzte Kohlenstoff hat jedoch nur eine geringe Eindringtiefe.

Die weitaus größte Härte wird durch Nitrieren (Aufsticken) erzeugt, dieses Verfahren

wird z.B. für Ventile angewendet. Meist wird in cyanidhaltigen Salzbädern nitriert

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Altlasten-Leitfaden Schleswig-Holstein: Erfassung Anhang 11

(Salzbadnitrieren), daneben gibt es auch eine Nitrierung in Ammoniakatmosphäre

(Gasnitrieren).

Die Verfahren des Aufkohlens wurden grundsätzlich mit einem Überschuss an Koh-

lenstoff in Form von Staub durchgeführt. Der Kohlenstaub reicherte sich nach und

nach mit Eisen, Schwermetallen und Cyaniden an, so dass eine weitere Nutzung

nicht möglich war. Fabriken, die über eine Kohlenstaubfeuerung verfügten, ver-

brannten die Stäube. Zusammen mit anderen Aschen und Schlacken wurden die

Reststoffe häufig zur Wegbefestigung oder Flächenauffüllung benutzt, so dass auch

gegenwärtig im sauren Medium Schwermetalle in Lösung gehen oder Cyanide frei-

gesetzt werden können.

Das Gegenteil der Oberflächenhärtung besteht in der Oberflächenerweichung durch

Entkohlung. Es handelt sich hierbei um ein traditionelles Verfahren der Schmiede.

Bei der Verhüttung entstand Eisen, das aufgrund des hohen Kohlenstoffgehaltes zu

spröde für Werkstücke war. Dieses Eisen wurde mechanisch mit dem Hammer so-

lange bearbeitet, bis unter Luftzufuhr möglichst viel Kohlenstoff verbrannt war und

das Eisen eine gewisse Zähigkeit erhielt. Zu diesem Zweck wurde das erhitzte Ma-

terial zunächst auf dem Amboss getrieben. Anschließend wurde es unter dem

Hammer wieder zu einem Barren oder einem Block gefaltet, erneut erhitzt, getrieben

und gefaltet, um die nunmehr kohlenstoffärmeren Oberflächen wieder mit dem gro-

ßen Rest des Eisens zu vermischen, und somit den Gesamtkohlenstoffgehalt des

Werkstückes zu vermindern.

Dieser ursprüngliche Prozess des Schmiedens war notwendig, solange Eisen im

Überschuss von brennbarem Kohlenstoff geschmolzen wurde, grundsätzlich also

bis zur Einführung der Elektrostahlöfen bzw. des Bessemer-Stahls im 19. Jahrhun-

dert. Andere thermische Verfahren der Entkohlung erreichen lediglich die Verbren-

nung von Kohlenstoff an der Oberfläche z.B. von Guss- oder Tiegelstahl. Werkstü-

cke mit hoher Verformungsfestigkeit (z.B. Auf- oder Widerlager an Präzisionsma-

schinen) werden zunächst in Öfen ohne Kohlenstoffzufuhr erhitzt und dann mit rei-

nem Sauerstoff beaufschlagt, so dass der oberflächennahe Kohlenstoff verbrennt.

6.2 Thermische Verfahren ohne Veränderung der Oberflächeneigenschaf-

ten

Der Einsatz von Wärme dient in erster Linie dazu, das Werkstück zu erweichen, um

eine Formveränderung durch die Anwendung mechanischer Energie zu erleichtern.

Dieses Verfahren wird am häufigsten eingesetzt und vollzieht sich in immer gleicher

Weise: langsames oder schnelles Erwärmen durch direkte oder indirekte Befeue-

rung, gefolgt von einer schnellen oder einer verzögerten Abkühlung. Die Geschwin-

digkeit der Abkühlung entscheidet maßgeblich über die Verwendbarkeit der Metalle.

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Altlasten-Leitfaden Schleswig-Holstein: Erfassung Anhang 11

7 Kühlschmierstoffe

Die Entwicklungen in der Metallindustrie seit dem Anfang des 20. Jahrhunderts stell-

ten erhöhte Anforderungen an die Maschinen, die Werkzeuge und die herzustellen-

den Werkstücke. Durch die verbesserten Werkstückmaterialien, Werkzeuge und

Maschinen ergaben sich höhere Schneiddrücke und Schnittgeschwindigkeiten, und

damit verbunden mehr Reibung, die eine Schmierung und Kühlung der Werkstücke

und Werkzeuge erforderlich machten. Hierfür werden während des Bearbeitungs-

vorgangs spezielle chemische Erzeugnisse, die so genannten Kühlschmierstoffe

(KSS), verwendet. Mit dem Einsatz der KSS wird die Standzeit der Schneidwerk-

zeuge verlängert sowie die Oberflächengüte des Werkstückes verbessert. Durch

reichliche Zufuhr von KSS kann das Werkstück mit einer höheren Schnittgeschwin-

digkeit und einem größeren Spanquerschnitt bearbeitet werden.

7.1 Aufgaben der Kühlschmierstoffe

Nachdem KSS lange Zeit bei der Fertigung als nebensächlich angesehen wurden,

gehören sie inzwischen zu den maßgeblichen Einflussfaktoren im Bearbeitungspro-

zess.

Dabei haben sie drei Hauptaufgaben:

Kühlung von Werkzeug und Werkstück durch Abführung der entstehenden

Wärme

Schmierung zur Herabsetzung des Reibungswiderstandes sowie der Verschleiß-

und Schnittkräfte

Reinigung des zu bearbeitenden Werkstücks bzw. des Werkzeugs durch Weg-

spülen der Späne, des Abriebs und der Verunreinigungen

Die Hauptfunktion des Öls ist das Schmieren, während Wasser primär für die Küh-

lung verantwortlich ist. Bereits eine relativ geringe Temperaturabsenkung vermindert

den Werkzeugverschleiß und führt zu erheblichen Standzeitverlängerungen. Die

durch die Spanabhebung freigelegte Metallfläche besitzt eine starke chemische Ak-

tivität, so dass es hier leicht zu Reaktionen mit dem Luftsauerstoff oder KSS-

Inhaltsstoffen kommen kann. Die Erzeugung eines temporären Korrosionsschutzes

ist daher eine weitere wichtige Aufgabe der wassergemischten KSS.

7.2 Eigenschaften der Kühlschmierstoffe

Zu den wichtigsten Eigenschaften, die Kühlschmierstoffe aufweisen sollen, gehören:

Kühlvermögen

Schmierfähigkeit

Spülvermögen, Spänetransport

Schutz vor Korrosion

Chemische Neutralität gegenüber den Werkstoffen

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Branchenblatt Arbeitstechniken und Verfahren der Metallbearbeitung Seite 19

Altlasten-Leitfaden Schleswig-Holstein: Erfassung Anhang 11

Alterungsbeständigkeit gegen physikalische, chemische und biologische Ein-

flüsse: Druckfestigkeit, Schwerentflammbarkeit, Geruchsstabilität, Anti-Schaum-

verhalten

Einfache und sichere Handhabung: Emulgierfähigkeit, Haft- und Benetzungs-

vermögen, Abwaschbarkeit, Filtrierbarkeit, Transparenz

In neuerer Zeit sind außerdem die gute Umweltverträglichkeit und die damit verbun-

dene leichtere sowie kostengünstigere Entsorgbarkeit sowie der Gesundheitsschutz

entscheidende Kriterien bei der Auswahl eines KSS. In der Praxis ist jeder Betrieb

bestrebt, die Sortenvielfalt der KSS auf die unbedingt notwendige Anzahl zu redu-

zieren. Daher sind bei den nichtwassermischbaren KSS Mehrzwecköle mengenmä-

ßig von großer Bedeutung. Sie können auch als Schmier- und Hydrauliköle in den

Werkzeugmaschinen verwendet werden.

7.3 Inhaltsstoffe der Kühlschmierstoffe

Die zu Beginn der Industrialisierung üblichen Metallbearbeitungsprozesse wurden

mit einfachen Fettölen als KSS durchgeführt. Es wurden mit pflanzlichen und tieri-

schen Ölen und Fetten (Rüb-, Lein-, Senfsaat- oder Palmöl, Tran) versetzte Seifen-

lösungen oder auch Graphitpasten verwendet.

Seit den 1920er werden zunehmend Mineralöle eingesetzt. Dabei wurden die tieri-

schen und pflanzlichen Fette und Öle zunächst mit Mineralölen vermischt. Diese

Mischungen waren nur grob definiert. Gründe hierfür waren die wenig entwickelten

Analysenmethoden und technischen Aufarbeitungsverfahren der Mineralölindustrie

der damaligen Zeit.

Definierte Zusammensetzungen der handelsüblichen Kühlschmierstoffe sind erst

seit den 1960er Jahren üblich. Zuvor wurden die KSS von den chemischen Fabriken

nach geheim gehaltenen Rezepturen angefertigt und häufig innerhalb des Fabrikbe-

triebes nach eigenen Erfahrungssätzen verändert. So wurden z.B. Geruchsstoffe

häufig von den Drehern an der Arbeitsstelle hinzugefügt, um den Gestank alter

Kühlmittel zu überdecken. Waren diese Selbstversuche der Betriebe erfolgreich,

fanden sie auch Eingang in die handelsüblichen Kühlschmierstoffrezepturen. Eine

Erstdatierung eines Stoffeinsatzes ist daher fast unmöglich.

Moderne KSS sind vollständig charakterisiert und unterliegen zur Aufrechterhaltung

ihrer Qualität einer innerbetrieblichen Kontrolle. Eine gesundheitliche Gefährdung

der Arbeiter sowie eine mögliche Umweltbelastung ist damit allerdings nicht ausge-

schlossen.

Bei den meisten Kühlschmierstoffen neuerer Zeit handelt es sich um beständige

Emulsionen von korrosionsschutzmittelhaltigen Mineralölen in Wasser, wobei Seifen

und Tenside als Emulgatoren dienen.

Kühlschmierstoffe können folgende Komponenten, deren Ersteinsatz zumeist auf

die Zeit vor dem Zweiten Weltkrieg datiert werden kann, enthalten:

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Branchenblatt Arbeitstechniken und Verfahren der Metallbearbeitung Seite 20

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Mineralöle: zumeist Gemische mit Paraffinen und Naphthenen

polare Additive: pflanzliche und tierische Öle, Carbonsäuren und ihre Derivate

Hochdruckadditive (EP-Additive): überwiegend Chlor-, Schwefel- und Phosphor-

verbindungen, vor allem Chlorparaffine

Festschmierstoffe: z.B. Graphit, Molybdän- oder Zinksulfid, Cadmium-, Wolfram-

und Antimonverbindungen

Emulgatoren: traditionell hauptsächlich Natriumseifen, des Weiteren Aminseifen,

Petrolsulfonate, sulfatiertes Rizinusöl, in neuerer Zeit auch Polyglykolether

Korrosionsinhibitoren: häufig Amine, seltener Sulfonate, Naphthensäure, Bor-

säureester

Biozide: meist Formaldehyd oder Formaldehydabspalter, Phenole, früher auch

Pentachlorphenol

Entschäumer: z.B. Dimethylsiloxane

Komplexbildner: z.B. EDTA

Geruchsstoffe

Farbstoffe

7.4 Schadstoffe beim Umgang mit Kühlschmierstoffen

Neben den Handhabungsverlusten stellt die Lagerung und Reinigung der bei der

Werkstückbearbeitung anfallenden Metallspäne eine wichtige Quelle für Kontamina-

tionen dar. Der Gewichtsanteil der an die Metallspäne gebundenen KSS liegt im

Durchschnitt bei 8%. Da die Späne mit dem anhaftendem Öl auf dem Rohstoffmarkt

niedrigere Preise erzielten, wurden die Späne in Gitterkörben oder durchlöcherten

Fässern vor dem Verkauf zumeist mit Kaltreinigern (CKW) oder anderen Fett- und

Öllösern eingesprüht und hinterher mit Wasser unter hohem Druck abgespritzt. Auf

diesem Wege konnten Kühlschmierstoffe und CKW in das Abwasser und den Bo-

den gelangen.

Als Reaktionsprodukte während des Gebrauchs von Kühlschmierstoffen können

krebserregende N-Nitrosamine und polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe

(PAK) entstehen. N-Nitrosamine bilden sich in Gegenwart von Nitrit aus sekundären

Aminen. Es genügt die Anwesenheit von N-Nitrosamin-Vorstufen (z.B. primäre oder

tertiäre Amine sowie organische Nitroverbindungen als Additive in KSS). Seit 1997

sind Nitrit und nitritabspaltende Substanzen in KSS verboten.

PAK entstehen aus Mineralölen bei hoher Temperatur unter Sauerstoffmangel. Vo-

raussetzung für eine signifikante Bildung von PAK ist die Anwesenheit von Aroma-

ten in KSS. Dies war früher der Fall, da die Mineralöle meistens aus den Rückstän-

den der Säureraffination des Rohöls hergestellt wurden. Wegen der günstigen Lö-

sungseigenschaften war der hohe Anteil an Aromaten durchaus erwünscht. In neue-

rer Zeit konnte durch Änderung der Raffinationsverfahren der Aromatengehalt deut-

lich gesenkt werden. Zur Minimierung des PAK-Gehaltes sollte der Aromatenanteil

unter 10% liegen.

Weitere Schadstoffe im Zusammenhang mit den Kühlschmierstoffen sind Chlorver-

bindungen und polychlorierte Biphenyle (PCB). Zwischen 1929 und etwa dem Ende

der 1970er Jahre waren in fast allen verwendeten Kühlschmierstoffen PCB vorhan-

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Altlasten-Leitfaden Schleswig-Holstein: Erfassung Anhang 11

den. PCB wurde früher als Flammschutzmittel in KSS eingesetzt. Darüber hinaus

gelangte es durch unzulässiges Beimischen von Altöl in Zweitraffinate und somit in

die KSS.

Zum Unterbinden mikrobiologischer Zersetzungsprozesse wurde seit den 1930er

Jahren verstärkt auch PCP beigemischt, allerdings ist die Verwendung von PCP seit

1989 verboten.

Chlorparaffine (Hochdruck-Additive) sind in einem Großteil der heute üblichen Kühl-

schmierstoffe nicht mehr vorhanden, da sie im Verdacht stehen, Krebs zu erzeugen.

8 Allgemeine Verunreinigungen durch den Metallbearbei-tungsbetrieb

In der Metallbearbeitung wurden bereits sehr früh schwere Maschinen mit hohem

Kraftbedarf eingesetzt. Daher verfügten die meisten Großbetriebe, aber auch zahl-

reiche mittelgroße Betriebe, frühzeitig über eine eigene Kraftzentrale (meist eine

Dampfmaschine) mit Riementransmissionen, Wellenübertragungen und später auch

eine eigene Stromerzeugung.

Daraus resultierten bis in die 1930er Jahre große Mengen an Aschen und Schla-

cken aus der Feuerung, in der zumeist auch betriebliche Abfälle verbrannt oder ge-

sintert wurden. Die Aschen und Schlacken wurden zusammen mit anderen geeigne-

ten Abfallstoffen, z.B. Kohlengrus aus den Bunkern und Sandstrahlrückständen,

häufig für die Befestigung des Betriebsgeländes genutzt, um den zunehmenden

Schwerlastverkehr zu ermöglichen. Seit ca. 1930 nahmen die Kesselfeuerungen mit

Schweröl und später auch mit Heizöl zu. Die Lagerung dieser Stoffe erforderte

Tanks, Pumpwerke, Übernahmestationen und Vorwärmanlagen, die bis in die

1960er Jahre fast immer durch unterirdische Rohre verbunden waren, welche häufig

korrodierten. Folglich sind an allen Orten, auf denen mit diesen Mineralölkohlen-

wasserstoffen umgegangen wurde, entsprechende Verunreinigungen zu vermuten.

Die Verstromung der innerbetrieblich erzeugten Energie erforderte die Anlage eige-

ner Transformatorenstationen, Gleichrichter und anderer elektrotechnischer und

elektromechanischer Anlagen (z.B. Ölschützen, d.h. großvolumige relaisähnliche

Hochspannungsschalter mit Öl als Isolator). Die Umstellung der Nennspannung von

110V auf 220V erfolgte allgemein in den 1950er Jahren und machte die gesamte

elektrische Altausrüstung hinfällig, so dass diese Geräte verschrottet wurden. Ins-

besondere im Zuge dieser Umbauarbeiten, aber auch durch den normalen Betrieb

sowie durch Unfälle, gelangte aus den Transformatoren und Ölschützen Transfor-

matorenöl mit PCB und anderen Zusätzen in die Umwelt. Auch die Gleichrichter

erwiesen sich bei Unfällen oder nicht sachgerechter Demontage als umweltschädi-

gend, da sie je nach Größe bis zu 1.400 kg Quecksilber enthielten.

Während des 19. Jahrhunderts und vielfach noch bis in die 1920er Jahre wurden die

Maschinen selbst mit mechanischen Einrichtungen bewegt. Die Umstellung auf den

Einzelantrieb war fast immer auch mit der Umstellung auf eine hydraulische Über-

tragung der Kräfte verbunden. Innerhalb der Einzelmaschine befand sich eine Hyd-

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Branchenblatt Arbeitstechniken und Verfahren der Metallbearbeitung Seite 22

Altlasten-Leitfaden Schleswig-Holstein: Erfassung Anhang 11

raulikpumpe. Undichtigkeiten bei Pumpe, Vorratsbehälter und Hydraulikschläuchen

sowie undichte Kolben führten oft zu einem merklichen Verlust an Hydrauliköl. Hyd-

rauliköl war früher fast immer mit PCB versetzt und kann daher in den Abfallstoffen,

im Bauwerk und im Untergrund zu Kontaminationen geführt haben. Der Einsatz von

PCB wurde 1978 auf geschlossene Systeme beschränkt und 1989 ganz verboten.

Da die Maschinen und Werkstoffe fast durchgängig verölt waren, wurden sie regel-

mäßig mit aliphatischen, aromatischen oder chlorierten Lösungsmittel gereinigt.

Diese können zu Kontaminationen geführt und zusätzlich die Mobilisierung von Mi-

neralölen bewirkt haben.

Durch den Einsatz von Säuren für die Beizbäder und die Vorbeizen können zusätz-

lich Schwermetalle mobilisiert worden sein, so dass im Untergrund eines Metallbe-

arbeitungsbetriebes auch mit diesen Stoffen zu rechnen ist.

9 Literaturhinweise

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Branchenblatt Arbeitstechniken und Verfahren der Metallbearbeitung Seite 23

Altlasten-Leitfaden Schleswig-Holstein: Erfassung Anhang 11

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Altlasten-Leitfaden Schleswig-Holstein: Erfassung Anhang 11 Histinvest – Dr. Klaus Schlottau, Bremen

Branchenblatt Metallschleiferei

Inhaltsverzeichnis Seite 1 Bezeichnung der Branche 2 2 Historischer Überblick 2 3 Allgemeiner Verfahrensablauf 2 4 Umweltrelevante Verfahrens- und Produktionsschritte sowie Ver-

unreinigungspotentiale 4 5 Gesetzliche Ausführungsvorschriften für verwendete Stoffe/

Stoffgruppen 4 6 Altlastrelevante/altlastirrelevante Nutzungszeiträume 5 7 Literaturhinweise 6 Abb. 1: Zylinderschleiferei von 1941 (Quelle: RUBY).

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Branchenblatt Metallschleiferei Seite 2

Altlasten-Leitfaden Schleswig-Holstein: Erfassung Anhang 11

1 Bezeichnung der Branche

Die Metallschleiferei ist ein spezialisierter Dienstleistungsbetrieb innerhalb der Me-

tallbearbeitungsbranche. Im Gegensatz zur Dreherei, Schlosserei und anderen

Werkstätten werden in der Regel keine Teile angefertigt, sondern Halbfertigprodukte

bearbeitet. Außerdem werden Reparaturdienstleistungen an Maschinen oder Ma-

schinenteilen, deren Schweißnähte geschliffen oder poliert werden sollen, ausge-

führt. Die Metallschleiferei ist ein mittelständischer, überwiegend handwerklicher

Betrieb.

2 Historischer Überblick

Der historische Ursprung des Schleifer- und Polierergewerbes liegt in den mittelal-

terlichen Schwertfegern, die Schneidwaren und andere Metallgegenstände mit ei-

nem Feinschliff oder einer Politur, der Steigerung des Schliffs, versahen. Es handel-

te sich bereits zu dieser Zeit um ein Dienstleistungsgewerbe innerhalb der metallbe-

arbeitenden Branche.

Im Maschinenbau etablierte sich die Branche erst Mitte des 19. Jahrhunderts, als

die Toleranzen für gegossene Lagerschalen immer geringer wurden, und die Rei-

bung in den Lagern als ausschlaggebender Faktor für den Wirkungsgrad und die

Haltbarkeit von Maschinen erkannt wurde.

Die Entwicklung der Benzinkraftmotoren Ende des 19. Jahrhunderts mit Kolben,

Zylindern, Kurbelwellen und einer Vielzahl von Ventilen und Lagern führte zu einem

erheblichen, bis heute steigenden Bedarf an Schleifkapazitäten. Die hochwertigen

Feinarbeiten, die insbesondere bei Dieselmotoren notwendig waren, konnten nur

durch den Einsatz von Politurpasten erreicht werden.

3 Allgemeiner Verfahrensablauf

Das Schleifen und Polieren gehört zu den spanabhebenden Bearbeitungen von me-

tallischen Werkstücken. Die Arbeiten dienen dem Glätten der Oberflächen, dem

Entfernen von Zunder, Gusshaut, Gieß- oder Stanzgraten sowie der Beseitigung

von kleinen Fehlern in der Oberfläche.

Im Gegensatz zu den in einer Dreherei verwendeten Werkzeugen mit definierter

geometrischer Schneide besitzen Schleifsteine, Schleifpapiere oder Schleif- und

Polierpasten diese Eigenschaft nicht. Die Größe der Spanabnahme definiert sich

über die Korngröße von Kristallen im Schleifmittel. Die erforderliche gleichmäßige

Korngröße wird entweder durch Züchtung, Vermahlung oder physikalische Trenn-

methoden erreicht. Je nach Korngrößenklasse werden die Kristalle mit verschiede-

nen Trägersubstanzen (Stein, Textil, Kunststoff) verbacken. Feinste Körnungen

werden in Pasten oder Flüssigkeiten eingesetzt.

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Branchenblatt Metallschleiferei Seite 3

Altlasten-Leitfaden Schleswig-Holstein: Erfassung Anhang 11

Das Schleifen der Metalle wurde jahrhundertelang mit Hilfe von Schleifsteinen aus

Sandstein durchgeführt. Die Steine wurden mittels einer Handkurbel, im Falle von

Schleifwerkstätten auch von Wasserrädern, später von Dampfmaschinen oder

Elektromotoren, angetrieben. Neben den Schleifsteinen wurden auch Feilen oder

Handschleifsteine genutzt.

Seit Beginn des 20. Jahrhunderts wurden mehr und mehr künstliche Schleifsteine

hergestellt. Diese setzten sich überwiegend aus Quarzen, einem Gemenge von kie-

selsauren Stoffen, Bimsstein, Korund und anderen Halbedelsteinen sowie aus Sili-

ziumkarbid und künstlichem Korund auf der Basis von Bauxit zusammen. Als Bin-

demittel dienten neben den ersten Zementen überwiegend Magnesiumoxid, Kaut-

schuk, Schellack oder Wasserglas. Nach dem Zweiten Weltkrieg hat sich als Bin-

demittel Kaolin durchgesetzt, die Schleifsteine werden keramisch gebacken.

Schleifpapiere für Hand- und Maschinenschliff wurden zu Beginn des 20. Jahrhun-

derts aus beschichteten Textilien entwickelt. Ursprung ist das Nassschleifpapier, ein

mit Kautschuk belegtes Textilgewebe, in das Korund eingewalzt wurde. Für trocke-

ne Anwendungen wurde bald das billigere Trägermaterial Karton eingeführt.

Polieren ist ein sehr feines Schleifverfahren, bei dem Korngrößen im Nanometerbe-

reich zum Einsatz gelangen, um die Schleifspuren der vorherigen Bearbeitungsstufe

zu beseitigen. Die Kristalle lassen sich daher nicht auf einem Trägermaterial befes-

tigen, sondern werden in Form von Polierpasten eingesetzt. Die Spanabnahme er-

folgt durch harte Kristalle (Berylliumoxid für Hartmetalle und Chromoxid für gehärte-

ten Stahl), die in eine mehlartige Paste aus weicheren Kristallen (Talk, Graphit) oder

in Puder aus weichen Schwermetallen eingemengt sind. Beim Polieren wird die

Paste mit einem Lappen, Rundpoliermaschinen, Watte o.ä. verrieben und verfärbt

sich durch die Aufnahme von abgeschabten Metallpartikeln des Werkstückes.

Wie bei den Werkzeugen der Dreherei entsteht auch beim Schleifen und Polieren

Wärme, die abgeleitet werden muss; zugleich verstopfen feinste Metallpartikel nach

und nach die Zwischenräume zwischen den Kristallen. Schleifmittel müssen daher

gekühlt, gereinigt und regelmäßig ausgewechselt werden.

Sind nach mehreren Arbeitsgängen mit immer feineren Schleif- und Poliermitteln die

angestrebten Toleranzen erreicht, werden die Schleifflächen mit Hilfe von geölten

Tüchern und Watten zunächst von groben Rückständen gesäubert. Dann werden

die Flächen mit Pressluft abgeblasen und Fettrückstände mit Hilfe von Lösungsmit-

teln entfernt, bevor dünnflüssige Mineralöle zum Schutz vor Korrosion aufgetragen

werden.

Als Abfallstoffe treten hauptsächlich Schwermetall- und Schleifsteinstäube auf. Ins-

besondere die Schwermetalle der verbrauchten Pasten, die zumeist im Kehricht als

Industrieabfall entsorgt werden, weisen ein Gefährdungspotential für die Umwelt

auf. Leichte Verunreinigungen durch Mineralöle bzw. Lösungsmittel aller Art, sowie

in Einzelfällen auch Kühlschmierstoffe aus den Drehereien, sind in einer typischen

Schleiferei ebenfalls zu erwarten.

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Branchenblatt Metallschleiferei Seite 4

Altlasten-Leitfaden Schleswig-Holstein: Erfassung Anhang 11

4 Umweltrelevante Verfahrens- und Produktionsschritte sowie Verunreinigungspotentiale

Das Werkstück wird normalerweise in einer Dreherei vorgearbeitet und oft mit Kühl-

schmierstoffen benetzt angeliefert. In der Regel wird daher die zu bearbeitende Flä-

che vor dem nächsten Arbeitsschritt mit einem Lösungsmittel gereinigt (BTEX oder

CKW). Die Reinigung wird am Ende der Bearbeitung für das ganze Werkstück wie-

derholt, weil sich die Schleifstäube und Pasten mit den Ölen auf der Oberfläche des

Werkstückes verbinden. Aufgrund dieser Säuberungen ist mit Handhabungsverlus-

ten zu rechnen, so dass eine Verunreinigung des Untergrundes nicht auszuschlie-

ßen ist.

Durch die schleifende Bearbeitung mit unterschiedlichen Kristallkörnungen werden

kleine Metallteile vom Werkstück abgeschabt und mit den Kristallen des Schleifmit-

tels und dem Bindemittel vermischt. Diese schwermetallhaltigen Rückstände werden

entweder abgesaugt oder ausgefegt, sowie gegebenenfalls aus Trägerflüssigkeiten

herausgefiltert. Die Filter und der Kehricht werden heute als Industrieabfall entsorgt.

Früher wurden sie jedoch vermutlich auch zur Bodenbefestigung verwendet, so

dass hier mit Schwermetallverunreinigungen zu rechnen ist.

Die Werkstücke werden für den Transport nach der Bearbeitung zum Schutz vor

Korrosionen erneut eingeölt, so dass Mineralöle durch Handhabungsverluste in den

Untergrund gelangt sein können.

5 Gesetzliche Ausführungsvorschriften für verwendete Stoffe/Stoffgruppen

Tabelle 1 Altlastrelevante Stoffe und ihr zeitlicher Einsatz

Stoff Nutzung Verstärkte Anwendung

ab

Verwendungsbe-schränkung/ Ver-

bot

PCB (Polychlorierte Biphenyle).

1

Einsatz in Kühlölen, um die Entzündungstemperatur zu erhöhen.

ca. 1930 1978/1989

Wassermischbare Kühlschmierstoffe (N-Nitrosamin-Bildung).

2

Schmier- und Kühlmittelersatz für Öle mit Flammschutzmitteln.

ca. 1955 1997

PCP (Pentachlor- phenol).³

Einsatz in Emulsionen zur Halt-barmachung.

ca. 1930 1986/1989

LCKW.4 Lösungs- und Reinigungsmittel

(Kaltreiniger) insbesondere für verölte Späne.

ca. 1925 1981/1986 (zum Teil)

BTEX.5 Lösungs- und Reinigungsmittel

im Werkstattbetrieb. ca. 1925 1986 (zum Teil)

1

26.7.1978 10.BImSchV: Verwendungsbeschränkung auf geschlossene Systeme; 8.7.1989, PCB-Verbotsverordnung: Herstellungs-, Inverkehrsbringungs- und Verwen- dungsverbot, 1993 durch ChemVerbotsV abgelöst.

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Branchenblatt Metallschleiferei Seite 5

Altlasten-Leitfaden Schleswig-Holstein: Erfassung Anhang 11

2 4/1997 Technische Regel für Gefahrstoffe TRGS 611, Verwendungsbeschränkungen für

wassermischbare bzw. wassergemischte Kühlschmierstoffe, bei deren Einsatz N-Nitrosamine auftreten können (Verbot von Nitrit im KSS) 3

26.8.1986 GefStoffV: Verwendungsbeschränkung für PCP, z.B. nicht in Aufenthaltsräumen einzusetzen; 12.12.1989 PCP-Verbotsverordnung: Herstellungs-, Inverkehrsbringungs- und Verwen- dungsverbot, 1993 abgelöst durch ChemVerbotsV. 4 9/1981 Technische Regel für gefährliche Arbeitsstoffe TrgA 502: Verwendungsbeschrän-

kung für Tetrachlorkohlenstoff; 21.4.1986 2.BImSchV: Verordnung zur Emissionsbeschränkung von leichtflüchtigen Halogenwasserstoffen, Anwendungsbeschränkungen 1990 in der Neufassung verschärft. 5 26.8.1986 GefStoffV: Verwendungsbeschränkung für Benzol auf geschlossene Systeme.

6 Altlastrelevante/altlastirrelevante Nutzungszeiträume

Nahezu alle Werkstücke, die in den Schleifereien bearbeitet werden, stammen aus

Drehereien. Dies hat zur Folge, dass in den Schleifereien auch mit den typischen

Schadstoffen dieser Branche zu rechnen ist, da den Werkstücken häufig Öle und

Kühlschmierstoffe anhaften. Diese beinhalten Chlororganika (z.B. seit Ende der

1920er Jahre bis zum Verbot 1989 PCB) als Flammschutz; Emulsionen wurden et-

wa zum gleichen Zeitpunkt mit Emulgatoren, Fungiziden sowie Bakteriziden (z.B.

PCP) hergestellt und haltbar gemacht.

Ebenfalls etwa seit Anfang der 1930er Jahre ist in Schleswig-Holstein mit der ver-

stärkten Anwendung chlorierter oder aromatischer Kohlenwasserstoffe als Lösungs-

mittel zu rechnen.

Tabelle 2 Zusammenfassung aller altlastrelevanten Aspekte und Zuordnung zu

den Branchenklassen SH.

Zeitspanne Hilfsstoffe Nebenprodukte Altlastrelevante Aspekte

Branchen-klassen SH

vor 1900 – 1930

Sandsteine, Korund. Metallspäne, z.T. gering verölt.

Unbefestigte Fußböden

0

1931 – 1980 Sandsteine, Korund, Schleifmittel, Pasten, Fette, Lösungsmittel (CKW, BTEX).

ölige Metallspä-ne, Schwermetal-le.

Öle und Kühl-schmierstoffe aus den Drehe-reien.

4

1981 – 2000 Sandsteine, Korund, Schleifmittel, Pasten, Fette, Lösungsmittel (BTEX), Detergen- tien.

ölige Metallspä-ne, Schwermetal-le.

Öle und Kühl-schmierstoffe aus den Drehe-reien.

3

Branchenklasse 0: kein Gefährdungspotential Branchenklasse 1: Gefährdungspotential sehr gering Branchenklasse 2: Gefährdungspotential gering Branchenklasse 3: Gefährdungspotential mäßig Branchenklasse 4: Gefährdungspotential hoch Branchenklasse 5: Gefährdungspotential sehr hoch

Ein weiterer altlastrelevanter Aspekt ist die Tatsache, dass während des Zweiten

Weltkrieges Schleifereien und andere Metallbetriebe der Rüstungsindustrie der Kon-

trolle ziviler Aufsichtsbehörden weitgehend entzogen wurden, und daher häufig in

baulichen Anlagen arbeiteten, die für Gewerbebetriebe auch nach damaligem Stand

der Technik nicht geeignet waren. Es fehlte zumeist an einer Befestigung des Fuß-

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Branchenblatt Metallschleiferei Seite 6

Altlasten-Leitfaden Schleswig-Holstein: Erfassung Anhang 11

bodens sowie an geeigneten Abwasseranlagen. Ähnliches gilt für die Nachkriegs-

zeit, in der behördliche Kontrollen meist nur in eingeschränktem Maße durchgeführt

wurden.

7 Literaturhinweise

ARENS, J.: Ziehen, Schleifen und Polieren in der Geschichte der Technik. Eigenver-

lag der SCHUMAG, Schuhmacher Metallwerke Aachen, Neuwied, o.J.

ARENS, J.: Präzisions-Mechaniken aus 5 Jahrhunderten. Eigenverlag der SCHU-

MAG, Schuhmacher Metallwerke Aachen, Neuwied, o.J.

HOFFMANN, M.: Handbuch der praktischen Werkstatt-Mechanik. Metall- und Holz-

dreherei. Wien, Leipzig, 1925.

LOSS, A.: Handbuch der Dreherei. Leipzig, 1920.

MAUSER, M.; HANDEL, W.: Fräsen und Schleifen. Fachbuch für metallgewerbliche

Berufe, Band 109. Verlag Gebrüder Jänecke, Hannover, 1945.

RUBY, J.: Werkzeug-Maschine. Magdeburg, 1997.

SACHS; EISBEIN; KUNTZE; LINICUS: Spanlose Formung der Metalle. Mitteilungen

der Deutschen Materialprüfanstalten, Sonderheft 16. Berlin, 1931.

STAU, C. H.: Die Drehmaschinen, Drehbänke und verwandte Werkzeugmaschinen.

Berlin, Göttingen und Heidelberg, 1963.

WEINER, R.: Die Abwässer der Metallindustrie (Metallverarbeitende und galvano-

technische Betriebe), 3. erweiterte Auflage. Eugen G. Leuze Verlag, Saulgau, 1965.

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Altlasten-Leitfaden Schleswig-Holstein: Erfassung Anhang 11 Histinvest - Dr. Klaus Schlottau, Bremen

Branchenblatt Metallwarenfabriken

Inhaltsverzeichnis Seite 1 Bezeichnung der Branche 2 2 Historischer Überblick 2 3 Allgemeiner Verfahrensablauf 3 4 Umweltrelevante Verfahrens- und Produktionsschritte sowie Verun-

reinigungspotentiale 4 5 Gesetzliche Ausführungsvorschriften für verwendete Stoffe/

Stoffgruppen 5 6 Altlastrelevante/altlastirrelevante Nutzungszeiträume 7 7 Literaturhinweise 7

Abb. 1: Tiefziehen (Quelle: HANOW)

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Seite 2 Branchenblatt Metallwarenfabriken

Altlasten-Leitfaden Schleswig-Holstein: Erfassung Anhang 11

1 Bezeichnung der Branche

Produkte der Metallwarenfabriken zählen zur Konsumgüterindustrie und werden un-

ter einer Firmenmarke über den Haushalts-, Eisen- und Stahlwarenhandel an die

Endverbraucher verkauft. Zu den Produkten gehören alle metallenen Haushaltsge-

genstände ohne elektrischen Antrieb oder elektronischer Kontrolle wie z.B. Töpfe,

Pfannen, Besteckteile, Messer oder Scheren.

Eine Metallware entsprechend der obigen Definition wird in der Regel durch

Schmieden, Stauchen oder Tiefziehen aus Metallblechen hergestellt und dann mit

einer Oberflächenveredelung durch Polieren, Emaillieren oder Lackieren verkaufsfer-

tig gemacht.

2 Historischer Überblick

Die Metallwarenfabriken etablierten sich, basierend auf verschiedenen Metallhand-

werken, seit der Mitte des 18. Jahrhunderts zunehmend als eigenständige Branche,

genannt Kleineisenindustrie. Exemplarisch sei hier die märkische Eisenwarenindust-

rie genannt, die noch heute unter der Bezeichnung „Solinger Stahl“ einen hohen

Marktanteil besitzt. An Bächen, die die notwendige Wasserkraft lieferten, waren be-

reits zum damaligen Zeitpunkt mechanische Werkstätten entstanden, die sich durch

eine hohe Diversifizierung und Arbeitsteilung auszeichneten. Auch in Schleswig-

Holstein gab es drei zeitgenössische Zentren in Flensburg, Gröhnwohld und Bäk bei

Ratzeburg. Mit der Einführung der Dampfmaschine als ubiquitärer Kraftquelle verla-

gerten sich die Kleineisenwerke im 19. Jahrhundert in die Städte.

Die meisten Betriebe der Metallwarenindustrie gehören heute zu den klein- bis mit-

telgroßen Firmen, die aus den Bereichen der Schmieden und des Kesselbaus

stammen. Während bis zum Beginn des Konsumzeitalters in den 1950er Jahren vie-

le Haushalts- und Eisenwaren noch in Kleinserienfertigung vollständig von einem

Betrieb hergestellt wurden, begann danach die Herstellung von Großserien, die spä-

ter aus Kostengründen in andere Länder verlegt oder durch Zukauf von Fertigpro-

dukten „ohne Namen“ ergänzt wurde. Nach der Wirtschaftskrise, die der ersten Öl-

krise am Ende der 1960er Jahre folgte, konnten sich in Deutschland nur noch weni-

ge Betriebe der Metallwarenindustrie behaupten. Es handelt sich zumeist um Fir-

men, die eine starke und international bekannte „Marke“ besitzen, oder um z.B. Sil-

berbesteckfabriken.

Wesentliche Arbeitsschritte der Metallwarenindustrie sind identisch mit jenen der

Metallbearbeitungsindustrie. Hierzu gehören insbesondere: formende Metallbearbei-

tung, Metallverbindungstechniken wie Schweißen, Schrauben und Nieten, Oberflä-

chenbehandlungen wie z.B. Lackierungen oder Emaillierungen. Oberflächenbe-

schichtungen aus Zinn oder Zink für Töpfe oder Kochgeschirr, wie sie im 19. Jahr-

hundert häufig ausgeführt wurden, werden in Deutschland seit Beginn des 20. Jahr-

hunderts nicht mehr für Metallwaren, die mit Lebensmitteln Kontakt haben, ausge-

führt, weil die Vergiftungsgefahr zu hoch ist.

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Branchenblatt Metallwarenfabriken Seite 3

Altlasten-Leitfaden Schleswig-Holstein: Erfassung Anhang 11

3 Allgemeiner Verfahrensablauf

Eine Metallwarenfabrik umfasst häufig folgende wesentliche Arbeitsprozesse, die

sowohl früher als auch gegenwärtig noch als selbständige Gewerbebetriebe beste-

hen können:

- Gießerei für Messergriffe, Handgriffe oder Tiegelguss für Pfannen (vgl. Bran-

chenblatt Gießerei),

- Messerschmiede für Besteckteile (vgl. Branchenblatt Schmiede),

- Stauchen und Tiefziehen für Töpfe und Behälter (vgl. Branchenblätter

Schmiede und Fahrzeugbau),

- Schweißen und Löten (vgl. Branchenblätter Arbeitstechniken und Verfahren

der Metallbearbeitung sowie Schlosserei),

- Lackiererei (vgl. Branchenblatt Lackiererei) und Emailliererei.

Für die Herstellung gewöhnlicher Töpfe wurden Blechplatten bezogen, aus denen

mit Hilfe von Schablonen die Vorformen des Gefäßes gestanzt wurden. Die Rohform

wurde sodann entweder durch die Arbeit eines Schmiedes oder eines mechanisier-

ten Hammers in eine vorgegebene Form getrieben. Aus der Arbeit mit mechani-

schen Hämmern (Presslufthammer oder motorgetriebener Hammer) mit geringem

Bärgewicht resultierte der Übergang zum Tiefziehen der Metallbehälter.

Der Vorgang des Tiefziehens ist ebenfalls aus der Schmiede übernommen worden.

In diesem Fall werden mit einem speziellen Werkzeug die Rohformen in eine vorge-

gebene Form gepresst. In der Neuzeit wird diese Arbeit gewöhnlich von einem hyd-

raulischen Presswerk unter großem Druck ausgeführt.

Während die getriebenen Gefäße Formabweichungen auswiesen, weil sie ohne

Formschablone ausgeführt wurden, begann mit dem Tiefziehen der Übergang in die

industrielle Serienproduktion. Die Topfgrößen wurden in Abstimmung zu den

Durchmessern der Herdringe gewöhnlicher Kohleöfen standardisiert und die Töpfe

konnten so zu einem Kegel gestapelt werden. Mit dem Durchbruch der Elektroherde

nach 1960 wurden in der Regel nur noch vier Topfgrößen hergestellt, die einen be-

sonders ebenen Boden haben mussten. Zu diesem Zweck wurden die Topfböden

geschliffen, um einen besonders guten Kontakt zur Herdplatte zu gewährleisten.

Ein ähnliches Verfahren wurde auch für Pfannen durchgeführt. Nahezu alle Pfannen

werden seit der Mitte des 19. Jahrhunderts ebenfalls durch Tiefziehen hergestellt.

Als Qualitätskriterium einer guten Pfanne gilt dennoch, dass sie geschmiedet sein

soll, um sich auch bei Bratvorgängen mit einem Temperaturbereich bis zu 300 °C

nicht zu wölben. Um dies zu verhindern, werden „gute“ Pfannen aus Tiegelstahl im

Treibverfahren mit einem Hammerwerk vorgeformt, geglüht, abgeschreckt (vgl. Här-

terei) und dann durch das Tiefziehverfahren mit einem glatten und für Elektroherde

geeigneten Boden versehen, der gegebenenfalls noch geschliffen wird. Darauf folgt

eine erneute Härtung im Bleiofen, um das Gefüge des Eisens wieder zu homogeni-

sieren.

Messerklingen werden gewöhnlich immer noch geschmiedet und dann geschärft und

poliert. Während dies bis vor einigen Jahrzehnten noch die Arbeit gelernter Schmie-

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Seite 4 Branchenblatt Metallwarenfabriken

Altlasten-Leitfaden Schleswig-Holstein: Erfassung Anhang 11

de war, werden gegenwärtig immer mehr Klingen von Automaten geschmiedet. Das

Schmieden wird mehrfach von Härtungen unterbrochen, um eine besondere Flexibi-

lität der Klinge zu erreichen. Die Griffe werden üblicherweise in einer Gießerei vor-

gearbeitet, so dass in einem weiteren Arbeitsgang die Klingen am Heft (Griff) befes-

tigt werden müssen. Billige Massenware wird aber zum Teil auch in einem Stück

gegossen.

Die größeren Metallwarenfabriken mit Belegschaften von mehr als 100 Personen

waren Anfang des 20. Jahrhunderts nach dem obigen Schema aufgebaut. Ein Bezug

fremdgefertigter Teile wurde selten ausgeführt. Eine Metallwarenfabrik enthält daher

wesentliche Verfahrensabschnitte der Metallbearbeitung einschließlich der Lackie-

rung oder einer Emaillierung.

4 Umweltrelevante Verfahrens- und Produktionsschritte sowie Verunreinigungspotentiale

Der oben beschriebene Wandel von der Handarbeit zur mechanischen Treibarbeit

mit schweren Hämmern sowie der Übergang zur Tiefzieherei vollzog sich, je nach

Größe der Fabrik, zwischen ca. 1920 und 1960. Eine signifikante Veränderung des

Schadstoffspektrums oder eine Intensivierung der potentiellen Kontaminationen in

bestimmten Abteilungen war mit diesem Wandel nicht verbunden. Gegenüber einer

traditionellen Messerschmiede oder einer Topffabrik sind lediglich zusätzliche Verun-

reinigungsquellen im Bereich der Antriebsmaschinen, der Kompressoren für Luft-

hämmer oder der Hydraulikanlagen für Tiefziehpressen zu berücksichtigen. Die Här-

tung von Töpfen, besonders aber Pfannen und Klingen wurde zunächst in Wasser

oder Öl, später überwiegend in Härteöfen oder Bleibädern durchgeführt. Wie in allen

metallbearbeitenden Betrieben ist mit Verunreinigungen durch Metalle, aber auch

Mineralöle und Lösungsmittel zu rechnen, weil zum Schutz vor Korrosionen das

blanke Metall im Lager geölt wurde und dann vor der Beschichtung wieder fettfrei

gemacht werden musste.

Eine traditionelle Metallwarenfabrik besteht aus wenigen Abteilungen ohne komplexe

Metallbearbeitungen wie Drehen oder Fräsen, so dass eigentliche Kontaminations-

schwerpunkte nicht auszumachen sind. Da die Reinigung von Maschinen, Werkzeu-

gen und Werkstücken unter Einsatz von Lösungsmitteln vollzogen wurde, ist eine

Verunreinigung der Werkstattbereiche und der Lagerplätze nicht auszuschließen.

Neben diesem Bereich potentieller Kontaminationen ist insbesondere auch die La-

ckiererei zu berücksichtigen, weil hier stets mit einem Handhabungsverlust von Lö-

sungsmitteln zu rechnen ist.

Die Emaillierung von Töpfen, Pfannen, Bechern etc. fand unter Einsatz schmelzfähi-

ger Metallpigmente statt, die allerdings selten eluierbar sind. Unter Einfluss eines

Grundwassers mit niedrigem pH-Wert kann jedoch eine Mobilisierung der Schwer-

metalle nicht ausgeschlossen werden.

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Branchenblatt Metallwarenfabriken Seite 5

Altlasten-Leitfaden Schleswig-Holstein: Erfassung Anhang 11

Abb. 2: Emaillierung (Quelle: HANOW).

Detaillierte Verunreinigungspotentiale für Metallwarenfabriken lassen sich in der Re-

gel erst auflisten, wenn die Art der Metallbearbeitung und Oberflächenbehandlung

bekannt ist. Ein mögliches Kontaminationsspektrum ergibt sich aus den Einsatzstof-

fen in den Bereichen Gießerei, Schmiede, Emailliererei und Lackiererei.

5 Gesetzliche Ausführungsvorschriften für verwendete Stoffe/Stoffgruppen

Tabelle 1 Altlastrelevante Stoffe und ihr zeitlicher Einsatz

Stoff Nutzung Verstärkte An-wendung ab

Verwendungsbe-schränkung/ Ver-

bot

LCKW.1 Lösungs- und Reinigungsmit-

tel (Kaltreiniger) im Werkstatt-betrieb sowie in den Lackiere-reien.

ca. 1925 1981/1986 (zum Teil)

BTEX.2 Lösungs- und Reinigungsmit-

tel im Werkstattbetrieb sowie in den Lackierereien.

ca. 1925 1986 (zum Teil)

PCB (Polychlo-rierte Biphe-nyle).

3

Wurden in Kühlölen einge-setzt, um die Entzündungs-temperatur zu erhöhen.

ca. 1930 1978/1989

Wassermischba-re Kühlschmier-stoffe (N-Nitros-amin-Bildung).

4

Schmier- und Kühlmittelersatz für Öle mit Flammschutzmit-teln.

ca. 1955 1997

PCP (Penta- chlorphenol).

5

Wurden in Emulsionen zur Haltbarmachung eingesetzt.

ca. 1930 1986/1989

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Seite 6 Branchenblatt Metallwarenfabriken

Altlasten-Leitfaden Schleswig-Holstein: Erfassung Anhang 11

1 9/1981 Technische Regel für gefährliche Arbeitsstoffe TrgA 502: Verwendungsbeschrän-

kung für Tetrachlorkohlenstoff; 21.4.1986 2.BImSchV: Verordnung zur Emissionsbeschränkung von leichtflüchtigen Halo- genwasserstoffen, Anwendungsbeschränkungen 1990 in der Neufassung verschärft. 2 26.8.1986 GefStoffV: Verwendungsbeschränkung für Benzol auf geschlossene Systeme.

3 26.7.1978 10.BImSchV: Verwendungsbeschränkung auf geschlossene Systeme;

18.7.1989, PCB-Verbotsverordnung: Herstellungs-, Inverkehrsbringungs- und Verwen- dungsverbot, 1993 durch ChemVerbotsV abgelöst. 4 4/1997 Technische Regel für Gefahrstoffe TRGS 611, Verwendungsbeschränkungen für

wassermischbare bzw. wassergemischte Kühlschmierstoffe, bei deren Einsatz N-Nitros- amine auftreten können (Verbot von Nitrit im KSS) 5

26.8.1986 GefStoffV: Verwendungsbeschränkung für PCP, z.B. nicht in Aufenthaltsräu-- men einzusetzen; 12.12.1989 PCP-Verbotsverordnung: Herstellungs-, Inverkehrsbringungs- und Verwen- dungsverbot, 1993 abgelöst durch ChemVerbotsV.

6 Altlastrelevante/altlastirrelevante Nutzungszeiträume

Bis zum Ende des 19. Jahrhunderts sind keine wesentlichen Veränderungen in der

stofflichen Bearbeitung oder der Zusammensetzung der Hilfsstoffe für die Metallin-

dustrie bekannt. Es handelt sich lediglich um eine Maschinisierung und Mechanisie-

rung der bisherigen Handarbeit. Dieser Zeitraum kann daher mit einigen Ausnahmen

als altlastirrelevant angesehen werden.

Mit dem Einsatz von Verbrennungsmotoren als Kraftmaschinen und der Entwicklung

von Kompressoren, Hydraulikpumpen sowie anderer Hilfsaggregate sind allgemeine

Verunreinigungen durch Betriebsstoffe und Öle anzunehmen. Mit der stofflichen Be-

arbeitung von Werkstücken sowie dem gängigen Verfahren der Metallformung sind

bis in die Gegenwart keine merklich höheren Gefährdungspotentiale verbunden. Die

Härtung von Metallwaren wurde nach dem Zweiten Weltkrieg allgemein auf eine

Ofen- oder Bleibadhärtung umgestellt. Bei Letzterer können Handhabungsverluste

nicht ausgeschlossen werden.

Im Bereich der Lackiererei gab es im Laufe der Zeit Veränderungen hinsichtlich der

Altlastenrelevanz, die im Branchenblatt Lackiererei ausführlich dargestellt sind.

In der Tabelle 2 werden weder die Gießerei noch die Lackiererei besonders berück-

sichtigt, sollten diese Abteilungen jedoch besonders prägend für den Betrieb gewe-

sen sein, sind die in den jeweiligen Branchenblättern aufgeführten altlastrelevanten

Aspekte bei der Zuordnung zu einer Branchenklasse zu berücksichtigen.

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Branchenblatt Metallwarenfabriken Seite 7

Altlasten-Leitfaden Schleswig-Holstein: Erfassung Anhang 11

Tabelle 2 Zusammenfassung aller altlastrelevanten Aspekte und Zuordnung zu den Branchenklassen SH.

Zeitspanne Hilfsstoffe Nebenprodukte Altlastrelevante

Aspekte Branchen-klasse SH

Bis 1900 Seifen, Wasser,

Leinöle, Rüböle,

geringe Mengen

Mineralöle, me-

tallhaltige Glas-

schmelzen

Metallabfälle und

Schleifspäne

Keine Abwasser-

anlagen, keine

Bodenbefestigung

0

1900 – 1930 Seifen, Wasser,

zunehmende

Mengen an Mine-

ralölen, aliphati-

sche Lösungs-

mittel, metallhal-

tige Glasschmel-

zen

Metallspäne, gering

verölt

keine Abwasser-

anlagen, keine

Bodenbefestigung

0

1931 – 1960 Öle, Emulsionen,

PCB, Lösungs-

mittel aller Art,

metallhaltige

Glasschmelzen

ölige Metallspäne,

Schwermetalle;

Lösungsmittelrück-

stände, Farb- und

Lackschlämme

Keine Abscheider

für Farbschlämme

3

1961 – 1980 Emulsionen,

PCB, Lösungs-

mittel aller Art,

metallhaltige

Glasschmelzen,

erste Kunststoff-

beschichtung mit

Teflon

ölige Metallspäne,

Schwermetalle,

Lösungsmittelrück-

stände, Farb- und

Lackschlämme

Einführung der

Entgiftung und

Neutralisation von

Abwässern sowie

Abscheider für

Farbschlämme

und Nebel

3

1981 – Ge-

genwart

Emulsionen,

BTEX, metallhal-

tige Glasschmel-

zen, Kunststoff-

beschichtung mit

Teflon

ölige Metallspäne,

Ölschlämme,

Schwermetalle,

Farb- und Lack-

schlämme

Verbot von ver-

schiedenen

Schadstoffen.

3

Branchenklasse 0: kein Gefahrenpotential Branchenklasse 1: Gefahrenpotential sehr gering Branchenklasse 2: Gefahrenpotential gering Branchenklasse 3: Gefahrenpotential mäßig Branchenklasse 4: Gefahrenpotential hoch Branchenklasse 5: Gefahrenpotential sehr hoch

7 Literaturhinweise

HANOW, M. (HRSG.): Schleswig-Holstein und seine Industrie. Verlag M. Dumont

Schauberg, Köln, 1957.

LUEGER, O. (HRSG.): Lexikon der gesamten Technik und ihrer Hilfswissenschaften,

VII. Band, 2. Auflage. Deutsche Verlagsanstalt, Stuttgart und Leipzig, 1938.

ROHR, B.; WIELE, H. (HRSG.): Lexikon der Technik. Leipzig, 1982.

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Altlasten-Leitfaden Schleswig-Holstein: Erfassung Anhang 11 Histinvest - Dr. Klaus Schlottau, Bremen

Branchenblatt Metallwerke

Inhaltsverzeichnis Seite 1 Bezeichnung der Branche 2

2 Historischer Überblick 2

3 Allgemeiner Verfahrensablauf 3 3.1 Die Kupferraffination 4 3.2 Die Bleiraffination 4 3.3 Die Zinkraffination 4

4 Umweltrelevante Verfahrens- und Produktionsschritte sowie Verun- reinigungspotentiale 5

5 Gesetzliche Ausführungsvorschriften für verwendete Stoffe/ Stoffgruppen 6

6 Altlastrelevante/altlastirrelevante Nutzungszeiträume 6

7 Literaturhinweise 8 Abb. 1: Schmelzofen in einem Metallwerk (Quelle: nb-fotodesign).

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Seite 2 Branchenblatt Metallw erke

Altlasten-Leitfaden Schleswig-Holstein: Erfassung Anhang 11

1 Bezeichnung der Branche

Metallwerke zählen in der Grundstoffindustrie zu den Hütten, in denen aus Erzen,

Metallkonzentraten oder Sekundärrohstoffen (Schrott) Nichteisenmetalle hergestellt

werden. Handelt es sich um Erzhütten, so sind sie historisch meist nach ihrem

Hauptprodukt benannt (z.B. Kupferhütte, Aluminiumwerk, Bleihütte etc.). „Metall-

werk“ ist eine neuere Bezeichnung, die einerseits darauf zurückzuführen ist, dass im

metallurgischen Hüttenprozess aus den mehr oder minder reichen Erzen sehr viele

Metalle gewonnen und raffiniert werden, andererseits werden mit dieser Bezeich-

nung auch jene Hüttenwerke gekennzeichnet, die überwiegend Sekundärrohstoffe

wie z.B. Schrott, Aschen, Flugstaub und Schlacken verarbeiten.

In Norddeutschland gab es in der Vergangenheit eine verhältnismäßig große Zahl

von metallurgischen Betrieben, die sich als Metallwerk bezeichneten, und eingeführ-

tes angereichertes Erz verarbeiteten bzw. Kupfer-, Zink- oder Bleischrott verschie-

denster Herkunft verhütteten und raffinierten. In diesem Branchenblatt wird daher

nicht die primäre Erzverhüttung, sondern die Verhüttung angereicherter Importerze

und Sekundärrohstoffe dargestellt. In einigen Firmennamen der Metallindustrie

taucht der Begriff Metallwerke in irreführender Weise auf: manche Stahlbaubetriebe,

Metallwarenfabriken oder Eisengießereien versuchten sich durch diese Benennung,

die einen Großbetrieb suggeriert, von den Konkurrenten abzuheben.

Die Produkte der Metallwerke bestehen aus Barren, Blöcken, Masseln oder Granu-

laten der metallurgisch oder elektrolytisch raffinierten Nichteisenmetalle, die von den

Walzwerken zu Platten, Blechen, Profilen oder Röhren geformt werden oder in Ver-

zinkereien und Verchromereien erneut eingeschmolzen werden.

2 Historischer Überblick

Die Verhüttung der Nichteisenerze wird bereits seit der Antike von allen Kulturen

ausgeführt. Infolge des hohen Erzgewichtes wurde dieser Prozess zunächst aus-

schließlich in der Nähe der Lagerstätten durchgeführt. Die neuzeitliche ubiquitäre

Verbreitung von Metallprodukten sowie deren Einsatz für Konstruktionsmaterialien

führt dazu, dass sich auch abseits der Erzfundstätten, besonders in den Städten,

große Mengen von Schrott, Metallspänen, metallhaltigen Aschen, Schlacken und

Stäuben ansammeln. Der Transport dieses Materials zu den erzverarbeitenden Hüt-

ten ist zu kostspielig, so dass eine Verhüttung des Materials, besonders bei Zukauf

von Erzkonzentraten oder Schrott aus benachbarten Gebieten, auch in Nord-

deutschland rentabel ist.

Die Verhüttung von Kupfer und Silber in der wasserreichen Region zwischen Ham-

burg und Lübeck basiert auf einer bereits im 17. Jahrhundert beginnenden Tradition.

Schwedisches Rohkupfer aus den Gruben von Falun wurde hier raffinert und zu

Blechen oder Haushaltswaren verarbeitet. Die Münzprägen in Hamburg und Lübeck

raffinierten ihr Münzsilber selbst, und in Ahrensburg wurde bereits am Ende des 18.

Jahrhunderts eine komplette Hütte betrieben. Im Gegensatz zu dem Großbetrieb

der Norddeutschen Affinerie, die in großem Umfang Erz importiert, beziehen die

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Branchenblatt Metallwerke Seite 3

Altlasten-Leitfaden Schleswig-Holstein: Erfassung Anhang 11

meisten anderen Metallwerke ihr Ausgangsmaterial von den Schrotthändlern, die

die Späne und Abfallmetalle (Drehspäne aus Drehereien und Schleifereien, alte

Zinkregenrinnen, Blei- und Kupferrohre aus Klempner- und Installationsbetrieben,

Abfallzink und -chrom aus den Verzinkereien, Blei aus Härtereien, Kupfer von Elekt-

roinstallationsbetrieben und der Elektroindustrie etc.) von Schrottsammlern oder

direkt von den Betrieben beziehen.

Ein Metallwerk in Norddeutschland ist daher in der Regel ein mittelständischer Be-

trieb mit einem oder mehreren Schmelzöfen, die mit metallurgischem Koks oder

elektrisch beheizt werden. Einsatzstoffe sind fast immer sortierte Sekundärrohstoffe,

so dass eine Raffination, z.B. nach dem Seigerverfahren mit Quecksilber, nicht er-

forderlich ist. Produkte sind entweder Reinmetalle in Block- oder Barrenform oder

Legierungsmetalle in Form von gewalzten Messing- oder Bronzeblechen sowie

Gussteile aus Messing oder Bronze für die Metallindustrie. Im letzten Fall handelt es

sich um eine Metallgießerei, die in allen produktionstechnischen Verfahren mit einer

Eisengießerei vergleichbar ist (vgl. Branchenblatt Gießerei).

3 Allgemeiner Verfahrensablauf

Metallhütten arbeiten im Allgemeinen mit Erzen, die durch Ausklauben, Zermahlen,

Ausblasen, Auswaschen und andere physikalische Trennmethoden angereichert

und homogenisiert werden müssen. Mit Ausnahme des Sortierens und der Zerklei-

nerung entfallen für die hier beschriebenen Metallwerke all diese Arbeitsprozesse.

Nicht in Betracht kommen ferner metallurgische Prozesse wie Rösten und Reduzie-

ren, weil das Material, mit Ausnahme von Aschen und Schlacken, zumeist bereits in

hinreichendem Maße rein ist.

Metallschrott enthält allerdings fast immer unerwünschte Verunreinigungen durch

Öle jeder Art, Emulsionen oder Lacke. Die unkontrollierte Zufuhr von Kohlenstoffen

durch Mineralöle und Altlacke sowie die Zugabe von Metallen aus den Metallpig-

menten kann den Guss verderben oder zu unerwünschten Legierungen führen. Die

Vorstufe eines Metallwerkes besteht daher darin, Öle durch eine Wäsche in Lö-

sungsmitteln zu entfernen, und Altlacke durch Zerkleinerung, Granulieren und an-

schließendes Ausblasen oder Waschen zu beseitigen. Nach diesen allgemeinen

Vorarbeiten ist, in Abhängigkeit des zu erschmelzenden Metalls, ein geeigneter Raf-

finationsprozess zu wählen. Da in einem Metallwerk zumeist vorraffinierte Rohstoffe

oder sogenannte „Zemente“ eingesetzt werden, sind vor allem Kupfer-, Blei- und

Zinkraffinationen zu betrachten.

Nach der Raffination werden die zurückgewonnenen Rein- oder Werkmetalle in

handelsübliche Formen gebracht.

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Seite 4 Branchenblatt Metallw erke

Altlasten-Leitfaden Schleswig-Holstein: Erfassung Anhang 11

3.1 Kupferraffination

Je nachdem, ob der Kupferschrott oder der Zementkupfer noch Edelmetalle enthält,

wird ein oxidierendes oder reduzierendes metallurgisches Verfahren gewählt, um

sogenanntes Garkupfer zu erhalten. In beiden Fällen wird ein flacher Herdofen, der

von außen beheizt wird, für das Einschmelzen benutzt. Kupfer ohne Edelmetalle

wird in der Regel durch Luftzufuhr oxidiert, während im anderen Fall die Schmelze

durch das Eintauchen von Holz reduziert wird. Edelmetallhaltiges Kupfer, das in

Schwefelsäure gelöst wurde, kann auch durch Elektrolyse raffiniert werden. Die

Edelmetalle wie Gold, Silber, Blei etc., die in der Säure nicht gelöst werden, sam-

meln sich als Anodenschlamm im Bad an.

3.2. Bleiraffination

Bleischrott als Sekundärrohstoff besteht häufig aus Wasserrohren, Letternblei oder

Härtereibädern und enthält daher zumeist wenig Edelmetalle. Solches Abfallblei

lässt sich durch Einschmelzen ohne metallurgische Raffination zurückgewinnen. Ist

das Blei mit Kupfer verunreinigt, kann man eine Kupfer-Blei-Legierung abschöpfen,

sobald das Blei geschmolzen ist. Begleitmetalle wie Zink, Nickel oder Kobalt werden

aus der Schmelze oxidiert, indem Wasserdampf eingeblasen wird.

3.3. Zinkraffination

Zinkschrott besteht gewöhnlich aus Bedachungsmaterial, Regenrinnen, Altzink aus

der Feuerverzinkerei, Druckplatten oder aus Resten der Edelmetallverhüttung. Da

das Material gewöhnlich oxidiert ist, kann es nicht einfach durch Einschmelzen raffi-

niert werden, sondern muss destilliert werden. Hierzu dient wie bei fast allen Metall-

raffinationen der offene, indirekt beheizte Herdofen. Reines Zink verdampft bei einer

geringeren Temperatur als Zinkoxid, so dass mit einem Destillationsverfahren Zink

zusammen mit den Verbrennungsgasen aus dem Ofen ausgetrieben wird. Die Ab-

kühlung erfolgt dann in Kammern und Kanälen sowie in Filtern, die auch die Zink-

aschen und –stäube aufhalten sollen. Wird der Flammofen zu stark beheizt oder ist

die Länge und das Volumen der Abkühlungskanäle zu kurz gewählt, kondensiert

das Zink erst in der Luft über dem Abluftschornstein. Dieses Phänomen war bereits

zur Jahrhundertwende bekannt, so dass Metallwerke mit Zinkschmelze die höchsten

Schornsteine hatten. Das durch die Destillation gewonnene Werkzink enthielt fast

immer verunreinigende Metalle wie Eisen, Blei oder Antimon. Diese Metalle können

anschließend auf elektrolytischem Wege abgetrennt werden.

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Branchenblatt Metallwerke Seite 5

Altlasten-Leitfaden Schleswig-Holstein: Erfassung Anhang 11

4 Umweltrelevante Verfahrens- und Produktionsschritte sowie Verunreinigungspotentiale

Metallwerke befassen sich grundsätzlich mit allen Metallen außer Eisen, so dass

Metalle und Legierungen in Form von stückigem Schrott, Spänen, Granulaten, Pul-

ver, Aschen und Schlacken auf dem gesamten Firmengelände zu erwarten sind. Für

Metallwerke, insbesondere Zinkschmelzen, ist auch mit einer Metallverunreinigung

in der Umgebung zu rechnen, weil die Metalle zum Teil erst in der Außenluft kon-

densierten oder als Flugstaub aus den Filtern und dem Abluftschornstein ausgesto-

ßen wurden. Viele metallurgische Verfahren und auch die Elektrolyse setzen chemi-

sche Aufschlüsse durch Säuren oder Ausfällungen aus Lösungen voraus, so dass

insbesondere Säuren ebenfalls auf dem ganzen Gelände zu erwarten sind. Dies

kann u.U. zu einer Mobilisierung der vorhandenen Schwermetalle durch einen ent-

sprechend niedrigen pH-Wert im Boden führen.

Allgemeine Verunreinigungen sind auch durch den starken Fahrzeugverkehr und

den hohen Kraftbedarf der Pumpen, Brechwerke, Förderbänder, Windmaschinen

und Dynamos zu erwarten.

Die Verwendung von Metallabfällen jeder Art ist auch mit der Verbringung sonstiger

Abfälle der metallverarbeitenden Abfallerzeuger auf das Firmengelände der Metall-

werke verbunden. Dies gilt insbesondere für die Metallspäne der Dreherei (vgl.

Branchenblatt Dreherei), die im Zeitraum vom Beginn der 1930er Jahre bis zum

Beginn der 1980er Jahre durchgängig mit Ölen und Emulsionen, die als Kühlmittel

verwandt wurden, benetzt waren. Erst Anfang der 1980er Jahre konnten die

Schrotthändler wegen des schlechteren Preises für verölte Abfallmetalle durchset-

zen, dass die Späne bereits auf dem Gelände der Erzeuger gereinigt wurden. Vor

dieser Zeit mussten die Späne vor dem Einschmelzen auf dem Gelände der Metall-

werke von Ölen und Kühlmitteln befreit werden, weil, anders als in einer Eisengieße-

rei, die einen gewissen Anteil von Kohlenstoff im Guss benötigt, Kohlenstoff in den

meisten Werk- oder Reinmetallen, aber auch in den Legierungen wie z.B. Bronze

oder Messing, nicht erwünscht ist. Als Lösungsmittel waren bis zum jeweiligen Ver-

bot insbesondere chlorierte Kohlenwasserstoffe, seltener Petroleum oder Wasch-

benzin, verbreitet. Als Folge ist damit zu rechnen, dass mit den Lösungsmitteln auch

Öle ins Grundwasser gelangen konnten.

Sofern dem Metallwerk eine Walzstraße angeschlossen war, kann es im Bereich der

einzelnen Walzwerke oder Pressen zur Verunreinigung des Untergrundes durch

Hydrauliköle aus den Schläuchen, Kolben oder Pumpen gekommen sein.

Metallwerke mit einer angeschlossenen Gießerei für Bronze, Lagermetall oder spe-

zielle Legierungen haben neben den bereits geschilderten allgemeinen Verunreini-

gungspotentialen auch noch die einer Modelltischlerei, Formerei und Sandaufberei-

tung (vgl. Branchenblatt Gießerei).

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Seite 6 Branchenblatt Metallw erke

Altlasten-Leitfaden Schleswig-Holstein: Erfassung Anhang 11

5 Gesetzliche Ausführungsvorschriften für verwendete Stoffe/Stoffgruppen

Tabelle 1 Altlastrelevante Stoffe und ihr zeitlicher Einsatz

Stoff Nutzung Verstärkte Anwen-

dung ab Verwendungs-beschränkung/

Verbot

PCB (Polychlorierte Biphenyle).

1

Wurden in Kühlölen einge-setzt, um die Entzündungs-temperatur zu erhöhen.

ca. 1930 1978/1989

Wassermischbare Kühlschmierstoffe (N-Nitrosamin-Bildung).

2

Schmier- und Kühlmittelersatz für Öle mit Flammschutzmit-teln.

ca. 1955 1997

PCP (Penta- chlorphenol).³

Wurden in Emulsionen zur Haltbarmachung eingesetzt.

ca. 1930 1986/1989

LCKW.4 Lösungs- und Reinigungsmit-

tel insbesondere für verölte Späne.

ca. 1925 1981/1986 (zum Teil)

1 26.7.1978 10.BImSchV: Verwendungsbeschränkung auf geschlossene Systeme;

18.7.1989, PCB-Verbotsverordnung: Herstellungs-, Inverkehrsbringungs- und Verwen- dungsverbot, 1993 durch ChemVerbotsV abgelöst. 2 4/1997 Technische Regel für Gefahrstoffe TRGS 611, Verwendungsbeschränkungen für

wassermischbare bzw. wassergemischte Kühlschmierstoffe, bei deren Einsatz N-Nitrosamine auftreten können (Verbot von Nitrit im KSS) 3

26.8.1986 GefStoffV: Verwendungsbeschränkung für PCP, z.B. nicht in Aufenthaltsräu-- men einzusetzen; 12.12.1989 PCP-Verbotsverordnung: Herstellungs-, Inverkehrsbringungs- und Verwen- dungsverbot, 1993 abgelöst durch ChemVerbotsV. 4 9/1981 Technische Regel für gefährliche Arbeitsstoffe TrgA 502: Verwendungsbeschrän-

kung für Tetrachlorkohlenstoff; 21.4.1986 2.BImSchV: Verordnung zur Emissionsbeschränkung von leichtflüchtigen Halogenwasserstoffen, Anwendungsbeschränkungen 1990 in der Neufassung verschärft.

6 Altlastrelevante/altlastirrelevante Nutzungszeiträume

Die meisten Metallwerke der Neuzeit haben seit den 1920er Jahren für die Reindar-

stellung der Metalle das Verfahren der Elektrolyse in geschlossenen sauren Bädern

eingeführt. Gegenüber dem früheren Verfahren der Affination durch chemische Re-

aktionen und anschließender metallurgischer Reinigung durch Ausnutzung unter-

schiedlicher Schmelzpunkte ist daher eine geringere Umweltgefährdung durch

Handhabungsverluste zu konstatieren.

Die Entwicklungen in der spanabhebenden Metallverarbeitung seit Anfang des 20.

Jahrhunderts beeinflussten unmittelbar die Altlastenrelevanz und das Gefährdungs-

potential der Metallwerke, weil die Drehspäne einen wesentlichen Teil des Stoffein-

satzes darstellten. Alle Verunreinigungen an den Spänen gelangten über lange Zeit

auch auf das Gelände der Metallwerke und wurden häufig erst dort mit Hilfe chlorier-

ter Kohlenwasserstoffe entfernt. Durch die verbesserten Schneidstähle ergaben sich

zunehmend höhere Schnittgeschwindigkeiten, die eine Schmierung und Kühlung

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Branchenblatt Metallwerke Seite 7

Altlasten-Leitfaden Schleswig-Holstein: Erfassung Anhang 11

der Werkstücke und -zeuge erforderlich machten. Während anfänglich noch Seifen-

wasser, das auf die Grenzflächen gespritzt wurde, zur Werkzeug-/-stückkühlung

ausreichte, musste seit der Einführung der Schnellschnittstähle zunehmend auf

wärmeleitende, hochsiedende Öle und Emulsionen zurückgegriffen werden. Diese

Öle benötigen die seit dem Ende der 1920er Jahre eingesetzten Chlororganika (z.B.

PCB) als Flammschutz; Emulsionen mussten seither auch mit Emulgatoren, Fungi-

ziden und Bakteriziden (z.B. PCP) hergestellt und haltbar gemacht werden. Eben-

falls etwa seit Anfang der 1930er Jahren ist in Schleswig-Holstein auch mit der ver-

stärkten Anwendung chlorierter Kohlenwasserstoffe als Lösungsmittel (Per, Tri) zu

rechnen, da die verwendeten Abfallmetalle nicht verölt sein durften. Bis zum Verbot

der chlorierten Kohlenwasserstoffe und der Anwendungsbeschränkung für Kaltreini-

ger ist in den Metallwerken daher neben den stets vorhandenen Schwermetallen

auch mit Verunreinigungen durch Öle und Lösungsmittel zu rechnen.

Mit dem Einsatz von Verbrennungsmotoren als Kraftmaschinen und der Entwicklung

von Kompressoren, Hydraulikpumpen sowie anderen Hilfsaggregaten sind allge-

meine Verunreinigungen durch Betriebsstoffe und Öle anzunehmen.

Mit der stofflichen Bearbeitung von Werkstücken sowie dem gängigen Verfahren der

Metallformung sind bis in die Gegenwart keine merklich höheren Gefährdungs-

potentiale verbunden (vgl. Branchenblatt Metallwarenfabriken).

Tabelle 2 Zusammenfassung aller altlastrelevanten Aspekte und Zuordnung zu

den Branchenklassen SH. Zeitspanne Hilfsstoffe Nebenprodukte Altlastrelevante As-

pekte Branchen-klasse SH

Bis 1900 Koks, Holzkoh-

le, grünes Holz,

Säuren und

Laugen

Begleitmetalle zur

Abgabe an Schei-

deanstalten

Keine Abwasseranla-

gen, keine Bodenbe-

festigung

1

1900 – 1930 Koks, Holzkoh-

le, grünes Holz,

Säuren und

Laugen, erste

Bohröle ohne

PCB.

Begleitmetalle zur

Abgabe an Schei-

deanstalten

Infolge der Kriegswirt-

schaft ohne Überwa-

chung: keine Abwas-

seranlagen, keine

Bodenbefestigung

2

1931 – 1960 Koks, Holzkoh-

le, Säuren und

Laugen, Bohr-

und Schneid-

öle, PCB,

Emulsionen,

BTEX, CKW,

Fungizide, Bak-

terizide.

Begleitmetalle zur

Abgabe an Schei-

deanstalten

In den Drehspanla-

gern Abscheider im

Einzelfall ab 1930 auf

Weisung der Gewer-

beaufsicht nachweis-

bar. Entölen der Spä-

ne mit CKW.

4

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Seite 8 Branchenblatt Metallw erke

Altlasten-Leitfaden Schleswig-Holstein: Erfassung Anhang 11

1961 – 1980 Koks, Holzkoh-

le, Säuren und

Laugen, Bohr-

und Schneid-

öle, PCB,

Emulsionen,

BTEX, CKW,

Fungizide, Bak-

terizide.

Begleitmetalle zur

Abgabe an Schei-

deanstalten.

Entölen der Späne mit

CKW

4

1981 – Ge-

genwart

Koks, Holzkoh-

le, Säuren und

Laugen, Bohr-

und Schneid-

öle, Emulsio-

nen, BTEX,

Fungizide, Bak-

terizide.

Begleitmetalle zur

Abgabe an Schei-

deanstalten.

Die Anlieferung vor-

gereinigter Späne

vermeidet die Gefähr-

dung durch CKW,

Verbot einiger Schad-

stoffe.

3

Branchenklasse 0: kein Gefahrenpotential Branchenklasse 1: Gefahrenpotential sehr gering Branchenklasse 2: Gefahrenpotential gering Branchenklasse 3: Gefahrenpotential mäßig Branchenklasse 4: Gefahrenpotential hoch Branchenklasse 5: Gefahrenpotential sehr hoch

7 Literaturhinweise

HANOW, M. (HRSG.): Schleswig-Holstein und seine Industrie. Verlag M. Dumont

Schauberg, Köln, 1957.

LUEGER, O. (HRSG.): Lexikon der gesamten Technik und ihrer Hilfswissenschaf-

ten, 1. Auflage. Deutsche Verlagsanstalt, Stuttgart und Leipzig, 1904.

nb-fotodesign: Norbert Balzer, Stickenbütteler Weg 22, 27476 Cuxhaven.

ROHR, B.; WIELE, H. (HRSG.): Lexikon der Technik. VEB Bibliographisches Institut

Leipzig, Leipzig, 1982.

SCHMÖHLE, C.: Von den Metallen und ihrer Geschichte, Band 1 und 2. R. & G.

Schmöhle Metallwerke, Menden, 1967/1969.

SINGER, C.; HOLMYARD, E.J.; HALL, A.R. et al. (HRSG.): A History of Technolo-

gy, Vol. V (The Late Nineteenth Century). Clarendon Press, Oxford, 1958.

SUHLING, L.: Der Seigerhüttenprozeß. Die Technologie des Kupferseigerns. Dr.

Riederer Verlag, Stuttgart, 1976.

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Altlasten-Leitfaden Schleswig-Holstein: Erfassung Anhang 11 Histinvest – Dr. Klaus Schlottau, Bremen

Branchenblatt Öl- und Margarine- fabriken

Inhaltsverzeichnis Seite 1 Bezeichnung der Branche 2 2 Historischer Überblick 2 3 Allgemeiner Verfahrensablauf 3 3.1 Ölmühlen und Ölfabriken 4 3.2 Margarinefabriken 5 4 Umweltrelevante Verfahrens- und Produktionsschritte sowie Ver-

unreinigungspotentiale 6 5 Gesetzliche Ausführungsvorschriften für verwendete Stoffe/

Stoffgruppen 7 6 Altlastrelevante/altlastirrelevante Nutzungszeiträume 7 7 Literaturhinweise 9

Abb. 1: Margarinewerbung um 1950 (Quelle: PELZER; REITH)

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Seite 2 Branchenblatt Öl- und Margarinefabriken

Altlasten-Leitfaden Schleswig-Holstein: Erfassung Anhang 11

1 Bezeichnung der Branche

Margarine und pflanzliche Öle gehören zur großen Gruppe der Speisefette und -öle,

die zumeist aus Pflanzensamen, seltener aus tierischen Fetten hergestellt werden.

Bekannt sind insbesondere Leinöl, Olivenöl, Kokosöl sowie ausgeschmolzene tieri-

sche Fette. Verwendung finden sie zumeist als Speiseöl, Salatöl, Bratfett etc. Auch

die Butter ist als tierisches Fett in der Milch Bestandteil der Speisefette. Pflanzliche

Öle sind in der Regel einerseits selber Hauptgegenstand der Produktion und zusätz-

lich Rohstoff für die Herstellung von Margarine.

Ölmühlen waren zunächst nur Kleinunternehmen, eine Konzentration der Betriebe

setzte schon vor dem Ersten Weltkrieg ein und wurde durch diesen gefördert. In den

1920er Jahren entstanden große Ölmühlen mit bis zu 500 Arbeitskräften sowie

Margarinefabriken, die bis zu 2000 Arbeitskräfte im Schichtbetrieb einsetzten. Ge-

genwärtig bestehen in Norddeutschland noch Fabriken, die bis zu 500 Arbeitskräfte

pro Standort beschäftigen.

2 Historischer Überblick

Pflanzenöle wurden bereits seit der Antike aus den Früchten des Olivenbaumes und

anderer ölhaltiger Samen, z.B. Sesam, gewonnen und nach Filtration zumeist ohne

weitere Bearbeitung verwendet. Die Frucht wurde unter Anwendung quetschender

Werkzeuge oder Maschinen zerkleinert und dann ausgepresst, so dass das Öl zu-

sammen mit wässrigen Bestandteilen und Teilen des Fruchtfleisches herausfloss.

Nach Filtration und anschließendem Dekantieren wurde das gewonnene Öl unter

Luftabschluss bis zum Verzehr aufbewahrt.

Diese Vorgehensweise gilt trotz Veränderungen in der Produktionstechnik grund-

sätzlich noch bis heute. Das Produkt dieses Herstellungsverfahrens wird als „kalt

gepresst“ bezeichnet.

Die Herstellung von Margarine als Ersatzstoff für Butter wurde ab ca. 1880 in den

Niederlanden industriell eingeführt. Sehr bald schon wurden, besonders in Schles-

wig-Holstein, die norddeutschen Einfuhrhäfen für pflanzliche Öle und Fette sowie

deren nähere Umgebung zu den Hauptstandorten der Margarineindustrie. Der Kon-

sum der Margarine erreichte zwar nie die Bedeutung von Butter, dennoch ist Marga-

rine ein Produkt mit großer Bedeutung für die Industrie.

Zunächst wurde Margarine fast ausschließlich aus tierischen Fetten hergestellt, die

als Abfallprodukte in Schlachthäusern anfielen. Pflanzenöle wurden zunächst nur

zum Strecken und aus steuerlichen Gründen zugesetzt, gewannen aber eine zu-

nehmende und letztlich dominante Funktion. Nachdem verschiedene industrielle

Verfahren zum Härten der Öle mit Hilfe von Katalysatoren (Nickel) und Hydrierung

erprobt worden waren, wurden seit dem Ersten Weltkrieg immer mehr Pflanzenöle

zu Margarine verarbeitet.

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Branchenblatt Öl- und Margarinefabriken Seite 3

Altlasten-Leitfaden Schleswig-Holstein: Erfassung Anhang 11

3 Allgemeiner Verfahrensablauf

Ölfrüchte und ölhaltige Pflanzenteile müssen vor der Bearbeitung zunächst gereinigt

werden. Die Verunreinigungen bestehen überwiegend aus holzigen oder blättrigen

Teilen, daneben sind gelegentlich Erde oder Sand vorhanden. Diese können durch

Rüttelsiebe oder Windsichter entfernt werden. Hülsen und umhüllender Bast können

mit Hilfe von Putzmühlen beseitigt werden.

Verunreinigungen, die durch die Lagerung und den Transport entstanden sind, z.B.

Schimmelbildungen sowie pflanzenimmanente Verunreinigungen durch Harze, z.B.

bei Baumwollsaat, werden durch Raffinationsprozesse bei der Ölgewinnung besei-

tigt.

In Kollergängen, zwischen Mühlsteinen oder in Kegelmühlen, werden dann die

Früchte oder Kerne soweit zerkleinert, dass die Zellwände zwar bereits geöffnet

sind, das Öl jedoch noch nicht austritt.

Abbildung 2 zeigt den schematischen Produktionsablauf von Speiseöl und Margari-

ne.

Abb. 2: Schema des Produktionsablaufes von Speiseöl und Margarine

Ölsaaten (Sonnenblumen, Sojabohnen, Raps etc.)

Ölmühle - Pressen oder Extrahieren

Rohöle

Raffinerie (mehrstufiger Prozess) - Entsäuern, Bleichen, z.T. Härten in großen Kesseln

Raffinate (Reinöle)

Margarinefabrik - Mischen, Emulgieren, Abpacken, Umpacken

Schrot (Futtermittelherstellung)

Fettsäure (Seifenherstellung)

Speiseöl

Wasser, Zutaten, Packstoffe

Abgepackte Margarine

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Seite 4 Branchenblatt Öl- und Margarinefabriken

Altlasten-Leitfaden Schleswig-Holstein: Erfassung Anhang 11

3.1. Ölmühlen und Ölfabriken

Öle und Fette aus Pflanzen werden seit der Industrialisierung auf drei verschiedene

Weisen gewonnen:

- durch Auspressen der ölhaltigen Pflanzenteile

- durch Ausschmelzen oder Auskochen in Wasser oder Dampf

- durch die Extraktion der Öle mittels flüchtiger Lösemittel.

Das Auspressen ist die historisch älteste Form der Ölgewinnung. Selbst bei der An-

wendung großer Drücke und einer guten mechanischen Vorbereitung durch Zerklei-

nerung der Ölfrüchte und Ölsaaten verbleibt ein restlicher Ölgehalt von 4 – 12 Pro-

zent im Rückstand, dem Ölkuchen. Nachdem man zunächst versucht hatte, diesen

Restgehalt durch Auskochen oder Bedampfen zu gewinnen, ging man ab 1855 in

den Ölmühlen und Fabriken dazu über, die Rückstände mit Lösungsmitteln, zu-

nächst Schwefelkohlenstoff, zu behandeln.

Die Industrialisierung der Branche begann am Ende des 19. Jahrhunderts, als der

Bedarf an Speisefetten durch die Bevölkerungsexplosion stark zunahm und zugleich

ein großer Teil der essbaren Pflanzenöle oder Ölsamen für technische Produkte

eingesetzt wurden. Durch den Einsatz von Wärme und höherem Druck konnte ei-

nerseits die Ausbeute des bisher eingesetzten Verfahrens deutlich erhöht werden.

Andererseits wurden nunmehr auch Pflanzenöle, die bisher wegen chemischer Ver-

unreinigungen durch Harze (Baumwollsaatöl) oder Ranzigkeit aufgrund von Oxidati-

on auf dem Transport (Kokosöl, Palmfett) nicht verwendet wurden, verarbeitet. Da-

bei wird in einem Verfahren, das mit der Raffination von Mineralölen vergleichbar ist,

das erwärmte Öl zunächst durch die Zugabe von Laugen neutralisiert. Bei diesem

Vorgang bilden die freien Fettsäuren mit den Laugen Seifen, die zusätzlich beim

Ausfällen weitere unerwünschte Verunreinigungen binden. Durch Filtrieren werden

dann die neutralen Öle gewonnen, die durch den Zusatz von Silikaten weiter ge-

bleicht werden. Der Rückstand kann zu Seifen verarbeitet werden, während die er-

wärmten Presskuchen an die Kraftfutterindustrie verkauft werden.

Zur Entfernung von Geruchsstoffen, die beim thermischen Pressverfahren unver-

meidlich waren, wurden Destillationskolonnen benutzt. Die Erwärmung wurde durch

das Einblasen von Wasserdampf in die Destillationsblase erreicht.

Während des Ersten Weltkrieges war der Mangel an Ölen und Fetten wegen des

hohen Glycerinbedarfs der Sprengstoffindustrie so groß, dass man begann, zu-

nächst die Ölkuchen, die nach dem Pressen zurückblieben, mit leichtflüchtigen Lö-

sungsmitteln in Destillationskolonnen nachzubearbeiten, um auch den letzten Ölrest

zu gewinnen. Dieses Verfahren wurde nach und nach auch für die billigeren Mas-

senöle eingesetzt, weil der Produktionsgang verfahrenstechnisch besser zu optimie-

ren war. Zugleich konnte durch das Einblasen von Wasserstoff unter Anwesenheit

eines Katalysators eine unmittelbare Hydrierung des Öls durchgeführt werden, so

dass eine Vorstufe der Margarineproduktion erreicht wurde.

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Branchenblatt Öl- und Margarinefabriken Seite 5

Altlasten-Leitfaden Schleswig-Holstein: Erfassung Anhang 11

3.2 Margarinefabriken

Margarine wurde in der letzten Dekade des 19. Jahrhunderts als „Kunstbutter“ auf

dem Markt eingeführt. Es handelte sich hierbei zunächst um ein Speisefett, das

durch Mischung verschiedener tierischer Fette, darunter auch die sogenannte

„Oleomargarine“ aus ausgeschmolzenem Rindertalg oder Knochenfett aus den Ab-

fällen der Schlachthöfe sowie Molke und Butter, entstand. Der Gesetzgeber hatte,

um einer Täuschung der Verbraucher vorzubeugen, allerdings vorgeschrieben, dass

in Deutschland 10 Prozent leicht erkennbare Pflanzenöle (z.B. Sesamöl) enthalten

sein müssen. Um eine streichfähige Konsistenz zu erreichen, wurden mehr und

mehr Pflanzenöle mit verschiedenen Schmelzpunkten und mit besseren Eigenschaf-

ten zur Bindung von Wasser eingesetzt, so dass moderne Margarine zumeist einen

hohen Anteil an Pflanzenölen und Wasser hat. Die Beimengung von Butter oder

anderen tierischen Fetten ist demgegenüber kontinuierlich gesunken.

Die Margarineproduktion folgt einem bestimmten Schema. Zunächst werden die Öle

und Fette je nach gewünschter Konsistenz und Farbe, manchmal aber auch nach

jahreszeitlichen Gesichtspunkten, ausgewählt und mit Milchpulver, Butter, Talg etc.

gemischt. Dann wird die Mischung mit Magermilch oder Wasser maschinell zu einer

Emulsion aufbereitet, die einen zäh-pastösen Charakter hat. Durch weitere Hydrie-

rung erfolgt eine Kristallisation, so dass die Masse gewalzt und geknetet werden

kann. Weiterhin werden u.a. Farb-, Geschmacks- und Geruchsstoffe zugesetzt, be-

vor die Masse abgefüllt wird.

Abb. 3: Auswiegen der Rohstoffe (Quelle: STADTARCHIV ELMSHORN)

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Seite 6 Branchenblatt Öl- und Margarinefabriken

Altlasten-Leitfaden Schleswig-Holstein: Erfassung Anhang 11

4 Umweltrelevante Verfahrens- und Produktionsschritte sowie Verunreinigungspotentiale

Die traditionelle Ölmüllerei ist mit keinen relevanten Umweltgefährdungen verbun-

den, weil die eingesetzten Stoffe restlos verwertet werden und der Maschinenbe-

trieb nur geringe Schmierstoffleckagen verursachen kann. Diese Einschätzung gilt

unabhängig von der Betriebsgröße, wobei allerdings zu berücksichtigen ist, dass mit

wachsender Betriebsgröße auch die Probleme, die mit einem Betriebshof verbun-

den sind, zunehmen können.

Ein Gefährdungspotential ergibt sich in den Ölfabriken erst mit der Einführung der

Ölextraktionsverfahren seit dem Ende des 19. Jahrhunderts. Obwohl es sich bei den

Ölen um Nahrungsmittel handelte, wurden damals Petroleum und Benzin einge-

setzt, um Restöle aus den Presskuchen zu lösen, oder die Frucht gänzlich zu ent-

ölen. Analog zu anderen Branchen, die mit feuergefährlichen Lösungsmitteln um-

gingen, begann verstärkt am Ende der 1930er Jahre die Umstellung auf chlorierte

Kohlenwasserstoffe, weil diese eine geringere Brandgefährdung hatten.

Das Entölen mit CKW wurde besonders im Zweiten Weltkrieg angewandt, weil auch

allerkleinste Teilmengen der Öle und Fette benötigt wurden. Nach Ende des Krieges

wurden angesichts des Nahrungsmittelmangels diese Stoffe vermutlich noch weiter

eingesetzt. Mit dem Beginn des Konsumzeitalters wurden zwar wieder vermehrt

Fette verzehrt, jedoch stieg insbesondere der Butter-Konsum an, da der Ruf der

Margarine während des Krieges („Hitler-Fett“) sehr durch Qualitätsmängel und die

Verwendung von Hydrierfetten aus Braunkohle gelitten hatte. Nach dem Krieg hat-

ten außerdem gelegentliche Beimengungen von Mineralölen oder sogar Spezial-

ölen, z.B. dem überschüssigen „Torpedoöl“ mit Tricresylphosphat, in Norddeutsch-

land zu Skandalen geführt.

Für die Öl- und Margarineindustrie war es daher überlebenswichtig, den Markenna-

men durch bessere Qualität zu stärken und die Ölkuchen mit hohen Restölgehalten

zu besseren Konditionen an die Futtermittelindustrie zu verkaufen. Tendenziell be-

gann daher bereits zu Beginn der 1950er Jahre eine Abwendung von der industriel-

len Extraktion hin zu dem heutigen Werbeargument „kalt gepresstes Natur-öl“.

Durch den Verzicht auf höhere Ausbeute beim Einsatz von Lösungsmitteln hat sich

das Gefährdungspotential verringert.

Die eigentliche Margarineherstellung umfasst nur das Vermengen und Verarbeiten

der Rohstoffe. Ihr ist in diesem Sinne keine Altlastenrelevanz zu unterstellen. Dies

gilt allerdings nur, solange die Fabriken ihre Rohstoffe (Speiseöle) nicht selbst her-

stellen. Außerdem ist zu bedenken, dass bei Großbetrieben immer mit dem Vorhan-

densein eines Fuhrparks und Betriebshofes zu rechnen ist, woraus diesbezügliche

Probleme entstehen können.

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Branchenblatt Öl- und Margarinefabriken Seite 7

Altlasten-Leitfaden Schleswig-Holstein: Erfassung Anhang 11

Abb. 4: Emulgation der Margarine in sogenannten „Kirmen“ (Quelle: STADTAR-

CHIV ELMSHORN).

5 Gesetzliche Ausführungsvorschriften für verwendete Stoffe/Stoffgruppen

Für Ölfabriken und Margarinefabriken liegen abgesehen von einer EU-Normierungs-

verordnung für das Produkt Margarine („Streichfett“) keine speziellen Ausführungs-

vorschriften vor.

Tabelle 1 Altlastrelevante Stoffe und ihr zeitlicher Einsatz

Stoff Nutzung Verstärkte An-wendung ab

Verwendungsbe-schränkung/ Verbot

LCKW.1 Lösungsmittel für Fette und Öle. ca. 1940 1981/1986 (zum Teil)

BTEX.2 Lösungsmittel für Fette und Öle. ca. 1920 1986 (zum Teil)

1 9/1981 Technische Regel für gefährliche Arbeitsstoffe TrgA 502: Verwendungsbeschrän-

kung für Tetrachlorkohlenstoff; 21.4.1986 2.BImSchV: Verordnung zur Emissionsbeschränkung von leichtflüchtigen Halo- genwasserstoffen, Anwendungsbeschränkungen 1990 in der Neufassung verschärft. 2 26.8.1986 GefStoffV: Verwendungsbeschränkung für Benzol auf geschlossene Systeme.

6 Altlastrelevante/altlastirrelevante Nutzungszeiträume

Zwischen 1890 und den 1930er Jahren wurden in den Ölfabriken zunehmende

Mengen an Lösungsmitteln, besonders Aliphate, aber auch Benzole, für die Lösung

der Restöle aus den Ölkuchen verwendet. Diese Stoffe wurden nach Redestillation

erneut benutzt, so dass, insbesondere unter Berücksichtigung des mikrobiellen Ab-

baus, kaum nachhaltige Verunreinigungen zu erwarten sind.

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Seite 8 Branchenblatt Öl- und Margarinefabriken

Altlasten-Leitfaden Schleswig-Holstein: Erfassung Anhang 11

Ende der 1930er Jahre und verstärkt während der Kriegsjahre wurden chlorierte

Kohlenwasserstoffe eingesetzt, die ebenfalls redestillert wurden. Obgleich auch bei

diesem Verfahrensschritt ein vollständiger Kreislauf ohne Verluste angestrebt war,

muss davon ausgegangen werden, dass Handhabungsverluste und Leckagen im

Bereich der Lösungsmittellager, der Produktion und der Abfall- oder Reststofflage-

rung vorgekommen sind, die zu nachhaltigen Umweltverunreinigungen geführt ha-

ben können.

Mit Beginn der 1950er Jahre wurden diese Verfahren nahezu vollständig aufgege-

ben, da die Futtermittelindustrie für ölhaltige Presskuchen mehr zahlte als für entölte

Cellulose, und der Verbraucherwunsch nach „hochwertiger“ Ware verstärkt berück-

sichtigt wurde.

Tabelle 2a Zusammenfassung aller altlastrelevanten Aspekte der Ölfabriken

und Zuordnung zu den Branchenklassen SH.

Zeitspanne Hilfsstoffe Nebenprodukte Altlastrelevante

Aspekte

Branchen-

klasse SH

bis 1900 Laugen, Schwe-

felkohlenstoff,

Sikkative, Silikate

Ölkuchen Keine Abwasseran-

lagen

0

1901 – 1939 Laugen, Sikkati-

ve, hauptsächlich

aliphatische Lö-

sungsmittel, Ge-

ruchsstoffe, Sili-

kate

Ölkuchen Redestillation der

Lösungsmittel; man-

gelnde Abwasseran-

lagen

0

1940 – 1950 Laugen, Silikate,

Geruchsstoffe,

CKW, aliphati-

sche Lösungs-

mittel, Sikkative.

Ölkuchen Infolge der Kriegs-

wirtschaft zeitweise

ohne Überwachung

bei hohen Produkti-

onsmengen

4

1951 – Ge-

genwart

Laugen, Sikkati-

ve, Silikate,

aliphatische Lö-

sungsmittel, Ge-

ruchsstoffe

Ölkuchen Abkapselung der

Verfahren gegen die

Umwelt; Verbot

einiger Stoffe/Stoff-

gruppen, Fuhrpark

2

Tabelle 2b Zuordnung der Margarinefabriken zu den Branchenklassen SH.

Zeitspanne Altlastrelevante

Aspekte

Branchen-

klasse SH

bis 1950 0

1951 – Ge-

genwart

Betriebshofproble-

matik durch Fuhr-

park

3

Branchenklasse 0: kein Gefährdungspotential Branchenklasse 1: Gefährdungspotential sehr gering Branchenklasse 2: Gefährdungspotential gering Branchenklasse 3: Gefährdungspotential mäßig Branchenklasse 4: Gefährdungspotential hoch Branchenklasse 5: Gefährdungspotential sehr hoch

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Branchenblatt Öl- und Margarinefabriken Seite 9

Altlasten-Leitfaden Schleswig-Holstein: Erfassung Anhang 11

7 Literaturhinweise

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BETHKE, W.; ZUNCKE, H.: Molkereierzeugnisse. Warenkunde über Milch, Butter,

Käse sowie Öle, Fette, Margarine und Eier. Leipzig, 1960

ELLERBROOK, K.P.: Geschichte der deutschen Nahrungs- und Genussmittelin-

dustrie 1750 – 1914. Kohlhammer, Stuttgart, 1993.

EWALD, M.: Die pflanzlichen und tierischen Fette und Öle in Krieg und Frieden.

Springer, Berlin, 1918.

FAHRION, W.: Die Fabrikation der Margarine, des Glyzerins und Stearins. Springer,

Berlin, 1920.

FELD, E.: Die deutsche Margarineindustrie. Diss. Universität Marburg, 1922.

HEIß, P.: Butter und Margarine. Die Verbrauchsverschiebungen in der Bundesre-

publik Deutschland. Diss. Universität Innsbruck, 1955.

HERBST, R.: Die Entwicklung der Margarineindustrie zwischen 1869 und 1930 un-

ter besonderer Berücksichtigung des Hamburger Wirtschaftsraumes. Diss. Universi-

tät Hamburg, 1989.

LANG, V.: Die Fabrikation der Kunstbutter, Kunstspeisefette und Pflanzenbutter, 4.

Auflage. Wien und Leipzig, 1912.

PELZER, B.; REITH, R.: Margarine. Die Karriere der Kunstbutter. Wagenbach, Ber-

lin, 2001.

POLLATSCHEK, P.: Die Fabrikation der Margarine. Kohlhammer, Stuttgart, 1923.

ULLMANN, F. (HRSG.): Enzyklopädie der technischen Chemie, 2., völlig neu bear-

beitete Auflage. Urban & Schwarzenberg, Berlin und Wien, 1930.

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Altlasten-Leitfaden Schleswig-Holstein: Erfassung Anhang 11 Histinvest - Dr. Klaus Schlottau, Bremen

Branchenblatt Schiffswerften und Schiffsreparaturbetriebe

Inhaltsverzeichnis Seite 1 Bezeichnung der Branche 2

2 Historischer Überblick 2

3 Allgemeiner Verfahrensablauf 3 3.1 Neubau von Schiffsrümpfen und Rohrleitungsbau 3 3.2 Gießerei 5 3.3 Spanende Bearbeitungen im Schiffsmaschinenbau 5 3.4 Montage von Maschinenteilen 6 3.5 Lackiererei, Anstrich und Oberflächenveredelung 6 3.6 Tischlerei und Innenausbau 7 3.7 Fremdfirmen auf dem Werftgelände 7 3.8 Fremdarbeiten für Dritte 8

4 Umweltrelevante Verfahrens- und Produktionsschritte sowie Verun- reinigungspotentiale 8

5 Gesetzliche Ausführungsvorschriften für verwendete Stoffe/Stoffgruppen 10

6 Altlastrelevante/altlastirrelevante Nutzungszeiträume 11 Dreherei 11 Schweißerei und Löterei 12 Härterei 12

7 Literaturhinweise 15

Abb. 1: Ausrüstungs- und Reparaturbereich einer Schiffswerft in den 1950er

Jahren (Quelle: HANOW).

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Branchenblatt Schiffswerften und Schiffsreparaturbetriebe Seite 2

Altlasten-Leitfaden Schleswig-Holstein: Erfassung Anhang 11

1 Bezeichnung der Branche

Aufgabe einer Werft ist die Herstellung eines Wassertransportfahrzeuges, das sich

aus eigener Kraft oder mit Hilfe eines Schleppfahrzeuges fortbewegt. Die Binnen-

gliederung einer Werft umfasste historisch üblicherweise die Herstellung des

Schiffsrumpfes, einer Maschinen- und Ruderanlage sowie die Einrichtung mit Hebe-

zeugen, Unterkünften und allen notwendigen Installationen. Als typische Werft ist

daher ein Stahlbaubetrieb mit Erweiterungen durch Gießerei, Maschinenbau, La-

ckiererei usw. anzusehen. Werften sind, sofern es sich nicht nur um den Bau von

Booten oder Yachten handelt, grundsätzlich personalintensiv und gehören zu den

Mittel- und Großbetrieben.

2 Historischer Überblick

Der Bau von Wasserfahrzeugen und ihre Reparatur ist ein Gewerbe, das bereits seit

früher Zeit an allen schiffbaren Flussläufen und in Seehafenstädten ausgeübt wur-

de. Grundsätzlich ist zwischen den Werkstoffen Holz und Metall zu unterscheiden.

Im Handelsschiffbau dominierte das Holz bis zum Ende des 19. Jahrhunderts und

wurde dann durch Eisenbleche abgelöst.

Der Holzschiffbau beschränkte sich zunehmend auf den Bau von Booten und Frei-

zeitfahrzeugen. Die grundsätzlichen Umweltprobleme des Holzschiffbaus sind mit

denen anderer holzbearbeitender Branchen wie z.B. Tischlereien und Zimmereien

vergleichbar. Verunreinigungen können insbesondere durch Holzkonservierungen

und Abdichtungen entstehen, so dass teerige bzw. schwermetallhaltige Holzkonser-

vierungsmittel als potentielle Schadstoffe dominant sind (siehe Branchenblatt Zim-

merei).

Neben dem Holzschiffbau spielt auch die Anfertigung von Kunststoffrümpfen im mo-

dernen Bootsbau für den Freizeitbereich eine herausragende Rolle. Beide sind aber

nicht Bestandteil dieses Branchenblattes.

Der Metallschiffbau wurde für die Kriegsmarine bereits Mitte des 19. Jahrhunderts

eingeführt und am Ende des 19. Jahrhunderts auch von der Handelsschifffahrt

übernommen. Die herkömmliche Schiffswerft wandelte sich daher zunehmend zum

metallverarbeitenden Betrieb. Im Rahmen des Wilhelminischen „Tirpitz-Planes“ ent-

standen in den Hafenstädten Großwerften mit mehreren tausend Mitarbeitern, die

sowohl im Flottenbauprogramm als auch beim Bau der Ozeanriesen für den Fracht-,

besonders aber den Passagierverkehr, tätig waren. Als Werftstandort besonderer

Art kann in Schleswig- Holstein die Stadt Kiel gelten, deren Bedeutung hauptsäch-

lich auf das Flottenbauprogramm zurückzuführen ist. Mit einigem Abstand folgen

Lübeck und Flensburg, aber auch an der Nordseeküste und entlang der Elbe finden

sich viele mittelständische Werftbetriebe, die bis in die Gegenwart hinein produzie-

ren.

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Branchenblatt Schiffswerften und Schiffsreparaturbetriebe Seite 3

Altlasten-Leitfaden Schleswig-Holstein: Erfassung Anhang 11

3 Allgemeiner Verfahrensablauf

Die Produkte einer Werft sind einerseits Neuanfertigungen von Schiffsrümpfen, Ma-

schinenteilen oder mechanischen Geräten, andererseits handelt es sich um Repara-

turdienstleistungen an den Rümpfen, Maschinen oder Maschinenteilen. Die Arbeiten

an Maschinen werden zumeist in einer Werkstatt durchgeführt, die über die gängi-

gen Werkzeuge und Hilfseinrichtungen verfügt. Der Bau der Schiffsrümpfe hingegen

wird in der Regel auf den sogenannten „Helgen“ oder in Bau- und Trockendocks

ausgeführt. Für Reparatur- und Wartungsarbeiten werden die Schiffe seit dem letz-

ten Jahrhundert zumeist in einem Schwimmdock aufgebockt.

Als Entwicklung der letzten Jahrzehnte ist der Segmentbau anzusehen. Der Vorteil

besteht in einer deutlich kürzeren, witterungsunabhängigen Bauzeit. Der Schiffs-

rumpf und das Deckshaus werden in Segmente untergliedert, die in Werkhallen

hergestellt und dann mit Hilfe eines Bockkranes in einem Baudock zusammengefügt

werden. Auf diese Weise konnten einerseits die flächenintensiven Helgen einge-

spart werden, und andererseits Drittfirmen, die im Binnenland ansässig sind, an der

Zulieferung beteiligt werden.

Eine Reparaturwerft unterscheidet sich nicht grundsätzlich von einer Neubauwerft.

Zu reparieren sind einerseits die Schiffsrümpfe, andererseits die Maschinen- und

sonstigen Anlagen eines Schiffes. Im letzten Jahrzehnt haben viele Reparaturwerf-

ten auch Schiffsverlängerungen durchgeführt, so dass eine eindeutige Trennung

beider Betriebsarten nicht mehr möglich ist. Hinsichtlich der Umweltrelevanz unter-

scheiden sich jedoch die Abfallstoffe eines Schiffsneubaus bezüglich der Art und

Menge beträchtlich von denen einer Reparaturwerft. Insbesondere Sandstrahlabfäl-

le mit hohem Anteil an Altfarben und Grundierungen, Altöle aus den Schiffsmaschi-

nen, der Hydraulik und der Bilge sowie Ölschlämme aus den Tanks für Bunkeröle

fallen im Reparatur- und Wartungsbereich in weit größeren Mengen als im Neubau-

bereich an.

Der Neubau eines Schiffes erfordert wie oben ausgeführt einerseits den Bau des

Schwimmkörpers und die maschinelle Ausstattung, andererseits aber auch die Aus-

rüstung des Schiffes mit allen erforderlichen Ein- und Ausbauten unter und über

Deck. Durch die Aufteilung in Abteilungen, die auch flächig getrennt sind, ist der

Baubeginn an allen Einzelteilen eines Schiffes nahezu gleichzeitig möglich. Eine

Serienfertigung von Schiffen ist wenig verbreitet und findet in größerem Umfang nur

für die Marine, besonders in den kleineren Schiffs- und Bootsklassen, statt.

3.1 Neubau von Schiffsrümpfen und Rohrleitungsbau

Die Bearbeitung von metallischen Werkstücken in Form von Blechen und Profilen zu

Hohlkörpern wie z.B. Schiffsrümpfen unterscheidet sich deutlich von der Bearbei-

tung massiver Teile. Profile und Blechtafeln werden abgelängt, abgekantet und

dann durch Schweißen, Löten, Nieten oder Verschrauben zu einem Gehäuse zu-

sammengefügt. Massive Teile in Form von Guss-, Stab- oder Rundeisen hingegen

werden durch Bohren, Drehen, Fräsen, Feilen und Polieren, wie auch in einer Dre-

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Branchenblatt Schiffswerften und Schiffsreparaturbetriebe Seite 4

Altlasten-Leitfaden Schleswig-Holstein: Erfassung Anhang 11

herei oder einer Maschinenfabrik üblich, bearbeitet. Weitere formgebende Arbeits-

verfahren sind z.B. das Gesenkschmieden (siehe Branchenblatt Schmiede).

Bis in die 1920er Jahre wurden eiserne Schiffsrümpfe durch die Vernietung von Ei-

senplatten, die auf dem sogenannten „Schnürboden“ maßstäblich aufgerissen und

dann in der Brennerei sowie in der Blechpresse vorgeformt wurden, hergestellt. Die

auf Profilen, den sogenannten Spanten, befestigten Platten wurden mit einer Über-

lappung von annähernd 15 % durch Nieten verbunden. Auf dem Helgen wurden

glühende Nieten durch Bohrungen in beiden Werkstücken gesteckt und mit Hilfe von

Hand- oder Presslufthämmern aufgestaucht. Beim Erkalten ziehen sich die Nieten

zusammen, so dass die beiden Tafeln eng und wasserdicht aneinandergepresst

werden.

Weil die Versailler Verträge der Reichsmarine nach dem Ersten Weltkrieg lediglich

eine bestimmte Schiffsgröße bzw. maximale Eisenmenge pro Schiff zugestanden,

entwickelte die Materialanstalt der Marine ein Schweißverfahren für Stahlplatten im

Schiffbau, durch das mehr als 15 Gewichtsprozent eingespart werden konnten. Es

handelte sich aber nicht nur um eine Materialeinsparung, sondern auch um eine

Arbeitszeitersparnis, so dass sich dieses Verfahren bis zum Ende der 1920er Jahre

auch im Handelsschiffbau durchsetzte.

Durch die neue Schweißtechnik stieg auch der Bedarf an Acetylengas. Vorher wur-

den brennbare Gase überwiegend in der Schmiede, der Plattenbrennerei oder im

Rohrbau einer Werft eingesetzt. Nun entstanden rund um die Helgen eine Vielzahl

von Entwicklern und Druckspeichern, so dass mehr Karbidschlamm anfiel.

Gleichzeitig mussten die verwendeten Tafeln und Bleche bereits vor der eigentli-

chen Konservierung im Bereich der Schweißnähte entrostet sein, so dass auf den

Helgen und in den Werkstätten ständig mobile Sandstrahleinrichtungen in Betrieb

waren. Der Sandabfall wurde zusammen mit den Rostpartikeln und eventuellen

Farbresten als Kehricht häufig auf dem Firmengelände deponiert.

Bereits durch die Einführung des Dampfantriebes auf Schiffen zur Mitte des 19.

Jahrhunderts begann auch der Rohrleitungsbau sowie die Isolierung der Rohre eine

wesentliche Rolle einzunehmen. Der Dampfkessel musste mit der Dampfmaschine

verbunden werden, diese wiederum mit Kondensatoren, Wasserenthärtern, Entölern

und Ölmaschinen. Die Ruderanlage wurde mit Hilfe einer Dampfpumpe angetrieben,

die Unterkünfte erhielten Heizungen. Zum Ende des 19. Jahrhunderts wurden auch

Dynamomaschinen und Kühlaggregate für die Konservierung von Frischfleisch und

Südfrüchten eingeführt. Die Einführung der Schweröl- und Dieselmotoren seit ca.

1922 führte zur Installation weiterer Rohrleitungen und Tanks für Bunkeröl, Bilgen-

wasser, Sludge sowie zur Einrichtung von Ölabscheidern im Schiffbau.

Die benötigten Rohrverbindungen wurden auf der Werft in zentralen Werkstätten

vorbereitet und dann auf dem Helgen, im Baudock oder am Ausrüstungskai zu-

sammen mit der Maschinenanlage installiert. Die dampf- oder heißwasserführenden

Rohre wurden in der Regel mit Asbest und Steinwolle ummantelt und dann mit einer

Deckschicht aus Gips oder einem vorgefertigten Metallrohr versehen. Bei diesen

Arbeiten wurden sehr viele Asbest- und Steinwollpartikel freigesetzt und mit dem

Kehricht deponiert. Aufgrund der Bestimmung in der Gefahrstoffverordnung vom

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Branchenblatt Schiffswerften und Schiffsreparaturbetriebe Seite 5

Altlasten-Leitfaden Schleswig-Holstein: Erfassung Anhang 11

26.10.1993 wurde der Einsatz von Asbest verboten (in anderen Ländern sogar seit

1977), was jedoch zur Folge hatte, dass Kunstschaumisolierungen vor Ort herge-

stellt wurden, die Lösungsmitteldämpfe absonderten und zu einem hohen Abfallauf-

kommen in Form von Restkunststoffen sowie Behältern mit Kunststoffgranulaten

und Lösungsmittelresten führten.

3.2 Gießerei

Die Herstellung von Schiffsmaschinen ist, ebenso wie die der Schiffe, nur geringfü-

gig standardisiert oder typisiert. Jede mittelgroße und größere Werft hat daher eine

eigene Gießerei, der sich eine Maschinenbauabteilung anschließt. Lediglich im

Bootsbau sind Standardmaschinen namhafter Hersteller verbreitet. Es handelt sich

zumeist um stationäre Diesel- oder Schwerölmaschinen mit Leistungen bis zu 2500

KW. Solche Maschinen werden allerdings auch für größere Schiffe als Hilfsaggrega-

te benötigt. Es handelt sich hierbei häufig um Stromerzeuger, Rudermaschinen oder

Anlasser für die Hauptmaschine. Für den Schiffsantrieb größerer Schiffe werden

entsprechend leistungsstarke Maschinen nach Bedarf konstruiert und produziert.

Die Herstellung der Fundamentplatte, Zylindergehäuse, Kurbelwelle und Zylinder

sowie der notwendigen Pleuel und Ventile einer großen Schiffsmaschine wird von

der werfteigenen Gießerei ausgeführt. Sie unterscheidet sich hinsichtlich der Ar-

beitsschritte und der einzelnen Fertigungsabteilungen nicht von einer selbständigen

Gießerei (siehe Branchenblatt Gießerei). Die Dimensionen der Einzelstücke und

entsprechend der Werkshallen sind jedoch in der Regel deutlich größer. Die Gieß-

gruben können eine Tiefe bis zu 4 Meter erreichen.

3.3 Spanende Bearbeitungen im Schiffsmaschinenbau

Die rohen Gussstücke für die Zylindergehäuse, Zylinder, Wellen und Ventile müssen

auf übergroßen Drehbänken bearbeitet werden. Für diesen Zweck besitzt die Werft

eine Maschinenbauabteilung, in der alle notwendigen Arbeitsmaschinen vorhanden

sind.

Die Abfallstoffe der spanenden Metallbearbeitung bestehen insbesondere aus Me-

tallspänen, durchschnittlich werden bei spanenden Bearbeitungen – mit Ausnahme

des Bohrens – ca. 20 – 30 % des Werkstoffgewichtes entfernt. Die den Metallspä-

nen anhaftenden Fette, Öle oder Kühlmittelemulsionen sind als wesentliche Quelle

der branchentypischen Verunreinigungen anzusehen. Die Kühlschmierstoffe können

Mineralöle - zumeist Gemische mit Paraffinen, Naphtenen und bis zu 10 % Aroma-

ten - enthalten. Daneben treten polare Additive, Hochdruckadditive, Stabilisatoren,

Korrosionsinhibitatoren, Biozide, Geruchs- sowie Farbstoffe auf.

Etwa seit Anfang der 1930er Jahre bis in die 1980er Jahre hinein können in fast

allen Kühlschmierstoffen auch PCB als Bestandteile angenommen werden. Die

Kühlschmierstoffe gelangten zum einen in die Abwasseranlage der Werkstatt, zum

anderen aber durch Handhabungsverluste und undichte Fundamente in den Boden.

Des Weiteren haften sie auch an den Metallspänen. Der Gewichtsanteil der an die

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Branchenblatt Schiffswerften und Schiffsreparaturbetriebe Seite 6

Altlasten-Leitfaden Schleswig-Holstein: Erfassung Anhang 11

Metallspäne gebundenen Kühlschmierstoffe liegt im Durchschnitt bei 8%. Es handelt

sich also um bedeutende Mengen an Kühlschmierstoffen, die auf den Sammelplät-

zen der Drehspäne, die oftmals außerhalb der Gebäude lagen, nach und nach in

den Boden gelangen konnten.

Steigende Metallpreise in den Jahren zwischen 1960 und 1980, besonders nach der

Einführung des Abfallwirtschaftsgesetzes, führten zudem dazu, Drehspäne in mög-

lichst sauberer Form wiederzuverwenden, so dass diese häufig schon beim Erzeu-

ger in Gitterkörben oder in durchlöcherten Fässern mit Kaltreinigern oder anderen

Lösungsmitteln entölt und hinterher mit Wasser unter hohem Druck abgespritzt wur-

den (siehe Branchenblatt Dreherei).

3.4 Montage von Maschinenteilen

In einer Werft ist in der Regel eine eigene Abteilung für die Montage der Einzelteile,

die in den vorgelagerten Abteilungen hergestellt wurden, zuständig. Es handelt sich

hierbei zumeist um reine Schraubverbindungen zwischen den Maschinenelementen,

so dass allein die Reinigungs-, Befüllungs- und Isoliertätigkeiten unter Umwelt-

schutzgesichtspunkten zu berücksichtigen sind.

Aus der Dreherei oder Fräserei gelangen die Bauteile in öligem Zustand in die Mon-

tagebereiche, wo sie zunächst mit Lappen und Lösungsmitteln entölt werden. Viele

Maschinenteile werden während der Montage erneut gefettet und geölt bzw. mit

Maschinenöl aufgefüllt, so dass mit Handhabungsverlusten zu rechnen ist.

Wärmeführende Maschinenteile werden mit Isoliermaterial, historisch Asbest und

Steinwolle, in der Gegenwart auch hitzebeständige Kunststoffe, ummantelt, so dass

entsprechende Rückstände vorhanden sein können.

3.5 Lackiererei, Anstrich und Oberflächenveredelung

Nach der Montage werden die Maschinen im Bereich der Lackiererei nochmals

gründlich gesäubert und entölt, um anschließend grundiert und lackiert zu werden.

Bei diesen Arbeiten fallen die üblichen Farb- und Lackreste sowie Lösungsmittel für

Farben und Lacke als Reststoffe mit Umweltrelevanz an (siehe Branchenblatt La-

ckiererei). Nachdem die Maschinen die Trockenkabinen passiert haben, werden sie

zum Ausrüstungskai oder Baudock transportiert und dort in den Schiffskörper ein-

gebaut.

Neben der Lackiererei für die Maschinenteile gibt es in der Regel auch eine Lackie-

rerei für die Segmente des Schiffsrumpfes. Es handelt sich um große Hallen oder

Zelte, die mit Schwerlastfahrzeugen befahren werden können. Die Segmente wer-

den dort aufgebockt, sandgestrahlt und mit einer Grundierung versehen. Nachdem

die Segmente auf dem Helgen oder im Baudock zusammengeschweißt worden

sind, wird die Grundierung auch im Bereich der Verbindungen aufgetragen, und das

ganze Schiff mit einem mehrschichtigen Außen- und Innenanstrich versehen.

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Branchenblatt Schiffswerften und Schiffsreparaturbetriebe Seite 7

Altlasten-Leitfaden Schleswig-Holstein: Erfassung Anhang 11

Diese Tätigkeit ist wegen der vielen Rückstände, der verwendeten Lösungsmittel

und Schwermetallpigmente sowie des letzten Deckanstriches, der seit nahezu 40

Jahren mit Antifouling-Farben vorgenommen wird, besonders altlastrelevant. Der

Deckanstrich enthält als Schutz vor Algen- und Muschelbewuchs ein Biozid, das

kontinuierlich von den Lebewesen am Schiffsrumpf aufgenommen wird. Es handelt

sich um mittlerweile nur noch eingeschränkt zulässige zinnorganische Verbindungen

(z.B. Tributylzinnoxid, TBTO), die wegen ihrer Wasserlöslichkeit auch im Hafensch-

lick in großen Mengen auftreten können. Diese Löslichkeit führt dazu, dass inner-

halb des normalen Reparatur- und Wartungszyklus eines Schiffes der Farbauftrag

regelmäßig erneuert werden muss. Die alten Deckfarbschichten werden mit Sand-

strahlgeräten entfernt, so dass im Sandstrahlabfall einer Reparaturwerft auch nach

Inkrafttreten des weltweiten Totalverbotes 2008 noch mit einem erhöhten Anfall die-

ser Schadstoffgruppe gerechnet werden muss.

Metallische Oberflächenveredelungen sind auf Werften in der Regel nur für den

Rohrleitungsbau bekannt. Verzinkte Schiffsrümpfe oder Aufbauten können als Aus-

nahme für Sonderbauten mit kleinen Dimensionen angesehen werden. Feuerverzin-

kereien waren auf den Großwerften zumeist in der Nähe des Rohrbaus angesiedelt

(siehe Branchenblatt Galvanische und Feuermetall-Industrie). Aufgrund der ver-

gleichsweise geringen Auslastung und der zunehmenden Vergabe von Arbeiten an

Fremdfirmen wurden die betriebseigenen Verzinkereien unrentabel und daher auf-

gegeben. Diese Entwicklung ist insbesondere seit dem Beginn der 1970er Jahre zu

verzeichnen.

3.6 Tischlerei und Innenausbau

Neben der Modelltischlerei als Unterabteilung der Gießerei gehört auch eine Tisch-

lerei für den Innenausbau der Schiffe, insbesondere der Passagier- und Fahrgast-

schiffe, zum Bestand einer Werft. Sie ist für die Innenverkleidung der Mannschafts-

unterkünfte, der Kabinen usw. zuständig. Neben der Wand- und Deckenverkleidung

mit furnierten Faser- oder Verbundplatten werden auch Fußböden verlegt und Ein-

baumöbel hergestellt. Zu diesem Zweck gibt es auf der Werft eine zentrale Werk-

statt mit allen erforderlichen Holzbearbeitungsmaschinen, gelegentlich sogar einem

eigenen Presswerk für die Ausbauplatten, sowie einer Lackiererei, die das Mobiliar

nach dem Einbau in den Rumpf mit Konservierung, Grundierung und Deckanstrich

versieht (siehe Branchenblatt Tischlerei bzw. Lackiererei).

3.7 Fremdfirmen auf dem Werftgelände

Bis zur Ölkrise zu Beginn der 1970er Jahre hatten alle Werften für gewöhnlich die

oben genannten Abteilungen auf dem Betriebsgelände. Die Ölkrise führte jedoch

auch zu einer Schiffbaukrise, so dass Personal in großem Umfang entlassen wurde.

Als Folge wurden alle Abteilungen, die nicht unmittelbar zum Kerngeschäft einer

Werft gehörten, personell ausgedünnt oder aufgelöst, um Personal zu sparen. Be-

troffen waren überwiegend Abteilungen, die in der Schiffsausrüstung oder der War-

tung tätig waren: Rohrbau, Elektrik, Tischlerei, Anstrich und Lackiererei. Sie wurden

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Altlasten-Leitfaden Schleswig-Holstein: Erfassung Anhang 11

durch Fremdfirmen ersetzt, die auftragsabhängig auf dem Gelände beschäftigt wa-

ren. Diese benötigten für ihre Tätigkeit auf dem Gelände ebenfalls Lager, Werkstät-

ten und Unterkünfte. Handelte es sich nur um einen kurzfristigen Einsatz, z.B. um

den Außenanstrich eines Schiffes zu erneuern, konnten für einige Wochen Büro-

und Sozialcontainer aufgestellt oder vorübergehend leere Lager- und Werkstattflä-

chen der Werft genutzt werden. Zog sich der Auftrag über Jahre hinweg bzw. wur-

den kontinuierlich Aufträge übernommen, erhielten die Fremdfirmen auf dem Be-

triebsgelände Mietflächen für die Errichtung fester Lager-, Werkstatt- und Sozial-

räume.

So entwickelten sich auf den Großwerften selber oder in deren unmittelbarer Nach-

barschaft in den vergangenen 30 Jahren intensiv genutzte Fremdfirmenareale mit

einem häufigen Nutzerwechsel und einem hohen Kontaminationspotential durch die

unterschiedlichen Stoffe, mit denen diese Firmen umgingen.

3.8 Fremdarbeiten für Dritte

Nach den Weltkriegen nahmen die Werften, die sich auf den Marineschiffbau spezi-

alisiert hatten, nahezu jeden Auftrag an, der sich mit den Abteilungen einer typi-

schen Werft bearbeiten ließ: Behälter- und Tankbau, Anlagen- und Apparatebau,

Fahrzeug- und Waggonbau, Maschinenbau sowie die Reparatur aller gängigen Ma-

schinen. Konnten die Werkstätten und Freiflächen nicht genutzt werden, wurden sie

an andere Firmen vermietet.

Staatliche Werften, die Torpedoversuchsanstalt in Eckernförde und auch kleinere

Betriebe, wie z.B. die Werft in Wewelsfleth, wurden mit Desarmierung und Muniti-

onsdelaborierung beschäftigt.

Werften, die überwiegend für die Handelsmarine gearbeitet hatten, waren hingegen

bei verringerter Mitarbeiterzahl mit der Reparatur und dem Neubau von Repara-

tionsschiffen beschäftigt. Die Nachkriegszeiten sind daher mit besonderer Aufmerk-

samkeit zu beurteilen, da für diesen Zeitraum unter Umständen auch branchenun-

typische Schadstoffe bis hin zu Kampfmitteln zu vermuten sind.

4 Umweltrelevante Verfahrens- und Produktionsschritte sowie Verunreinigungspotentiale

Eine Werft besteht aus einem komplexen Gefüge aller bekannten Metallbearbeitun-

gen ergänzt durch Arbeiten mit Holz, Kunststoffen, Farben und Lacken.

Der eigentliche Schiffbau ist als Stahlbau mit einer geringen Schadstoffvielfalt anzu-

sehen. Es handelt sich überwiegend um Eisenschrott (vom Blech bis hin zu

Schweißschlackenresten) und Sandstrahlrückstände. Da der Schiffsrumpf mittels

Grundierungen und Farbe vor Rostbildung sowie dem Bewuchs mit Algen und Mu-

scheln geschützt werden muss, treten im Schiffbau hohe Belastungen durch

schwermetallhaltige Farben auf. Durch Reparatur- und Wartungsarbeiten an Schiffs-

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Altlasten-Leitfaden Schleswig-Holstein: Erfassung Anhang 11

rümpfen wird das Schadstoffspektrum in erster Linie um Altfarben und Lacke er-

gänzt, die gemeinsam mit den Sandstrahlrückständen auftreten.

Die Reparatur von Schiffsmaschinen und anderen Betriebsanlagen eines Schiffes

führt zu einem hohen Aufkommen an Maschinen-, Getriebe- und Hydrauliköl sowie

Kühlflüssigkeiten aus Kühl- und Klimaanlagen. Die Öle enthielten seit Anfang der

1930er Jahre häufig PCB-haltige Additive. Ferner werden insbesondere bei Repara-

turen Altisolierungen in großer Menge ersetzt. Diese Stoffe wurden erst seit Beginn

der 1970er Jahre geregelt entsorgt. Zuvor wurden flüssige Abfallstoffe oftmals in

besonderen Teichen gelagert und feste Stoffe zum Aufhöhen oder zur Befestigung

des Betriebsgeländes genutzt.

Die Gießerei einer Werft ist häufig mit größeren Kupolöfen und Formkästen als an-

dere Gießereien ausgestattet. Dies hat zur Folge, dass der Anfall von Formsanden

und Rückständen aus der Formsand-Wiederaufarbeitung deutlich größer ist. Die

Rückstände und die alten Formsande wurden einschließlich der enthaltenen Schad-

stoffe (Eisen, Schwermetalllegierungen, Schlacken, Harze etc.) zumeist als billiges

Auffüllungsmaterial auf dem Betriebsgelände eingebaut. Dies führte dazu, dass auf

Werftgeländen, die wegen ihrer Uferlage nahezu ständig aufgehöht wurden, zum

Teil deutliche Schichten aus Schlacken, Sandstrahlsanden, Karbidschlämmen und

Formsanden zu erkennen sind, bevor bei Sondierungen der gewachsene Boden

erreicht wird.

In der Dreherei können neben den üblichen Mineralölverlusten aus den Maschinen

insbesondere die Kühlöle, die seit Beginn der 1930er Jahre oft PCB-haltig waren, zu

Verunreinigungen geführt haben. Da die Reinigung der Maschinen, der Werkzeuge,

Werkstücke und auch der Drehspäne unter Einsatz verschiedener Lösungsmittel

vollzogen wurde, ist eine Kontamination der Werkstattbereiche bzw. der Lagerplätze

durch Handhabungsverluste nicht auszuschließen.

Um den hohen Kraftbedarf der verschiedenen Maschinen zu decken, verfügten die

meisten Großbetriebe, aber auch zahlreiche mittelgroße Betriebe, schon früh über

eine eigene Kraftzentrale (meist eine Dampfmaschine) mit Riementransmissionen,

Wellenübertragungen und später auch einer eigenen Stromerzeugung.

Daraus resultierten bis in die 1930er Jahre große Mengen an Aschen und Schla-

cken aus der Feuerung, in der zumeist auch betriebliche Abfälle verbrannt oder ge-

sintert wurden. Die Aschen und Schlacken wurden zusammen mit anderen geeigne-

ten Abfallstoffen, z.B. Kohlengrus aus den Bunkern und Sandstrahlrückständen,

häufig für die Befestigung des Betriebsgeländes genutzt. Seit ca. 1930 nahmen die

Kesselfeuerungen mit Schweröl und später auch mit Heizöl zu. Die Lagerung dieser

Stoffe erforderte Tanks, Pumpwerke, Übernahmestationen und Vorwärmanlagen,

die bis in die 1960er Jahre fast immer durch unterirdische Rohre verbunden waren,

welche häufig korrodierten. Folglich sind an allen Orten, auf denen mit diesen Mine-

ralölkohlenwasserstoffen umgegangen wurde, entsprechende Verunreinigungen

nicht auszuschließen.

Die Verstromung der innerbetrieblich erzeugten Energie erforderte die Anlage eige-

ner Transformatorenstationen, Gleichrichter und anderer elektrotechnischer sowie

elektromechanischer Anlagen (z.B. Ölschützen, d.h. großvolumige relaisähnliche

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Altlasten-Leitfaden Schleswig-Holstein: Erfassung Anhang 11

Hochspannungsschalter mit Öl als Isolator). Die Umstellung der Nennspannung von

110V auf 220V erfolgte allgemein in den 1950er Jahren und machte die gesamte

elektrische Altausrüstung hinfällig, so dass diese Geräte verschrottet wurden. Ins-

besondere im Zuge dieser Umbauarbeiten, aber auch durch den normalen Betrieb

sowie durch Unfälle, gelangte aus den Transformatoren und Ölschützen Öl mit PCB

und anderen Zusätzen in die Umwelt. Auch die Gleichrichter konnten bei Unfällen

oder nicht sachgerechter Demontage zu Umweltschäden führen, da sie je nach

Größe bis zu 1.400 kg Quecksilber enthielten.

Während des 19. Jahrhunderts und vielfach noch bis in die 1920er Jahre wurden die

Maschinen selbst mit mechanischen Einrichtungen bewegt. Die Umstellung auf den

Einzelantrieb war fast immer auch mit der Umstellung auf eine hydraulische Über-

tragung der Kräfte verbunden. Innerhalb der Einzelmaschine befand sich eine Hyd-

raulikpumpe. Undichtigkeiten bei Pumpen, Vorratsbehältern und Hydraulikschläu-

chen sowie undichte Kolben führten oft zu einem merklichen Verlust an Hydrauliköl.

Dieses war früher fast immer mit PCB versetzt und kann daher in den Abfallstoffen,

im Bauwerk und im Untergrund Spuren hinterlassen haben. Der Einsatz von PCB

wurde 1972 auf geschlossene Systeme beschränkt und 1989 ganz verboten.

Da die Maschinen und Werkstoffe fast durchgängig verölt waren, wurden sie regel-

mäßig mit aliphatischen, aromatischen oder chlorierten Lösungsmittel gereinigt.

Diese können zu Kontaminationen geführt und zusätzlich die Mobilisierung von Mi-

neralölen bewirkt haben.

Detaillierte Verunreinigungspotentiale für Werften lassen sich in der Regel erst dann

zusammenstellen, wenn die Art der Metallbearbeitung, der Oberflächenbehandlung

sowie etwaige branchenfremde Aktivitäten bekannt sind.

5 Gesetzliche Ausführungsvorschriften für verwendete Stoffe/Stoffgruppen

Tabelle 1 Altlastrelevante Stoffe und ihr zeitlicher Einsatz

Stoff Nutzung Verstärkte Anwendung

ab

Verwendungsbe-schränkung/ Verbot

PCB (Polychlo-rierte Biphenyle).

1

Einsatz in Kühl- und Hydraulik-ölen, um die Entzündungstem-peratur zu erhöhen.

ca. 1930 1978/1989

Wassermischbare Kühlschmierstoffe (N-Nitrosamin-Bildung).

2

Schmier- und Kühlmittelersatz für Öle mit Flammschutzmitteln.

ca. 1955 1997

PCP (Pentachlor-phenol).³

Einsatz in Emulsionen zur Halt-barmachung.

ca. 1930 1986/1989

LCKW.4 Lösungs- und Reinigungsmittel

(Kaltreiniger) im Werkstattbe-trieb sowie den Lackierereien.

ca. 1925 1981/1986 (zum Teil)

BTEX.5 Lösungs- und Reinigungsmittel

im Werkstattbetrieb sowie in den Lackierereien.

ca. 1925 1986 (zum Teil)

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Altlasten-Leitfaden Schleswig-Holstein: Erfassung Anhang 11

Organozinn-Verbindungen.

6

Einsatz in Antifouling-Farben ca. 1950 1990

Asbest.7 Einsatz in Isolierungen ca. 1880 1993

Schwermetallver-bindungen.

8

Einsatz in Antifouling-Farben historisch 1990 (zum Teil)

1

26.7.1978 10.BImSchV: Verwendungsbeschränkung auf geschlossene Systeme; 18.7.1989, PCB-Verbotsverordnung: Herstellungs-, Inverkehrsbringungs- und Verwen- dungsverbot, 1993 durch ChemVerbotsV abgelöst. 2 4/1997 Technische Regel für Gefahrstoffe TRGS 611, Verwendungsbeschränkungen für

wassermischbare bzw. wassergemischte Kühlschmierstoffe, bei deren Einsatz N-Nitrosamine auftreten können (Verbot von Nitrit im KSS) 3

26.8.1986 GefStoffV: Verwendungsbeschränkung für PCP, z.B. nicht in Aufenthaltsräumen einzusetzen; 12.12.1989 PCP-Verbotsverordnung: Herstellungs-, Inverkehrsbringungs- und Verwen-

dungsverbot, 1993 abgelöst durch ChemVerbotsV. 4 9/1981 Technische Regel für gefährliche Arbeitsstoffe TrgA 502: Verwendungsbeschrän-

kung für Tetrachlorkohlenstoff; 21.4.1986 2.BImSchV: Verordnung zur Emissionsbeschränkung von leichtflüchtigen Halogenwasserstoffen, Anwendungsbeschränkungen 1990 in der Neufassung verschärft. 5 26.8.1986 GefStoffV: Verwendungsbeschränkung für Benzol auf geschlossene Systeme.

6 23.04.1990 GefahrStoffV: Verbot der Anwendung von zinnorganischen Anstrichen bei

Schiffen <25m und für den privaten Gebrauch 26.10.1993 GefahrStoffV: Herstellungs- und Verwendungsverbot für Antifouling-Farben (ab 2003 tritt ein weltweites Verbot für Schiffsneuanstriche in Kraft, ab 2008 sind sie gänz- lich verboten); 7

26.10.1993 GefahrStoffV: Herstellungs- und Verwendungsverbot für Asbest 8 23.04.1990 GefahrStoffV: Inverkehrbringungsverbot von arsen- oder quecksilberhaltigen

Antifouling-Farben; in späterer Fassung Herstellungs- und Verwendungsverbot für Arsen und Quecksilber sowie ihre Verbindungen

6 Altlastrelevante/altlastirrelevante Nutzungszeiträume

Bis zum Ende des 19. Jahrhunderts sind keine wesentlichen Veränderungen in der

stofflichen Bearbeitung oder in der Zusammensetzung der Hilfsstoffe für die Metall-

industrie bekannt. Es handelte sich lediglich um eine Maschinisierung und Mechani-

sierung der bisherigen Handarbeit. Die Entwicklungen in der chemischen Industrie

und Metallurgie seit Beginn des 20. Jahrhunderts veränderten jedoch Zusammen-

setzung der Werk- und Hilfsstoffe. Diese Veränderungen betrafen insbesondere die

Arbeitsbereiche der Dreherei, Härterei sowie Schweißerei und Löterei.

Dreherei

Durch die verbesserten Schneidstähle ergaben sich zunehmend höhere Schnittge-

schwindigkeiten, die eine Schmierung und Kühlung der Werkstücke und -zeuge er-

forderlich machten. Während anfänglich noch Seifenwasser, das auf die Grenzflä-

chen gespritzt wurde, zur Werkzeug/-stückkühlung ausreichte, musste seit der Ein-

führung der Schnellschnittstähle zunehmend auf wärmeleitende, hochsiedende Öle

und Emulsionen zurückgegriffen werden. Diese Öle benötigen seit dem Ende der

1920er Jahre Chlororganika (z.B. PCB) als Flammschutz; Emulsionen mussten

seither mit Emulgatoren, Fungiziden und Bakteriziden (z.B. PCP) hergestellt und

haltbar gemacht werden. Mit einer verstärkten Anwendung ist in Schleswig-Holstein

etwa seit Anfang der 1930er Jahre zu rechnen. Steigende Metallpreise in den Jah-

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Altlasten-Leitfaden Schleswig-Holstein: Erfassung Anhang 11

ren zwischen 1960 und 1980, besonders nach der Einführung des Abfallwirtschafts-

gesetzes, führten zudem dazu, Drehspäne in möglichst sauberer Form wiederzu-

verwenden, so dass diese häufig schon beim Erzeuger mit Kaltreinigern oder ande-

ren Lösungsmitteln entölt wurden.

Schweißerei und Löterei

Schweiß- und Lötarbeiten wurden und werden seltener auf befestigten Böden aus-

geführt, weil glühende Schweißperlen, Schlacken sowie heiße Lot-Tropfen auf ei-

nem Betonboden auseinanderspritzen und so die Arbeitskräfte verletzen können.

Wie auch in den Schmieden werden daher solche Arbeiten oft auf Sand oder abge-

sandeten Fundamenten ausgeführt, so dass sich im Sand neben den üblichen Ei-

senfeilspänen, Schlacken und Schwermetallen auch Hilfsstoffe wie Säuren, Laugen

und Flussmittel befinden können. Wurde der Sand gelegentlich ausgewechselt oder

ausgefegt, gelangte er meist zur Befestigung auf die Betriebsfläche. Aus den abge-

lagerten Abfallstoffen können unter Umständen im sauren Milieu Schwermetalle

herausgelöst werden.

Die Acetylenanlagen befanden sich zumeist wegen der Explosionsgefahr abseits

der Werkstätten in Schuppen, neben denen auch die Absitzbecken für den Karbid-

schlamm lagen. Dieser Schlamm wurde häufig auf dem Betriebsgelände abgelagert

und kann aufgrund seiner Alkalität einen Einfluss auf die Löslichkeit von Schadstof-

fen im Boden bzw. Grundwasser haben.

Härterei

Die Härtung geschmiedeter oder gedrehter Werkstücke wandelte sich während des

vergangenen Jahrhunderts nach und nach von einem bloßen Abschrecken in Was-

ser oder Öl zu einer Härtung in Öfen und Bädern. Während die Ofenhärtung ohne

wesentliche Schadstoffe durchgeführt wurde, war mit der Härtung im Bad aus Blei

oder einem anderen leicht schmelzenden Metall, aber auch in Bädern aus Spezialöl

(Torpedoöl), das Flammschutzmittel oder Oberflächenhärter wie Tricresylphosphat

(TCP) enthielt, eine erhöhte Umweltgefährdung verbunden. Die Nutzung der Chloro-

rganika und des TCP erfolgte besonders zwischen 1930 und 1980. Daneben ist als

gebräuchliches Härteverfahren die Anwendung von cyanidhaltigen Salzbädern zu

nennen (siehe Branchenblatt Arbeitstechniken und Verfahren der Metallbearbeitung)

Von besonderer Bedeutung ist die zunehmende Verwendung von Diesel- und

Schwerölmotoren in der Schifffahrt seit der Mitte der 1920er Jahre. Seit diesem

Zeitpunkt bis zum Beginn der 1970er Jahre ist mit einem stetigen Anfall von Ölen

jeder Art in großen Mengen zu rechnen. Üblicherweise wurden diese Öle in Teichen

auf dem Betriebsgelände gelagert.

Ein weiteres großes Kontaminationspotential entstand durch die Verwendung was-

serlöslicher zinnorganischer Farben zum Schutz gegen Algen- und Muschelbe-

wuchs vom Beginn der 1950er bis Anfang der 1990er Jahre.

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Altlasten-Leitfaden Schleswig-Holstein: Erfassung Anhang 11

Abb. 2: Manuelle Härterei um ca. 1950 (Quelle: VEREIN DEUTSCHER MASCHI-

NENBAU-ANSTALTEN).

Veränderungen in der Bewertung der Umweltrelevanz ergeben sich für die beiden

Weltkriege, da Betriebe, die der Rüstungsproduktion dienten, der Kontrolle ziviler

Aufsichtsbehörden weitgehend entzogen waren, und daher häufig in baulichen An-

lagen arbeiteten, die für Gewerbebetriebe auch nach damaligem Stand der Technik

nicht geeignet waren. Es fehlte zumeist an einer Befestigung des Fußbodens sowie

an geeigneten Abwasseranlagen. Ähnlich sind die Nachkriegszeiten zu beurteilen,

da behördliche Kontrollen zu diesem Zeitpunkt nur eingeschränkt durchgeführt wur-

den.

In den letzten Jahrzehnten hat sich der Schiffbau verstärkt auf die reine Herstellung

der Schiffsrümpfe und den Einbau der Ausrüstung konzentriert. Gießerei- oder Ma-

schinenbauabteilungen usw. wurden immer mehr durch Zulieferbetriebe im Binnen-

land ersetzt.

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Altlasten-Leitfaden Schleswig-Holstein: Erfassung Anhang 11

Tabelle 2 Zusammenfassung aller altlastrelevanten Aspekte und Zuordnung zu

den Branchenklassen SH.

Zeitspanne Hilfsstoffe Nebenprodukte Altlastrelevante

Aspekte Branchen-klasse SH

bis 1900 Seifen und Wasser, Teer und Pech, Lein-öle, Rüböle, geringe Mengen an Mineral-ölen.

Metallspäne, teerhaltige Holz-abfälle.

keine Abwasser-anlagen, keine Bo-denbefestigung.

3

1900 – 1930

Seifen, Wasser, erste Bohröle ohne PCB, Schwermetallsalze, Blei, zunehmende Mengen an Mineral-ölen, Rostschutzan-striche, erste Lö-sungsmitteleinsätze.

gering verölte Metallspäne, Formsande, Sandstrahlrück-stände, Altöle, Bilgenöle, Kar-bidschlamm, Härtereiabfälle.

keine Abwasseran-lagen, keine Boden-befestigung; unge-regelte Abfallentsor-gung, branchen-fremde Nebentätig-keiten; infolge der Kriegswirtschaft ohne Überwachung.

3

1931 – 1960

Bohr- und Schneid-öle, PCB, Emulsio-nen, Fungizide, Bak-terizide, Schwerme-tallsalze, Blei, Cyani-de, TCP, Antifouling-Farben, Rostschutz-anstriche, zunehmen-de Mengen an Mine-ralölen, Lösungsmittel aller Art (z.B. BTEX, CKW).

ölige Metallspä-ne; Ölschlämme mit PCB, Här-tereiabfälle, Schwermetalle. Lösungsmittel-rückstände, Kar-bidschlämme, Farb- & Sand-strahlrückstande.

In den Drehspanla-gern Abscheider, ungeregelte Ab-fallentsorgung, Kriegs- und nach-kriegsbedingte Pro-duktionen sowie Nebennutzungen ohne ausreichende Überwachung, Be-ginn TBT-Einsatz.

5

1961 – 1980

Bohr- und Schneid-öle, PCB, Emulsio-nen, Fungizide, Bak-terizide. Schwerme-tallsalze, Blei, Cyani-de, TCP, Säurebeizen und Detergentien, Rostschutzanstriche, Antifouling-Farben, große Mengen an Mineralölen, Lö-sungsmittel aller Art.

ölige Metallspä-ne, Ölschlämme mit PCB, Här-tereiabfälle, Schwermetalle, Farb-, Lösungs-mittel- & Sand-strahlrückstände.

Entölen der Späne mit CKW, ungere-gelte Abfallentsor-gung.

5

1981 – Gegenwart

Bohr- und Schneid-öle, Emulsionen, Fungizide, Bakterizi-de, Schwermetallsal-ze, Cyanide, Säure-beizen und Detergen-tien, Rostschutzan-striche, Antifouling-Farben, Mineralöle, BTEX.

ölige Metallspä-ne, Ölschlämme, Schwermetalle, Härtereiabfälle, Sandstrahl- & Farbrückstände, Lösungsmittel-reste.

Ablagerung von Abfällen auf zuge-lassenen Deponien; Verbot von ver-schiedenen Schad-stoffen, Zunahme von Zulieferungen, Anfang der 1990er Jahre Verbot von Antifouling-Farben.

4

Branchenklasse 0: kein Gefährdungspotential Branchenklasse 1: Gefährdungspotential sehr gering Branchenklasse 2: Gefährdungspotential gering Branchenklasse 3: Gefährdungspotential mäßig Branchenklasse 4: Gefährdungspotential hoch Branchenklasse 5: Gefährdungspotential sehr hoch

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Altlasten-Leitfaden Schleswig-Holstein: Erfassung Anhang 11

7 Literaturhinweise

BERNSDORF, G.: Auf heißen Spuren. Vom Schmieden, Löten, Schweißen. Leipzig,

1986.

BRÜGGEMANN, U.; DZEIK, W.; EDLER, H.; JÜNGEL, W.-B.; WICHERT, J.: Stahl-

schiffbau. Lehrbuch für die Berufsausbildung, 2. bearbeitete Auflage. VEB Verlag

Technik, Berlin, 1974.

DORMIDONTOW, W.K.: Technologie des Schiffbaus. Fachbuchverlag Leipzig,

1954.

HAHN, H.: Eisenhüttenkunde. Eisengießerei, Schmieden, Walzen. Uhland's Hand-

buch für den praktischen Maschinenkonstrukteur, Band VIII, 2. vollständig neu be-

arbeitete Auflage. Berlin, 1905.

HANOW, M. (HRSG.): Schleswig-Holstein und seine Industrie. Verlag M. Dumont

Schauberg, Köln, 1957.

HOFFMANN, M.: Handbuch der praktischen Werkstatt-Mechanik. Metall- und Holz-

dreherei. Wien, Leipzig, 1925.

LOSS, A.: Handbuch der Dreherei. Leipzig, 1920.

LUEGER, O. (HRSG.): Lexikon der gesamten Technik und ihrer Hilfswissenschaf-

ten, Band 4 und Band 7. 2. neu bearbeitete Auflage. Deutsche Verlagsanstalt, Stutt-

gart und Leipzig, 1904.

SCHLOSSER, E.: Das Löten und Schweißen. Die Lote, Lötmittel und Lötapparate

und das autogene Schweißen der Metalle. Wien, 1922.

VEREIN DEUTSCHER MASCHINENBAU-ANSTALTEN (HRSG.): Spezialisierung,

Präzision, Qualität. Maschinenbau-Verlag, Frankfurt, o. J..

WEINER, R.: Die Abwässer der Metallindustrie (Metallverarbeitende und galvano-

technische Betriebe), 3. erweiterte Auflage. Eugen Leuze Verlag, Saulgau, 1965.

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Altlasten-Leitfaden Schleswig-Holstein: Erfassung Anhang 11 Histinvest - Dr. Klaus Schlottau, Bremen

Branchenblatt Schlosserei

Inhaltsverzeichnis Seite 1 Bezeichnung der Branche 2

2 Historischer Überblick 2

3 Arbeitstechniken 2 3.1 Allgemeiner Verfahrensablauf 2 3.2 Spanende Bearbeitungen 3 3.3 Verbindung von Metallteilen 4 Schweißen 4 Löten 5 Klebetechniken 6

4 Umweltrelevante Verfahrens- und Produktionsschritte sowie Verun-

reinigungspotentiale 6

5 Gesetzliche Ausführungsvorschriften für verwendete Stoffe/Stoffgruppen 7

6 Altlastrelevante/altlastirrelevante Nutzungszeiträume 8 Dreherei 8 Schweißerei und Löterei 9

7 Literaturhinweise 10

Abb. 1: Kunstschlosserei (u.a. Lampen) zu Beginn des 20. Jahrhunderts. Links eine kleine Drehbank sowie eine Standbohrmaschine (Quelle: STADL-MANN).

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Branchenblatt Schlosserei Seite 2

Altlasten-Leitfaden Schleswig-Holstein: Erfassung Anhang 11

1 Bezeichnung der Branche

Die Schlosserei ist ein mittelständischer, überwiegend handwerklicher Betrieb, der

Halbzeuge bearbeitet. Die Produkte einer Schlosserei sind einerseits Einzelanferti-

gungen von Maschinenteilen oder mechanischen Geräten, andererseits handelt es

sich um Reparaturdienstleistungen an Maschinen oder Maschinenteilen. Im Gegen-

satz zur feinmechanischen Werkstatt werden in der Regel jedoch keine elektrome-

chanischen Teile angefertigt. Man unterscheidet den typischen Schlossereibetrieb,

z.B. den Geldschrankbau, von den Schlossereibetrieben, die ihr Gewerbe überwie-

gend auf Baustellen ausführen, wie z.B. den Bauschlossereien, die den Heizungs-

und Anlagenbaubetrieben näher stehen.

2 Historischer Überblick

Die Schlosser entwickelten sich aus der Berufsgruppe der Kleineisenschmiede, die

Berufsbezeichnung „Schlosser“ resultiert aus dem geläufigsten Produkt, dem

Schloss zum Verschließen von Türen oder Truhen.

Ursprünglich benutzten die Schmiede zur Verbindung von Metallen das Schweißen

oder Nieten, während Schlosser das Löten und Schrauben zur Verbindung von Tei-

len verwendeten. Dies trifft heute nur noch für die Kunstschlossereibetriebe zu. Die

meisten Schlossereien nutzen inzwischen alle gängigen Metallbearbeitungstechni-

ken und verfügen im Rahmen der räumlichen Möglichkeiten zumeist auch über eine

kleine Dreherei oder Fräserei, um Einzelanfertigungen durchführen zu können. Ver-

einzelt wurden historisch in kleinem Maßstab auch Gussarbeiten ausgeführt. Seit

1988 werden Schmieden und Schlossereien gemäß der Handwerksrolle unter dem

Begriff „Metallbau“ zusammengefasst.

Es handelt sich fast immer um kleinere und mittelständische Betriebe mit selten

mehr als zwanzig, zumeist jedoch nur zwei bis fünf Mitarbeitern, die in allen Metall-

bearbeitungstechniken versiert sind.

3 Arbeitstechniken

3.1 Allgemeiner Verfahrensablauf

Bei der Bearbeitung von metallischen Werkstücken ist zum Einen eine Bearbeitung

massiver Teile und zum Anderen eine formende sowie verbindende Bearbeitungs-

technik von Blechen und Profilen zu unterscheiden.

Massive Teile wie Stab- oder Rundeisen werden durch Bohren, Drehen, Fräsen,

Feilen und Polieren, wie auch in einer Dreherei oder Maschinenfabrik üblich, bear-

beitet.

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Branchenblatt Schlosserei Seite 3

Altlasten-Leitfaden Schleswig-Holstein: Erfassung Anhang 11

Bleche und Profile werden abgelängt, abgekantet und dann durch Schweißen, Lö-

ten, Nieten oder Verschrauben zu einem Gehäuse zusammengefügt. Wird in einer

größeren Schlosserei eine Serienfertigung eingerichtet, so kann das Gehäuse auch

in einer Gießerei angefertigt werden, um den Produktionsablauf zu verbessern. In

diesem Fall ist der Übergang zur Maschinenfabrik fließend.

Abb. 2: Bearbeitung einer Messerwalze in einer Maschinenschlosserei der

1960er Jahre. Der Drehmeißel auf dem Support wird horizontal wie ein

Hobel eingesetzt (Quelle: RUBY).

3.2 Spanende Bearbeitungen

Spanende Metallbearbeitungen sind Arbeitsvorgänge, die aus einem rohen Werk-

stück eine bestimmte Form nach vorgegebenen Maßen herausarbeiten, indem mit

Hilfe schneidender Werkzeuge Metallspäne abgenommen werden. Spanende Ar-

beitsgänge sind Fräsen, Bohren, Drehen, Sägen, Feilen, Hobeln und Schaben. Bis

zur Mitte des 19. Jahrhunderts wurden die meisten dieser Arbeiten mit Hilfe von

Handwerkzeugen durchgeführt. Seither wurden immer mehr Werkzeugmaschinen

konstruiert, die jeweils einem spezifischen Zweck dienen: Drehbänke, Fräsbänke,

Hobelbänke, Bohrmaschinen etc.. Erst mit diesem Entwicklungsschritt wurden die

Standardisierung und Serienfertigung möglich.

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Branchenblatt Schlosserei Seite 4

Altlasten-Leitfaden Schleswig-Holstein: Erfassung Anhang 11

Durchschnittlich werden bei spanenden Bearbeitungen, mit Ausnahme des Bohrens,

ca. 20 – 30 % des Werkstoffgewichtes entfernt. Den dabei entstehenden Metallspä-

nen haften immer Fette, Öle oder Kühlmittelemulsionen an, die als wesentliche

Quelle für branchentypische Verunreinigungen anzusehen sind. Der nicht mehr

nutzbare Anteil der Kühlschmierstoffe kann Mineralöle - zumeist Gemische mit Pa-

raffinen, Naphthenen und ca. 10 % Aromaten - und Zusätze wie Hochdruckadditive,

Stabilisatoren, Korrosionsinhibitoren und Biozide enthalten. Zwischen dem Ende der

1920er Jahre und dem Ende der 1970er Jahre enthielten fast alle in offenen Syste-

men verwendeten Kühlschmierstoffe auch PCB.

3.3 Verbindung von Metallteilen

Zur metallurgischen Verbindung von Eisenteilen (Schweißen) wurden bis zur indust-

riellen Revolution überwiegend Techniken angewandt, die bereits aus den Schmie-

den bekannt sind. Nichtmetallurgische Verbindungstechniken wie Nieten oder

Schrauben waren und sind bei den Schlossern die Regel.

Schweißen

Das Schweißen ist ursprünglich eine Verbindungstechnik aus der Schmiede, bei der

zwei Werkstücke gleichartiger Beschaffenheit unter hoher Temperatur und hohem

punktuellen Druck, der durch den Schmiedehammer erzeugt wird, verbunden wer-

den. Diese Technik der Eisenbearbeitung wurde seit dem Ende des 19. Jahrhun-

derts in schnellem Tempo durch das Schweißen mit Hilfe brennbarer Gase abgelöst.

Die Vorteile der neuen Methode lagen darin, dass einerseits diese Verbindungs-

technik auch auf Baustellen außerhalb der eigentlichen Werkstatt eingesetzt werden

konnte, andererseits aber gegenüber dem Nieten, für das beide Metallteile einander

überlappen müssen, bis zu 15 % Material eingespart wurden.

Die Schweißdrähte enthalten Borax, Kieselsäure, Flussspat sowie verschiedene

Kohlenstoffe, um die Schlacken dünnflüssig zu halten, aber auch um den Kohlen-

stoffgehalt des Stahls nicht zu vermindern. In Sonderfällen werden zuvor spezielle

Schweißpulver auf die Schweißnaht gestreut, um bestimmte Wirkungen zu erzielen

oder zu verhindern.

Als brennbare Gase sind, je nach Höhe der gewünschten Schweißtemperatur, Was-

sergas, Acetylen, Propan und Butan in Gebrauch. Für die Verschweißung starkwan-

diger Werkstücke wird auch Thermit eingesetzt, während sich für dünne Bleche die

Elektroschweißanlagen mit Einsatz von inerten Schutzgasen durchgesetzt haben.

Wassergas wurde in der Regel nicht in den Werkstätten hergestellt, sondern von

Gas- oder Hüttenwerken bezogen, so dass Verunreinigungen bei der Herstellung

nicht zu berücksichtigen sind.

In vielen Betrieben gab es seit dem Beginn des 20. Jahrhunderts Acetylenanlagen

zur Herstellung des Gases aus der Verbindung von Calciumkarbid mit Wasser. Für

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Branchenblatt Schlosserei Seite 5

Altlasten-Leitfaden Schleswig-Holstein: Erfassung Anhang 11

Betriebe mit mehr als fünf Mitarbeitern und einer festen Werkstatt kann man davon

ausgehen, dass bis in die Nachkriegszeit Acetylen selbst hergestellt wurde.

Thermit wird seit Beginn des 20. Jahrhunderts für die Schweißung dickwandiger

Stahlwerkstücke eingesetzt. Thermit ist ein Gemenge von Aluminium- und Eisen-

oxidpulver, Bariumperoxid sowie Magnesit, das unter starker Hitzeentwicklung ver-

brennt und dabei alle Metalloxide aus ihren Verbindungen verdrängt, so dass nahe-

zu sauberes Metall entsteht. Als Abfallprodukt fällt Aluminiumschlacke an.

Die seit etwa 1910 ebenfalls verwendete Elektroschweißung hat keine Altlastenrele-

vanz, da keine umweltgefährdenden Abfallprodukte entstehen.

Löten

Beim Löten werden zwei Metallteile, zumeist Bleche, durch die Zuführung eines er-

wärmten Metalles oder einer Metalllegierung mit einer geringeren Schmelztempera-

tur verbunden. Die Werkstücke müssen zu diesem Zweck vollständig sauber und

fettfrei sein.

Beim Löten werden durch erhitzte Lötkolben oder durch brennbare Gase die beiden

Werkstücke auf eine Temperatur aufgeheizt, die der Schmelztemperatur des Lotes

entspricht, so dass dieses auf die Verbindungsstelle fließt und dort erstarrt. Zu un-

terscheiden sind grundsätzlich zwei Lötverfahren: Weich- und Hartlöten. Der Unter-

schied wird einerseits durch die Schmelztemperatur des Lotes (ober- oder unterhalb

von 450° C) definiert, andererseits über die Haltbarkeit der Verbindung und die Art

der Metalle.

Weichlot besteht überwiegend aus einer Legierung von Blei und Zinn, gelegentlich

auch etwas Wismut. Es wird benutzt zur Verbindung von Zinn, Eisenblechen (Kon-

servendosen), Zinn-Zinklegierungen, Zink, Kupfer und Eisen. In den letzten Jahr-

zehnten wurden dem Weichlot auch zunehmend Cadmium, Antimon und Silber zu-

gefügt. Hartlot besteht überwiegend aus Kupfer mit einem geringen Anteil von Zink,

Zinn und Silber. Mit diesem Lot werden überwiegend Kupferrohre, Messing, Gold,

Silber und Aluminium verlötet.

Zur Reinigung der metallischen Oberflächen sowie als Flussmittel wird in der Regel

eine Lötpaste oder Löttinktur aufgetragen, die entsprechend der gewünschten Ver-

bindungsart zusammengesetzt ist. Sie kann Borax, Wasserglas, Natriumphosphat

oder Aluminiumphosphat enthalten. Je nach Erfordernis können ätzende oder redu-

zierende Bestandteile hinzugefügt sein. Als ätzende Stoffe kommen Salzsäure,

Zinkchlorid oder Zinkammoniumchlorid in Frage, als reduzierende Verbindungen

Kolophonium (Pinienharz), Stearine, Terpentin, Kaliumcyanid oder Salmiak.

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Branchenblatt Schlosserei Seite 6

Altlasten-Leitfaden Schleswig-Holstein: Erfassung Anhang 11

Abb. 3: Schlosser bei Schweißarbeiten um 1930 (Quelle: GESELLSCHAFT FÜR

VOLKSKUNDE IN SCHLESWIG-HOLSTEIN E.V.)

Klebetechniken

Neben den oben beschriebenen Verbindungstechniken haben sich seit dem 19.

Jahrhundert auch klebende oder kittende Verbindungstechniken etabliert. Im Ver-

gleich zu den zuvor genannten Verfahren hat die Klebetechnik eine untergeordnete

Bedeutung, so dass auf eine detaillierte Beschreibung verzichtet wird.

Als potentiell verunreinigende Stoffe aus dem Schlossereibetrieb sind also insbe-

sondere Schwermetalle und einige Lösungsmittel, z.B. Benzin, anzusehen.

4 Umweltrelevante Verfahrens- und Produktionsschritte

sowie Verunreinigungspotentiale

Eine Schlosserei besteht aus einem komplexen Gefüge aller bekannten Metallbear-

beitungstechniken.

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Branchenblatt Schlosserei Seite 7

Altlasten-Leitfaden Schleswig-Holstein: Erfassung Anhang 11

In der Dreherei können neben den üblichen Verlusten an Mineralölen/Hydraulikölen

aus den Maschinen insbesondere die Kühlschmierstoffe zu Verunreinigungen ge-

führt haben. An den Metallspänen hafteten durchschnittlich ca. 8 % Kühlschmierstof-

fe, so dass relativ bedeutende Mengen auf den Sammelplätzen der Drehspäne nach

und nach in den Boden gelangen konnten. Da Späne mit anhaftendem Öl auf dem

Rohstoffmarkt schlechte Preise erzielten, wurden sie in Gitterkörben oder in durch-

löcherten Fässern vor dem Verkauf zumeist mit Kaltreinigern (CKW) oder anderen

Fett- und Öllösern eingesprüht und hinterher mit Wasser unter hohem Druck abge-

spritzt. Auf diese Weise gelangten die Kühlschmierstoffe und Lösungsmittel in das

Abwasser und den Boden. Ebenso wurden Maschinen, Werkzeuge und Werkstücke

unter Einsatz von Lösungsmitteln gereinigt.

Aus der Anwendung von speziellen Verbindungstechniken resultiert nur eine geringe

Gefährdungsvermutung. Handhabungsverluste beim Einsatz von Hilfsstoffen kön-

nen aber u.U. zu einer Kontamination geführt haben.

Ferner sind bei einem kontinuierlichen Werkstattbetrieb die Verunreinigungen mit

Schwermetallen und Säuren - aber auch Laugen - sowie einigen Lösungsmitteln

nicht zu vernachlässigen.

Detaillierte Verunreinigungspotentiale für Schlossereien lassen sich in der Regel erst

erkennen, wenn die Art der Metall- und Oberflächenbehandlung ermittelt wurde. Für

die Beurteilung sind alle Stoffgruppen aus den Bereichen Dreherei, Schweißerei/

Löterei, Beizerei und Poliererei heranzuziehen (siehe Branchenblatt Arbeitstechni-

ken und Verfahren der Metallbearbeitung).

5 Gesetzliche Ausführungsvorschriften für verwendete

Stoffe/Stoffgruppen

Tabelle 1 Altlastrelevante Stoffe und ihr zeitlicher Einsatz

Stoff Nutzung Verstärkte

Anwendung

ab

Verwendungs-

beschränkung/

Verbot

PCB (Polychlorierte Biphenyle).

1

Einsatz in Kühlölen, um die Ent-zündungstemperatur zu erhöhen.

ca. 1930 1978/1989

Wassermischbare Kühlschmierstoffe (N-Nitrosamin-Bildung).

2

Schmier- und Kühlmittelersatz für Öle mit Flammschutzmitteln.

ca. 1955 1997

PCP (Pentachlor- phenol).³

Einsatz in Emulsionen zur Halt-barmachung.

ca. 1930 1986/1989

LCKW.4 Lösungs- und Reinigungsmittel

(Kaltreiniger) insbesondere für verölte Späne.

ca. 1925 1981/1986 (zum Teil)

BTEX.5 Lösungs- und Reinigungsmittel im

Werkstattbetrieb. ca. 1925 1986 (zum Teil)

1

26.7.1978 10.BImSchV: Verwendungsbeschränkung auf geschlossene Systeme; 18.7.1989, PCB-Verbotsverordnung: Herstellungs-, Inverkehrsbringungs- und Verwen- dungsverbot, 1993 durch ChemVerbotsV abgelöst.

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Branchenblatt Schlosserei Seite 8

Altlasten-Leitfaden Schleswig-Holstein: Erfassung Anhang 11

2 4/1997 Technische Regel für Gefahrstoffe TRGS 611, Verwendungsbeschränkungen für

wassermischbare bzw. wassergemischte Kühlschmierstoffe, bei deren Einsatz N-Nitrosamine auftreten können (Verbot von Nitrit im KSS) 3

26.8.1986 GefStoffV: Verwendungsbeschränkung für PCP, z.B. nicht in Aufenthaltsräumen einzusetzen; 12.12.1989 PCP-Verbotsverordnung: Herstellungs-, Inverkehrsbringungs- und Verwen- dungsverbot, 1993 abgelöst durch ChemVerbotsV. 4 9/1981 Technische Regel für gefährliche Arbeitsstoffe TrgA 502: Verwendungsbeschrän-

kung für Tetrachlorkohlenstoff; 21.4.1986 2.BImSchV: Verordnung zur Emissionsbeschränkung von leichtflüchtigen Halogenwasserstoffen, Anwendungsbeschränkungen 1990 in der Neufassung verschärft. 5 26.8.1986 GefStoffV: Verwendungsbeschränkung für Benzol auf geschlossene Systeme.

6 Altlastrelevante/altlastirrelevante Nutzungszeiträume

Bis zum Ende des 19. Jahrhunderts sind keine wesentlichen Veränderungen in der

stofflichen Bearbeitung oder in der Zusammensetzung der Hilfsstoffe für die Metall-

industrie bekannt. Es erfolgte lediglich eine Maschinisierung und Mechanisierung

der bisherigen Handarbeit. Die Fortschritte der chemischen Industrie und Metallurgie

seit dem Beginn des 20. Jahrhunderts veränderten jedoch nach und nach auch die

Zusammensetzung der Werk- und Hilfsstoffe. Diese Veränderungen betrafen insbe-

sondere die Arbeitsbereiche der Dreherei und der Schweißerei.

Insbesondere während des Zweiten Weltkrieges waren Schlossereibetriebe und

Schlossereiabteilungen in Großbetrieben mit Drehbänken, die sich für die Granaten-

dreherei eigneten, der Kontrolle ziviler Aufsichtsbehörden weitgehend entzogen und

daher häufig in baulichen Anlagen untergebracht, die für Gewerbebetriebe auch

nach damaligem Stand der Technik nicht geeignet waren. Es fehlte zumeist an einer

Befestigung des Fußbodens und an geeigneten Abwasseranlagen. Ähnliches gilt für

die Nachkriegszeit, in der behördliche Kontrollen meist nur in eingeschränktem Ma-

ße durchgeführt wurden.

Dreherei

Durch die verbesserten Schneidstähle ergaben sich zunehmend höhere Schnittge-

schwindigkeiten, die eine Schmierung und Kühlung der Werkstücke und Werkzeuge

zwingend erforderlich machten. Während anfänglich noch Seifenwasser, das auf die

Grenzflächen gespritzt wurde, zur Werkzeug- oder Werkstückkühlung ausreichte,

wurde seit der Einführung der Schnellschnittstähle zunehmend auf wärmeleitende

und hochsiedende Öle und Emulsionen zurückgegriffen. Diese Öle enthielten seit

dem Ende der 1920er Jahre Chlororganika (z.B. PCB) als Flammschutz. Die was-

serhaltigen Emulsionen mussten mit Emulgatoren, Stabilisatoren und Mikrobioziden

(z.B. PCP) haltbar gemacht werden. Mit einer verstärkten Anwendung ist in Schles-

wig-Holstein etwa seit Anfang der 1930er Jahre zu rechnen.

Steigende Metallpreise zwischen 1960 und 1980, besonders nach der Einführung

des Abfallwirtschaftsgesetzes, führten zudem dazu, Drehspäne in möglichst saube-

rer Form wiederzuverwenden, so dass diese häufig schon beim Erzeuger mit Kalt-

reinigern oder anderen Lösungsmitteln entölt wurden.

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Branchenblatt Schlosserei Seite 9

Altlasten-Leitfaden Schleswig-Holstein: Erfassung Anhang 11

Schweißerei und Löterei

Schweiß- und Lötarbeiten wurden und werden seltener auf befestigten Böden aus-

geführt, weil glühende Schweißperlen, explodierende Schlacken sowie heiße Lot-

Tropfen auf einem Betonboden auseinanderspritzen und so die Arbeitskräfte verlet-

zen können. Wie auch in den Schmieden werden daher solche Arbeiten oft auf Sand

ausgeführt, so dass sich im unbefestigten Boden einer Werkstatt neben den übli-

chen Eisenfeilspänen und Schlacken auch Schwermetalle jeder Art sowie Hilfsstoffe

wie Säuren, Laugen und Flussmittel befinden können. In Abhängigkeit von der Dau-

er der Werkstattnutzung kann der Oberboden unterschiedlich stark verunreinigt

sein. Wurde der Sand gelegentlich ausgewechselt, gelangte er meist zur Befesti-

gung auf die Betriebsfläche. Aus den abgelagerten Abfallstoffen können u.U. im

sauren Milieu Schwermetalle herausgelöst werden.

Die Acetylenanlage befand sich wegen der Explosionsgefahr zumeist abseits der

Werkstatt in einem Schuppen, neben dem dann auch die Absetzbecken für Karbid-

schlamm (Calciumhydroxid) zu suchen sind. Es ist nicht auszuschließen, dass die-

ser Schlamm auch auf das Betriebsgelände verbracht wurde. Karbidschlämme kön-

nen aufgrund ihrer Alkalität einen Einfluss auf die Löslichkeit von Schadstoffen im

Boden bzw. Grundwasser haben.

Tabelle 2 Zusammenfassung aller altlastrelevanten Aspekte und Zuordnung zu den Branchenklassen SH. Zeitspanne Hilfsstoffe Nebenprodukte Altlastrelevante

Aspekte

Branchen-

klasse SH

bis 1900 Seifen und Wasser,

Leinöle, Rüböle, ge-

ringe Mengen Mine-

ralöle, Lotmaterial

Metallspäne Keine Abwasser-

anlagen, keine

Bodenbefesti-

gung

0

1900 – 1930 Seifen, Wasser, erste

Bohröle ohne PCB;

Zunehmende Mengen

an Mineralölen, Lot-

material, erste Lö-

sungsmitteleinsätze

gering verölte Me-

tallspäne, Formsan-

de, Karbidschlamm

keine Abwasser-

anlagen, keine

Bodenbefesti-

gung

0

1931 – 1960 Bohr- und Schneid-

öle, PCB, Emulsio-

nen, Fungizide, Bakte-

rizide, Lotmaterial,

Lösungsmittel aller Art

ölige Metallspäne;

Ölschlämme mit

PCB, Schwermetal-

le; Lösungsmittel-

rückstände, Karbid-

schlamm

Im Einzelfall ab

1930 in den

Drehspanlagern

Abscheider auf

Weisung der

Gewerbeaufsicht

nachweisbar.

3

1961 – 1980 Bohr- und Schneid-

öle, PCB, Emulsio-

nen, BTEX, CKW,

Fungizide, Bakterizi-

de, Lotmaterial, Säu-

rebeizen und Deter-

gentien

ölige Metallspäne,

Ölschlämme mit

PCB, Schwermetalle

und Schwermetall-

salze; Lösungsmit-

telrückstände

Entölen der Spä-

ne mit CKW.

4

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Branchenblatt Schlosserei Seite 10

Altlasten-Leitfaden Schleswig-Holstein: Erfassung Anhang 11

1981 – Ge-

genwart

Bohr- und Schneid-

öle, Emulsionen,

BTEX, Fungizide,

Bakterizide, Lotmate-

rial, Säurebeizen und

Detergentien

ölige Metallspäne,

Ölschlämme,

Schwermetalle und

Schwermetallsalze

Verbot von ver-

schiedenen

Schadstoffen,

geregelte Ab-

fallentsorgung.

3

Branchenklasse 0: kein Gefährdungspotential Branchenklasse 1: Gefährdungspotential sehr gering Branchenklasse 2: Gefährdungspotential gering Branchenklasse 3: Gefährdungspotential mäßig Branchenklasse 4: Gefährdungspotential hoch Branchenklasse 5: Gefährdungspotential sehr hoch

7 Literaturhinweise

BERNSDORF, G.: Auf heißen Spuren. Vom Schmieden, Löten, Schweißen. Leipzig,

1986.

GESELLSCHAFT FÜR VOLKSKUNDE IN SCHLESWIG-HOLSTEIN E.V. (HRSG.):

Handwerk in Schleswig-Holstein, 1900 bis heute. Schriftenreihe der Gesellschaft für

Volkskunde in S.-H., Band 2. Edition Barkau, Großbarkau, 1997.

HOCH, J.: Der praktische Bauschlosser. Ein Hand- und Nachschlagewerk für

Schlosser mit einem Anhang. Leipzig, 1905.

HOFFMANN, M.: Handbuch der praktischen Werkstatt-Mechanik, Metall- und Holz-

dreherei. Wien, Leipzig, 1925.

KRAUTH; MEYER: Die Kunst- und Bauschlosserei in ihrem gewöhnlichen Umfange

mit besonderer Berücksichtigung der kunstgewerblichen Form. 2 Bände. Leipzig,

1897.

LEHNER, S.: Die Kitte und Klebemittel. Ausführliche Anleitung zur Darstellung aller

Arten von Kitten und Klebemitteln für Glas, Porzellan, Metalle, Leder, Eisen, Stein,

Holz. Wien, 1899.

LOSS, A.: Handbuch der Dreherei. Leipzig, 1920.

RUBY, J.: Werkzeug-Maschine. Magdeburg, 1997.

SACHS; EISBEIN; KUNTZE; LINICUS: Spanlose Formung der Metalle. Mitteilungen

der Deutschen Materialprüfanstalten, Sonderheft 16. Berlin, 1931.

SCHLOSSER, E.: Das Löten und Schweißen. Die Lote, Lötmittel und Lötapparate

und das autogene Schweißen der Metalle. Wien, 1922.

STADLMANN, F.: Vom Tagwerk der Jahrhundertwende. Europa-Verlag, Wien,

1985.

STAU, C. H.: Die Drehmaschinen, Drehbänke und verwandte Werkzeugmaschinen.

Berlin, Göttingen und Heidelberg, 1963.

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Branchenblatt Schlosserei Seite 11

Altlasten-Leitfaden Schleswig-Holstein: Erfassung Anhang 11

STEINBRINGS; MAIER: Der praktische Maschinenschlosser und Mechaniker. Ber-

lin, 1942.

WEINER, R.: Die Abwässer der Metallindustrie (Metallverarbeitende und galvano-

technische Betriebe), 3. erweiterte Auflage. Eugen Leuze Verlag, Saulgau, 1965.

WITTMANN, K.: Die Entwicklung der Drehbank. Berlin, 1941 (2. Auflage Düsseldorf,

1960).

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Altlasten-Leitfaden Schleswig-Holstein: Erfassung Anhang 11 Histinvest - Dr. Klaus Schlottau, Bremen

Branchenblatt Schmiede

Inhaltsverzeichnis Seite 1 Bezeichnung der Branche 2 2 Historischer Überblick 2 3 Allgemeiner Verfahrensablauf 2

3.1 Entwicklung des Verfahrensablaufs seit 1880 3 Handwerkliche Schmiedebetriebe 3

Industrielle Schmiedebetriebe 4 4 Umweltrelevante Verfahrens- und Produktionsschritte sowie Verun-

reinigungspotentiale 4 4.1 Ländliche Huf- und Grobschmieden 5 4.2 Fahrzeugschmieden und Grobschmiede mit Reparaturbetrieb 5 4.3 Industrielle Schmieden 6 4.4 Spezialschmieden 6

5 Gesetzliche Ausführungsvorschriften für verwendete Stoffe/Stoffgruppen 7 6 Altlastrelevante/altlastirrelevante Nutzungszeiträume 8 7 Literaturhinweise 9

Abb. 1: Schmiede eines Bauunternehmens in den 1950er Jahren (Quelle:

STADTARCHIV KIEL).

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Branchenblatt Schmiede Seite 2

Altlasten-Leitfaden Schleswig-Holstein: Erfassung Anhang 11

1 Bezeichnung der Branche

Als Schmiede wird in dieser Darstellung ein Gewerbebetrieb bezeichnet, der Ge-

brauchsgegenstände, Halbzeuge und Werkzeuge durch schlagende Verformung

aus Roheisen herstellt. Gegenstand sind also Hufschmieden, Kunstschmieden, Na-

gelschmieden, Sensen- und Klingenschmieden sowie Hammerwerke.

Schmieden, die Nichteisenmetalle bearbeiten, z.B. Kupferschmiede, Goldschmiede

etc., werden an dieser Stelle nicht behandelt und haben in Schleswig-Holstein in

aller Regel auch keine Altlastenrelevanz.

Seit 1988 werden Schmieden und Schlossereien gemäß der Handwerksrolle unter

dem Begriff „Metallbau“ zusammengefasst.

2 Historischer Überblick

Der dörfliche Hufschmied, der Ausbildung nach ein Grobschmied, wird in Schleswig-

Holstein im Zuge der Industrialisierung seit Beginn des 20. Jahrhunderts zuneh-

mend zum Vermittler der Mechanisierung in der Landwirtschaft und im Verkehrsge-

werbe, wobei sich zugleich die Zahl der Reparaturen und Ersatzteilimprovisationen

an technischen Gerätschaften und Maschinen stetig erhöht. Der Schmied über-

nimmt allmählich die Funktion eines Maschinenschlossers, ohne unbedingt über

eine Drehbank oder Fräse zu verfügen.

Seit Anfang der 1950 Jahre, als in der Landwirtschaft der Trecker zunehmend ein-

geführt wurde und im Straßenverkehr das Kraftfahrzeug eine größere Bedeutung

gewann, verlagerte der örtliche Hufschmied häufig sein Tätigkeitsfeld in die Berei-

che der Fahrzeug- und Landmaschinenreparaturen, der Blech- und Stahlbauschlos-

serei sowie der Maschinenschlosserei. Mit dieser Funktionsverlagerung war häufig

auch der Beginn eines Handels mit Treibstoffen verbunden.

Im ländlichen Bereich konnten sich auf Grund des höheren Bedarfs an Schmiedear-

beiten an landwirtschaftlichem Gerät die kleingewerblichen Schmieden über einen

längeren Zeitraum bis in die 1980er Jahre hinein halten und sind vereinzelt auch

heute noch in ländlichen Regionen vertreten.

3 Allgemeiner Verfahrensablauf

Unter Schmieden versteht man die spanlose Warmformung von Metallen. Durch

Erwärmung im holzkohlen- oder koksbefeuerten Schmiedefeuer, Wärme- oder

Glühofen bzw. elektrisch durch Induktion, wird ein metallischer Werkstoff in einen

knetbaren Zustand überführt, und anschließend durch schlagartigen oder kontinuier-

lichen Druck nach Bedarf bearbeitet. Die Formung des erwärmten Metalls erfolgt

entweder in weitgehender Handarbeit als sogenanntes „Freiformschmieden“ oder

unter Einsatz verschiedener formender Hilfsmittel und Maschinen als sogenanntes

„Gesenkschmieden“.

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Branchenblatt Schmiede Seite 3

Altlasten-Leitfaden Schleswig-Holstein: Erfassung Anhang 11

Das fertige Schmiedestück wird im Glühofen abermals erwärmt, um die durch das

Schmieden und das Abkühlen an der Luft entstandenen Spannungen zu beseitigen,

und die ursprüngliche Festigkeit, Elastizität und Kerbzähigkeit des Materials wieder-

herzustellen.

An die Stelle des einfachen Glühens tritt vielfach die Härtung als „Vergütung“. Auch

hierbei wird das Schmiedestück zunächst im Glühofen abermals erwärmt, anschlie-

ßend jedoch mit hoher Geschwindigkeit abgekühlt. Diese sogenannte „Abschre-

ckung“ bewirkt eine erhebliche Härtesteigerung. Gebräuchliche Abschreckmittel sind

nach dem Grad ihrer Wirkung Wasser (oft unter Zusatz von Natronlauge und Koch-

salz), Öle (fette Pflanzenöle wie auch dünnflüssige Mineralöle), Blei und Druckluft.

Dem Härten folgt abschließend das sogenannte „Anlassen“, eine langsame und

bestimmte Zeit anhaltende Erwärmung des Schmiedestücks. Dies geschieht in der

Regel wiederum im Glühofen, zuweilen auch durch Auskochen in Wasser oder Öl,

und beseitigt die im Schmiedestück bei der Härtung aufgebauten Zugspannungen.

Nach Abschluss dieses Prozesses wird das Schmiedestück gelegentlich spanend

(z.B. durch Bohren oder Fräsen) weiterbearbeitet.

3.1 Entwicklung des Verfahrensablaufs seit 1880

Der Verfahrensablauf der spanlosen Warmformung von Metallen hat sich seit 1880,

dem Beginn der Industrialisierung in Deutschland, nicht in allen Schmiedebetrieben

synchron entwickelt. Zu unterscheiden sind im Wesentlichen handwerkliche und

industrielle Schmiedebetriebe. Als Abgrenzungskriterium kann der Einsatz von

Dampf- und Lufthämmern, hydraulischen Pressen und Stanzen sowie von Här-

tungs-, Entfettungs- und Beizanlagen dienen. Diese stellen im handwerklichen

Schmiedebetrieb weitgehend die Ausnahme dar.

Handwerkliche Schmiedebetriebe

Bei ländlichen Schmiedebetrieben handelte es sich bis in die 1940er Jahre vor-

wiegend um Eisen-, Grob- oder Hufschmieden. Da die Arbeitsteilung auf dem Land

nicht sehr stark ausgeprägt war, erwartete man vom Schmied, dass er eine Reihe

von Arbeiten beherrschte, die in der Stadt auf verschiedene Gewerbe verteilt waren.

Schwerpunkte seiner Tätigkeit waren überwiegend:

Hufeisenfertigung nebst Hufbeschlag,

Eisenarbeiten an Wagen (insbesondere am Rad und an der Achse),

Eisenarbeiten an Ackergeräten,

Anfertigung und Reparatur der wichtigsten Werkzeuge und Arbeitsgeräte; Repa-

ratur- und Wartungsarbeiten.

Bis zum Ende des Zweiten Weltkrieges behielt das Schmieden von Hufeisen und

der Hufbeschlag seine Bedeutung. Mit dem zunehmenden Einsatz von Maschinen

in der Landwirtschaft übernahm der ländliche Schmied etwa seit Anfang der 1950er

Jahre vermehrt auch deren Reparatur. Vielfach entwickelte sich der Schmiedebe-

trieb dadurch zum Landmaschinenfachbetrieb für Handel und Reparatur.

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Branchenblatt Schmiede Seite 4

Altlasten-Leitfaden Schleswig-Holstein: Erfassung Anhang 11

Bei städtischen Schmiedebetrieben handelte es sich oft um spezialisierte

Schmieden. So gab es u.a. Draht-, Büchsen-, Grob-, Nagel-, Klein-, Waffen-, Mes-

ser-, Zeug- und Zirkelschmiede.

Mit Zunahme des Kraftfahrzeugverkehrs wurden die ursprünglichen Fähigkeiten der

Schmiede immer weniger in Anspruch genommen, was vor allem in städtischen

Betrieben eine Umorientierung oder Schließung des Betriebes zur Folge hatte. Die

Wandlung vollzog sich maßgeblich in Richtung KFZ-Werkstatt bzw. Schlosserei.

Industrielle Schmiedebetriebe

Mit der Industrialisierung und dem Fortschreiten der Maschinenentwicklung stieg der

Bedarf an größeren und standardisierten Schmiedestücken (Serienfertigung) konti-

nuierlich an. Dieser konnte vom handwerklichen Schmiedebetrieb nicht mehr ge-

deckt werden, so dass sich größere Betriebe entwickelten, in denen vermehrt Ma-

schinen zum Einsatz kamen.

Zur Erwärmung des Metalls setzte sich um die Jahrhundertwende der Wärmeofen

durch. Die anschließende Formung erfolgte entweder durch Freiformschmieden

oder durch Schmieden im Gesenk, mit dem Aufkommen entsprechender hydrauli-

scher Maschinen seit den 1930er Jahren auch durch Pressen.

Das Freiformschmieden umfasste im Wesentlichen Ambossarbeiten, Winkelschmie-

dearbeiten, Dampfhammerarbeiten sowie Pressarbeiten. Die wichtigsten Arbeits-

vorgänge waren hierbei das Strecken und Absetzen, Stauchen und Nieten, Biegen

und Richten, Lochen und Aufhauen sowie Abhauen und Kreuzen.

Werkstücke, die eine besondere Kunstfertigkeit verlangten oder in „Serie“ gefertigt

werden sollten, wurden im Gesenk geschmiedet. Maschinen und Einrichtungen ei-

ner Gesenkschmiede waren im wesentlichen Spindelpressen, Exzenterpressen (als

Abgratpressen und zum Stanzen von schwachen Blechen), verschiedene maschi-

nell angetriebene Hämmer wie Fall-, Dampf- und Lufthammer, hydraulische Pressen

und Waagerechtschmiedemaschinen sowie Walzmaschinen.

4 Umweltrelevante Verfahrens- und Produktionsschritte sowie Verunreinigungspotentiale

Die handwerkliche Schmiede war gewöhnlich mit einem Stampflehmboden oder

mit losem Sand als Schutz vor Eisenspritzern ausgelegt, meist besaß nur der Am-

boss ein Fundament. Daher sind Eisenteile und Rost neben der Asche des Schmie-

defeuers gewöhnlich die einzigen Abfallprodukte dieser Schmieden.

Die Einführung eines mechanischen Hammers deutet in der Regel auf den Über-

gang zur industriellen Produktion hin. Mit dem Einsatz eines Fallhammers geht da-

her häufig auch der Beginn der Verwendung besonderer Härteverfahren und Wär-

mebehandlungen mit umweltrelevanten Stoffen einher.

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Branchenblatt Schmiede Seite 5

Altlasten-Leitfaden Schleswig-Holstein: Erfassung Anhang 11

Häufig ist mit der Entwicklung zur industriellen Schmiede auch die Einführung

spanabhebender Formgebungsverfahren (Drehen, Fräsen) mit anschließender

Oberflächenbearbeitung durch Härten, Schleifen, Polieren, Grundieren, Lackieren

oder eine Oberflächenbeschichtung verbunden.

War der Boden einer Schmiede nicht befestigt, konnten dabei flüssige Schadstoffe

ungehindert in den Boden gelangen, so dass Schmieden im Übergang zum Indust-

riebetrieb ein erhöhtes Gefahrenpotential aufweisen können.

4.1 Ländliche Huf- und Grobschmieden

Als umweltrelevante Verfahrens- und Produktionsstoffe kommen in Betracht:

- Eisenteile und Eisenspäne, Schlacken und Aschen;

- tierische, pflanzliche und mineralische Fette und Öle in geringem Umfang.

Für alle Schmieden dieser Art besteht in der Regel bis in die Gegenwart keine Ge-

fährdungsvermutung.

4.2 Fahrzeugschmieden und Grobschmieden mit Reparaturbetrieb

Als umweltrelevante Verfahrensschritte und Produktionsstoffe sind hier zu nennen:

- Eisenteile und Eisenspäne, Schlacken und Aschen;

- tierische, pflanzliche und mineralische Fette und Öle als Schmierstoffe;

- das Härten einzelner Werk-/ Schmiedestücke in mineralischen Ölen;

- die spanende bzw. schleifende Weiterbearbeitung einzelner Werkstücke, z.B.

beim Schärfen von Schneidewerkzeugen oder bei Maschinenreparaturen führte

zum Anfallen und zur Ablagerung von Metallspänen sowie Schleifstäuben;

- Verunreinigungen durch Reparatur- und Wartungsarbeiten an Fahrzeugen, Ma-

schinen und landwirtschaftlichen Geräten;

- Verunreinigungen durch Kraftstoffe und Lösungsmittel.

Schmieden mit Reparaturdiensten entstanden vorwiegend in zentralen Orten, an

den Einfallstraßen zu den Städten sowie in größeren Dörfern mit überörtlichem

Durchgangsverkehr. Infolge der Motorisierung kamen ab etwa 1950 verstärkt Folge-

nutzungen wie Kraftfahrzeug- und Landmaschinenreparaturen, Kraftfahrzeug- und

Landmaschinenhandel sowie sonstige Werkstätten und Tankstellen hinzu. Damit

nahm die Altlastenrelevanz dieser Standorte rasch zu, weil die ursprünglichen Be-

triebseinrichtungen und baulichen Einrichtungen der Schmieden beibehalten wur-

den, so dass Schadstoffe ggf. in den Untergrund eindringen konnten.

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Branchenblatt Schmiede Seite 6

Altlasten-Leitfaden Schleswig-Holstein: Erfassung Anhang 11

4.3 Industrielle Schmieden

Als umweltrelevante Verfahrensschritte und Produktionsstoffe sind hier in Betracht

zu ziehen:

- Eisenteile und Eisenspäne, Schlacken und Aschen;

- das Härten einzelner Werk-/ Schmiedestücke in mineralischen Ölen oder

Bleibädern;

- Verunreinigungen durch Reparatur- und Wartungsarbeiten an Maschinen und

Geräten;

- Verunreinigungen durch ortsfeste Kraftmaschinen (Dampfmaschinen, Diesel-

kraftmaschinen etc.), Hydraulikpumpen sowie Kompressoren;

- der Einsatz größerer Maschinen wie z.B. Dampf- und Fallhämmer, hydraulische

Pressen und Stanzen einschließlich zugehöriger Kompressionsanlagen, die eine

Verwendung von Schmierölen und -fetten sowie von Hydraulik- und Kompresso-

renölen erfordern;

- die chemische Vor-/ Nachbehandlung der Werkstoffe/-stücke in Härtungs-, Ent-

fettungs- und Beizanlagen;

- die spanende Weiterbearbeitung von Werkstücken durch Bohren, Fräsen o.ä.,

bei dem es u.a. zum Einsatz von Bohr- und ggf. Schneidölen kommt.

Der Übergang zur industriellen Fertigung setzte in Schleswig-Holstein zumeist erst

Anfang des 20. Jahrhunderts ein. Entscheidende Indikatoren sind der Übergang von

einfachen Fallhämmern zu hydraulischen Pressen und Drucklufthämmern sowie die

Einführung spanabhebender Maschinen. Aus der Grobschmiede entwickelte sich

häufig eine mechanische Werkstatt. Die Folgenutzungen sind durch den Maschinen-

oder Apparatebau bestimmt.

4.4 Spezialschmieden

In Städten bestanden neben den Kleinschmieden, die als Vorstufen vieler Schlosse-

reien zu betrachten sind, spezielle Schmieden. Insbesondere die Waffenschmieden

können infolge der Nachbehandlung durch Härten und konservierende Überzüge

ein erweitertes Schadstoffspektrum aufweisen. Neben der Härterei und spanabhe-

benden Arbeitsschritten sind als weiterer Unterschied besonders die Schleif- und

Polierarbeiten hervorzuheben.

Bezüglich der umweltrelevanten Produktionsschritte und -stoffe wird auf Kapitel 4.2

verwiesen. Eine hohe Gefährdungsvermutung für die Branche besteht allerdings nur

bei der Produktion im industriellen Maßstab (siehe Kapitel 4.3). Hier ist die Existenz

einer eigenen Galvanik sowie von Härtebädern und Kompressoranlagen zu überprü-

fen.

Der Einsatz chlororganischer Lösungsmittel (z.B. PER) zum Entfetten und Reinigen

von Werkstücken tritt erst in Betrieben der Nachkriegszeit verstärkt auf. Hydrauli-

sche Pressen und damit PCB-haltige Öle als Kontaminanten sind seit den 1930er

Jahren im Einsatz, davor wurde die mechanische Kraft mit Dampf-, Luft- und Fall-

hämmern übertragen.

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Branchenblatt Schmiede Seite 7

Altlasten-Leitfaden Schleswig-Holstein: Erfassung Anhang 11

Eine weitere Kontaminationsvermutung ergibt sich aus der Verwendung von Entfet-

tungs-, Beiz- und Wärmebehandlungsbädern (Öl- und Bleibäder), bei denen Lecka-

gen und Handhabungsverlusten nicht auszuschließen sind. Weiterhin ist mit Verun-

reinigungen durch die Ablagerung von Badrückständen, Metallspänen sowie

Schmiermittelresten auf unbefestigtem Betriebsgelände zu rechnen.

Potentielle Schadstoffe sind somit:

Metall- und Schwermetallverbindungen (u.a. Blei, Zink);

Säuren, Laugen (Fluss-, Chrom-, Schwefel-, Salz-, Phosphorsäure, Natron-,

Kalilauge);

beim industriellen Maßstab auch Cyanide (Härtesalze, Beiz- und Galvanisier-

bäder);

BTEX, CKW (Entfettungs- und Reinigungsbäder);

Öle (Schmierstoffe);

PCB (Hydraulikanlagen) und

schwermetallhaltige Schlämme.

5 Gesetzliche Ausführungsvorschriften für verwendete Stoffe/Stoffgruppen

Für Schmiedebetriebe liegen keine speziellen Ausführungsvorschriften vor. Ansons-

ten gilt primär für industrielle Schmieden:

Tabelle 1 Altlastrelevante Stoffe und ihr zeitlicher Einsatz

Stoff Nutzung Verstärkte

Anwendung ab

Verwendungs- beschränkung/

Verbot

PCB (Polychlo-rierte Biphenyle).

1

Einsatz in Kühlölen, um die Ent-zündungstemperatur zu erhöhen.

ca. 1930 1978/1989

Wassermischbare Kühlschmierstoffe (N-Nitrosamin-Bildung).

2

Schmier- und Kühlmittelersatz für Öle mit Flammschutzmitteln.

ca. 1955 1997

PCP (Pentachlor-phenol).³

Einsatz in Emulsionen zur Halt-barmachung.

ca. 1930 1986/1989

LCKW.4 Lösungs- und Reinigungsmittel

(Kaltreiniger) insbesondere für verölte Späne.

ca. 1925 1981/1986 (zum Teil)

BTEX.5 Lösungs- und Reinigungsmittel

im Werkstattbetrieb. ca. 1925 1986 (zum Teil)

1 26.7.1978 10.BImSchV: Verwendungsbeschränkung auf geschlossene Systeme;

18.7.1989, PCB-Verbotsverordnung: Herstellungs-, Inverkehrsbringungs- und Verwen- dungsverbot, 1993 durch ChemVerbotsV abgelöst. 2 4/1997 Technische Regel für Gefahrstoffe TRGS 611, Verwendungsbeschränkungen für

wassermischbare bzw. wassergemischte Kühlschmierstoffe, bei deren Einsatz N-Nitrosamine auftreten können (Verbot von Nitrit im KSS). 3

26.8.1986 GefStoffV: Verwendungsbeschränkung für PCP, z.B. nicht in Aufenthaltsräumen einzusetzen;

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Branchenblatt Schmiede Seite 8

Altlasten-Leitfaden Schleswig-Holstein: Erfassung Anhang 11

12.12.1989 PCP-Verbotsverordnung: Herstellungs-, Inverkehrsbringungs- und Verwen- dungsverbot, 1993 abgelöst durch ChemVerbotsV. 4 9/1981 Technische Regel für gefährliche Arbeitsstoffe TrgA 502: Verwendungsbeschrän-

kung für Tetrachlorkohlenstoff; 21.4.1986 2.BImSchV: Verordnung zur Emissionsbeschränkung von leichtflüchtigen Halogenwasserstoffen, Anwendungsbeschränkungen 1990 in der Neufassung verschärft. 5 26.8.1986 GefStoffV: Verwendungsbeschränkung für Benzol auf geschlossene Systeme.

6 Altlastrelevante/altlastirrelevante Nutzungszeiträume

Die Verformung des Eisens mit dem Schmiedehammer und anderen Handwerkzeu-

gen wie z.B. in der typischen dörflichen Hufschmiede ist nicht mit dem Einsatz von

umweltgefährdenden Stoffen verbunden. In den Werkstatträumen können allerdings

geringe Mengen abspritzenden Eisens und herausgeschlagener Kohlenstoffschla-

cken sowie Aschen auf den oft unbefestigten Boden gelangen. Eine nachhaltige

Verunreinigung ist damit jedoch nicht gegeben.

Abgesehen von den wasserbetriebenen Hammerwerken bildet der Einsatz mecha-

nisch betriebener Hämmer Ende des 19. Jahrhunderts den Übergang zur Fertigung

großer Einzelteile oder zur Serienfertigung in Gesenkschmieden, der mit einem er-

höhten Verbrauch an umweltgefährdenden Stoffen einhergeht. Diese Maschinen

wurden jedoch nur in großen Fabriken eingesetzt. Mit der Einführung von Gasma-

schinen und verstärkt noch durch die flächendeckende Elektrifizierung wurden auch

handwerkliche Schmieden mit kleineren und mittleren mechanischen Hämmern und

Einzelantrieb ausgestattet, so dass sie ab ca. 1930 zu mittelständischen Gewerbe-

betrieben heranwuchsen.

Die Konversion der Rüstungsindustrie nach 1918 führte zu einem Preiseinbruch für

Werkzeugmaschinen, so dass auch der kleinere Betrieb günstig an Stanzen, Stand-

bohrmaschinen und spanabhebenden Maschinen gelangen konnte. Mit diesem Ma-

schinenpark, ähnlich dem einer Schlosserei, wurde oft noch bis zum Beginn der

1950er Jahre unter der Bezeichnung „Schmiede“ gearbeitet.

Ein Teil der Schmieden, insbesondere im ländlich-kleinstädtischen Einzugsgebiet,

konzentrierte sich bei ähnlicher Maschinenausstattung seit Beginn der 1950er Jahre

auf Reparaturen und Wartungen an Fahrzeugen und Landwirtschaftsmaschinen.

Seit dem Ende der 1950er Jahre sind nach und nach die Huf- und Grobschmieden

sowie die Fahrzeugschmieden aus dem Erscheinungsbild der Dörfer und Städte

verschwunden, es blieben zumeist nur die Kunstschmieden, die heute dem Kunst-

gewerbe zugerechnet werden. Alle anderen Schmieden haben ihr Betätigungsfeld

ausgeweitet und sind zu Handelsunternehmen für Fahrzeuge und Maschinen oder

zu mechanischen Werkstätten, Schlossereien, Maschinenfabriken oder einem ande-

ren metallbearbeitenden Betrieb geworden.

Die nachfolgende Tabelle vermittelt einen Überblick über die zeitbezogene Zuord-

nung der verschiedenen Schmiedetypen zu den „Branchenklassen SH“:

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Branchenblatt Schmiede Seite 9

Altlasten-Leitfaden Schleswig-Holstein: Erfassung Anhang 11

Tabelle 2: Zeitbezogene Zuordnung zu den Branchenklassen SH

Zeitraum Huf-

schmiede (Kap. 4.1)

Fahrzeug- schmiede (Kap. 4.2)

Städtische Klein-

schmieden

Industrielle Schmieden (Kap. 4.3)

Spezial- schmieden (Kap. 4.4)

bis 1900 0 0 0 0 0

1900 – 1920 0 0 0 0 0

1921 - 1930 0 0 0 4 3

1931 – 1950 0 2 2 4 3

1951 – 1965 0 3 3 4 3

1966 - 1980 0 Erloschen 2 4 2

1981 – Gegen-wart

0 Erloschen 2 3 2

Branchenklasse 0: kein Gefährdungspotential Branchenklasse 1: Gefährdungspotential sehr gering Branchenklasse 2: Gefährdungspotential gering Branchenklasse 3: Gefährdungspotential mäßig Branchenklasse 4: Gefährdungspotential hoch Branchenklasse 5: Gefährdungspotential sehr hoch

7 Literaturhinweise

GRÜNINGER: Die Arbeiten des Wagenschmieds. Wangen i. Allgäu, 1924.

HOERNER, L.: Agenten, Bader und Copisten. Hannoversches Gewerbe ABC 1800-

1900. Hannover, 1995.

KAESBERG, H.: Entwicklung der Schmiedetechnik. Handbuch der Schmiedetech-

nik, Band A2. Berlin, 1944.

KETTEMANN, O.: Handwerk in Schleswig-Holstein. Geschichte und Dokumentation

im Schleswig-Holsteinischen Landesmuseum. Studien zur Volkskunde und Kultur-

geschichte Schleswig-Holsteins, Seminar für Volkskunde der Christian-Albrechts-

Universität Kiel, Band 18. Neumünster, 1987.

LITZ, V. (HRSG.): Spanlose Formung. Schmieden, Stanzen, Pressen, Prägen, Zie-

hen. Schriften der Arbeitsgemeinschaft Deutscher Betriebsingenieure, Band IV. Ber-

lin, 1926.

LUNGWITZ, A.: Der Lehrmeister im Hufbeschlag, 19. Auflage. 1925.

OETLING, C. (HRSG.): Schmiede und Schmiede-Technik. Ein Handbuch für Be-

triebsleiter, Schmiedemeister und Studierende. München und Berlin, 1920.

PALLA, R.: Verschwundene Arbeit. Ein Thesaurus der untergegangenen Berufe.

Frankfurt a.M., 1994.

ROHR, B.; WIELE, H. (HRSG.): Lexikon der Technik. VEB Bibliographisches Institut

Leipzig, 1982.

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Branchenblatt Schmiede Seite 10

Altlasten-Leitfaden Schleswig-Holstein: Erfassung Anhang 11

ROTH, E.: Schmieden im Wandel der Zeiten. In: Almanach des Verlages Georg

D.W. Callwey für das Jahr 1963. München, 1963.

SCHNEIDER, A.: Gesenkschmieden, 2. Auflage. Essen 1925.

WARTENBERG, E.: Die Reparaturarbeiten des Schmiedes. Umfassend: Die Repa-

raturen an Automobilen, an Fahrrädern, an landwirtschaftlichen Arbeits-, Kraft- und

Hilfsmaschinen nebst einer Abhandlung über Elemente des Wagenbaus. Berlin,

1916.

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Altlasten-Leitfaden Schleswig-Holstein: Erfassung Anhang 11 Histinvest - Dr. Klaus Schlottau, Bremen

Branchenblatt Stahlbau

Inhaltsverzeichnis Seite 1 Bezeichnung der Branche 2 2 Historischer Überblick 2 3 Allgemeiner Verfahrensablauf 3 4 Umweltrelevante Verfahrens- und Produktionsschritte sowie Ver-

unreinigungspotentiale 5 5 Gesetzliche Ausführungsvorschriften für verwendete Stoffe/

Stoffgruppen 6 6 Altlastrelevante/altlastirrelevante Nutzungszeiträume 6 7 Literaturhinweise 8

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Branchenblatt Stahlbau Seite 2

Altlasten-Leitfaden Schleswig-Holstein: Erfassung Anhang 11

1 Bezeichnung der Branche

Aufgabe eines Stahlbaubetriebes ist die Herstellung eiserner Konstruktionen aus

tragenden Profileisen und abdeckenden Blechen. Es handelt sich hierbei um die

Verbindung von Metallteilen hauptsächlich durch Vernietung, Verschraubung oder

Verschweißung mit der Absicht, z.B. ein tragendes Bauteil, eine Hallenkonstruktion

oder einen Behälter herzustellen. Stahlbaubetriebe im erweiterten Sinne sind daher

z.B. auch Werften oder Fahrzeugbaubetriebe.

Stahlbaubetriebe gehören zu den mittelständischen Unternehmen mit einer Beleg-

schaft von 20 bis 200 Mitarbeitern. Sie verfügen meist über ein ausgedehntes Ei-

senlager mit Eisensägen oder Brennschneideinrichtungen unter einer Überdachung

oder in einem Schuppen, einer Werkstatt, einem Feuerverzinkungsbad, einem Platz,

auf dem größere Konstruktionsteile zusammengestellt werden können, sowie über

einen Schwerlastfuhrbetrieb.

2 Historischer Überblick

Eisen- und Stahlbaubetriebe für Konstruktionen im oben genannten Sinne haben

sich aus dem Gewerbe der Blechschmiede und der Kupferschmiede entwickelt.

Frühe Zeugnisse entstanden im Zusammenhang mit der Entstehung von Hochöfen,

die Profileisen im Guss herstellten, so z.B. die ersten eisernen Brückenbauten in

England zur Mitte des 18. Jahrhunderts, dem sich bald der Kesselbau (Dampfma-

schine) anschloss. Es folgten seit 1830 der Streckenausbau der Eisenbahnen in

Europa und die großtechnischen Anlagen der Gaswerke, für die Kessel in bisher

nicht gekannten Dimensionen erforderlich waren.

Mit dem Stahlbau waren häufig Rohrleitungsbauten verbunden, so dass Stahlbau-

betriebe in aller Regel auch Rohrleitungen in Gaswerken oder Raffinerien erstellten.

Im Zuge des Eisenbahnbaus wurden die hölzernen Bahnhofsgebäude am Ende des

19. Jahrhunderts zunehmend durch eiserne Konstruktionen ersetzt, mit denen ein

Übergang des Gewerbes in den Bereich der Stahlhochbauten, also der tragenden

Gerüste von Hochhäusern verbunden war. Zeitlich parallel hierzu entstanden riesige

Sende- und Empfangsantennen, die Überlandleitungen der Elektrizitäts- und Tele-

fongesellschaften und der Oberleitungsbau der nach und nach elektrifizierten Stra-

ßen- bzw. Eisenbahnen.

Während des Ersten und des Zweiten Weltkrieges wurden im küstennahen Gebiet

viele Stahlbaubetriebe mit der Einzelfertigung von Schiffsteilen, insbesondere

U-Bootsektionen, oder der Fertigung von Bootsrümpfen beauftragt. Einzelne Betrie-

be fertigten auch Panzerwannen, Geschütztürme sowie Hebewerkzeuge. Alle ge-

nannten Arbeitsbereiche sowie der Container– oder Behälterbau, der seit dem Ende

der 1960er Jahre stetig zunimmt, bilden auch heute noch das Hauptarbeitsgebiet

des Stahlbaus.

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Branchenblatt Stahlbau Seite 3

Altlasten-Leitfaden Schleswig-Holstein: Erfassung Anhang 11

3 Allgemeiner Verfahrensablauf

Die Bearbeitung metallischer Werkstücke in Form von Profilen und Blechen zu Kon-

struktionselementen oder Hohlkörpern wie z.B. Containern unterscheidet sich deut-

lich von der formgebenden Bearbeitung massiver Metallteile. Profile und Blechtafeln

werden abgelängt, abgekantet und dann durch Schweißen, Nieten oder Verschrau-

ben zu einem Stahlgerippe oder Gehäuse zusammengefügt. Eine formgebende

Bearbeitung der metallischen Werkstücke durch Drehen, Fräsen, Feilen und Polie-

ren, wie in einer Dreherei oder Maschinenfabrik üblich, findet in aller Regel nicht

statt.

Bis in die 1920er Jahre wurden eiserne Konstruktionen durch Vernietung oder Ver-

schraubung hergestellt. Nietungen wurden besonders für den Behälterbau einge-

setzt, weil die erkaltende Niete eine gas- und flüssigkeitsdichte Verbindung erzeu-

gen konnte. Verschraubungen wurden eingesetzt, um eine schnelle Demontage zu

ermöglichen, während Vernietungen überwiegend bei Konstruktionen eingesetzt

wurden, die auf Dauer konzipiert waren.

Stahlbaubetriebe fertigen Konstruktionsteile nach eigenen oder fremden Zeichnun-

gen an. Die benötigten Profile und Bleche werden im Lagerbereich mit Hilfe von

Sägen oder Brennschneideinrichtungen geschnitten und in die Werkstatt transpor-

tiert. Bis zu diesem Arbeitsschritt sind die Verfahrenstätigkeiten mit denen identisch,

die auch im Eisengroßhandel und in Bauschlossereien ausgeführt werden.

In der Werkstatt werden die Schnittkanten gefast, Bohrungen mit Hilfe von Stand-,

Handbohrmaschinen oder Stanzen angefertigt, Streben, Verbindungsbleche und

Laschen vorbereitet und zum Teil auch bereits befestigt. Sofern keine Feuerverzin-

kung als Korrosionsschutz vorgesehen ist, werden die Einzelteile der Konstruktion

dann einer ersten Grundierung mit Mennige unterzogen.

Bauteile, die ständig der Witterung ausgesetzt sind, werden generell in einer Feuer-

verzinkerei behandelt. Größere Werke, die kontinuierlich gleichartige Stahlkonstruk-

tionen anfertigen (z.B. Gittermasten), besitzen fast immer eine eigene Verzinkerei.

Verwendet das Werk hingegen viele verschiedenartige Formen und Dimensionen

der Profile oder Bleche, wird die Arbeit meist einer selbständigen Verzinkerei über-

tragen (siehe Branchenblatt Galvanische und Feuermetall-Industrie).

Die korrosionsgeschützten Einzelteile werden anschließend in einer Werkhalle oder

auf einem Freiplatz durch Nieten oder Schweißen fest verbunden. Überdimensiona-

le Bauteile werden in transportable Segmente gegliedert, die erst auf der Baustelle

zusammengefügt werden.

Das ältere Verbindungsverfahren des Nietens wurde bis zum Ende der 1920er Jah-

re durchgeführt. Es erfordert eine Überlappung der beiden zu verbindenden Teile

durch Metalllaschen. Die Teile waren in der Regel zuvor mit einem Korrosionsschutz

versehen worden, der im Gesamtbereich der Überlappung durch Bürsten und

Schleifen egalisiert werden musste, damit ein beständiger Kraftschluss erreicht wur-

de. Anschließend wurden die glühenden Nieten eingesetzt und aufgestaucht, zu-

sätzlich wurden die Bereiche mit Hammer und Meißel verstemmt.

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Branchenblatt Stahlbau Seite 4

Altlasten-Leitfaden Schleswig-Holstein: Erfassung Anhang 11

Die mechanische Beanspruchung des Oberflächenschutzes durch Niethämmer,

Meißel und Transportwerkzeuge führte fast immer zu Abplatzungen, so dass hier

der Oberflächenschutz durch den Anstrich mit Mennige oder Zinksalzlösungen er-

neuert werden musste. Ein deckender Anstrich fand für die meisten Konstruktions-

teile erst auf der Baustelle statt. Tanks erhalten jedoch häufig eine Innenbeschich-

tung, die vor Flüssigkeitsverlusten oder Korrosion, z.B. durch den aggressiven In-

halt, schützen soll. Zumeist handelte es sich hierbei historisch um Beschichtungen

aus Teer, Ölfarbe oder Walzblei. Diese Werkstoffe wurden bis zur Gegenwart fast

vollständig durch Kunststoffe ersetzt.

Ende der 1920er Jahre etablierte sich die auf den Schiffswerften bereits weit ver-

breitete Schweißung auch im Bereich des Stahlbaus, weil so bis zu 15 Prozent des

Eisengewichtes gespart werden konnten und die arbeitskraftintensive Vorbereitung

und Durchführung der Nietung fortfiel. Ein Schweißer konnte so drei Nieter ersetzen.

Für die Autogen- und die Elektroschweißung muss nur noch der unmittelbare Kon-

taktbereich beider Teile vom Korrosionsschutz befreit werden. Nach der Schwei-

ßung werden die Schweißschlacken entfernt und der Korrosionsschutz auf der

schmalen Naht erneuert.

Abb. 1: Anwendung von Schweißautomaten um 1950 (Quelle: VEREIN DEUT-

SCHER MASCHINENBAU-ANSTALTEN).

Durch die Einführung der Schweißtechnik stieg der Bedarf an Acetylengas, das oft-

mals in betriebseigenen Anlagen hergestellt wurde. Diese befanden sich zumeist

wegen der Explosionsgefahr abseits der Werkstätten in Schuppen, neben denen

auch die Absitzbecken für den Karbidschlamm lagen.

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Branchenblatt Stahlbau Seite 5

Altlasten-Leitfaden Schleswig-Holstein: Erfassung Anhang 11

Mit dem Beginn der Elektroschweißung wurden die Gasentwickler und Druckspei-

cher für die Acetylenherstellung zum Teil durch ortsfeste oder mobile Transformato-

ren sowie durch Gleichrichter ersetzt. Zeitlich parallel stieg der Einsatz von Sand-

strahleinrichtungen an. Der Sandabfall wurde zusammen mit den Rostpartikeln und

eventuellen Farbresten als Kehricht häufig auf dem Firmengelände deponiert.

Die Endmontage von Konstruktionsteilen des Eisen- und Stahlbaus findet in der

Regel auf der Baustelle statt, wo gegebenenfalls nochmals Grundierungen und

Deckanstrich aufgetragen werden. Mit der Einführung des Containerbaus wurden

Stahlbaubetriebe oft jedoch um eine Lackiererei erweitert, die die Container mit ei-

nem Deckanstrich versieht.

4 Umweltrelevante Verfahrens- und Produktionsschritte sowie Verunreinigungspotentiale

Der eigentliche Stahlbau weist nur eine geringe Schadstoffvielfalt auf. Das mögliche

Schadstoffspektrum umfasst überwiegend Eisenschrott und Sandstrahlrückstände.

Schweißarbeiten wurden und werden seltener auf befestigten Böden ausgeführt,

weil glühende Schweißperlen und Schlacken auf einem Betonboden auseinander-

spritzen und so die Arbeitskräfte verletzen können. Wie in den Schmieden werden

daher solche Arbeiten oft auf Sand oder abgesandeten Fundamenten ausgeführt, so

dass sich Eisenspäne, Schlacken und Schwermetallen im Sand ansammeln kön-

nen. Wurde dieser gelegentlich ausgewechselt oder ausgefegt, gelangte er meist

zur Befestigung auf die Betriebsfläche, so dass dort eine Schwermetallkontaminati-

on des Oberbodens nicht auszuschließen ist.

Zusätzlich können im Stahlbau hohe Belastungen durch schwermetallhaltige Farben

und Reste aus der Verzinkerei oder der Lackiererei auftreten, da die Eisen- und

Stahlkonstruktionen mittels Grundierungen, Oberflächenbehandlung und Farbe vor

Rostbildung geschützt werden müssen (siehe Branchenblatt Galvanische und Feu-

ermetall-Industrie bzw. Lackiererei).

Außerdem fallen Karbidschlämme aus den Acetylengasentwicklern an. Dieser

Schlamm wurde häufig auf dem Betriebsgelände abgelagert und kann aufgrund

seiner Alkalität einen Einfluss auf die Löslichkeit von Schadstoffen im Boden bzw.

Grundwasser haben.

Im Bereich hydraulischer Maschinen ist der mögliche Einsatz von PCB-haltigen

Ölen zu berücksichtigen. PCB wurden auch den Kühlölen in den Transformatoren

zugesetzt.

Für den Transport der fertigen Konstruktionsteile sind oft eigene Speditionsfirmen

vorhanden, die z.T. eigene Betriebshöfe (Wartung, Tankstelle etc.) betreiben, wo-

raus sich weitere Verunreinigungspotentiale ableiten.

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Branchenblatt Stahlbau Seite 6

Altlasten-Leitfaden Schleswig-Holstein: Erfassung Anhang 11

Detaillierte Schadstoffspektren für Stahlbaubetriebe lassen sich in der Regel erst

zusammenstellen, wenn die Art der Oberflächenbehandlung sowie etwaige bran-

chenfremde Aktivitäten bekannt sind.

5 Gesetzliche Ausführungsvorschriften für verwendete Stoffe/Stoffgruppen

Tabelle 1 Altlastrelevante Stoffe und ihr zeitlicher Einsatz

Stoff Nutzung Verstärkte Anwendung

ab

Verwendungs-beschränkung/

Verbot

BTEX.1 Lösungs- und Reinigungsmittel im Werk-

stattbetrieb sowie in den Lackierereien. ca. 1930 1986 (zum Teil)

PCB (Poly-chlorierte Biphenyle).

2

Einsatz in Kühlölen von Transformatoren, um die Entzündungstemperatur zu erhö-hen, sowie in Hydraulikölen.

ca. 1930 1978/1989

Schwerme-talle.

3

Beschichtungsmetalle in den Elektrolyt-bädern

ca. 1880 1993 (zum Teil)

LCKW.4 Lösungs- und Reinigungsmittel (Kaltrei-

niger) im Werkstattbetrieb sowie in den Lackierereien.

ca. 1925 1981/1986 (zum Teil)

1 26.8.1986 GefStoffV: Verwendungsbeschränkung für Benzol auf geschlossene Systeme.

2 26.8.1986 GefStoffV: Verwendungsbeschränkung für PCP, z.B. nicht in Aufenthaltsräumen

einzusetzen; 18.7.1989, PCB-Verbotsverordnung: Herstellungs-, Inverkehrsbringungs- und Verwendungsverbot, 1993 durch ChemVerbotsV abgelöst. 3

26.10.1993 GefStoffV: Mengenbeschränkung für Arsen-Gehalt; Verwendungsbeschrän- kung für Cadmium 4 9/1981 Technische Regel für gefährliche Arbeitsstoffe TrgA 502: Verwendungsbeschrän-

kung für Tetrachlorkohlenstoff; 21.4.1986 2.BImSchV: Verordnung zur Emissionsbeschränkung von leichtflüchtigen Halogenwasserstoffen, Anwendungsbeschränkungen 1990 in der Neufassung verschärft.

6 Altlastrelevante/altlastirrelevante Nutzungszeiträume

Bis in die 1920er Jahren sind keine wesentlichen Veränderungen im Stoffeinsatz

bekannt. Es handelte sich lediglich um eine Maschinisierung und Mechanisierung

der bisherigen Handarbeit.

Im Bereich hydraulischer Maschinen ist seit Beginn der 1930er Jahre bis zu ihrem

Verbot der mögliche Einsatz von PCB-haltigen Ölen zu berücksichtigen. Dies gilt

auch für die Kühlöle in den Transformatoren.

Acetylengasentwickler wurden in den 1960er Jahren durch die Anlieferung von Gas-

flaschen ersetzt. Etwa zeitgleich entstanden in vielen Betrieben eigene Fuhrunter-

nehmen mit Betriebshöfen.

Durch die Verwendung schwermetallhaltiger Farben (Bleimennige etc.) für den Kor-

rosionsschutz oder den Einsatz einer eigenen Verzinkerei ergibt sich ein weiteres

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Branchenblatt Stahlbau Seite 7

Altlasten-Leitfaden Schleswig-Holstein: Erfassung Anhang 11

Gefährdungspotential. Das Abschleifen von Mennige und Zink vor der Vernietung

oder Schweißung führt zu Belastungen durch Blei, Zink und Sandstrahlabfälle. Ein

weiterer Faktor kann das Auftragen von Deckfarben (Lacken) und der entsprechen-

de Einsatz von Lösungsmitteln sein. Seit Beginn der 1980er Jahre hat sich die Zahl

der auf dem Betriebsgelände durchgeführten Lackierungen stetig erhöht.

Während der Weltkriege waren Stahlbaubetriebe häufig für die Rüstungsproduktion

tätig und somit der Kontrolle ziviler Aufsichtsbehörden weitgehend entzogen. Sie

befanden sich häufig in baulichen Anlagen, die für Gewerbebetriebe auch nach da-

maligem Stand der Technik nicht geeignet waren. Es fehlte zumeist an einer Befes-

tigung des Fußbodens sowie an geeigneten Abwasseranlagen. Ähnlich sind die

Nachkriegszeiten zu beurteilen, da behördliche Kontrollen zu diesem Zeitpunkt nur

eingeschränkt durchgeführt wurden.

Tabelle 2 Zusammenfassung aller altlastrelevanten Aspekte und Zuordnung zu

den Branchenklassen SH (ohne Berücksichtigung von Verzinkungs-

oder Galvanisieranlagen). Zeitspanne Hilfsstoffe Nebenprodukte Altlastrelevante As-

pekte Branchen-klasse SH

bis 1930 Teer, Rostschutz-anstriche, geringe Mengen an Mine-ralölen (PCB-frei) oder aliphatischen Lösungsmitteln.

Schleifstäube, Schwermetalle, Karbidschlamm, Sandstrahl- und Farbrückstände

keine Abwasseran-lagen, keine Bodenbe-festigung, während des Krieges ohne ausrei-chende Überwachung, Ablagerung von Rück-ständen auf dem Be-triebsgelände

1

1931 – 1960

Rostschutzanstri-che, zunehmende Mengen an PCB-haltigen Ölen, Lösungsmittel, Teer, Ölfarbe, Walzblei.

Schleifstäube, Schwermetalle, Farbrückstände, Karbidschlamm Lösungsmittel- & Sandstrahlrück-stände.

keine Abwasseranla-gen, keine Bodenbefes-tigung; während des Krieges ohne ausrei-chende Überwachung; Ablagerung von Rück-ständen auf dem Be-triebsgelände

3

1961 – 1980

Rostschutzanstri-che, Lösungsmit-tel, PCB-haltige Öle, Teer, Ölfarbe, Walzblei.

Schleifstäube, Schwermetalle. Farbrückstände,. Lösungsmittel- & Sandstrahlrück-stände

Ablagerung von Rück-ständen auf dem Be-triebsgelände, Zunah-me von Transformato-ren und Gleichrichtern mit PCB-haltigen Ölen, Fuhrpark.

3

1981 – Gegenwart

Rostschutzanstri-che, Lösungsmit-tel, Kunststoffe.

Schleifstäube, Schwermetalle, Lösungsmittel- und Kunststoff-rückstände, Sandstrahl- und Farbrückstände.

Verbot von verschiede-nen Schadstoffen; Ab-lagerung der Rück-stände auf zugelasse-nen Deponien, Fuhr-park.

2

Branchenklasse 0: kein Gefährdungspotential Branchenklasse 1: Gefährdungspotential sehr gering Branchenklasse 2: Gefährdungspotential gering Branchenklasse 3: Gefährdungspotential mäßig Branchenklasse 4: Gefährdungspotential hoch Branchenklasse 5: Gefährdungspotential sehr hoch

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Branchenblatt Stahlbau Seite 8

Altlasten-Leitfaden Schleswig-Holstein: Erfassung Anhang 11

7 Literaturhinweise

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1986.

HAHN, H.: Eisenhüttenkunde. Eisengießerei, Schmieden, Walzen. Uhland's Hand-

buch für den praktischen Maschinenkonstrukteur, Band VIII, 2. vollständig neu be-

arbeitete Auflage. Berlin, 1905.

HOFFMANN, M.: Handbuch der praktischen Werkstatt-Mechanik. Metall- und Holz-

dreherei. Wien, Leipzig, 1925.

LUEGER, O. (HRSG.): Lexikon der gesamten Technik und ihrer Hilfswissenschaf-

ten, Band 4 und Band 7, 2. neu bearbeitete Auflage. Deutsche Verlagsanstalt, Stutt-

gart und Leipzig, 1904.

SCHLOSSER, E.: Das Löten und Schweißen. Die Lote, Lötmittel und Lötapparate

und das autogene Schweißen der Metalle. Wien, 1922.

VEREIN DEUTSCHER MASCHINENBAU-ANSTALTEN (HRSG.): Spezialisierung,

Präzision, Qualität. Maschinenbau-Verlag, Frankfurt, o.J..

WEINER, R.: Die Abwässer der Metallindustrie (Metallverarbeitende und galvano-

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Altlasten-Leitfaden Schleswig-Holstein: Erfassung Anhang 11 Histinvest Dr. Klaus Schlottau – Bremen

Branchenblatt Teppichreinigung

Inhaltsverzeichnis Seite 1. Bezeichnung der Branche 2

2. Historischer Überblick 2 3. Allgemeiner Verfahrensablauf 4

4. Umweltrelevante Verfahrens- und Produktionsschritte sowie Ver- 6 unreinigungspotentiale

5. Gesetzliche Ausführungsvorschriften für verwendete Stoffe/ 6 Stoffgruppen

6. Altlastrelevante/altlastirrelevante Nutzungszeiträume 7 7. Literaturhinweise 7

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Seite 2 Branchenblatt Teppichreinigung

Altlasten-Leitfaden Schleswig-Holstein: Erfassung Anhang 11

1. Bezeichnung der Branche

Teppiche sind lose verlegte textile Bodenbeläge oder Wandbehänge. Für die Reini-

gung von Teppichen werden große Maschinen benötigt, so dass eine große Arbeits-

fläche (Werkstatt) erforderlich ist. Oftmals bieten große Wäschereien eine Tep-

pichreinigung als lukratives Nebengeschäft an. Darüber hinaus gibt es aber auch

handwerkliche Teppichreinigungen, die nur über transportable Reinigungsgeräte

(oftmals Leihgeräte) verfügen.

Von den Einzelteppichen sind die industriell gefertigten Teppichböden zu unter-

scheiden. Teppichböden sind fast immer fest verklebt, so dass eine Reinigung nur

vor Ort stattfinden kann. Die Teppichbodenreinigung wird zumeist von Betrieben

ausgeführt, die zu den Kunden fahren und dort vor Ort den Teppichboden bearbei-

ten. Die Teppichbodenreinigung wird im Folgenden nicht weiter berücksichtigt.

2. Historischer Überblick

Eine Reinigung von Teppichen wurde in der Vergangenheit durch Ausklopfen und

Ausbürsten erzielt, hartnäckige Flecken wurden gezielt mit Seifen oder tradierten

Fleckenreinigungsmitteln (z. B. Gallseife, Blutlaugensalz etc.) entfernt. Ab 1890

wurden vermehrt Staubsauger zur Säuberung der Teppiche eingesetzt.

Mit Beginn des 20. Jahrhunderts entwickelte sich die Teppichreinigung in den

Städten aber auch zum Nebengewerbe der Wäschereien. Die Teppiche wurden

von der Wäscherei beim Kunden abgeholt und nach der Reinigung auch wieder

zurückgebracht.

Abb. 1: Bildausschnitt: Teppichreinigung als Abteilung einer Großwäscherei,

1927 (Quelle: ROGGENHOFER).

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Seite 3 Branchenblatt Teppichreinigung

Altlasten-Leitfaden Schleswig-Holstein: Erfassung Anhang 11

Da Partikelschmutz einen unverhältnismäßig hohen Teil der Reinigungsstoffe bin-

det, wurde der Teppich zunächst manuell oder mechanisch ausgeklopft, gebürstet

und gesaugt. Anschließend wurde eine handwarme Seifenlösung eingebürstet und

dann der Teppich ausgespült. Da viele Teppiche mit blutenden Farben hergestellt

worden waren, wurde zumeist Salz zugesetzt und der ganze Vorgang so schnell

wie möglich abgeschlossen, um das Entfärben oder Verfärben zu vermeiden. Die

nassen Teppiche wurden anschließend mit Hilfsmitteln, z.B. Karrenwalzen, in

Großbetrieben auch schon mit Hilfe von speziellen Mangeln oder Schleudern,

entwässert und dann schonend getrocknet.

Einige Flecken im Teppich waren auf diese Weise jedoch nicht zu entfernen. Es

handelte sich zumeist um neu eingeführte Stoffe, die, wie z.B. das Petroleum für

die Zimmerbeleuchtung, nicht in Wasser und Seife zu lösen waren. Diese Flecken,

deren Zahl und Verschiedenartigkeit mit voranschreitender Industrialisierung im-

mer größer wurde, wurden mit Hilfe von Detachiermitteln, z.B. mit Benzin, behan-

delt (vgl.: Branchenblatt Chemische Reinigung). Es lag daher nahe, die erprobten

liegenden geschlossenen Benzinwaschmaschinen der Reinigungen nach dem

üblichen Ausklopfen auch für den ganzen Teppich zu nutzen: Teer, Fette sowie

Öle wurden problemlos aufgelöst und die wasserlöslichen Farben konnten nicht

ausbluten. Die Vorteile dieses Verfahrens wurden jedoch dadurch aufgehoben,

dass die Farben nach dem Trocknen des Lösungsmittels stumpf wurden, und dass

ferner enorme Mengen Lösungsmittelverluste beim Mangeln, Schleudern und

Trocknen auftraten. Gegen die Benzinreinigung sprach weiterhin, dass der übliche

wasserlösliche Schmutz vom Benzin in der Regel nicht einmal angelöst wurde.

Abb. 2: Benzinteppichwaschmaschine, 1927 (Quelle: ROGGENHOFER).

Hohe Kosten, eine beträchtliche Brandgefahr und der geringe Effekt führten dazu,

dass die Benzinreinigung schon in den 1920er Jahren nicht mehr ausgeführt wur-

de. In der Regel wird seither die Teppichreinigung mit Wasser, milden Seifen und

mechanischem Aufwand betrieben. Verbleibende Flecken werden mit den han-

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Seite 4 Branchenblatt Teppichreinigung

Altlasten-Leitfaden Schleswig-Holstein: Erfassung Anhang 11

delsüblichen Fleckenreinigungsmitteln (vgl. Branchenblatt Chemische Reinigung –

Detachurmittel) behandelt.

3. Allgemeiner Verfahrensablauf

Der schmutzige Teppich wird in der Wäscherei oder Teppichreinigung zunächst

intensiv ausgeklopft, gebürstet und gesaugt. Bei diesem Reinigungsvorgang können

bereits bis zu 1 kg Partikelschmutz pro m² entfernt werden.

Anschließend wird der Teppich häufig auf dem Boden ausgebreitet und mit einer

milden Neutralseife eingesprüht, die dann mit einer Maschine eingearbeitet wird, so

dass der Teppich bis auf das Bodengeflecht einshampooniert wird. Auf diese Weise

werden sowohl wasserlösliche Verschmutzungen gelöst als auch Feinstaub im

Schaum gebunden. Das mit Schmutz befrachtete Shampoo wird anschließend mit

viel kaltem Wasser fortgespült.

Abb. 3/ 4: Shampoonieren und Klarspülen in der Teppichreinigung (Quelle:

http://www.siamak-teppichcenter.com/index.php/waescherei/)

In den Einzelfäden und Knoten ist nach diesem Vorgang sehr viel Wasser gespei-

chert, so dass eine schnelle Trocknung nur erreicht wird, indem der Teppich ge-

mangelt oder geschleudert wird. Für diesen Zweck sind spezielle Maschinen vor-

handen. Nachdem das Wasser zu großen Teilen beseitigt worden ist, werden die

Teppiche dann an Spannrahmen befestigt und zum Trocknen ausgehängt oder in

Trockenschränken, die mit Warmluft und Ventilatoren ausgestattet sind, schnellge-

trocknet.

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Seite 5 Branchenblatt Teppichreinigung

Altlasten-Leitfaden Schleswig-Holstein: Erfassung Anhang 11

Abb. 5: Schema einer Teppichwaschmaschine, 1982 (Quelle: BERNEISER).

Teppichreinigungen, die über entsprechende Spezialmaschinen verfügen, ersetzen

den eigentlichen Reinigungsvorgang, der oben beschrieben wurde, dadurch, dass

der Teppich nicht flach ausgebreitet wird, sondern gleich in eine Maschinen, die

über Einsprühvorrichtungen, rotierende Bürsten, Mangel etc. verfügt, eingebracht

wird. Die Reinigung unterscheidet sich aber weder hinsichtlich der Abfolge noch der

eingesetzten Reinigungsmittel.

Abb. 6: Gesamtschema einer Teppichreinigungsanlage, 1982 (Quelle: BERNEI-

SER),.

Nach dem Trocknen werden die Teppiche nochmals geprüft, ob etwaige wasserun-

lösliche Flecken verblieben sind, die dann mit ausgewählten Detachiermitteln (siehe

oben) beseitigt werden. Anschließend wird der Teppich verpackt und an den Kun-

den ausgeliefert.

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Seite 6 Branchenblatt Teppichreinigung

Altlasten-Leitfaden Schleswig-Holstein: Erfassung Anhang 11

4. Umweltrelevante Verfahrens- und Produktionsschritte sowie Verunreinigungspotentiale

Die Einführung der Teppichreinigung mit Benzin verlief zeitlich parallel zur Einfüh-

rung des Benzins als Lösungsmittel in der chemischen Reinigung (vgl.: Branchen-

blatt Chemische Reinigung). Auch in der Teppichreinigung wurde die geschlossene

Waschmaschine eingeführt, die dann möglichst auch noch mit Schutzgas und Ben-

zinseifen betrieben wurde, um eine Entzündung zu vermeiden. Maschinenschleu-

dern oder Mangeln in geschlossener Bauweise mit Schutzgaseinrichtung waren

jedoch technisch zu aufwendig und allein schon der Transport eines nassen, schwe-

ren Teppichs von der Waschmaschine in die Schleuder war mit sehr hohen Lö-

sungsmittelverlusten und Risiken verbunden. Hinzu kam der Mangel, dass die Tep-

piche zumeist nochmals mit Wasser gewaschen werden mussten, um sowohl die

wasserlöslichen Verschmutzungen zu lösen, als auch die durch das trocknende

Benzin verblassten Farben wieder aufzufrischen. Betriebswirtschaftlich und auch

unter reinigungsfachlichen Gesichtspunkten war daher die chemische Reinigung

von Teppichen kein Erfolg und wurde seit dem Anstieg der Benzinpreise während

der Weltwirtschaftskrise eingestellt und nicht wieder aufgenommen.

Mit dem Ende der Benzinreinigung von Teppichen gewann die übliche Reinigungs-

methode, die durch die Benzinreinigung auch nie verdrängt worden war, wieder all-

gemeine Bedeutung. Teppiche werden geklopft, gebürstet, gesaugt, shampooniert,

gespült und dann getrocknet. Allenfalls verbleibende wasserunlösliche Flecken wer-

den mit geringen Mengen chemischer Lösungsmittel ausgetupft. Von der Tep-

pichreinigung geht daher keine Gefährdung der Umwelt aus. Häufig allerdings wird

sie in Kombination mit einer Großwäscherei oder einer großen chemischen Reini-

gung betrieben, so dass Gefährdungen aus diesem Arbeitsbereich gegebenenfalls

zu berücksichtigen sind.

5. Gesetzliche Ausführungsvorschriften für verwendete Stoffe/Stoffgruppen

Im Arbeitsbereich der Teppichreinigung wurde in den 1920er Jahre in manchen Be-

trieben auch Benzin als Hauptlösungsmittel eingesetzt, so dass in diesen Betrieben

mit großen Mengen Lösungsmittelverlusten aus Verkleckerungen, die aus der

schwierigen Handhabung schwerer Teppiche resultierten, zu rechnen ist. Für Ben-

zine sind in dieser Zeitspanne allerdings keine Ausführungsvorschriften vorhanden.

Im Rahmen der Detachur wasserunlöslicher Flecken in den Teppichen wurden und

werden, je nach Art der Flecken, auch heute Lösungsmittel eingesetzt, für die ge-

setzliche Ausführungsvorschriften bestehen. Da es sich jedoch immer um geringste

Mengen handeln wird, wird auf eine ausführliche Beschreibung in dieser Stelle ver-

zichtet.

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Seite 7 Branchenblatt Teppichreinigung

Altlasten-Leitfaden Schleswig-Holstein: Erfassung Anhang 11

6. Altlastrelevante/altlastirrelevante Nutzungszeiträume

Die Teppichreinigung mit chemischen Lösungsmitteln beschränkt sich auf eine Zeit-

spanne, die das Jahrzehnt zwischen ca. 1920 und 1929 umfasst. Geringe Reini-

gungswirkung des Benzins auf Alltagsschmutz, hohe Lösungsmittelverluste in der

Handhabung und rasant steigende Benzinkosten am Ende der 1920er Jahre been-

deten jedoch die nur von wenigen Großbetrieben eingeführte Benzinreinigung der

Teppiche. Diese Betriebe waren zumeist nicht selbstständig, sondern Bestandteil

großer Chemischer Reinigungen, so dass sie hier nicht weiter berücksichtigt wer-

den. Da neuere nicht entflammbare Lösungsmittel (Tetra etc.) viel teurer als Benzin

waren und ebenfalls keine Reinigungseffekte auf gewöhnlichen Schmutz hatten,

wurde die chemische Reinigung von Teppichen seither nicht wieder aufgenommen.

Vor und nach dieser Episode wurden Teppiche ganz traditionell zunächst mecha-

nisch und dann mit Wasser und Seifenlösungen gereinigt.

Tabelle 1 Zusammenfassung aller altlastrelevanten Aspekte und Zuordnung zu

den Branchenklassen SH

Zeitspanne Hilfsstoffe Nebenprodukte Altlastrelevante

Aspekte Branchen- klasse SH

1880 - 1920 Wasser und Seifen 0

1920 - 1929 im allgemeinen (kei-

ne Großbetriebe):

Wasser und Seifen

0

1930 – Ge-

genwart

Wasser und Seifen. 0

Branchenklasse 0: kein Gefährdungspotential Branchenklasse 1: Gefährdungspotential sehr gering Branchenklasse 2: Gefährdungspotential gering Branchenklasse 3: Gefährdungspotential mäßig Branchenklasse 4: Gefährdungspotential hoch Branchenklasse 5: Gefährdungspotential sehr hoch

7. Literaturhinweise

BERNEISER, Rolf und Klaus UEBERSCHÄR: Lehrbuch der Textilreinigung, VEB

Fachbuchverlag, Leipzig 1980.

DEE Andrea, Wenzel MÜLLER und Kurt SIMPERL: Sauber Waschen. Die Wahrheit

über Waschmittel, Waschmaschinen und Trockner, Allergien und Umweltbelastung,

Textilien und chemische Reinigung. Stiftung Warentest, Graphische Kunstanstalt

Otto Sares, Wien 1997.

GÖTZ, Ferdinand. 75 Jahre Ferdinand Götz: A. Giulini’s Nachfolger; gegründet

1889 in München-Schwabing; Färberei, chemische Reinigung, Wäscherei, älteste

spezialisierte Teppichreinigung Süddeutschlands, Selbstverlag, München 1964.

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Seite 8 Branchenblatt Teppichreinigung

Altlasten-Leitfaden Schleswig-Holstein: Erfassung Anhang 11

HASENCLEVER, Kaspar D. und Joachim NAUMANN: Textilpflege: Handbuch für

das Textilreinigungsgewerbe, 2. Auflage, Deutscher Fachverlag, Frankfurt 1986.

HEUSSNER, Fritz und Karl HUEMER sowie Siegfried ZUBER: Die industrielle Wä-

scherei, Fachbuchverlag, Leipzig 1967.

HOFMANN, Gottfried: Wirksamkeit pulverförmiger Reiniger für textile Bodenbeläge.

Diss. TU-München 1990.

http://www.siamak-teppichcenter.com/index.php/waescherei/

(Zugriff am 14.08.2012).

JOCLÉT, V.: Die Kunst- und Feinwäscherei in ihrem ganzen Umfange, 4. gänzlich

umgearbeitete Auflage, A. Hartlebens’s Verlag, Wien und Leipzig 1905.

KOCH, D. u.a.: Lexikon für Textilreiniger: Zusammenstellung aller stoffkundlichen,

chemischen, technischen und Praxis-Begriffe für Wäscherei, Chemischreinigung,

Färberei, Teppichreinigung, Lederpflege und verwandte Gebiete. Verlag Neuer Mer-

kur, München 1973.

KRÜSSMANN, Helmut: Einfluß von Reinigungsparametern auf die Veränderung der

Oberflächenstruktur von Teppichen, Westdeutscher Verlag, Opladen 1979.

LÖCHER, W. und KURZ, J.: Die Wäscherei. Theorie und Praxis moderner Betriebs-

führung, Verlag Neuer Merkur, München 1970.

MASSOT, Wilhelm: Textil-Industrie III: Wäscherei, Bleicherei, Färberei und ihre

Hilfsstoffe, 2. umgearbeitete Auflage, G. J. Göschen’sche Verlagsbuchhandlung,

Leipzig 1911.

ORLAND, B.: Wäsche waschen. Technik und Sozialgeschichte der häuslichen Wä-

schepflege, Rowohlt Verlag, Reinbek bei Hamburg, 1991.

REICHELT, Kurt (Hg.): Das moderne Teppich-Lexikon, 2. erweiterte Auflage, RS-

Textil-Verlag, Dudenhofen 1989.

ROGGENHOFER, G.: Die Wäscherei in ihrem ganzen Umfange. Bearbeitet nach

den neuesten Erfahrungen auf dem Gebiete der chemischen und Naßwäscherei

unter Mitwirkung bewährter Fachmänner, 3. vermehrte und verbesserte Auflage,

Ziemsen-Verlag, Wittenberg 1927.

ROTTER, Manfred: Die Hygiene des Teppichbodens, (Zentralblatt für Bakteriologie,

Parasitenkunde, Infektionskrankheiten und Hygiene, Band 4) Fischer-Verlag, Stutt-

gart 1975.

SCHÜTZE, P. O.: Schönfärberei und chemische Reinigung mit brenn- sowie nicht-

brennbaren Lösungsmitteln, 2. Auflage, Ziemsen-Verlag, Wittenberg o.J. (1927).

SPINDLER, W.: Drei Generationen im Reiche der Färberei, Wäscherei und Chemi-

schen Reinigung: eine Denkschrift zur Feier des 75-jährigen Geschäftsjubiläums der

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Seite 9 Branchenblatt Teppichreinigung

Altlasten-Leitfaden Schleswig-Holstein: Erfassung Anhang 11

Firma W. Spindler in Berlin und Spindlersfeld bei Cöpenick am 1. Oktober 1907,

Verlag Wübben, Berlin 1907.

VOGT, Gustav: Die Wäscherei im Klein-, Neben- und Großbetrieb: Unter Berück-

sichtigung der Chemisch-Wäscherei und –Reinigung, der Fleckenreinigungskunde,

Desinfektion, Färberei und Bleicherei, Handschuhwäscherei und –Färberei, Tep-

pichreinigung usw. Max Jänecke Verlagsbuchhandlung, Hannover 1907.

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Altlasten-Leitfaden Schleswig-Holstein: Erfassung Anhang 11 Histinvest Dr. Klaus Schlottau – Bremen

Branchenblatt Tischlerei

Inhaltsverzeichnis Seite 1 Bezeichnung der Branche 2 2 Historischer Überblick 2 3 Allgemeiner Verfahrensablauf 3 4 Umweltrelevante Verfahrens- und Produktionsschritte sowie Ver-

unreinigungspotentiale 4 5 Gesetzliche Ausführungsvorschriften für verwendete Stoffe/

Stoffgruppen 6 6 Altlastrelevante/altlastirrelevante Nutzungszeiträume 6 7 Literaturhinweise 7 Abb. 1: Tischlerei um 1930 (Quelle: STADLMANN).

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Seite 2 Branchenblatt Tischlerei

Altlasten-Leitfaden Schleswig-Holstein: Erfassung Anhang 11

1 Bezeichnung der Branche

Tischler sind Handwerker, die Möbel aus Holz für den Wohnbedarf und die Aufbe-

wahrung von Gegenständen anfertigen. Andere Bezeichnungen sind Schreiner oder

Bautischler, wobei letztere im Zusammenhang mit der Herstellung von Türen, Zar-

gen, Treppen und Fenstern genannt werden.

Die Tischlerei unterscheidet sich hinsichtlich der Produktionsweise und der Produkte

grundsätzlich von der Zimmerei. Zimmereien haben meist deutlich mehr Personal

und erstellen vor Ort Konstruktionsteile von Gebäuden, während Tischlereien immer

über Werkstätten verfügen und eher für die Inneneinrichtung und den Trockenaus-

bau, häufig auch für die Montage oder den Messebau, zuständig sind.

Von Möbel-, Fenster- und Türfabriken grenzt sich die Tischlerei jedoch zum einen

durch die Betriebsgröße und zum anderen durch die fehlende Oberflächenbehand-

lung mit Lacken und Farben ab. Dies bedingt einen sehr viel geringeren Einsatz von

umweltrelevanten Stoffen.

2 Historischer Überblick

Das historisch gesehen eher städtische Handwerk der Tischler leitet sich vom Ge-

werbe der Zimmerleute ab, unterschied sich aber von Beginn an insbesondere

durch die Schlüsselstellung des Hobeleinsatzes.

Seit dem 18. Jahrhundert gewann die Verwendung von Leim für den Möbel- und

Innenausbau als zusätzliche Holzverbindungstechnik insbesondere für die Herstel-

lung von Edelholzfurnieren an Bedeutung. Neben die Möbelproduktion trat in

wachsendem Maße die Arbeit am Bau. Außer Vertäfelungen boten die Tischler

bald auch Türen und Fenster an, es entwickelte sich der Gewerbezweig der Bau-

tischlereien.

Hauptarbeitsgeräte der Tischler sind traditionell Beile, Äxte, Sägen, Hobel, Kne-

belbohrer und Bohrwinden. Anders als bei den Zimmerleuten reichte es aber nicht,

eine einfache überdachte „Bauhütte“ aufzustellen, weil in der Tischlerei auch

Leimarbeiten ausgeführt werden. Des Weiteren befanden sich dort auch die Pres-

se für die Schichtverleimung und Furnierarbeiten sowie neben einfachen Hobeln

auch die tischlereispezifische Hobelbank.

Kreissägen, Bandsägen, Fräsen zum Profilieren und Zapfenschneiden sowie Ho-

bel- und Bohrmaschine zählen zum üblichen Inventar einer Tischlerei.. Die Elektr i-

fizierung brachte seit den 1920er Jahren den entscheidenden Wandel in der Aus-

stattung der Werkstätten. Da die Möbelproduktion in immer stärkerem Ausmaß der

Industrie zufiel, bedeutete die Mechanisierung für die meisten Tischlereien ein

verstärktes Ausweichen auf den Bausektor. Symptomatisch hierfür ist auch die

Übernahme des Treppenbaus durch die Tischlerwerkstätten. Nur weil der Werk-

stoff Holz leicht zu bearbeiten ist, hatten auch Kleinstbetriebe, die allgemein für

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Branchenblatt Tischlerei Seite 3

Altlasten-Leitfaden Schleswig-Holstein: Erfassung Anhang 11

die Tischlerei typisch waren (ein bis zwei Mitarbeiter pro Werkstatt), eine Überle-

benschance gegen konkurrierende Fabrikbetriebe.

Heute ist der Innenausbau die Grundlage des Tischlerhandwerks, das darüber

hinaus mit industriell erzeugtem Holzersatz (Spanplatten, Tischlerplatten) und vor

allem den Kunststoffen vollkommen neue Materialien in seinen Arbeitsbereich in-

tegriert hat.

Mit der Vielzahl kleiner elektrischer Handmaschinen hat sich das Erscheinungsbild

insbesondere der Bautischlereien seit den 1920er Jahren entscheidend gewan-

delt. Wie auch die Zimmereien können sie heute oft auf eine eigene Werkstatt ver-

zichten, weil, mit Ausnahme der maßgefertigten Treppen, die Baumaterialien auf

die Baustellen geliefert und dort verarbeitet oder montiert werden.

3 Allgemeiner Verfahrensablauf

Die benötigten Bretter wurden von Sägewerken oder Händlern bezogen; größere

flächige Hölzer kamen Anfang des 20. Jahrhunderts als Spanplatten oder als soge-

nannte „Tischlerplatten“ hinzu.

Abb. 2: Tischler am Dickenhobel um 1930 (Quelle: GREBING).

Bretter, Platten und Profile bilden den Materialgrundstock einer Möbel- und Bau-

tischlerei des 20. Jahrhunderts. Zur Herstellung von Möbeln, Türen, Fenstern, Ver-

kleidungen etc. werden die Hölzer entsprechend der Risszeichnung zugesägt, mit

Nut und Falz versehen, verleimt, verdübelt, verschraubt oder mit Beschlägen

(Scharnieren, Angeln, Schlössern) versehen.

Der traditionelle Möbelbau bis zur Mitte des 20. Jahrhunderts bevorzugte die soge-

nannte Rahmenbauweise. Nach der Montage der Einzelteile wurden die Flächen mit

Profilhobeln oder Fräsen profiliert und feingeschliffen, und Fugen mit einem Ge-

menge von Schleifstaub und Leim oder Firnis aufgefüllt. Nach der mechanischen

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Seite 4 Branchenblatt Tischlerei

Altlasten-Leitfaden Schleswig-Holstein: Erfassung Anhang 11

Feinbehandlung wurde zumeist noch ein Firnis aus Harz und Pflanzenöl aufgetra-

gen, um die Maserung und die natürliche Holzfärbung zu betonen.

Abb. 3: Tischler bei der Endfertigung eines Unterschrankes, um 1930 (Quelle: GREBING).

4 Umweltrelevante Verfahrens- und Produktionsschritte sowie Verunreinigungspotentiale

Künstliche Holzfärbungen wurden traditionell nur von Kunsttischlern bei der Erstel-

lung von Intarsien vorgenommen. Die Verzierung von Möbeln mit farbigen Anstri-

chen (Ölfarben, Lacke) gehört üblicherweise nicht zum Arbeitsbereich der hand-

werklichen Möbeltischlereien. Lackierte Möbel, beschichtete oder Möbel mit einer

künstlichen Holzmaserung stammen aus Möbelfabriken (vgl. hierzu auch das Bran-

chenblatt Lackiererei).

Die Aufarbeitung und das Abbeizen von Möbeln sind grundsätzlich kein Arbeitsge-

biet für normale gewerbliche Tischlereien, diese Tätigkeiten wurden in Spezialbe-

trieben ausgeführt.

Hölzerne Gegenstände sind im Innenbereich grundsätzlich vor Feuchtigkeit ge-

schützt, so dass Pilzbefall bei Möbeln selten ist und entsprechende Imprägnierun-

gen mit Teer, Carbolineum oder Fungiziden nicht notwendig waren. Holzwürmer und

Holzböcke können jedoch durch ungeschützte Flächen in den Holzkörper eindringen

und sich darin ausbreiten. Zum Schutz vor diesen Insekten wurden besonders bei

Weichhölzern schützende Anstriche oder Imprägnierungen mit giftigen wasserlösli-

chen Metallsalzen, Phenolen sowie weiteren Stoffen eingesetzt. Als farbneutrales

Imprägniermittel wurde historisch Quecksilberchlorid oder Zinkchlorid verwendet.

Die Gesundheitsgefährdung durch diese Metallsalze ist aber seit Beginn des 20.

Jahrhunderts bekannt, so dass ihr Einsatz für Möbel nach einem ersten Verbot in

Großbritannien im Jahre 1904 eingestellt wurde Färbende Metallsalze wie z.B.

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Branchenblatt Tischlerei Seite 5

Altlasten-Leitfaden Schleswig-Holstein: Erfassung Anhang 11

Chromoxid, Kupfersulfat oder Arsenik wurden nur in industriell betriebenen Impräg-

nieranstalten der Möbelfabriken eingesetzt.

In Einzelfällen wurden gelegentlich auch in Tischlereien Imprägniermittel mit starken

organischen Giften eingesetzt. Wie bereits in Bezug auf Lackierarbeiten herausge-

stellt wurde, handelt es sich aber auch hier nicht um Arbeiten einer typischen Möbel-

tischlerei.

Abb. 4: Große Tischlerei in den 1950er Jahren (Quelle: HANOW).

Sowohl in der handwerklichen Tischlerei, als auch in frühen Möbelfabriken entstan-

den durch den eigentlichen Arbeitsprozess in der Regel nur Schnitt- und Hobelspä-

ne, die im Betrieb selbst verbraucht wurden.

Die Branche „Tischlerei“ weist somit im Prinzip kein Gefährdungspotential auf. Be-

stimmte betriebsbedingte Gegebenheiten können jedoch eine Gefährdungsvermu-

tung zur Folge haben.

Eine Gefährdungsvermutung ist für das Gewerbe einer Tischlerei eng mit dem Be-

triebsmaßstab und der ausgeübten Tätigkeit verbunden. Folgende Aspekte sollten

bei der Bewertung Berücksichtigung finden.

Aspekte zur Verdachtsentkräftung:

kleine Grundstücksfläche mit garagenähnlichem Nebengebäude

kein Hinweis auf Lackier- oder Imprägnierarbeiten

nur Wohnbebauung (z. B. Reihenhaus)

Einstufung: Kategorie A1 (Ausscheiden nach Kartenrecherche oder Bauaktenaus-

wertung).

Aspekte zur Verdachtserhärtung:

große Grundstücke mit entsprechend großen gewerblich genutzten Neben-

gebäuden

Hinweise auf höhere Mitarbeiterzahl

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Seite 6 Branchenblatt Tischlerei

Altlasten-Leitfaden Schleswig-Holstein: Erfassung Anhang 11

Hinweis auf Lackier- und Imprägnierarbeiten auf dem Standort (z. B. Lackier-

raum, Spritzanlage)

Hinweis auf einen Fuhrpark (Rückschluss auf größeren Betriebsmaßstab

oder Betriebshofproblematik möglich)

Einstufung: Die Bewertung ist hier den standortspezifischen Gegebenheiten anzu-

passen. Sofern Lackierarbeiten in größerem Umfang durchgeführt werden, ist ein

entsprechender Punktaufschlag vorzunehmen (siehe Branchenblatt „Lackierereien,

Holz“).

5 Gesetzliche Ausführungsvorschriften für verwendete Stoffe/Stoffgruppen

Für Tischlereien liegen keine branchenspezifischen Ausführungsvorschriften vor.

Allgemeine Bundesvorschriften für Stoffe, die gelegentlich zum Einsatz kommen

können, sind den Tabellen 1 der Branchenblätter Zimmerei bzw. Lackiererei zu ent-

nehmen.

6 Altlastrelevante/altlastirrelevante Nutzungszeiträume

Das Arbeitsgebiet der Tischlerei ist die Holzverarbeitung, die dabei entstehenden

Späne und Stäube werden schadlos verbraucht. Die Imprägnierung, Lasierung oder

der Anstrich der Möbel oder Konstruktionsteile gehört nicht zum eigentlichen Ar-

beitsgebiet des Handwerks, sondern zu dem der Zimmerer und Lackierer. Die Auf-

arbeitung von Altmöbeln durch Beizen, Schleifen oder Brennen gehört ebenfalls

nicht zu den eigentlichen Tätigkeiten einer üblichen Tischlerei.

Der Einsatz von Leim bei der Herstellung von Möbeln beschränkte sich zunächst auf

die Herstellung von Furnieren oder Einlegearbeiten und wurde folglich nur in Möbel-

manufakturen, den Vorgängern der Möbelfabriken, durchgeführt. Mit der Entstehung

des Berufsbildes „Holzmechaniker“ verbreiteten sich Verbindungstechniken wie

Winkelbleche, Spannschrauben etc., aber auch die Nutzung von Kunststoffleimen.

Ein umfangreicher Einsatz von Leimen mit umweltrelevanten Lösungsmitteln und

daraus resultierenden Handhabungsverlusten ist jedoch für die Tischlerei im kleinen

bzw. mittleren Betriebsmaßstab auszuschließen.

Nur bei Vorliegen der in Kapitel 4 genannten Aspekte zur Verdachtserhärtung

ist für eine Tischlerei mit Lackierarbeiten in kleinem Umfang (z. B. eine Spritz-

kabine) die Tabelle 2 zur Bewertung heranzuziehen.

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Branchenblatt Tischlerei Seite 7

Altlasten-Leitfaden Schleswig-Holstein: Erfassung Anhang 11

Tabelle 2 Zusammenfassung aller altlastrelevanten Aspekte und Zuordnung zu

den Branchenklassen SH

(ohne Berücksichtigung möglicher Imprägnier- oder Lackierarbeiten,

gegebenenfalls sind die Branchenklassen den entsprechenden Bran-

chenblättern Zimmerei bzw. Lackiererei zu entnehmen).

Zeitspanne Hilfsstoffe Nebenprodukte Altlastrelevante

Aspekte Branchen- klasse SH

(ohne Lackier- oder Impräg-nierarbeiten)

1880 – 1950 Knochenleim, erste

Einsätze von Kunst-

stoffleimen mit Lö-

sungsmitteln (Ben-

zin). Tischler- und

Spanplatten sowie

Kunststoffplatten

Späne Holzbearbei-

tungsmaschinen

in der Werkstatt.

Geringfügiger

Einsatz lösemit-

telhaltiger Leime.

0

1951 – Ge-

genwart

Kunststoffleime mit

wässrigem Lösungs-

mittel, Span-, Tisch-

ler- und Kunststoff-

platten

Späne Holzbearbei-

tungsmaschinen,

kleinere Lackier-

arbeiten, eigener

Fuhrpark.

2

Branchenklasse 0: kein Gefährdungspotential Branchenklasse 1: Gefährdungspotential sehr gering Branchenklasse 2: Gefährdungspotential gering Branchenklasse 3: Gefährdungspotential mäßig Branchenklasse 4: Gefährdungspotential hoch Branchenklasse 5: Gefährdungspotential sehr hoch

7 Literaturhinweise

BENJE, P.: Maschinelle Holzbearbeitung: ihre Einführung und die Auswirkungen auf

die Betriebsformen, Produkte und Fertigung im Tischlereigewerbe während des 19.

Jahrhunderts in Deutschland. Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt, 2002.

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Seite 8 Branchenblatt Tischlerei

Altlasten-Leitfaden Schleswig-Holstein: Erfassung Anhang 11

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Altlasten-Leitfaden Schleswig-Holstein: Erfassung Anhang 11 Histinvest – Dr. Klaus Schlottau, Bremen

Branchenblatt Tuchfabriken

Inhaltsverzeichnis Seite 1 Bezeichnung der Branche 2 2 Historischer Überblick 2 3 Allgemeiner Verfahrensablauf 3 3.1 Spinnerei 3 3.2 Weberei 5 3.3 Färberei 6 3.4 Appretur 9 4 Umweltrelevante Verfahrens- und Produktionsschritte sowie Ver-

unreinigungspotentiale 10 5 Gesetzliche Ausführungsvorschriften für verwendete Stoffe/

Stoffgruppen 11 6 Altlastrelevante/altlastirrelevante Nutzungszeiträume 12 7 Literaturhinweise 13 Abb. 1: Websaal um 1910 (Quelle: RUPPERT).

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Branchenblatt Tuchfabriken Seite 2

Altlasten-Leitfaden Schleswig-Holstein: Erfassung Anhang 11

1 Bezeichnung der Branche

Eine Tuchfabrik dient der Herstellung von Tuchen oder Stoffen, die überwiegend

aus Schafwolle oder der Wolle anderer Tiere hergestellt werden. Sie ist in der Regel

als sogenannte „vollstufige“ Tuchfabrik ausgebildet und umfasst eine Spinnerei,

Weberei, Färberei sowie eine Appretur.

In der Spinnerei wird die Rohwolle gereinigt, gekrempelt, gesponnen und für den

Gebrauch in der Weberei gezwirnt und gespult. In der Weberei werden die gezwirn-

ten Fäden als „Kett- und Schussfäden“ kreuzweise miteinander verbunden, so dass

sich eine Fläche bildet. In der Färberei wird entweder Wolle in der „Flocke“ oder als

Tuch im Stück gefärbt. Die mechanische Appretur dient dazu, durch Kratzen die

Fasern wieder etwas aus dem Gewebe zu ziehen, und dann mit Hilfe von Scherma-

schinen auf eine Länge zu schneiden, so dass sich ein Flor bildet. Zum Abschluss

werden die Tuche gepresst und gegebenenfalls auch gegen Insektenfraß, Feuchtig-

keit oder Feuer imprägniert.

Tuchfabriken sind zumeist mittelständische Fabrikbetriebe mit einer Belegschaft von

100 bis 500 MitarbeiterInnen. Sie entstanden häufig im 19. Jahrhundert am Rande

verkehrsgünstig gelegener Klein- und Mittelstädte, die zudem über eine gute Ver-

sorgung mit Frischwasser verfügten.

2 Historischer Überblick

Das Tuchgewerbe entstand einerseits aus kleinen handwerklichen Betrieben, die

sich jeweils einem der vier Hauptgewerbe der Tuchproduktion widmeten: den Spin-

nern, den Webern, den Tuchscherern oder den Färbern. Andererseits gab es auch

historisch bereits eine Anzahl sogenannter vollstufiger Tuchmanufakturen, die sich

von der Fabrik lediglich dadurch unterschieden, dass es noch keine mechanischen

Spinn- oder Webmaschinen gab.

Bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts starb zunächst das selbständige Gewerbe der

Spinner aus, die durch Maschinenspinnereien ersetzt wurden. Bereits in den letzten

Jahrzehnten des 18. Jahrhunderts drangen englische Vorspinn- und Spinnmaschi-

nen auf den europäischen Kontinent. Hier wurden sie leicht verändert, um anstelle

der Baumwolle die stärkeren Fasern der Wolle verarbeiten zu können.

Mit der Entwicklung lochkartengesteuerter Jacquardwebmaschinen ab 1802 und der

Entwicklung von mechanischen Steuerungen für die alten Handwebstühle sowie

deren Umstellung auf einen mechanischen Antrieb ab ca. 1820 begann auch das

Ende der selbständigen Handwebereien. Die Maschinenwebereien benötigten eine

starke Kraftquelle, so dass sie sich fast immer in der Nähe von Kohlenumschlag-

plätzen ansiedelten.

Die Färberei in der „Flocke“ oder im „Stück“ wurde ebenfalls seit der Einführung der

Dampfmaschine zunehmend maschinisiert. Die Abwärme des Kondenswassers aus

der Dampfmaschine konnte für alle Wasch- und Spülarbeitsschritte genutzt werden,

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Branchenblatt Tuchfabriken Seite 3

Altlasten-Leitfaden Schleswig-Holstein: Erfassung Anhang 11

während der Antrieb für die Bewegung der schweren Tuche in der Färberkufe und

für die Mangel benötigt wurde.

Die Gewerbe der Tuchscherer und der Walker mussten ebenfalls der Maschinisie-

rung weichen. Schon im 18. Jahrhundert gab es die ersten Schermaschinen, die

nach dem Prinzip des Walzenrasenmähers arbeiteten. Für diese Maschinen und die

Kalander, mit denen das Tuch gepresst wurde, war ebenfalls ein starker Maschi-

nenantrieb erforderlich. Die Walker, die bis zur Industrialisierung regelmäßig ihr

Gewerbe in einer Wassermühle ausübten, stellten den Maschinenantrieb ebenfalls

auf Dampfmaschinen um, und konnten die Abwärme für eine schnellere Schrump-

fung des Gewebes nutzen.

Das gemeinsame Element aller Maschinisierungen und Modernisierungen zwischen

dem letzten Drittel des 18. Jahrhunderts und dem ersten Drittel des 19. Jahrhun-

derts bestand darin, eine Dampfmaschine für den Antrieb der mechanischen Ein-

richtungen einzuführen und häufig auch die Abwärme für die Produktion einzuset-

zen. Da mit dem Einsatz der Dampfmaschine zumeist auch eine Verlagerung der

Gewerbe vom Land in die verkehrsgünstigere Stadt einsetzte, wurden die vier we-

sentlichen Arbeitsschritte räumlich und organisatorisch zu vollstufigen Tuchfabriken

zusammengefasst. Dieser Typus der Textilherstellung ist seit Mitte des 19. Jahr-

hunderts allgemein in Westeuropa verbreitet.

Das Textilgewerbe hatte im 19. Jahrhundert einen bedeutenden Anteil an der

Durchsetzung der Industriellen Revolution und beschäftigte große Mengen an Ar-

beitskräften, vor allem in den sogenannten „Leichtlohngruppen“, also ungelernten

bzw. angelernten Arbeitskräften. Basierend auf der vollständig ausgebildeten Tech-

nik begannen ab etwa 1950 ehemalige Kolonialgebiete eine konkurrierende Textil-

produktion, die dazu führte, dass bis ca. 1980 die meisten Tuchfabriken in den west-

lichen Industrieländern ihren Betrieb aufgaben.

3 Allgemeiner Verfahrensablauf

3.1 Spinnerei

In einer Spinnerei werden aus der rohen, fettigen und schmutzigen Schurwolle ge-

zwirnte Fäden für die Kette oder den Schussfaden hergestellt.

Die in Ballen angelieferte Rohwolle wird zunächst in einem Reißwolf aufgelockert.

Dabei werden auch Gras- und Strohhalme, Holzstückchen sowie Kotklumpen zer-

schlagen und zum Teil bereits entfernt. Die gelockerte Wolle wird dann in einer Flo-

ckenwaschmaschine von wasserlöslichen oder erdig-sandigen Verschmutzungen

befreit.

Cellulosefasern (Holz etc.), die sich häufig in der Wolle der Tiere verfangen, wurden

seit dem zweiten Drittel des 19. Jahrhunderts, nachdem das Soda-Verfahren genü-

gend Chlor und Salzsäure für industrielle Zwecke zur Verfügung stellte, in einer

Karbonisieranlage mit dem Chlordampf aus kochender Salzsäure aufgelöst. Auf die

gleiche Weise wurden Baumwoll-Wollmischgewebe in den Reißereien und Reißwoll-

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Branchenblatt Tuchfabriken Seite 4

Altlasten-Leitfaden Schleswig-Holstein: Erfassung Anhang 11

fabriken wieder aufbereitet. Mit dem freien Chlor wurde zugleich eine Bleichung der

Wolle erreicht.

Im Anschluss an diese ersten Reinigungsarbeiten wird das Wollfett (Lanolin) ent-

fernt. Zu diesem Zweck werden fettlösende Zusätze wie Seifen oder organische

Lösungsmittel (BTEX oder CKW), in der Gegenwart zunehmend Tenside, zugesetzt.

Sofern das Fett an die pharmazeutische Industrie verkauft werden sollte, wurde es

früher häufig mit Benzin ausgewaschen. Das im Benzin gelöste Fett wurde durch

Redestillation des Waschbenzins gewonnen und verkauft.. Ab Ende der 1930er Jah-

re wurde es durch feuersichere Lösungsmittel (CKW) ersetzt.

Nach der Wäsche wird die Wolle für den Vorgang des Spinnens fast immer leicht

eingeölt, damit der Kammzug geschmeidig wird und die Wolle überhaupt maschinell

zu verarbeiten ist („Schmälzen“). Für diesen Zweck wurde historisch grundsätzlich

Leinöl oder billiges Olivenöl eingesetzt.

Die so vorbehandelte Wolle wurde erneut in einer Reißmaschine aufgelockert und

dann direkt über eine automatische Waage der Krempelmaschine zugeführt. Krem-

pel sind Maschinen, zwischen deren gegeneinander rotierenden und mit Häkchen

besetzten Walzen die Wolle gekämmt wird. Um ein besseres Ergebnis und eine

sehr dünne Schicht feiner Haare zu erreichen, wurden meist drei Krempelmaschi-

nen hintereinander gereiht. Auf der letzten Maschine wurde die Wolle in viele kleine

Streifen (Kammzüge) zerteilt, die entweder direkt zur Vorstreckmaschine oder aber

in ein Zwischenlager geleitet wurden.

Abb. 2: Krempelei um 1960 (Quelle: RUPPERT).

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Branchenblatt Tuchfabriken Seite 5

Altlasten-Leitfaden Schleswig-Holstein: Erfassung Anhang 11

Eine Vorstreckmaschine macht aus dem Kammzug bereits die Vorstufe eines Fa-

dens, ohne ihn zu drehen und zu verdrillen. Dies geschieht erst in der Spinnmaschi-

ne. Spinnmaschinen der üblichen Bauart verrichten zeitgleich folgende Arbeitsvor-

gänge: Strecken, Drillen, Aufwickeln. Der gestreckte Kammzug wird über Ösen und

Abdruckwalzen dem ausfahrbaren Teil der Maschine zugeführt und an diesem Ma-

schinenteil gleich in einer Aufwickelmaschine befestigt. Sobald die Maschine mit

dem Arbeitsvorgang beginnt, fährt der Wagen aus, streckt den Vorfaden, während

dieser zugleich gedreht wird. Während der Spinnwagen dann in seine Ausgangspo-

sition zurückfährt, wird der gedrillte Faden unter Beibehaltung der Zugspannung

aufgewickelt.

Der Faden wird auf Spulen oder „Kopsen“ aufgewunden und dann zur Zwirnerei

transportiert. Drei und mehr Fäden werden hier maschinell zu einem einzigen Faden

verzwirnt, damit sich der Faden nicht mehr abwickeln kann.

Die Spinnerei ist, mit Ausnahme der Wollwäscherei und eventueller Ölleckagen an

den Spinn-, Zwirn- und Spulmaschinen, ohne typische Verunreinigungen.

Von einer Wollwäscherei können jedoch Boden- und Grundwasserverunreinigungen

ausgehen. Mit dem Entstehen der Kriegs-Woll AG (Erster Weltkrieg) begann aller-

dings auch der noch heute übliche Handelsbrauch, dass die Importfirmen die Wolle

entweder bereits beim Exporteur oder aber in zentralen großen Wollwäschereien

waschen und manchmal auch krempeln lassen (s. Branchenblatt Wollwäschereien

und Hautwollfabriken).

3.2. Weberei

In der Weberei werden die gezwirnten Fäden als sogenannte „Kettfäden“ und

„Schussfäden“ kreuzweise miteinander verbunden, so dass sich eine Fläche bildet.

Zu diesem Zweck werden Kettfäden in einer Länge von mindestens ca. 50 m in ei-

nem Schärrahmen, in der Kettschärerei, auf eine Walze gewickelt. Kettfäden erfah-

ren vor dem „Aufschären“ noch eine zusätzliche Behandlung durch die „Schlichte“,

einem wasserlöslichen Leim, der historisch aus Stärke bestand, den Faden glatt

macht und ihn verstärkt. Seit 1950 werden mehr und mehr synthetische Schlichten

(z.B. Polyacrylate) eingesetzt, denen weitere Additive (z.B. Viskositätsregler) zuge-

setzt werden. Bei Schlichteflotten, die lange gelagert werden, müssen Konservie-

rungsstoffe zur Stabilisierung hinzugefügt werden (z.B. halogenierte Phenole wie

PCP, Kresole etc.).

Die Walze, der „Kettbaum“, wird in den Webstuhl eingebaut und die Kettfäden dann

an einer zweiten Walze, einem „Warenbaum“, der später zum Aufwinden des rohen

Gewebes dient, befestigt. Der Schussfaden wird als Spule in die Schützen einge-

legt. Pro Farbe wird ein weiterer Schütze benötigt.

Der Schütze ist ein beidseitig angespitzter hölzerner Hohlkörper, der in der Mitte die

Spule mit dem Schussfaden enthält. Die Steuerung des Schusses und der Magazi-

ne ist zumeist über Lochkarten vorgegeben.

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Branchenblatt Tuchfabriken Seite 6

Altlasten-Leitfaden Schleswig-Holstein: Erfassung Anhang 11

Abb. 3: Lochkartenweberei 1960 (Quelle: RUPPERT).

Nachdem der Schussfaden vom Schützen in das Webfach eingelegt worden ist,

muss die Maschine den neuen lockeren Faden an das bisher fertiggestellte Gewebe

pressen („Anschlag“). Ältere Webmaschinen hatten ca. 60 bis 90 Anschläge pro

Minute. Moderne Webautomaten, bei denen der Schussfaden mit Pressluft transpor-

tiert wird, haben bis zu 400 Anschläge pro Minute.

Die eigentliche Weberei ohne die Fadenvorbereitung (Schlichte) ist an sich nicht mit

Umweltverunreinigungen verbunden. Ältere Webmaschinen hatten jedoch einen

hohen Verbrauch an Schmiermitteln in der Mechanik, so dass unter den Antriebsbe-

reichen zumeist Blechwannen installiert waren, um ablaufendes Öl aufzufangen. Es

handelte sich hierbei aber selten um Mineralöl, weil sich solche Flecken nur schwer

aus den Tuchen entfernen ließen. Zumeist kamen daher Lein- und Rüböle zum Ein-

satz.

3.3 Färberei

Die Färbung der Wolle kann grundsätzlich sowohl an der Wolle (Färbung in der Flo-

cke), am Faden (Färbung im Kops) oder am Tuch (Färbung im Stück) durchgeführt

werden. Generell muss aber vor der Färbung eine Reinigung und Entfettung durch-

geführt werden, damit die Farbstoffe an der schuppigen Struktur der Faser haften

oder in die Faser eindringen können.

Eine Färberei ist daher immer mit einer Wäscherei verbunden. Zwischen den

Durchgängen in der Farbkufe muss gespült werden, um die Beize wieder zu entfer-

nen, so dass die maschinelle und apparative Einrichtung einer Färberei grundsätz-

lich der einer Wäscherei sehr ähnlich ist.

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Branchenblatt Tuchfabriken Seite 7

Altlasten-Leitfaden Schleswig-Holstein: Erfassung Anhang 11

Sofern die gesponnene Wolle als Faden im sogenannten „Kops“ gefärbt werden

soll, muss auch das Schmälzöl wieder entfernt werden. Dafür reichen allerdings

gewöhnliche Laugen oder Detergentien aus. Auch für die Färbung eines gewebten

Stückes oder das Walken eines Tuches muss die Ölung des Fadens entfernt wer-

den. Die Hälfte des Gewebes ist zudem auch durch die Schlichte, die auf den Kett-

faden aufgebracht worden war, verunreinigt. Das Öl und der Leim können allerdings

meist durch eine Waschlauge entfernt werden.

In der traditionellen Färbung reichte diese Vorwäsche häufig nicht aus, so dass Bei-

zen aus Laugen, Säuren oder Enzymbäder mit Harnstoffüberschuss für den Auf-

schluss der Faser eingesetzt wurden. Nach der Beize wurde mit frischem Wasser

gespült und mit dem ersten Durchgang in der Farbküpe begonnen.

Bis zur Entwicklung der Teerfarben wurden traditionell Pflanzenfarbstoffe (z.B.

Krapp oder Waid) eingesetzt, um die Farbpalette auszufüllen. Tierische Farbstoffe

wie z.B. Cochenille wurden wegen ihrer hohen Kosten nur für sehr wertvolle Stücke

eingesetzt. Rückstände gab es nur sehr selten, da die bereits mehrfach genutzten

Farbbäder, die bereits sehr schwach geworden waren, zunächst zum Anfärben ge-

nutzt wurden, und nur die Endfärbung im frischesten Ansatz durchgeführt wurde.

Diese Vorgehensweise blieb trotz der Einführung der Teerfarben (Anilin) in den

1860er Jahren bis in die Gegenwart erhalten, obgleich dadurch die Reproduzierbar-

keit des Farbergebnisses nicht immer gewährleistet ist.

Für die Wollfärberei wurden inzwischen viele weitere Farbstoffe entwickelt, die ent-

weder nach ihren chemischen Merkmalen (saure Farbstoffe, Chromierungsfarb-

stoffe, Reaktivfarbstoffe, Metallsalzkomplexfarbstoffe usw.) oder dem Applikations-

verfahren (Auftrags-, Auszieh- oder Tauchverfahren etc.) bezeichnet werden.

Nach der Färbung müssen die Farbstoffe oft noch in der Faser fixiert werden, weil

sie sonst infolge ihrer Wasserlöslichkeit beim Waschen ausfärben, „ausbluten“, wür-

den (z.B. Küpenfärberei). Während man bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts dafür

aufgrund der verwendeten Farbstoffe grundsätzlich tierischen Harn einsetzte, wur-

den, seitdem Ammoniak in den Gaswerken in ausreichender Menge hergestellt

wurde, z.B. auch Ammoniaksalze und Kochsalz für diesen Zweck eingesetzt. Ande-

re Fixiermittel können z.B. Kondensationsprodukte auf Basis von Formaldehyd sein.

Für die Färbung weißer oder sehr heller Tuche wurden in der Regel kein Farbstoffe

eingesetzt, sondern eine Bleiche der Wolle, der Garne oder des Tuches durchge-

führt. Die vorindustrielle Bleiche bestand darin, die Wolle zunächst nach Naturfär-

bung zu sortieren und die Tuche nach der Wäsche in einem angesäuerten Medium

(Molke, Essigwasser oder „Sauerwasser“, eine Gerstenbrei-Gärung) der Sonne

auszusetzen. Die Tuche wurden zu diesem Zweck auf Wiesen ausgebreitet oder auf

Rahmen gehängt, bis sie nach Wochen endlich die gewünschte Bleichung erfahren

hatten. Durch die Einführung der Chlorchemie im Zuge der industriellen Entwicklung

der Sodaindustrie des 19. Jahrhunderts wurde für diese Zwecke zunehmend Chlor

eingesetzt. Das Chlor wurde entweder als Gas bezogen oder aus konzentrierter

Salzsäure entwickelt. Diese Verfahrensweise führte dazu, dass die Färbereigebäu-

de in der Regel starke Schäden an der Bausubstanz aufwiesen. Nachhaltige Schä-

den für die Umwelt sind jedoch nur im Zusammenhang mit der Lösung von

Schwermetallen in den anderen Farbstoffen zu erwarten.

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Branchenblatt Tuchfabriken Seite 8

Altlasten-Leitfaden Schleswig-Holstein: Erfassung Anhang 11

Abb. 4: Vorsortierung der Wolle nach Qualität und Farbe um 1930 (Quelle: RUP-

PERT)

Eine abschließende Behandlung nach der Färbung oder der Bleiche mit pflanzlichen

Ölen machte die Faser wieder geschmeidig und verlieh dem Gewebe Glanz.

Gleichzeitig wurde die Färbung vor Feuchtigkeit und dem Ausbluten geschützt. Eine

derartige Behandlung bildete daher historisch für Tuche immer den Abschluss der

Färbung.

Neben den beschriebenen Arbeitsschritten können weitere notwendig sein, die den

Einsatz neuer Chemikalien erforderlich machen.

Sollen z.B. bestimmte Bereiche im Tuch nicht eingefärbt werden, müssen sie zuvor

mit Reserviermitteln (z.B. Polykondensationsprodukte aus Acrylsulfonsäure und

Formaldehyd) behandelt werden. Weitere Hilfsmittel in der Färberei können Farb-

schutzmittel (z.B. Chromate, aromatische Nitroverbindungen) oder Faserschutzmit-

tel gegen mechanische, thermische, chemische, photochemische oder biologische

Vorgänge sein (u.a. Formaldehyd, Polyoxybenzole, Phenole). Letztere werden z.T.

auch erst in der Appretur aufgetragen.

Der visuelle Eindruck von Färbereien in vollstufigen Tuchfabriken mit der Vielzahl an

Bädern und dem durch ätzende Stoffe geschädigten Bauwerk ist zwar meist sehr

negativ, aber im Hinblick auf nachhaltige Verunreinigungen jedoch häufig über-

schätzt worden. Im Gegensatz zu selbständigen Färbereien und Umfärbereien, die

mit hohem Lösungsmitteleinsatz und anderen Chemikalien zunächst entfetten und

entfärben müssen, ist dies in einer Tuchfabrik nicht erforderlich. Organische Lö-

sungsmittel und starke Mineralsäuren wurden nur sehr selten eingesetzt.

Infolge der hohen Stückzahl an Tuchen, Garnen oder Flocken, die in einer gleich-

bleibenden Tönung zu färben sind, ist auch der Anfall an Farb- und Restschlämmen

gegenüber einer selbständigen Färberei marginal. In der Tuchfabrik wurde meist

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Branchenblatt Tuchfabriken Seite 9

Altlasten-Leitfaden Schleswig-Holstein: Erfassung Anhang 11

auch der letzte verwertbare Farbrest aus einer Lösung genutzt, bevor sie in die Ka-

nalisation oder in die Klärteiche abgelassen wurde; in selbständigen Färbereien

oder Lohnfärbereien mussten die Bäder je nach Auftragslage abgelassen und aus-

gewechselt werden. In den Tuchfabriken konnten Reste sogar eingedampft werden,

weil dort genügend Abwärme vorhanden war. Der getrocknete Farbstoff wurde spä-

ter für neue Anfärbungen genutzt.

Die Abwässer der Färberei enthalten trotz dieser Verfahrensweise Farbreste mit

PAK und Schwermetallen. Sie gelangen z.B. beim Spülen gemeinsam mit einer ho-

hen organischen Schmutzfracht, Ammoniaksalzen und organischen Säuren in die

Kanalisation. Teile dieser Stoffe können sich auch im Gebäude bzw. im Boden ab-

gelagert haben.

3.4 Appretur

Die Appretur der Tuche diente anfänglich dazu, aus einem sichtbaren Gewebe eine

einheitliche mit einem Flor versehene Textilfläche, bei der weder Kett-, noch

Schussfaden zu erkennen sind, herzustellen.

Die ersten Maschinen, die dafür eingesetzt wurden, waren Walkmühlen, die die Tu-

che tagelang mechanisch bearbeiteten, Walkererde zugaben und spülten. Sobald

die Fadenstruktur des Gewebes aufgebrochen war, wurden die Tuche an die Tuch-

scherer abgegeben, die mit Kratzbürsten den Flor beidseitig aus den Fäden heraus-

zogen und ihn dann mit langen Scheren auf eine Länge brachten. Mit weichen Bürs-

ten, die häufig auch in heißes Pflanzenöl getaucht waren, wurden die feinen Fasern

des Flors dann in eine Richtung gekämmt und mit Handpressen fixiert. Der Sinn

dieser Handhabung lag darin, den Wert eines einfachen Gewebes beträchtlich zu

steigern, die Luftdurchlässigkeit zu vermindern und dem Gewebe durch das Zufü-

gen von Öl einen wasserabweisenden Charakter zu geben sowie einen glänzenden

Eindruck zu vermitteln.

Bereits am Ende des 18. Jahrhunderts waren fast alle Handarbeiten durch die Ein-

führung von Kratzmaschinen, Messerwalzen in den Schermaschinen und rotierende

Kalanderpressen abgelöst worden. Parallel zur Entfaltung der Kohlechemie, die

schon in der Färberei zu einer Ablösung der Pflanzenfarben geführt hatte, wurde

seit dem letzten Drittel des 19. Jahrhunderts eine Vielzahl von organischen Stoffen

für die Imprägnierung gegen Insektenfraß eingesetzt. Die „Eulanisierung“ von Tu-

chen zum Schutz gegen Motten wurde über Jahrzehnte von Naphthalin dominiert.

Hinzu kamen Pflanzengifte und seit den 1920er Jahren eine Vielzahl chemischer

Präparate, die hochgiftig sind (z.B. DDT). Zeitgleich wurde mit Schwermetallsalzen

und Chlororganika eine Kombinationspräparierung gegen Insektenfraß und Feuer

erprobt.

In Abhängigkeit von der späteren Verwendung wurden verschiedenartige Imprägnie-

rungen gewählt, wobei eine Komponente stets gegen den Mottenfraß eingesetzt

wurde. Für Militärtuche und Militärdecken wurden nahezu alle denkbaren Imprägnie-

rungen ausprobiert. Die Tuche sollten sowohl dem Mottenfraß, Pilzen, der Feuchtig-

keit als auch dem Feuer widerstehen. Da Soldaten sich in der Regel nicht wie nor-

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Branchenblatt Tuchfabriken Seite 10

Altlasten-Leitfaden Schleswig-Holstein: Erfassung Anhang 11

male Kunden verhalten und z.B. bei allergischen oder anderen Reaktionen rekla-

mieren konnten, wurde die Militärtuchproduktion zum Experimentierfeld der Appre-

turchemiker.

Weitere eingesetzte Ausrüstungsmittel bei der chemischen Appretur können je nach

angestrebter Funktion der Gewebe u.a. folgende Stoffe sein:

Hochveredelungsmittel wie Cellulosevernetzer (historisch u.a. Formaldehyd

und Epichlorhydrin) für Bügelfreiheit und Knitterfestigkeit,

Optikverbesserer (z.B. Silikondispersionen),

Versteifungs- und Füllmittel (z.B. Stärkederivate),

Weichmacher,

Hydrophobiermittel auf Silikonbasis oder z.B. aluminiumhaltige Paraffinemul-

sionen,

Verrottungs- und Fäulnisschutzmittel wie Kupfernaphthenat oder PCP,

Hygieneausstattungsmittel wie TBTO, Kaliumbichromat, chlorierte Phenole

usw..

4 Umweltrelevante Verfahrens- und Produktionsschritte sowie Verunreinigungspotentiale

Das Waschen der Wolle ist mit einem hohen Anteil an organischen Stoffen im Spül-

wasser verbunden, welches gewöhnlich in die Kläranlage oder die Vorfluter abge-

lassen wurde. Hauptsächlich ist jedoch die Entfettung mit Benzin (bzw. später CKW)

für das Gefährdungspotential dieses Arbeitsschrittes relevant. Das Waschen und die

Entfettung wurden nach dem Ersten Weltkrieg allerdings nur noch von zentralen

Wollwäschereien des Großhandels durchgeführt. Nur wenige, sehr große Tuchfabri-

ken bezogen die Wolle noch direkt aus dem Herkunftsland und bereiteten sie selbst

vor.

Der Färberei wird gewöhnlich ein großes Gefährdungspotential unterstellt. Die Fär-

berei einer Tuchfabrik unterscheidet sich jedoch gravierend von einer selbständigen

Färberei oder einer Färberei, die einer gewerblichen Wäscherei angeschlossen ist.

Unabhängig davon, ob Pflanzen-, Erd- oder Teerfarbstoffe eingesetzt wurden, wur-

de die Farbflotte in den Bädern fast vollständig ausgenutzt und nicht abgelassen,

um Platz für einen anderen Farbstoff zu machen. Der Anfall an Farbschlämmen ist

daher weitaus geringer. Auch Lösungsmittel oder starke Säuren wurden kaum ein-

gesetzt, so dass Schwermetallfarben oder Fette nicht in dem Ausmaß in die Kläran-

lagen gelangten, wie es bei selbständigen Färbereien der Fall war.

Umweltrelevante Verfahrensschritte der chemischen Appretur sind insbesondere die

Imprägnierungen gegen Fäulnis, Insektenfraß und Feuer. Durch die eingesetzten

Stoffe (Schwermetalle, organische Gifte, Teerdestillate oder Nebenprodukte der

Mineralölraffination) kann das Grundwasser bzw. der Boden im Bereich der Impräg-

nieranlagen nachhaltig verunreinigt worden sein. Der Bereich der Imprägnierung ist

immer uneingeschränkt altlastrelevant. Die Applizierung der Imprägniermittel erfolgt

sowohl durch Besprühen als auch durch Kesselanlagen.

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Branchenblatt Tuchfabriken Seite 11

Altlasten-Leitfaden Schleswig-Holstein: Erfassung Anhang 11

Seit Mitte des 19. Jahrhunderts wurde die Stoffgruppe der Phenole mehr und mehr

genutzt. Nachdem sich im Hygienebereich bereits die Nutzung der Carbolsäure

(wässrige Lösung mit ca. 5 % Phenol) durchgesetzt hatte, wurde sie auch für den

Textilschutz eingesetzt. Darauf basierend wurde Phenol sowohl in Verbindung mit

Teerölen als auch in Lösung mit Formaldehyd eingesetzt. Es ist besonders als Fun-

gizid wirksam, aber nicht anhaltend. Als Ersatz wurde das Pentachlorphenol (PCP)

in einer Lösung mit Ethanol oder Benzol eingesetzt, bei Militärdecken sogar bis in

die 1990er Jahre.

Die insektizide Wirkung des DDT wurde 1939 entdeckt. Es wurde nach Lösung in

Aceton oder Benzol vielen bereits bekannten Imprägnierungsmitteln als weiterer

Wirkstoff hinzugefügt. Die Nutzung und Herstellung von DDT ist in der Bundesre-

publik wegen seiner toxischen Wirkung und seiner Anreicherung im Gewebe seit

1972/76 verboten. Wegen ähnlicher Auswirkungen wurde zu Beginn der 1980er

Jahre das Mittel Lindan, Kurzbezeichnung HCH, vom Markt genommen.

Potentielle Schadstoffe sind somit unter anderem: Metall- und Schwermetallverbin-

dungen, Aschen und Schlacken (u.a. Kupfer, Zink, Zinn, Chrom); BTEX und CKW

als Lösungsmittel diverser Textilschutzmittel sowie CKW in Form von Dichlorbenzol

(PDB), DDT, Lindan (HCH); PAK aus Teerfarben (u.a. Anilin) und Teerdestillaten

(Naphthalin etc.); Phenole von Carbolsäure bis zu Pentachlorphenol (PCP).

Detaillierte Auflistungen von Verunreinigungspotentialen für die Tuchindustrie lassen

sich in der Regel erst dann erstellen, wenn die Art der Färbung und besonders der

Appretur sowie der genaue Nutzungszeitraum bekannt sind.

5 Gesetzliche Ausführungsvorschriften für verwendete Stoffe/Stoffgruppen

Für Tuchfabriken liegen keine speziellen Ausführungsvorschriften vor. Ansonsten

gilt primär das Verbot von DDT, PCP und Lindan.

Tabelle 1 Altlastrelevante Stoffe und ihr zeitlicher Einsatz

Stoff Nutzung Verstärkte An-wendung ab

Verwendungsbe-schränkung/ Ver-

bot

PCB (Polychlorierte Biphenyle).

1

Einsatz in Imprägnierungs-mitteln

ca. 1929 1978/1989

PCP (Pentachlor- phenol).

2

Einsatz in Imprägnierungs-mitteln.

Ende 1920er Jahre 1986/1989

LCKW.3 Lösungsmittel für Fette und

diverse Imprägnierungsmit-tel; Fleckentferner.

ca. 1940 1981/1986 (zum Teil)

BTEX.4 Lösungsmittel diverser Im-

prägnierungsmittel. ca. 1920 1986 (zum Teil)

DDT5 Einsatz als Imprägnie-

rungsmitteln ca. 1940 1972/1986

Lindan/HCH6 Einsatz als Imprägnie-

rungsmitteln Ende der 1930er Jahre/Lindan ca. 1950

sukzessive seit 1974 beschränkt

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Branchenblatt Tuchfabriken Seite 12

Altlasten-Leitfaden Schleswig-Holstein: Erfassung Anhang 11

1 26.7.1978 10.BImSchV: Verwendungsbeschränkung auf geschlossene Systeme;

18.7.1989, PCB-Verbotsverordnung: Herstellungs-, Inverkehrsbringungs- und Verwen- dungsverbot, 1993 durch ChemVerbotsV abgelöst. 2

26.8.1986 GefStoffV: Verwendungsbeschränkung für PCP, z.B. nicht in Aufenthaltsräumen einzusetzen; 12.12.1989 PCP-Verbotsverordnung: Herstellungs-, Inverkehrsbringungs- und Verwen- dungsverbot, 1993 abgelöst durch ChemVerbotsV. 3 9/1981 Technische Regel für gefährliche Arbeitsstoffe TrgA 502: Verwendungsbeschrän-

kung für Tetrachlorkohlenstoff; 21.4.1986 2.BImSchV: Verordnung zur Emissionsbeschränkung von leichtflüchtigen Halogenwasserstoffen, Anwendungsbeschränkungen 1990 in der Neufassung verschärft. 4 26.8.1986 GefStoffV: Verwendungsbeschränkung für Benzol auf geschlossene Systeme.

5 07.08.1972 DDT-Gesetz: Anwendungsverbot, 1978 auch Herstellungsverbot

15.09.1986 DDT-Gesetz: Totalverbot 14.10.1993 ChemVerbotsV 6

21.03.1986 2. Verordnung zur Änderung der Pflanzenschutzanwendungsverordnung: Ver- bot der Verwendung von techn. HCH, beschränktes Anwendungsverbot für Lindan; zuvor von 1974-78 HCH-Verwendung u.a. im Pflanzenschutz schrittweise beschränkt;

6 Altlastrelevante/altlastirrelevante Nutzungszeiträume

Bis zum letzten Drittel des 19. Jahrhunderts sind keine wesentlichen Veränderungen

in der Arbeitsweise oder in der Zusammensetzung der Hilfsstoffe für die Tuchindust-

rie bekannt. Es handelte sich lediglich um eine beschleunigte Maschinisierung und

Mechanisierung der bisherigen Handarbeit, wobei auch die Dimensionen der Tuche

und Maschinen langsam anstiegen.

Die Entwicklung der Teerfarbenindustrie seit 1865 veränderte den vormals auf

Pflanzen- und Erdfarbstoffen basierenden Charakter der Färberei sehr rasch zu

einem Fabrikbetrieb mit großem Energiebedarf und hohem Einsatz von Säuren,

Laugen, Lösungsmitteln, wasserlöslichen Teerfarbstoffen und Metallsalzen usw..

In der Wäscherei (Entfettung) spielten Benzin und ähnliche organische Lösungsmit-

tel seit dem Ende der 1930er Jahre keine Rolle mehr, da zunehmend CKW einge-

setzt wurden. Außerdem wurden die meisten Tuchfabriken aber schon seit dem

Ersten Weltkrieg mit vorbehandelter Wolle durch den Großhandel versorgt.

Eine Steigerung der Altlastenrelevanz erfuhr die Branche durch die starke und häu-

fig experimentelle Einführung diverser Imprägnierungsmittel gegen Fraßschädlinge,

Fäulnis, Wasser und Feuer seit Beginn der 1930er Jahre. Trotz der seit den 1970er

Jahren zunehmenden Anwendungsverbote vieler Stoffe in der Bundesrepublik ge-

langen immer neue Imprägnierungsmittel in den Handel, die sich vor allem dadurch

auszeichnen, dass der Verbraucher sie sinnlich nicht wahrnehmen kann, sie aber

z.B. zu allergischen Reaktionen führen können.

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Branchenblatt Tuchfabriken Seite 13

Altlasten-Leitfaden Schleswig-Holstein: Erfassung Anhang 11

Tabelle 2 Zusammenfassung aller altlastrelevanten Aspekte und Zuordnung zu

den Branchenklassen SH.

Zeitspanne Hilfsstoffe Nebenprodukte Altlastrelevante

Aspekte Branchen-klasse SH

bis 1900 Seifen, Wasser, Pflan-

zenfarbstoffe, Säuren,

Laugen, Metallsalze

Farbschlämme keine Abwasser-

anlagen

0

1901 – 1920 Seifen, Wasser, Teer-

farbstoffe, Benzin, Ben-

zol, Säuren, Laugen,

Metallsalze, Naphthalin.

Farbschlämme,

Lanolin.

Infolge der

Kriegswirtschaft

zeitweise ohne

Überwachung;

mangelnde Ab-

wasseranlagen

2

1921 – 1980 Seifen, Wasser, Säu-

ren, Laugen, Metallsal-

ze, Teerfarbstoffe,

Naphthalin und diverse

Imprägnierungsmittel;

CKW.

Farbschlämme. Infolge der

Kriegswirtschaft

zeitweise ohne

Überwachung

4

1981 – Ge-

genwart

Seifen, Wasser, Säu-

ren, Laugen, Detergen-

tien, Naphthalin, Teer-

farbstoffe, Pflanzen-

farbstoffe, Metallsalze

etc.

Farbschlämme Abkapselung der

Verfahren gegen

die Umwelt; Ver-

bot einiger Stof-

fe/Stoffgruppen

3

Branchenklasse 0: kein Gefährdungspotential Branchenklasse 1: Gefährdungspotential sehr gering Branchenklasse 2: Gefährdungspotential gering Branchenklasse 3: Gefährdungspotential mäßig Branchenklasse 4: Gefährdungspotential hoch Branchenklasse 5: Gefährdungspotential sehr hoch

7 Literaturhinweise

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Branchenblatt Tuchfabriken Seite 14

Altlasten-Leitfaden Schleswig-Holstein: Erfassung Anhang 11

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Branchenblatt Tuchfabriken Seite 15

Altlasten-Leitfaden Schleswig-Holstein: Erfassung Anhang 11

ULLMANN, F. (HRSG.): Enzyklopädie der technischen Chemie, 2., völlig neu bear-

beitete Auflage. Urban & Schwarzenberg, Berlin und Wien, 1930.

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Altlasten-Leitfaden Schleswig-Holstein: Erfassung Anhang 11 Histinvest - Dr. Klaus Schlottau, Bremen

Branchenblatt Werkzeugfabriken

Inhaltsverzeichnis Seite 1 Bezeichnung der Branche 2 2 Historischer Überblick 2 3 Allgemeiner Verfahrensablauf 4 4 Umweltrelevante Verfahrens- und Produktionsschritte sowie Ver-

unreinigungspotentiale 4 5 Gesetzliche Ausführungsvorschriften für verwendete Stoffe/

Stoffgruppen 6 6 Altlastrelevante/altlastirrelevante Nutzungszeiträume 6 7 Literaturhinweise 9 Abb. 1: Werkzeugfabrik aus dem Jahr 1910 (Quelle: SPRINGER).

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Branchenblatt Werkzeugfabriken Seite 2

Altlasten-Leitfaden Schleswig-Holstein: Erfassung Anhang 11

1 Bezeichnung der Branche

Als Werkzeugfabriken werden Spezialunternehmen des Maschinenbaus bezeichnet,

deren Aufgabe darin besteht, Hand- oder Maschinenwerkzeuge herzustellen. Ein

typisches und wichtiges Handwerkzeug ist die Feile in ihren verschiedenen Ausfüh-

rungen. Auch der Bohrer in einer Bohrmaschine ist ein Werkzeug. Handgeräte, wie

z.B. eine übliche Bohrmaschine, sind hingegen keine Werkzeuge, sondern Werk-

zeug„maschinen“, die von Apparatebaubetrieben hergestellt werden. Im Gegensatz

zur sprachlichen Unschärfe im Gemeingebrauch zwischen Werkzeugen und Werk-

zeug„maschinen“ werden die Unternehmen relativ strikt unterschieden. Merkmale

der Werkzeugfabriken sind im Wesentlichen eine Produktion von Investitionsgütern

sowie der fehlende Kontakt zum Endkonsumenten, der z.B. bei den Herstellern von

Bohrmaschinen und anderen gängigen Handgeräten vorhanden ist.

2 Historischer Überblick

Das Bestehen von Werkzeugmachereien, insbesondere Feilenhauereien, war eine

Voraussetzung für die Entstehung der Maschinenfabriken sowie die Entwicklung der

industriellen Revolution des 19. Jahrhunderts. Werkzeug- und Maschinenfabriken

haben sich in gegenseitiger Abhängigkeit entwickelt, als es möglich wurde, Präzisi-

onswerkzeuge wie Bohrer, Fräsköpfe, Sägeblätter etc. so herzustellen und zu här-

ten, dass damit andere Metalle, insbesondere Gusseisen und Stahl, bearbeitet wer-

den konnten.

Die Werkzeugfabriken sind historisch aus Feilenhauereien, Schmieden oder

Schlossereien hervorgegangen. Oftmals handelte es sich zunächst um die Anferti-

gung von Einzelstücken für defekte Werkzeuge einzelner Kunden, bevor der Wan-

del zur Fabrikation von Serienstücken einsetzte. Werkzeugfabriken sind in der Re-

gel mittelständische Unternehmen mit einem Arbeitskräftepotential von 10 bis 100

Personen.

Entscheidenden Einfluss auf die Qualität eines Werkzeuges hat die Oberflächenhär-

te. Je härter und zäher das eingesetzte Werkzeugmaterial ist, desto größer ist die

Arbeitsgeschwindigkeit oder die Arbeitstiefe des Werkzeuges. Moderne Werkzeuge

müssen daher immer aus Stahl hergestellt werden. Dieser wurde von den frühen

Werkzeugmachern zumeist von Messerschmieden oder Hammerwerken bezogen.

Am Ende des 18. Jahrhunderts war in England das Tiegelstahlgussverfahren entwi-

ckelt worden. Kleine Chargen von im „Puddel-Verfahren“ erzeugtem Gussstahl,

wurden in Tiegeln eingeschmolzen und dann in Formen, die aus Graphit und Form-

sand bestanden, abgelassen. Das Ergebnis war ein Stahl, der im Kern zäh und

elastisch, an der Oberfläche aber durch den eingelagerten Kohlenstoff der Form

hart und spröde war.

Ein derartiger Werkzeug- oder Messerstahl war geeignet ohne weitere Formgebung

oder Härtung Gusseisen oder gewöhnlichen Stahl zu schneiden. Mit einem Meißel

oder einem Feilenhammer aus diesem Material konnte ein gewöhnlicher Flachstahl

dann z.B. zu einer Feile behauen oder aus einem Bandeisen ein Sägeblatt geschnit-

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Branchenblatt Werkzeugfabriken Seite 3

Altlasten-Leitfaden Schleswig-Holstein: Erfassung Anhang 11

ten werden. Da die entstehende Feile oder das Sägeblatt jedoch nicht aus Tiegel-

stahl bestanden, mussten ihre schneidenden Flächen einer Oberflächenhärtung

unterzogen werden.

Abb. 2: Senkrechtbohrerei in einer Werkzeugfabrik um 1940 (Quelle: SPRIN-

GER).

Diese Härtung erfolgte anfänglich durch Erwärmung in einem Glühofen mit einer

abschließenden Härtung in Ölen oder Fetten (siehe Branchenblatt Schmiede). Zwi-

schen 1870 und 1910 wurden nach und nach Bäder aus kochendem Mineralöl ein-

gesetzt sowie Härtepasten, die aus Talg, Fetten, Ölen und Metallsalzen bestanden,

entwickelt. Noch vor dem Ersten Weltkrieg wurden die Ölbäder zügig durch Bleibä-

der ersetzt. Diese hatten den Vorteil, dass die Temperatur bis auf 1.000°C gestei-

gert werden konnte und die Werkzeuge unter Abschluss von Luft und Kohlenstoff

kontrolliert und reproduzierbar gehärtet wurden. Die Härtung im Bleibad gehört bis

heute zum Standard einer Werkzeugfabrik.

In den 1930er Jahren wurden neue, synthetische Öle mit verbesserten Eigenschaf-

ten für das Abschrecken der geglühten oder ofengehärteten Werkzeuge eingesetzt.

Hierzu gehört auch das sogenannte „Torpedoöl“, das, wie der Name andeutet, ei-

gentlich für den Bedarf der Kriegsmarine entwickelt wurde. Hauptbestandteil dieses

Öls ist Tricresylphosphat (TCP). Mit Hilfe dieses und anderer Härteöle gelang es,

nicht nur eine bestimmte Menge Kohlenstoff in die Oberfläche der Werkzeuge zu

transportieren, sondern auch den Anteil an Phosphaten und Sulfaten in der Oberflä-

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Branchenblatt Werkzeugfabriken Seite 4

Altlasten-Leitfaden Schleswig-Holstein: Erfassung Anhang 11

che zu verändern. Gleichen Zweck haben cyanidhaltige Sulfidbäder, die in der Neu-

zeit vermehrt eingesetzt werden.

Mit der Verbesserung der Stahlerzeugung in den Bessemer- oder Thomasbirnen

sowie der Nachbehandlung in Siemens-Martin-Öfen oder Induktionsöfen wurden

zunehmend bessere Stahlsorten in den Handel gebracht, so dass sich die Eigen-

produktion von Tiegelstahl etwa seit dem Ersten Weltkrieg nicht mehr rentierte. Die

Werkzeugfabriken stellten den eigenen Gießereibetrieb ein und bezogen den Werk-

zeugstahl in der benötigten Form von den großen Konzernen der Montanindustrie.

3 Allgemeiner Verfahrensablauf

Eine typische Werkzeugfabrik des 20. Jahrhunderts integriert folgende wesentliche

Arbeitsprozesse, die sowohl früher, als auch gegenwärtig noch als selbständige

Gewerbebetriebe bestehen können:

- Tiegelstahlgießerei bis zum Ersten Weltkrieg (siehe Branchenblatt Gießerei),

- Dreherei, Fräserei, Schleiferei (siehe Branchenblatt Dreherei bzw. Metall-

schleiferei),

- Schmiede mit Härterei (siehe Branchenblatt Schmiede).

Die größeren Werkzeugfabriken waren bereits seit dem letzten Drittel des 19. Jahr-

hunderts nach dem obigen Schema aufgebaut. Um eine möglichst hohe Serien-

stückzahl zu erreichen, wurden auch Unteraufträge an Drehereien, Fräsereien,

Stanzereien oder Polierereien vergeben. Der Kernbereich der Unternehmung je-

doch, die Härtung der Werkzeuge, blieb in der Regel in dem Werk.

4 Umweltrelevante Verfahrens- und Produktionsschritte sowie Verunreinigungspotentiale

Eine Werkzeugfabrik entspricht hinsichtlich des Gefährdungspotentials und der

Schadstoffe, die im Laufe der Entwicklung verfahrensbedingt eingesetzt worden

sind, in vielen Bereichen einer Maschinenfabrik (siehe Branchenblatt Maschinenfab-

rik). Unterschiede bestehen jedoch hinsichtlich der Gießerei, die in einer Werkzeug-

fabrik sehr viel kleiner war. Dafür wurde aber mit einer großen Vielfalt an Legierun-

gen umgegangen. Eine Werkzeugfabrik benötigt außerdem keine elektro-techni-

sche Abteilung oder Lackiererei.

Deutlich größer als in einer Maschinenfabrik ist die Härterei einer Werkzeugfabrik,

die über die Qualität der erzeugten Werkzeuge entscheidet. Kurz vor dem Ersten

Weltkrieg wurde die Härtung im Bleibad eingeführt, die der Härtung im Koksofen

oder Ölbad deutlich überlegen ist, weil das Blei eine kontinuierliche Erwärmung bis

auf 1.000°C und eine langsame Abkühlung unter Luftabschluss erlaubt. Härtesalze

und Kohlenstoffträger wie Graphit oder spezielle Öle wurden pastös auf die Oberflä-

che der Werkzeuge aufgetragen und mit im Bad erwärmt, so dass sie gleichmäßig

in die zu härtende Oberfläche eindrangen (siehe Branchenblatt Arbeitstechniken

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Branchenblatt Werkzeugfabriken Seite 5

Altlasten-Leitfaden Schleswig-Holstein: Erfassung Anhang 11

und Verfahren der Metallbearbeitung). Durch den Einsatz von cyanidhaltigen Metall-

salzen in den Bädern der Härterei können bei Handhabungsverlusten und Leckagen

Schwermetalle und Cyanide in den Untergrund einer Werkzeugfabrik gelangt sein.

Abb. 3: Automatisierte Härterei in den 1950er Jahren (Quelle: VEREIN DEUT-

SCHER MASCHINENBAU-ANSTALTEN).

Im Gegensatz zur Maschinenfabrik benötigte eine Werkzeugfabrik einen deutlich

geringeren Energieeinsatz, weil die zu bearbeitenden Werkstücke viel kleiner sind.

Daher gab es nur kleine Kraftzentralen und schon früh einen Fremdbezug von

Energie. Dies hatte zur Folge, dass weit weniger Aschen und Schlacken als in einer

Maschinenfabrik angefallen sind.

Im Bereich der meist kleinen Tiegelstahlgießerei sind Verunreinigungen, die aus der

Graphit- und Formsandaufbereitung resultieren (z.B. Feineisenteile) möglich (siehe

Branchenblatt Gießerei). Aufgrund der geringen Dimensionierung und einem niedri-

gem Stoffumsatz fielen jedoch wenig Abfallstoffe (Formsande, Sandstrahlrückstän-

de usw.) an. Aus diesem Grund wurde der Aspekt der Tiegelstahlgießerei bei der

Festlegung der Branchenklassen nicht berücksichtigt.

In der Dreherei können neben den üblichen Verlusten an Mineralölen aus den Ma-

schinen insbesondere die Kühlöle im Zeitraum von etwa Anfang der 1930er Jahre

bis in die 1980er/1990er Jahre zu Verunreinigungen geführt haben, da sie z.T. PCB

und andere Schadstoffe enthielten. Die Reinigung von Maschinen, Werkzeugen,

Werkstücken und Drehspänen wurde unter Einsatz von Lösungsmitteln vollzogen,

so dass dementsprechend die Werkstattbereiche und auch die Lagerplätze verun-

reinigt sein können (siehe Branchenblatt Dreherei).

Da die Maschinen und Werkstoffe fast durchgängig verölt waren, wurden sie regel-

mäßig mit aliphatischen, aromatischen oder chlorierten Lösungsmittel gereinigt.

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Branchenblatt Werkzeugfabriken Seite 6

Altlasten-Leitfaden Schleswig-Holstein: Erfassung Anhang 11

Diese können zu Kontaminationen geführt und zusätzlich die Mobilisierung von Mi-

neralölen im Boden bewirkt haben.

Abschließend werden die Werkzeuge meistens noch sandgestrahlt und, um sie vor

Rost zu schützen, in Öl getränkt. Sofern Hinweise auf eine weitere Oberflächenbe-

handlung (z.B. Verzinkung) vorliegen, sind diese bei der Bewertung zu berücksichti-

gen (siehe Branchenblatt Galvanische und Feuermetall-Industrie).

5 Gesetzliche Ausführungsvorschriften für verwendete Stoffe/Stoffgruppen

Tabelle 1 Altlastrelevante Stoffe und ihr zeitlicher Einsatz

Stoff Nutzung Verstärkte An-wendung ab

Verwendungsbe-schränkung/ Ver-

bot

PCB (Polychlo-rierte Biphenyle).

1

Einsatz in Kühlölen, um die Entzündungstemperatur zu erhöhen.

ca. 1930 1978/1989

Wassermischbare Kühlschmierstoffe (N-Nitrosamin-Bildung).

2

Schmier- und Kühlmittelersatz für Öle mit Flammschutzmitteln.

ca. 1955 1997

PCP (Pentachlor-phenol).³

Einsatz in Emulsionen zur Halt-barmachung.

ca. 1930 1986/1989

LCKW.4 Lösungs- und Reinigungsmittel

(Kaltreiniger) im Werkstattbe-trieb

ca. 1925 1981/1986 (zum Teil)

BTEX.5 Lösungs- und Reinigungsmittel

im Werkstattbetrieb. ca. 1925 1986 (zum Teil)

1 26.7.1978 10.BImSchV: Verwendungsbeschränkung auf geschlossene Systeme;

18.7.1989, PCB-Verbotsverordnung: Herstellungs-, Inverkehrsbringungs- und Verwen- dungsverbot, 1993 durch ChemVerbotsV abgelöst. 2 4/1997 Technische Regel für Gefahrstoffe TRGS 611, Verwendungsbeschränkungen für

wassermischbare bzw. wassergemischte Kühlschmierstoffe, bei deren Einsatz N-Nitrosamine auftreten können (Verbot von Nitrit im KSS) 3

26.8.1986 GefStoffV: Verwendungsbeschränkung für PCP, z.B. nicht in Aufenthaltsräumen einzusetzen; 12.12.1989 PCP-Verbotsverordnung: Herstellungs-, Inverkehrsbringungs- und Verwen- dungsverbot, 1993 abgelöst durch ChemVerbotsV. 4 9/1981 Technische Regel für gefährliche Arbeitsstoffe TrgA 502: Verwendungsbeschrän-

kung für Tetrachlorkohlenstoff; 21.4.1986 2.BImSchV: Verordnung zur Emissionsbeschränkung von leichtflüchtigen Halogenwasserstoffen, Anwendungsbeschränkungen 1990 in der Neufassung verschärft. 5 26.8.1986 GefStoffV: Verwendungsbeschränkung für Benzol auf geschlossene Systeme.

6 Altlastrelevante/altlastirrelevante Nutzungszeiträume

Bis zum Ende des 19. Jahrhunderts sind keine wesentlichen Veränderungen in der

stofflichen Bearbeitung oder in der Zusammensetzung der Hilfsstoffe für die Metall-

industrie bekannt. Die Entwicklungen der chemischen Industrie und Metallurgie seit

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Branchenblatt Werkzeugfabriken Seite 7

Altlasten-Leitfaden Schleswig-Holstein: Erfassung Anhang 11

Beginn des 20. Jahrhunderts veränderten jedoch nach und nach die Zusammenset-

zung der Werk- und Hilfsstoffe. Diese Veränderungen betrafen insbesondere die

Arbeitsbereiche der Dreherei und Härterei.

Die Entwicklungen in der spanabhebenden Metallverarbeitung seit Anfang des 20.

Jahrhunderts stellten erhöhte Anforderungen an die Maschinen, die Handhabung

der Werkzeuge und der zu bearbeitenden Materialien. Durch die verbesserten

Schneidstähle ergaben sich zunehmend höhere Schnittgeschwindigkeiten, die eine

Schmierung und Kühlung der Werkstücke und -zeuge erforderlich machten. Wäh-

rend anfänglich noch Seifenwasser, das auf die Grenzflächen gespritzt wurde, zur

Werkzeug/-stückkühlung ausreichte, musste seit der Einführung der Schnellschnitt-

stähle zunehmend auf wärmeleitende, hochsiedende Öle und Emulsionen zurück-

gegriffen werden. Diese Öle benötigen seit dem Ende der 1920er Jahre Chlororga-

nika (z.B. PCB) als Flammschutz, Emulsionen mussten mit Emulgatoren, Fungizi-

den und Bakteriziden (z.B. PCP) hergestellt und haltbar gemacht werden. Ebenfalls

etwa seit Anfang der 1930er Jahre ist in Schleswig-Holstein mit der verstärkten An-

wendung chlorierter Kohlenwasserstoffe als Lösungsmittel (Per, Tri) zu rechnen.

Steigende Metallpreise in den Jahren zwischen 1960 und 1980, besonders nach der

Einführung des Abfallwirtschaftsgesetzes, führten zudem dazu, Drehspäne in mög-

lichst sauberer Form wiederzuverwenden, so dass diese häufig schon beim Erzeu-

ger mit Kaltreinigern oder anderen Lösungsmitteln entölt wurden.

Bei der Härtung entstehen umweltgefährdende Abfallstoffe und Verunreinigungen,

insbesondere Mineralöle, Säuren, Schwermetallsalze sowie Alkalicyanide und

–cyanate, die in nicht mehr brauchbaren Härtereibädern gelöst vorliegen können.

Ferner können verbrauchte Härtereibäder auch aus verunreinigtem Blei bestehen.

Die Entsorgung dieser Bäder ist für den Zeitraum vor 1970 selten belegbar. Seit den

1970er Jahren werden verbrauchte schwermetallhaltige Härtereibäder und auch

Ölbäder von Spezialfirmen wieder aufbereitet. Die Verfahren waren jedoch in den

ersten Jahren vielfach nicht ausgereift, so dass die Altbäder über längere Zeiträume

in Containern auf dem Betriebshof lagerten.

Veränderungen in der Bewertung der Umweltrelevanz ergeben sich für die beiden

Weltkriege, da alle rüstungswirtschaftlich bedeutenden Betriebe der Kontrolle ziviler

Aufsichtsbehörden weitgehend entzogen waren, und daher häufig in baulichen An-

lagen arbeiteten, die für Gewerbebetriebe auch nach damaligem Stand der Technik

nicht geeignet waren. Es fehlte zumeist an einer Befestigung des Fußbodens sowie

an geeigneten Abwasseranlagen. Ähnlich sind die Nachkriegszeiten zu beurteilen,

da behördliche Kontrollen zu diesem Zeitpunkt nur eingeschränkt durchgeführt wur-

den.

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Branchenblatt Werkzeugfabriken Seite 8

Altlasten-Leitfaden Schleswig-Holstein: Erfassung Anhang 11

Tabelle 2 Zusammenfassung aller altlastrelevanten Aspekte und Zuordnung zu

den Branchenklassen SH.

Zeitspanne Hilfsstoffe Nebenprodukte Altlastrelevante

Aspekte Branchen-klasse SH

bis 1900 Seifen, Wasser, Lein-

öle, Rüböle, Mineral-

öle

Metallspäne Keine Abwasser-

anlagen, keine

Bodenbefesti-

gung

0

1900 – 1930 Bohröle ohne PCB;

Mineralöle, Blei,

Schwermetallsalze,

erste Lösungsmittel-

einsätze

gering verölte

Metallspäne,

Schwermetalle,

Härtereiabfälle

keine Abwasser-

anlagen, keine

Bodenbefesti-

gung, keine ge-

regelte Entsor-

gung der Abfälle,

infolge der

Kriegswirtschaft

unzureichende

Überwachung

2

1931 – 1960 Bohr- und Schneid-

öle, TCP, PCB, Emul-

sionen, Fungizide,

Bakterizide; Blei,

Schwermetallsalze,

Lösungsmittel aller

Art, Cyanide

ölige Metallspä-

ne, Ölschlämme

mit PCB,

Schwermetalle;

Lösungsmittel-

rückstände; cya-

nidhaltige Härte-

reiabfälle

mangelnde Ab-

wasseranlagen;

keine geregelte

Entsorgung der

Abfälle, infolge

der Kriegswirt-

schaft unzu-

reichende Über-

wachung

4

1961 – 1980 Bohr- und Schneid-

öle, TCP, PCB, Emul-

sionen, Blei, Schwer-

metallsalze, Fungizi-

de, Bakterizide; Cya-

nide, Detergentien;

Lösungsmittel aller Art

ölige Metallspä-

ne, Ölschlämme

mit PCB,

Schwermetalle;

Lösungsmittel-

rückstände; cya-

nidhaltige Abfälle

aus der Härterei

Entölen der Spä-

ne mit CKW,

Einführung der

Entgiftung und

Neutralisation

von Abwässern

4

1981 – Ge-

genwart

Bohr- und Schneid-

öle, Emulsionen,

Fungizide, Bakterizi-

de; Blei, Schwer-

metallsalze, BTEX,

Cyanide, Detergen-

tien.

ölige Metallspä-

ne, Ölschlämme,

Schwermetalle;

Lösungsmittel-

rückstände; cya-

nidhaltige Abfälle

aus der Härterei.

Verbot von ver-

schiedenen alt-

lastrelevanten

Stoffen, geregel-

te Abfallentsor-

gung

3

Branchenklasse 0: kein Gefährdungspotential Branchenklasse 1: Gefährdungspotential sehr gering Branchenklasse 2: Gefährdungspotential gering Branchenklasse 3: Gefährdungspotential mäßig Branchenklasse 4: Gefährdungspotential hoch Branchenklasse 5: Gefährdungspotential sehr hoch

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Branchenblatt Werkzeugfabriken Seite 9

Altlasten-Leitfaden Schleswig-Holstein: Erfassung Anhang 11

7 Literaturhinweise

BERNSDORF, G.: Auf heißen Spuren. Vom Schmieden, Löten, Schweißen. Leipzig,

1986.

HOFFMANN, M.: Handbuch der praktischen Werkstatt-Mechanik. Metall- und Holz-

dreherei. Wien, Leipzig, 1925.

LOSS, A.: Handbuch der Dreherei. Leipzig, 1920.

LUEGER, O. (HRSG.): Lexikon der gesamten Technik und ihrer Hilfswissenschaf-

ten, Band 4, 2. neu bearbeitete Auflage. Deutsche Verlagsanstalt, Stuttgart und

Leipzig, 1904.

MEINCK, F.; STOOFF, H.; WELDERT, R.: Industrie-Abwässer. Schriftenreihe des

Vereins für Wasser-, Boden- und Lufthygiene, Band 6. Stuttgart, 1953.

MOMMERTZ, K. H.: Bohren, Drehen und Fräsen. Geschichte der Werkzeugma-

schinen. Rowohlt Verlag, Reinbek, 1981.

ROHR, B.; WIELE, H. (HRSG.): Lexikon der Technik. VEB Bibliographisches Insti-

tut, Leipzig, 1982.

SACHS; EISBEIN; KUNTZE; LINICUS: Spanlose Formung der Metalle. Mitteilungen

der Deutschen Materialprüfanstalten, Sonderheft 16. Berlin, 1931.

SPRINGER, W.: Der Weg zur modernen Bohrmaschine. Bartholdy & Klein, Berlin,

1941.

STAU, C. H.: Die Drehmaschinen, Drehbänke und verwandte Werkzeugmaschinen.

Berlin, Göttingen und Heidelberg, 1963.

STEINBRINGS; MAIER: Der praktische Maschinenschlosser und Mechaniker. Ber-

lin, 1942.

VEREIN DEUTSCHER MASCHINENBAU-ANSTALTEN (HRSG.): Spezialisierung,

Präzision, Qualität. Maschinenbau-Verlag, Frankfurt, o.J..

WEINER, R.: Die Abwässer der Metallindustrie (Metallverarbeitende und galvano-

technische Betriebe), 3. erweiterte Auflage. Eugen Leuze Verlag, Saulgau, 1965.

WITTMANN, K.: Die Entwicklung der Drehbank. Berlin, 1941 (2. Auflage: Düsseldorf

1960).

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Altlasten-Leitfaden Schleswig-Holstein: Erfassung Anhang 11 Histinvest – Dr. Klaus Schlottau, Bremen

Branchenblatt Wollwäschereien und Hautwollfabriken

Inhaltsverzeichnis Seite 1 Bezeichnung der Branche 2 2 Historischer Überblick 2 3 Allgemeiner Verfahrensablauf 4 3.1 Wollwäscherei 4 3.2 Hautwollfabrik 6 4 Umweltrelevante Verfahrens- und Produktionsschritte sowie Ver-

unreinigungspotentiale 7 5 Gesetzliche Ausführungsvorschriften für verwendete Stoffe/

Stoffgruppen 8 6 Altlastrelevante/altlastirrelevante Nutzungszeiträume 8 7 Literaturhinweise 9 Abb. 1: Waschmaschine für Wolle und kurze Haare um 1925 (Quelle: BORG-

MANN; KRAHNER; FRIEDENTHAL).

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Branchenblatt Wollwäschereien und Hautwollfabriken Seite 2

Altlasten-Leitfaden Schleswig-Holstein: Erfassung Anhang 11

1 Bezeichnung der Branche

Wollwäschereien und auch Hautwollfabriken sind Vorstufen der Spinnerei einer

Tuchfabrik. Während der Industrialisierung im 19. Jahrhundert entstanden vollstufi-

ge Tuchfabriken, die die Spinnerei, Weberei, Färberei und Appretur unter einem

Dach vereinigten (vgl. Branchenblatt Tuchfabriken).

Die Wollwäscherei war Bestandteil der Spinnerei und diente der Reinigung der ro-

hen Wolle, die mit Stroh, Heu, Kot, Urin und Erde verunreinigt war. In der Wäscherei

wurde die in Ballen gepresste Importwolle von Reißmaschinen aufgerissen, gelo-

ckert und dann mit Hilfe von warmem Wasser, Laugen und Lösungsmitteln gerei-

nigt. Cellulose, z.B. Heu und Stroh oder Holzstückchen wurden durch den Einsatz

von Chlordämpfen entfernt. Das Wollfett wurde mit Hilfe von Benzin aufgelöst und

durch Redestillation des Lösungsmittels zurückgewonnen. Im Anschluss wurden

verschiedene Wollqualitäten sortiert und Chargen je nach Faserqualität, Faserlänge

und Faserfarbe sortiert oder in Reiß- und Mischwölfen zu Partien zusammenge-

mischt. Selbständige Wollwäschereien wurden in der Regel als Lohnbetriebe ge-

führt. Die Wolle wird vom Kunden angeliefert und nach der Reinigung als Flocken-

ware wieder zurückgenommen. Gegebenenfalls wurden auch Sortierungen oder

Mischungen vorgenommen, ohne jedoch bereits die Wolle zu krempeln, also eine

Spinnvorstufe herzustellen.

In der Hautwollfabrik wird Wolle gewaschen, die durch Einsatz von Chemikalien von

der Haut geschlachteter Tiere gelöst wurde. Gegenüber der Schurwolle war die

Qualität dieser Wollen meist schlechter, weil die Faser kürzer und ihre Struktur

durch den Einsatz sehr starker Laugen in der „Schwöde“ bzw. „Anschwöde“ be-

schädigt war. Die Wäsche der Wolle wurde auf die bereits zuvor beschriebene Wei-

se ausgeführt. Hautwollfabriken sind häufig in räumlicher Nähe zu Schaflederfabri-

ken entstanden, von denen sie den Rohstoff bezogen.

Wollkämmereien sind als Veredelungsbetriebe des Wollgroßhandels in der Nähe

von zentralen Wollimporthäfen entstanden. Sie umfassen neben der Wäsche der

Schurwolle die Zusammenstellung von aussortierten Wollqualitäten unterschiedli-

cher Provenienz, das Mischen der Wollen zu gleichmäßigen Partien sowie die Vor-

stufen der Spinnerei, gegebenenfalls auch die Spinnerei und Färberei.

Wollwäschereien, Hautwollfabriken und Wollkämmereien sind seit dem Ersten Welt-

krieg fast immer selbständige Einrichtungen. Nur in Ausnahmefällen und bei Groß-

betrieben der Tuchindustrie existieren sie weiter als Abteilung einer Fabrik. Sie ha-

ben in der Regel eine Belegschaftsstärke von 100 bis 500 Personen, Wollkämme-

reien in Einzelfällen bis zu 5.000 Personen.

2 Historischer Überblick

Wollwäschereien sind historisch eine Voraussetzung für die Spinnerei und damit

auch für das Tuchgewerbe gewesen. Städtische Zünfte besaßen zentralisierte Wä-

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Branchenblatt Wollwäschereien und Hautwollfabriken Seite 3

Altlasten-Leitfaden Schleswig-Holstein: Erfassung Anhang 11

schereien, in denen die Wolle für die selbständigen oder „verlegten“ Spinner gewa-

schen wurde. Tuchmanufakturen besaßen grundsätzlich eigene Wäschereien.

Die Wolle wurde zumeist in stehenden Gewässern eingeweicht oder mit Stangen in

gemauerten Gräben bewegt (siehe Abb. 2). In vielen Fällen wurde dann die Kraft

und Mechanik einer Walkmühle genutzt, um die Wolle nach dem Einweichen zu

waschen. Waschmaschinen im heutigen Sinne entstanden für diesen Gewerbe-

zweck am Ende des 18. Jahrhunderts in vielerlei Form. Wollwaschmaschinen sind

allerdings anders konstruiert als Waschmaschinen für Tuche.

Abb. 2: Luftbildaufnahme von einer Hautwollfabrik aus den 1950er Jahren, der

Pfeil weist auf die Grubenanlage (Quelle: STADTPLANUNG NEUMÜN-

STER).

Die Maschinenausstattung einer modernen Wollwäscherei des 20. Jahrhunderts

umfasste neben der Waschmaschine Reißwölfe, Karbonisieranlagen für die Entfer-

nung von Heu und Stroh sowie Entfettungs-, Destillier- und Trockenanlagen. Trotz

des scheinbar hohen Anteils maschineller Arbeit hatten die Wollwäschereien einen

großen Arbeitskräftebedarf, weil die Rohwolle häufig sortiert und nach Qualitäten

gepackt werden musste.

Mittelgroße und große Tuchfabriken des 19. und des beginnenden 20. Jahrhunderts

hatten in der Regel eine eigene Wollwäscherei. Sie bezogen die importierte Wolle in

gepressten Ballen, sortierten die Ware, stellten Farb- und Faserpartien zusammen

und verarbeiteten diese dann jeweils gesondert.

Neben diesen Abteilungen in Tuchfabriken gab es weiterhin kleinere und mittlere

Lohnwäschereien, die für kleine Tuchfabriken tätig waren. Am Ende des 19. Jahr-

hunderts gründeten die führenden Großhändler der Branche eigene Wollwäscherei-

en, in denen die rohe Wolle in großem Umfang und mit Qualitätsmischungen, die

auch für große Tuchfabriken mit einem zu hohen Einkaufsaufwand verbunden ge-

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Branchenblatt Wollwäschereien und Hautwollfabriken Seite 4

Altlasten-Leitfaden Schleswig-Holstein: Erfassung Anhang 11

wesen wären, veredelt wurde. Diese Wäschereien bestanden nicht nur aus den bis-

her genannten Abteilungen für das Sortieren, Reinigen, Reißen und Mischen, son-

dern hatten auch eigene Krempeleien, teils sogar Spinnereien. Es handelte sich

hierbei zumeist um Großbetriebe, die sich zum Teil als „Wollkämmereien“ bezeich-

neten.

Zur gleichen Zeit, als sich die großen Kämmereien entwickelten, dehnte sich auch

die Lederindustrie stark aus. Es entstanden Lederfabriken, die täglich bis zu 30.000

Schafshäute verarbeiteten. Die Häute waren bei der Anlieferung noch behaart, so

dass eine Abteilung der Lederfabriken, die Wasserwerkstatt, nur damit beschäftigt

war, die Haare mit einem speziellen Verfahren („Anschwöde“) zu entfernen. Das

Produkt dieser Tätigkeit ist die sogenannte „Hautwolle“.

Hautwolle ist, wie bereits erwähnt, kürzer als Schurwolle und hat, da die Wurzel

ebenfalls aufgelöst wird, einen höheren Anteil an Wollfett. Die Reinigung dieses

Nebenproduktes der Lederindustrie wurde von Hautwollfabriken, die in der Regel

selbständig waren und sich in der Nähe der Lederindustrie ansiedelten, übernom-

men. Im Zuge des Niedergangs der Lederindustrie in Schleswig-Holstein bis zum

Anfang der 1970er Jahre stellten auch die Hautwollfabriken ihren Betrieb ein.

Während des Ersten Weltkrieges wurde die gesamte Textilindustrie der Leitung der

damaligen „Kriegs-Woll AG“ unterstellt, um eine gleichmäßige Versorgung für die

Militäreinheiten sicherzustellen. Dies bedeutete, dass insbesondere die Woll-

wäschereien und -kämmereien des Großhandels, die ohnehin bereits den größten

Teil des Handels und der Vorarbeiten dominierten, die Verteilung anführten. Diese

Zentralisierung wirkte sich auch nach dem Krieg noch aus: kleinere Wollwäscherei-

en hatten ihren Betrieb aus Arbeitsmangel einstellen müssen, Tuchfabriken den

Wäschereibetrieb aufgegeben, weil die Zwangsbewirtschaftung zu einer Belieferung

mit bereits vorgewaschener Wolle geführt hatte. Während der 1920er Jahre und der

folgenden Jahrzehnte bauten die Wollkämmereien ihre Position durch weitere Ver-

edelungen aus. Daneben konnten sich die Hautwollfabriken behaupten, weil der von

ihnen benötigte Rohstoff nicht durch den Wollgroßhandel monopolisiert worden war.

In der Gegenwart sind Wollwäschereien, Hautwollfabriken und Kämmereien mit ei-

ner Ausnahme in Deutschland nicht mehr vertreten. In den Herkunftsländern der

Wolle (Australien oder Asien) wird die Wolle kostengünstiger gewaschen, gekrem-

pelt und vorgesponnen.

3 Allgemeiner Verfahrensablauf

3.1 Wollwäscherei

In der Wollwäscherei werden alle Tätigkeiten ausgeführt, die dazu dienen, aus der

rohen, fettigen und schmutzigen Schurwolle eine saubere, fettfreie und lockere Woll-

flocke für den Einsatz in der Spinnerei herzustellen.

In der Wollwäscherei hatte sich für die Wollreinigung der sogenannte „Holländer“

bewährt. Er bestand aus einer langovalen Wanne, die in der Mitte mit einer Trenn-

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Branchenblatt Wollwäschereien und Hautwollfabriken Seite 5

Altlasten-Leitfaden Schleswig-Holstein: Erfassung Anhang 11

wand versehen war. Zwischen der Außenwandung und der Trennwand waren ein

oder zwei Reißmaschinen installiert, die als gegenläufiges Walzenpaar arbeiteten.

Durch kontinuierliche Bewegung wurde nach und nach der gesamte Inhalt des Hol-

länders immer wieder im Kreis bewegt und von den Walzen bearbeitet. Die Maschi-

nen wurden mit der Zeit immer größer und hatten einen ständig wachsenden Kraft-

bedarf. In den 1920er Jahren waren sie unter der Bezeichnung „Leviathan“ bekannt.

Abb. 3: Wollwäscherei um 1929 (Quelle: RUPPERT).

Cellulosefasern (Holz, Stroh etc.), die sich häufig in der Wolle der Tiere verfingen,

wurden seit dem zweiten Drittel des 19. Jahrhunderts, nachdem das Soda-

Verfahren genügend Chlor und Salzsäure für industrielle Zwecke zur Verfügung

stellte, in einer Karbonisieranlage mit Chlordampf aus kochender Salzsäure aufge-

löst. Mit dem freien Chlor wurde zugleich eine Bleichung der Wolle erreicht.

Im Anschluss wird das Wollfett (Lanolin) entfernt. Zu diesem Zweck werden fettlö-

sende Zusätze, Seifen oder organische Lösungsmittel, in der Gegenwart zuneh-

mend Tenside, eingesetzt. Sofern das Fett an die pharmazeutische Industrie ver-

kauft werden sollte, wurde es häufig mit Benzin ausgewaschen, das später durch

feuersichere Lösungsmittel (Tri- und Tetrachlorethylen) ersetzt wurde. Das im Ben-

zin gelöste Fett wurde durch Redestillation des Waschbenzins gewonnen und ver-

kauft. Der Übergang zur weniger feuergefährlichen Wäsche mit halogenierten Koh-

lenwasserstoffen Ende der 1930er Jahre wurde nur von wenigen, großen Tuchfabri-

ken oder Wollwäschereien vollzogen, da durch den nachwirkenden Einfluss der

„Kriegs-Woll AG“ die Wollimporteure die Wolle zentral waschen, entfetten und mi-

schen ließen.

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Branchenblatt Wollwäschereien und Hautwollfabriken Seite 6

Altlasten-Leitfaden Schleswig-Holstein: Erfassung Anhang 11

3.2 Hautwollfabrik

Mit dem Beginn des 20. Jahrhunderts setzte die Industrialisierung der Lederherstel-

lung ein und die Lederindustrie dehnte sich stark aus. Neben den Rinds- und

Schweinslederfabriken entstanden Schafslederfabriken, die täglich bis zu 30.000

Häute verarbeiteten. Lederfabriken dieser Größe waren auf den Import angewiesen,

um ihren Häutebedarf zu decken. Sofern es sich bei der Importware der Lederfabri-

ken um getrocknete Häute aus unkontrollierten Schlachtungen insbesondere des

südamerikanischen und ostasiatischen Raumes handelte, ist ebenso wie in den

Lederfabriken das Auftreten von Milzbrandsporen auch in den Hautwollfabriken

möglich, da nicht auszuschließen ist, dass noch Sporen an der Rohwolle hafteten.

In der Wasserwerkstatt dieser Lederfabriken wurde das sogenannte „Anschwöde-

verfahren“ durchgeführt, das den Haarerhalt gewährleistete. Durch das Auftragen

einer ätzenden Mischung aus Kalk und Schwefelnatrium auf der Fleischseite wur-

den nach kurzer Einwirkzeit die Haarwurzeln aufgelöst, und die „Hautwolle“ konnte

manuell mit einem Schabeisen oder maschinell entfernt werden. Neben dem zuvor

beschriebenen Anschwödeverfahren gab es auch die sogenannte „Arsenikschwöde“

mit Schwefelarsen.

Abb. 4: Entfernen der Hautwolle mit dem Schabeisen um 1915 (Quelle:

STADTARCHIV NEUMÜNSTER).

Die Wäsche der Haarwolle wurde auf die gleiche Weise wie in der Wollwäscherei

mit Hilfe großer Reißwölfe und Waschmaschinen, „Leviathanen“, durchgeführt. Dies

gilt auch für das Entfernen des Wollfettes (Lanolin) mit organischen Lösungsmitteln

(heute Tenside). Auch hier wurde das Fett, sofern es an die pharmazeutische In-

dustrie verkauft werden sollte, häufig mit Benzin raffiniert, das später durch feuersi-

chere Lösungsmittel (Tri- und Tetrachlorethylen) ersetzt wurde. Das gelöste Fett

wurde durch Redestillation des Waschbenzins gewonnen und verkauft, das Benzin

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Branchenblatt Wollwäschereien und Hautwollfabriken Seite 7

Altlasten-Leitfaden Schleswig-Holstein: Erfassung Anhang 11

erneut eingesetzt. Der Übergang zur Wäsche mit halogenierten Kohlenwasserstof-

fen Ende der 1930er Jahre wurde von den Hautwollwäschereien vollzogen, da sich

die Benzinbrände in Trockenkammern und Schleudern zu einem erheblichen Kos-

tenfaktor entwickelt hatten.

4 Umweltrelevante Verfahrens- und Produktionsschritte sowie Verunreinigungspotentiale

Das Waschen der Wolle ist mit einem hohen Anteil an organischen Stoffen im Spül-

wasser verbunden, welches zusammen mit der großen Menge benötigten Wassers

in die Kläranlage oder in die Vorfluter abgelassen wurde. Hauptsächlich ist jedoch

die Entfettung mit Benzin und später CKW für das Gefährdungspotential dieses Ar-

beitsschrittes verantwortlich. Die Lösungsmittel wurden grundsätzlich redestilliert,

um das Wollfett zu erhalten.

Vor dem Ersten Weltkrieg hatte vermutlich jede größere Tuchfabrik eine eigene

Wollwäscherei. Zusätzlich gab es in den Textilzentren weitere selbständige Wollwä-

schereien. Für die kleineren und mittleren Betriebe war jedoch der apparative Auf-

wand zu groß und das Brandrisiko zu hoch, um mit dem Leichtbenzin, das erst seit

wenigen Jahrzehnten verfügbar und zudem teuer war, die Wolle zu entfetten. Die

traditionell eingesetzten Seifen waren risikolos, billig und leicht zu beschaffen. Das

branchentypische Schadstoffpotential war daher gering.

Die Wollwäschereien, die nach dem Ersten Weltkrieg noch existierten, waren so

groß, dass der apparative Aufwand und die erhöhte Versicherungsprämie gegen-

über dem Ertrag des Wollfettes vernachlässigbar wurden. Wollwäschereien, Woll-

kämmereien und Hautwollfabriken, die zwischen den 1920er und den 1970er Jahren

existierten, haben mit Sicherheit eine Entfettung mit Lösungsmitteln betrieben. In

Analogie zu den Chemischen Reinigungen wurden dafür spätestens seit dem Ende

der 1930er Jahre schwer entflammbare halogenierte Kohlenwasserstoffe (CKW) für

die Entfettung benutzt.

Hautwollfabriken gibt es seit dem Ende der Lederindustrie in Schleswig-Holstein

Ende der 1960er Jahre nicht mehr. Die großen Wollkämmereien haben bundesweit

ebenfalls seit den 1970er Jahren bis auf eine letzte im Bundesland Bremen ihre

Produktion eingestellt.

Das Entfettungsverfahren wurde wegen des großen Umweltgefährdungspotentials

und des teilweisen Verbotes der oben genannten Lösungsmittel wieder auf Deter-

gentien umgestellt, denen das Fett durch Desemulgatoren entzogen wird.

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Branchenblatt Wollwäschereien und Hautwollfabriken Seite 8

Altlasten-Leitfaden Schleswig-Holstein: Erfassung Anhang 11

5 Gesetzliche Ausführungsvorschriften für verwendete Stoffe/Stoffgruppen

Für Wollwäschereien und Hautwollfabriken liegen keine speziellen Ausführungsvor-

schriften vor.

Tabelle 1 Altlastrelevante Stoffe und ihr zeitlicher Einsatz

Stoff Nutzung Verstärkte An-

wendung ab Verwendungsbe-

schränkung/ Verbot

CKW/LCKW.1 Lösungsmittel für Fette. ca. 1940 1981/1986 (zum Teil)

1 9/1981 Technische Regel für gefährliche Arbeitsstoffe TrgA 502: Verwendungsbeschrän-

kung für Tetrachlorkohlenstoff; 21.4.1986 2.BImSchV: Verordnung zur Emissionsbeschränkung von leichtflüchtigen Halogenwasserstoffen, Anwendungsbeschränkungen 1990 in der Neufassung verschärft.

6 Altlastrelevante/altlastirrelevante Nutzungszeiträume

Gewerbliche Wollwäschereien nutzten bei entsprechendem Umsatz schon vor dem

Ersten Weltkrieg Leichtbenzin als Lösungsmittel, mit Äther wurde experimentiert.

Ein nachhaltiges Gefährdungspotential ist Betrieben aus dieser Zeit nicht zuzuord-

nen.

Während des Ersten Weltkrieges wurden fast alle Wollwäschereien und Haut-

wollfabriken stillgelegt. Nur die Großbetriebe produzierten weiter. Aus Mangel an

Waschbenzin oder Ersatzstoffen wurde die Entfettung mit Laugen durchgeführt.

Nach dem Krieg und während der Weimarer Republik nutzten die Betriebe weiterhin

überwiegend Leichtbenzin und gelegentlich Chlorkohlenwasserstoffe.

In der Vor- und Nachkriegszeit des Zweiten Weltkrieges bis zum Ende der 1960er

Jahre als das Ende der westdeutschen Lederindustrie besiegelt war und auch die

Textilindustrie langsam niederging, wurden fast ausschließlich CKW zur Entfettung

herangezogen.

Gegenwärtig gibt es nur noch sehr wenige Betriebe dieser Branche. Sie haben die

Entfettung der Wolle wieder auf Detergentien umgestellt und sehr große Investitio-

nen hinsichtlich der Abwasserbehandlungsanlagen getätigt.

Bei der Bewertung der Hautwollfabriken ist zusätzlich auf die Herkunft der Rohwolle

zu achten. Sofern getrocknete Häute aus unkontrollierten Schlachtungen insbeson-

dere des südamerikanischen oder ostasiatischen Raumes verarbeitet wurden, ist

das mögliche Auftreten von Milzbrandsporen zu beachten. Dies betrifft insbesonde-

re den Zeitraum von ca. 1910 bis zum Ende der 1930er Jahre. Während des Zwei-

ten Weltkrieges ging der Import von Rohhäuten fast vollständig zurück, so dass nur

inländische Wolle verarbeitet wurde, für die kein Verdacht einer mikrobiologischen

Verunreinigung besteht.

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Branchenblatt Wollwäschereien und Hautwollfabriken Seite 9

Altlasten-Leitfaden Schleswig-Holstein: Erfassung Anhang 11

Tabelle 2 Zusammenfassung aller altlastrelevanten Aspekte und Zuordnung zu

den Branchenklassen SH

Zeitspanne Hilfsstoffe Nebenprodukte Altlastrelevante

Aspekte Branchenklasse

SH

Wollwä-

scherei-

en

Haut-

wollfab-

riken

bis 1918 Hauptsächlich

Seifen, Was-

ser, Laugen,

z.T. Benzin

Schlämme, ge-

ringe Mengen

Lanolin

keine Abwasser-

anlagen; mögli-

che Milzbrand-

sporen in Haut-

wollfabriken

0 2

1919 – 1940 z.T. Seifen,

Wasser,

hauptsächlich

Benzin, Lau-

gen

Schlämme, La-

nolin

mangelnde Ab-

wasseranlagen,

geschlossene

Entfettungsanla-

gen, mögliche

Milzbrandsporen

in Hautwollfabri-

ken

0 2

1941 – ca.

1970

Seifen, Was-

ser, Säuren,

Laugen,

hauptsächlich

CKW, Benzin

Schlämme, La-

nolin

Infolge der

Kriegswirtschaft

zeitweise ohne

Überwachung;

Handhabungs-

verluste bei der

Redestillation

4 4

Branchenklasse 0: kein Gefährdungspotential Branchenklasse 1: Gefährdungspotential sehr gering Branchenklasse 2: Gefährdungspotential gering Branchenklasse 3: Gefährdungspotential mäßig Branchenklasse 4: Gefährdungspotential hoch Branchenklasse 5: Gefährdungspotential sehr hoch

7 Literaturhinweise

BACHMANN, A: Das deutsche Wäscherei- und Plättereigewerbe seit 1914. o.O,

1931.

BECKER, E.: Die gewerblichen Wäschereien. Mänicke & Jahn, Rudolstadt, 1915.

BETHMANN, H.: Kurzer Abriß der Spinnerei, Weberei und Appretur: Für Studieren-

de an technischen Anstalten, Techniker und Industrielle, 2. Auflage. Leiner, Leipzig,

1911.

BORGMANN, J.; KRAHNER, O.; FRIEDENTHAL, H. (HRSG.): Die Lederfabrikation,

Praktische Handbücher für die gesamte Lederindustrie. Band V: Die Mineralger-

bung. Verlag M. Krayn, Berlin, 1925.

DIX, A.: Industrialisierung und Wassernutzung: eine historisch-geographische Um-

weltgeschichte der Tuchfabrik Ludwig Müller in Kuchenheim. Rheinland-Verlag,

Köln, 1997.

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Branchenblatt Wollwäschereien und Hautwollfabriken Seite 10

Altlasten-Leitfaden Schleswig-Holstein: Erfassung Anhang 11

GANSWINDT, A.: Die Wolle und ihre Verarbeitung: enthaltend die gesamte Wollwä-

scherei und Karbonisation, das Chloren der Wolle und die mechanische und chemi-

sche Technologie der Woll-Bleicherei und –Färberei. Chemisch-technische Biblio-

thek, Band 361. Hartleben, Wien, 1919.

JERCHOW, F.: Die Geschichte der Bremer Woll-Kämmerei zu Blumenthal (1883 –

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KOCH, D.: Lexikon für Textilreiniger: Zusammenstellung aller stoffkundlichen, che-

mischen, technischen und Praxis-Begriffe für Wäscherei, Chemischreinigung, Fär-

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RUPPERT, W.: Die Fabrik. Geschichte von Arbeit und Industrialisierung in Deutsch-

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ULLMANN, FRITZ (HRSG.): Enzyklopädie der technischen Chemie, 2., völlig neu

bearbeitete Auflage. Urban & Schwarzenberg, Berlin und Wien, 1930.

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Altlasten-Leitfaden Schleswig-Holstein: Erfassung Anhang 11 Histinvest - Dr. Klaus Schlottau, Bremen

Branchenblatt Zimmerei

Inhaltsverzeichnis Seite 1 Bezeichnung der Branche 2

2 Historischer Überblick 2

3 Allgemeiner Verfahrensablauf 3

4 Umweltrelevante Verfahrens- und Produktionsschritte sowie Verun-

reinigungspotentiale 4

4.1 Schwermetallhaltige Universalimprägnierungen 4

4.2 Organische Imprägnierungen 5

4.3 Organische Säuren 5

4.4 Chlorierte Kohlenwasserstoffe, Chlornaphthalin 6

4.5 Organometalle 6

4.6 Sonstige 7

5 Gesetzliche Ausführungsvorschriften für verwendete Stoffe/Stoffgruppen 7

6 Altlastrelevante/altlastirrelevante Nutzungszeiträume 9

7 Literaturhinweise 11 Abb. 1: Windmühlen- bau als Spezial- gebiet der Zim- merei um 1900 (Quelle: GESELL- SCHAFT FÜR VOLKSKUNDE SH).

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Branchenblatt Zimmerei Seite 2

Altlasten-Leitfaden Schleswig-Holstein: Erfassung Anhang 11

1 Bezeichnung der Branche

Die Tätigkeit einer Zimmerei besteht hauptsächlich in der Bearbeitung von Stamm-

und Profilhölzern mit dem Ziel, konstruktive Elemente des Haus- und Gebäudebaus,

Gerüstbauten sowie einfache Innenausbauten anzufertigen. Zu den Arbeitsschwer-

punkten gehören insbesondere der tragende Fachwerksbau traditioneller Ständer-

gebäude, Blockbauten, die Holzrahmenbauweise moderner (Fertig-)Häuser sowie

die Konstruktion und der Bau von Dachstühlen.

Gegenwärtig übernehmen viele Zimmereibetriebe als Subunternehmen auch den

Gerüstbau sowie den Verschalungsbau bei Betonbauten.

Die Zimmerei unterscheidet sich hinsichtlich der Produktionsweise und der Produkte

grundsätzlich von der Tischlerei. Zimmereien haben deutlich mehr Personal und

erstellen zumeist vor Ort Konstruktionsteile von Gebäuden, während Tischlereien

immer über Werkstätten verfügen und hauptsächlich für die Inneneinrichtung sowie

den Trockenausbau zuständig sind.

2 Historischer Überblick

Für den traditionellen Hauptarbeitsbereich der Zimmerer, den Haus- und Dachstuhl-

bau, waren lange Zeit im Prinzip nur Sägen, Breitbeile, Queräxte, Beitel und einfa-

che Bohrer erforderlich. Solange die Bauten nicht mit tragenden Steinwänden im

Außen- und Innenbereich ausgestattet waren, wurden auch Decken und Fußböden

von den Zimmerleuten eingebaut.

Die Bearbeitung der Stämme zu Balken, Brettern und Bohlen sowie die Herstellung

der Konstruktionshölzer erforderte eine große Belegschaft, insbesondere um die

schweren Balken und Gebinde ohne Hilfe von Kränen zu bewegen bzw. aufzurich-

ten. Städtische Zimmereien hatten daher bereits am Ende des 19. Jahrhunderts

durchschnittlich mehr als 50 Belegschaftsmitglieder. Sie entwickelten sich im 20.

Jahrhundert häufig zu Bauunternehmen weiter. Zimmereien auf dem Lande hinge-

gen beschäftigten zur gleichen Zeit nur durchschnittlich 10 – 15 Betriebsangehörige.

Zimmereien gehören zu den witterungsabhängigen Baubetrieben. Sie sind insbe-

sondere von den Vorarbeiten der Maurer abhängig, die bei Frost nicht arbeiten kön-

nen. Daher wurde ein Teil der Mitarbeiter regelmäßig entlassen oder im Winter mit

dem Einschlag des benötigten Bauholzes sowie dessen Grobbearbeitung beschäf-

tigt. Hierfür war ein ausreichend großer Lagerplatz sowie ein Schuppen zum Aufbe-

wahren der Werkzeuge erforderlich.

Im Zuge der Urbanisierung am Ende des 19. Jahrhunderts stellten viele größere

Zimmereien Dampfmaschinen auf, um eine Gattersäge und verschiedene andere

Holzbearbeitungsmaschinen anzutreiben. Eine weitere Folge der Landflucht zu die-

ser Zeit war auch der Bau standardisierter Siedlungshäuser in den Neubaugebieten

der Städte. Hierdurch verlagerte sich ein großer Teil der Holzbearbeitung auf den

Werkhof der Zimmerei: gleichartige Wand- und Dachkonstruktionen (Gebinde) wur-

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Branchenblatt Zimmerei Seite 3

Altlasten-Leitfaden Schleswig-Holstein: Erfassung Anhang 11

den serienweise auf dem sogenannten „Abbindeplatz“ zusammengefügt, impräg-

niert und nach Bedarf zur Baustelle transportiert, um dort miteinander verbunden zu

werden.

Die Zimmerei hat sich somit im vergangenen Jahrhundert immer weiter zu einem

standortfesten Gewerbe entwickelt. Gegenwärtig werden die benötigten Hölzer be-

reits fertig imprägniert von den Sägewerken angeliefert und auf den Abbindeplätzen

weiterverarbeitet. Nur die neu entstehenden Schnittflächen werden dort noch im-

prägniert.

3 Allgemeiner Verfahrensablauf

Das benötigte Material wurde bis zum Ende des 19. Jahrhunderts von den Zimme-

reien entweder direkt aus den Sägewerken bezogen oder auf dem Werkhof von

Hand mit der Säge oder der Axt bearbeitet, um dann auf dem Bauplatz seine end-

gültige Form und Länge zu erhalten. Größere Zimmereien beschafften sich wie

oben angeführt Ende des 19. Jahrhunderts eigene Gatter- und Kreissägen, die zu-

nächst von Dampfmaschinen, später auch von Elektromotoren, angetrieben wurden.

Nach der Grobbearbeitung wird das Material auf der Baustelle oder auf dem Werk-

hof im Bereich des Abbindeplatzes weiterverarbeitet. Ist das erste Gebinde eines

Gebäudes auf dem Abbindeplatz liegend fertiggestellt, werden nach diesem Muster

weitere Gebinde darüberliegend hergestellt. Abweichungen oder Fehler sind auf

diese Weise sofort sichtbar.

Vor dem Verbau wurden die Gebinde früher zumeist noch gegen Feuchtigkeits-

schäden und Schädlingsbefall imprägniert, indem mit Pinseln oder Sprühgeräten

wasserlösliche Schwermetallsalze, Teere, Holzteere oder chlororganische Schäd-

lingsbekämpfungsmittel aufgetragen wurden. Imprägnierungsmittel auf Basis von

Schwermetallen oder organischen Verbindungen sind zwar bereits mindestens seit

dem 17. Jahrhundert bekannt, wurden aber bis zum Ende des 19. Jahrhunderts fast

ausschließlich nur auf dem Bauplatz eingesetzt. Erst die Konzentration der Anwen-

dung auf einen immer wieder für diese Zwecke genutzten Platz auf dem Betriebsge-

lände (Abbindeplatz) Anfang des 20. Jahrhunderts schuf ein nachhaltiges Gefähr-

dungspotential.

Seit Beginn des 20. Jahrhundert werden von großen Sägewerken sowie Holzgroß-

händlern auch fertig imprägnierte Balken, Latten und Bohlen angeboten. Diese Pro-

dukte setzten sich jedoch erst Ende der 1960er Jahre als Standard durch. Heute

werden die Balken und andere Zuschnitte bereits fertig gesägt und imprägniert bei

den Zimmereien bzw. den Baustellen angeliefert.

Diese oftmals gefärbten Hölzer sind mit Schwermetallsalzen gegen Pilze und Insek-

tenfraß geschützt und zugleich feuerhemmend ausgestattet. Die Salze werden

durch Über- oder Unterdruck in die Holzstruktur eingebracht und sind geruchsneut-

ral. Imprägnierungen mit organischen Lösungsmitteln, die zum Einen nur langsam

verdunsten und zum Anderen fast immer auch brennbar bzw. brandfördernd sind,

werden für die Verarbeitung in Wohn- oder Geschäftsgebäuden grundsätzlich nicht

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eingesetzt. Insbesondere Imprägniermittel auf Basis von Teer, Holzteer, Kreosot

oder Phenol sind brandfördernd und geruchsintensiv; da diese Mittel aber zugleich

wasserabweisend sind, werden sie allerdings gerne für Konstruktionen eingesetzt,

die dem Grundwasser, dem Regen- oder dem Spritzwasser ausgesetzt sind, wie

z.B. Gerüste, Brückenbauwerke, Schwellen, Grundbalken oder hölzerne Gittermas-

ten für Stromleitungen.

4 Umweltrelevante Verfahrens- und Produktionsschritte sowie Verunreinigungspotentiale

Als umweltrelevante Verfahrensschritte sind insbesondere die o.g. Imprägnierungen

gegen Pilze, Insektenfraß und Feuer anzusehen. Durch die verwendeten Stoffe

können das Grundwasser und der Boden im Bereich der Abbindeplätze und der

Imprägnieranlagen verunreinigt worden sein. Aufgrund der Verlagerung der Haupti-

mprägnierarbeiten in die Sägewerke hat die Bedeutung dieses Eintragspfades er-

heblich abgenommen, da nur noch geringe Mengen dieser Stoffe in den Zimmereien

beim Nachbehandeln von Schnittflächen zum Einsatz kommen.

Das Verbrennen von Holzresten und Spänen des imprägnierten Holzes in Kesselan-

lagen führte zu schwermetallbelasteten Aschen und Schlacken, die häufig auf dem

Betriebsgelände verteilt wurden. Verunreinigungen durch Mineralöle im Bereich der

Maschinenanlagen, insbesondere der Gattersägen, wurden zumeist durch Späne

aufgefangen, die wiederum in die Verbrennung gelangten.

Des Weiteren ist im Falle von neuzeitlichen Großbetrieben von einem umfangrei-

chen Fuhrpark mit entsprechender Betriebshofproblematik auszugehen.

4.1 Schwermetallhaltige Universalimprägnierungen

Universalimprägnierungen für alle o.a. Zwecke wurden früher sowohl durch Bestrei-

chen bzw. Besprühen im handwerklichen oder kleingewerblichen Bereich, als auch

durch Kesselanlagen in größeren Zimmereien, die mit Hitze, Über- und Unterdruck

arbeiteten, durchgeführt.

Imprägnierstoffe sind in der Regel wasserlösliche Schwermetallsalze (Kupfer, Zink,

Chrom, früher auch Quecksilber und Arsen). Zumeist handelt es sich um Chloride

oder Sulfate, seltener um Fluoride, Boride oder Silikate. Unter einer Reihe von Han-

delsnamen (z.B. Basilit, Borax etc.) sind Kombinationspräparate im Gebrauch.

Mittel dieser Art werden in der Regel in Wohn- und Geschäftsgebäuden, Lagern und

anderen Gebäuden, in denen sich Menschen dauerhaft aufhalten, verwendet.

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4.2 Organische Imprägnierungen

Organische Verbindungen, die gegen Pilze und Insektenfraß schützen, haben zu-

meist einen beißenden Geruch und sind nicht feuerhemmend, so dass eine Ver-

wendung für die oben genannten Nutzungen nicht erfolgen kann.

Es handelt sich überwiegend um Teere, Teerprodukte, Petroleum, Naphthalin und

ähnliche Stoffe, die alleine oder in Kombination miteinander oder mit den oben ge-

nannten Schwermetallsalzen eingesetzt werden.

Holzteer wurde bereits seit dem 17. Jahrhundert verwendet, Destillate von Holz- und

Steinkohlenteer (Kreosot, Creolin etc.) kamen im Laufe des 18. und 19. Jahrhun-

derts hinzu. Diese Mittel wurden aber ebenso wie Petroleum und Naphthalin seit

Beginn des 20. Jahrhunderts durch Teeröldestillate mit niedrigerer Viskosität (Han-

delsnamen: Carbolineum, Xylamon usw.) verdrängt.

Diese Imprägniermittel können neben dem dünnflüssigen Destillat mehr oder minder

große Anteile von Naphthalin, Diphenyl, Pyren, Fluoranthen, Phenol sowie

N-haltigen Heterocyclen (Pyridin, Chinolin) enthalten.

4.3 Organische Säuren

Bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts wurde Essig (Holzessig, Weinessig) im Gemisch

mit Teerölen gegen Wurmfraß eingesetzt, hatte jedoch allein verwendet keine aus-

reichend persistente Wirkung, so dass der Einsatz mit dem Beginn des 20. Jahr-

hunderts endete.

Seit Mitte des 19. Jahrhunderts wurde die Stoffgruppe der Phenole vermehrt ge-

nutzt. Nachdem im Hygienebereich die Wirkung der Carbolsäure (wässrige Lösung

mit ca. 5 % Phenol) bereits bekannt war, wurde sie nachfolgend auch für den Holz-

schutz eingesetzt. Phenol wurde sowohl in Verbindung mit den bekannten Teerölen

als auch in Lösung mit Formaldehyd verwendet. Es ist als Fungizid wirksam, hat

aber keine anhaltende Wirkung.

Mit Beginn des 20. Jahrhunderts wurden Dinitrophenole in Kombination mit den

oben genannten Schwermetallsalzen z.B. unter dem Handelsnamen Basilit ULL

eingesetzt. Diese Mittel reagieren allerdings auf Metall stark korrosiv, so dass sie im

Konstruktionsbereich nicht mehr genutzt werden.

Als Ersatz wurde etwa seit den 1940er Jahren Pentachlorphenol (PCP) bis zu sei-

nem Anwendungsverbot 1986/89 in einer Lösung mit Ethanol oder Benzol einge-

setzt. Handelsnamen waren z.B. Preventol P, Dowicide 7 oder Hylotox IP.

Unter ähnlichen Handelsnamen gelangten insbesondere Natriumphenolate und

Biphenylphenolate in den Handel (Preventol-o-Extra, Dowicide A).

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4.4 Chlorierte Kohlenwasserstoffe, Chlornaphthalin

Seit 1923 wurde das bekannteste und im Heimwerkerbereich früher weit verbreitete

Holzimprägnierungsmittel „Xylamone“ (1-Chlornaphtalin in Ethanol) vertrieben.

Nachdem dieses Mittel, dem häufig auch Holzfärbemittel in diversen Tönungen so-

wie geringe Bestandteile an DDT beigemengt waren, wegen verschiedener Vergif-

tungserscheinungen und langanhaltender Geruchsbelästigung aufgefallen war, wur-

de seine Produktion und Nutzung in der Bundesrepublik eingestellt.

Etwa zur gleichen Zeit wie „Xylamone“ in Deutschland wurde in den USA das 1,4-

Dichlorbenzol als Holzschutzmittel entdeckt und, in Lösung mit Tetrachlorkohlen-

stoff, Benzol oder Xylol sowie in Kombination mit anderen chlorierten Wirkstoffen

(PCP, DDT, HCH), unter Handelsnamen wie Paracide, Paradow oder Fumigant-1 in

den Handel gebracht.

Das DDT (Dichlordiphenyltrichlorethan) war zwar bereits im 19. Jahrhundert ent-

deckt worden, seine Wirkung auf Holz- und Getreideschädlinge wurde jedoch erst

1939 bekannt. Im Reinzustand kam es unter dem Namen „Gesarol“ in den Handel.

Zusätzlich wurde es nach Lösung in Aceton oder Benzol vielen bereits bekannten

Holzschutzmitteln als weiterer Wirkstoff hinzugefügt. Die Nutzung von DDT ist in der

Bundesrepublik wegen seiner toxischen Wirkung und der Anreicherung im Gewebe

seit 1972 verboten, seit 1986 existiert ein Totalverbot.

Wegen ähnlicher Auswirkungen wurde zu Beginn der 1980er Jahre das Mittel

„Lindan“, Kurzbezeichnung -HCH (Gamma-Hexachlorcyclohexan) vom Markt ge-

nommen. Es wurde in Reinform oder im Gemisch z.B. unter folgenden Markenna-

men verkauft: Hylotox 59 sowie Xylamon-Holzwurmtod, und als Holzfestigungsmittel

zusammen mit aushärtenden Kunststoffen beispielsweise unter den Namen: Xyla-

mon LX oder Basileum LX vertrieben. Die Anwendung des früher ebenfalls im Holz-

schutz verwendeten technischen HCH (Isomerengemisch) wurde bereits seit 1974

schrittweise verboten.

4.5 Organometalle

Besondere Bedeutung haben hier die Organozinnverbindungen wie z.B. das TBTO

(Tributylzinnoxid). TBTO wurde nach Entdeckung seine bioziden Wirkung zu Beginn

der 1960er Jahre zusammen mit anderen Mitteln in Kombination eingesetzt und in

Holzschutzmitteln z.B. unter folgenden Handelsnamen in den Verkehr gebracht:

Xylamon-Braun, Kombinal TO etc..

Nachdem Tributylzinn-Verbindungen 1990 in sogenannten Antifouling-Farben ver-

boten wurden, werden gegenwärtig auch im Holzschutz andere Organometalle, be-

sonders auf Kupferbasis, eingeführt.

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4.6 Sonstige

Neben den angeführten Hauptgruppen existieren viele weitere Holzschutzmittel, von

denen die meisten starke Giftstoffe enthalten. Einige weitere gängige Wirkstoffzu-

sätze dieser Mittel sind:

Endosulfan;

Metallnaphthenate z.B. in Cuprinol;

Phosphorsäureester:

- Parathion: Handelsname E 605;

- Diazinon: Handelsnamen Basudin;

- Phoxim: Handelsname Baythion;

Sulfamide:

- Dichlofluanid und Tolylfluanid: Handelsnamen Euparen, Preventol-4; Xyla-

mon-farblos;

Carbamate:

- Bassa: Handelsname Basileum;

- Propoxur: Handelsname Baygon;

- Carbendazim: Handelsname Consolan;

Pyrethroide:

- Permethrin: Handelsnamen Deltox IC; Xylamon-Holzwurmtod;

- Furmecyclox: Handelsnamen z.B. Xyladecor 200.

Viele der genannten Mittel lassen sich zudem nur in Stoffen lösen, die ihrerseits ein

Gefährdungspotential beinhalten (z.B. BTEX, LCKW).

Zusammenfassend läßt sich die mögliche Schadstoffpalette somit folgendermaßen

charakterisieren:

Metall- und Schwermetallverbindungen, schwermetallhaltige Aschen und

Schlacken (u.a. Quecksilber, Kupfer, Zink, Zinn, Chrom, Arsen);

BTEX und LCKW als Lösungsmittel diverser Holzschutzmittel sowie CKW in

Form von z.B. Dichlorbenzol, DDT, Lindan (HCH) oder Endosulfan;

PAK aus Teer und Teerölen sowie deren Destillaten (Carbolineum etc.);

Phenole von der Carbolsäure bis hin zum Pentachlorphenol (PCP) sowie

Phenolate.

5 Gesetzliche Ausführungsvorschriften für verwendete Stoffe/Stoffgruppen

Für Zimmereien liegen keine branchenspezifischen Ausführungsvorschriften vor.

Allgemeine Bundesvorschriften sind der Tabelle 1 zu entnehmen.

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Tabelle 1 Altlastrelevante Stoffe und ihr zeitlicher Einsatz

Stoff Nutzung Verstärkte An-

wendung ab Verwendungsbe-

schränkung/ Verbot

BTEX1 Lösungsmittel diverser Im-

prägnierungsmittel ca. 1920 1986 (zum Teil)

DDT2 Einsatz in Imprägnierungsmit-

teln ca. 1940 1972/1986

LCKW3 Lösungsmittel diverser Im-

prägnierungsmittel ca. 1940 1981/1986 (zum Teil)

Lindan/HCH4 Einsatz in Imprägnierungsmit-

teln Ende der 1930er Jahre/Lindan ca. 1950

sukzessive seit 1974 beschränkt

Organozinn-Verbindungen

5

Einsatz in Imprägnierungsmit-teln für den Außenbereich

ca. 1960 1990

PCB (Polychlo-rierte Biphenyle)

6

Einsatz in Imprägnierungsmit-teln

ca. 1930 1978/1989

PCP (Pentachlor-phenol)

7

Einsatz in Imprägnierungsmit-teln

ca. 1930 1986/1989

Schwermetall-Verbindungen

8

Einsatz in Imprägnierungsmit-teln

historisch 1974/1997 (zum Teil)

Teeröle9 Einsatz als Imprägnierungs-

mittel im Außenbereich historisch 1991

1 26.8.1986 GefStoffV: Verwendungsbeschränkung für Benzol auf geschlossene Systeme.

2 07.08.1972 DDT-Gesetz: Anwendungsverbot, 1978 auch Herstellungsverbot

15.09.1986 DDT-Gesetz: Totalverbot 14.10.1993 ChemVerbotsV 3 9/1981 Technische Regel für gefährliche Arbeitsstoffe TrgA 502: Verwendungsbeschrän-

kung für Tetrachlorkohlenstoff; 21.4.1986 2.BImSchV: Verordnung zur Emissionsbeschränkung von leichtflüchtigen Halogenwasserstoffen, Anwendungsbeschränkungen 1990 in der Neufassung verschärft. 4

21.03.1986 2. Verordnung zur Änderung der Pflanzenschutzanwendungsverordnung: Ver- bot der Verwendung von techn. HCH, beschränktes Anwendungsverbot für Lindan; zuvor von 1974-1978 HCH- Verwendung u.a. im Pflanzenschutz schrittweise beschränkt; 5

23.04.1990 GefahrstoffV: Verbot der Anwendung von zinnorganischen Anstrichen bei Schiffen <25m und für den privaten Gebrauch (ab 2003 tritt ein weltweites Verbot für Neuanstriche in Kraft); 26.10.1993 GefStoffV: Herstellungs- und Verwendungsverbot für Antifouling-Farben 6

26.7.1978 10.BImSchV: Verwendungsbeschränkung auf geschlossene Systeme; 18.7.1989, PCB-Verbotsverordnung: Herstellungs-, Inverkehrsbringungs- und Verwen- dungsverbot, 1993 durch ChemVerbotsV abgelöst. 7

26.8.1986 GefStoffV: Verwendungsbeschränkung für PCP, z.B. nicht in Aufenthaltsräumen einzusetzen; 12.12.1989 PCP-Verbotsverordnung: Herstellungs-, Inverkehrsbringungs- und Verwen- dungsverbot, 1993 abgelöst durch ChemVerbotsV. 8

02.03.1974 Verordnung über Schädlingsbekämpfung mit hochgiftigen Stoffen: Arsen-Ver- bot 27.07.1988 PflanzenschutzAnwVO: vollständiges Anwendungsverbot für As- u. Hg-Ver- bindungen 23.04.1990 GefahrstoffV: Verbot des Einsatzes von As- und Hg-Verbindungen u.a. im Holzschutz 14.10.1993 ChemVerbotsV 12/1997 TRGS 618: Verwendungsbeschränkung für CrVI-haltige Holzschutzmittel in Im- prägnieranlagen 9

27.05.1991 Teerölverordnung: Verwendung von Teerölen nur in geschlossenen Systemen und durch gewerbliche Verbraucher 14.10.1993 ChemVerbotsV regelt Inverkehrbringung

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6 Altlastrelevante/altlastirrelevante Nutzungszeiträume

Ende des 19. Jahrhunderts begann durch die starke Ausweitung der Bauaktivitäten

in den Städten sowie erste Typisierungen und Serienbauten die Ausdehnung des

Zimmereigewerbes und die Einrichtung von dauerhaften Abbindeplätzen oder tech-

nischen Apparaten zur Imprägnierung der Bauhölzer. Als Imprägnierungsmittel wur-

den zu dieser Zeit insbesondere Teeröle und Schwermetallsalze eingesetzt. Durch

den Gebrauch von Pinseln oder Handsprühgeräten gelangte ein großer Teil der

Wirkstoffe durch Handhabungsverluste auf den Boden. Imprägnierte Holzreste wur-

den in der Kesselfeuerung verbrannt, die Aschen und Schlacken dienten häufig zur

Befestigung des Betriebshofes.

Mit Beginn des 20. Jahrhunderts verlagerte sich die Verwendung von Teeren und

Teerölen auf den Schiffbau bzw. Masten und Schwellen, während die Schwerme-

tallsalze weiterhin in großem Umfang in den Zimmereien eingesetzt wurden. Hinzu

kamen nach und nach Phenole, Phenyle und Phenolate, deren Nutzung seit den

1930er Jahren ergänzt wurde durch Chlororganika und entsprechende Lösungsmit-

tel.

Nach dem Zweiten Weltkrieg vergrößerte sich die Palette der eingesetzten Stoffe

nochmals um die Organometalle sowie eine Reihe anderer synthetischer Stoffe, die

unter diversen Handelsnamen vertrieben wurden, und als Reinstoffe häufig von

großen Zimmereien genutzt wurden.

Wegen einer anhaltenden Krise im Baugewerbe Mitte der 1960er Jahre verringerte

sich die Zahl der großen Zimmereien, und nur wenige von ihnen betrieben weiterhin

einen eigenen Abbindeplatz oder ein Sägewerk. Zugleich ging die Betriebsgröße der

Zimmereien drastisch auf durchschnittlich 5 – 10 Mitarbeiter zurück. Die Zimmereien

übernahmen zusätzlich Tätigkeiten wie Gerüstbau, Fertighausaufbau oder Verscha-

lungsbau. Für Neubauten werden seither fast nur noch fertig imprägnierte Hölzer

eingekauft und auf dem Abbinde- oder Bauplatz zugeschnitten und verarbeitet. Die

Schnittflächen und Bohrlöcher müssen von Hand nachimprägniert werden, wobei

die Handhabungsverluste allerdings deutlich geringer sind, als bei der Imprägnie-

rung ganzer Gebinde.

In den 1970er bis 1980er Jahre wurden nacheinander DDT, PCP und PCB, die bis

dahin in vielen Holzschutzmitteln alleine oder im Gemisch vorkamen, verboten. In

den 1990er Jahren folgten Verbote für weitere Stoffe. Neben den weiterhin in deut-

lich geringerem Umfang genutzten Schwermetallsalzen werden gegenwärtig ver-

mehrt biologisch abbaubare Holzschutzmittel und solche mit vermindertem Wirk-

stoffanteil verwendet.

Bereits im 19. Jahrhundert bestand durch die Verwendung von Schwermetallsalzen,

besonders Quecksilber- und Arsenverbindungen, sowie von Teerölen ein hohes

Gefährdungspotential. Im 20. Jahrhundert wurden nach und nach andere Schwer-

metallsalze sowie PCB, PCP, HCH und DDT eingesetzt; die Verwendung von

Quecksilber, Arsen und Teerölen nahm kontinuierlich ab. Eine deutliche Verringe-

rung des Gefährdungspotentials des Zimmereigewerbes ergibt sich aber erst Mitte

der 1980er Jahre.

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Zu beachten ist allerdings, dass nie das ganze Areal, sondern nur der Abbindeplatz

und Flächen, auf denen Bodenbefestigungen durch Aschen und Schlacken vorge-

nommen wurden, sowie die Lagerplätze der fertig imprägnierten Hölzer von der

zimmereispezifischen Gefährdungsvermutung betroffen sind.

Tabelle 2 Zusammenfassung aller altlastrelevanten Aspekte und Zuordnung zu

den Branchenklassen SH.

Zeitspanne Hilfsstoffe Nebenprodukte Altlastrelevante

Aspekte Branchen-klasse SH

bis 1900 Imprägnierung mit

Schwermetallsalzen

und Teerölen.

imprägnierte

Späne

Schwermetalle und

PAK in unbefestig-

ten Böden; Impräg-

nierung wegen Mo-

bilität des Gewerbes

aber nicht auf dem

Gewerbestandort

0

1901 -

1925

Imprägnierung mit

Schwermetallsalzen

und Teerölen.

imprägnierte

Späne

Schwermetalle und

PAK in unbefestig-

ten Böden; Beginn

der Abbindeplätze

3

1926 –

1967

Imprägnierung mit

Schwermetallsalzen

und Teerölen sowie

chlorierten Kohlen-

wasserstoffen (u.a.

DDT, HCH), Pheno-

len, Phenylen und

TBT-Verbindungen.

imprägnierte

Späne

Schwermetalle,

PAK, PCP, DDT,

HCH, TBT und PCB

auf unbefestigten

Böden, Beginn der

Fahrzeughaltung

(verstärkt ab 1950).

4

1968 –

1986

Imprägnierung mit

Schwermetallsalzen

und chlorierten Koh-

lenwasserstoffen

(u.a. DDT, HCH),

Phenolen, Phenylen

und TBT-

Verbindungen.

imprägnierte

Späne

Schwermetalle,

PCP, PCB, DDT,

HCH, TBT auf z.T.

noch unbefestigten

Böden, Fahrzeug-

haltung, Verringe-

rung der Be-

triebsgröße, Verbot

einiger Wirkstoffe,

Bezug fertig im-

prägnierter Hölzer

aus Sägewerken.

3

1987 –

Gegenwart

Imprägnierung mit

Schwermetallsalzen

und chlorierten Koh-

lenwasserstoffen an

den entstehenden

Schnittstellen.

imprägnierte

Späne

Verbot weiterer

Wirkstoffe, Bezug

fertig imprägnierter

Hölzer aus den Sä-

gewerken, Fahr-

zeughaltung.

2

Branchenklasse 0: kein Gefährdungspotential Branchenklasse 1: Gefährdungspotential sehr gering Branchenklasse 2: Gefährdungspotential gering Branchenklasse 3: Gefährdungspotential mäßig Branchenklasse 4: Gefährdungspotential hoch Branchenklasse 5: Gefährdungspotential sehr hoch

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