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Landesamt für Landwirtschaft,Umwelt und ländliche Räume
Schleswig-Holstein
Altlasten-LeitfadenSchleswig-Holstein
Einblicke in die Arbeit des LLURAufgaben – Menschen – Ergebnisse 2014/15
Schleswig-Holstein. Der echte Norden.Ordner 2
Altlasten-Leitfaden Erfassung – Ordner 1
1 Ziele und Bedeutung der Erfassung2 Rechtliche Grundlagen3 Methoden der Erfassung4 Vorgehensweise bei der Erfassung von Altablagerungen5 Vorgehensweise bei der Erfassung von Altstandorten6 Vorgehensweise bei der Erfassung von Verdachts
flächen und schädlichen Bodenveränderungen
Anhang
A 1 BranchenkatalogSchleswigHolstein (BKATSH)A 2 InformationsblätterA 3 FormulareA 4 Bearbeitungshilfen zur VorklassifizierungA 5 Katalog zur Einstufung des Gefährdungspotentials der
Branchen in SchleswigHolstein (alphabetische Branchenklassenliste)A 6 KlassifizierungsformularA 7 ErfassungsbögenA 8 Verzeichnis der Archive in SchleswigHolsteinA 9 Luftbildquellen
Altlasten-Leitfaden Erfassung – Ordner 2
A 10 Fallbeispiele für die ErstbewertungA 11 Branchenblätter
Altlasten-Leitfaden Erfassung – Ordner 3
A 12 Kurzfassung der BranchenklassenlisteA 13 Langfassung der Branchenklassenliste (alphabetisch)A 14 Negativliste 1 und 2
Altlasten-Leitfaden Erfassung – Ordner 1
1 Ziele und Bedeutung der Erfassung2 Rechtliche Grundlagen3 Methoden der Erfassung4 Vorgehensweise bei der Erfassung von Altablagerungen5 Vorgehensweise bei der Erfassung von Altstandorten6 Vorgehensweise bei der Erfassung von Verdachts
flächen und schädlichen Bodenveränderungen
Anhang
A 1 BranchenkatalogSchleswigHolstein (BKATSH)A 2 InformationsblätterA 3 FormulareA 4 Bearbeitungshilfen zur VorklassifizierungA 5 Katalog zur Einstufung des Gefährdungspotentials der
Branchen in SchleswigHolstein (alphabetische Branchenklassenliste)A 6 KlassifizierungsformularA 7 ErfassungsbögenA 8 Verzeichnis der Archive in SchleswigHolsteinA 9 Luftbildquellen
Altlasten-Leitfaden Erfassung – Ordner 2
A 10 Fallbeispiele für die ErstbewertungA 11 Branchenblätter
Altlasten-Leitfaden Erfassung – Ordner 3
A 12 Kurzfassung der BranchenklassenlisteA 13 Langfassung der Branchenklassenliste (alphabetisch)A 14 Negativliste 1 und 2
Herausgeber:
Landesamt für Natur und Umwelt
des Landes Schleswig-Holstein
Hamburger Chaussee 25
24220 Flintbek
Tel.: 0 43 47 I 704-0
www.lanu-sh.de
Ansprechpartnerinnen:
Dr. Verena Brill; Tel.: 0 43 47 I 704-536
Dr. Ulrike Ströh-Neben: 0 43 47 I 704-586
Titelfotos (Fotoautor):
Altstandort (GGM Lübeck)
Gefährdungsabschätzung-Sondierung
(Dr. Ulrike Ströh-Neben)
Sanierung eines Altstandortes
(GeoC GmbH, Kiel)
Kondensatschacht einer Entgasungsanlage
für Deponiegas (Egbert Bußmann)
Chromgerbabteilung einer Lederfabrik
(Dr. Ulrike Ströh-Neben)
Herstellung:
Pirwitz Druck & Design, Kiel
Juli 2003
ISBN: 3-923339-90-9
Diese Broschüre wurde auf
Recyclingpapier hergestellt.
Diese Druckschrift wird im Rahmen der
Öffentlichkeitsarbeit der schleswig -
holsteinischen Landesregierung heraus -
gegeben. Sie darf weder von Parteien
noch von Personen, die Wahlwerbung
oder Wahlhilfe betreiben, im Wahl -
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lichen Bezug zu einer bevorstehenden
Wahl darf die Druckschrift nicht in einer
Weise verwendet werden, die als Partei -
nahme der Landesregierung zu Gunsten
einzelner Gruppen verstanden werden
könnte. Den Parteien ist es gestattet,
die Druckschrift zur Unterrichtung ihrer
eigenen Mitglieder zu verwenden.
Die Landesregierung im Internet:
www.landesregierung.schleswig-holstein.de
Inhalt
1 Ziele und Bedeutung der Erfassung
2 Rechtliche Grundlagen
2.1 Bundes- und landesrechtliche Regelungen2.1.1 Bundes-Bodenschutzgesetz (BBodSchG)2.1.2 Landesbodenschutz- und Altlastengesetz (LBodSchG)2.1.3 Weitere landesrechtliche Regelungen2.2 Erfassung als Teil der Altlastenbearbeitung2.3 Verhältnis zwischen Erfassung nach LBodSchG und behördlicher Ermittlungspflicht nach BBodSchG2.4 Hinweise zum Vollzug datenschutzrechtlicher Regelungen und zum Anspruch auf Informationen über die
Umwelt im Bereich des LBodSchG2.4.1 Zulässigkeit der Datenverarbeitung2.4.1.1 Datenerhebung und –speicherung2.4.1.2 Aufbewahrung und Archivierung2.4.1.3 Datenübermittlung2.4.2 Anspruch auf Informationen über die Umwelt
3 Methoden der Erfassung
3.1 Erfassung von Altablagerungen3.2 Erfassung von Altstandorten3.2.1 Historische Erhebung von Altstandorten3.2.2 Historische Erkundung von Altstandorten
4 Vorgehensweise bei der Erfassung von Altablagerungen
4.1 Konzept der Erfassung von Altablagerungen4.2 Durchführung der Erfassung von Altablagerungen4.3 Ergebnisse der Erstbewertung von Altablagerungen
5 Vorgehensweise bei der Erfassung von Altstandorten
5.1 Konzept der Erfassung von Altstandorten5.2 Durchführung der historischen Erhebung von Altstandorten5.2.1 Auswertung von Informationsquellen5.2.2 Prüfung der Altlastenrelevanz5.2.3 Ermittlung erster Kerndaten5.3 Durchführung der Erstbewertung von Altstandorten5.3.1 Vorklassifizierung5.3.2 Multitemporale Kartenauswertung5.3.3 Bauaktenauswertung5.3.4 Ergänzung weiterer Kerndaten5.3.5 Klassifizierung5.3.5.1 Aufbau des Klassifizierungsverfahrens5.3.5.2 Erläuterung des Erstbewertungsformulars5.4 Ergebnisse der Erstbewertung von Altstandorten
6 Vorgehensweise bei der Erfassung von Verdachtsflächen
und schädlichen Bodenveränderungen
6.1 Konzept der Erfassung von Verdachtsflächen und schädlichen Bodenveränderungen6.2 Durchführung der Erhebung von Verdachtsflächen und schädlichen Bodenveränderungen6.3 Durchführung der Erstbewertung von Verdachtsflächen und schädlichen Bodenveränderungen6.4 Durchführung der Erhebung der Flächenart „Sonstiges“
Anhang
Band 1
A 1 Branchenkatalog-Schleswig-Holstein (BKAT-SH)A 2 InformationsblätterA 2.1 Hinweise zur BauaktenauswertungA 2.2 Hinweise zur Bewertung der GrundwassernutzungA 3 FormulareA 3.1 OrtsterminA 3.2 ZeitzeugenaussageA 4 Bearbeitungshilfen zur Vorklassifizierung A 4.1 Erläuterungstext zur Verwendung der Negativlisten in Schleswig-HolsteinA 4.2 Negativliste 1A 4.3 Negativliste 2A 5 Katalog zur Einstufung des Gefährdungspotentials der Branchen in Schleswig-Holstein (alphabetische Branchenklassenliste)A 6 KlassifizierungsformularA 7 ErfassungsbögenA 7.1 Erfassungsbogen - AltablagerungenA 7.2 Erfassungsbogen – AltstandorteA 8 Verzeichnis der Archive in Schleswig-HolsteinA 9 Luftbildquellen
Band 2
A 11 Branchenblätter
Band 3
A 12 Kurzfassung der BranchenklassenlisteA 13 Langfassung der BranchenklassenlisteA 14 Negativliste 1 und 2
A 11 Branchenblätter
Einleitung Im Rahmen der Historischen Erhebung von Altstandorten werden mehr als 100 Jahre Gewerbe- und Industriegeschichte berücksichtigt, in denen sich das Gefährdungspotential vieler Branchen ganz erheblich verändert hat. Ausschlaggebend sind insbesondere die im Verlaufe der Ge- schichte eingesetzten Hilfsstoffe und die baulichen Rahmenbedingungen der Produktionsstät- ten. Bei der Erstbewertung von Altstandorten sind deshalb detaillierte Branchenkenntnisse von sehr großer Bedeutung, um eine Einstufung hinsichtlich der Altlastenrelevanz zu ermöglichen. Mit der Erstellung von branchenbezogenen Informationsblättern, den sogenannten Branchen- blättern, wurde diese Problematik aufgegriffen. Zunächst wurden Branchen, die im Rahmen der Erfassung sehr häufig ermittelt wurden und bei denen die Vermutung bestand, dass sich ihre Umweltrelevanz im Verlauf der Zeit erheblich verändert hat, einer differenzierten Betrachtung unterzogen. Es handelt sich bei diesen Nennungen sowohl um Gewerbe im handwerklichen Maßstab (z.B. Malereien, Tischlereien und Drehereien) als auch um Industriebetriebe (z.B. Ma- schinenfabriken). Bei der Erstellung wurde insbesondere die gewerblich/industrielle Entwicklung in Schleswig-Holstein berücksichtigt. Die vorliegenden Branchenblätter sind als Arbeitshilfe für die Klassifizierung von Altstandorten in Schleswig-Holstein konzipiert und primär für diesen Arbeitsschritt zu nutzen. Sie geben dem Bearbeiter bzw. der Bearbeiterin wichtige Informationen über einzelne Branchen, aus denen in Abhängigkeit vom Nutzungszeitraum unterschiedliche Gefährdungspotentiale abzuleiten sind. Ein besonderer Schwerpunkt liegt auf der Beschreibung der ausgeübten Tätigkeiten und der Produktionsverfahren einschließlich möglicher Zusatzstoffe unter besonderer Berücksichtigung des Betriebszeitraumes. Es wird sowohl auf den Beginn des Einsatzes umweltrelevanter Stoffe, als auch auf Beschränkungen sowie Anwendungsverbote hingewiesen, um eine bessere Ab- grenzung altlastrelevanter Zeiträume zu ermöglichen. Diese Informationen sollten bei der Klas- sifizierung genutzt werden, um gegebenenfalls ein frühzeitiges Ausscheiden vieler Verdachts- standorte aufgrund der Sach- bzw. Aktenlage zu ermöglichen. Prinzipiell haben die Branchenblätter folgenden Aufbau: 1 Bezeichnung der Branche 2 Historischer Überblick 3 Allgemeiner Verfahrensablauf 4 Umweltrelevante Verfahrens- und Produktionsschritte sowie Verunreinigungspotentiale 5 Gesetzliche Ausführungsvorschriften für verwendete Stoffe/Stoffgruppen 6 Altlastrelevante/Altlastirrelevante Nutzungszeiträume Die Branchenblätter wurden von Dr. Klaus Schlottau, Histinvest Bremen, in enger Abstimmung mit dem LANU erstellt. Sie erscheinen in einer Loseblattsammlung, um eine Weiterführung zu ermöglichen. Die Grundlagen dieser Ausarbeitungen sind einerseits Erfahrungen, die aus hun- derten historischen Recherchen in ganz Norddeutschland resultieren, sowie andererseits die technik- und umwelthistorischen Forschungen des Autors an der Universität Hamburg. Altlasten-Leitfaden Schleswig-Holstein: Erfassung Anhang 11
Altlasten-Leitfaden Schleswig-Holstein: Erfassung Anhang 11
Alphabetische Liste der vorliegenden Branchenblätter
Aluminiumwarenfabriken (neu 2011) Anlagenbau Apparatebau Bekleidungsbetriebe Bettfedernreinigung (neu 2011) Böttcherei Chemische Reinigung (neu 2011) Dreherei Fahrzeugbau Feinmechanische Werkstätten Galvanische und Feuermetall-Industrie Gießerei Kraftfahrzeugwerkstätten Kühlerbau Küperei Lackiererei Malerei (Aktualisierung 2011) Maschinenfabriken Matratzenreinigung (neu 2011) Metallbearbeitung – Arbeitstechniken und Verfahren der .... Metallschleiferei Metallwarenfabriken Metallwerke (neu 2011) Öl- und Margarinefabriken (Aktualisierung 2011) Schiffswerften und Schiffsreparaturbetriebe Schlosserei Schmiede Stahlbau Teppichreinigung (neu 2011) Tischlerei (Aktualisierung 2011) Tuchfabriken
Altlasten-Leitfaden Schleswig-Holstein: Erfassung Anhang 11
Alphabetische Liste der vorliegenden Branchenblätter
Aluminiumwarenfabriken (neu 2011) Anlagenbau Apparatebau Bekleidungsbetriebe Bettfedernreinigung (neu 2011) Böttcherei Chemische Reinigung (neu 2011) Dreherei Fahrzeugbau Feinmechanische Werkstätten Galvanische und Feuermetall-Industrie Gießerei Kraftfahrzeugwerkstätten Kühlerbau Küperei Lackiererei Malerei (Aktualisierung 2011) Maschinenfabriken Matratzenreinigung (neu 2011) Metallbearbeitung – Arbeitstechniken und Verfahren der .... Metallschleiferei Metallwarenfabriken Metallwerke (neu 2011) Öl- und Margarinefabriken (Aktualisierung 2011) Schiffswerften und Schiffsreparaturbetriebe Schlosserei Schmiede Stahlbau Teppichreinigung (neu 2011) Tischlerei (Aktualisierung 2011) Tuchfabriken
Altlasten-Leitfaden Schleswig-Holstein: Erfassung Anhang 11
Alphabetische Liste der vorliegenden Branchenblätter
Aluminiumwarenfabriken (neu 2011) Anlagenbau Apparatebau Bekleidungsbetriebe Bettfedernreinigung (neu 2011) Böttcherei Chemische Reinigung (neu 2011) Dreherei Fahrzeugbau Feinmechanische Werkstätten Galvanische und Feuermetall-Industrie Gießerei Kraftfahrzeugwerkstätten Kühlerbau Küperei Lackiererei Malerei (Aktualisierung 2011) Maschinenfabriken Matratzenreinigung (neu 2011) Metallbearbeitung – Arbeitstechniken und Verfahren der .... Metallschleiferei Metallwarenfabriken Metallwerke (neu 2011) Öl- und Margarinefabriken (Aktualisierung 2011) Schiffswerften und Schiffsreparaturbetriebe Schlosserei Schmiede Stahlbau Teppichreinigung (neu 2011) Tischlerei (Aktualisierung 2011) Tuchfabriken
Druckerei (neu 2018) Flachdruck (direkte Verfahren) Hochdruck (Buchdruck) Offsetdruck Siebdruck Tiefdruck
(Stand: August 2018)
Altlasten-Leitfaden Schleswig-Holstein: Erfassung Anhang 11
Werkzeugfabriken Wollwäschereien und Hautwollfabriken Zimmerei
Altlasten-Leitfaden Schleswig-Holstein: Erfassung Anhang 11
Werkzeugfabriken Wollwäschereien und Hautwollfabriken Zimmerei Altlasten-Leitfaden Schleswig-Holstein: Erfassung Anhang 11
Alphabetische Liste der vorliegenden Branchenblätter (Stand Dezember 2011)
Aluminiumwarenfabriken (neu 2011) Anlagenbau Apparatebau Bekleidungsbetriebe Bettfedernreinigung (neu 2011) Böttcherei Chemische Reinigung (neu 2011) Dreherei Fahrzeugbau Feinmechanische Werkstätten Galvanische und Feuermetall-Industrie Gießerei Kraftfahrzeugwerkstätten Kühlerbau Küperei Lackiererei Malerei (Aktualisierung 2011) Maschinenfabriken Matratzenreinigung (neu 2011) Metallbearbeitung – Arbeitstechniken und Verfahren der .... Metallschleiferei Metallwarenfabriken Metallwerke (neu 2011) Öl- und Margarinefabriken (Aktualisierung 2011) Schiffswerften und Schiffsreparaturbetriebe Schlosserei Schmiede Stahlbau Teppichreinigung (neu 2011) Tischlerei (Aktualisierung 2011) Tuchfabriken
Altlasten-Leitfaden Schleswig-Holstein: Erfassung Anhang 11 Histinvest - Dr. Klaus Schlottau, Bremen
Branchenblatt Aluminiumwaren-fabriken
Inhaltsverzeichnis Seite 1 Bezeichnung der Branche 2
2 Historischer Überblick 2
3 Allgemeiner Verfahrensablauf 3
4 Umweltrelevante Verfahrens- und Produktionsschritte sowie Verun- reinigungspotentiale 4
5 Gesetzliche Ausführungsvorschriften für verwendete Stoffe/ Stoffgruppen 5
6 Altlastrelevante/altlastirrelevante Nutzungszeiträume 6
7 Literaturhinweise 7
Abb. 1: Polieren (Quelle: HANOW)
Seite 2 Branchenblatt Aluminiumwarenwerke
Altlasten-Leitfaden Schleswig-Holstein: Erfassung Anhang 11
1 Bezeichnung der Branche
Produkte der Aluminiumwarenfabriken zählen sowohl zur Konsum- als auch zur
Investitionsgüterindustrie und werden unter einer Firmenmarke über den Haushalts-,
Eisen-, Stahl- und Baubedarfshandel an den Endverbraucher verkauft. Zu den Pro-
dukten gehören einerseits alle aus Aluminium bestehenden Haushaltsgegenstände
ohne elektrischen Antrieb oder elektronische Kontrolle wie z.B. Töpfe, Pfannen, Be-
steckteile, Flaschen oder Dosen. Andererseits werden Produkte wie z.B. Türen,
Fenster, Zäune, Tore etc. über Baumärkte und den Fachhandel vertrieben.
Eine Aluminiumware entsprechend der obigen Definition wird in der Regel durch
Schmieden, Stauchen oder Tiefziehen aus Aluminiumblechen und -profilen herge-
stellt, und dann mit einer Oberflächenveredelung durch Oxidieren, Polieren, Email-
lieren oder Lackieren verkaufsfertig gemacht (vgl. Branchenblatt Metallwarenfabri-
ken).
2 Historischer Überblick
Die Aluminiumwarenfabriken etablierten sich, basierend auf den bekannten Metall-
handwerken, seit dem Ende des 19. Jahrhunderts zunehmend als eigenständige
Branche. Obgleich Aluminium das häufigste Metall in der Erdrinde ist, wurde es erst
am Ende des 18. Jahrhunderts entdeckt und im 19. Jahrhundert durch Chemiker
untersucht. Da Aluminium sich sehr leicht mit anderen Elementen verbindet, war es
aus Tonerde und Alaunen nur chemisch und nicht hüttentechnisch abzuscheiden,
so dass das reine Aluminium einen sehr hohen Preis hatte. Eine technische Ver-
wendung gelang erst, nachdem seit dem Ende des 19. Jahrhunderts genügend
Strom für eine elektrolytische Trennung aus der Schmelze zur Verfügung stand –
Aluminiumhütten entstanden daher überwiegend neben großen Wasserkraftwerken.
Heute wird Aluminium hauptsächlich aus Bauxit (enthält bis zu 60% Tonerde) ge-
wonnen.
Die Herstellung von Aluminium ist nur in großtechnischen Anlagen, die mit vielen
kontinuierlich beschickten Öfen ausgestattet sind, rentabel. In Deutschland gab es
daher zu Beginn des 20. Jahrhunderts nur wenige Aluminiumwerke. Eine technische
Verwendung im industriellen Maßstab war zunächst nicht vorhanden. Dies änderte
sich erst mit der Herstellung und Vermarktung der hochfesten Aluminiumlegierung
„Duraluminium“ für Konstruktionszwecke im Luftschiffbau. Aluminiumhalbzeuge
(Drähte, Bleche und Profile) wurden nicht mehr nur für Feldflaschen und Kochge-
schirre der Reichswehr, sondern zunehmend auch für Elektrokabel, den Schiff-,
Fahrzeug- oder Kesselbau, für Haushaltswaren aller Art sowie für Leitern, Türen
oder Fenster eingesetzt.
Die meisten Betriebe der Aluminiumwarenindustrie gehören zu den mittelgroßen
Firmen, die aus den Bereichen des Metall- und Kesselbaus stammen. Während bis
zum Beginn des Konsumzeitalters in den 1950er Jahren viele Haushalts- und Ei-
senwaren noch in Kleinserienfertigung vollständig von einem Betrieb hergestellt
wurden, begann danach die Herstellung von Großserien, die später aus Kosten-
Branchenblatt Aluminiumwarenfabriken Seite 3
Altlasten-Leitfaden Schleswig-Holstein: Erfassung Anhang 11
gründen in andere Länder verlegt oder durch Zukauf von Fertigprodukten „ohne
Namen“ ergänzt wurde. Parallel zur Firmenkonzentration und zur Auflage der Groß-
serien verlief allerdings eine entgegengesetzte Entwicklung: mit dem Ende der
1960er Jahre war der kriegsbedingte Nachholbedarf der Haushalte gedeckt und
man begann die „billigen“ Aluminiumwaren gegen Stahl- oder Silberwaren auszu-
tauschen. Nach der Wirtschaftskrise, die der ersten Ölkrise Anfang der 1970er Jah-
re folgte, konnten sich in Deutschland nur noch wenige Betriebe der Aluminiumwa-
renindustrie behaupten. Es handelt sich zumeist um Firmen, die sich auf die Herstel-
lung von Isolierfenstern, Türen, Folien und ähnlichen Gegenständen spezialisiert
haben.
Wesentliche Arbeitsschritte der Aluminiumwarenindustrie sind identisch mit jenen
der Metallbearbeitungsindustrie. Hierzu gehören insbesondere: formende Metallbe-
arbeitung, Metallverbindungstechniken wie Schweißen, Schrauben und Nieten,
Oberflächenbehandlungen wie z.B. Lackierungen oder Eloxierungen. Zum Eloxieren
werden die Waren oder Halbzeuge in einem elektrolytischen Bad künstlich mit einer
starken Aluminiumoxidschicht versehen, die glasartig transparent ist und sich zu-
dem leicht durch andere Metalle färben lässt.
3 Allgemeiner Verfahrensablauf
Eine Aluminiumwarenfabrik umfasst häufig folgende wesentliche Arbeitsprozesse,
die sowohl früher als auch gegenwärtig noch als selbständige Gewerbebetriebe
bestehen können:
- Gießerei für Messer-/ Handgriffe oder Tiegelguss für Lager und massive
Bauteile, z.B. im Fahrzeugbau (vgl. Branchenblatt Gießerei),
- Stauchen und Tiefziehen für Töpfe und Behälter (vgl. Branchenblätter
Schmiede und Fahrzeugbau),
- Schweißen und Löten für Fenster, Türen, Leitern, Behälter, Gerüste etc. (vgl.
Branchenblätter Arbeitstechniken und Verfahren der Metallbearbeitung sowie
Schlosserei),
- Lackiererei (vgl. Branchenblatt Lackiererei) und Emailliererei.
Für die Herstellung gewöhnlicher Töpfe wurden gewalzte Aluminiumblechplatten
bezogen, aus denen mit Hilfe von Schablonen die Vorformen des Gefäßes gestanzt
werden. Die Rohform wurde sodann durch die Arbeit eines mechanisierten Ham-
mers in eine vorgegebene Form getrieben. Aus der Arbeit mit mechanischen Häm-
mern (Presslufthammer oder motorgetriebener Hammer) mit geringem Bärgewicht
resultierte der Übergang zum Tiefziehen der Behälterform.
Der Vorgang des Tiefziehens ist ebenfalls aus der Schmiede übernommen worden.
In diesem Fall werden mit einem speziellen Werkzeug die Rohformen in eine vorge-
gebene Form gepresst. In der Neuzeit wird diese Arbeit gewöhnlich von einem hyd-
raulischen Presswerk unter großem Druck ausgeführt.
Während die getriebenen Gefäße Formabweichungen aufwiesen, weil sie ohne
Formschablone ausgeführt wurden, begann mit dem Tiefziehen der Übergang in die
Seite 4 Branchenblatt Aluminiumwarenwerke
Altlasten-Leitfaden Schleswig-Holstein: Erfassung Anhang 11
industrielle Serienproduktion. Die Topfgrößen wurden in Abstimmung zu den
Durchmessern der Herdringe gewöhnlicher Kohleöfen standardisiert und die Töpfe
konnten so zu einem Kegel gestapelt werden. Mit dem Durchbruch der Elektroherde
nach 1960 wurden in der Regel nur noch vier Topfgrößen hergestellt, die einen be-
sonders ebenen Boden haben mussten. Zu diesem Zweck wurden die Topfböden
geschliffen, um einen guten Kontakt zur Herdplatte zu gewährleisten.
Fabriken, die sich auf die Herstellung von Behältern, Leitern, Fenstern etc. speziali-
sierten, bezogen die Bleche und Profile von den Aluminiumwerken, denen immer
auch ein Walzwerk angeschlossen war. Aluminiumfolien werden deshalb von Alu-
miniumwerken hergestellt. Die Bleche und Profile werden durch Scheren oder Sä-
gen auf die erforderlichen Maße zugeschnitten und dann durch Verbindungstechni-
ken wie z.B. Schrauben, Schweißen oder Nieten miteinander verbunden. Da Alumi-
nium gewöhnlich leicht oxidiert und die Oxidschicht einen metallischen Glanz be-
sitzt, werden diese Gegenstände fast nie lackiert. Sofern Aluminium im Möbelbau
eingesetzt wird, wird jedoch häufig eine Lackschicht aufgetragen.
Die Aluminiumwarenfabriken mit Belegschaften von zumeist mehr als 100 Personen
waren seit dem ersten Drittel des 20. Jahrhunderts nach dem obigen Schema auf-
gebaut. Eine Aluminiumwarenfabrik enthält daher meist wesentliche Verfahrensab-
schnitte der Metallbearbeitung einschließlich der Lackierung oder einer Eloxierung.
4 Umweltrelevante Verfahrens- und Produktionsschritte sowie Verunreinigungspotentiale
Die industrielle Nutzung des Aluminiums setzte erst nach und nach im 20. Jahrhun-
dert ein. Eine Phase des Übergangs von der Hand- zur Maschinenarbeit ist daher
nicht zu beobachten. Die Herstellung der Aluminiumtöpfe wurde in der Regel gleich
industriell mit Hilfe des Tiefziehens ausgeführt. Gegenüber einer traditionellen Mes-
serschmiede oder einer Topffabrik sind lediglich zusätzliche Verunreinigungsquellen
im Bereich der Antriebsmaschinen, der Kompressoren für Lufthämmer oder der
Hydraulikanlagen für Tiefziehpressen zu berücksichtigen. Aluminiumwaren werden
im Gegensatz zu den traditionellen Metallwaren nicht gehärtet, so dass eine Verun-
reinigung durch Schwermetalle und Öle nicht im gleichen Maße zu erwarten ist. Wie
in allen metallbearbeitenden Betrieben ist mit Verunreinigungen durch Metalle, aber
auch Mineralöle und Lösungsmittel zu rechnen. Im Gegensatz zu den Metallwaren
wurden die Aluminiumwaren jedoch im Walzwerk nicht mit Mineralölen, sondern mit
Vaseline (Weichparaffin) benetzt. Vaseline diente auch bei der nachfolgenden for-
menden Arbeit des Tiefziehens als Trennmittel. Da Vaseline Hauptbestandteil von
z.B. Salben ist, kann diesem Stoff, obwohl aus der Erdölraffination stammend, kein
Schadstoffpotential zugeordnet werden.
Eine Aluminiumwarenfabrik besteht aus wenigen Abteilungen ohne komplexe Me-
tallbearbeitungen wie Drehen oder Fräsen, so dass eigentliche Kontaminations-
schwerpunkte nicht auszumachen sind. Da die Reinigung von Maschinen, Werk-
zeugen und Werkstücken unter Einsatz von Lösungsmitteln vollzogen wird, ist eine
Verunreinigung der Werkstattbereiche und der Lagerplätze jedoch nicht auszu-
schließen.
Branchenblatt Aluminiumwarenfabriken Seite 5
Altlasten-Leitfaden Schleswig-Holstein: Erfassung Anhang 11
Neben diesem Bereich potentieller Kontaminationen ist insbesondere auch die La-
ckiererei zu berücksichtigen, weil hier stets mit einem Handhabungsverlust von Lö-
sungsmitteln zu rechnen ist.
Die elektrolytische Eloxierung von Töpfen, Bechern, Rahmen, Fensterprofilen etc.
fand unter Einsatz schmelzfähiger Metallpigmente statt, die allerdings selten eluier-
bar sind.
Detaillierte Verunreinigungspotentiale für Aluminiumwarenfabriken lassen sich in der
Regel erst auflisten, wenn die Art der Metallbearbeitung und Oberflächenbe-
handlung bekannt ist. Ein mögliches Kontaminationsspektrum ergibt sich aus den
Einsatzstoffen in den Bereichen Tiefzieherei, Montage, Eloxiererei und Lackiererei.
5 Gesetzliche Ausführungsvorschriften für verwendete Stoffe/Stoffgruppen
Tabelle 1 Altlastrelevante Stoffe und ihr zeitlicher Einsatz
Stoff Nutzung Verstärkte An-wendung ab
Verwendungsbe-schränkung/
Verbot
LCKW.1 Lösungs- und Reinigungsmit-
tel (Kaltreiniger) im Werkstatt-betrieb sowie in den Lackiere-reien.
ca. 1925 1981/1986 (zum Teil)
BTEX.2 Lösungs- und Reinigungsmit-
tel im Werkstattbetrieb sowie in den Lackierereien.
ca. 1925 1986 (zum Teil)
PCB (Polychlo-rierte Biphe-nyle).
3
Wurden in Kühlölen einge-setzt, um die Entzündungs-temperatur zu erhöhen.
ca. 1930 1978/1989
Wassermischba-re Kühlschmier-stoffe (N-Nitros-amin-Bildung).
4
Schmier- und Kühlmittelersatz für Öle mit Flammschutzmit-teln.
ca. 1955 1997
PCP (Penta- chlorphenol).
5
Wurden in Emulsionen zur Haltbarmachung eingesetzt.
ca. 1930 1986/1989
1 9/1981 Technische Regel für gefährliche Arbeitsstoffe TrgA 502: Verwendungsbeschrän-
kung für Tetrachlorkohlenstoff; 21.4.1986 2.BImSchV: Verordnung zur Emissionsbeschränkung von leichtflüchtigen Halo- genwasserstoffen, Anwendungsbeschränkungen 1990 in der Neufassung verschärft. 2 26.8.1986 GefStoffV: Verwendungsbeschränkung für Benzol auf geschlossene Systeme.
3 26.7.1978 10.BImSchV: Verwendungsbeschränkung auf geschlossene Systeme;
18.7.1989, PCB-Verbotsverordnung: Herstellungs-, Inverkehrsbringungs- und Verwen- dungsverbot, 1993 durch ChemVerbotsV abgelöst. 4 4/1997 Technische Regel für Gefahrstoffe TRGS 611, Verwendungsbeschränkungen für
wassermischbare bzw. wassergemischte Kühlschmierstoffe, bei deren Einsatz N-Nitros- amine auftreten können (Verbot von Nitrit im KSS) 5
26.8.1986 GefStoffV: Verwendungsbeschränkung für PCP, z.B. nicht in Aufenthaltsräu-- men einzusetzen;
Seite 6 Branchenblatt Aluminiumwarenwerke
Altlasten-Leitfaden Schleswig-Holstein: Erfassung Anhang 11
12.12.1989 PCP-Verbotsverordnung: Herstellungs-, Inverkehrsbringungs- und Verwen- dungsverbot, 1993 abgelöst durch ChemVerbotsV.
6 Altlastrelevante/altlastirrelevante Nutzungszeiträume
Bis zum Ende des 19. Jahrhunderts sind keine wesentlichen Veränderungen in der
stofflichen Bearbeitung oder der Zusammensetzung der Hilfsstoffe für die Metallin-
dustrie bekannt. Dieser Zeitraum kann daher als altlastirrelevant angesehen wer-
den. Die technische und industrielle Verwendung des Aluminiums setzte erst nach
den 1920er Jahren in größerem Ausmaß ein.
Mit dem Einsatz von Verbrennungsmotoren als Kraftmaschinen und der Entwicklung
von Kompressoren, Hydraulikpumpen sowie anderer Hilfsaggregate sind allgemeine
Verunreinigungen durch Betriebsstoffe und Öle anzunehmen. Mit der stofflichen
Bearbeitung von Werkstücken sowie dem gängigen Verfahren der Metallformung
sind bis in die Gegenwart keine merklich höheren Gefährdungspotentiale verbunden
(vgl. Branchenblatt Metallwarenfabriken).
Im Bereich der Lackiererei gab es im Laufe der Zeit Veränderungen hinsichtlich der
Altlastenrelevanz, die im Branchenblatt Lackiererei ausführlich dargestellt sind. Die
Eloxierung des Aluminiums ist in der Regel nicht mit dem Freiwerden von Schad-
stoffen verbunden.
Tabelle 2 Zusammenfassung aller altlastrelevanten Aspekte und Zuordnung zu
den Branchenklassen SH. Zeitspanne Hilfsstoffe Nebenprodukte Altlastrelevante
Aspekte Branchen-klasse SH
1900 – 1930 Seifen, Wasser,
zunehmende Men-
gen an Mineralölen,
aliphatische Lö-
sungsmittel, metall-
haltige Glasschmel-
zen
Metallspäne, ge-
ring verölt
keine Abwasser-
anlagen, keine
Bodenbefestigung
0
1931 – 1960 Öle, Emulsionen,
Lösungsmittel aller
Art
ölige Metallabfälle,
Schwermetalle;
Lösungsmittel-
rückstände, Farb-
und Lackschläm-
me
Keine Abscheider
für Farbschlämme
3
1961 – 1980 Emulsionen, Lö-
sungsmittel aller Art,
metallhaltige Eloxa-
te, erste Kunststoff-
beschichtung mit
Teflon
ölige Metallabfälle,
Schwermetalle,
Lösungsmittel-
rückstände, Farb-
und Lackschläm-
me
Einführung der
Entgiftung und
Neutralisation von
Abwässern sowie
Abscheider für
Farbschlämme
und Nebel
3
Branchenblatt Aluminiumwarenfabriken Seite 7
Altlasten-Leitfaden Schleswig-Holstein: Erfassung Anhang 11
1981 – Ge-
genwart
Emulsionen, BTEX,
metallhaltige Eloxa-
te, Kunststoffbe-
schichtung mit Tef-
lon
ölige Metallabfälle,
Ölschlämme,
Schwermetalle,
Farb- und Lack-
schlämme
Verbot von Kaltrei-
nigern
3
Branchenklasse 0: kein Gefahrenpotential Branchenklasse 1: Gefahrenpotential sehr gering Branchenklasse 2: Gefahrenpotential gering Branchenklasse 3: Gefahrenpotential mäßig Branchenklasse 4: Gefahrenpotential hoch Branchenklasse 5: Gefahrenpotential sehr hoch
7 Literaturhinweise
HANOW, M. (HRSG.): Schleswig-Holstein und seine Industrie. Verlag M. Dumont
Schauberg, Köln, 1957.
LUEGER, O. (HRSG.): Lexikon der gesamten Technik und ihrer Hilfswissenschaf-
ten, I. Band, 1. Auflage. Deutsche Verlagsanstalt, Stuttgart und Leipzig, 1904.
ROHR, B.; WIELE, H. (HRSG.): Lexikon der Technik. VEB Bibliographisches Institut
Leipzig, Leipzig, 1982.
SCHMÖHLE, C.: Von den Metallen und ihrer Geschichte, Band 1 und 2. R. & G.
Schmöhle Metallwerke, Menden, 1967/1969.
SINGER, C.; HOLMYARD, E.J.; HALL, A.R. et al. (HRSG.): A History of Technolo-
gy, Vol. V (The Late Nineteenth Century). Clarendon Press, Oxford, 1958.
Altlasten-Leitfaden Schleswig-Holstein: Erfassung Anlage 11 Histinvest – Dr. Klaus Schlottau, Bremen
Branchenblatt Anlagenbau
Inhaltsverzeichnis Seite 1 Bezeichnung der Branche 2 2 Historischer Überblick 2 3 Allgemeiner Verfahrensablauf 3 4 Umweltrelevante Verfahrens- und Produktionsschritte sowie Verun-
reinigungspotentiale 3 5 Gesetzliche Ausführungsvorschriften für verwendete Stoffe/
Stoffgruppen 4 6 Altlastrelevante/altlastirrelevante Nutzungszeiträume 4 7 Literaturhinweise 5
Branchenblatt Anlagenbau Seite 2
Altlasten-Leitfaden Schleswig-Holstein: Erfassung Anhang 11
1 Bezeichnung der Branche
Als Unternehmen des Anlagenbaus werden Fabriken bezeichnet, deren Aufgabe
darin besteht, Werkzeug- oder Arbeitsmaschinen so zu verbinden, dass eine sinn-
volle Produktionslinie zur Herstellung eines Vor- oder Endproduktes entsteht. Dabei
sind die Arbeitstakte einzelner Maschinen mit Hilfe mechanischer, elektromechani-
scher/elektrooptischer oder elektronischer Regelungseinrichtungen miteinander ab-
zustimmen. Die Anlagenbauindustrie vereinigt alle Grundelemente des traditionellen
Maschinenbaus mit jenen des technischen Instrumentenbaus (Feinmechanik) sowie
elektromechanischen Bereichen. Die Anlagenbauindustrie kann gewissermaßen als
Einrichtungshaus für Fabriken bezeichnet werden. Sie konzipiert nach den Vorga-
ben des Kunden eine Produktionseinrichtung, konstruiert und produziert die Einzel-
maschinen, Kontrolleinrichtungen sowie Transporthilfsmittel und baut die Einzelteile
der Anlage vor Ort auf.
Die Anlagenbauindustrie ist in der Regel auf bestimmte Produktionsanlagen spezia-
lisiert, z.B. Druckstraßen für Druckereien, Abfüllanlagen für die Nahrungs- und Ge-
nussmittelindustrie oder Produktionsstraßen für Automobilhersteller. Es handelt sich
um mittelständische Betriebe, deren Personalstärke nur selten 100 Mitarbeiter über-
schreitet.
Für den Laien verwirrende Bezeichnungen einzelner Apparate haben den Begriff
„Anlagenbau“ allerdings in der Umgangssprache z.B. mit „HiFi-Anlagen“ oder „Satel-
liten-Anlagen“ in Verbindung gebracht. Der industrielle Anlagenbau ist jedoch einzig
und allein im Bereich der Investitionsgüterindustrie anzusiedeln.
2 Historischer Überblick
Das Entstehen von Anlagenbaubetrieben setzt die Existenz von Maschinenfabriken
voraus. Als historischer Kern des Anlagenbaus in Deutschland kann die Textilindust-
rie angesehen werden. Deren Verfahrensablauf von der Rohfaser zum Gewebe war
besonders geeignet, Einzelmaschinen (Reißwölfe, Vorstreck- und Streckmaschinen,
Spinn- und Zwirnmaschinen usw.) für den kontinuierlichen Arbeitsprozess zu kon-
struieren und mittels Transportbänder zu verbinden sowie automatische Waagen,
Fadenwächter etc. als Regelungsanlagen einzubauen.
Die sinnvolle Kombination von Arbeitsmaschinen mit Hilfe von Steuerungs- und
Messeinrichtungen, automatischen Transportmaschinen bis hin zur Verpackung gilt
seit Mitte des 19. Jahrhunderts als eine der wesentlichen Ingenieurleistungen und
wird als Verfahrenstechnik an den Ingenieurschulen und Technischen Universitäten
gelehrt.
Branchenblatt Anlagenbau Seite 3
Altlasten-Leitfaden Schleswig-Holstein: Erfassung Anhang 11
3 Allgemeiner Verfahrensablauf
Die Branche des Anlagenbaus hat sich wie oben ausgeführt historisch aus dem Ma-
schinenbau entwickelt. Der Anlagenbau als vom Maschinenbau losgelöste, eigen-
ständige Branche existiert in Schleswig-Holstein erst etwa seit den 1960er Jahren.
Damit verbunden war auch ein Wandel der Tätigkeitsschwerpunkte. Nur der Kern-
bereich, nämlich die Planung, Konstruktion und Montage der Maschinen sowie der
elektrotechnischen Schaltanlagen, wurde weiterhin ausgeführt, die verwendeten
Bauteile hingegen wurden in der Regel von Fremdfirmen bezogen. Der letzte Ferti-
gungsschritt, die Lackierung und Ausrüstung für den Versand erfolgte ebenfalls im
Betrieb. Das Tätigkeitsfeld richtete sich also mehr an dem Spektrum der Feinme-
chanik und des Schaltanlagenbaus aus.
Abb. 1: Bau von Steuerungsanlagen (Quelle: VEREIN DEUTSCHER MASCHI-
NENBAU-ANSTALTEN).
4 Umweltrelevante Verfahrens- und Produktionsschritte sowie Verunreinigungspotentiale
Im Hinblick auf umweltrelevante Verfahrens- und Produktionsschritte wird insbeson-
dere auf das Branchenblatt Feinmechanische Werkstätten verwiesen.
Branchenblatt Anlagenbau Seite 4
Altlasten-Leitfaden Schleswig-Holstein: Erfassung Anhang 11
5 Gesetzliche Ausführungsvorschriften für verwendete Stoffe/Stoffgruppen
Tabelle 1 Altlastrelevante Stoffe und ihr zeitlicher Einsatz
Stoff Nutzung Verstärkte Anwendung
ab
Verwendungsbe-schränkung/Verbot
PCB (Polychlorierte Biphenyle).
1
Einsatz in Kühl- und Hyd-raulikölen, um die Entzün-dungstemperatur zu erhö-hen.
ca. 1930 1978/1989
Wassermischbare Kühlschmierstoffe (N-Nitrosamin-Bildung).
2
Schmier- und Kühlmittel-ersatz für Öle mit Flamm-schutzmitteln.
ca. 1955 1997
PCP (Pentachlor-phenol).³
Einsatz in Emulsionen zur Haltbarmachung.
ca. 1930 1986/1989
LCKW.4 Lösungs- und Reinigungs-
mittel (Kaltreiniger) im Werkstattbetrieb sowie in den Lackierereien.
ca. 1925 1981/1986 (zum Teil)
BTEX.5 Lösungs- und Reinigungs-
mittel im Werkstattbetrieb sowie in den Lackiererei-en.
ca. 1925 1986 (zum Teil)
1
26.7.1978 10.BImSchV: Verwendungsbeschränkung auf geschlossene Systeme; 18.7.1989, PCB-Verbotsverordnung: Herstellungs-, Inverkehrsbringungs- und Verwen- dungsverbot, 1993 durch ChemVerbotsV abgelöst. 2 4/1997 Technische Regel für Gefahrstoffe TRGS 611, Verwendungsbeschränkungen
für wassermischbare bzw. wassergemischte Kühlschmierstoffe, bei deren Einsatz N-Nitrosamine auftreten können (Verbot von Nitrit im KSS) 3
26.8.1986 GefStoffV: Verwendungsbeschränkung für PCP, z.B. nicht in Aufenthaltsräumen einzusetzen; 12.12.1989 PCP-Verbotsverordnung: Herstellungs-, Inverkehrsbringungs- und Verwen- dungsverbot, 1993 abgelöst durch ChemVerbotsV. 4 9/1981 Technische Regel für gefährliche Arbeitsstoffe TrgA 502: Verwendungsbeschrän-
kung für Tetrachlorkohlenstoff; 21.4.1986 2.BImSchV: Verordnung zur Emissionsbeschränkung von leichtflüchtigen Halogenwasserstoffen, Anwendungsbeschränkungen 1990 in der Neufassung verschärft. 5 26.8.1986 GefStoffV: Verwendungsbeschränkung für Benzol auf geschlossene Systeme.
6 Altlastrelevante/altlastirrelevante Nutzungszeiträume
Bis zu den 1960er Jahren existierten in Schleswig-Holstein keine eigenständigen
Anlagenbaubetriebe, so dass die Bewertung altlastrelevanter Nutzungszeiträume
erst 1960 beginnt. Sollten Anlagenbaubetriebe aus der Zeit vor 1960 ermittelt wor-
den sein, sind für die Bewertung des Gefährdungspotentials die Branchenblätter der
Feinmechanischen Werkstätten und eingeschränkt der Maschinenfabriken heranzu-
ziehen.
Branchenblatt Anlagenbau Seite 5
Altlasten-Leitfaden Schleswig-Holstein: Erfassung Anhang 11
Tabelle 2 Zusammenfassung aller altlastrelevanten Aspekte und Zuordnung zu
den Branchenklassen SH.
Zeitspanne Hilfsstoffe Nebenprodukte Altlastrelevante
Aspekte
Branchen-
klasse SH
1960 –
1980
Bohr- und Schneid-
öle, PCB, Emulsio-
nen, Fungizide,
Bakterizide, BTEX,
CKW, Säuren, Lot-
material, Flussmittel,
Lacke
ölige Metallspäne;
Ölschlämme mit
PCB, Schwermetal-
le, Lackrückstände
Entölen der Späne
mit CKW
4
1981 –
Gegenwart
Bohr- und Schneid-
öle, Emulsionen,
BTEX, Fungizide,
Bakterizide, Säuren,
Lotmaterial, Fluss-
mittel, Lacke
ölige Metallspäne;
Ölschlämme,
Schwermetalle,
Lackrückstände
Verbot des Einsat-
zes von verschie-
denen Schadstof-
fen, geregelte Ab-
fallentsorgung,
Einsatz lösemittel-
armer Lacke und
Abkapselung von
der Umwelt
2
Branchenklasse 0: kein Gefährdungspotential Branchenklasse 1: Gefährdungspotential sehr gering Branchenklasse 2: Gefährdungspotential gering Branchenklasse 3: Gefährdungspotential mäßig Branchenklasse 4: Gefährdungspotential hoch Branchenklasse 5: Gefährdungspotential sehr hoch
7 Literaturhinweise
MOMMERTZ, K. H.: Bohren, Drehen und Fräsen. Geschichte der Werkzeugma-
schinen. Rowohlt Verlag, Reinbek, 1981.
ROHR, B.; WIELE, H. (HRSG.): Lexikon der Technik. VEB Bibliographisches Insti-
tut, Leipzig, 1982.
STAU, C. H.: Die Drehmaschinen, Drehbänke und verwandte Werkzeugmaschinen.
Berlin, Göttingen und Heidelberg, 1963.
VEREIN DEUTSCHER MASCHINENBAU-ANSTALTEN (HRSG.): Spezialisierung,
Präzision, Qualität. Maschinenbau-Verlag, Frankfurt, o. J..
WITTMANN, K.: Die Entwicklung der Drehbank. Berlin, 1941 (2. Auflage: Düsseldorf
1960).
Altlasten-Leitfaden Schleswig-Holstein: Erfassung Anhang 11 Histinvest - Dr. Klaus Schlottau, Bremen
Branchenblatt Apparatebau
Inhaltsverzeichnis Seite 1 Bezeichnung der Branche 2 2 Historischer Überblick 2 3 Allgemeiner Verfahrensablauf 3 4 Umweltrelevante Verfahrens- und Produktionsschritte sowie Verun-
reinigungspotentiale 4 5 Gesetzliche Ausführungsvorschriften für verwendete Stoffe/Stoffgruppen 4 6 Altlastrelevante/altlastirrelevante Nutzungszeiträume 5 7 Literaturhinweise 7
Abb.1: Endkontrolle der Wähltafeln für Telefonapparate (Quelle: HANOW).
Branchenblatt Apparatebau Seite 2
Altlasten-Leitfaden Schleswig-Holstein: Erfassung Anhang 11
1 Bezeichnung der Branche
Produkte der Apparatebauindustrie werden im Volksmund meist als Maschinen be-
zeichnet wie z.B. die Kaffeemaschine. Der Maschinenbau im heutigen Sprachge-
brauch ist jedoch eher dem Anlagenbau gleichzusetzen, welcher sich anhand der
Kundenorientierung vom Apparatebau unterscheidet.
Während der Apparatebau häufig zur Konsumgüterindustrie gehört und daher auch
einen meist unmittelbaren Kundenkontakt hat bzw. unter einem Handelsnamen,
einer „Marke“, bekannt ist, zählt der Maschinen- bzw. Anlagenbau zur Investionsgü-
terindustrie. Eine Definition des Begriffs „Apparat“ ist daher kaum schlüssig zu leis-
ten. Möglich ist jedoch eine Negativbestimmung: Technische Gegenstände, die
nicht der Herstellung anderer Waren oder Halbfertigprodukte oder der Fortbewe-
gung dienen (Fahrzeugbau) und zumeist unmittelbar vom Endverbraucher genutzt
werden, können als Apparate bezeichnet werden. Häufig wird auch die synonyme
Bezeichnung „Gerät“ verwandt.
Es handelt sich hierbei um alle technischen Ausstattungen des gewöhnlichen Haus-
halts oder auch eines Büros wie z.B. Kühlschrank, Herd, Fernsehgerät, Telefon oder
Waschmaschine. In Einzelfällen können sich daher u.a. auch Verbindungslinien zum
Maschinenbau ergeben. Das Vordringen des Heimwerkerbedarfs mit motorisierten
Werkzeugen für Garten und Hobby hat zu einer zusätzlichen Verwischung von
Grenzlinien beigetragen.
Das Gehäuse eines Apparates entsprechend der obigen Definition wird in der Regel
aus Metallblechen mit einer Oberflächenveredelung, Sperrholz oder Kunststoff her-
gestellt. In diese Form werden dann mechanische, elektromechanische oder elekt-
rothermische Bestandteile eingebaut, die die Funktion des Apparates bestimmen.
2 Historischer Überblick
Der Apparatebau etablierte sich basierend auf verschiedenen Metallhandwerken
seit der Mitte des 19. Jahrhunderts zunehmend als eigenständige Branche. Durch
die Kombination mehrerer Gewerke, z.B. der Feinmechaniker mit den Kupfer-
schmieden, war es seit dem Beginn der Gewerbefreiheit, 1860, möglich, Betriebe
aufzubauen, die Gerätschaften für den Haushalt, aber auch für den Fabrikbetrieb
herstellten. Durch weitere Differenzierung entstand dann die Trennung vom Maschi-
nen- bzw. Anlagenbau, welche überwiegend für die Einrichtung von Fabriken tätig
sind.
Ursprung einer Apparatebaufirma kann ein Kesselschmied sein, der unter seinen
metallenen Kessel eine elektrische Heizspirale baute und das neue Gerät als Heiß-
wasserbereiter oder Eierkocher verkaufte. Es kann aber ebenso ein Feinmechaniker
sein, der bislang nur mechanische Blendensteuerungen herstellte, diese nun mit
einer Linse und einem Gehäuse ausstattet und künftig Fotoapparate verkauft: einen
Apparatebaubetrieb konnte jeder geschickte Mechaniker eröffnen, der sich am Ende
Branchenblatt Apparatebau Seite 3
Altlasten-Leitfaden Schleswig-Holstein: Erfassung Anhang 11
des 19. Jahrhunderts mit den neuen Möglichkeiten der Elektrizität, Optik oder Ra-
diowellen auskannte.
Die meisten Betriebe der Apparatebauindustrie gehören heute zu den klein- und
mittelgroßen Firmen, die aus den Bereichen der Feinmechanik und des Kesselbaus
stammen. Während bis zum Beginn des Konsumzeitalters in den 1950er Jahren
viele Apparate noch in Einzelfertigung vollständig von einem Betrieb hergestellt
wurden, wandelte sich danach die Betriebsstruktur insbesondere in den Großbetrie-
ben der Unterhaltungselektronik und der Haushaltsgeräte deutlich: Rahmen, Ge-
häuse, Motoren, Elektrik und Elektronik wurden zugeliefert und in Serienfertigung
endmontiert. Da die Kosten trotz Serienfertigung stiegen, wurden in den 1970er Jah-
ren viele Großbetriebe in andere Länder auslagert, so dass sich in Deutschland
seither kaum noch großindustrielle Apparatebaubetriebe befinden. Gegenwärtig sind
die verbliebenen Betriebe überwiegend auf die Anfertigung von Kleinserien oder
Einzelfertigungen spezialisiert.
Wesentliche Arbeitsschritte der Apparatebauindustrie sind identisch mit jenen der
Metallindustrie. Hierzu gehören insbesondere die formende Metallbearbeitung ferti-
ger Bleche, Metallverbindungstechniken wie Schweißen, Schrauben und Nieten
sowie Oberflächenbehandlungen wie z.B. Lackierungen oder Emaillierungen. In
Einzelfällen, besonders in Großbetrieben, werden unter Umständen auch fräsende
und schleifende Bearbeitungen von Lagern und Wellen oder das Gießen von Ge-
häusen oder Lagerschalen selbst ausgeführt.
3 Allgemeiner Verfahrensablauf
Ein Apparatebaubetrieb umfasst häufig folgende wesentliche Arbeitsprozesse, die
sowohl früher als auch gegenwärtig noch als selbständige Gewerbebetriebe beste-
hen können:
- Rahmen- und Gehäusebau (vgl. Branchenblatt Schlosserei),
- Dreherei, Fräserei (vgl. Branchenblatt Dreherei und Feinmechanische Werk-
stätten),
- Elektrik und Elektronik,
- Montage und Lackiererei (vgl. Branchenblatt Lackiererei).
Die größeren Apparatefabriken mit Belegschaften von mehr als 100 Personen wa-
ren Anfang des 20. Jahrhunderts nach dem obigen Schema aufgebaut. Größere
Gussteile für die Rahmenkonstruktion wurden hinzugekauft. Vereinzelt wurden von
Großbetrieben bereits damals Unteraufträge an Drehereien, Fräsereien, Stanzerei-
en oder Polierereien vergeben, um eine möglichst hohe Serienstückzahl zu ermögli-
chen. Ein Bezug fremdgefertigter Teile wurde im Laufe der Zeit zum Normalfall. Der
Kernbereich der Unternehmung jedoch, die Konstruktion und Montage der Apparate
sowie der elektrotechnischen Schaltanlagen, blieb in der Regel in einem Werk.
Die Tätigkeiten einer Apparatebaufabrik beinhalten daher wesentliche Verfahrens-
abschnitte der Metallbearbeitung einschließlich der Lackierung in einer personellen
und maschinellen Grundausstattung, die dem minimalen Auftragsstand proportional
Branchenblatt Apparatebau Seite 4
Altlasten-Leitfaden Schleswig-Holstein: Erfassung Anhang 11
ist. Darüber hinaus werden nach betriebswirtschaftlichen Kriterien Unterfertigungs-
aufträge mit anderen selbständigen Metallbearbeitungsfirmen geschlossen.
4 Umweltrelevante Verfahrens- und Produktionsschritte sowie Verunreinigungspotentiale
Eine traditionelle Apparatefabrik bestand bis ca. 1950 aus einem komplexen Gefüge
aller bekannten Metallbearbeitungen.
In der Dreherei der feinmechanischen Fertigungsabteilung können neben den übli-
chen Verlusten an Mineralölen aus den Maschinen insbesondere die Kühlöle, die
seit Anfang der 1930er Jahre PCB-haltig gewesen sein können, Kontaminationen
verursacht haben. Da die Reinigung von Maschinen, Werkzeugen, Werkstücken
und Drehspänen unter Einsatz von Lösungsmitteln vollzogen wurde, ist eine Verun-
reinigung der Werkstattbereiche und der Lagerplätze nicht auszuschließen.
Neben diesem Hauptbereich potentieller Kontaminationen ist insbesondere auch die
Lackiererei zu berücksichtigen, weil hier stets mit einem Handhabungsverlust von
Lösungsmitteln, schwermetallhaltigen Lacken sowie Hilfsstoffen zu rechnen ist.
Durch den jahrzehntelangen Einsatz von Dampfkraft sind auf dem Firmengelände
häufig schwermetallhaltige Aschen und Schlacken ausgebracht worden, wodurch
flächige Kontaminationen entstanden sein können. Punktuelle Belastungen durch
Quecksilber oder PCB können sich im Bereich der Gleichrichter und Transformato-
ren befinden (siehe Branchenblatt Arbeitstechniken und Verfahren der Metallbear-
beitung).
Detaillierte Verunreinigungspotentiale für Apparatebaufabriken lassen sich in der
Regel erst auflisten, wenn die Art der Metallbearbeitung und Oberflächenbehand-
lung bekannt ist.
5 5 Gesetzliche Ausführungsvorschriften für verwen-dete Stoffe/Stoffgruppen
Tabelle 1 Altlastrelevante Stoffe und ihr zeitlicher Einsatz
Stoff Nutzung Verstärkte An-
wendung ab Verwendungs-beschränkung/
Verbot
PCB (Polychlo-rierte Biphe-nyle).
1
Einsatz in Kühlölen, um die Entzündungstemperatur zu erhöhen.
ca. 1930 1978/1989
Wassermischba-re Kühlschmier-stoffe (N-Nitros-amin-Bildung).
2
Schmier- und Kühlmittelersatz für Öle mit Flammschutzmitteln.
ca. 1955 1997
Branchenblatt Apparatebau Seite 5
Altlasten-Leitfaden Schleswig-Holstein: Erfassung Anhang 11
PCP (Penta-chlorphenol).³
Einsatz in Emulsionen zur Halt-barmachung.
ca. 1930 1986/1989
LCKW.4 Lösungs- und Reinigungsmittel
(Kaltreiniger) im Werkstattbe-trieb sowie in den Lackiererei-en.
ca. 1925 1981/1986 (zum Teil)
BTEX.5 Lösungs- und Reinigungsmittel
im Werkstattbetrieb sowie in den Lackierereien.
ca. 1925 1986 (zum Teil)
1 26.7.1978 10.BImSchV: Verwendungsbeschränkung auf geschlossene Systeme;
18.7.1989, PCB-Verbotsverordnung: Herstellungs-, Inverkehrsbringungs- und Verwen- dungsverbot, 1993 durch ChemVerbotsV abgelöst. 2 4/1997 Technische Regel für Gefahrstoffe TRGS 611, Verwendungsbeschränkungen für
wassermischbare bzw. wassergemischte Kühlschmierstoffe, bei deren Einsatz N-Nitrosamine auftreten können (Verbot von Nitrit im KSS) 3
26.8.1986 GefStoffV: Verwendungsbeschränkung für PCP, z.B. nicht in Aufenthaltsräumen einzusetzen; 12.12.1989 PCP-Verbotsverordnung: Herstellungs-, Inverkehrsbringungs- und Verwen- dungsverbot, 1993 abgelöst durch ChemVerbotsV. 4 9/1981 Technische Regel für gefährliche Arbeitsstoffe TrgA 502: Verwendungsbeschrän-
kung für Tetrachlorkohlenstoff; 21.4.1986 2.BImSchV: Verordnung zur Emissionsbeschränkung von leichtflüchtigen Halogenwasserstoffen, Anwendungsbeschränkungen 1990 in der Neufassung verschärft. 5 26.8.1986 GefStoffV: Verwendungsbeschränkung für Benzol auf geschlossene Systeme.
6 Altlastrelevante/altlastirrelevante Nutzungszeiträume
Bis zum Ende des 19. Jahrhunderts sind keine wesentlichen Veränderungen in der
stofflichen Bearbeitung oder in der Zusammensetzung der Hilfsstoffe für die Metall-
industrie bekannt. Es handelt sich lediglich um eine Maschinisierung und Mechani-
sierung der bisherigen Handarbeit.
Die Entwicklungen in der spanabhebenden Metallverarbeitung seit Anfang des 20.
Jahrhunderts stellten erhöhte Anforderungen an die Maschinen, die Handhabung
der Werkzeuge und der zu bearbeitenden Materialien. Durch die verbesserten
Schneidstähle ergaben sich zunehmend höhere Schnittgeschwindigkeiten, die eine
Schmierung und Kühlung der Werkstücke und -zeuge erforderlich machten. Wäh-
rend anfänglich noch Seifenwasser, das auf die Grenzflächen gespritzt wurde, zur
Werkzeug/-stückkühlung ausreichte, musste seit der Einführung der Schnellschnitt-
stähle zunehmend auf wärmeleitende, hochsiedende Öle und Emulsionen zurück-
gegriffen werden. Diese Öle benötigen seit dem Ende der 1920er Jahre Chlororga-
nika (z.B. PCB) als Flammschutz; Emulsionen mussten mit Emulgatoren, Fungizi-
den und Bakteriziden (z.B. PCP) hergestellt und haltbar gemacht werden. Ebenfalls
etwa seit Anfang der 1930er Jahre ist in Schleswig-Holstein mit einer verstärkten
Anwendung chlorierter Kohlenwasserstoffe als Lösungsmittel (Per, Tri) zu rechnen.
Die für die Schweißarbeiten notwendigen Acetylenanlagen befanden sich wegen der
Explosionsgefahr zumeist abseits der Werkstatt in einem Schuppen, neben dem
auch die Absetzbecken für Karbidschlamm (Calciumhydroxid) zu suchen sind. Es ist
nicht auszuschließen, dass dieser Schlamm auf das Betriebsgelände verbracht
wurde. Karbidschlämme können aufgrund ihrer Alkalität einen Einfluss auf die Lös-
Branchenblatt Apparatebau Seite 6
Altlasten-Leitfaden Schleswig-Holstein: Erfassung Anhang 11
lichkeit von Schadstoffen im Boden und Grundwasser haben. In den 1960er Jahren
wurden die Anlagen durch die Anlieferung der Gase in Flaschenbündeln ersetzt.
Steigende Metallpreise in den Jahren zwischen 1960 und 1980, besonders nach der
Einführung des Abfallwirtschaftsgesetzes, führten zudem dazu, Drehspäne in mög-
lichst sauberer Form wiederzuverwenden, so dass diese häufig schon beim Erzeu-
ger mit Kaltreinigern oder anderen Lösungsmitteln entölt wurden.
Auch im Bereich der Lackiererei gab es im Lauf der Zeit Veränderungen hinsichtlich
der Altlastenrelevanz (vgl. Branchenblatt Lackiererei).
Veränderungen in der Bewertung der Umweltrelevanz ergeben sich insbesondere
für den Zweiten Weltkrieg, da alle rüstungswirtschaftlich bedeutenden Betriebe der
Kontrolle ziviler Aufsichtsbehörden weitgehend entzogen waren, und daher häufig in
baulichen Anlagen arbeiteten, die für Gewerbebetriebe auch nach damaligem Stand
der Technik nicht geeignet waren. Es fehlte zumeist an einer Befestigung des Fuß-
bodens sowie an geeigneten Abwasseranlagen. Ähnlich ist die Nachkriegszeit zu
beurteilen, da behördliche Kontrollen zu diesem Zeitpunkt nur eingeschränkt durch-
geführt wurden.
Tabelle 2 Zusammenfassung aller altlastrelevanten Aspekte und Zuordnung zu
den Branchenklassen SH.
Zeitspanne Hilfsstoffe Nebenprodukte Altlastrelevante
Aspekte Branchen-klasse SH
bis 1900 Seifen, Wasser, Lein-
öle, Rüböle, geringe
Mengen Mineralöle
Metallspäne keine Abwasser-
anlagen, keine
Bodenbefesti-
gung
0
1900 – 1930 Seifen, Wasser, erste
Bohröle ohne PCB;
zunehmende Mengen
an Mineralölen, alipha-
tische Lösungsmittel
gering verölte Me-
tallspäne, Karbid-
schlamm, Lö-
sungsmittelrück-
stände;
keine Abwasser-
anlagen, keine
Bodenbefesti-
gung
0
1931 – 1960 Bohr- und Schneidöle,
PCB, Emulsionen,
Fungizide, Bakterizide,
hauptsächlich aliphati-
sche und aromatische
Lösungsmittel, Lacke
ölige Metallspäne,
Ölschlämme mit
PCB, Schwerme-
talle; Lösungsmit-
telrückstände,
Karbid-, Farb- und
Lackschlämme
Keine Abschei-
der für Farb-
schlämme; bis in
die Nachkriegs-
jahre häufig un-
befestigte Böden
und fehlende
Ölabscheider
4
1961 – 1980 Bohr- und Schneidöle,
PCB, Emulsionen,
Fungizide, Bakterizide;
Säurebeizen, Detergen-
tien, Lösungsmittel aller
Art, Lacke
ölige Metallspäne,
Ölschlämme mit
PCB, Schwerme-
talle, Lösungsmit-
telrückstände;
Farb- und Lack-
schlämme
Entölen der Spä-
ne mit CKW.
Einführung der
Entgiftung und
Neutralisation
von Abwässern
sowie Abschei-
der für Farb-
schlämme und
-nebel
4
Branchenblatt Apparatebau Seite 7
Altlasten-Leitfaden Schleswig-Holstein: Erfassung Anhang 11
1981 – Ge-
genwart
Bohr- und Schneidöle,
Emulsionen, Fungizide,
Bakterizide; Säurebei-
zen, Detergentien,
BTEX, Lacke
ölige Metallspäne,
Ölschlämme, Lö-
sungsmittelrück-
stände, Schwer-
metalle, Farb- und
Lackschlämme
Verbot von ver-
schiedenen
Schadstoffen,
Einführung löse-
mittelarmer La-
cke, geregelte
Abfallentsorgung
3
Branchenklasse 0: kein Gefährdungspotential Branchenklasse 1: Gefährdungspotential sehr gering Branchenklasse 2: Gefährdungspotential gering Branchenklasse 3: Gefährdungspotential mäßig Branchenklasse 4: Gefährdungspotential hoch Branchenklasse 5: Gefährdungspotential sehr hoch
7 Literaturhinweise
HANOW, M. (HRSG.): Schleswig-Holstein und seine Industrie. Verlag M. Dumont
Schauberg, Köln, 1957.
LUEGER, O. (HRSG.): Lexikon der gesamten Technik und ihrer Hilfswissenschaf-
ten, VII. Band, zweite Auflage. Deutsche Verlagsanstalt, Stuttgart und Leipzig, 1938.
MOMMERTZ, K. H.: Bohren, Drehen und Fräsen. Reinbek, 1981.
ROHR, B.; WIELE, H. (HRSG.): Lexikon der Technik. VEB Bibliographisches Insti-
tut, Leipzig, 1982.
Altlasten-Leitfaden Schleswig-Holstein: Erfassung Anhang 11 Histinvest – Dr. Klaus Schlottau, Bremen
Branchenblatt Bekleidungsbetriebe
Inhaltsverzeichnis Seite 1 Bezeichnung der Branche 2 2 Historischer Überblick 2 3 Allgemeiner Verfahrensablauf 3 4 Umweltrelevante Verfahrens- und Produktionsschritte sowie Ver-
unreinigungspotentiale 4 5 Gesetzliche Ausführungsvorschriften für verwendete Stoffe/
Stoffgruppen 5 6 Altlastrelevante/altlastirrelevante Nutzungszeiträume 5 7 Literaturhinweise 6 Abb. 1: Nähsaal eines Bekleidungswerkes in Neumünster um 1928 (Quelle:
STADTARCHIV NEUMÜNSTER)
Branchenblatt Bekleidungsbetriebe Seite 2
Altlasten-Leitfaden Schleswig-Holstein: Erfassung Anhang 11
1 Bezeichnung der Branche
In Kleiderfabriken werden Stoffe oder Tuche zu Oberbekleidung verarbeitet. Wä-
schefabriken hingegen fertigen Leib- und Bettwäsche an. Bekleidungswerke oder -
betriebe und Wäschefabriken produzieren beide Waren nach normierten Größen-
vorgaben in großer Stückzahl aber aus einer begrenzten Anzahl von Stoffen oder
Mustern (Konfektion). Wäschefabriken sind daher analog den Bekleidungsbetrieben
zu bewerten.
Grundsätzlich wird mit einer stark differenzierten Arbeitsteilung für einen anonymen
Abnehmer, der seine Kleidung „von der Stange“ kauft, produziert. Dies ist das
Hauptunterscheidungsmerkmal zu einer Schneiderei, wo für einzelne Kunden indivi-
duelle Stoffe nach Maß verarbeitet werden, und daher nur ein geringer Grad an Ar-
beitsteilung und wenige Arbeitskräfte vorhanden sind. Bekleidungswerke als Ober-
begriff der industriellen Konfektionsnäherei hingegen weisen eine große Zahl von
Arbeitskräften bis hin zu 2000 Mitarbeiterinnen auf.
2 Historischer Überblick
Das Herstellen von Wäsche und Bekleidung war bis zum Beginn des 20. Jahrhun-
derts überwiegend eine häusliche Tätigkeit der Frauen. Die gewerbliche Schneiderei
für einzelne Kunden hingegen war von Männern dominiert. Es handelte sich zumeist
um kleine Werkstätten mit ein bis zwei Gesellen oder Lehrlingen, die die Stoffe, wel-
che der Kunde mitbrachte, nach Maß zuschnitten und vernähten. Schneider waren
daher besonders für die teuren Bekleidungsstücke – Anzüge, Mäntel etc. – zustän-
dig.
Mitte des 19. Jahrhunderts wurde in Amerika und Europa die Nähmaschine mit
Tretwippenantrieb entwickelt und zur Produktionsreife gebracht. Es handelte sich
damals um eine mechanisch anfällige Konstruktion, die eine hohe Geschicklichkeit
und große Erfahrung für die Koordination von Maschinengeschwindigkeit und Stoff-
vorschub erforderte. Sie wurde daher zunächst nur in Schneidereien eingesetzt. Bis
ca. 1880 hatte sich bei den meisten Fabrikaten eine mechanische Steuerung des
Vorschubes mit Hilfe von Klemmen durchgesetzt. Diese Neuerung ermöglichte so-
wohl den Einsatz angelernter Hilfskräfte, als auch die Einführung in private Haushal-
te.
In den Fabriken wurden die Nähmaschinen in großer Zahl nebeneinander aufgestellt
und über eine zentrale Transmission angetrieben. Eine zweite Reihe wurde gegen-
überliegend aufgebaut und die Fläche zwischen den Maschinen als Arbeitsfläche
genutzt. Sie entwickelte sich bald zum Fördersystem der entstehenden Ware, indem
sie zur Rinne geformt wurde, in der die Halbfertigware bis zum letzten Handgriff
immer weiter geschoben wurde (siehe Abbildung 1). Zugleich entwickelte sich an
dieser Anordnung die Arbeitsteilung innerhalb der Näherei.
Da das Lohnniveau in der Bekleidungsindustrie ständig unterhalb dem anderer
Branchen lag, waren die Großbetriebe seit der Mitte der 1950er Jahre gezwungen,
Branchenblatt Bekleidungsbetriebe Seite 3
Altlasten-Leitfaden Schleswig-Holstein: Erfassung Anhang 11
die Arbeitskräfte mit eigenen oder angemieteten Bussen aus größeren Entfernun-
gen, insbesondere aus dem ländlichen Umkreis jenseits städtischer Verkehrsinfra-
struktur, heranzutransportieren und zum Feierabend den Rücktransport zu über-
nehmen. Ende der 1970er Jahre ist die Bekleidungsindustrie überwiegend in Länder
mit niedrigerem Lohnniveau abgewandert und es gibt nur noch wenige größere Be-
kleidungswerke in überwiegend ländlich strukturierter Umgebung.
3 Allgemeiner Verfahrensablauf
Die Bekleidungswerke bezogen die fertigen Stoffe und Tuchbahnen von den Her-
stellungsbetrieben. Die Verarbeitung begann nach einer visuellen Überprüfung des
Materials auf Fehler mit dem Zuschnitt. Mit Hilfe von größennormierten Schablonen
wurden die benötigten Stoffteile ausgeschnitten.
Abb. 2: Visuelle Prüfung der Rohware in den 1950er Jahren. (Quelle: HANOW)
In der Näherei erfolgte schrittweise die arbeitsteilige Fertigstellung des Textilstückes
(z.B. einer Hose). Je komplizierter der Aufbau des Kleidungsstückes war, desto län-
ger war eine derartige „Fertigungsstraße“. Es handelt sich in den Bekleidungsbetrie-
ben um eine typische Fließbandarbeit, bei der die Rinne die Funktion eines Förder-
bandes übernimmt.
Branchenblatt Bekleidungsbetriebe Seite 4
Altlasten-Leitfaden Schleswig-Holstein: Erfassung Anhang 11
Abb. 3: Zuschnitt mit einer Elektroschere in den 1950er Jahren. (Quelle: HANOW)
Im letzten Arbeitsschritt wurde das fertige Textilgut gebügelt bzw. gemangelt und
versandfertig gemacht.
4 Umweltrelevante Verfahrens- und Produktionsschritte sowie Verunreinigungspotentiale
Für Bekleidungswerke sind keine spezifischen umweltrelevanten verfahrenstechni-
schen Produktionsschritte bekannt. Die Tuche wurden in der Regel bereits in den
Tuchfabriken mit den erforderlichen allgemeinen oder speziellen Appreturhilfsmitteln
ausgestattet, so dass eine besondere Ausrüstung in den nähenden Betrieben nicht
mehr notwendig war.
Für das Bügeln oder Mangeln wurden zwar zumeist Hilfsstoffe eingesetzt, diese
basierten allerdings fast immer auf Stärke und waren auswaschbar. Glanz wurde
durch den Druck von Bügelmaschinen oder Mangeln und etwas aufgesprühtes
Pflanzenöl erzeugt.
Während der Bearbeitung an den Maschinen konnte es gelegentlich geschehen,
dass Öl aus den Maschinen austrat und Flecken im Tuch erzeugte. Für diese Fälle
wurde eine kleine Teilreinigung oder Fleckentfernung vor dem Bügeln und Verpa-
cken durchgeführt. Bis zum Ende der 1920er Jahre wurde das Nähmaschinenöl im
Allgemeinen mit Hilfe von Waschbenzin entfernt. Danach wurden leichte oder
schwere Chlorkohlenwasserstoffe für diesen Zweck eingesetzt. Da aber nur einzel-
ne Flecken damit entfernt wurden und nicht das ganze Kleidungsstück bearbeitet
wurde, gelangten nur geringe Menge der umweltgefährdenden Stoffe durch Hand-
habungsverluste in die Umwelt.
Branchenblatt Bekleidungsbetriebe Seite 5
Altlasten-Leitfaden Schleswig-Holstein: Erfassung Anhang 11
Je größer ein Bekleidungswerk allerdings war, desto mehr war er auf die Eigener-
zeugung von Antriebs- und Heizenergie sowie die Anlage eines eigenen Betriebsho-
fes angewiesen. Eigene Dampfkraftanlagen waren bis zum Ende des 2. Weltkrieges
die Regel und wurden dann durch den Bezug von Strom nach und nach ersetzt.
Zeitgleich wuchs aber der Fuhrpark der Großbetriebe stetig an.
5 Gesetzliche Ausführungsvorschriften für verwendete Stoffe/Stoffgruppen
Für Bekleidungswerke liegen keine speziellen Ausführungsvorschriften vor. Tabelle 1 Altlastrelevante Stoffe und ihr zeitlicher Einsatz
Stoff Nutzung Verstärkte An-wendung ab
Verwendungsbe-schränkung/ Verbot
LCKW.1 Lösungsmittel für Fett- und Ölfle-
cken ca. 1930 1981/1986 (zum Teil)
1 9/1981 Technische Regel für gefährliche Arbeitsstoffe TrgA 502: Verwendungsbeschrän-
kung für Tetrachlorkohlenstoff; 21.4.1986 2.BImSchV: Verordnung zur Emissionsbeschränkung von leichtflüchtigen Halo- genwasserstoffen, Anwendungsbeschränkungen 1990 in der Neufassung verschärft.
6 Altlastrelevante/altlastirrelevante Nutzungszeiträume
Trotz der zum Teil großen Ballung von Arbeitskräften in den Kleiderfabriken ging
von ihnen bis in die 1920er Jahre keine größere Gefährdung aus als von den
Schneidereien.
Erst mit dem Einsatz von chlorierten Lösungsmitteln für die Fleckentfernung bzw.
dem Ausbau von eigenen Betriebshöfen für die Transporte von Material und beson-
ders Arbeitskräften gewann die Branche eine Umweltrelevanz, die allerdings nicht
besonders hoch war, weil es sich hierbei nur um Nebenbetriebe handelte.
Als für chlorierte Kohlenwasserstoffe zu Beginn der 1980er Jahre Nutzungsein-
schränkungen eingeführt wurden, war die Branche in der Bundesrepublik bereits
nahezu erloschen. Kleinere Nachfolgebetriebe, die sich im Zuge der Herausbildung
sogenannter höherwertiger „Markenkleidung“ nach und nach wieder etablieren
konnten, besitzen heutzutage dementsprechend keine gravierende Umweltrelevanz.
Branchenblatt Bekleidungsbetriebe Seite 6
Altlasten-Leitfaden Schleswig-Holstein: Erfassung Anhang 11
Tabelle 2 Zusammenfassung aller altlastrelevanten Aspekte und Zuordnung zu
den Branchenklassen SH.
Zeitspanne Hilfsstoffe Nebenprodukte Altlastrelevante
Aspekte Branchen-klasse SH
bis 1930 Stärke, Pflanzen-
öle, Waschbenzin
Putzlumpen 0
1931 – 1980 Stärke, Pflanzen-
öle, CKW, Ge-
ruchsstoffe
Putzlumpen In begrenztem Um-
fang Fleckentfer-
nung mit CKW, Ent-
stehen eines Be-
triebshofes
3
1981 – Ge-
genwart
Stärke, Pflanzen-
öle, Geruchsstoffe
Putzlumpen Einschränkung der
CKW-Nutzung, klei-
nere Betriebshöfe
2
Branchenklasse 0: kein Gefährdungspotential Branchenklasse 1: Gefährdungspotential sehr gering Branchenklasse 2: Gefährdungspotential gering Branchenklasse 3: Gefährdungspotential mäßig Branchenklasse 4: Gefährdungspotential hoch Branchenklasse 5: Gefährdungspotential sehr hoch
7 Literaturhinweise
ADLER, U.: Arbeit und Technik in der Bekleidungsindustrie. Campus-Verlag, Frank-
furt a.M., 1990.
DEUTSCHER REICHSTAG (HRSG.): Das Arbeiter-Elend in der Konfektionsindust-
rie vor dem Deutschem Reichstage: Stenographische Berichte über die Verhand-
lungen vom 12. Februar 1896. Reichsdruckerei, Berlin, 1896.
DOERING, F.-W.: Vom Konfektionsgewerbe zur Bekleidungsindustrie: Zur Ge-
schichte von Technisierung und Organisation der Massenproduktion von Beklei-
dung. Lang-Verlag, Frankfurt a.M., 1992.
HANOW, M. (HRSG.): Schleswig-Holstein und seine Industrie. Verlag M. Dumont
Schauberg, Köln, 1957.
HELL, E.: Jugendliche Schneiderinnen und Näherinnen in München: Eine Untersu-
chung ihrer wirtschaftlichen Lage mit besonderer Berücksichtigung der handwerks-
mäßigen Ausbildung. Cotta, Stuttgart, 1911.
KERTESZ, A.: Die Textilindustrie sämtlicher Staaten: Entwicklung, Erzeugung, Ab-
satzverhältnisse. 2. Auflage der Textilindustrie Deutschlands im Welthandel. Braun-
schweig, 1917.
KROLL, H.: Betriebshygienische Untersuchungen in der Bekleidungsindustrie. Diss.
Med., Universität Hamburg, 1963.
RHEIN, V.; NIEDERHÄUSERN, R.: Leute machen Kleider: Arbeitsverhältnisse und
gewerkschaftliche Organisation in der stadtzürichischen Bekleidungsindustrie 1880
– 1918. Chronos, Zürich, 1999.
Branchenblatt Bekleidungsbetriebe Seite 7
Altlasten-Leitfaden Schleswig-Holstein: Erfassung Anhang 11
STRUBE, B.: Entwicklung der Textil- und Bekleidungsindustrie: Entwicklungen und
Tendenzen der nationalen und internationalen Textil- und Bekleidungsbranche.
Diss. Universität Berlin, 1999.
TIMM, J.: Die Konfektionsindustrie und ihre Arbeiter: Darlegung und Kritik der Erhe-
bungen der Reichskommission für Arbeiterstatistik und deren Gesetzgebung. Verlag
Hozhäuser, Flensburg, 1897.
Altlasten-Leitfaden Schleswig-Holstein: Erfassung Anhang 11 Histinvest Dr. Klaus Schlottau – Bremen
Branchenblatt Bettfedernreinigung
Inhaltsverzeichnis Seite 1. Bezeichnung der Branche 2 2. Historischer Überblick 2 3. Allgemeiner Verfahrensablauf 2 4. Umweltrelevante Verfahrens- und Produktionsschritte sowie 6
Verunreinigungspotentiale 5. Gesetzliche Ausführungsvorschriften für verwendete Stoffe/ 7
Stoffgruppen 6. Altlastenrelevante/altlastirrelevante Nutzungszeiträume 7 7. Literaturhinweise 8
Seite 2 Branchenblatt Bettfedernreinigung
Altlasten-Leitfaden Schleswig-Holstein: Erfassung Anhang 11
1. Bezeichnung der Branche
Bettfedern sind die Federn bestimmter Geflügelarten in einer vom Handel genorm-
ten Zusammensetzung und Beschaffenheit. Es handelt sich grundsätzlich um gewa-
schene Geflügelfedern, die durch Rupfen von Gänsen, Enten, Hühnern oder Puten
gewonnen werden.
Bettfedern, die neu in den Handel gelangen, müssen gemäß RAL 092 A (Reichs-
ausschuß für Lieferbedingungen, 1925; fortgeführt nach dem Zweiten Weltkrieg als
RAL – Deutsches Institut für Gütesicherung und Kennzeichnung e.V.) durch die
Wäsche mit Wasser und milden Seifen von unreinen Bestandteilen und Krankheits-
keimen, die durch die Geflügelhaltung oder durch die Schlachtung in die Rohware
gelangt ist, befreit werden und durch den Einsatz von Wasserdampf über einen hin-
reichenden Zeitraum von weiteren Keimen, Motteneiern etc. gereinigt werden. Eine
alleinige Reinigung mit Dampf ist nicht ausreichend und daher gemäß Vorgaben des
Ausschusses für Lieferbedingungen (RAL) ebensowenig gestattet, wie die Ausrüs-
tung der Federn mit beschwerenden Stoffen oder Mottenpulver etc.
Gebrauchte Bettfedern verklumpen und müssen daher regelmäßig gereinigt werden.
Durch Druck, Schweiß und Ausdünstungen verkleben die Federn im Bettinlett und
bilden, zusammen mit abgeblätterten kleinen Kielteilen und pulverisiertem Feder-
mark sowie dem unvermeidbaren Federbruch, Klumpen. Bettdecken, Kissen etc.
werden in Bettfedernreinigungen gemäß den Vorgaben des RAL analog den Vor-
schriften für Rohfedern durch Wasser, Seifen und Dampf gereinigt.
2. Historischer Überblick
Ab dem 19. Jahrhundert wurden Geflügelfedern als Füllung für Bettdecken und
Kissen eingesetzt.
Die Aufnahme des Handelsverkehrs mit China am Ende des 19. Jahrhunderts ging
einher mit einem steigenden Import von Federn geschlachteter Gänse und Enten,
der bis zu 12.000t jährlich in den 1950er Jahren anstieg – der heimische Anfall
von Rohfedern, die in den Handel gelangten, betrug hingegen kaum 250 t im Jahr.
Die Handelsfirmen erhielten die Federn in Preßballen und mussten daher die Rei-
nigung, Aufbereitung und Sortierung sowie die Verpackung vornehmen.
3. Allgemeiner Verfahrensablauf
Die Federreinigung erfolgt, entsprechend der Warenkette, zum ersten Mal beim Im-
porteur oder Großhändler. Geflügelfedern dürfen gemäß RAL-Bestimmungen seit
1925 erst dann als Bettfedern verkauft werden, wenn
a) durch einen Sortier- und Waschvorgang alle nicht fedrigen Bestandteile (Stroh,
Kot, Blut, Staub, Geflügelgeruch, Bruch- und Langfedern sowie staubiges Fe-
dernmark) beseitigt wurden und
Branchenblatt Bettfedernreinigung Seite 3
Altlasten-Leitfaden Schleswig-Holstein: Erfassung Anhang 11
b) durch die Behandlung mit Heißdampf Parasiten, Keime, Mottenbrut wirkungsvoll
abgetötet wurden sowie
c) die gereinigte Feder durch weiteren Heißdampf „belebt“, also elastisch und vo-
luminös gemacht wurde.
Nachdem die Ballen aufgeschnürt wurden, werden die Rohfedern zunächst einer
Vorreinigung in einer Trockenreinigungsmaschine unterworfen. Die Maschine be-
steht aus einer rotierenden Siebtrommel, die mit Hilfe von Ventilatoren ständig mit
Luft gespült wird. Die mechanische Bewegung und der Luftaustausch sorgt dafür,
dass Staub und Schmutzteile beseitigt werden.
In einem anschließenden Arbeitsgang werden die vorgereinigten Federn dann von
Hand oder mit Hilfe einer Maschine vorsortiert. Entfernt werden hierbei Kielfedern,
Flugfedern und andere Langfedern, Bruchfedern oder verbliebene Schmutzteile, die
sich in der Trockenreinigungsmaschine nicht mechanisch haben lösen lassen. Die
maschinelle Vorsortierung besteht in der Regel darin, die Federn in einen hohen
Behälter mit seitlichen Taschen zu füllen, diesen dann von unten mit Luft solange zu
beaufschlagen, bis die Federn, entsprechend ihrem Luftwiderstand einem der Fang-
körbe zugeordnet sind: Schmutzklumpen und Steinchen bleiben unten liegen, wäh-
rend sich die Daunen im obersten Fach wiederfinden lassen. Durch die Trockenrei-
nigung und die Vorsortierung werden ca. 25 Prozent des ursprünglichen Rohfeder-
gewichts aussortiert und als Dünger verkauft.
Abb. 1: Federnsortiermaschinen der Fa. Manteuffel, Lübeck 1956. (Quelle: IHK
ZU LÜBECK)
In kleineren Betrieben dient die Vorsortiermaschine allein der Reinigung während
Großbetriebe die jeweiligen Federqualitäten getrennt in den nächsten Arbeitsgang
geben. Es handelt sich um die Federnwäsche. Die Federn werden nach der Vorsor-
Seite 4 Branchenblatt Bettfedernreinigung
Altlasten-Leitfaden Schleswig-Holstein: Erfassung Anhang 11
tierung in eine Waschmaschine mit einer langen zylindrischen Trommel gefüllt. Für
die Federnwäsche eignet sich nur handwarmes Wasser und Feinwaschmittel bzw.
Feinseifen, so dass die Wäsche jener von Wolle ähnelt. Organische Lösungsmittel
können bei dieser Wäsche nicht eingesetzt werden, weil dadurch das Federmark
und die Feder ausgetrocknet und folglich brüchig werden: Ein Hautfettrest muss
immer in der Feder verbleiben. Da weder intensive Reinigungsmittel noch heißes
Wasser einsetzbar sind, werden die Federn daher lange und mit oftmaligem Was-
seraustausch gewaschen, bis auch die letzten Unreinlichkeiten und besonders der
spezifische Geflügelgeruch beseitigt worden sind.
Aus der Waschmaschine werden die Federn in eine Schleuder umgefüllt, die aller-
dings mit relativ geringer Umdrehungszahl betrieben wird, um die feuchten Feder-
massen nicht so stark an die Wandungen zu pressen, dass Federbruch entstehen
könnte. Nach der Vortrocknung gelangen die Federn dann in die zweite wesentliche
Reinigungsmaschine, einen Dämpfer, in dem sie mit überhitztem Dampf unter leich-
tem Überdruck sowohl keimfrei desinfiziert werden als auch durch eine leichte Rota-
tion des liegenden, doppelwandigen Druckzylinders aufgelockert, füllig und elastisch
werden.
Abb. 2: Federnwaschmaschine der Fa. Manteuffel, Lübeck 1956 (Quelle: IHK
ZU LÜBECK)
Nach der Reinigung wird die Feder bereits als Bettfeder bezeichnet. Für den Handel
müssen allerdings einzelne Qualitäten getrennt werden. Dies erfolgt wiederum in
einer Sortiermaschine, die als stehender Schacht, in dem ein konstanter Luftstrom
von unten nach oben erzeugt wird, ausgebildet ist. Ein mechanisches Einzugswerk
befördert kontinuierlich Federn aus einem unten vor der Maschine befindlichen Vor-
rat in diesen Luftstrom, so dass die Bettfedern aufgewirbelt und in den Steigkanal
gesogen werden. Je leichter die Feder ist, desto höher fliegt sie, wirbelt dort, wo
Branchenblatt Bettfedernreinigung Seite 5
Altlasten-Leitfaden Schleswig-Holstein: Erfassung Anhang 11
Erdanziehungskraft und Auftrieb einander ausgleichen, hin und her und gleitet auf
dem Luftstrom dann in eine der seitlich angebrachten Sortierkammern. In jeder der
übereinander angebrachten Kammern befinden sich am Ende des Sortierprozesses
nach Gewicht und Größe gleichartige Federn.
Die Wertschöpfung des Bettfedernhandels erfolgt insbesondere in der Sortierung.
Daunen, der leichteste und fülligste Teil der Federn, sind um ein Vielfaches teurer
als Federn, besitzen allerdings nur geringe mechanische Strapazierfähigkeit und
verkleben durch Schweiß recht schnell. Da eine Bettdecke die geringsten mechani-
schen Belastungen erfährt, kann der Daunenanteil bis zu 95 % betragen, während
ein hoher Daunenanteil für ein Kopfkissen nachteilig ist. Bettfedern müssen hinsicht-
lich der Geflügelart, der Farbe und der Sorte deklariert werden.
Die Bettfedernreinigung im Bettenfachhandel folgt im Wesentlichen dem Ablauf in
der Fabrik; die Qualität der beschriebene Reinigung in der Bettfedernfabrik wird im
Fachhandel allerdings nicht erreicht, weil es sich, im Gegensatz zur Reinigung der
Rohfeder in der Fabrik, um eine Aufarbeitung gebrauchter Federn handelt. Das In-
lett wird im Fachhandel auf einer Seite geöffnet und der Inhalt über einen Ansaug-
trichter in die Maschine befördert.
Abb. 3: Entleerung eines Oberbettes in eine Reinigungsmaschine (Quelle:
www.bettfedernreinigung.de).
Reinigungsmaschinen im Fachhandel haben folgende Aufgaben: Bettfedern unter-
liegen während des Gebrauchs Alterungserscheinungen, so blättern kleinere Kiel-
teilchen ab, das Federnmark trocknet aus und setzt sich als Staub an die Federn.
Infolge der mechanischen Beanspruchung werden Federn beschädigt, es bildet sich
Federnbruch. Weiterer Schmutz resultiert aus den Kotpartikeln der in Betten leben-
den Milben. Dieser Partikelschmutz, bestehend aus den Kielschuppen, Federn-
markpulver, Federnbruch und Milbenkot wird durch ein Ausblasverfahren, das dem
der Sortiermaschine ähnelt, entfernt. Es handelt sich in der Regel um ca. ein Viertel
des Füllungsgewichtes, das durch diese mechanische Reinigung verloren geht und
ersetzt werden muss.
Die Federn eines Bettes werden zudem durch Körperschweiß und Körperflüssigkei-
ten, die durch das Inlett hindurch in die Federn gelangen, nach und nach ver-
schmutzt. Durch mechanische Belastungen dieser feuchten Bereiche verklumpen
Seite 6 Branchenblatt Bettfedernreinigung
Altlasten-Leitfaden Schleswig-Holstein: Erfassung Anhang 11
die Federn mit der Zeit. Um auch diese Verunreinigungen zu beseitigen und um
lebende Milben und deren Gelege zu zerstören, werden die Federn, wie in der Fab-
rik, mit Heißdampf behandelt, so dass hier eine Reinigung, eine Desinfektion und
auch eine Erneuerung der Füllkraft bewirkt wird. Ein Waschvorgang ist in der Bett-
federnreinigung des Fachhandels allerdings nicht üblich, so dass eingedrungene
Körperfette und Körperflüssigkeiten nicht ausgewaschen werden.
Nach dem Reinigungsvorgang wird die aufbereitete Federmenge mit ca. 25 Prozent
Neufedern in der Maschine gemischt, um wieder genügend Füllvolumen für das
Oberbett oder das Kissen zu haben und dann in das neue oder gewaschene Inlett
eingeblasen, das dann vernäht wird.
Abb. 4: Befüllung eines Oberbettes mit aufbereiteten Bettfedern (Quelle:
www.bettfedernreinigung.de).
4. Umweltrelevante Verfahrens- und Produktionsschritte sowie Verunreinigungspotentiale
Die Bettfedernreinigung in Bettfedernfabriken wie z.B. in der Fabrik von Willy Man-
teuffel, Lübeck-Schlutup erfolgt in der Reihenfolge Sortierung, Entstaubung, Wä-
sche, Dämpfung, Sortierung. Durch die Sortierung und Entstaubung entsteht ein
Materialverlust in Höhe von ca. 25 Prozent der Rohfedern. Dieser Materialverlust
wird gesammelt, gegebenenfalls gemahlen und dann als Dünger verkauft. Gefähr-
dende Stoffe gelangen dabei nicht in die Umwelt.
Der Waschvorgang wird mit lauwarmem Wasser und Feinseifen durchgeführt, um
wasserlösliche Verschmutzungen, Kot, Urin, Blut und einen geringen Teil der kör-
pereigenen Fette des Geflügels zu entfernen. Da starke Seifen oder Lösungsmittel
nicht eingesetzt werden können, erfolgt ein vielfacher Austausch des Waschwas-
sers, so dass die Federnwäscherei mit einem verhältnismäßig hohen Wasserver-
brauch verbunden ist. Die Abwässer werden in der Regel in einem betrieblichen
Klärwerk aufbereitet und dann in die Abwasserkanalisation geleitet. Gefährdende
Stoffe werden bei der Wäsche nicht genutzt.
Branchenblatt Bettfedernreinigung Seite 7
Altlasten-Leitfaden Schleswig-Holstein: Erfassung Anhang 11
Zur Desinfektion der Federn, zur Beseitigung von Ungeziefer und deren Gelegen,
insbesondere aber, um die Elastizität der Federn und damit das Füllvolumen zu re-
generieren, erfolgt als letzter Reinigungsvorgang eine Behandlung mit Heißdampf
unter Druck. Es erfolgt kein Zusatz von chemischen Desinfektionsmitteln.
Die „Reinigung“ im Bettenfachhandel wird in einer Kombinationsmaschine durchge-
führt. Es handelt sich hierbei im eigentlichen Sinne um eine „Aufbereitung“, weil eine
Wäsche in der Maschine nicht durchgeführt wird. Partikelschmutz wird ausgeblasen
und durch eine Sortieranlage entfernt. Schweiß- oder feuchtigkeitsverklumpte Fe-
dern werden durch eine Behandlung mit Heißdampf gelockert und wieder füllig. Mit
dieser Dampfbehandlung erfolgt zugleich eine Desinfektion, die auch Ungeziefer,
z.B. Milben und deren Eier, abtötet. Stoffe, die die Umwelt gefährden, werden bei
diesem Verfahren nicht eingesetzt.
Bettfedernreinigung ist daher weder im fabrikmäßigen Betrieb, noch als Reinigung
im Fachhandel mit umweltgefährdenden Stoffen verbunden.
5. Gesetzliche Ausführungsvorschriften für verwendete Stoffe/ Stoffgruppen
In der Bettfedernreinigung werden keine umweltgefährdenden Stoffe eingesetzt.
6. Altlastrelevante/altlastirrelevante Nutzungszeiträume
Eine Differenzierung der Nutzungszeiträume für die Bettfedernreinigung durch deut-
liche Verfahrensveränderungen ist nicht möglich. Mit dem Beginn des Imports chi-
nesischer Federn in den 1880er Jahren beginnt die fabrikmäßige Reinigung der
Rohfedern, die insgesamt als Bettfedernreinigung angesprochen wird.
Der Bettenfachhandel verfügte stets auch über Sortiermaschinen, um die einzelnen
Qualitäten zu mischen, insbesondere aber, um Altfedern aufzubereiten. Diese Altfe-
deraufbereitung wurde den Kunden, quasi im Nebenerwerb, als „Reinigung“ ange-
boten. Maschinentechnisch handelt es sich jedoch lediglich um Miniaturisierungen
der Sortier- und Dämpfanlagen einer wirklichen Federnreinigung. Verfahrenstechni-
sche Abweichungen zwischen Reinigung und „Aufbereitung“ bestehen darin, dass
insbesondere keine Federnwäsche durchgeführt wird.
Seite 8 Branchenblatt Bettfedernreinigung
Altlasten-Leitfaden Schleswig-Holstein: Erfassung Anhang 11
Tabelle 1 Zusammenfassung aller altlastrelevanten Aspekte und Zuordnung zu
den Branchenklassen SH
Zeitspanne Hilfsstoffe Nebenprodukte Altlastrelevante Aspekte
Branchen- klasse SH
1880 - Ge-
genwart
Wasser, Seifen Federnmehl 0
Branchenklasse 0: kein Gefährdungspotential Branchenklasse 1: Gefährdungspotential sehr gering Branchenklasse 2: Gefährdungspotential gering Branchenklasse 3: Gefährdungspotential mäßig Branchenklasse 4: Gefährdungspotential hoch Branchenklasse 5: Gefährdungspotential sehr hoch
In der Branchenklassenliste ist die Tätigkeit unter „Federnreinigungen“ zu finden.
7. Literaturhinweise
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hen der Henkel & Cie. GmbH., Düsseldorf. Econ Verlag Düsseldorf 1966.
HACKENBERG, W.: Die Hygiene des Bettes, Diss. Med. Düsseldorf 1953.
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HEUSSNER, Fritz und Karl HUEMER sowie Siegfried ZUBER: Die industrielle Wä-
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http://www.matratzenreinigung24.de (Zugriff am 11.09.2007).
INDUSTRIE UND HANDELSKAMMER ZU LÜBECK (Hg.): Lübeck arbeitet für die
Welt, Lübeck 1956.
KOCH, D. u.a.: Lexikon für Textilreiniger: Zusammenstellung aller stoffkundlichen,
chemischen, technischen und Praxis-Begriffe für Wäscherei, Chemischreinigung,
Färberei, Teppichreinigung, Lederpflege und verwandte Gebiete. Verlag Neuer Mer-
kur, München 1973.
LINKE, Hans Robert: Die Geschichte des Bettes und der Matratze aus orthopädi-
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MAIER-STREIB, Sophie: Bettfedern und Roßhaar. Praktische Anleitung zum Wa-
schen, Entfetten, Bleichen, Desinfizieren und Geruchlosmachen der Bettfedern so-
wie zum Waschen und Auffrischen von Woll- und Roßhaarmatratzen und feiner
weißer Wollsachen. 7. Verbesserte und vermehrte Auflage, Karl Rohm Verlag,
Lorch o. J. (ca. 1910).
MASSOT, Wilhelm: Textil-Industrie III: Wäscherei, Bleicherei, Färberei und ihre
Hilfsstoffe, 2. umgearbeitete Auflage, G. J. Göschen’sche Verlagsbuchhandlung,
Leipzig 1911.
Branchenblatt Bettfedernreinigung Seite 9
Altlasten-Leitfaden Schleswig-Holstein: Erfassung Anhang 11
ORLAND, B.: Wäsche waschen. Technik und Sozialgeschichte der häuslichen Wä-
schepflege, Rowohlt Verlag, Reinbek bei Hamburg, 1991.
ROGGENHOFER, G.: Die Wäscherei in ihrem ganzen Umfange. Bearbeitet nach
den neuesten Erfahrungen auf dem Gebiete der chemischen und Naßwäscherei
unter Mitwirkung bewährter Fachmänner, 3. vermehrte und verbesserte Auflage,
Ziemsen-Verlag, Wittenberg 1927.
SCHMIDT-LIEB, Willy: Federn und Daunen – Fühlen und Staunen. 100 Jahre
Frankfurter Bettfedernfabrik Fritz Volker GmbH. Eigenverlag Fritz Volker GmbH,
Frankfurt 1985.
SIEVERT, Maria: Experimentelle Untersuchungen über die Desinfektion von Betten
und Matratzen in überhitztem Dampf. Diss. Med. Münster 1962.
Altlasten-Leitfaden Schleswig-Holstein: Erfassung Anhang 11 Histinvest - Dr. Klaus Schlottau, Bremen
Branchenblatt Böttcherei
Inhaltsverzeichnis Seite 1 Bezeichnung der Branche 2 2 Historischer Überblick 2 3 Allgemeiner Verfahrensablauf 2 4 Literaturhinweise 4 Abb.1: Böttcherei von 1936, verschiedene Arbeitsschritte werden gezeigt.
(Quelle: KETTEMANN)
Branchenblatt Böttcherei Seite 2
Altlasten-Leitfaden Schleswig-Holstein: Erfassung und Erstbewertung Anhang 11
1 Bezeichnung der Branche
Der Böttcher ist ein Handwerker, der Fässer oder Bottiche aus Holz für die Lage-
rung und den Transport von Waren anfertigt. Andere Bezeichnungen sind Fassbin-
derei oder Küferei, wobei letztere primär im Zusammenhang mit der Herstellung von
Weinfässern genannt wird. Die Böttcherei unterscheidet sich hinsichtlich der Pro-
duktionsweise und der eingesetzten Stoffe grundsätzlich von der Fassfabrik oder
Fassreinigungs- und –reparaturbetrieben sowie von Fabriken für die Produktion von
Metall- oder Kunststofffässern.
2 Historischer Überblick
Böttcher oder Küfer sind Handwerker, deren Arbeiten im Zeitraum vom Mittelalter
bis etwa in die ersten beiden Jahrzehnte des 20. Jahrhundert benötigt wurden. Her-
gestellt wurden hölzerne Transport,- Lager- und Reaktionsgefäße (Weinkeller, Bier-
keller). Nicht nur für den Transport flüssiger Waren, sondern auch für Fische, Ge-
treide, Stoffe, Bücher, Felle, Papier etc. wurden Fässer benutzt, damit die Waren
den Transport ohne Bruch- und Feuchtigkeitsschäden überstanden. Aus Holz gefer-
tigte Fässer und Bütten waren die Aufbewahrungs- und Transportmittel der Vergan-
genheit schlechthin. In den Hafenstädten entstand daraus ein spezialisiertes Ge-
werbe für die Transportverpackung und Umpackarbeiten, die Küperei (siehe Bran-
chenblatt Küperei).
Die Böttchereiprodukte waren zu einem großen Teil Gebrauchsgüter für andere
Gewerbe. Daher war dieses Handwerk in hohem Maße von den Betrieben und ihrer
Konjunktur abhängig, denen es zuarbeitete. Die Böttcherei spielte nicht nur in Städ-
ten mit einem hohen Bedarf an Transportfässern eine große Rolle, sondern auch
auf dem Lande. In den ländlichen Gebieten Schleswig-Holsteins wurden in den
landwirtschaftlichen Betrieben und den dazu dazugehörigen Gewerben eine große
Zahl an Fässern benötigt. Dieser hohe Bedarf führte um die Jahrhundertwende auch
zur Gründung erster Fassfabriken. Aber weder die handwerkliche noch die industri-
elle Herstellung von Holzbehältern konnte langfristig überleben, da die Konkurrenz
der modernen Werkstoffe wie Metall und später Kunststoff zu groß war.
Nur in der Fischindustrie behielt das Fass als Lager- und Transportmittel noch bis in
die 1960er Jahre eine größere Bedeutung. Im Allgemeinen wurden die Holzfässer in
der Lebensmittelindustrie erst durch die Plastikfässer verdrängt.
3 Allgemeiner Verfahrensablauf
Das Fass wird je nach Verwendungszweck vom Böttcher aus dem Holz von Nadel-
oder Laubbäumen angefertigt. Fässer für die Lagerung und den Transport von Ge-
tränken werden nahezu ausschließlich aus dem Holz von Laubbäumen hergestellt.
Branchenblatt Böttcherei Seite 3
Altlasten-Leitfaden Schleswig-Holstein: Erfassung und Erstbewertung Anhang 11
Den Körper des Fasses bilden die Dauben, dies sind leicht gebogene Bretter mit
konvex geformtem Profil, sowie die beiden Fassböden. Die Dauben werden von
Fassbändern oder „Reifen“ aus weichem, aber zähem Holz zusammengehalten. Für
große Fässer werden Bandeisen verwendet, auf denen das Fass auch gerollt wer-
den kann.
Für die Herstellung der Fassdauben und der -böden werden glatt gewachsene und
astfreie Holzstämme zu gleich langen Kloben geschnitten, die der Höhe der späte-
ren Fässer entsprechen. Die Kloben werden zunächst grob zerteilt und dann mit
einer Spaltklinge zu Brettern gespalten. Nach dem Trocknen und Sortieren werden
die Hölzer auf einer Ziehbank mit Zieheisen zu Dauben oder Böden geformt. Die
einzelnen Dauben, deren Mitte etwas breiter ist, werden zu einem Gebinde neben-
einander gelegt, angepasst, beidseitig mit einem Hobel nachbearbeitet und mit zwei
Falzen für die Fassböden versehen. Auf der Innenseite wird ein sogenanntes
„Schlagband“ an jede Daube geheftet, so dass nach dem Verbinden der beiden
Enddauben ein gefäßartiges Gebilde entstanden ist, bei dem die Dauben nur in der
Mitte Kontakt haben. Durch Feuer, Dampf oder mit Hilfe von Winden werden die
Dauben dann um den unteren Fassboden gezwungen und durch Fassreifen oder -
bänder in Form gehalten. Das entstehende Fass wird dann umgedreht, damit weite-
re Fassbänder aufgeschlagen werden können.
Abb.2: Aufsetzen des Fasses mit Setzreifen. (Quelle: MEHL)
Branchenblatt Böttcherei Seite 4
Altlasten-Leitfaden Schleswig-Holstein: Erfassung und Erstbewertung Anhang 11
Diese Prozedur wird für die Oberseite wiederholt. Nachdem der Fasskörper fertig-
gestellt ist, werden Spund- und Zapfenloch zum Befüllen bzw. Entleeren der Fässer
gebohrt, verbliebene Unebenheiten beseitigt und das Holz durch Leinöl oder Was-
ser zum Quellen gebracht, so dass die Dauben sich vollständig aneinander pressen.
Bottiche werden durch das mittige Teilen fertiger Fässer hergestellt.
Sowohl in der handwerklichen Böttcherei, als auch in frühen Fassfabriken entstan-
den durch den Arbeitsprozess in der Regel nur Schnitt- und Hobelspäne, die im Be-
trieb selbst verbraucht wurden. Da die hölzernen Fässer im 20. Jahrhundert fast nur
für die Lagerung und den Transport von Nahrungsmitteln hergestellt wurden, be-
handelte man sie weder mit Teer, Carbolineum oder Fungiziden, so dass Verunrei-
nigungen durch diese Stoffe nicht zu befürchten sind. Im Allgemeinen wurden nur
pflanzliche Öle zum Quellen des Holzes und äußerliche Anstriche auf der Basis die-
ser Öle verwendet. Die Branche „Böttcherei“ zählt somit nicht zu den altlastrelevan-
ten Gewerben.
4 Literaturhinweise
KETTEMANN, O.: Handwerk in Schleswig-Holstein. Studien zur Volkskunde und
Kulturgeschichte Schleswig-Holsteins, Band 18. Karl Wachholtz Verlag, Neumüns-
ter, 1987.
MEHL, H. (HRSG.): Altes Handwerk in Schleswig-Holstein. Werkzeug und Arbeits-
formen im Wandel. Westholsteinische Verlagsanstalt Boyens & Co., Heide, 1999.
Altlasten-Leitfaden Schleswig-Holstein: Erfassung Anhang 11 Histinvest - Dr. Klaus Schlottau, Bremen
Branchenblatt Chemische Reinigung
Inhaltsverzeichnis Seite
1 Bezeichnung der Branche 2
2 Historischer Überblick 2
3 Allgemeiner Verfahrensablauf 5
3.1 Detachur 7
3.2 Reinigung 7
4 Umweltrelevante Verfahrens- und Produktionsschritte sowie Verun-
reinigungspotentiale 12
5 Gesetzliche Ausführungsvorschriften für verwendete Stoffe/
Stoffgruppen 15
6 Altlastrelevante/altlastirrelevante Nutzungszeiträume 16
7 Literaturhinweise 18
Anhang Gebräuchliche Detachurmittel 20
Abb. 1: Blick in die Reinigungshalle der Fa. Stichweh, Hannover 1978. (Quelle:
KURZ)
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1 Bezeichnung der Branche
Die chemische Reinigung dient der Entfernung von Fetten, Ölen, Ruß, Schmierstof-
fen oder anderen Verschmutzungen aus Textilien und Leder. Sie unterscheidet sich
von der Wäscherei darin, dass anstelle des Wassers als Lösungsmittel für wasch-
wirksame Seifen ein leicht flüchtiges chemisches Lösungsmittel mit hohem Lö-
sungsvermögen für Fette und Öle eingesetzt wird. Es handelt sich daher um eine
sogenannte „Trockenreinigung“. Diese Bezeichnung, die der englischen und franzö-
sischen Bezeichnung entspricht, war auch in Deutschland bis zum Beginn des 20.
Jahrhunderts gebräuchlich und brachte zum Ausdruck, dass fast kein Wasser für die
Reinigung benutzt wurde. Diese strikte Trennung galt und gilt jedoch nur scheinbar,
weil Kleidung niemals ausschließlich nur mit Schmutz verunreinigt ist, der sich ent-
weder mit Wasser oder mit einem der chemischen Lösungsmittel entfernen lässt.
Wasserlösliche Verunreinigungen wie Schweiß, Urin, Rotwein etc. wurden daher
früher vor oder nach der Hauptreinigung durch eine Detachur beseitigt, während in
der Neuzeit stets geringe Mengen wasserlösliche waschaktive Reinigungsmittel im
Vollautomaten zugesetzt werden. Dieses Reinigungswasser muss als Kontaktwas-
ser, in dem sich geringe Mengen der Reinigungsflüssigkeit gelöst haben, gesondert
behandelt werden.
2 Historischer Überblick
Die chemische Reinigung als eigenständiger Dienstleistungsbetrieb entstand aus
der Färberei. Für das Nachfärben gebrauchter, in der Regel verschmutzter Kleidung
war es erforderlich, die Faser im Gewebe möglichst sauber mit der neuen Farbflotte
in Berührung zu bringen, daher ist in der Färberei die Vorstufe zur gewerblichen
Reinigung zu suchen. Das Bedürfnis nach anderen Waschverfahren für Kleidung
entstand im 19. Jahrhundert, weil im Zuge der Industrialisierung immer mehr Fette
und Schmieröle eingesetzt wurden und in der Luft ein zunehmender Anteil Ruß vor-
handen war. Die üblichen Schmutzpartikel wie Staub etc. sammelten sich auf diesen
wasserunlöslichen Flecken und konnten dann auch mit den üblichen Verfahren nicht
entfernt werden.
Der französische Färber Jolly Bellin wandte im Jahr 1826 erstmalig Terpentinöl für
die Beseitigung fetthaltiger und verharzter Flecken in der Fleckentfernung (De-
tachur) an und stellte dabei fest, dass dieses Mittel nicht allein für die Fleckenent-
fernung, sondern auch für die Wäsche des gesamten Kleidungsstückes geeignet
war. Er konnte daher auf die bekannten Verfahren der Nasswäsche - langes Ein-
weichen, Reiben, Kochen, Spülen – verzichten, was zugleich auch mit einem Vorteil
für die Oberbekleidung verbunden war: sie schrumpfte und verzog oder verfilzte sich
nicht. Zudem mussten Seidenapplikationen oder Mischgewebe nicht mehr von dem
Kleidungsstück abgetrennt und später wieder aufgenäht werden.
Terpentinöl hat jedoch einen lang anhaltenden Geruch, so dass wenig später Ben-
zol und Benzine für diese Reinigung genutzt wurde. Die technische Ausstattung
unterschied sich in keiner Weise von jener der Färberei oder der zu diesem Zeit-
punkt in den Großstädten aufkommenden Großwäschereien. Bereits Bellin hatte
aus der Reinigung in seiner Schönfärberei einen eigenen Geschäftszweig gemacht,
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indem er diese Leistung auch unabhängig von der Färberei anbot. Als „Pariser
Waschanstalt“ wurden ab 1850 in den europäischen Großstädten nach und nach
Großbetriebe der Färberei und Reinigung gegründet, so z.B. 1853 in Hannover die
„Färberei und Neueste Chemische Pariser Waschanstalt“ von Friedrich A. Stichweh.
1854 wurde in Berlin die erste Wäscherei und Färberei, die die trockene und chemi-
sche Reinigung anbot, gegründet (Orland, 1991). Es handelte sich hierbei um die
Firma Spindler.
Die Wandlung der kleingewerblichen Schönfärberei zur chemischen Reinigung mit
Benzin war jedoch nur mit Ausnahmen möglich: Der Umgang mit leichtflüchtigem
Benzin war mit erheblichen Brandgefahren verbunden, so dass die Stadt Paris be-
reits vor dem Ende des 19. Jahrhunderts die Aufnahme dieses Gewerbes in der
Stadt und deren Umfeld verboten hatte. 1903 wurden vergleichbare Auflagen auch
für das Deutsche Reich verbindlich, nachdem sich der Gesetzgeber mit der Situati-
on der Reinigungsgewerbe, von denen es zu diesem Zeitpunkt bereits 1.540 Betrie-
be gab, beschäftigt hatte. Wie die bereits genannten Firmen von Spindler oder
Stichweh mussten die neuen Reinigungsbetriebe an die Peripherie ausweichen, wo
die Gefährdung der Nachbarn durch Brände nicht so groß war, z.B. „Spindlerfeld“ in
Berlin. Um den Kontakt zu den Kunden zu halten, wurden daher in den Geschäfts-
vierteln der Städte Annahmestellen eingerichtet, wo die Kunden die Kleidung abge-
ben und wieder in Empfang nehmen konnten.
Abb 2: Liegende Benzinwaschmaschine mit Dampfseparator und Kondensator,
1927. (Quelle ROGGENHOFER; 1927).
In den Betrieben waren aus sicherheitstechnischen Gründen nach und nach ge-
schlossene Waschmaschinen, Schleudern und Trockner eingeführt worden, die sich
erheblich von den Anfängen der Maschinisierung der Wäscherei unterschieden. Zur
Vermeidung der Benzinverdunstung, die eine der Hauptursachen für vielfach ent-
stehende Brände war, wurden die Maschinen mit manuell zu schließenden oder
halbautomatisch schließenden Deckeln versehen, die zugleich an eine Absauganla-
ge angeschlossen waren. Aus dieser Schutzmaßnahme entwickelte sich der Ge-
danke, das Benzin, den teuersten Verbrauchsstoff der Reinigung, zurückzugewin-
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nen, indem die Maschinen und Absauganlagen an eine Redestillation angeschlos-
sen wurden. Hieraus entstand allmählich ein fast geschlossenes System. Allein das
Umladen von Maschine zu Maschine bei geöffneten Deckeln führte noch zu erhebli-
chen Verdunstungen, so dass ab Mitte der 1920er Jahre die ersten Kombinations-
maschinen für Waschen, Schleudern und Trocknen aufkamen, in denen als Schutz-
gas Stickstoff eingesetzt wurde. Diese Maschinen benötigten allerdings eine große
Stellfläche und hatten einen hohen Kraft- und Wärmebedarf sowie zahlreiche Ne-
benanlagen für die Kühlung, Kondensation und Redestillation, so dass nur Großbe-
triebe über derartige Anlagen verfügten.
Eine Hauptursache für die Brände in Benzinwäschereien war damit fast beseitigt
worden. Eine anderes Problem, die statische Aufladung des Benzins in der Maschi-
ne, das besonders bei der Reinigung von wollenen Kleidungsstücken auftrat, konnte
seit dem Beginn des 20. Jahrhunderts durch den Zusatz von „Benzinseife“, einem
Magnesiumsalz, herabgesetzt werden. Durch diese Sicherheitseinrichtungen gelang
es der Benzinwäscherei bis zum Ende der 1960er Jahre konkurrenzfähig zu ande-
ren Reinigungsverfahren, die sich nach und nach etablierten, zu bleiben.
Bei den konkurrierenden Reinigungsmitteln handelte es sich in der Regel um che-
mische Lösungsmittel, die bereits aus der Detachur bekannt waren. Insbesondere
wurden in der Fachliteratur seit ca. 1904 Tetrachlorkohlenstoff und seit ca. 1920
bzw. Ende der 1920er Jahre Trichlorethen und Perchlorethen zunehmend genannt.
Diese Lösungsmittel waren in der Chemie zwar bereits seit 1820 bzw. 1840 be-
kannt, wurden aber erst jetzt in größeren Mengen von der Chemischen Industrie
hergestellt, so dass der Preis langsam auf jenen von Benzol oder Benzin sank. Der
große Vorteil dieser Chlorkohlenwasserstoffe (CKW) bestand darin, dass sie nicht
brennbar waren und folglich auch in den offenen Altmaschinen, die bei vielen kleine-
ren Betrieben immer noch in Gebrauch waren, genutzt werden konnten.
1949 wurden in den Vereinigten Staaten die ersten geschlossenen Reinigungsvoll-
automaten patentiert, 1951 wurde von der Firma Böwe auch in Deutschland eine
vergleichbare Maschine angeboten. Alle Arbeitsvorgänge (das Vorspülen, Waschen
und Schleudern) fanden innerhalb einer Maschine statt, so dass nur noch das Tro-
ckenen auf Hängegestellen außerhalb der Maschine von statten ging. Diese Ma-
schinen waren für die Anwendung der halogenierten Kohlenwasserstoffe und deren
Redestillation in einem Wärmetauscher prädestiniert. Es handelte sich zunächst
noch um Geräte mit einem hohen Platzbedarf und Drehstromanschluss, die bis zu
80 kg Wäsche und ca. 200 l Flotte enthielten. Ein Jahrzehnt später hatten sich die
Dimensionen der Reinigungsautomaten deutlich verringert, weil sie nur noch für
eine Wäschebeladung von bis zu 20 kg ausgelegt waren. Sie benötigten eine Stell-
fläche von ca. 4 m² bei einer Höhe von ca. 2,20 m. In den Großreinigungen waren
bis zu zehn solcher Maschinen zu einem Karussell vereint, das von einer Person
bedient wurde.
In der Reinigungsbranche gab es bis zu diesem Zeitpunkt nur die Trennung von
zentralem Reinigungsbetrieb an der Peripherie und Annahmestellen im Zentrum der
Stadt. Aus den Annahmestellen konnten sich nun Filialen oder Ladengeschäfte ent-
wickeln, weil die Maschinen klein genug waren und die LHKW als Lösungsmittel
einen sicheren Betrieb gemäß damaliger Arbeitsschutzauflagen auch in den Innen-
städten gestatteten. Für den Betrieb einer Schnellreinigung wurde daher seit 1954
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keine abgeschlossene Lehre als Wäscher oder Reiniger verlangt, so dass auf der
Basis eines Sachkundenachweises Reinigungsbetriebe in großer Zahl entstanden,
die vorwiegend von einem italienischen Maschinenbaubetrieb mit den notwendigen
Geräten ausgestattet wurden. Zusätzlich entstanden seit ca. 1960 Waschsalons, in
denen auch Reinigungsautomaten im Selbstbedienungsbetrieb aufgestellt wurden.
Der Bedarf an chemischen Reinigungen, der durch neue Kunstfasern gefördert wur-
de, und die Möglichkeit, diese Dienstleistung nunmehr auch selbstständig in unmit-
telbarer Nachbarschaft der Kunden anzubieten, führte dazu, dass in den 1970er
Jahren mehr als 20.000 Reinigungsbetriebe in der Bundesrepublik existierten. Von
diesen waren zwei Drittel als klein- oder mittelständisches Unternehmen geführt. In
den Einkaufszentren, den Innenstädten, selbst in den Ladenzeilen der neuen Hoch-
haussiedlungen waren nunmehr chemische Reinigungen ein selbstverständlicher
Bestandteil des Branchenmixes.
Abb. 3: Chemischreiniger beim Befüllen eines Reinigungsautomaten, 1984.
(Quelle: RZEPKA, 1984)
Seit der Verkündung des 2. Bundes-Immissionsschutzgesetzes 1990 nahm die An-
zahl der Reinigungen bis auf gegenwärtig ca. 3.200 rapide ab. Nach Berechnungen
des Verbandes der Deutschen Textilreiniger benötigte 1990 eine normale kleinge-
werbliche Reinigung ein Kapital von DM 120.000,- um den Betrieb innerhalb der
Übergangsfrist von 2 Jahren für Altbetriebe auf die neuen gesetzlichen Auflagen
umzurüsten.
3 Allgemeiner Verfahrensablauf
Die Kleidungsstücke werden gewöhnlich nach Gewicht oder Stückzahl vom Kunden
bei der Annahmestelle, einem Fahrer oder direkt im Reinigungsbetrieb aufgegeben.
Eine Fachkraft sortiert daraufhin die Kleidungsstücke anhand der Pflegezeichen und
Farben den Waschgängen in Benzin oder Per zu und kontrolliert zugleich, ob be-
sondere Flecken vorhanden sind, die einer Vordetachur zu unterziehen sind. Sofern
eine Vorbehandlung erforderlich ist, wird diese an einem Detachurtisch durchge-
führt, bevor die Kleidung dann einer Vollreinigung in Benzin, Per oder einem Fluor-
chlorkohlenwasserstofflösungsmittel zugeführt wurde. Die chemische Reinigung
wird in der Maschine unter ständiger Bewegung vollzogen. Bis ca. 1950 musste die
Kleidung dann von der offenen oder geschlossenen Waschmaschine in eine
Schleuder umgeladen werden. In den neuen Automaten war die Schleuder inte-
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griert, so dass diese Handhabung, die stets mit großen Abtropfverlusten verbunden
war, entfiel. Aus der Schleuder wurden die Kleidungsstücke bis zum Ende der
1980er Jahre zum Trocknen auf offenen Ständern getrocknet, so dass auch hierbei
noch Abtropf-, vor allem aber Verdunstungsverluste eintraten.
Nach dem Trocknen wurde kontrolliert, ob alle Flecken entfernt worden waren. Falls
dies nicht der Fall war, wurde geprüft, ob mit Hilfe einer Nachdetachur eine vollstän-
dige Reinigung möglich war – im Zweifelsfall wurde diese unterlassen, um nicht das
Gewebe zu zerstören. Gewöhnlich wurde die Nachkontrolle bereits mit dem Bügeln
oder Dämpfen verbunden. Nach Abschluss dieser Arbeiten musste im Versand die
Kundenlieferung anhand der Einlieferungsscheine und der einzelnen Annahmestel-
len wieder zusammengestellt werden.
Die chemische Reinigung ist daher, unabhängig von singulären Ereignissen oder
vermeidbaren Handhabungsverlusten, grundsätzlich mit vier Verfahrensschritten,
die die Umwelt beeinträchtigen können, verbunden:
1. Die Reinigung, bei der gefährdende flüssige Stoffe freigesetzt werden kön-
nen;
2. Die Trocknung der gereinigten Kleidung, bei der Gase der Reinigungsmittel
freigesetzt werden können, die in der Umgebung kondensieren;
3. Die Rückgewinnung des Lösungsmittels aus der Trommel und aus der Klei-
dung durch Schleudern, Abpumpen, Absaugen in Vorrats- und Arbeitstanks;
4. Die Reinigung des Lösungsmittels durch Abscheidung von groben Verunrei-
nigungen in Schmutz-, Nadel- und Flusenfängern und Filtern sowie die an-
schließende Reinigung durch Destillation.
Selbst in einem geschlossenen Maschinensystem entstehen daher Rückstände
bzw. Abfälle, die bei fachkundiger Betriebsführung in geschlossenen Behältern auf-
gefangen und von Fachbetrieben entsorgt werden.
Abb. 4: Schematische Darstellung des Reinigungsmittelflusses in einem Reini-
gungsautomaten (Quelle: AbwV, Anhang 52).
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3.1 Detachur
In der Detachur prüft der Reiniger, ob die Kleidung Flecken enthält, die mit dem Lö-
sungsmittel, mit dem die Reinigung durchgeführt werden soll, nicht entfernt werden
können. Entsprechend der Art der Flecken, der Art der Faser und des gewählten
Grundreinigungsmittels müssen dann von der Fachkraft Lösungsmittel für die Vor-
behandlung (gegebenenfalls auch für die Nachdetachur) gewählt werden, mit denen
diese Verunreinigungen dann vor dem allgemeinen Waschgang entfernt werden.
Dies geschieht gewöhnlich auf einem mit Zinkblech beschlagenen Detachurtisch.
Zunächst wird der Fleck durch Bürsten von festen Verunreinigungen befreit, dann
wird Filterpapier unter den Fleck gelegt und mit einem Lappen das Lösungsmittel
vorsichtig eingerieben und gleich wieder aufgesogen.
Die Art der Lösungsmittel und der Lösungsmittelgemische für diesen Zweck ist sehr
vielfältig. Fast immer aber ist eines der Lösungsmittel beteiligt, mit denen auch eine
Vollreinigung ausgeführt werden könnte. Daneben tauchen auch Seifen, Reini-
gungsverstärker, Tenside oder Enzyme auf. Die gebräuchlichsten Detachurmittel
sowie deren Synonyme oder Handelsnamen sind in alphabetischer Folge im An-
hang aufgeführt.
3.2 Reinigung
Das Grundproblem jeder Reinigung besteht darin, ein polares Lösungsmittel zu fin-
den, das einen nicht in Wasser oder Seife löslichen verschmutzenden Stoff löst,
ohne die Kleidung zu entfärben oder gar zu zerstören. Solche lipophilen Lösungs-
mittel standen erst mit der Entwicklung der Petrochemie und der Chemischen In-
dustrie zur Verfügung. In der Regel aber waren die Lösungsmittel bereits zuvor in
Laboren entdeckt oder in kleinen Mengen produziert worden. Die Mengen jedoch,
die von Reinigungen benötigt wurden, konnten Labore nicht produzieren oder sie
waren so teuer, dass, angesichts der zunächst großen Verluste in den offenen Ma-
schinen, ein Einsatz sich aus betriebswirtschaftlichen Gründen verbot.
Ein weiterer Gesichtspunkt für die Wahl des Reinigungsmittels bestand in der An-
wendungssicherheit. Narkotisierende Mittel wie Äther, Chloroform, Benzol oder Ace-
ton, die zudem noch brandgefährlich waren, wurden daher zwar in kleinen Mengen
eingesetzt, jedoch in der Regel nicht für die Massenware genutzt. Benzine waren
zwar ebenfalls feuergefährlich, konnten aber ab Ende des 19. Jahrhunderts zu-
sammen mit den Benzinseifen unter Beachtung aller Sicherheitsvorschriften ohne
größere Probleme genutzt werden. Nachdem ab Mitte der 1920er Jahre immer mehr
geschlossene Maschinen auf den Markt kamen und nicht entzündliche Lösungsmit-
tel zur Verfügung standen, begann die Automatisierung und Verkleinerung bei
gleichzeitiger Rückgewinnung der Lösungsmittel, die letztlich zu den verhältnismä-
ßig sicheren Vollautomaten der Neuzeit führte. Neue synthetische Textilfasern er-
forderten neue Lösungsmittel, die in den Fluorchlorkohlenwasserstoffen gefunden
wurden, so dass nunmehr eine breite Palette von Lösungsmitteln für unterschiedli-
che Textilfasern und Flecken zur Verfügung stand. Die folgende Tabelle 1 vermittelt
eine chronologisch geordnete Übersicht über die gebräuchlichen Trockenreini-
gungsmittel, deren Eigenarten und Einsatzgebiete sowie deren Handelsnamen.
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Tabelle 1 Chronologie der wichtigen Trockenreinigungsmittel
Name Nutzungszeit-raum
Bemerkungen
Terpentinöl 1825 - 1860 Terpentinöl ist eine farblose, giftige Flüssigkeit, die nicht wasserlöslich ist. Es war das erste, zufällig gefundene Trockenreinigungsmittel. Es handelt sich um ein durch Destillation gereinig-tes Kiefern- oder Kienöl. Der Nachteil des Öls besteht darin, dass dem damals gewöhnlich unraffinierten Terpentin ein übler Geruch anhaf-tet. Mit gereinigtem Terpentinöl (Universalver-dünner) wird auch heute noch gearbeitet – vgl. Tabelle Detachiermittel im Anhang.
Spiritus, Alkohol 1850 Mit dem Anstieg der gewerblichen Brennerei als landwirtschaftlichem Nebengewerbe stand seit Mitte des 19. Jahrhunderts genügend Äthanol zur Verfügung, um in der Reinigung in Massen eingesetzt werden zu können. Aus steuerlichen Gründen wurde dem Alkohol allerdings ein Ver-gällungsmittel zugesetzt.
Petroleum 1860 - 1900 Die zwischen 150°C und 220°C siedenden Fraktionen der Alkane kamen ab 1859 mit der Verbreitung der Petroleumlampe in zunächst sehr geringen Mengen über die Apotheken auf den Markt. Mit zunehmendem Import von Rohöl und dem Aufbau der ersten Raffinerien in Bre-men und Hamburg ab 1865 wurde Petroleum (Lampenöl), aus dem dann später die Benzine destilliert wurden, so preiswert, dass es auch in der Reinigung eingesetzt wurde.
Leichtbenzin/ Petroleumbenzin
1860 - 1960 Die niedrig siedenden Mineralkohlenwasser-stoffe der Alkane zwischen Pentan und Nonan kamen ab 1850 in zunächst sehr geringen Mengen als Wundbenzin über die Apotheken auf den Markt und wurden wegen des hohen Preises und der Feuergefahr nur in der De-tachur eingesetzt. Mit der Einführung der Vaku-umdestillation in Europa ab 1904 stand Leicht-benzin in großen Mengen zur Verfügung und verbilligte sich ganz entscheidend, so dass die Benzinreinigung zum Standard wurde. Da die-ses Reinigungsmittel sich sehr schnell entzün-dete, trug die Erfindung der Benzinseife ent-scheidend zur Ausbreitung bei.
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Name Nutzungszeit-raum
Bemerkungen
Schwerbenzin (Handelsnamen z.B.: Kristallöl 30, Stoddard Solvent, White Spirit, Essovarsol, Test-benzin)
1860 – 1960 Mit Schwerbenzin als Reinigungsmittel sollen bereits die ersten Reinigungsbetriebe in Berlin, Warschau, Wien oder Hannover gearbeitet ha-ben. Es handelt sich heute um ein Gemisch von Alkanen zwischen Nonan und Dodecan, die teils oberhalb des Petroleums sieden und mit dem 1925 von dem Amerikaner Stoddard er-fundenen White Spirit oder Stoddard Solvent vergleichbar sind. Diese Schwerbenzine stehen den Paraffinen schon sehr nahe und sind daher zwar brennbar, aber nicht so leicht entzündlich wie Benzin oder Leichtbenzin. Unter Berück-sichtigung der Faktoren Reinigungswirkung, Betriebskosten und Betriebssicherheit für Rei-nigungsmittel handelte es sich lange Zeit um das Mittel der Wahl. Schwerbenzin wird auch heute noch in vielen Ländern eingesetzt. Seit 1993 werden Paraffine oder Paraffinöle als so-genannte „neue Kohlenwasserstoffe“ (vgl. dort) auch in der Reinigung wieder verstärkt einge-setzt.
Benzol/ Hütten-benzin
1870 Benzol (C6H6) wurde als eines der ersten künst-lich hergestellten organischen Lösungsmittel zunächst nur zögerlich in der Detachur einge-setzt, seitdem aber die Gasanstalten größere Mengen davon produzierten (ca. 1870), auch in der Trockenreinigung. Der Vorteil bestand da-rin, dass kein Geruch verblieb. Nachteilig war die große Feuergefährlichkeit und Giftigkeit sowie der sehr hohe Preis, der erst zum Ende des 19. Jahrhunderts sank. Da in Schleswig-Holstein nur das Hochofenwerk in Lübeck mit einer derartigen Nebenproduktanlage ausge-stattet war, ist der Einsatz von Benzol als Sub-stitut zu Benzin unwahrscheinlich.
Tetrachlorkohlen-stoff/ Tetrachlor-methan (Han-delsname z.B. Tetra oder As-ordin)
1904 - 1960 Seit 1904 ist das 1830 erfundene Tetra (CCl4) in der Literatur als Alternative genannt. Es hatte den großen Vorteil gegenüber den bisherigen Lösungsmitteln, nicht brennbar zu sein und nahezu jeden Fleck entfernen zu können. Von Nachteil war allerdings der hohe Preis, so dass ein massenhafter Einsatz in den damaligen offenen Maschinen nicht erfolgte.
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Name Nutzungszeit-raum
Bemerkungen
Trichlorethen „Tri“ (Handelsnamen z.B.: Tri, Dynatri, Trilene, Westro-sal, Drawinal)
1920 - 1930 Trichlorethen (C2HCL3) verdankte seine Ver-wendung in der Reinigung einerseits seiner relativ hohen Wasserlöslichkeit, andererseits dem verhältnismäßig geringen Preis und der Tatsache, dass es wie Tetra nicht brennbar ist. Zunächst als Reinigungsverstärker in der Nasswäsche eingesetzt, konnte es bald Benzol und Tetra in der Trockenreinigung verdrängen. Da es aber an der Luft unter Lichteinfluss schnell in Chlorwasserstoff, Kohlenmonoxid und Phosgen zerfällt, und zudem die Metalltei-le der Maschinen angreift, konnte es mit dem bald danach entwickelten Per nicht konkurrie-ren.
Perchlorethen/ Tetrachlorethen „Per“ (Handelsname: Perawin, Dy-naper, Dow-Per, Wacker-Per, Phillsolv, Per-cosolv)
1930 - aktuell Perchlorethen (C2CL4). war nicht teurer als Trichlorethen, zersetzte sich an der Luft aber nicht in dem hohen Maße und griff auch die Maschinen nicht so intensiv an. Zudem war es ebenfalls nicht brennbar, so dass Per bis in die Gegenwart in ca. 80 % aller Reinigungen ge-nutzt wird.
Monofluortri-chlorethan (R 11) (Handelsnamen z.B.: Frigen 11, Freon 11, Fri-Dohna F 11, Di-onal, Kaltron DC 11)
1960 - 1980 Mit der Einführung neuer chemischer Textilfa-sern (Nylon, Nyltest, Perlon, Dralon etc.) wur-den in der chemischen Reinigung Lösungsmit-tel benötigt, die die Faser nicht wieder auflös-ten. Die meisten Kunststofffasern werden bei der Herstellung in Lösungsmitteln verflüssigt, die nach der Passage der Spinndüsen mög-lichst schnell verdunsten, so dass Leichtbenzi-ne, BTEX und LHKW für die Reinigung nicht mehr in Frage kamen. Als Alternative wurde die Gruppe der Fluorchlorkohlenwasserstoffe (FCKW) entdeckt, die aufgrund ihrer thermi-schen Stabilität bereits in den Kühlkreisläufen der Kühlschränke eingesetzt wurde. Sie sind nicht brennbar, können Fette und Öle gut lösen und sind leicht zu redestillieren. R 11 (CFCl3) hatte, ähnlich wie ehedem Tri, allerdings den Nachteil sehr flüchtig zu sein, so dass selbst in geschlossenen Automaten der Verbrauch unwirtschaftlich war. Nachdem sich bis 1980 herausgestellt hatte, dass nicht alle modernen Stoffe, die mit dem Pflegesymbol F gekennzeichnet waren, dem R 11 widerstan-den, wurde seine Nutzung in Automaten ein-gestellt.
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Name Nutzungszeit-raum
Bemerkungen
Trifluortrichlor-ethan (R 113) (Handelsnamen z.B.: Frigen 113, Freon 113, Fri-Dohna F 113, Kaltron DC, Val-clene)
1960 - 1990 R 113 (C2F3CL3) wurde zeitgleich mit R 11 eingeführt und besaß ähnliche Vorteile, ver-dunstete allerdings nicht in gleicher Menge und löste moderne Textilien weniger als R 11, so dass dieses Reinigungsmittel bis ca. 1990 ne-ben Per und Schwerbenzin zum Standard der gebräuchlichen Lösungsmittel gehörte. Der Einsatz ist wegen erheblicher Gesundheitsge-fährdungen verboten.
1,1,1-Trichlor-ethan
1985 - 1992 1,1,1-Trichlorethan ist ein Reinigungsmittel, das erst kurz vor der Verabschiedung des WHG eingeführt wurde. Es handelt sich um ein Lösungsmittel, das bereits in der Metallentfet-tung mit Erfolg eingesetzt worden war und dann wegen seiner hohen chemischen und physikalischen Stabilität auch Eingang in die Chemische Reinigung fand. Der Verdacht, dass dieses Mittel mutagen und canzerogen ist sowie die 1991 erfolgten Verbote und Nut-zungseinschränkungen gegen die in der Reini-gung eingesetzten LHKW, zu denen auch die-ser Stoff gehört, beendeten die kurze Karriere des 1,1,1-Trichlorethan ebenso wie die des Dichlorethan.
Kohlenwasser-stofflösemittel (KWL) (Handelsnamen z.B.: Shellsol TK, Shellsolreiniger DSC, Rynex, Green-earth, n-Undecan, N 11, Actrel Dry, Clean 56)
1993 - aktuell Die „neuen Kohlenwasserstoffe“ in der Reini-gungschemie, die ohne Fluor- oder Chlorver-bindungen auskommen, wurden nach Einfüh-rung der 2. BImSchV als Alternativen zu den umweltschädigenden LHKW und FCKW pro-pagiert. Es handelt sich in der Regel um Gemi-sche von Alkanen, Cycloalkanen und Aroma-ten mit zehn bis zwölf C-Atomen: Paraffine von Decan bis Dodecan oder Cyclodecan bis Cyclododecan sowie um Naphthaline: Methyl- und Dimethylnaphthaline. Ein Teil dieser neuen Lösungsmittel wurde in der Geschichte der Reinigung bereits seit lan-ger Zeit unter dem Namen „Schwerbenzin“ benutzt. Neben die Alkane sind nun aber auch die Cyclo- und Isoalkane getreten, die ähnliche Reinigungseigenschaften besitzen. Insgesamt ist dieses Reinigungsmittel dem Dieselkraft-stoff, der schon jahrzehntelang in der Ent-wachsung, Entfettung und Entölung von Fahr-zeugen und Maschinen eingesetzt wurde, in der Zusammensetzung und Eigenschaften relativ ähnlich. Gegenwärtig werden ca. 20 % der Reinigungen mit diesem Mittel durchge-führt.
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4 Umweltrelevante Verfahrens- und Produktionsschritte sowie Verunreinigungspotentiale
Die Umstellung der Maschinen auf eine vollständig geschlossene Arbeitsweise be-
gann in den 1920er Jahren und war bis in die 1930er Jahre im Wesentlichen abge-
schlossen. Bis dahin traten während der Wäsche erhebliche Verdunstungen des
Lösungsmittels auf, denen sich die Verkleckerungen beim Umladen von einer Ma-
schine zur nächsten noch hinzugesellten. Pro Waschgang war ein Verlust von bis zu
30 Prozent anzunehmen. Sofern es sich um Benzine handelte, waren die Verduns-
tungen und auch die Verkleckerungen in der Regel nicht nachhaltig umweltrelevant.
Verdunstungen von Tetra, Tri oder Per jedoch sammelten sich wegen ihres spezifi-
schen Gewichtes auf dem Boden, im Estrich und in den Kellern, kondensierten dort
und konnten dann über den Boden ins Grundwasser gelangen.
Abb. 5: Schematische Darstellung des Trocknungs- und Kondensationsvorganges
(Quelle: AbwV, Anhang 52).
Geschlossene Maschinen wurden in der Benzinwäscherei zunächst noch mit
Schutzgas betrieben, um Entzündungen zu vermeiden. Aus betriebswirtschaftlichen
Gründen wurden sie - wie auch Maschinen für die anderen Lösungsmittel – an eine
Anlage zur Rückgewinnung der Lösungsmittel, eine Redestillation, angeschlossen,
so dass sich die durchschnittlichen Lösungsmittelverluste pro Waschgang auf ca. 10
Prozent reduzieren ließen. Bei einer Maschinenfüllung mit 80 kg Wäsche und ca.
200 l Flotte betrug der Verlust mithin immer noch ca. 20 l Lösungsmittel. Diese Ver-
luste waren auf das noch immer gebräuchliche Umladen von Maschine zu Maschine
sowie die anschließende Lufttrocknung zurückzuführen.
Mit der Einführung der Redestillation im kontinuierlichen Betrieb entstand neben den
Lösungsmittelverlusten ein neuer Problemstoff: Im Lösungsmittel sind alle öligen,
fettigen, harzigen, teerhaltigen und sonstigen Schmutzstoffe gelöst. Hier ist insbe-
sondere die Anreicherung von polychlorierten Dibenzodioxinen (PCDD) und poly-
chlorierten Dibenzodifuranen (PCDF) im Destillationsrückstand von Bedeutung. Bei-
de Stoffe sind in der angelieferten Ware enthalten und werden durch die Reinigung
herausgelöst. Die Entsorgung erfolgt heute fachgerecht zusammen mit den Aktiv-
kohlefiltern und dem Kontaktwasser.
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Abb. 6: Schematische Darstellung des Destillationsvorganges (Quelle: AbwV,
Anhang 52).
Mit der Einführung der geschlossenen Vollautomaten sank der Lösungsmittelverlust
seit 1960 von ca. 10 auf gegenwärtig ca. 1 Prozent des eingesetzten Flottenvolu-
Ablaufschemata der Chemischen Reinigung
Industriereinigung, offene Systeme bis ca. 1990 Filialen, geschlossene Automaten, ab ca. 1992
• 1. Annahme: Chargenkennzeich-nung.
• 2. Sortieren: Sortierkriterien sind Pflegekennzeichen und Farbe.
• 3. Vordetachur: Beseitigung von Flecken, die mit dem Lösungsmit-tel des Hauptreinigungsganges nicht zu entfernen sind.
• 4. Hauptreinigung: Maschinenwä-sche, die in Lösungsmitteln durch-geführt wird, die den Pflegekenn-zeichen entsprechen.
• 5. Umfüllen in Transportbehälter.
• 6. Schleudern, um die Reinigungs-flüssigkeit zu entfernen.
• 7. Umfüllen in Transportbehälter.
• 8. Trocknen des Reinigungsgutes in Trockenmaschinen.
• 9. Nachdetachur, um Flecken zu beseitigen, die in dem Hauptreini-gungsmittel nicht löslich waren.
• 10. Lüften in Hängegestellen.
• 11. Finish und Legen.
• 12. Ausgabe: Zusammenstellung des Kundenauftrages.
• 1. Annahme: Chargenkenn-zeichnung.
• 2. Sortieren: Sortierkriterien sind Pflegekennzeichen und Farbe.
• 3. Vordetachur: Beseitigung von Flecken, die mit dem Lösungs-mittel des Hauptreinigungsgan-ges nicht zu entfernen sind.
• 4. Hauptreinigung: Maschinen-wäsche, die in Lösungsmittel durchgeführt wird, die den Pfle-gekennzeichen entsprechen. In der Maschine wird zugleich ge-schleudert, getrocknet, gelüftet und Lösungsmitte redestilliert.
• 5. Nachdetachur, um Flecken zu beseitigen, die in dem Hauptrei-nigungsmittel nicht löslich wa-ren.
• 6. Finish und Legen.
• 7. Ausgabe: Zusammenstellung des Kundenauftrages.
Seite 14 Branchenblatt Chemische Reinigung
Altlasten-Leitfaden Schleswig-Holstein: Erfassung Anhang 11
mens. Dieser Verlust war teils auf das Auslüften der Kleidung nach dem Reini-
gungs- und Schleudervorgang, teils auf die Entsorgung von Kondensat, Kontakt-
wasser und Destillationsrückständen in den öffentlichen Kanal, zurückzuführen. Erst
am Beginn der 1990er Jahre wurde dieser Verlust durch die Einführung der Kälte-
absorptionstechnik in der vollautomatischen Kleidertrocknung minimiert. Seither sind
die Reinigungsmaschinen in einem vollständig geschlossenen Kreislauf mit Filter-
kartuschen für die Gase, Aktivkohlefiltern für die gekühlte Abluft sowie gesondert zu
entsorgenden Rückstandscontainern für Schmutzrückstände, verbrauchte Filter und
Kontaktwasser zu betreiben. Während des Reinigungsvorganges und des anschlie-
ßenden Trocknens können die Maschinen nicht geöffnet werden, bis der Vorgabe-
wert in der Trockenluft unterschritten ist. Reinigungen, die seit 1988 mit einer neuen
vollautomatischen Maschine ausgestattet wurden, werben daher gerne mit einem
Ein-Stunden-Service.
Insgesamt ist über die Jahrzehnte eine kontinuierliche Verminderung der Lösungs-
mittelverluste durch eine stetige Verbesserung der Automaten zu beobachten. Frü-
her übliche Verkleckerungen und Handhabungsverluste beim Befüllen und Entladen
der Maschinen sind durch den Einbau von Messsonden, die mit dem Türschloss
gekoppelt sind ausgeschlossen. Das Reinigungsmittel wird nicht mehr von Hand
aufgefüllt, sondern gelangt über Pumpen, die mit Sonden gesichert sind, in die Ma-
schine, wo zugleich mehrere Tanks vorhanden sind. Zusätzlich steht der ganze Au-
tomat zum Schutz gegen Unfälle oder Leitungsbruch in einer Wanne, deren Ablauf
über eine Pumpe an den Reinigungsmittelkreislauf angeschlossen ist. Geringfügige
Lösungsmittelverluste treten im Destillationsrückstand und im Kontaktwasser auf.
Sie werden dort gesondert abgeschieden und fachgerecht entsorgt. Der Grenzwert
beträgt derzeit 0,5 mg/l AOX im Abwasser und kann bei Beachtung der Auflagen
und der Wartungsfristen eingehalten werden.
Potentielle Eintragsorte:
Kontaminationen des Bodens, der Bodenluft und des Wassers und damit verbunden
eine Gefährdung der Umwelt und letztendlich des Menschen konnten entstehen z.
B. durch:
Handhabungsverluste beim Abfüllen des Lösemittels aus den 240 l Fäs-
sern oder in Tanks
Handhabungs- und Abtropfverluste beim Entleeren der Reinigungsma-
schine
Leckagen an Reinigungsmaschinen (Korrosion, Verschleiß von Dich-
tungsmaterialien)
Handhabungs- und Abtropfverluste beim Ersetzen des verbrauchten Lö-
semittels
unsachgemäße Lagerung von lösemittelhalt igen Abfällen (Destillat ions-
schlämme, Filterkartuschen, Aktivkohle)
unsachgemäßer Betrieb der Abscheider
undichte Leitungstrassen, in die lösemittelhalt iges Kontaktwasser einge-
leitet wurde
Entlüftungsbereich (Kondensation der lösemittelhalt igen Abluft)
Branchenblatt Chemische Reinigung Seite 15
Altlasten-Leitfaden Schleswig-Holstein: Erfassung Anhang 11
5 Gesetzliche Ausführungsvorschriften für verwendete Stoffe/ Stoffgruppen
9/1981 Technische Regel für gefährliche Arbeitsstoffe TrgA 502: Verwendungsbe-
schränkung für Tetrachlorkohlenstoff;
21.04.1986 2. BImSchV: Verordnung zur Emissionsbeschränkung von leichtflüchti-
gen Halogenwasserstoffen;
10.12.1990 Weitere Anwendungsbeschränkungen in der 2. Verordnung zur Durch-
führung des BImSchV;
22.06.2004 Verordnung über Anforderungen an das Einleiten von Abwasser (Ab-
wasserverordnung – AbwV), gültig ab Januar 2005, Anhang 52: Chemischreinigung.
29.04.2007 Gesetz über die Umweltverträglichkeit von Wasch- und Reinigungsmit-
teln (Wasch- und Reinigungsmittelgesetz – WRMG);
06. 07.2007 Mindestanforderungen an Abwassereinleitungen gemäß § 7a WHG –
Chemischreinigungen. Hinweise und Erläuterungen zum Anhang 52 der AbwV.
Seite 16 Branchenblatt Chemische Reinigung
Altlasten-Leitfaden Schleswig-Holstein: Erfassung Anhang 11
6 Altlastrelevante/altlastirrelevante Nutzungszeiträume
Für die Chemischreinigungsbranche gibt es keine altlastirrelevanten Zeiträume, weil
alle Lösungsmittel die Umwelt gefährden. Eine grundsätzliche Differenzierung ist
jedoch möglich, weil die einzelnen Lösungsmittel ein unterschiedliches Abbauver-
halten haben. Zu diesen zählt mit Sicherheit Benzin. Da aber dieses Lösungsmittel
insgesamt über einen Zeitraum von annähernd 100 Jahren von 1860 bis 1960 die
mittleren und großen Reinigungsbetriebe dominierte, muss eine historische Recher-
che ermitteln, ob für die Nutzung eine mäßige oder geringe Gefährdung angenom-
men werden kann. Aufgrund des Einsatzes von LHKW im Rahmen der Detachur
seit ca. 1900 wird in der Regel von einer mäßigen Gefährdung auszugehen sein.
Von dieser Gefährdungseinschätzung sind daher insbesondere Großbetriebe betrof-
fen, die in den Stadtrandgebieten bis etwa 1960 betrieben wurden.
Im Gegensatz zu anderen Branchen spielt bei den chemischen Reinigungen sowohl
eine geringere Betriebsgröße als auch die Lage eine bedeutende Rolle bei der Ein-
schätzung des Gefährdungspotentials. Im Zeitraum zwischen 1954 und 1990 haben
die Klein- und Mittelbetriebe in stadtnahen oder innerstädtischen Lagen vermutlich
sehr viel häufiger als die Großbetriebe mit LHKW gereinigt, weil diese Lösungsmittel
auch in solchen Publikumslagen genehmigungsfähig waren.
Ab Mitte der 1950er bis Anfang der 1990er Jahre gilt für chemische Reinigungen
jeder Größe eine grundsätzlich sehr hohe Gefährdungsvermutung, weil LHKW oder
FCKW trotz Redestillation ohne ausreichende Sicherheit gegen Lösungsmittelver-
luste eingesetzt wurden.
Seit dem Beginn der 1990er Jahre, nachdem bestimmte Lösungsmittel verboten
wurden und eine geregelte Abfallentsorgung für Filter- und Rückstandsmaterial vor-
geschrieben war, hat sich die Umweltrelevanz dieser Branche verändert. Aufgrund
technischer Sicherungsmaßnahmen in den Maschinen sind Handhabungsverluste
mit flüssigen und gasförmigen Lösungsmitteln ausgeschlossen, so dass nur noch
eine geringe Umweltgefährdung, verursacht z.B. durch unsachgemäßen Umgang
und den Austausch der Filter und Destillationsrückstände, angenommen werden
muss.
Branchenblatt Chemische Reinigung Seite 17
Altlasten-Leitfaden Schleswig-Holstein: Erfassung Anhang 11
Tabelle 2 Zusammenfassung aller altlastrelevanten Aspekte und Zuordnung zu
den Branchenklassen SH.
Zeit-
spanne
Hilfsstoffe Nebenprodukte Altlastrelevante
Aspekte
Branchen-
klasse SH
bis 1925 Benzin, Benzol,
Chloroform und
Terpentin, ge-
legentlich be-
reits Tetra
Detachurmittel
jeder Art, vgl.
Anhang
Keine Abwasseran-
lagen, keine Bo-
denbefestigung
2
1926 -
1954
Beginn der
Nutzung von
Tetra, Tri und
ab 1931 von
Per. Großbe-
triebe blieben in
der Regel bis in
die 1960er Jah-
re bei der Ben-
zinreinigung.
Detachurmittel Ganz überwiegende
Nutzung von Ben-
zin. Aus der De-
tachur jedoch kleine
Mengen LHKW-
Lösungsmittel auf
unbefestigten Bö-
den und in den Ab-
wasserleitungen
möglich. Destillati-
onsrückstände im
Schlamm.
3
1955 –
1991
Beginn der
Nutzung von
Per und Tri in
zahlreichen
Kleinbetrieben
mit Reinigungs-
automaten.
Zusätzlich R 11
und R113 ab
1960 bis 1992.
Detachurmittel Die Betreiber benö-
tigten lediglich ei-
nen Sachkunde-
nachweis, eine La-
denfläche von mi-
nimal 40 m² sowie
Abwasser- und
Drehstroman-
schluss. Die Auto-
maten waren gegen
willkürliche Eingriffe
in den Programm-
ablauf nicht gesi-
chert, besaßen kei-
ne Lösungsmittel-
pumpen, so dass
Verkleckerungen
üblich waren. Ent-
sorgung des
Schlamms erfolgte
täglich in den Kanal.
Aktivkohlefilter wur-
den erst 1976 für
Maschinen mit mehr
als 25 kg Füllge-
wicht Pflicht.
5
Seite 18 Branchenblatt Chemische Reinigung
Altlasten-Leitfaden Schleswig-Holstein: Erfassung Anhang 11
Zeit-
spanne
Hilfsstoffe Nebenprodukte Altlastrelevante
Aspekte
Branchen-
klasse SH
1992 -
Gegen-
wart
Nutzung von
Per sowie KWL
in allen Be-
triebsgrößen.
Detachurmittel
dürfen keine
LHKW enthalten
Gesetzliche Ver-
pflichtung, nur noch
bestimmte Lö-
sungsmittel zu nut-
zen und alle Rück-
stände, Filter etc.
einer gesonderten
Entsorgung zuzu-
führen. Technische
Kontrolleinrichtun-
gen und Vorkeh-
rungen gegen Be-
dienungs- und
Handhabungsfehler
schließen verfah-
renstechnische Lö-
sungsmittelverluste
praktisch aus.
2
Branchenklasse 0: kein Gefährdungspotential Branchenklasse 1: Gefährdungspotential sehr gering Branchenklasse 2: Gefährdungspotential gering Branchenklasse 3: Gefährdungspotential mäßig Branchenklasse 4: Gefährdungspotential hoch Branchenklasse 5: Gefährdungspotential sehr hoch
7 Literaturhinweise
BAYERISCHES LANDESAMT für Wasserwirtschaft: Merkblatt Nr. 4.5/2-52, Hin-
weise zu Anhang 52 zur Abwasserverordnung (Chemischreinigung). 2005.
BOTTLER, M.: Bleich- und Detachiermittel der Neuzeit. Ziemsen-Verlag, Witten-
berg, 1908.
JENKO, L. und KOPF, E.: Das Entfernen von Flecken aus Geweben (Detachieren).
Elbemühl-Verlag, Leipzig und Wien, 1931.
JOCLÉT, V.: Die Kunst- und Feinwäscherei in ihrem ganzen Umfange. 4. gänzlich
umgearbeitete Auflage, A. Hartlebens’s Verlag, Wien und Leipzig, 1905.
KOCH, D. u.a.: Lexikon für Textilreiniger. Verlag Neuer Merkur, München, 1973.
KURZ, J. u.a.: 125 Jahre Stichweh. Von Pompeji bis Hannover und 125 Jahre
Stichweh. Herausgegeben von Färberei und Reinigung, Eigenverlag F.A. Stichweh,
Hannover, 1978.
LÖCHER, W. und KURZ, J.: Die Wäscherei. Theorie und Praxis moderner Betriebs-
führung. Verlag Neuer Merkur, München, 1970.
Branchenblatt Chemische Reinigung Seite 19
Altlasten-Leitfaden Schleswig-Holstein: Erfassung Anhang 11
LUEGER, O. (HRSG.): Lexikon der gesamten Technik und ihrer Hilfswissenschaf-
ten. 1. Auflage, Deutsche Verlagsanstalt, Stuttgart und Leipzig, 1904.
NICLAUß, M. u.a.: Inventarisierung von Bodenkontaminationen auf Geländen mit
ehemaliger Nutzung aus dem Dienstleistungsbereich. Umweltbundesamt Berlin,
Forschungsbericht UBA-FB 89-053, Berlin, 1989.
ORLAND, B.: Wäsche waschen. Technik und Sozialgeschichte der häuslichen Wä-
schepflege. Rowohlt Verlag, Reinbek bei Hamburg, 1991.
ROGGENHOFER, G.: Die Wäscherei in ihrem ganzen Umfange. Bearbeitet nach
den neuesten Erfahrungen auf dem Gebiete der chemischen und Naßwäscherei
unter Mitwirkung bewährter Fachmänner. 3. vermehrte und verbesserte Auflage,
Ziemsen-Verlag, Wittenberg, 1927.
RZEPKA, J.: Das große Lexikon der Berufe. Westermann, Braunschweig, 1984.
SCHÜTZE, P. O.: Schönfärberei und chemische Reinigung mit brenn- sowie nicht-
brennbaren Lösungsmitteln. 2. Auflage, Ziemsen-Verlag, Wittenberg, 1927.
Untersuchung zu Emissionspfaden von polychlorierten Dioxinen und Furanen in
Chemischreinigungsanlagen. Umweltforschungsplan des Bundesministeriums für
Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit: Luftreinhaltung. Forschungsbericht Nr.:
104 08 326. Im Auftrag des Umweltbundesamtes durchgeführt vom Bekleidungs-
physiologischen Institut Hohenheim, Eigenverlag, Bönningheim, 1993.
Seite 20 Branchenblatt Chemische Reinigung
Altlasten-Leitfaden Schleswig-Holstein: Erfassung Anhang 11
Anhang
Gebräuchliche Detachurmittel:
Zeitgenössische Be-zeichnung/ Synonym oder Handelsname
Bestandteile Nutzung
Aceton Aceton Fette und Öle
Alkohol/ Spiritus/ Weingeist
Ethanol Allgemeines Reinigungsmittel
Ammoniak/ Salmiakgeist Ammoniak Säureflecken, Blut
Ammoniakseife Ölsäure + Chloroform + Benzin + Ammoni-ak
Löst sich auch in Wasser: Weiß-wäsche
Äther/ Essigäther/ Schwe-feläther
Ether Fette und Öle
Benzapon KR, Benzapon WL
Tenside, anionaktiv und nichtionogen
Reinigungsverstärker
Benzin/ Petroleumbenzin Benzin Trockenreinigung
Benzin-Isol/ Iso-Benzin-seife
Benzin + Magnesi-umseife
Chemische Trockeneinigung
Benzinseife, „Marienhö-her“ (pastöse Benzinseife)
Magnesiumseife + Saponin + Benzin
Waschverstärker für Benzinreini-gungen und Verhinderung stati-scher Aufladung
Benzol/ Steinkohlenben-zin/ Hüttenbenzin
Benzol Trockenreinigung
Benzolinol Benzol + Ether + Es-sigsäureester
Detachur
Burmol Natriumbisulfit Bleiche
Chlor/ Chlorkalk/ Chlor-wasser
Freies Chloridion, z.B. aus HCl
Bleichvorgänge
Chloroform/ Esdeform Trichlormethan Alte Öl- und Fettflecken
Deo-Lanadol Phenole, Chlor-phenole, Formalde-hyd, Hexachlorophen
Spezialzusatz für Kranken-haustextilien
Dichloräthylen Dichlorethylen Reinigungsmittel für Seide
Eisessig Essigsäure konz. Basische Flecken, Blut und Obst-flecken
Enzyme Enzyme Blut, Soßenflecken etc.
Essigoxalsäure Oxalsäure + 10%ige Essigsäure
Tinte und Farbflecken
Fuselöl Amylalkohol Detachur
Glyzerin Glyzerin Kaffee, Tannin, Farbflecken
Hartseife Spiritus + Harzkern-seife
Chemische Nasswäsche
Hexol Benzol + Aceton Detachur
Hummel’s Detachierflüs-sigkeit
Benzin + Alkohol + Tetrachlorkohlenstoff
Ausgehärtete Fette, Harze und Öle
Kaiseröl Petroleum Trockenreinigung
Kaliumbifluorid Kaliumbifluorid Ersatzstoff für Oxalsäure in der Bleiche
Lanodin Seife in LCKW Weißwäsche und Einweichen
Branchenblatt Chemische Reinigung Seite 21
Altlasten-Leitfaden Schleswig-Holstein: Erfassung Anhang 11
Lavado Ammoniak + Terpen-tin
Detachur
Leupurol S, Limpigen BN, Limpigen CBN
Tenside, anionaktiv und nichtionogen
Reinigungsverstärker
Methylalkohol/ Holzgeist Methanol Allgemeines Reinigungsmittel
Movin DC Phenole, Chlor-phenole, Formalde-hyd, Hexachlorophen
Spezialzusatz für Kranken-haustextilien
Natriumperborat Natriumperborat Bleichen mit Sauerstoff
Novol Benzol + Seife Vollreinigungsmittel
Oxalsäure/ Zuckersäure Oxalsäure Rost, Tintenflecken auf weißen Stoffen
Oxomethan Phenole, Chlor-phenole, Formalde-hyd, Hexachlorophen
Spezialzusatz für Kranken-haustextilien
Oxyvol R Seife in LCKW Kochwäsche
Ozonol/ Hartseife Petroleum + Harz-kernseife
Chemische Nasswäsche
Perchloräthylen Perchlorethen Ersatz für Benzin und Tetrach-lorkohlenstoff
Perlano Seife in LCKW Baumwollkochwäsche
Photographentinte Seifenpulver + ca. 10 % Zyankali
Entfernung von Silbernitrat (Höl-lenstein)
Richterol/ Benzinseife/ Antibenzinpyridin
Magnesiumchlorid + Magnesiumsulfat + Kernseife
Waschverstärker für Benzinreini-gungen und Verhinderung stati-scher Aufladung
Sauerstoffseifen Seifenpulver + Per-borate/ Percarbona-te, die in Lanolin oder Vaseline gekapselt sind, z.B. „Persil“
Vollwaschmittel
Schwefelige Säure Schwefelige Säure Kirschen oder Rotwein auf wei-ßen Stoffen
Terpentin/ Holzäther/ Uni-versalverdünner
Terpentin Allgemeines Reinigungsmittel
Terpentin-Isol Terpentin + flüssige Seife
Chemische Trockenreinigung
Tetrachlorkohlenstoff/ Benzinoform
Tetrachlorkohlenstoff Alle Reinigungsvorgänge, be-sonders Fette, Öle, Harze
Tetra-Isol/ Tetrapol Tetrachlorkohlenstoff + flüssige Seife
Nassdetachur
Tetra-Öl/ Tetraseife/ Bäuchöl/ Hydraphthal/ Pott’s Emulgator
Seife in CCl4 Detachur
Trichloräthylen Trichlorethen Ersatz für Chloroform
Triol Trichlorethen + flüs-sige Seife
Chemische Nasswäsche, Nassdetachur
Weralin/ Universalbenzin-seife (flüssige Benzinseife)
Neutralseife + Tri-chlorethen
Nass- und Trockenreinigung
Altlasten-Leitfaden Schleswig-Holstein: Erfassung Anhang 11 Histinvest - Dr. Klaus Schlottau, Bremen
Branchenblatt Dreherei
Inhaltsverzeichnis Seite
1 Bezeichnung der Branche 2
2 Historischer Überblick 2
3 Allgemeiner Verfahrensablauf 3
4 Umweltrelevante Verfahrens- und Produktionsschritte sowie Verun-
reinigungspotentiale 5
5 Gesetzliche Ausführungsvorschriften für verwendete Stoffe/
Stoffgruppen 6
6 Altlastrelevante/altlastirrelevante Nutzungszeiträume 7
7 Literaturhinweise 8
Abb. 1: Zeitgenössische Dreherei aus dem Jahr 1920. Infolge des Reihenan-triebes über die Transmissionswelle gruppieren sich die Maschinen auf kleinstem Raum (Quelle: STADLMANN).
Branchenblatt Dreherei Seite 2
Altlasten-Leitfaden Schleswig-Holstein: Erfassung Anhang 11
1 Bezeichnung der Branche
Selbständige Drehereien entstanden am Ende des 19. Jahrhunderts als Spezialisie-
rung aus dem Gewerbe der Schlosser und der Feinmechaniker. Die Dreherei führt
nur eine einzige Bearbeitungsform aus: die spanabhebende Bearbeitung von Roh-
lingen zu Halbfertigteilen. Diesem Zweck dienen neben verschiedenartigen Dreh-
bänken auch Fräsmaschinen und diverse Schleifmaschinen. Der Beruf des Drehers
umfasst nicht die Montage der gefertigten Einzelteile zu Fertigprodukten.
2 Historischer Überblick
Nachdem am Ende des 18. Jahrhunderts in England der Tiegelstahl für Werkzeuge
hergestellt wurde, gelang es auch, Gusseisen für Lager und Draht für Schrauben zu
drehen. Die massiven Drehbänke wurden durch Göpelwerke, Wasserräder,
Dampfmaschinen und später auch mit Einzelmotoren angetrieben.
Zur Mitte des 19. Jahrhunderts wurde der bisher manuell geführte Drehmeißel auf
einer Mechanik, einem „Support“, installiert, so dass die Geschwindigkeit bei erhöh-
ter Präzision gesteigert werden konnte. Um den Verschleiß des Meißels zu vermin-
dern und die Wärmeausdehnung der Werkstücke sowie auch der Werkzeuge zu
vermeiden, musste fortlaufend gekühlt werden. Dies geschah zunächst mit Hilfe von
Wasser oder Seifen. Um auch der Korrosion der Werkstücke vorzubeugen, wurde
allerdings gelegentlich mit Öl gekühlt.
Der 1900 entwickelte Schnellschnitt-Stahl führte zu einer Verdreifachung der
Schnittgeschwindigkeit. Die damit einhergehenden höheren Belastungen der Ma-
schinen erforderten eine Verstärkung der Spindelstöcke und -lager sowie eine
Ölschmierung der Getriebe. Die Entwicklung hartmetallischer Schneidstoffe (ab
1920 Widia; 1926 Krupp) erhöhte die mögliche Schnittgeschwindigkeit und erforder-
te eine intensivere Schmierung und Kühlung der Werkzeuge und -stücke. Daraus
resultierte die Entwicklung besonderer Kühlschmierstoffe mit bestimmten stofflichen
Eigenschaften (s. Branchenblatt Arbeitstechniken und Verfahren der Metallbearbei-
tung).
Der nächste Entwicklungsschritt erfolgte 1952 mit der NC-Steuerung der Drehma-
schinen, eine manuelle Bearbeitung des Werkstücks war nun nicht mehr erforder-
lich, die Maschinen wechseln selbständig die Werkzeuge und -stücke, und leiten
letztere zum nächsten Automaten weiter, so dass Produktionsstraßen erheblich
verkürzt wurden.
Branchenblatt Dreherei Seite 3
Altlasten-Leitfaden Schleswig-Holstein: Erfassung Anhang 11
Abb. 2: Zeichnung von 1841 (J. Nasmyth), auf der die wesentliche Verbesse-
rung der Drehereimaschinen dargestellt wird. Der Werkzeugschlitten an
der rechten Drehbank ermöglicht die Reproduktion gleicher Bauteile mit
hoher Präzision (Quelle: RUBY).
3 Allgemeiner Verfahrensablauf
In Drehereien werden unterschiedlichste Formen von metallischen Halbzeugen
(Achsen, Wellen, Kurbelwellen, Gehäuse etc.) aus gegossenen Rohlingen herge-
stellt. Als Roh- oder Arbeitsmaterial dienen vorwiegend Eisen, Messing, Bronze
bzw. Legierungen wie z.B. Neusilber, seit den 1970er Jahren zunehmend auch
Aluminium und Edelstahl. Außerdem werden in geringerem Umfang auch Hart-
gummi und Kunststoffe bearbeitet.
Im Produktionsablauf werden die Werkstücke durch maschinelle Bearbeitung mit-
tels Spanabnahme in ihrer Form und Geometrie verändert. In größeren Drehereien
werden neben den Drehbänken weitere Werkzeugmaschinen zum Einsatz ge-
bracht, z.B. Fräsmaschinen, Stoßmaschinen, Hobel, Bohrer sowie die Spezialma-
schinen der Schleiferei.
Das Honen, ein spanabhebendes Schleifverfahren ohne Richtungsänderung (z.B.
Bandschleifen als Flachhonen) dient der Verbesserung der Oberflächenqualität des
Werkstücks. Das Schleifen dient der Bearbeitung harter Werkstücke und zur Fein-
bearbeitung.
Drehende, fräsende, bohrende und auch schleifende Metallbearbeitungen erhitzen
das Werkzeug und das Werkstück, die sich dadurch ausdehnen. Außerdem erfolgt
eine raschere Abnutzung des Werkzeugs. Alle Arten der spanabhebenden Metall-
Branchenblatt Dreherei Seite 4
Altlasten-Leitfaden Schleswig-Holstein: Erfassung Anhang 11
bearbeitung machen daher den Einsatz von Kühl- und Schmierstoffen erforderlich.
Höhere Schnittgeschwindigkeiten und axialer Vorschub stellen große Anforderun-
gen an die Kühlflüssigkeiten, die das Werkzeug und das Werkstück im Rahmen ei-
ner vorgegebenen Temperaturtoleranz halten müssen. Kühlflüssigkeiten sollen
möglichst auch noch Reibungswiderstände vermindern und korrosionshemmend
wirken. Als Kühlmittel für den Schnelldrehstahl reichten wässrige Seifen aus, für
Hartmetallmeißel seit den 1920er Jahren wurden zunehmend Öle und Emulsionen
eingesetzt, die als Additive Flammschutzmittel bzw. Fungizide oder Bakterizide ge-
gen Verfall enthielten.
Die Kühlschmierstoffe werden seit dem Einsatz besonderer Kühlstoffe (Seifen,
Ölen, Emulsionen etc.) nach Passage mehrerer Filter im Kreislauf geführt. Die Filt-
rierung ist notwendig, weil sich in dem Bad auch die abgedrehten Späne oder Dreh-
locken sammeln. Dieser metallische Abfall wird zu einem Sammellager transportiert
und nach Metallen getrennt aufbewahrt.
Die Späne sind in der Regel vollflächig verölt, der Gewichtsanteil der Kühlschmier-
stoffe beträgt ca. 8 % des Gesamtgewichts der Späne. Da die Altmetallhändler für
verölte Metallabfälle nach Einführung des Abfallwirtschaftsgesetzes einen geringe-
ren Preis zahlten, wurden häufig offene Gitterkörbe oder gelochte Fässer für die
Sammlung der Drehspäne benutzt, so dass Öl und Regenwasser abflossen. Um die
Reinigung zu beschleunigen, wurden auch Reinigungs- und Lösungsmittel auf die
Späne gesprüht. Die Folge ist, dass der eigentliche Werkstattbereich einer Dreherei
meist geringer belastet ist als die Lagerbereiche und Transportwege der Drehspä-
ne.
Die Dreherei ist grundsätzlich ein mittelständischer Betrieb mit einer Beschäftigten-
zahl zwischen 10 und 50 Mitarbeitern, gelegentlich auch bis zu 100 Mitarbeitern an-
steigend, so z.B. während der Weltkriege. Ihr Tätigkeitsbereich erstreckt sich auf
Sonderanfertigungen und Kleinserien. Metallbearbeitende Betriebe mit 1 bis 3
Werkzeugmaschinen hingegen sind in der Regel als Schlossereibetriebe oder „Me-
chanische Werkstätten“ dem Handwerk zugeordnet. In diesen Betrieben werden
häufig Reparaturarbeiten oder Einzelanfertigungen nach Vorlage oder Zeichnung
hergestellt. Drehereien sind als Abteilungen in Maschinenfabriken grundsätzlich
vorhanden. In Großbetrieben der Serienfertigung können sie eine Beschäftigtenzahl
von mehr als 1000 Mitarbeitern erreichen.
Branchenblatt Dreherei Seite 5
Altlasten-Leitfaden Schleswig-Holstein: Erfassung Anhang 11
Abb. 3: Moderne Revolverkopfdrehbank in einer Dreherei der 1960er Jahre. Der
herabfließende Kühlschmierstoff sammelt sich mit den Spänen im Bett
der Maschine und wird von dort wieder zum Werkstück gepumpt (Quel-
le: VEREIN DEUTSCHER MASCHINENBAU-ANSTALTEN).
4 Umweltrelevante Verfahrens- und Produktionsschritte
sowie Verunreinigungspotentiale
Die spanabhebende Metallbearbeitung wird gewöhnlich in einem offenen Kreislauf
der Kühlschmierstoffe betrieben, so dass Handhabungsverluste unvermeidlich sind.
Da die Metallspäne von Ölen und Emulsionen vollständig benetzt sind, kommt es zu
erheblichen Austragungs- und Abtropfverlusten. Darüber hinaus muss das gesamte
Kreislaufsystem regelmäßig mit Lösungsmitteln gereinigt werden, um Verseifungen
und Verharzungen zu beseitigen. Außerdem wird nicht nur die Werkzeugmaschine,
sondern vor allem auch das Werkstück vor der weiteren Bearbeitung entölt. Vor
späteren Oberflächenbehandlungen erfolgt daher in der Regel eine Reinigung mit
Lösungsmitteln oder eine Beize.
Branchenblatt Dreherei Seite 6
Altlasten-Leitfaden Schleswig-Holstein: Erfassung Anhang 11
Die Altlastenrelevanz der Drehereien resultiert aus der Verwendung und Lagerung
von Bohrölen, Kühlschmierstoffen, organischen Lösungsmitteln sowie aus der La-
gerung von Spänen ohne ausreichende Sicherung des Untergrundes.
Als Kontaminanten können Öle, PCB, PCP, BTX, CKW und Kühlschmierstoffe auf-
treten. Kritische Schadstoffe im Zusammenhang mit Kühlschmierstoffen waren (und
sind) Nitrit, Chlorverbindungen und bis in die 1980er Jahre polychlorierte Biphenyle
(PCB). In den Kühlschmierstoffen befinden sich weitere Additive wie z.B. Amine,
Fungizide, Bakterizide und Emulgatoren (nähere Einzelheiten im Branchenblatt Ar-
beitstechniken und Verfahren der Metallbearbeitung).
Bei der Lagerung von Schwermetallen und schwermetallhaltigen Ölschlämmen
kann es zu Migrationen kommen, wobei Beizen die Löslichkeit der Schwermetalle
fördern. Sind Emulgatoren eingesetzt worden, besteht die Gefahr, dass die Kühl-
schmiermittel Öl- und Fettabscheider passieren und emulgiert, und damit mobil, vor-
liegen. Bei nicht ordnungsgemäßer Entsorgung des Abwassers können die Schad-
stoffe in löslicher Form in den Boden gelangen.
5 Gesetzliche Ausführungsvorschriften für verwendete
Stoffe/Stoffgruppen
Tabelle 1 Altlastrelevante Stoffe und ihr zeitlicher Einsatz
Stoff Nutzung Verstärkte Anwen-
dung ab
Verwendungs-
beschränkung/
Verbot
PCB (Polychlorierte Biphenyle).
1
Wurden in Kühlölen einge-setzt, um die Entzündungs-temperatur zu erhöhen.
ca. 1930 1978/1989
Wassermischbare Kühlschmierstoffe (N-Nitrosamin-Bildung).
2
Schmier- und Kühlmittelersatz für Öle mit Flammschutzmit-teln.
ca. 1955 1997
PCP (Penta- chlorphenol).³
Wurden in Emulsionen zur Haltbarmachung eingesetzt.
ca. 1930 1986/1989
LCKW.4 Lösungs- und Reinigungsmit-
tel insbesondere für verölte Späne.
ca. 1925 1981/1986 (zum Teil)
1 26.7.1978 10.BImSchV: Verwendungsbeschränkung auf geschlossene Systeme;
18.7.1989, PCB-Verbotsverordnung: Herstellungs-, Inverkehrsbringungs- und Verwen- dungsverbot, 1993 durch ChemVerbotsV abgelöst. 2 4/1997 Technische Regel für Gefahrstoffe TRGS 611, Verwendungsbeschränkungen für
wassermischbare bzw. wassergemischte Kühlschmierstoffe, bei deren Einsatz N-Nitrosamine auftreten können (Verbot von Nitrit im KSS) 3
26.8.1986 GefStoffV: Verwendungsbeschränkung für PCP, z.B. nicht in Aufenthaltsräu--
men einzusetzen; 12.12.1989 PCP-Verbotsverordnung: Herstellungs-, Inverkehrsbringungs- und Verwen- dungsverbot, 1993 abgelöst durch ChemVerbotsV. 4 9/1981 Technische Regel für gefährliche Arbeitsstoffe TrgA 502: Verwendungsbeschrän-
kung für Tetrachlorkohlenstoff;
Branchenblatt Dreherei Seite 7
Altlasten-Leitfaden Schleswig-Holstein: Erfassung Anhang 11
21.4.1986 2.BImSchV: Verordnung zur Emissionsbeschränkung von leichtflüchtigen Halogenwasserstoffen, Anwendungsbeschränkungen 1990 in der Neufassung verschärft.
6 Altlastrelevante/altlastirrelevante Nutzungszeiträume
Die Entwicklungen in der spanabhebenden Metallverarbeitung seit Anfang des 20.
Jahrhunderts stellten erhöhte Anforderungen an die Maschinen, die Handhabung
der Werkzeuge und der zu bearbeitenden Materialien. Durch die verbesserten
Schneidstähle ergaben sich zunehmend höhere Schnittgeschwindigkeiten, die eine
Schmierung und Kühlung der Werkstücke und -zeuge erforderlich machten. Wäh-
rend anfänglich noch Seifenwasser, das auf die Grenzflächen gespritzt wurde, zur
Werkzeug/-stückkühlung ausreichte, musste seit der Einführung der Schnellschnitt-
stähle zunehmend auf wärmeleitende, hochsiedende Öle und Emulsionen zurück-
gegriffen werden. Diese Öle benötigen seit dem Ende der 1920er Jahre Chlororga-
nika (z.B. PCB) als Flammschutz; Emulsionen mussten mit Emulgatoren, Fungizi-
den und Bakteriziden (z.B. PCP) hergestellt und haltbar gemacht werden. Mit einer
verstärkten Anwendung ist in Schleswig-Holstein etwa seit Anfang der 1930er Jahre
zu rechnen. Steigende Metallpreise in den Jahren zwischen 1960 und 1980, beson-
ders nach der Einführung des Abfallwirtschaftsgesetzes, führten zudem dazu,
Drehspäne in möglichst sauberer Form wiederzuverwenden, so dass diese häufig
schon beim Erzeuger mit Kaltreinigern oder anderen Lösungsmitteln entölt wurden.
Veränderungen in der Bewertung der Umweltrelevanz ergeben sich für den Zweiten
Weltkrieg, da Drehereien, die der Rüstungsproduktion dienten, der Kontrolle ziviler
Aufsichtsbehörden weitgehend entzogen waren, und daher häufig in baulichen An-
lagen arbeiteten, die für Gewerbebetriebe auch nach damaligem Stand der Technik
nicht geeignet waren. Es fehlte zumeist an einer Befestigung des Fußbodens sowie
an geeigneten Abwasseranlagen. Ähnlich ist die Nachkriegszeit zu beurteilen, da
behördliche Kontrollen zu diesem Zeitpunkt nur eingeschränkt durchgeführt wurden.
Tabelle 2 Zusammenfassung aller altlastrelevanten Aspekte und Zuord- nung zu den Branchenklassen SH.
Zeitspanne Hilfsstoffe Nebenprodukte Altlastrelevante
Aspekte
Branchen-
klassen SH
bis 1900 Seifen, Wasser Metallspäne Keine Abwasser-
anlagen, keine Bo-
denbefestigung
0
1900 – 1930 Seifen, Wasser, ers-
te Bohröle ohne
PCB.
Metallspäne, ge-
ring verölt.
keine Abwasser-
anlagen, keine Bo-
denbefestigung
0
1931 – 1960 Bohr- und Schneid-
öle, PCB, Emulsio-
nen, BTEX, Fungizi-
de, Bakterizide.
ölige Metallspäne;
Ölschlämme mit
PCB, Schwerme-
talle.
In den Drehspan-
lagern Abscheider
im Einzelfall ab
Anfang der 1930er
Jahre auf Weisung
der Gewerbeauf-
sicht nachweisbar.
3
Branchenblatt Dreherei Seite 8
Altlasten-Leitfaden Schleswig-Holstein: Erfassung Anhang 11
1961 – 1980 Bohr- und Schneid-
öle, PCB, Emulsio-
nen, BTEX, CKW,
Fungizide, Bakterizi-
de; Säurebeizen und
Detergentien.
ölige Metallspäne;
Ölschlämme mit
PCB, Schwerme-
talle und Schwer-
metallsalze.
Entölen der Späne
mit CKW.
4
1981 – Ge-
genwart
Bohr- und Schneid-
öle, Emulsionen,
BTEX, Fungizide,
Bakterizide. Säure-
beizen und Deterge-
ntien.
ölige Metallspäne;
Ölschlämme,
Schwermetalle und
Schwermetallsal-
ze.
Verbot einiger
Schadstoffe.
3
Branchenklasse 0: kein Gefährdungspotential Branchenklasse 1: Gefährdungspotential sehr gering Branchenklasse 2: Gefährdungspotential gering Branchenklasse 3: Gefährdungspotential mäßig Branchenklasse 4: Gefährdungspotential hoch Branchenklasse 5: Gefährdungspotential sehr hoch
7 Literaturhinweise
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ten, VII. Band, 2. Auflage. Deutsche Verlagsanstalt, Stuttgart und Leipzig, 1938.
MOMMERTZ, K. H.: Bohren, Drehen und Fräsen. Reinbek, 1981.
ROHR, B.; WIELE, H. (HRSG.): Lexikon der Technik. Leipzig, 1982.
RUBY, J.: Werkzeug-Maschine. Magdeburg, 1997.
STADLMANN, F.: Vom Tagwerk der Jahrhundertwende. Europa-Verlag, Wien,
1985.
VEREIN DEUTSCHER MASCHINEN-BAUANSTALTEN (HRSG.): Spezialisierung,
Präzision, Qualität. Maschinenbau-Verlag, Frankfurt, o. J..
Altlasten-Leitfaden Schleswig-Holstein: Erfassung Anhang 11 Histinvest Dr. Klaus Schlottau – Bremen
Branchenblatt Druckerei - Flachdruck (direkte Verfahren)
Inhaltsverzeichnis Seite
1. Bezeichnung der Branche 2
2. Historischer Überblick 3
3. Allgemeiner Verfahrensablauf 4
3.1. Druckformherstellung 4
3.2. Druckprozess 5
3.2.1. Bogenflachdruck 6
3.2.2. Rollenflachdruck 6
3.2.3. Druckfarbentrocknung 6
3.3. Druckverarbeitung 7
3.4. Druckfarben 7
4. Umweltrelevante Verfahrens- und Produktionsschritte sowie Ver- 8
unreinigungspotentiale
4.1. Umweltrelevanz der Druckformherstellung 8
4.2. Umweltrelevanz der Druckverfahren und der Farben 9
5. Gesetzliche Ausführungsvorschriften für verwendete Stoffe/ 9
Stoffgruppen
6. Altlastrelevante/altlastirrelevante Nutzungszeiträume 9
7. Literaturhinweise 11
Seite 2 Branchenblatt Flachdruck (direkte Verfahren)
Altlasten-Leitfaden Schleswig-Holstein: Erfassung Anhang 11
1. Bezeichnung der Branche
Beim Flachdruckverfahren befinden sich die druckenden und nichtdruckenden Par-
tien in einer Ebene, dadurch unterscheidet sich diese Form des Druckens sowohl
vom Hochdruck, der erhabene Druckelemente (Lettern) nutzt, als auch vom Tief-
druck, bei dem Vertiefungen in der Druckplatte mit Farbstoff gefüllt werden. Die dru-
ckenden Bereiche der Druckform nehmen die ölhaltige Farbe aufgrund einer beson-
deren Vorbehandlung an, während die übrigen Flächen die Farbe abstoßen. Das
Druckverfahren nutzt die chemisch-physikalische Abstoßung von Wasser und Fett.
Das Flachdruckverfahren untergliedert sich in direkte Drucktechniken, zu denen die
Lithographie, bei der die Druckform aus Stein besteht, sowie der Lichtdruck, bei
dem als Druckform eine belichtete Gelatineschicht genutzt wird, gehören. Zu den
Flachdruckverfahren zählt aber auch der aus diesen weiterentwickelte Offsetdruck,
ein indirektes Druckverfahren. Er wird wegen seiner Bedeutung in einem gesonder-
ten Branchenblatt (Flachdruck (Offsetdruck)) behandelt.
Lithographie, Farblithografie, Fotolithografie sowie der Lichtdruck eigenen sich be-
sonders für die Herstellung von qualitativ hochwertigen Farbdrucken und Reproduk-
tionen von Kunstwerken oder Fotografien, so dass eine große Zahl von meist mittel-
ständischen Druckereien dieses Druckgewerbe betrieb.
Die zeitgenössischen Flachdruckverfahren zeichneten sich gegenüber den konkur-
rierenden Druckverfahren dadurch aus, dass die Druckvorlagenherstellung ver-
gleichsweise schnell und einfach war und von einer Vorlage auf einer Schnellpresse
stündlich bis zu 800 Drucke erzeugt werden konnten, so dass nicht allein die hohe
Druckqualität, sondern auch die Wirtschaftlichkeit für den Flachdruck sprach. Allein
in Berlin gab es um 1900 etwa 180 Lithographie-Betriebe, die Postkarten, Plakate,
Spielkarten und eine große Zahl anderer farbiger Druckerzeugnisse herstellten.
Farbig gedruckte Außenwerbung auf den Litfaßsäulen, die zeitgleich entstanden,
war auf den farbigen und wasserfesten Druck der Plakate aus dem Flachdruck an-
gewiesen.
Abb. 1: Schematische Darstellung des Flachdrucks in der Lithografie (Quelle:
WOLFSTURM, Abbildung von Walter Emmrich).
Branchenblatt Flachdruckerei Seite 3
Altlasten-Leitfaden Schleswig-Holstein: Erfassung Anhang 11
2. Historischer Überblick
Die Lithographie als direktes Flachdruckverfahren wurde von Alois Senefelder
(1771-1834) im Jahr 1797 erfunden. Das Prinzip beruht auf dem chemischen Ge-
gensatz von Fett und Wasser, daher bezeichnete Senefelder das Verfahren auch
als chemische Druckerei.
Senefelder entdeckte bei Versuchen, Notenblätter im Hochdruckverfahren nachzu-
drucken, dass eine mit fettigem Stift erstellte Zeichnung auf Solnhofer Kalkstein
nach einer leichten Ätzung und anschließendem Gummieren eine fertige Druckvor-
lage darstellte, die nur feucht gehalten werden musste. Da Kalkstein den Belastun-
gen einer gewöhnlichen Presse nicht standhält, war es erforderlich, eine besondere
Presse, die den Druckbogen nur partiell auf die Vorlage presst, zu entwickeln. Es
handelte sich um eine Stangenpresse, mit der der Druck auf einen schwenkbaren
Arm, an dem eine Rakel befestigt war, auf die Druckvorlage übertragen wurde. Da
diese Arbeit besondere Sorgfalt und Erfahrung erforderte, führte Senefelder die be-
reits im Kupferdruck bekannte Zylinderpresse ein, so dass lediglich der Rahmen mit
dem eingespannten Stein durch das Druckwerk bewegt wurde. Der Wechsel des
Werkstoffes für die Druckplatte im Jahr 1886 durch Johnston führte zur Entwicklung
eines optimierten Schnelldruckverfahrens. Hier wurde erstmals eine Zinkplatte mit
lichtempfindlicher Beschichtung aus Asphaltlack verwendet. Die belichtete Zinkplat-
te ließ sich auf einen Druckzylinder montieren, so dass ein ununterbrochener
Druckvorgang, der auch den Rollendruck erlaubte, möglich wurde. Damit einher
ging auch der Wechsel von fettigen zu ölhaltigen Druckfarben.
Bis ca. 1840 wurde die Lithografie allein für den einfarbigen Druck eingesetzt und
war selbst im Buchdruck wegen der integrierbaren Sonderzeichen und Zeichnungen
konkurrenzfähig. Für den Akzidenzdruck und Werbedrucksachen sowie für die Her-
stellung von Zeitungen mit eingebundenen Werbegrafiken hatte diese Druckart zu-
dem den Vorteil, dass die Druckvorlagen schneller hergestellt werden konnten und
eine deutlich größere Zahl von Drucken ermöglichten. Zudem konnten die Steinplat-
ten nach dem Druck durch eine Nachbearbeitung mit Schmirgel und Poliermitteln
wieder für das nächste Druckmotiv genutzt werden.
Seit 1840 wurde die Lithografie durch die Chromolithografie, die Farblithografie,
ergänzt. Hierfür mussten Vorlagen entsprechend der Zahl der gedruckten Farben
hergestellt werden, so dass die Vorlagenherstellung arbeitsintensiver und in der
Druckerei für jede Farbe ein Druckwerk benötigt wurde. Durch diese Veränderung
wurden neue Märkte eröffnet (z.B. Farbdrucke für Plakate, Spielkarten, Zigaretten-
und andere Sammelbilder).
Die personalintensiven Tätigkeiten in der Druckvorlagenherstellung wurden seit et-
wa 1880 zunehmend durch die Druckvorlagenherstellung auf fotochemischem We-
ge übernommen: Zum einen entstand der Lichtdruck, bei dem eine lichtempfindliche
Gelatineschicht (Aluminium- oder Kaliumdichromat) auf einem Glasträger oder einer
Metallplatte über ein Negativ belichtet und anschließend entwickelt wird. Dadurch
ergeben sich Bereiche unterschiedlichen Quellverhaltens gegenüber Wasser, dar-
aus resultiert wiederum ein differenziertes Farbannahmeverhalten mit unterschiedli-
chen Farbtonwerten.
Seite 4 Branchenblatt Flachdruck (direkte Verfahren)
Altlasten-Leitfaden Schleswig-Holstein: Erfassung Anhang 11
Außerdem wurde die Fotolithografie entwickelt, bei der ein auf Glas erzeugtes Ne-
gativ zunächst mit Farmerschem Abschwächer bzw. blauer Kleilitzfarbe oder
Quecksilberverstärker nachbehandelt werden konnte. Dieses Negativ wurde auf den
mit Eiweißchromat lichtempfindlich gemachten Druckstein mittels Belichtung über-
tragen (Steinkopie). Ein verwandtes Verfahren war die so genannte Asphaltkopie,
bei der der Stein statt mit Chromat mit einem Gemisch aus natürlichem Asphalt,
Terpentin, Benzol und Chloroform lichtempfindlich gemacht wurde.
Der Flachdruck war in dem Marktsegment der hochwertigen Druckerzeugnisse bis
Mitte des 20. Jahrhunderts wirtschaftlich konkurrenzfähig gegenüber dem sich seit
1910 für farbige Massenprodukte anbietenden Offsetdruck. 1956 wurden die Berufe
Lithograf und Steindrucker aus der Lehrlingsrolle der Industrie- und Handelskam-
mern gestrichen.
3. Allgemeiner Verfahrensablauf
3.1. Druckformherstellung
Lithografie
Für die Herstellung der Druckform benötigt ein Lithograf einen plangeschliffenen
Stein – z.B. Solnhofer Plattenkalkstein – mit entsprechender Vorbereitung sowie
eine Zeichenfeder aus Stahl und lithografische Tusche oder Kreide. Die Tusche
besteht wie auch die Kreide aus Wachs, Fett, Ruß und Seifen. Für unterschiedliche
Wirkungen und Bearbeitungen werden verschieden geformte Federn und Schaber,
die dem Radieren dienen, oder auch Stifte verschiedener Härten eingesetzt. Zu-
nächst erstellt der Lithograf eine Transparentzeichnung des Originals, die dann sei-
tenverkehrt auf dem Stein befestigt wird. Durch das Transparent hindurch sticht der
Lithograf mit seinen Werkzeugen nun die Zeichnung auf den Stein, so dass dort
jeweils Punkte oder Flächen mit der Tusche benetzt werden. Sobald die Durch-
zeichnung fertig ist, wird das Pergament entfernt, der Stein eventuell noch mit der
Technik der Kreidelithografie, die für flächigere Darstellungen besser geeignet ist,
nachbehandelt, dann mit Talkum abgerieben und anschließend mit Gummi arabi-
cum geschützt.
Bei der Chromolithografie war es notwendig, für jede Farbe einen separaten Druck-
stein zu erstellen und von Hand Farbwertrasterungen zu zeichnen: Kleine Punkte
oder Halbkreise, die eng nebeneinander gesetzt waren, ergaben dunkle Volltonflä-
chen, Punkte in größeren Abständen geringere Tonwerte. Diese aufwendige Tech-
nik wurde durch die Einführung der lichtempfindlichen Gelatinebeschichtung (Am-
moniumdichromat) in der Fotolithografie erheblich vereinfacht.
Lichtdruck
Der Lichtdruck wurde im letzten Drittel des 19. Jahrhunderts entwickelt und zählt, da
mit diesem Verfahren Halbtöne auch ohne Rasterung gedruckt werden können, zu
den Edeldruckverfahren. Die Druckform besteht aus einer ca. 10 mm dicken Glas-
oder Metallplatte, die in zwei Lagen mit einer lichtempfindlichen Emulsion aus Gela-
Branchenblatt Flachdruckerei Seite 5
Altlasten-Leitfaden Schleswig-Holstein: Erfassung Anhang 11
tine und Ammonium- oder Kaliumdichromat beschichtet ist. Die Platte wird dann mit
einer intensiven Lichtquelle derart belichtet, dass das Licht durch ein fotografisches
Negativ strahlt und dabei ein Positivabbild auf der lichtempfindlichen Chromatierung
erzeugt. Die Chromate verändern unter Lichteinfluss die Löslichkeit der Gelatine
gegenüber Wasser, so dass nach dem Ausspülen der Chromate eine Gelatine-
schicht mit unterschiedlicher Härtung (Relief) bestehen bleibt. Für mehrfarbige Vor-
lagen ist es notwendig, für jede Farbe eine Druckform herzustellen; Faksimiledrucke
erforderten bis zu zwanzig Farbtonplatten.
Für die Herstellung von Texten in der Druckvorlage konnten zunächst auch nur
Zeichnungen auf Stein genutzt werden, so dass die Reproduzierbarkeit der Zeichen
hinter jener des Hochdrucks zurückstand. Mit der Weiterentwicklung der Fototechnik
konnten jedoch dortige Entwicklungen in Analogie zur Gelatinebeschichtung über-
nommen werden.
3.2. Druckprozess
Vor Beginn des Druckens werden die Platten mit einem Gemisch aus Glycerin und
Wasser befeuchtet, wodurch die Gelatineschicht entsprechend der vorherigen
Lichteinstrahlung zu quellen beginnt: Bereiche, die stark belichtet wurden, sind aus-
gehärtet und nehmen daher wenig oder kein Wasser auf; andere Flächen, die wenig
oder kein Licht erhielten, haben nur eine geringe Härtung und quellen daher ent-
sprechend stärker auf, so dass sie viel Wasser annehmen können. Da der Flach-
druck auf der Abstoßung von Wasser und Fett beruht, können die ausgehärteten
Bereiche der Druckplatte Farbe annehmen, während die anderen die Farbe absto-
ßen.
Gegenüber der Handpresse hatten Schnellpressen, die es seit der Mitte des 19.
Jahrhunderts gab, eine erheblich größere Produktivität, u.a. durch einen deutlich
größeren Vorlagenbereich, den Maschinenstein, auf dem eine große Menge von
vorher fertiggestellten Vorlagen gleichzeitig montiert werden konnte. Der Maschi-
nenstein orientierte sich an den Maximalgrößen der Bogen, so dass mit einem
Durchgang durchaus auch mehrere Druckaufträge parallel bearbeitet werden konn-
ten. Die Farbrakel der Handpresse wurde durch ein Farbwerk und ein Feuchtwerk
mit Walzen ersetzt, auch der Anpressdruck wurde durch eine Walze hergestellt.
Diese Druckmaschinen förderten das Bogenpapier nur noch in eine Richtung und
konnten von Dampfmaschinen angetrieben werden. Der Übergang zum Rollen-
flachdruck erforderte die Übertragung der Druckvorlage auf einen Presszylinder, so
dass seit dem Ende des 19. Jahrhunderts mit dem Zinkzylinder ein modernes
Druckwerk zur Verfügung stand.
Die Druckplatten der Lichtdruckschnellpressen, auf denen täglich bis zu 1.000 Bo-
gen bedruckt wurden, konnten im Bedarfsfall noch chemisch weiterbehandelt wer-
den. Formaldehyd wurde für die Fixierung der Gelatine und damit für eine höhere
Anzahl möglicher Drucke eingesetzt. Mit Alaun konnten auf der Platte nachträglich
einzelne Bereiche so retuschiert werden, dass sie dunkler wurden, das Gegenteil
wurde durch die Retusche mit Zyankali erreicht. Als Netzmittel gegen das In-
einanderfließen der Ölfarben wurde Ochsengalle eingesetzt. Trotz der Fixierung mit
Seite 6 Branchenblatt Flachdruck (direkte Verfahren)
Altlasten-Leitfaden Schleswig-Holstein: Erfassung Anhang 11
Formaldehyd konnten von der Gelatineschicht höchstens 2.000 Drucke hergestellt
werden, so dass für weitere Drucke neue Vorlagen benötigt wurden. Die Farben für
diesen Druck waren sehr zähflüssig und wurden mit Ölfirnis gebrauchsfähig ge-
macht. Die Drucke (z.B. Plakate) hielten dadurch der Witterung lange stand.
Im 20. Jahrhundert hatten die Flachdruckpressen in der Druckindustrie allerdings
keine große Bedeutung. Mit der starken Entwicklung des Offsetdrucks seit 1910, der
auch für die Fertigung großer Auflagen bei nur geringen Qualitätsverlusten geeignet
war, wurden schon sehr schnell die Rollendruckanlagen für den Offsetdruck umge-
baut; die Bogendruckanlagen, die in mittelgroßen Betrieben noch für Jahrzehnte im
Einsatz waren, wurden nach und nach zu Andruckpressen der Offsetdruckerei
umgebaut.
Abb. 2: Maschinensaal einer Flachdruckerei 1910 (Quelle: GÖÖCK)
3.2.1. Bogenflachdruck
Flachdruckmaschinen für den Bogendruck dominierten seit Beginn der Lithografie.
Handelte es sich zunächst nur um Text- oder Notenblätter auf dem herkömmlichen
Format des Büttenpapiers, wuchs die Arbeitsfläche der Flachdruckmaschinen ent-
sprechend den Produktionsformaten der Papierindustrie, so dass es immer schwie-
riger wurde, die größer werdende Steinplatte mit einer Kniehebelpresse und einem
einfach Farbrakelwerk zu bewegen. Mit der Entwicklung von Schnellpressen, bei
denen nicht mehr der ganze Stein bewegt werden musste, sondern ein Walzensys-
tem die Arbeit übernahm, wurde die Maschinisierung möglich, so dass entspre-
chend den vielfachen Farbformen sehr große Maschinensäle entstanden. Bogen-
druckmaschinen wurden bis ca. 1880 im gesamten Flachdruck eingesetzt. Erst nach
Branchenblatt Flachdruckerei Seite 7
Altlasten-Leitfaden Schleswig-Holstein: Erfassung Anhang 11
der Erfindung der Druckzylinder aus Zink oder später Aluminium wurde es möglich,
auch Rollenpapiere zu verarbeiten.
3.2.2. Rollenflachdruck
Die häufig hohe Auflage eines Druckauftrags macht den Rollenflachdruck gegen-
über dem Bogendruck wirtschaftlicher. Eine Rollenflachdruckmaschine wurde daher
zumeist für Zeitschriften oder Zeitungen mit farbigen Abbildungen eingesetzt, stand
hierbei aber bereits bei ihrer Einführung in Konkurrenz zum Tiefdruck. Nach dem
1. Weltkrieg hatte sich der Rollenoffsetdruck so weit verbreitet, dass die großen Ver-
lage bald auf den Rollenflachdruck verzichteten.
3.2.3. Druckfarbentrocknung
Im Mehrfarbendruck muss nach jedem Druckwerk getrocknet werden, so dass der
Vorgang der Trocknung Bestandteil des Flachdruckverfahrens ist. Der Begriff
„Trocknung“ umfasst alle Vorgänge, die nach der Farbübertragung von der Druck-
form auf das Papier stattfinden und zu einer stabilen Verbindung zwischen Bedruck-
stoff und Druckfarbe führen. Die Druckfarbe geht dabei mehr oder weniger schnell in
den festen Zustand über. Dies kann durch chemische Reaktionen - Oxidation und
bei moderneren Farben auch Polymerisation - oder durch Verdunstung erfolgen.
Von Bedeutung ist, dass die Farbe nicht bereits im Druckwerk trocknet, aber bereits
so trocken ist, dass der nächste Bogen ohne zu haften auf dem Stapel abgelegt
werden kann. Begünstigt wird dies dadurch, dass ein Großteil der nassen Farbe in
das Papier eindringt (wegschlägt). Die Flachdruckfarbe hat wegen der auf Absto-
ßung von Wasser und Fett beruhenden Flachdruckprinzipien typischerweise eine
sehr hohe Viskosität und enthält kaum Lösemittel. Die Verweildauer der Bogen in
den Bogendruckwerken reicht bei normaler Raumtemperatur aus, einen festen Film
auf der Oberfläche der Farbe zu bilden (Polymerisation).
Der schnellere Rollenflachdruck hingegen benötigt Trockenwerke zwischen den
einzelnen Farbdruckwerken, um das Verkleben zu vermeiden. Der Einsatz von Lö-
semitteln, die entweder die Grenzflächeneigenschaften von Wasser und Fett beein-
flussen oder aber Gelatine- bzw. Asphaltschichten wieder anlösen und damit das
Druckbild verändern würden, war nicht möglich, so dass nur dünnere Öle als ver-
dunstungsfördernde Verdünner in Frage kamen, die dann mit Hilfe von Gebläsen
zwischen den Druckwerken getrocknet wurden. Die Druckfarbe blieb dabei als Film
auf dem Bedruckstoff haften.
3.3. Druckverarbeitung
Die Druckverarbeitung reicht vom Beschneiden der Bogen über das Falzen bis zur
Herstellung von Broschüren und Festeinbänden. Während der Druckverarbeitung
erhalten bedruckte Bahnen, Bogen oder Tafeln die zur Nutzung erforderliche Gestalt
und die geforderten Gebrauchseigenschaften durch entsprechende Maschinen, die
Seite 8 Branchenblatt Flachdruck (direkte Verfahren)
Altlasten-Leitfaden Schleswig-Holstein: Erfassung Anhang 11
unmittelbar hinter der Druckmaschine aufgestellt sind. Mit diesen Tätigkeiten sind in
der Regel keine altlastrelevanten Tätigkeiten verbunden.
3.4. Druckfarben
Saugende Bedruckstoffe wie Papier oder Pappen erfordern Farben, die schnell in
die Kapillaren wegschlagen und dabei bereits trocknen oder polymerisieren. Die
Farben, die allgemein im Flachdruck benutzt werden, setzen sich zusammen aus
den Schwarz-, Weiß- bzw. Buntpigmenten, dem Bindemittel, zumeist in Pflanzen-
ölen gelöste Harze sowie geringen Mengen an Trockenstoffen (Sikkativen). Als
Pigmente wurden neben dem traditionellen Ruß der Druckerschwärze nahezu aus-
schließlich Mineralien oder Schwermetalle genutzt, die in wenig Öl angerieben wur-
den. Teer- und Anilinfarben konnten nicht eingesetzt werden, weil mit den darin ent-
haltenen Lösemitteln die Druckvorlage verändert würde. Genutzt wurden daher nur
echte Ölfarben.
Als Trockenstoffe werden in der Druckerei Linoleate (Verbindungen von Leinöl mit
den Schwermetallen Blei, Mangan und Kobalt) bezeichnet. Ausgangsstoffe sind
Bleioxid, Bleiacetat, Mangandioxid, Manganborat sowie Kobaltacetat. Bei der Ver-
bindung des heißen Leinöls mit den genannten Schwermetallen entstehen feste
saure Salze, die gemahlen und dem öligen Lösemittel der Druckfarben beigefügt
werden. Die chemische Trocknung der Firnisse wird von diesen Stoffen nach dem
Druck sehr stark beschleunigt. Ihr Gewichtsanteil an den Druckfarben ist davon ab-
hängig, ob es sich um Bogen- oder Rollendruck handelt. Beim mehrfarbigen Druck
auf Rollendruckmaschinen kann das Gewicht der Trockenstoffe in der Druckfarbe
bis zu 5 % ansteigen, weil der Metallgehalt entscheidend für die Trocknung auf kata-
lytischem Weg ist. Druckfarben, die aus Bleipigmenten bestehen, benötigen keinen
Zusatz von Trockenstoffen, weil sie sehr schnell trocknen. Bleihaltige Trockenstoffe
hingegen können nicht mit Sulfidfarben benutzt werden, so dass Kobalttrockner, die
mit allen Farben kombinierbar sind, in zunehmendem Maße benutzt wurden.
4. Umweltrelevante Verfahrens- und Produktionsschritte sowie Verunreinigungspotentiale
4.1. Umweltrelevanz der Druckformherstellung
Die Druckformherstellung für das ursprüngliche Flachdruckverfahren, die Lithogra-
fie, weist keine altlastrelevanten Stoffe auf.
Mit der Entwicklung einer Gelatine- bzw. Asphaltbeschichtung der Druckformen
wurden seit ca. 1880 umweltrelevante Stoffe eingesetzt, die durch das Ausspülen zu
Verunreinigungen des Standortes führen konnten. Es handelte sich hierbei um
Cr(VI)-Salze sowie die Lösemittel Benzol, Toluol und Chloroform.
Zur Fixierung der Beschichtung wurde im Lichtdruck nach dem Spülen Formaldehyd
eingesetzt und gelegentlich Zyankali für die Retusche zu dunkler Druckbereiche
genutzt.
Branchenblatt Flachdruckerei Seite 9
Altlasten-Leitfaden Schleswig-Holstein: Erfassung Anhang 11
Beide Beschichtungsformen bestanden bis in die 1950er Jahre nebeneinander.
4.2. Umweltrelevanz des Druckverfahrens und der Farben
Flachdruckfarben enthalten zu etwa 80% das Bindemittel Leinöl und Naturharz.
Meistens wurden die Farben nur mit Pflanzenölen verdünnt. Ein sehr großer Teil
des Bindemittels oxidiert sehr schnell auf dem Papier, das daher nicht so saugfähig
sein muss wie z.B. im Zeitungsdruck. Beim Anmischen der Farbe in den Farbkü-
chen, beim Umfüllen in die Farbwerke, insbesondere aber bei den Reinigungsarbei-
ten an der Maschine konnten Handhabungsverluste auftreten.
Zur Reinigung der Maschinen wurden im ersten Arbeitsgang Makulaturpapiere ge-
nutzt, eine zweite Reinigung zwischen den Arbeitstagen wurde mit dünnem Mineral-
öl, z.B. Spindelöl, das die Walzen nochmals säuberte, durchgeführt. Auch nach die-
sem Arbeitsgang wurde Makulaturpapier zum Aufsaugen durch die Maschine ge-
druckt. Die Makulaturpapiere wurden über den Altstoffhandel entsorgt. Die eigentli-
che Reinigung der Maschinen erfolgte mit Hilfe von Putzlappen und Terpentin, Ben-
zin oder später auch Toluol.
Der Flachdruck ist durch die Verwendung von wenigen Lösemitteln grundsätzlich
von geringerer Umweltrelevanz als z.B. der Tiefdruck. Zunächst wurden im 19.
Jahrhundert Terpentin, Petroleum und später Benzin sowie seit den 1920er Jahren
zunehmend Toluol, gelegentlich auch Benzol und Aceton, als Lösemittel und zur
Maschinenreinigung eingesetzt.
5. Gesetzliche Ausführungsvorschriften für verwendete Stoffe/ Stoffgruppen
Die gewerbliche Herstellung von Druckerzeugnissen mit den beiden direkten Flach-
druckverfahren Lithografie und Lichtdruck endete in den 1950er Jahren. Zu diesem
Zeitpunkt gab es noch keine gesetzlichen Ausführungsvorschriften zum Einsatz
umweltrelevanter Stoffe. Rechtliche Bedeutung hatten daher nur Vorgaben der Ge-
werbeordnung und des Baurechts, welche nach gegenwärtigem Kenntnisstand kei-
ne relevanten Hinweise enthielten.
6. Altlastrelevante/altlastirrelevante Nutzungszeiträume
Flachdruckereien sind bis etwa 1880 grundsätzlich von geringer Altlastenrelevanz,
weil die Druckformbeschichtung mit Gelatine oder Asphalt noch nicht eingesetzt und
keine Lösemittel in nennenswertem Umfang verwendet wurden. Durch die Weiter-
entwicklung zum Lichtsatz und das Ätzen der Druckplatten, die dann auf Zylinder
montiert wurden, entstand ein Gefährdungspotential durch Chrom(VI)-Salze, Na-
turasphalt, Benzol, Toluol, Aceton, Chloroform, Formaldehyd, Zyankali und in gerin-
gen Mengen Mineralöl.
Seite 10 Branchenblatt Flachdruck (direkte Verfahren)
Altlasten-Leitfaden Schleswig-Holstein: Erfassung Anhang 11
Infolge der technischen Weiterentwicklung bestand die Möglichkeit, Text und Bild
zugleich zu drucken, und Druckerzeugnisse in hoher Auflage auch mit dem Flach-
druck herzustellen. Je schneller der Druck wurde, desto dünnflüssiger mussten die
Bindemittel für die Farben angemischt werden. Während im Druck mit Asphaltvorla-
gen nur Naturöle zur Verdünnung eingesetzt werden konnten, wurden beim Druck
mit Gelatineplatten auch traditionelle Lösemittel - Petroleum und Benzin - verwen-
det. Zur Vermeidung von Feuergefahren wurden diese seit den 1920er Jahren durch
Toluol verdrängt.
Innerhalb des Flachdrucks hat sich bis zum Ende der 1950er Jahre der Offsetdruck
so stark durchgesetzt, dass die beiden direkten Druckverfahren (Lithographie und
Lichtdruck) nicht mehr konkurrenzfähig waren. Sie werden seither nur noch von
Kunsthandwerkern oder Künstlern für Auflagen mit sehr geringer Auflage ausge-
führt.
Branchenblatt Flachdruckerei Seite 11
Altlasten-Leitfaden Schleswig-Holstein: Erfassung Anhang 11
Tabelle 1 Zusammenfassung aller altlastrelevanten Aspekte und Zuordnung zu
den Branchenklassen SH
Zeitspanne Hilfsstoffe Nebenprodukte Altlastrelevante Aspekte
Branchen- klasse SH
1880 - 1925 Schwermetallfarben,
Chrom(VI)-Salze,
Naturasphalt, Petro-
leum, Benzin, Ben-
zol, Toluol, Chloro-
form, Formaldehyd,
Zyankali
Putzlappen, Ma-
kulaturpapier
Schwermetalle
aus Pigmenten
und Trockenstof-
fe - meist Blei-
salze - in Far-
brückständen.
Cr(VI), Lö-
sungsmittel und
Formaldehyd auf
vermutlich un-
dichten Estrichen
und in nicht vor-
handenen oder
unzweckmäßigen
Entwässerungen
5
1926 – 1960 Schwermetallfarben,
Cr(VI)-Salze, Na-
turasphalt, Formal-
dehyd, Zyankali,
Mineralöl in Farben,
Benzol, Toluol, Ace-
ton
Putzlappen, Ma-
kulaturpapier
Schwermetalle
aus Pigmenten
und Trockenstof-
fe - meist Kobalt
- in den Far-
brückständen.
Cr(VI)-Salze,
MKW, wenige
Aromaten. Ver-
besserung der
betrieblichen
Entwässerung.
5
1961 – Ge-
genwart
Die direkten
Flachdruckver-
fahren werden
nur noch als
Kunsthandwerk
im altlastirrele-
vanten Maßstab
betrieben.
0
Branchenklasse 0: kein Gefährdungspotential Branchenklasse 1: Gefährdungspotential sehr gering Branchenklasse 2: Gefährdungspotential gering Branchenklasse 3: Gefährdungspotential mäßig Branchenklasse 4: Gefährdungspotential hoch Branchenklasse 5: Gefährdungspotential sehr hoch
7. Literaturhinweise
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Seite 12 Branchenblatt Flachdruck (direkte Verfahren)
Altlasten-Leitfaden Schleswig-Holstein: Erfassung Anhang 11
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Altlasten-Leitfaden Schleswig-Holstein: Erfassung Anhang 11 Histinvest Dr. Klaus Schlottau – Bremen
Branchenblatt Druckerei – Hochdruck (Buchdruck)
Inhaltsverzeichnis Seite
1. Bezeichnung der Branche 2
2. Historischer Überblick 2
3. Allgemeiner Verfahrensablauf 3
3.1. Druckformherstellung 3
3.2. Druckprozess 4
3.3. Druckverarbeitung 5
4. Umweltrelevante Verfahrens- und Produktionsschritte sowie Ver- 5
unreinigungspotentiale
4.1. Umweltrelevanz der Druckformherstellung 5
4.2. Umweltrelevanz des Druckverfahrens und der Farben 6
5. Gesetzliche Ausführungsvorschriften für verwendete Stoffe/ 6
Stoffgruppen
6. Altlastrelevante/altlastirrelevante Nutzungszeiträume 6
7. Literaturhinweise 8
Seite 2 Branchenblatt Hochdruck (Buchdruck)
Altlasten-Leitfaden Schleswig-Holstein: Erfassung Anhang 11
1. Bezeichnung der Branche
Die Hochdruckerei ist die älteste und zugleich die bis ins letzte Drittel des 20. Jahr-
hunderts am weitesten verbreitete Form der Druckerei. Im vorliegenden Branchen-
blatt wird der Buchdruck als Form des Hochdrucks abgehandelt. Weitere Formen
des Hochdrucks (Anilin- oder Flexo- und Lettersetdruck) werden aufgrund ihrer an-
deren Farbzusammensetzung und Übertragungstechnik an anderer Stelle betrachtet
(vgl. Branchenblätter Druckerei - Tiefdruck sowie Druckerei – Flachdruck (Offset-
druck)). Hergestellt wurden in kleinen, höchstens mittelgroßen Unternehmen vor-
rangig Bücher, Geschäfts- und Kontorbücher (Buchdruck), Werbeblätter, Broschü-
ren, Visitenkarten, Drucksachen (Akzidenzdruckerei) sowie liniertes Papier, Kartei-
karten oder Adressanhänger (Linieranstalten).
Das Hochdruckverfahren wurde von Johannes Gutenberg eingeführt, der einzelne
Lettern mit erhabenen Buchstaben zu einem Druckblock zusammenfügte und dann
mit den bereits bekannten Pressen die Druckfarbe auf das Papier übertrug. Auf den
aus Blei in Formen gegossenen Lettern befanden sich die spiegelverkehrten Abbil-
der der Buchstaben oberhalb des Sockels, so dass sich der Ausdruck "Hochdruck"
für die hochstehenden Buchstaben etablierte. Nachdem der Druckstock Zeile für
Zeile gesetzt war, wurde er in die Presse eingespannt. Die Lettern wurden an der
Oberfläche mit der Druckfarbe bestrichen, daher musste nach jedem Druckbogen
neue Farbe mit einem Wischer aufgetragen werden. Anschließend konnten die Let-
tern aus dem Druckstock entfernt, in die bekannten Letternkästen sortiert und neu
genutzt werden.
Abb. 1: Schema des Hochdrucks einer Heidelberger Tiegelpresse nach 1914
(Quelle: WOLFSTURM, Abbildung von Walter Emmrich).
2. Historischer Überblick
Die Geschichte der Druckerei in Westeuropa wird mit dem Lebenswerk von Johan-
nes Gensfleisch zur Laden, genannt Gutenberg (ca. 1400 – 1468), dem Erfinder der
Branchenblatt Hochdruck (Buchdruck) Seite 3
Altlasten-Leitfaden Schleswig-Holstein: Erfassung Anhang 11
Hochdruckpresse und der gegossenen Lettern verbunden. Bis zum Ende des 19.
Jahrhunderts, als in großen Tageszeitungen zunehmend auch gerasterte Fotogra-
fien wiedergegeben werden sollten, wurden neben den Büchern auch Zeitungen
ausschließlich auf diese Weise hergestellt. Da die gesetzten Lettern des Hoch-
drucks für hohe Auflagen nicht geeignet waren und deren Herstellung viele Arbeits-
kräfte band, stellten die Zeitungs- und Zeitschriftenverlage bis in die 1960er Jahre
nach und nach auf billigere Flach- und Siebdruckverfahren, z.B. die Offsetdruckerei,
im Rotationsdruck um. Schon bei der Umstellung von Handsatz auf Maschinensatz
wurden die überflüssig gewordenen Pressen, Setzkästen und Schneidemaschinen
häufig von den arbeitslos gewordenen Druckern als Erstausstattung für die Selb-
ständigkeit erworben, so dass zwischen den 1920er und 1960er Jahren eine große
Zahl von Kleinunternehmen entstand. Ihre Verbreitung nahm mit der Einführung der
Kopiermaschinen und der digitalen Druckvorlagen seit den 1970er Jahren ab, so
dass Hochdruckereien in der beschriebenen Form heute nur noch musealen Wert
besitzen.
3. Allgemeiner Verfahrensablauf
Drucken ist ein Arbeitsprozess, der aus drei Teilschritten besteht und nach dem
mittleren Arbeitsschritt benannt worden ist (vgl. das folgende Schaubild).
1. Druckvorstufe
Druckformherstellung
in Abhängigkeit vom
Druckverfahren
2. Drucken
Druckform +
Papier +
Farbe
3. Druckverarbeitung
Falzen und Schneiden
Zusammentragen
Kleben, Heften, Binden
Produktionsfluss in der Druckerei
Abb. 2: Schematische Darstellung der Arbeitsvorgänge in einer Druckerei
3.1. Druckformherstellung
Die Herstellung der Lettern, die in verschiedenen Größen und Schriftarten einge-
setzt werden, geschieht durch ein Gussverfahren, bei dem flüssiges Letternblei (Blei
mit einem hohen Antimon- und mittlerem Zinngehalt) in Formen gegossen wird.
Hierzu sind ein Bleiofen und eine hohe Zahl von Negativformen aller Buchstaben
erforderlich. Da die Lettern nach etwa fünftausend Druckvorgängen abgenutzt sind,
müssen sie regelmäßig eingeschmolzen und neu gegossen werden. Durch Ver-
schmutzungen an den Lettern entstehen Verunreinigungen, Bleioxide, die so ge-
nannte „Bleikrätze", die von dem flüssigen Letternblei abgestrichen wird und zu
oberflächlichen Bleiverunreinigungen in der Umgebung des Ofens führen kann. Be-
reits Ende des 19. Jahrhunderts standen mit der „Linotype" und der „Monotype“
halbautomatische Setzmaschinen mit geschlossenen Ofensystemen zur Verfügung.
Seite 4 Branchenblatt Hochdruck (Buchdruck)
Altlasten-Leitfaden Schleswig-Holstein: Erfassung Anhang 11
Parallel entwickelte sich ein Markt, der Kleindruckereien mit extern gegossenen Let-
tern versorgte.
Die Lettern wurden in kleinen Unternehmen in die Setzkästen einsortiert und dann
von Hand zu einem Druckstock zusammengefügt; größere Unternehmen hatten
hierfür bereits eine Setzmaschine (Typensetzmaschinen), die mit einer Schreibma-
schinentastatur ausgestattet war und den Handsatz beschleunigte. Die fertige
Druckform wird auch als Klischee bezeichnet.
Ende des 19. Jahrhunderts kamen die ersten kombinierten Zeilensetz- und Gieß-
maschinen auf. Für kleinere und mittlere Unternehmen lohnte sich diese Investition
zumeist nicht. Große Buchdruckereien mussten viele dieser Setzmaschinen haben,
um ihre Aufträge in der erforderlichen Auflagenzahl bearbeiten zu können.
3.2. Druckprozess
Der fertige Druckstock wird in der Presse befestigt und dünn mit Druckfarbe bestri-
chen. Anschließend wird der Papierbogen aufgelegt und mit dem oberen Druck-
stempel auf die Lettern gepresst, so dass die Druckfarbe direkt auf das Papier über-
tragen wird (Direktdruckverfahren). Beschrieben ist hier der Handdruckprozess, der
aber bereits zu Beginn des 19. Jahrhunderts mit ersten Maschinen vereinfacht wur-
de, so dass seit dem Ende des 19. Jahrhunderts die Arbeitsgänge des Farbauftrags
und der Papierzuführung bereits vollständig mechanisiert waren - maßgeblich wurde
dieser Prozess durch die "Heidelberger Druckmaschinen" vorangetrieben. In kleinen
Handdruckereien blieben einfache kurbelbetriebene Press- und Hebelwerke jedoch
noch lange in Gebrauch.
Die Druckfarbe für den typischen Schwarzdruck bestand historisch seit dem 15.
Jahrhundert aus fein gemahlenem Ruß, der in Leinöl dispergiert ist. Im Verlauf der
Zeit gab es diesbezüglich nur einen geringen Wandel, z.B. durch den Zuschlag von
blauen Farbstoffen und den vermehrten Einsatz von Mineralölen. Druckfarben die-
ser Art sind für saugfähige Papiere bis heute in Gebrauch, weil das Papier nach
dem Druck das farbgesättigte Öl in die Kapillaren zwischen den Papier- oder Papp-
fasern zieht, welches dort durch Polymerisation ohne Zusatz von Sikkativen oxidiert,
„trocknet", und damit die Farbe in dem Druckstoff stabilisiert. Von dieser Druckfarbe
und den im Folgenden genannten Buntdruckfarben sowie auch von den zur Maschi-
nenreinigung benötigten Materialien (z.B. Terpentin) gehen keine Umweltgefähr-
dungen aus. Glanzpapiere, Chrompapiere, Folien und Kunststoffe - Bedruckstoffe,
die keine Farben aufnehmen - können aufgrund der eingesetzten Farben und den
damit verbundenen Bindemitteln mit dem Hochdruckverfahren nicht bedruckt wer-
den, so dass Farbverluste in der Werkstatt kaum anfallen.
Seit dem Ende des 19. Jahrhunderts wurden zunehmend Vierfarbdrucke von Hoch-
druckereien hergestellt - bekannt sind z.B. die Kunstdruckeinlagen in den Lexikaedi-
tionen von Meyer oder Brockhaus. Für jede Farbe musste eine eigene Druckvorlage
hergestellt werden, so dass die Bogen mindestens viermal eingelegt und mit der
jeweiligen Farbe bedruckt wurden. Die Buntfarben des Hochdrucks mussten in den
Eigenschaften - Viskosität, Oxidation und Trockenverhalten - jenen des Schwarz-
drucks gleichen. Buntdruckfarben wurden daher zumeist aus Mineralsalzen oder
Branchenblatt Hochdruck (Buchdruck) Seite 5
Altlasten-Leitfaden Schleswig-Holstein: Erfassung Anhang 11
bergmännisch gewonnenen Erden - Kreide, Umbra, Ocker oder Terra de Sienna -
hergestellt. Diese deckten die Farbskala Weiß und Orange bis Rotbraun ab. Kreide
wurde meist als Unterdruck für Gelbtöne benutzt, so dass Reinweiss aus Mineralien
und chemischen Fällungen gewonnen wurde: Aluminiumhydroxid, Bariumsulfat,
Zinkoxid; Bleiacetat und Zinksulfid dienten solange als Deckweiß, bis im 20. Jahr-
hundert Titandioxid aus Ilmenitgruben verwendet wurde. Für Rotfarben wurde zu-
meist Bleioxid (Mennige) eingesetzt, weil Zinnober (Quecksilbersulfid) und Cadmi-
umrot (Cadmiumsulfit oder -selenit) mit den meisten anderen Metallpigmenten ein-
schwärzen. Als Blaufarbe diente den Hochdruckern seit der frühen Neuzeit das Mi-
loriblau, das durch eine chemische Reaktion von Kaliumhexacyanoferrat(II) mit Ei-
sensulfat hergestellt wurde und gemahlen z.B. als Preußischblau, Berlinerblau oder
Pariserblau in den Handel gelangte. Ultramarin konnte im Hochdruck nicht einge-
setzt werden, weil es nicht mit Firnissen kombinierbar ist. Gelbe Farben wurden
häufig aus Chromgelb hergestellt: es handelte sich hierbei um eine Ausfällung von
Bleisalz mit Chromsäure (Blei(II)chromat). Da Chromgelb mit anderen schwefelhal-
tigen Metallpigmenten schwärzt, dienten Zinkgelb (Zinkchromat) und Cadmiumgelb
(Cadmiumsulfit) als Alternative.
Teerfarben wurden zunehmend in den Druckprozess integriert. Hierbei wurden aber
nur jene Farben genutzt, die ähnlich den vorgenannten Mineralien, als kristallisierte
Pigmente gewonnen, gemahlen und dann, mit Bindemittel versetzt, wie Drucker-
schwärze eingesetzt werden konnten.
3.3. Druckverarbeitung
Nach dem Drucken müssen die Bogen gefaltet, geschnitten und geheftet werden,
womit in der Regel aber keine Verunreinigungen verbunden sind. Im Rahmen der
verbreiteten Arbeitsteilung wurden diese Tätigkeiten bei größeren Aufträgen zumeist
von Buchbindereien übernommen.
4. Umweltrelevante Verfahrens- und Produktionsschritte sowie Verunreinigungspotentiale
4.1. Umweltrelevanz der Druckformherstellung
Handsetzereien mit kleinem Bleiofen haben seit fast 100 Jahren nur noch musealen
Charakter. Der Übergang vom Handsatz zu den nachfolgenden Linotype- und Mo-
notypesatzmaschinen erfolgte hauptsächlich während der 1920er Jahre. Nur noch
Kleinstbetriebe verblieben für den gelegentlichen Akzidenzdruck mit kleiner Auflage
bei diesem tradierten Verfahren, das zu Schwermetallbelastungen (insbesondere
Blei, Antimon und Zinn) führen kann.
Der Maschinensatz mit den oben genannten Setzmaschinen ist zwar ebenfalls mit
Letternblei verbunden, wird aber in einem kontinuierlich beheizten, geschlossenen
Ofen ausgeführt, so dass es seltener zu Bleiverunreinigungen kommen konnte und
keine Bleikrätze mehr anfiel. Die Maschinen konnten zudem nicht mit eingeschmol-
Seite 6 Branchenblatt Hochdruck (Buchdruck)
Altlasten-Leitfaden Schleswig-Holstein: Erfassung Anhang 11
zenen, gebrauchten Lettern betrieben werden. Gebrauchte Lettern wurden haupt-
sächlich in Bleihütten aufbereitet.
4.2. Umweltrelevanz des Druckverfahrens und der Farben
Die verwendeten Farben enthielten historisch neben dem Farbpigment (Ruß) nur
das Bindemittel Leinöl, später wurde letzteres verstärkt durch Mineralöl bzw. Fett-
säureester ersetzt. Die Druckfarbe wird in der Maschine mechanisch auf dem
Druckstock verteilt und in der Regel vollständig vom Papier aufgenommen, so dass
nur wenige Handhabungsverluste zu erwarten sind. Zum Reinigen der Maschinen
werden Bogen aus Makulaturpapier eingelegt, die wie Löschpapier den Druckstock
und die Presse säubern. Anschließend wird die Presse mit Putzlappen und Terpen-
tin gereinigt.
5. Gesetzliche Ausführungsvorschriften für verwendete Stoffe/Stoffgruppen
Der Betrieb von Druckereien unterliegt zahlreichen gesetzlichen Bestimmungen und
Verordnungen.
Seit 1993 haben sich die Mitglieder des Verbandes der Druckfarbenindustrie in
Deutschland selbst verpflichtet, giftige und bzw. cancerogen, fortpflanzungsgefähr-
dend oder erbgutgefährdend wirkende Rohstoffe nicht mehr für die Farbherstellung
einzusetzen. Diese so genannte Ausschlussliste für Druckfarben und zugehörige
Produkte wird fortlaufend überarbeitet. Seit 1996 gilt dies europaweit.
Weitere Gesetze, Verordnungen und technische Regelwerke, die einen Einfluss auf
den Betrieb einer Druckerei bzw. den Einsatz von umweltrelevanten Stoffen haben,
sind u.a. zu berücksichtigen. Hierzu zählen z.B.:
- 1992 TRGS 404, Grenzwerte für Lösemittelgemische (aufgehoben 1997)
- 1993 Gefahrstoffverordnung (GefStoffV, Anhang V Nr. 4, Blei und anorgani-
sche Bleiverbindungen)
- 1996 TRGS 900 Arbeitsplatzgrenzwerte (Luft)
- 2007 TRGS 505 Blei
6. Altlastrelevante/altlastirrelevante Nutzungszeiträume
Die früheren Hochdruckereien (Buchdruck), die häufig aus dem veralteten Maschi-
nenbestand der modernisierten Zeitungsdruckereien entstanden, sind bis in die
1920er Jahre grundsätzlich von sehr geringer Altlastenrelevanz, weil nur wenige
Schwermetalle und keine umweltrelevanten Lösemittel in größeren Mengen einge-
setzt wurden.
Mit der Einführung der Heidelberger Tiegeldruckpresse nach dem Ersten Weltkrieg
wurde es möglich, die Druckgeschwindigkeit auf fast 5.000 Bogen pro Stunde zu
Branchenblatt Hochdruck (Buchdruck) Seite 7
Altlasten-Leitfaden Schleswig-Holstein: Erfassung Anhang 11
steigern, so dass auch dünnere Druckfarben erforderlich wurden, damit die Bogen
sich schneller vom Druckstock, der nunmehr von einer automatischen Farbwalze
benetzt wurde, lösen konnten. Es wurden daher Druckfarben benutzt, die, neben
dem Leinöl oder Mineralöl, bis zu 20 Prozent Terpentinöl zur Verminderung der Vis-
kosität enthielten. Mit dieser Neuerung, die bis zum Beginn der 1980er Jahre über-
wiegend genutzt wurde, waren keine weiteren gravierenden Umweltgefährdungen
verbunden. Da zugleich auch die separaten Bleiöfen ausgedient hatten und durch
geschlossene Setzmaschinen oder durch gekaufte Lettern ersetzt wurden, nahm die
Wahrscheinlichkeit einer Bleiverunreinigung ab. In Druckereien, die den Mehrfar-
bendruck auf den Bogenmaschinen ausführten, können zusätzlich geringe Mengen
an anderen Schwermetallen aus den Farbpigmenten als Verunreinigungen aufgetre-
ten sein.
Nachdem seit Beginn der 1960er Jahre die neuen Bogenoffsetmaschinen (vgl.
Branchenblatt Druckerei – Flachdruck (Offsetdruck)) eingeführt wurden, übernah-
men diese schnelleren Maschinen nach und nach das gesamte Anwendungsspekt-
rum des Hochdruckverfahrens, so dass seit dem Ende der 1980er Jahre Hoch-
druckverfahren nur noch für spezielle Anwendungen, z.B. für Familiendrucksachen,
eingesetzt werden. Über den Gesamtzeitraum des Einsatzes gibt es daher zwar
unterschiedliche Schwerpunkte möglicher Verunreinigungen, die aber alle nur eine
geringe Umweltrelevanz haben.
Tabelle 1 Zusammenfassung aller altlastrelevanten Aspekte und Zuordnung zu
den Branchenklassen SH
Zeitspanne Hilfsstoffe Nebenprodukte Altlastrelevante
Aspekte Branchen- klasse SH
1880 - 1925 Letternblei, Druck-
farbe aus Ruß oder
Mineralpigmenten in
Leinöl.
Bleikrätze Bleirückstände
und Abfälle aus
dem Ofen und
der Setzmaschi-
ne, Schwerme-
tallpigmente aus
Farbrückständen
in geringer Men-
ge
1
1926 – 1990 Letternblei, Druck-
farbe aus Ruß oder
Mineralpigmenten in
Leinöl
Makulaturpapier,
Putzlappen
Schwermetall-
pigmente aus
Farbrückständen.
1
1991 – Ge-
genwart
Letternblei, Druck-
farbe aus Ruß oder
Mineralpigmenten in
Leinöl
Makulaturpapier,
Putzlappen
Das Verfahren
wird nicht mehr
im relevanten
Maßstab ange-
wandt.
0
Branchenklasse 0: kein Gefährdungspotential Branchenklasse 1: Gefährdungspotential sehr gering Branchenklasse 2: Gefährdungspotential gering Branchenklasse 3: Gefährdungspotential mäßig Branchenklasse 4: Gefährdungspotential hoch Branchenklasse 5: Gefährdungspotential sehr hoch
Seite 8 Branchenblatt Hochdruck (Buchdruck)
Altlasten-Leitfaden Schleswig-Holstein: Erfassung Anhang 11
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BUNDESVERBAND DRUCK E.V., ABTEILUNG UMWELTSCHUTZ: Abfälle in der
Druckindustrie.– Merkblatt zur Einstufung und Entsorgung von Abfällen. Wiesbaden,
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DORTMUNDER BEITRÄGE ZUR ZEITUNGSFORSCHUNG, Bd. 58: Zeitungsdruck:
Die Entwicklung der Technik vom 17. zum 20. Jahrhundert. Mit Beiträgen von Martin
Welcke und Boris Fuchs. K. G. Saur, München, 2000.
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Altlasten-Leitfaden Schleswig-Holstein: Erfassung Anhang 11 Histinvest Dr. Klaus Schlottau – Bremen
Branchenblatt Druckerei - Flachdruck (Offsetdruck)
Inhaltsverzeichnis Seite
1. Bezeichnung der Branche 2
2. Historischer Überblick 3
3. Allgemeiner Verfahrensablauf 3
3.1. Druckformherstellung 3
3.1.1. Reproduktionsanstalten 4
3.2. Druckprozess 7
3.2.1. Bogenoffsetdruck 9
3.2.2. Rollenoffsetdruck 9
3.2.3. Druckfarbentrocknung 10
3.3. Druckfarben 11
3.4. Druckverarbeitung 12
4. Umweltrelevante Verfahrens- und Produktionsschritte sowie Ver- 12
unreinigungspotentiale
4.1. Umweltrelevanz der Druckformherstellung 12
4.2. Umweltrelevanz der Druckverfahren und der Farben 13
5. Gesetzliche Ausführungsvorschriften für verwendete Stoffe/ 14
Stoffgruppen
6. Altlastrelevante/altlastirrelevante Nutzungszeiträume 15
7. Literaturhinweise 17
Seite 2 Branchenblatt Flachdruck (Offset)
Altlasten-Leitfaden Schleswig-Holstein: Erfassung Anhang 11
1. Bezeichnung der Branche
Das Verfahren des Offsetdrucks gehört zu den Flachdruckverfahren: druckende und
nichtdruckende Flächen der Druckform befinden sich in einer Ebene. Das Druckver-
fahren nutzt die chemisch-physikalische Abstoßung von Wasser und Fett, die dru-
ckenden Bereiche der Druckform nehmen die ölhaltige Farbe aufgrund einer beson-
deren Vorbehandlung an, während die übrigen Flächen das Wasser annehmen, das
die Farbe abstößt. Das Flachdruckverfahren untergliedert sich in direkte Drucktech-
niken (Lithographie und Lichtdruck) (vgl. Branchenblatt Druckerei - Flachdruck (di-
rekte Verfahren)) sowie das indirekte Offsetverfahren, das sich um 1910 aus den
anderen entwickelte. Es wird wegen seiner besonderen wirtschaftlichen Bedeutung
gesondert behandelt.
Abb. 1: Schematische Darstellung einer Bogenoffsetdruckerei für zwei Farben
(Quelle: www.saxoprint.de/blog/offsetdruck).
Wie alle Flachdruckverfahren eignet sich der Offsetdruck besonders für die Herstel-
lung von qualitativ hochwertigen Farbdrucken und kann im Gegensatz zu den ande-
ren Verfahren auch auf unelastischen Druckstoffen eingesetzt werden, weil der
Druck nicht durch den direkten Kontakt der eigentlichen Druckform, sondern über
ein Gummituch oder eine gummibespannte Walze indirekt ausgeführt wird. Die
Druckform hält daher deutlich länger und die Druckgeschwindigkeit konnte innerhalb
kurzer Zeit von 800 auf 10.000 Drucke/ Stunde gesteigert werden, so dass schon
kurz nach dem Ersten Weltkrieg auch in Deutschland Buch- und Zeitungsverlage,
aber auch Behörden- und Firmendruckereien, für die Herstellung ihrer Produkte auf
den Offsetdruck umstellten. Während der Kleinoffsetdruck bis zum Format DIN A2
vor allem von Kleinbetrieben ausgeübt wurde, waren mittelständische Buch- und
Zeitungsverlage mit Bogen- und Rollenoffsetdruckmaschinen, die bis zu zehn Far-
ben verarbeiten konnten, ausgestattet. Für den schnellen Kleinoffsetdruck wurden
bald vorgefertigte beschichtete Metallfolien, die nur noch belichtet, entwickelt und
gespült werden mussten, als Druckformmaterial von Zulieferern angeboten, so dass
die sonst personalintensive Druckvorlagenherstellung kalkulatorisch kaum mehr von
Belang war. Durch die Einführung der Trommelbelichter (Laser- und Laserdiodenbe-
lichter) und so genannter „wasserloser“ Offsetdruckvorlagen (Offsetdruckplatten)
Branchenblatt Flachdruck (Offset) Seite 3
Altlasten-Leitfaden Schleswig-Holstein: Erfassung Anhang 11
konnte das Verfahren weiterentwickelt werden, so dass nach 1960 auch die Groß-
verlage ihre Tiefdruckereien auf das Offsetdruckverfahren umstellten. Gegenwärtig
werden ca. 70 Prozent aller Drucke im Offsetdruckverfahren hergestellt. Seit Ende
der 1980er Jahren werden in allen Druckereien grundsätzlich keine Dichromatbe-
schichtungen von Rohplatten mehr ausgeführt, sondern nur noch vorgefertigte Plat-
ten bezogen.
2. Historischer Überblick
Die Weiterentwicklung des direkten Flachdruckverfahrens, dessen Geschichte bis
zum Beginn des 20. Jahrhunderts bereits im entsprechenden Branchenblatt darge-
stellt wird, vollzog sich in einem schmalen Marktsegment und führte unmittelbar zum
eigentlichen Offsetdruck: Die amerikanischen Hersteller von Dosenkonserven hatten
nach und nach von der Dose mit gelötetem Deckel auf gebördelte Dosen umgestellt,
so dass ein Druck direkt auf das Blech versucht wurde. Der Druck von Zink- oder
Aluminiumplatten oder damit ausgestatteten Druckzylindern auf starre Walzbleche
zerstörte jedoch binnen weniger Umläufe die Druckform. Zwei Personen, Caspar
Hermann und Ira W. Rubel, beschäftigten sich in den Vereinigten Staaten zeitgleich,
aber unabhängig voneinander, mit dieser Problemstellung und gelangten zu ähnli-
chen Ergebnissen. Die Lösung bestand darin, einen elastischen Zwischenträger des
Druckbildes aus Kautschuk oder Gummi zwischen die primäre Druckform und das
Blech zu bringen.
Erste Bogendruckmaschinen nach diesem Prinzip wurden seit 1907 in Deutschland,
England und den Vereinigten Staaten auf den Markt gebracht. 1912 folgte die erste
Rollenoffsetmaschine in Deutschland. Hergestellt wurden weniger hochwertige Dru-
cke, als vielmehr Bücher und Verlagserzeugnisse mit mittleren Auflagen und gerin-
gen qualitativen Ansprüchen (z.B. „Groschenromane“). Der direkte Flachdruck blieb
aber in dem Marktsegment der hochwertigen Druckerzeugnisse bis in die Mitte des
20. Jahrhunderts wirtschaftlich konkurrenzfähig gegenüber dem Offsetdruck. Erst
seit ca. 1950 wurde der traditionelle Flachdruck durch weitere Entwicklungen in der
Druckvorlagenherstellung, insbesondere seit 1958 durch die Einführung des Vario-
Klischographen der Fa. Hell für den Zeitungsdruck, vom Offsetdruck abgelöst.
3. Allgemeiner Verfahrensablauf
3.1. Druckformherstellung
Die Druckform besteht aus einer dicken Metallplatte (historisch auch Mehrmetallplat-
ten), die in zwei Lagen mit einer Emulsion aus Gelatine und Ammonium- oder Kali-
umdichromat beschichtet wurde. Die Platte wurde dann mit einer intensiven Licht-
quelle belichtet, so dass das Licht durch ein fotografisches Negativ strahlt und dabei
ein Positivabbild auf der lichtempfindlichen Chromatierung erzeugt. Die Chromate
verändern unter Lichteinfluss die Löslichkeit der Gelatine gegenüber Wasser, so
dass nach dem Ausspülen der Chromate eine Gelatineschicht mit unterschiedlichem
Verhalten gegenüber Wasser bestehen bleibt (Relief). Für mehrfarbige Druckbilder
ist es notwendig, für jede Prozessfarbe eine Druckplatte (einen Farbauszug) herzu-
Seite 4 Branchenblatt Flachdruck (Offset)
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stellen. Wenn Halbtonbilder (Fotos) enthalten sind, müssen die Farbauszüge geras-
tert werden, um die Tonwerte stufenlos darstellen zu können.
Mit der Weiterentwicklung der Fototechnik konnten jedoch dortige Entwicklungen in
Analogie zur Gelatinebeschichtung übernommen werden. Die Einführung des Licht-
satzes („Linofilm"-Setzmaschine von Linotype) führte zur Realisierung eines Satz-
bildes, das dem des Hochdrucks nicht nachstand. Der Übergang von der Fotolitho-
grafie zur Offsetreproduktion war fließend, da sich die Verfahrensschritte ähnelten.
Die Berufsbezeichnung Fotolithograf wurde auf die Offsetreproduktion übertragen,
1956 wurde dieser Lehrberuf in „Druckvorlagenvorbereiter - Fachrichtung Offset“
umbenannt. In den 1950er Jahren entstanden viele, meist kleine Reproduktionsan-
stalten, die sich auf die Herstellung von Druckvorstufen spezialisierten.
Seit den 1980er Jahren werden fast ausschließlich vorbeschichtete Aluminiumplat-
ten oder Kunststoff- bzw. Papierplatten, aber keine Mehrmetallplatten mehr, einge-
setzt. Auch die lichtempfindliche Beschichtung wird nicht durch die Verwendung von
Chromaten erreicht, sondern durch andere Stoffe (Diazochinone, Oxazole, Silberha-
logenide, Fotopolymere o.ä.).
3.1.1. Reproduktionsanstalten
Die Vorlagen, die in so genannten Reproanstalten bearbeitet wurden, waren Bilder
und retuschierte Schwarzweiß-Fotografien, später auch Farbdiapositive. Weitere
Vorlagen und Layouts wurden von Grafikern als Reinzeichnung mit montierten Tex-
ten auf Papier oder bereits als Film geliefert. Ein Reprofotograf fertigte mit Hilfe von
Farbfiltern Farbauszüge für die jeweilige Druckfarbe, die dann nach einigen Korrek-
turarbeiten in der nächsten Stufe zu einem Rasterdiapositiv verarbeitet wurden. Für
jede Farbe wird eine Montagefolie aus den Bild- und Textelementen montiert. Im
Kontaktgerät werden dann in einer Dunkelkammer von den Montagefolien Negative
hergestellt und entwickelt, diese Arbeit wurde während der 1960er Jahre zuneh-
mend von Entwicklermaschinen übernommen. Je nach positiv oder negativ arbei-
tender Plattenbeschichtung werden anschließend die Montagen direkt auf die Platte
oder erst nach einer weiteren Umkopie (Endfilm) auf die Offsetdruckplatte kopiert.
Die Montagen bzw. Endfilme werden auf einem Lichttisch in Kopierrahmen einge-
passt und mit der lichtempfindlich vorbeschichteten Druckplatte durch ein Vakuum
gegen eine Glasplatte gesogen und mit UV-Licht bestrahlt. Bei Positivplatten wer-
den die belichteten Kopierschichtbereiche zersetzt und in der Entwicklermaschine
ausgespült; zurück bleiben die zuvor durch Schwärzung des Films vor der Belich-
tung geschützten Stellen als druckende Flächen. Negativplatten funktionieren ent-
gegengesetzt, hier härten die belichteten Stellen und die unbelichteten Bereiche
werden ausgespült. In einer Andruckpresse kann das zu erwartende Ergebnis für
den Kunden dokumentiert und zusammen mit der Andruckskala, die die Farbauszü-
ge und Zusammendrucke darstellt, ausgeliefert werden.
Vorbeschichtete Offsetdruckplatten wurden 1949 von der Fa. Kalle erstmals auf den
Markt gebracht und schon 1956 begann mit der Einführung der mikrogekörnten
Aluminiumplatte der Übergang zur Eloxalbeschichtung der Druckplatten. Parallel
hierzu verlief die Entwicklung der Herstellung druckfertiger Klischees. Für den Off-
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setdruck entwickelte die Fa. Hell 1958 den Vario-Klischographen, der eingefärbte
Folien mechanisch gravierte, so dass sie die Mikrokörnungen der Aluminiumdruck-
platten direkt ersetzen konnten. Dadurch wurde die Entwicklung der digitalen Bild-
verarbeitung in Trommelscannern, die seit dem Beginn der 1960er Jahre eingesetzt
hatte, mit der Entwicklung der Klischographen kombiniert. Die Entwicklung der La-
serscanner seit 1971 - auch hier gab die Fa. Hell mit dem Chromagraph die Rich-
tung vor - ermöglichte die Ausgabe gerasterter und farbkorrigierter Farbauszüge, so
dass Reprokameras für die Herstellung von gerasterten Kopiervorlagen nicht mehr
erforderlich waren.
Die Bildmontage und das Layout der Druckvorlagenherstellung übernahm seit dem
Beginn der 1980er Jahre zunehmend die Elektronische Bildverarbeitung (EBV) mit
Scanner, Bildschirmarbeitsplatz und Plottern. Die bisherige nasschemische Entwick-
lung unter Verwendung von Filmen wurde durch Ausstattung der EBV-Anlagen mit
Fotopolymer-beschichteten Platten, die direkt mit Laserlicht beschrieben werden,
mehr und mehr abgelöst. Auch Silberhalogenid- und Thermopolymerplatten können
im Computer-to-Plate-Belichter bearbeitet werden. Seit Beginn der 1990er Jahre
setzten sich unter dem Begriff „Desktop-Publishing" (DTP) Bildbearbeitungs- und
Layout-Programme durch, die die teuren großen EBV-Anlagen in kurzer Zeit durch
standardisierte Arbeitsplatzrechner ersetzten. Selbst die großen Trommel- und
Flachbettscanner, welche die Bildvorlagen als Raster- oder Vektordatei ausgaben,
wurden, seitdem 1998 die Digitalkamera mit hoher Auflösung eingeführt wurde,
überflüssig.
Seit einigen Jahren werden auch Druckmaschinen mit integrierter Druckformbebil-
derung („Computer to Press“) eingesetzt. Durch die direkte Belichtung der Druck-
platten in der Maschine entfällt das aufwändige manuelle Einspannen.
Daneben hat sich der so genannte digitale Offsetdruck entwickelt, bei dem vom
Computer gesteuert die elektrisch aufgeladene Flüssigtinte direkt auf das Drucktuch
appliziert wird. Druckplatten sind bei diesem Verfahren also überflüssig.
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Tabelle 1 Hilfsmittel und Stoffkomponenten bei der Druckformherstellung (Quel-
le: BUNDESVERBAND DRUCK E.V., ABTEILUNG UMWELT-
SCHUTZ, 1998)
Druckformtyp Hilfsmittel Stoffkomponenten
Positiv-, Negativ- bzw.
Umkehrplatte
Entschichter Alkalihydroxid, Natriumsilikat,
Netzmittel, Tenside, Alkohole,
Wasser
Korrekturmittel Säuren, Alkohole, Glykole,
Fluoride, Kohlenwasserstoffe
Gummierung Gummiarabicum, Dextrine,
Polymere, Biozide
Plattenreiniger Säuren, Kohlenwasserstoffe,
Emulgatoren, Wasser, Bims-
mehl
Einbrenngummierung Polymere, Tenside
Elektrofotografische
Platte
Toner Isoparaffine, Polyacrylate,
Ruß
Entschichter Monoethanolamine, Alkohole,
Natriumhydroxid, Tenside
Gummierung Gummiarabicum, Dextrine,
Polymere, Biozide
Silbersalzdiffusionsfo-
lien
Aktivator Hydrochinon, Natriumcarbo-
nat, Natriumthiosulfat, 2-
Methylaminoethanol, Bromide
Fixierer Mercaptane
Siberhalogenidplatten Entwickler Hydrochinon, Kaliumsulfit,
Kaliumcarbonat, Wasser
Entschichter Alkalisalze, Tenside, Alkohole,
Wasser
Gummierung Gummiarabicum, Dextrine,
Polymere, Biozide
Wasserlose Platten Vorbehandlungsmittel
(Entwickler)
Paraffine, Kohlenwasserstoffe,
Polypropylenglykol, Diethy-
lenglykol, Diglykolamin, Mo-
nobutylether
Nachbehandlungsmittel Isoparaffine, Kohlenwasser-
stoffe, Alkohole, Butylcarbitol,
Ethylcarbitol
Plattenreiniger Isoparaffine, Kohlenwasser-
stoffe, Polypropylenglykol
Konservierer Isoparaffine, Kohlenwasser-
stoffe, Phenole
Korrekturmittel Silikon, Kohlenwasserstoffe,
Isoparaffine
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3.2. Druckprozess
Trotz Veränderung bei der Konzeption der neu eingeführten Offsetdruckmaschinen
blieb das Verfahren der Druckvorlagenherstellung gleich. Vor Beginn des Druckes
wurden die Druckplatten mit einem Gemisch aus Glycerin und Wasser befeuchtet,
wodurch die Gelatineschicht entsprechend der zuvor eingewirkten Lichtintensität zu
quellen begann. Stark belichtete Bereiche härteten aus, während wenig oder gar
nicht belichtete Flächen aufquollen, so dass druckende und nicht-druckende Berei-
che definiert wurden. Da das Druckprinzip auf der physikalisch-chemischen Absto-
ßung von Wasser und Fett beruht, können die ausgehärteten Bereiche der Druck-
platte Farbe annehmen, während die anderen das Wasser annehmen, das wiede-
rum die Farbe abstößt.
Das Druckwerk der Maschinen musste um ein mitlaufendes Feuchtwerk, das über
mehrere Walzen einen gleichmäßigen minimalen Film aus Wasser und Glycerin
verteilte, sowie um den gummituchbezogenen Zylinder erweitert werden, so dass
Offsetmaschinen grundsätzlich aus einem Plattenzylinder, auf dem die Druckplatte
montiert ist, aus dem Gummizylinder und dem Gegendruckzylinder sowie dem Farb-
und dem Feuchtwerk bestehen (vgl. Abb. 1). Das Feuchtmittel besteht aus Wasser,
Isopropanol und Zusätzen (z.B. Biozide, Entschäumer) und soll nicht-druckende
Partien farbfrei halten.
Das Farbwerk ist mit zahlreichen Walzen, die auch eine axiale Verreibefunktion ha-
ben, versehen, die dafür sorgen, dass die Farbe aus dem Vorrat stets gleichmäßig
auf den Zylinder mit der Druckvorlage übertragen wird. Damit auch quer zur Druck-
richtung eine Anpassung an unterschiedlich breite Bogen hergestellt werden kann,
lässt sich das Farbwerk mit Segmenten begrenzen, so dass nicht benötigte Berei-
che der Druckwalzen ohne Farbe bleiben. Moderne Offsetdruckmaschinen haben
zudem Wascheinrichtungen. Sollen die Bogen beidseitig zugleich bedruckt werden
(Schön- und Widerdruck), ist im Bogendruck eine Bogenwendeeinrichtung vorgese-
hen, während im Rollendruck beide Bahnseiten gleichzeitig im „Gummi-Gummi-
Prinzip“ (also ohne Gegendruckzylinder) bedruckt werden.
Sofern mehr als nur eine Farbe für den Druck benötigt wird, können weitere Druck-
werke hintereinander gekoppelt werden. Dafür ist es notwendig, die Bogen ggf. mit
Heißluft oder Infrarot zu trocknen. Getrocknet wird in der Regel nach dem letzten
Druckwerk, nur bei UV-Farben oder langen Wendemaschinen finden sich Zwi-
schenwerktrockner. Der wasserlose Offsetdruck ohne Feuchtwerk erlangte erst in
den 1980er Jahren eine gute Praxisreife durch die Verwendung spezieller Farbre-
zepturen und Plattenbeschichtungen. Durch den Wegfall des Feuchtmittels konnten
die Makulaturraten gesenkt und die Druckgeschwindigkeit sowie die Druckqualität
erhöht werden, allerdings müssen zur Beibehaltung der Druckqualität die Druckplat-
ten und Farbwalzen gekühlt werden. Etwa seit dem Jahr 2000 wird dieses Verfahren
auch im Rollenoffsetdruck für Zeitungen und magazinähnliche Produkte verwendet.
Mit der Entwicklung doppeltbreiter Druckwerke zu Beginn der 1960er Jahre wurde
es möglich, pro Druckwerk mehrere Druckaufträge gleichzeitig zu bearbeiten.
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Abb. 2: Maschinensaal einer Farbbogenoffsetdruckerei 1980 (Quelle: GÖÖCK).
Tabelle 2 Hilfsmittel und Stoffkomponenten im Offsetdruck (nach BUNDES-
VERBAND DRUCK E.V., ABTEILUNG UMWELTSCHUTZ, 1998 und
TEBERT, 1998/99)
Hilfsmittel Stoffkomponenten
Farbverdünner Leinöle, vegetabile Öle, Mineralöle
Firnisse Alkydharze, Hartharze, Leinöle, Mineralöle
Scheuerschutzpaste Paraffine, Polyethylen- und Polypropylenwachse
Antiablegepaste Maisstärke, Bindemittel, Mineralöle
Trockenstoffe Kobalt- und Mangansalze
Antitrockner Cyclohexanonoxime, Phenole, Ketone
Feuchtmittelzusatz Phosphorsäure, Zitronensäure, Glycerin, Isothiazo-
linone, Netzmittel, Tenside, Biozide
Silikon-Emulsion Silikone, Korrosionsinhibitoren
Druckbestäubungspuder Maisstärke, Calciumcarbonat, Kieselerde
Druckplattenreiniger Phosphorsäure, Essigsäure, Bimsmehl, Lösemittel,
Emulgatoren, Wasser
Gummituchreparaturmittel Dichlormethan, Xylol, Methanol
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3.2.1. Bogenoffsetdruck
In der Kleinoffsetdruckerei, die nicht allein wegen ihrer meist geringen Belegschaft,
sondern auch wegen der kleinformatigen Drucke so genannt wurde, dominierte die
Bogenoffsetmaschine und verdrängte binnen kurzer Zeit den Hochdruck aus dem
entsprechenden Marktsegment. Mit dem Beginn des Kleinoffsets ist die Entstehung
von Reproanstalten verbunden, weil sich die kleineren und mittleren Betriebe in der
Regel keine personal- und kostenintensive Druckvorlagenherstellung leisten konn-
ten.
Gedruckt wurden anfänglich einfarbige Auflagen in kleinen und mittleren Mengen,
nach und nach ergänzt durch zwei- oder mehrfarbige Einlagen. Mit dem Übergang
zu breiteren Papierformaten, die beidseitig 64 Seiten auf einem Bogen druckten
- ein typischer Seitenumfang eines Romanheftes -, und haltbareren Druckplatten
konnten auch größere Auflagen von Büchern und Heften hergestellt werden, so
dass Buchverlage ebenfalls zunehmend auf das Angebot der Bogenoffsetdruckerei-
en zurückgriffen. Die Entwicklung im Buchdruck war verbunden mit der Vereinfa-
chung der Druckvorlagenherstellung im Schriftsatz, die mit der Linofilm- Fotosetz-
maschine begann und im digitalen Satz mündete. Aber nicht nur im einfarbigen
Druck, sondern auch in der Produktion von Farbdrucken konnte der Bogenoffset-
druck gegenüber dem Hoch- und Tiefdruck, aber auch in Konkurrenz zum tradierten
Flachdruck überzeugen, weil die Druckvorlagenherstellung bedeutend schneller und
kostengünstiger war, ohne dass das Druckerzeugnis im Verhältnis zum Aufwand
deutlich an Qualität einbüßte. Hochwertige Drucke konnten zunächst nicht auf diese
Weise hergestellt werden. Erst in den 1980er Jahren entwickelte sich der Bogenoff-
setdruck zum ultimativen Qualitätsdruckverfahren.
3.2.2. Rollenoffsetdruck
Die hohe Auflage von Tageszeitungen, Magazinen, Katalogen, Telefon- und Ad-
ressbüchern machte den Rollenoffsetdruck gegenüber dem Bogendruck wirtschaftli-
cher. Die Anfänge des Übergangs vom Bogen- zum Rollenoffsetdruck liegen bereits
vor dem Ersten Weltkrieg. In der Weimarer Republik stellten zunächst die Verlage
von Regionalzeitungen mit mittleren Auflagen auf dieses Verfahren um.
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Abb. 3: Rollenbogenoffsetdruckerei 1980 (Quelle: GÖÖCK).
Seit der Einführung der doppeltbreiten Maschinen und den Entwicklungen in der
Druckvorlagenherstellung Mitte der 1960er Jahre wurde der Betrieb auch für farbige
Großauflagen (z.B. Versandhauskataloge) wirtschaftlich. Im Unterschied zu den
Zeitungsverlagen, die wegen der Tagesaktualität nicht auf eine eigene Druckvorla-
genherstellung verzichten konnten, wurden die Druckvorlagen der Farbkataloge
meist extern in Reproanstalten hergestellt. Heute löst der farbige Rollenoffsetdruck
immer mehr den Magazin- und Katalog-Tiefdruck ab.
3.2.3. Druckfarbentrocknung
Im einfarbigen Offsetdruck hat die zähflüssige Ölfarbe genügend Zeit, durch Weg-
schlagen und Oxidation zu trocknen; im Mehrfarbendruck hingegen kann es durch
nasse Farbe zur Verschleppung und Verschmutzung der nachfolgenden Farben
kommen. Bedingt durch die zunehmende Geschwindigkeit und den höheren Anteil
von Bildern im Druck wurde im Bogenoffset Druckbestäubungspuder (Stärke oder
Calciumcarbonat) eingeführt, das auf den Ablagestapel geblasen wird, um zur Ver-
besserung der oxidativen Trocknung einen Abstand zwischen den Einzelbogen zu
erzeugen.
Im Rollenoffsetdruck kann aus technischen Gründen kein Puder eingesetzt werden
(Falzapparat, Geschwindigkeit), so dass Trockenwerke erforderlich sind (in der Re-
gel ein Endtrockner nach dem letzten Druckwerk), um eine schnelle Verdunstung
von Wasser und Heatsetölen zu erreichen. Mit der Einführung des wasserlosen
Druckes mit Hilfe von Silikonöl konnte zunächst ein Verzicht auf die Trockentechnik
erreicht werden, aber mit der Herstellung magazinähnlicher Produkte sowie der
Hybrid-Produktion von wasserlosem Zeitungsdruck mit gefeuchtetem Heatset-
Rollenoffset wurden auch bei Wasserlosmaschinen wieder Trockner erforderlich.
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Im Offsetdruck findet im Gegensatz zum direkten Flachdruck eine mehrfache Farb-
übertragung (Form-Gummi-Bedruckstoff) statt, daher muss die Farbe etwas dünn-
flüssiger sein und wird mit Mineral- oder pflanzlichem Öl verdünnt. Die Farbe soll
nach der letzten Übertragung schnell in den festen Zustand übergehen, dies kann
durch die Kapillarwirkung von Papier, durch chemische Reaktionen (Oxidation, UV-
Polymerisation) oder durch Verdunstung (Heatsetöle) erfolgen. Wichtig ist, dass die
Farbe nicht bereits im Druckwerk trocknet. Die Offsetdruckfarbe hat eine sehr hohe
Viskosität. Die Verweildauer der Bogen im Druckwerk reicht bei normaler Raum-
temperatur für die Trocknung aus. Nur bei UV-Farben sind Zwischentrockner zwi-
schen den Druckwerken nötig. Die schnelleren Rollendruckmaschinen hingegen
benötigen immer einen Endtrockner nach dem letzten Druckwerk, um das Verkleben
zu vermeiden.
3.3. Druckfarben
Konventionelle Offsetfarben setzen sich aus folgenden Komponenten zusammen
(nach KIPPHAN, 2000):
Firnis (Bindemittel aus Harzen (20 bis 50%) mit einem hohen Kolopho-
niumanteil, Alkydharzen (bis 20%), pflanzlichen Ölen (bis 30%, Lein-, Soja-
oder Holzöl), Mineralölen (20 bis 40%) und Sikkativen (< 2%),
Farbmittel (Pigmente) je nach Farbton zwischen 10 und 30%, eingesetzt
werden neben Farbruß und Titanweiß (anorganisch) Buntpigmente (fast
ausschließlich organisch),
Additive (ca. 10%): Trocknungskatalysatoren (organische Metallsalze (Man-
gan, Kobalt, Cer etc.)), Wachse, Hautverhinderungsmittel.
Im Zuge des gesteigerten Umweltbewusstseins wurden in den letzten Jahren ver-
schiedene Wege zur Reduzierung möglicher Umweltbelastungen beschritten.
Zum einen wird versucht, Farben zunehmend auf Basis nachwachsender Rohstoffe
zu produzieren („Ökofarben“). Der im Bindemittel enthaltene Mineralölanteil soll da-
bei durch Monoester von Pflanzenölfetten ersetzt werden. Für den Rollenoffsetdruck
sind diese Farben aber nicht geeignet, da sie nicht schnell genug trocknen.
Auf den Einsatz giftiger bzw. cancerogener Rohstoffe wird seit 1993 verzichtet und
seit 1995 wurde kontinuierlich der Einsatz leichtflüchtiger Lösemittel reduziert.
Für den wasserlosen Offsetdruck war eine eigenständige Druckfarbenformulierung
notwendig, da Silikonöle quasi die Rolle des entfallenden Wassers übernehmen
müssen.
Beim UV-Offsetdruck werden Farben ohne Lösemittel und Verdünner eingesetzt,
stattdessen enthalten sie Acrylat-Monomere, -Oligomere und Fotoinitiatoren. Durch
Bestrahlung mit UV-Licht lösen letztere eine Polymerisation in der Druckfarbe aus,
die zur Härtung führt. Mit dieser Methode könne auch nicht-saugende Oberfläche
bedruckt werden. Eine Weiterentwicklung ist der Druck mit Elektronenstrahl- härten-
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den Farben, die auf Fotoinitiatoren verzichten können. Allerdings muss dabei im
Vakuum oder Inertgas gearbeitet werden.
3.4. Druckverarbeitung
Die Druckverarbeitung reicht vom Beschneiden der Bogen über das Falzen bis zur
Herstellung von Broschüren und Festeinbänden. Während der Druckverarbeitung
erhalten bedruckte Bahnen, Bogen oder Tafeln die zur Nutzung erforderliche Gestalt
und die geforderten Gebrauchseigenschaften durch entsprechende Maschinen, die
unmittelbar hinter der Druckmaschine aufgestellt sind. Mit diesen Tätigkeiten sind in
der Regel keine altlastrelevanten Tätigkeiten verbunden. Beim Rollenoffset sind die
Falzaggregate fast immer Bestandteil der eigentlichen Druckstraße.
4. Umweltrelevante Verfahrens- und Produktionsschritte sowie Verunreinigungspotentiale
4.1. Umweltrelevanz der Druckformherstellung
Auch im Offsetdruck werden die Druckformen mit fotoempfindlicher Gelatine be-
schichtet. Seit ca. 1880 wurden im Flachdruck umweltrelevante Stoffe eingesetzt,
die durch das Ausspülen der Formen nach dem Belichten in die Umwelt gelangen
konnten. Es handelte sich hierbei insbesondere um Chrom(VI)-Salze für die Gelati-
nebeschichtung.
Schon mit dem Beginn des Offsetdrucks löste sich die Druckvorlagenherstellung
von der Druckerei, weil im Kleinoffsetbetrieb die kosten- und personalintensive
Druckvorstufenherstellung nicht wirtschaftlich war. Aus diesem Grund entwickelten
sich neben der Offsetdruckerei selbständige Reproduktionsanstalten, in denen mit
entsprechenden Verunreinigungen zu rechnen ist (vgl. Branchenbezeichnung Re-
produktionsanstalt). Eine eigene Druckvorlagenherstellung war erst ab einer Be-
triebsgröße von mehr als einhundert Mitarbeitern rentabel; für Zeitungsdruckereien,
die aufgrund der Tagesaktualität eine Druckvorlagenabteilung benötigen, war die
hausinterne Reproanstalt hingegen zwingend.
Mit den Änderungen der Druckvorlagenherstellung von chemisch-physikalischen
Vorgängen während und nach der Belichtung hin zur elektromechanischen und
dann digitalen Bearbeitung der Platten und Filme veränderte sich nicht allein die
Unternehmensform, der Bereich Reproduktion wurde zunehmend wieder Teil der
Druckerei bzw. aus Reproanstalten entstanden Druckereien, sondern mit der Ein-
führung des Vario-Klischographens und des Scanners reduzierten sich nasschemi-
sche Entwickler, Beizen, Ätzbäder oder Fixierlösungen. Diese technische Entwick-
lung hatte zur Folge, dass am Ende der 1960er Jahre die Belastung durch Chroma-
te stark zurückging und seit den 1990er Jahren diese Stoffe nicht mehr eingesetzt
werden, weil das Desktop-Publishing einfacher, schneller und kostengünstiger ist
bzw. andere Vorlagenherstellungsverfahren entwickelt wurden.
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4.2. Umweltrelevanz des Druckverfahrens und der Farben
Offsetdruckfarben enthalten bis zu 30 % die Bindemittel Lein- oder Sojaöl, darüber
hinaus auch Naturharz, meist Kolophonium. Farbpigmente und Trockenstoffe ma-
chen einen Anteil von 10 bis 30% aus, so dass es sich um typische Ölfarben han-
delt. Die Pflanzenölfarben geben unter gewöhnlichen Bedingungen keine leichtflüch-
tigen organischen Lösemittel ab, so dass beim Trocknen keine Belastungen entste-
hen. Ein sehr großer Teil des Bindemittels oxidiert bereits bei normaler Umgebungs-
temperatur auf dem Papier. Im Bereich des Rollenoffsetdrucks (Heatset) entstehen
durch das Verdunsten der Verdünner (Heatset-Öle) Dämpfe, die abgesaugt und
verbrannt werden. Mit dem Verfahren des wasserlosen Druckens ist grundsätzlich
der Einsatz von Silikonöl verbunden. Diese stören allerdings die Recyclingabläufe
des Makulaturpapiers, so dass nach Ersatz gesucht wird.
Beim Anmischen der Farbe, beim Umfüllen in die Farbwerke, insbesondere aber bei
den Reinigungsarbeiten an der Maschine können Handhabungsverluste auftreten.
Für die Gummi-Farbwalzenreinigung wurden Reinigungsmittel auf Mineralölbasis
verwendet, die früher oft noch Anteile von CKW, Alkoholen und aromatischen Koh-
lenwasserstoffen wie Benzol oder Toluol enthielten. Die Gummidrucktücher müssen
mindestens nach jeder Druckauflage gewaschen werden. Hierfür wurden meist
Testbenzine und z.T. Aceton eingesetzt. Textil-Feuchtwalzen wurden ebenfalls u.a.
mit Benzin und CKW gereinigt. Nummerierwerke wurden mit Lösemittelgemischen
aus Dichlormethan, Alkoholen (z.B. Isopropanol) und aromatischen Kohlenwasser-
stoffen behandelt.
Zur Regenerierung der Farbwalzen und Gummidrucktücher wurden Mittel angewen-
det, die sich aus Dichlormethan mit Anteilen von Estern, aromatischen Kohlenwas-
serstoffen (z.B. Xylol) und Alkoholen zusammensetzten.
Um eingetrocknete Farben von Gummidrucktüchern oder Farbwalzen zu lösen,
wurden überwiegend ähnliche Gemische wie zur Regenerierung eingesetzt, die
hauptsächlich CKW (Dichlormethan, Chloroform, 1,1,1-Trichlorethan, Trichlorethylen
und Tetrachlorethylen) enthielten.
Bei der Reparatur des Gummituches (Entfernen eingeklemmter Verunreinigungen,
Aufrichten gequetschter Bereiche) wurden historisch Lösungen aus Dichlormethan
mit Xylol- und Methanol-Zusätzen verwendet. Das Auftragen geschah von Hand mit
einem Pinsel.
In den 1980er Jahren wurde begonnen, insbesondere nach CKW-freien Alternativen
zu suchen. Seit 1995 wurde aufgrund einer Brancheninitiative verstärkt von leicht-
flüchtigen Lösemitteln auf schwerflüchtige Reinigungsmittel (Öle) umgestellt. Zu-
sätzlich wird derzeit nach alternativen Feuchtmitteln gesucht, um die Isopropanol-
Emissionen zu reduzieren. Die meisten Offsetdruckmaschinen haben heute automa-
tische Waschanlagen, in denen pflanzenölbasierte Waschmittel eingesetzt werden.
Für einzelne manuelle Reinigungen müssen ggf. Spezialreiniger verwendet werden.
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5. Gesetzliche Ausführungsvorschriften für verwendete Stoffe/
Stoffgruppen
Die Herstellung von Druckerzeugnissen im Offsetdruckverfahren nahm in den
1950er Jahren rasant zu, zu diesem Zeitpunkt waren jedoch noch keine gesetzli-
chen Ausführungsvorschriften zum Einsatz umweltrelevanter Stoffe in Kraft. Erste
Einschränkungen traten mit Beginn der 1970er Jahre ein, als viele der zuvor einge-
setzten umweltrelevanten Stoffe im Offsetdruck, insbesondere in der Druckvorla-
genherstellung, bereits nicht mehr eingesetzt wurden.
Der Betrieb von Druckereien unterliegt gegenwärtig zahlreichen gesetzlichen Be-
stimmungen und Verordnungen. Grundsätzlich handelt es sich bei vielen Anlagen
um genehmigungsbedürftige Anlagen gemäß 4. BImSchV. Seit 1993 haben sich
darüber hinaus die Mitglieder des Verbandes der Druckfarbenindustrie in Deutsch-
land selbst verpflichtet, giftige bzw. cancerogen oder mutagen wirkende Rohstoffe
nicht mehr für die Farbherstellung einzusetzen. Diese so genannte Ausschlussliste
für Druckfarben und zugehörige Produkte wird fortlaufend überarbeitet. Seit 1996
gilt eine europaweite Vereinbarung. Eine weitere Vereinbarung für den europäi-
schen Raum, der bereits 1995 eine entsprechende deutsche Brancheninitiative vo-
rausging, ist die 1999 verabschiedete „VOC Richtlinie über die Begrenzung von
Emissionen flüchtiger organischer Verbindungen...“. Diese wurde 2001 mit der Ein-
führung der 31. BImSchV in deutsches Recht umgesetzt und zeitgleich als Bran-
chenvereinbarung zur Reduzierung von Lösemitteln im Offsetdruck von der Branche
erweitert. Die Neuerungen dieser Richtlinie beeinflussen insbesondere den Rollen-
offsetdruck mit dem Schwerpunkt Heatset. Weitere Gesetze, Verordnungen und
technische Regelwerke, die Einfluss auf den Einsatz von bzw. den Umgang mit
umweltrelevanten Stoffen haben, sind zu berücksichtigen. Hierzu zählen u.a.:
- TA Luft (Abschnitt 3.1.7 Organische Stoffe)
- VAwS hinsichtlich der Lagerung und Abfüllung wassergefährdender Stoffe
(seit 2017 AwSV)
- WHG § 7a in Verbindung mit §1 Abwasserherkunftsverordnung (AbwHerkV)
hinsichtlich der Beschaffenheit von Abwässern (bis 1996), danach WHG §
57 bzw. 58 in Verbindung mit § 1 Abwasserverordnung (AbwV) bzw. der In-
direkteinleiterverordnung SH (bis 2000) sowie § 33 Landeswassergesetz SH
- Chemikaliengesetz (ChemG): gilt als Ermächtigungsgrundlage für die Ge-
fahrstoffverordnung (GefStoffV, in Verbindung mit den technischen Regeln
für Gefahrstoffe (TRGS)) und der Chemikalienverbotsverordnung (Chem-
VerbotsV)
- 1992 TRGS 404, Grenzwerte für Lösemittelgemische (1997 aufgehoben)
- 1995 Brancheninitiative der Grafischen Industrie zum Einsatz von emissi-
onsarmen Lösemitteln in Wascheinrichtungen
- 1996 TRGS 900 Arbeitsplatzgrenzwerte (Luft)
- 1996 IVU-Richtlinie (EU) bzw. 1999 Sektorenrichtlinie zur Begrenzung von
Emissionen flüchtiger organischer Verbindungen, 2010 ersetzt durch die eu-
ropäische IE-Richtlinie, in deutsches Recht umgesetzt im BImSchG und in
BImSchV
- 2007 BVT-Merkblatt für die Oberflächenbehandlung unter Verwendung von
organischen Lösemitteln
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- 2008 TRGS 400 Gefährdungsbeurteilung für Tätigkeiten mit Gefahrstoffen
- 2013 TRGS 510 Lagerung von Gefahrstoffen in ortsbeweglichen Behältern
6. Altlastrelevante/altlastirrelevante Nutzungszeiträume
In der Offsetdruckerei bestand von Beginn an ein Gefährdungspotential durch
Chrom(VI)-Salze in der Druckformherstellung. In der Druckerei selber dominierten
Schwermetallpigmente, natürliche Öle und geringe Mengen Mineralöle. Infolge der
Entwicklung in der Vorlagenherstellung bestand die Möglichkeit, Text und Bild
gleichzeitig zu drucken. Zunehmend konnten auch Druckerzeugnisse in hoher Auf-
lage mit dem Offsetdruck hergestellt werden. Je schneller der Druck wurde, desto
dünnflüssiger mussten die Bindemittel für die Farben angemischt werden. Neben
Pflanzenölen wurden dafür auch Mineralöle eingesetzt.
Die am Ende der 1950er Jahre einsetzende Entwicklung neuer Formen der Druck-
vorlagenherstellung beendete die tragende Rolle der bisherigen Beschichtung von
Druckplatten. Es setzte eine zunehmende Verdrängung durch zunächst halogenid-
beschichtete Platten und seit den 1980er Jahren durch die Bebilderung von Druck-
platten mithilfe von Lasern ein. Bei der letztgenannten Weiterentwicklung entstehen
deutlich weniger umweltrelevante Verunreinigungen.
Die Entwicklung zum wasserlosen Offset wurde begleitet von Aluminium- und
Kunststoffplatten, bei denen das Feuchtmittel Wasser durch Silikonöl ersetzt wurde.
Silikonöle können Probleme im Papierrecycling verursachen. Beim Verfahren des
Rollenoffsetdrucks mithilfe von Heizeinrichtungen (Heatset) werden aus den zuge-
setzten Ölen bei Temperaturen von knapp unter 200 °C leichtflüchtige organische
Verbindungen freigesetzt. Diese müssen abgesaugt und in einer Verbrennung ent-
sorgt werden. Im so genannten Coldset-Verfahren, das bei Massenauflagen im Zei-
tungsdruck eingesetzt wird, werden den Farben geringe Mengen an Mineralöl zuge-
setzt. Hieraus können MKW-Rückstände in Farbresten resultieren.
Wasch- und Reinigungsmittel enthielten bis in die späten 1980er Jahre CKW und
auch aromatische Kohlenwasserstoffe wie z.B. Xylol. Danach wurde zunächst
hauptsächlich auf Isopropanol-haltige Reiniger umgestellt, bis diese dann durch eine
Brancheninitiative zur Verbesserung der Raumluft Mitte der 1990er Jahre überwie-
gend durch pflanzenölbasierende Reiniger ersetzt werden konnten.
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Tabelle 3 Zusammenfassung aller altlastrelevanten Aspekte und Zuordnung zu
den Branchenklassen SH
Zeitspanne Hilfsstoffe Nebenprodukte Altlastrelevante
Aspekte Branchen- klasse SH
1910 - 1925 Schwermetallfarben
auf Leinölbasis so-
wie Petroleum oder
Spiritus in der Dru-
ckerei. In der Druck-
vorlagenherstellung:
Chrom(VI)-Salze.
Putzlappen und
Makulaturpapier
Schwermetalle in
Farbrückständen.
Chrom(VI)-Salze
auf undichten
Estrichen und in
nicht vorhande-
nen/ unzurei-
chenden Ent-
wässerungsanla-
gen.
5
1926 - 1960 Schwermetallfarben
und Mineralöl in der
Druckerei. CKW-und
Aromaten-haltige
Wasch- und Reini-
gungsmittel.
Chrom(VI)-Salze,
alkoholische Löse-
mittel in der Druck-
vorlagenherstellung.
Putzlappen und
Makulaturpapier
Schwermetalle in
den Farbrück-
ständen.
Chrom(VI)-Salze,
MKW, CKW,
Aromaten. Ver-
besserung der
Entwässerungs-
anlagen in der
Druckvorlagen-
herstellung, die
auch räumlich
getrennt von der
Druckerei ist.
5
1961 - 1993 Schwermetallfarben
und Mineralöl in der
Druckerei. CKW-und
Aromaten-haltige
Wasch- und Reini-
gungsmittel.
Vorübergehend
Silberchlorid in der
Vorlagenherstellung,
die seit ca. 1980
ohne chemische
Hilfsstoffe arbeitet.
Silikonöl in der was-
serlosen Druckerei.
Putzlappen und
Makulaturpapier
Schwermetalle;
CKW, Aromaten.
Silikonöl in der
Makulatur
5
1994 - Ge-
genwart
Schwermetallredu-
zierte Farben, Mine-
ralöl, Alkohole, na-
türliche Öle, Silikon-
öl.
Putzlappen und
Makulaturpapier
Silikonöl in der
Makulatur. Sub-
stituierende Stof-
fe.
3
Branchenklasse 0: kein Gefährdungspotential Branchenklasse 1: Gefährdungspotential sehr gering Branchenklasse 2: Gefährdungspotential gering Branchenklasse 3: Gefährdungspotential mäßig Branchenklasse 4: Gefährdungspotential hoch Branchenklasse 5: Gefährdungspotential sehr hoch
Branchenblatt Flachdruck (Offset) Seite 17
Altlasten-Leitfaden Schleswig-Holstein: Erfassung Anhang 11
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Altlasten-Leitfaden Schleswig-Holstein: Erfassung Anhang 11 Histinvest Dr. Klaus Schlottau – Bremen
Branchenblatt Druckerei - Siebdruck
Inhaltsverzeichnis Seite
1. Bezeichnung der Branche 2
2. Historischer Überblick 3
3. Allgemeiner Verfahrensablauf 4
3.1. Druckformherstellung 4
3.1.1.Siebreinigung 8
3.2. Druckprozess 9
3.3. Druckfarben 10
3.4. Druckverarbeitung 10
4. Umweltrelevante Verfahrens- und Produktionsschritte sowie Ver- 12
unreinigungspotentiale
4.1. Umweltrelevanz der Druckformherstellung 12
4.2. Umweltrelevanz der Druckverfahren und der Farben 13
5. Gesetzliche Ausführungsvorschriften für verwendete Stoffe/ 13
Stoffgruppen
6. Altlastrelevante/altlastirrelevante Nutzungszeiträume 14
7. Literaturhinweise 16
Seite 2 Branchenblatt Siebdruck
Altlasten-Leitfaden Schleswig-Holstein: Erfassung Anhang 11
1. Bezeichnung der Branche
Der Siebdruck unterscheidet sich signifikant von den anderen Druckverfahren, da
die Druckfarbe mit einem Werkzeug, der Rakel, durch ein engmaschiges Gewebe,
in dem eine Schablone fixiert ist, auf das zu bedruckende Material gedrückt wird.
Das Verfahren wird daher auch als „Durchdruckverfahren“ bezeichnet. Dort, wo die
im Gewebe befindliche Schablone den Durchdruck der Farbe verhindert, bleibt eine
ungefärbte Fläche, auf der in einem weiteren Arbeitsgang eine andere Farbe aufge-
bracht werden kann.
Die Herstellung der Druckform besteht darin, dass ein Textil-, Draht- oder Kunst-
stoffgewebe, das je nach Bedarf mehr oder weniger Fäden pro Zentimeter aufweist,
straff in einen Rahmen gespannt und dann mit einer lichtempfindlichen Beschich-
tung versehen wird, welche mit dem Abbild, das ggf. fotografisch gerastert wurde,
belichtet wird. Nach dem Entwickeln der Beschichtung verbleibt die Schablone im
siebartigen Gitter. Die fertigen Rahmen werden in der Druckmaschine über dem zu
bedruckenden Stoff eingesetzt und dann mit der jeweiligen Farbe geflutet, so dass
die Rakel die Farbe kurzzeitig durchdrückt. Nach dem Druck muss der Bedruckstoff
oder der bedruckte Gegenstand aus der Maschine entnommen und getrocknet wer-
den.
Ein Manko des Siebdrucks besteht daher darin, dass das Verfahren verhältnismäßig
viel Zeit in Anspruch nimmt und trotz deutlicher Beschleunigung bis in die Gegen-
wart nur wenige tausend Flachdrucke pro Stunde möglich sind bzw. die Druckge-
schwindigkeit bei Rollendruckanlagen nicht mehr als 1,5 m/s beträgt.
Abb. 1: Prinzip des Siebdrucks (Quelle: WOLFSTURM, Abbildung von Walter
Emmrich).
Die Einschränkungen in der Druckgeschwindigkeit werden kompensiert durch die
Vielfalt der bedruckbaren Stoffe und Gegenstände sowie die Möglichkeit, auch sehr
dicke Farbschichten durch Variation der Gewebefeinheit zu erzeugen. Bedruckt
werden Papiere oder Kartonagen (Flyer, Poster, Plakate, Etiketten, Werbeplakate,
Visitenkarten etc.), Textilien (Ober- und Unterbekleidung, Bettwäsche, Meterware
Branchenblatt Siebdruck Seite 3
Altlasten-Leitfaden Schleswig-Holstein: Erfassung Anhang 11
etc.) sowie Keramik, Glas und Holz und Leder, ferner diverse Kunststoffe (Werbe-
geschenke, Reklameschilder, Displays, Leuchtreklamen). Industriell bedeutend ist
die Herstellung von gedruckten Schaltungen, Photovoltaikanlagen und Industrieaus-
rüstungen mit elektrischen oder elektronischen Funktionen. Der Siebdruck wird
hauptsächlich im Bereich der Werbung und Beschriftung, im Textil- und Keramik-
druck sowie für industrielle Anwendungen eingesetzt. Es handelt sich bei den Sieb-
druckunternehmen daher in der Regel nicht um Medien-, sondern um Industrie- und
Handwerksbetriebe.
2. Historischer Überblick
Der Siebdruck ist die jüngste Entwicklung der Drucktechnik. Gewerbliche Anwen-
dungen der Schablonentechnik lassen sich bereits im 19. Jahrhundert in der Deko-
ration von Gebrauchsgeschirr (z.B. Wedgwood-Geschirr), in der Illustration des
Buchdrucks im Stil des Art Deco und seit 1893 in der industriellen Fertigung von
emaillierten Werbetafeln finden. In den Vereinigten Staaten wurden seit 1880 Ver-
vielfältigungsgeräte für den Bürogebrauch in Schablonentechnik eingeführt. Hierbei
handelte es sich nicht mehr um offene Einzelschablonen, sondern bereits um
Schablonen, die auf Seidengaze hergestellt wurden, und somit mehrere Druck-
informationen nebeneinander darstellen konnten.
Das erste gewerbliche Unternehmen, das sich ausschließlich dem entstehenden
Siebdruck widmete, war 1908 die Firma Velvetone in San Francisco. Die Firma Se-
lectasine, ebenfalls in San Francisco beheimatet, ließ sich 1918 ein Verfahren der
Schablonenherstellung und des Mehrfarbendruckes patentieren, so dass Mitbewer-
ber eine Lizenz erwerben mussten. In Europa fand dieses Verfahren daher erst
1923 in Großbritannien, 1926 in der Schweiz und 1928 auch in Deutschland Ein-
gang - zeitgleich begann die Farbenindustrie Ölfarben für den Schilderdruck herzu-
stellen.
Genutzt wurde dieses Verfahren überwiegend in der Herstellung von Werbeschil-
dern und Leuchtwerbungen, die nach und nach die Emailleschilder in der Außen-
werbung verdrängten. Im Zweiten Weltkrieg wurde der Siebdruck in großem Umfan-
ge für die Beschriftung von Rüstungs- und Versorgungsgütern eingesetzt und ver-
drängte dort, wie auch in der gesamten Logistik, die Einzelschablone.
Eine militärische Nutzung durch die Alliierten ergab sich seit 1943 in der millionenfa-
chen Herstellung gedruckter Schaltkreise für Näherungszünder in Granaten. Zu-
gleich wurden Kunststofffasern aus Polyamid (Nylon) und Polyester entwickelt, die
gegenüber dem gezwirnten Seidenfaden den Vorteil hatten, nur aus einer Faser zu
bestehen (monofil), und damit ein sauberes Druckbild zu erzeugen und mehr Fäden
pro Quadratzentimeter zu ermöglichen. Nach dem Zweiten Weltkrieg hatte sich die
Technik des Siebdruckes soweit verbessert, dass nicht mehr nur Planflächen, son-
dern auch Hohlkörper bedruckt werden konnten.
In Konkurrenz zu den anderen Druckverfahren und auch zum Tampondruck konnte
der Siebdruck einen zwar geringen, aber stabilen Anteil im Bereich der Printmedien
nutzen. Weitere Einsatzmöglichkeiten ergaben sich insbesondere im Textildruck und
in der Beschichtung von Flächen mit elektrischen Leiterbahnen. Grafische und in-
Seite 4 Branchenblatt Siebdruck
Altlasten-Leitfaden Schleswig-Holstein: Erfassung Anhang 11
dustrielle Anwendungen des Siebdrucks konnten hierbei auch von den Verbesse-
rungen in der Druckvorlagenherstellung profitieren.
Gegenwärtig findet eine Entwicklung statt, die insbesondere im Textildruck vom
Sieb- zum Digitaldruck führt. In anderen Bereichen (z.B. industrielle Anwendung)
bleibt der Siebdruck hingegen führend.
Seit 2011 nennt sich das Berufsbild Medientechnologe Siebdruck.
3. Allgemeiner Verfahrensablauf
Die Druckform des Siebdrucks besteht aus einem stabilen Rahmen, der mit einem
Gewebe bespannt ist, dessen Maschenweite entsprechend der gewünschten Farb-
auftragung zwischen 30 und 180 Fäden pro Zentimeter variiert. Auch die Faden-
dicke kann unterschiedlich sein, dünnere Fäden bei gleicher Fadenzahl pro cm füh-
ren z.B. zu ebenmäßigeren Linien, verbrauchen aber mehr Farbe und sind empfind-
licher. Die Lücken im Netz werden zur Vorbereitung der Schablonenherstellung mit
einer lichtempfindlichen Gelatine- oder Fotopolymerbeschichtung gefüllt und ge-
trocknet. Auf das beschichtete Gewebe wird dann eine Kopiervorlage (transparenter
Film aus Druckereien oder Reproanstalten) belichtet.
Das eindringende Licht verändert die Beschichtung derart, dass Bereiche entstehen,
die mit Wasser ausgewaschen werden können. Nach der Trocknung der gerahmten
Schablonensiebe können diese dann in die Druckmaschine eingesetzt werden. Eine
einfache Druckmaschine für den Flachbettdruck besteht aus einem Tisch mit einer
Spannvorrichtung für den Druckrahmen und einer darüber befindlichen Gummirakel,
die bis auf die Tischfläche abgesenkt werden kann. Die Netzfläche der Vorlage liegt
nur wenige Millimeter über dem Bedruckstoff, sodass die Rakel das Netz mit der
darauf befindlichen Druckfarbe im Kontaktbereich auf den Bedruckstoff herabdrückt
und das Netz sich nach dem Durchgang der Rakel von allein wieder anhebt. Die
Druckfarbe gelangt dabei nur an die Stellen auf den Bedruckstoff, die nicht durch die
Schablone im Netz abgedeckt sind.
Nach dem Druck wird das bedruckte Material aus der Maschine entnommen und
getrocknet. Sofern weitere Farben erforderlich sind, werden die Druckvorgänge an-
schließend fortgesetzt. Die benutzten Rahmen werden nach dem Ende des Druck-
auftrags von Farbresten gesäubert, getrocknet und vor dem nächsten Einsatz ent-
fettet.
3.1. Druckformherstellung
Die Druckvorstufe umfasst alle vorbereitenden Arbeitsschritte vor dem Druck: Lay-
out, Reinzeichnung, Herstellung der Text- und Bildvorlagen, Anfertigung der Kopier-
vorlagen, Andruck und die Druckformherstellung.
Die Druckform besteht aus einem gewebten Sieb aus Seide, Polyester, Nylon oder
Metall. Auf das Sieb wird eine lichtempfindliche Schicht aufgetragen, vergleichbar
jener im Flachdruckverfahren, die durch Lichteinstrahlung aushärtet wird. Die von
Branchenblatt Siebdruck Seite 5
Altlasten-Leitfaden Schleswig-Holstein: Erfassung Anhang 11
den Durchlichtvorlagen abgedeckten Stellen härten nicht aus und können ausgewa-
schen werden.
Im Siebdruck werden spezielle Gewebe in unterschiedlichen Maschenweiten einge-
setzt. Gewebe mit geringer Siebfeinheit ergeben dabei einen hohen Farbauftrag und
werden im Textildruck genutzt. Gewebe mit hoher Feinheit sind in der Lage, Linien-
signaturen und Details wiederzugeben. Bis in die 1950er Jahre wurden Seidenge-
webe eingesetzt. Diese gezwirnten Fäden (multifil) hatten den Nachteil, dass sich in
den aufgedrehten Fasern Farbe ansammelt, die nur schwer zu beseitigen ist. Die
danach genutzten Fäden aus Nylon und Polyester besitzen nur einen einzigen Fa-
den (monofil), der zugleich eine hohe Zugspannung zulässt, keine ausfasernden
Linien im Druck erzeugt und sich zudem viel besser reinigen und wiederverwenden
lässt. Im gegenwärtigen Siebdruck werden daher ganz überwiegend Polyesterge-
webe eingesetzt. Siebe aus Stahlgewebe werden im Elektronik- und Keramikdruck
benutzt; Siebe aus vernickeltem Stahlgewebe eignen sich wegen ihrer Dauerhaf-
tigkeit insbesondere für den Rotationssiebdruck. Das Produkt „RotaMesh" z.B. ist
sowohl für den Textil- als auch für den Etikettendruck in großen Auflagen geeignet.
Die Vorbereitung des Siebes für den Druck beginnt mit der Entfettung. Ölige Far-
brückstände, die trotz einer Reinigung der gebrauchten Siebe noch vorhanden sind,
oder Öle und Fette aus der Produktion bei neuen Sieben müssen entfernt werden,
damit die Beschichtung vollständig an den Fäden haften kann und die Zwischen-
räume vollflächig benetzt. Für die Entfettung wurden zu Beginn Toluol, Xylol, Ben-
zol, später zunehmend Tenside, aber auch CKW (bis Anfang der 1990er Jahre) ein-
gesetzt.
Die lichtempfindliche Beschichtung bestand anfänglich aus einer Gelatine, deren
lichtempfindlicher Bestandteil Chrom(VI) war. Eine Rezeptur zu Beginn des 20.
Jahrhunderts für eine solche Beschichtung lautete: „20 cm³ einer zehnprozentigen
Lösung von trockenem Eiweiß in Wasser werden mit einem Gemisch von 80 cm³
Wasser, 30 g (…) Fischleim und 30-40 cm³ einer zehnprozentigen Ammoniumdi-
chromat Lösung vermengt.“ (Quelle: LUEGER, Seite 443). Die Druckform wurde
beidseitig mit der Emulsion aus Gelatine, Ammonium- oder Kaliumdichromat be-
schichtet und nach der Trocknung mit einer intensiven Lichtquelle belichtet, so dass
das Licht durch ein fotografisches Negativ strahlte und dabei ein Positivabbild auf
der lichtempfindlichen Chromatierung erzeugte. Die Chromate verändern unter
Lichteinfluss die Löslichkeit der Gelatine gegenüber Wasser, so dass nach dem
Ausspülen eine Gelatineschicht als Schablone im Sieb bestehen bleibt. Für mehr-
farbige Motive ist es notwendig, gerasterte bzw. ungerasterte Negative als Farbaus-
zug aus einer Reprokamera in der Projektionsbelichtung zu nutzen, um für jede
Farbe eine Vorlage herzustellen.
Im Gegensatz hierzu wird beim „Computer-to-Screen-Verfahren" (CTS-Verfahren)
seit den 1990er Jahren kein Film mehr benötigt. Computergesteuert wird das
Druckbild mit einem Ink-Jet-Drucker oder per Laserbelichtung direkt auf das Sieb
aufgespritzt. Bei dem Ink-Jet-Verfahren wird das Motiv mit lichtundurchlässiger Tinte
oder Flüssigwachs auf die Schablonenschicht aufgespritzt und das Sieb anschlie-
ßend mit einer Kopierlampe belichtet. Bei der Lasertechnik wird das Motiv unmittel-
bar in die lichtempfindliche Schicht belichtet.
Seite 6 Branchenblatt Siebdruck
Altlasten-Leitfaden Schleswig-Holstein: Erfassung Anhang 11
Zu Beginn der 1970er Jahre wurde die chromathaltige Emulsion durch Diazo-
sensibilisierte Kopierschichten abgelöst. Grundlage der Beschichtung ist eine Di-
azoverbindung, eine reaktive N2-Bindung, die als Sensibilisator in den Beschichtun-
gen dient: bei Lichteinfall werden Stickstoffradikale für eine induzierte Polymerisati-
on des Gemenges von Mono- und Oligomeren freigesetzt. Es handelt sich hierbei
um eine Zwei-Komponenten-Beschichtung.
Die Ein-Komponenten-Kopierbeschichtung (Fotopolymer-sensibilisierte Kopier-
schicht) wurde in den 1980er Jahren entwickelt. Hierbei ist die lichtempfindliche
Komponente bereits in der Emulsion enthalten. Es handelt sich z.B. um so genannte
„SBQ-Produkte" („Stilbenium quarternized"). Die wasserlösliche, UV-Licht-sensible
Stilbengruppe (1,2-Diphenylethen) ist chemisch an Polyvinylalkohol gebunden, so
dass die Diazoverbindung als Radikaldonator nicht mehr zwingend notwendig ist.
In der Praxis erwies sich jedoch, dass für bestimmte Produktionen eine Kombination
beider Verfahren zu besseren Ergebnissen führt, so dass die Diazoverbindungen
gegenwärtig meist in Verbindung mit SBQ-Beschichtungen eingesetzt werden (Di-
azopolymer-sensibilisierte Kopierschicht).
Während die Zwei-Komponenten-Beschichtungen zumeist als Fertigmischung von
der Industrie bezogen und manuell oder maschinell aufgetragen wird, werden Ein-
Komponenten-Beschichtungen in Form eines industriell vorbeschichteten dünnen
Polyesterträgers verwendet, der direkt belichtet und wie ein Abziehbild auf das Sieb
übertragen wird (Direktfilm).
Diazo- und Fotopolymer-Beschichtungen belasten im Vergleich zu den Bichromaten
das Abwasser in geringerem Maße. Diazobeschichtungen sind preisgünstig und
haben einen hohen Belichtungsspielraum. Es gibt sie sowohl für den Druck mit Lö-
semittelfarben als auch für den Druck mit Wasserfarben.
Branchenblatt Siebdruck Seite 7
Altlasten-Leitfaden Schleswig-Holstein: Erfassung Anhang 11
Tabelle 1 Hilfsmittel und Stoffkomponenten im Siebdruck (nach BUNDESVER-
BAND DRUCK E.V., ABTEILUNG UMWELTSCHUTZ, 1998)
Hilfsmittel Komponente Stoff
Gewebeklebstoffe
(2 Komponenten)
Lösemittel Ethylacetat, Aceton, Methyl-
keton
Bindemittel Urethanprepolymer
Härter Polyisocyanat
Gewebelacke
(1 Komponente)
Lösemittel Naphthene, Ethylacetat
Bindemittel Urethanprepolymer
Gewebelacke
(2 Komponenten)
Bindemittel Polyesterharze, Urethanpre-
polymer
Härter Tri-, Polyisocyanat
Entfettungsmittel Alkalien Phosphate, Silikate, Carbo-
nate, Amine
Säuren Citronensäure, Essigsäure,
Milchsäure, Phosphorsäure
Tenside Fettalkohlethoxylate, Alkyl-
glucoside, Fettalkoholsulfo-
nate
Retuschemittel Polyvinyldispersionen Polyvinylalkohol, Polyvinyl-
acetat
Kopierschichten Polyvinyldispersionen Polyvinylalkohol, Polyvinyl-
acetat, Acrylatharze
Sensibilisatoren Diazoniumsalze, Alkalidi-
chromate
Kopierfilme Polyvinyldispersionen Polyvinylalkohol, Polyvinyl-
acetat, Acrylat- und Acetat-
harze
Sensibilisatoren Diazoniumsalze, Alkalidi-
chromate
Farbstoffe Phthalocyanin, Pigmentvio-
lett, Thiazinfarbstoffe
Weichmacher Phthalate
Fungizige, Biozide
Härter Mineralsäuren
Entschichtungsmittel Periodat
Hilfsmittel
Geisterbildentferner Natriumhydroxid, Natrium-
hypochlorit
Tenside
Hilfsmittel
Seite 8 Branchenblatt Siebdruck
Altlasten-Leitfaden Schleswig-Holstein: Erfassung Anhang 11
3.1.1 Siebreinigung
Die Siebdruckerei unterscheidet sich von anderen Druckverfahren auch dahinge-
hend, dass die benutzten Druckformen nach der Fertigstellung der Druckauflage
gereinigt werden müssen.
Nach dem letzten Druck befinden sich im Sieb noch sehr viele Farbreste, die in ei-
nem ersten Arbeitsgang mechanisch entfernt werden.
Schablonenreste, die sich danach noch an den Fäden des Netzes befinden, müssen
durch einen Entschichtungsvorgang beseitigt werden. Als Entschichter können flüs-
sige oder pastöse Beizen eingesetzt werden. Es handelt sich im einfachsten Fall um
wässrige Periodat-Lösungen, es können allerdings auch Lösemittel eingesetzt wer-
den. Zur Entfernung von „Geisterbildern“ werden z.B. Alkalihydroxide und historisch
aktivchlorhaltige Bleichmittel (Natriumhypochlorit) verwendet. Sofern keine weiteren
Lösemittel eingesetzt wurden, werden die Siebe anschließend mit einem Hoch-
druckgerät gereinigt.
Insbesondere bei der Entfernung von wasserbasierten Siebdruckfarbresten müssen
auch Lösemittel wie Xylol, Toluol, Dichlormethan, Solvent Naphtha etc. eingesetzt
werden. Aktuell wird nach möglichen Alternativen gesucht.
Die manuelle Entschichtung und Reinigung ist mit großen Handhabungsverlusten
verbunden und soll nur unter einem Abzug stattfinden, daher haben sich geschlos-
sene automatische Systeme durchgesetzt. Innerhalb des Systems werden abgelös-
te Farb- und Schablonenreste ausgesiebt und durch einen Dekantiervorgang von
dem Lösemittel getrennt. Das physikalisch gesäuberte Lösemittel kann danach für
weitere Reinigungsprozesse eingesetzt werden, muss aber regelmäßig ausge-
tauscht oder regeneriert werden. Die Regeneration findet in der Regel durch eine
Destillation statt. In den Automaten und den Räumen müssen aus Arbeitsschutz-
gründen Abzugsanlagen und Aktivkohlefilter installiert sein.
Bevor die gesäuberten Siebe erneut beschichtet werden, werden sie mit kresol-,
phenol- oder phosphorsäurehaltigen Lösungen vorbehandelt.
Branchenblatt Siebdruck Seite 9
Altlasten-Leitfaden Schleswig-Holstein: Erfassung Anhang 11
Tabelle 2 Gebräuchliche Lösemittel in der Druckformreinigung und den Sieb-
druckfarben sowie die zugehörige Wassergefährdungsklasse (nach
BUNDESVERBAND DRUCK E.V., ABTEILUNG UMWELTSCHUTZ,
1998)
Stoff WGK*
1-Methoxypropanol-2 1
Xylol 2
Solvent Naphtha 2
Butylacetat 1
Aceton 1
Methylethylketon 1
Cyclohexanon 1
Diacetonalkohol 1
Benzylalkohol 1
Glykolsäurebutylester 1
1-Methoxypropylacetat 1
Isophoron 1
Butylglykol 1
Dipropylenglykol 1
Testbenzin 2
Ethylacetat 1
Butan-2-ol 1
3-Methoxy-1-butanol 1
* Wassergefährdungsklasse
3.2. Druckprozess
Im Vergleich zu den anderen Druckverfahren ist die Maschinenausstattung einer
Siebdruckerei vergleichsweise gering. Im einfachsten Fall reicht es aus, einen gro-
ßen Tisch mit einer Spannvorrichtung auszustatten, den vorbeschriebenen Rahmen
darauf zu befestigen, das Sieb mit der Druckfarbe zu fluten und mit einer Rakel in
einem gleichmäßigen Arbeitsgang das Sieb mit der Farbe auf die Druckbahnen zu
pressen.
Für eine Beschleunigung des Verfahrens sorgen ggf. die Mechanisierung der Pa-
pieranlage und der Papierabnahme sowie eine Mechanisierung der Druckrakel. Dies
ist möglich, indem entweder die Rakel oder der Drucktisch maschinell hin und her
bewegt wird.
Für eine größere Auflage und eine höhere Druckgeschwindigkeit wurden Rotations-
druckwerke entwickelt. Das druckende Werk besitzt einen Rundsiebzylinder, der mit
der Druckfarbe gefüllt ist, und diese mit einer innerhalb des Zylinders rotierenden
Rakel durch die Schablone auf den Bedruckstoff, der gleichmäßig über den Zylinder
geführt wird, überträgt. Durch die Kombination mehrerer solcher Druckwerke ist es
möglich, auch mehrfarbige Drucke auf Bahnen aufzubringen. Die Maximalge-
schwindigkeit beträgt gegenwärtig 1,5 m/s, die Auflagenhöhe ist deutlich begrenzt.
Seite 10 Branchenblatt Siebdruck
Altlasten-Leitfaden Schleswig-Holstein: Erfassung Anhang 11
Abb. 2: Siebdruckmaschine im Flachbett 1970 (Quelle: GÖÖCK).
Je nach Farbtyp bzw. Anzahl der Druckwerke (Mehrfarben) muss ggf. ein Trocken-
werk zwischengeschaltet werden. Neben einfachen Trockengestellen gibt es ver-
schiedenartige Durchlauftrockner. Grundsätzlich gilt, dass entstehende leichtflüchti-
ge Verbindungen abgesaugt und gebunden werden müssen.
Siebdruck in der industriellen Fertigung wird in der Regel innerhalb des jeweiligen
Produktionsprozesses ausgeführt, so dass dieser Produktionsbereich nicht unter der
Branchenbezeichnung „Siebdruck“ zu ermitteln ist, sondern als Teilbereich des spe-
zifischen Produktes. So werden z.B. Gläser oder Kunststoffscheiben für Fahrzeuge
(Scheibenheizungen, Scheibenantennen, Armaturentafeln) in der Zulieferindustrie
erzeugt bzw. Scheiben für Haushaltsgeräte, Herdplatten etc. in der jeweiligen Elek-
tronik- oder Haushaltsgerätefabrik gedruckt. Leitende Beschichtungen in der Leiter-
plattenfertigung oder der Photovoltaikindustrie werden ebenfalls direkt in der Pro-
duktionsstätte hergestellt. Ältere Verfahren bis in die 1980er Jahre nutzten den Auf-
druck von säurefesten Lacken, die verhinderten, dass in einer Beize aus Ei-
sen(III)chlorid die Kupferschicht unter dem Lack aufgelöst wurde.
3.3. Druckfarben
Im Siebdruckverfahren lassen sich alle bekannten wasser- oder lösemittelhaltigen
Farben und Farbbreie verwenden.
Saugende Bedruckstoffe wie Papier oder Pappen erfordern Farben, die sich schnell
in die Kapillaren saugen und dabei trocknen oder polymerisieren. Farben für den
Textildruck sind in der Regel sehr zähflüssig und ziehen nur zu einem geringen Ma-
ße in das Textilgewebe ein, bevor sie trocknen. Farben, die auf Kunststoffen einge-
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setzt werden, müssen ebenfalls zähflüssig sein – in diesem Fall werden die Farben
z.T. mit Lösemitteln ausgestattet, um eine Verbesserung der Bindung zu erreichen;
der Druck auf Glas-, Kunststoff- oder Metalltafeln setzt voraus, dass diese fettfrei
sind, so dass vor dem Einsatz von Tensiden häufig leichtflüchtige Lösemittel zur
Vorbereitung des Bedruckstoffes verwandt werden. Für den Druck elektronischer
Schaltungen werden pastöse Gemenge leitender Metalle, häufig Edelmetalle, ver-
druckt.
Grundsätzlich können die Farben aber nach zwei Trocknungsarten unterschieden
werden: die physikalische oder die chemisch-reaktive Trocknung.
Physikalisch trocknende lösemittelhaltige Farben setzen sich zumeist folgenderma-
ßen zusammen (nach BUNDESVERBAND DRUCK E.V., ABTEILUNG UMWELT-
SCHUTZ, 1998):
Lösemittel: aromatische oder aliphatische Kohlenwasserstoffe (u.a. Xylol,
Testbenzin), Alkohole, Ester, Glykolether und -ester, Ketone, s. Tabelle 2)
Bindemittel: Naturharze, Öle, Alkydharze, Cellulosederivate, Keton- und
Phenolharze
Pigmente: anorganisch (Titanweiß, Ruß) und organisch; historisch auch toxi-
sche Pigmente wie Blei, Cadmium und Quecksilber; Blei wird für Spezialfar-
ben z.T. noch eingesetzt
Hilfsmittel: Weichmacher, Sikkative, Entschäumer, Netzmittel
zusätzlich ggf. Verdünner und/ oder Verzögerer sowie Sieböffner (Lösemit-
telgemische)
Im Zuge der Reduzierung des Einsatzes umweltrelevanter Lösemittel wurden auch
wasserbasierende Farben mit einem deutlich geringerem Lösemittelanteil (5 - 15 %,
zumeist Alkohole) entwickelt.
Zu den chemisch-reaktiv trocknenden Farben gehören folgende Farbsysteme:
Zwei-Komponenten-Farben: härten sehr schnell durch Zugabe eines Kataly-
sators
Kunstharz- bzw. Ölfarben: härten oxidativ durch Reaktion mit dem Luftsau-
erstoff; die Aushärtung kann bis zu mehreren Tagen dauern
UV-Farben: sind lösemittelfrei, aber acrylathaltig und härten nur durch Be-
strahlung mit starkem UV-Licht aus (sehr schnell); historisch wurde das
cancerogene Michlers Keton eingesetzt
Daneben gibt es eine Vielzahl weiterer Spezialfarben (z.B. Schmelzfarbe, Plastisol-
farben), aber auch eingefärbte Lebensmittel oder Gouachefarben können verwendet
werden. Hinzu kommen außerdem z.B. Duftfarben, thermochrome Farben, Leucht-
farben oder optisch-variable Farben.
Seite 12 Branchenblatt Siebdruck
Altlasten-Leitfaden Schleswig-Holstein: Erfassung Anhang 11
3.4. Druckverarbeitung
Die Druckverarbeitung von Papierprodukten reicht vom Beschneiden der Bogen
über das Falzen bis zur Herstellung von Broschüren und Festeinbänden. Während
der Druckverarbeitung erhalten bedruckte Bahnen, Bogen oder Tafeln die zur Nut-
zung erforderliche Gestalt und die geforderten Gebrauchseigenschaften durch ent-
sprechende Maschinen. Mit diesen Arbeiten sind in der Regel keine altlastrelevan-
ten Tätigkeiten verbunden.
4. Umweltrelevante Verfahrens- und Produktionsschritte sowie Verunreinigungspotentiale
4.1. Umweltrelevanz der Druckformherstellung
Das Gefährdungspotential der Druckformherstellung, bei der fotoempfindliche Gela-
tine mit Chrom(VI)-Salzen eingesetzt wurde, ist vergleichbar mit dem des Flach-
drucks. Zur Fixierung der Beschichtung wurde nach dem Spülen Formaldehyd und
Ammoniumchromat eingesetzt.
Diese Beschichtungsform wurde erst in den 1970er Jahren durch Diazo- und seit
den 1980er Jahren auch durch SBQ-Beschichtungen abgelöst, so dass die Arbeits-
bereiche der Druckformherstellung und das Abwassersystem bei älteren Betrieben
durch die genannten Stoffe verschmutzt sein können.
Zur Druckformherstellung gehört auch die Entfettung der Siebe mithilfe leichtflüchti-
ger Lösemittel (Toluol, Xylol, CKW etc.), die seit dem Ende des 20. Jahrhunderts
von Tensiden abgelöst wurden.
Im Rahmen der Druckformherstellung ist auch die Entschichtung und Reinigung der
Siebe zu berücksichtigen: neben periodathaltigen Entschichtern wurden auch Lö-
semittel wie Xylol etc. und aktivchlorhaltige Bleichmittel eingesetzt. Daneben fielen
stückige Reste der Schablonen, die bis in die 1970er Jahre mit Chromaten belastet
sein konnten, an.
Auch die überschüssige Farbe kann ein umweltrelevanter Faktor sein. Noch flüssige
Farbe, die mit einer Rakel und Spachteln zurückgewonnen werden konnte, wurde
wieder eingesetzt. Angetrocknete Farbreste an den Fäden und in den Zwischen-
räumen des Netzes hingegen mussten entweder mit Lösemitteln oder mit basischen
Beizen (z.B. Ammoniak, Natronlauge, Natriumbicarbonat, Chlorbleichlauge) gelöst
werden. Zusammen mit den Schablonenresten ergab dies eine große Menge Farb-
schlamm, in dem sich auch Lösemittelreste befunden haben können.
Zusätzlich wurden aufbereitete Siebe vor dem Beschichten mit kresol-, phenol- oder
phosphorsäurehaltigen Lösungen behandelt.
Die Einführung der digitalen Belichtung seit den frühen 1990er Jahren wirkte sich
hinsichtlich des Gefährdungspotentials im Siebdruck nicht in gleicher Weise positiv
aus wie in den anderen Druckverfahren. Zwar sind Diazo- und Stilbenbeschichtun-
Branchenblatt Siebdruck Seite 13
Altlasten-Leitfaden Schleswig-Holstein: Erfassung Anhang 11
gen weniger umweltgefährdend als Chrom(VI)-Verbindungen, aber auch nicht ohne
Probleme für die Gesundheit der Beschäftigten und die Umwelt.
Im Bereich der Druckformherstellung ist daher mit Chromaten, Formaldehyd, aroma-
tischen oder aliphatischen Kohlenwasserstoffen (Benzine, Toluol, Xylol), chlorierten
Kohlenwasserstoffen (z.B. Dichlormethan), Phenolen, Kresolen, belasteten Farb-
schlämmen und anderen umweltgefährdenden Stoffen zu rechnen.
4.2. Umweltrelevanz des Druckverfahrens und der Farben
Die Umweltrelevanz der eingesetzten Farben ist stark abhängig vom Verwendungs-
zweck, der die Auswahl des Farbtyps bedingt. Eine hohe Relevanz geht insbeson-
dere von lösungsmittelhaltigen Farben aus (s. Kapitel 3.3).
Beim Anmischen der Farbe, dem Umfüllen auf die Siebe und insbesondere bei der
Siebreinigung können Handhabungsverluste aufgetreten sein. Weitere mögliche
Umweltgefährdungen eines Siebdruckbetriebes gehen von der Maschinenreinigung,
bei der verharzte Farben von den Tischen oder Rotationswerken entfernt werden
müssen, aus.
Zur Reinigung der Maschinen wurden alle in der Druckerei üblichen Lösemittel ein-
gesetzt. Putzlappen, in denen sich Farbreste und Lösemittel (z.B. Toluol) befanden,
wurden historisch verfeuert; gegenwärtig sind Mehrweglappen die Regel. Für die
Reinigung eingesetzte Makulaturpapiere werden für den Altstoffhandel gesammelt.
Besonders kritisch sind großflächige Reinigungsvorgänge, bei denen insbesondere
leichtflüchtige Lösemittel in die Raumluft gelangen können. Aus Sicherheitsgründen
sind diese Vorgänge mittlerweile nur noch in geschlossenen Systemen mit einer
Lösemittel-Rückgewinnung und einer strikten Raumentlüftung zulässig.
Ein weiterer kritischer Faktor kann die offene Trocknung von Druckprodukten auf
Gestellen sein, sofern lösemittelhaltige Farben verwendet wurden.
5. Gesetzliche Ausführungsvorschriften für verwendete Stoffe/Stoffgruppen
Die Herstellung von gewerblichen Druckerzeugnissen im Siebdruckverfahren nahm
in den 1950er Jahren stark zu. Zu diesem Zeitpunkt wurde als dominierendes Be-
schichtungsverfahren mit Chromaten gearbeitet, es waren noch keine gesetzlichen
Ausführungsvorschriften zum Einsatz gefährdender Stoffe in Kraft. Erste Einschrän-
kungen traten in den 1970er Jahren ein, als aber bereits auch schon ein produkti-
onstechnischer Wandel beim Siebdruck (z.B. Ersatz chromathaltiger Beschichtun-
gen) eingesetzt hatte.
Der Betrieb von Druckereien unterliegt gegenwärtig zahlreichen gesetzlichen Best-
immungen und Verordnungen. Grundsätzlich handelt es sich bei vielen Anlagen um
genehmigungsbedürftige Anlagen gemäß 4. BImSchV. Seit 1993 haben sich dar-
über hinaus Mitglieder des Verbandes der Druckfarbenindustrie in Deutschland
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Altlasten-Leitfaden Schleswig-Holstein: Erfassung Anhang 11
selbst verpflichtet, giftige bzw. cancerogen oder mutagen wirkende Rohstoffe nicht
mehr für die Farbherstellung einzusetzen. Diese sogenannte Ausschlussliste für
Druckfarben und zugehörige Produkte wird fortlaufend überarbeitet. Seit 1996 gilt
eine europaweite Vereinbarung. Eine weitere Vereinbarung für den europäischen
Raum, der bereits 1995 eine entsprechende deutsche Brancheninitiative voraus-
ging, ist die 1999 verabschiedete „VOC Richtlinie über die Begrenzung von Emissi-
onen flüchtiger organischer Verbindungen...“. Diese wurde 2001 mit der Einführung
der 31. BImSchV in deutsches Recht umgesetzt und zeitgleich als Branchenverein-
barung zur Reduzierung von Lösemitteln von der Branche erweitert; für den Sieb-
druck wurden Gestaltungsregeln für Einrichtungen und Anlagen zur Reinigung und
Entschichtung von Siebdruckformen verabschiedet. Spezifisch für den Siebdruck
und die dort genutzten explosiven Lösemittel gilt die LASI-Veröffentlichung „Hand-
lungsanleitung für die Gefährdungsbeurteilung nach der Gefahrstoffverordnung:
Umgang mit Lösemitteln im Siebdruck“ von 2014. Zu beachten sind u.a. auch die
DIN EN 1010-1 sowie EN 1010-2 zu Sicherheitsanforderungen u.a. an den Bau von
Druckmaschinen. Weitere Gesetze, Verordnungen sowie technische Regelwerke,
die Einfluss auf den Einsatz von bzw. den Umgang mit umweltrelevanten Stoffen
haben, sind zu berücksichtigen. Hierzu zählen:
- TA Luft (Abschnitt 3.1.7 Organische Stoffe)
- VAwS hinsichtlich der Lagerung und Abfüllung wassergefährdender Stoffe
(seit 2017 AwSV)
- WHG § 7a in Verbindung mit §1 Abwasserverordnung (AbwV) hinsichtlich
der Beschaffenheit von Abwässern (bis 1996), danach WHG § 57 bzw. 58 in
Verbindung mit § 1 Abwasserverordnung (AbwV) bzw. der Indirekteinleiter-
verordnung SH (bis 2000) sowie § 33 Landeswassergesetz SH
- Chemikaliengesetz (ChemG): gilt als Ermächtigungsgrundlage für die Ge-
fahrstoffverordnung (GefStoffV, in Verbindung mit den technischen Regeln
für Gefahrstoffe (TRGS)) und der Chemikalienverbotsverordnung (Chem-
VerbotsV)
- 1992 TRGS 404, Grenzwerte für Lösemittelgemische (1997 aufgehoben)
- 1995 Brancheninitiative der Grafischen Industrie zum Einsatz von emissi-
onsarmen Lösemitteln in Wascheinrichtungen
- 1996 TRGS 900 Arbeitsplatzgrenzwerte (Luft)
- 1996 IVU-Richtlinie (EU) bzw. 1999 Sektorenrichtlinie zur Begrenzung von
Emissionen flüchtiger organischer Verbindungen, 2010 ersetzt durch die eu-
ropäische IE-Richtlinie, in deutsches Recht umgesetzt im BImSchG und in
BImSchV
- 2007 BVT-Merkblatt für die Oberflächenbehandlung unter Verwendung von
organischen Lösemitteln
- 2008 TRGS 400 Gefährdungsbeurteilung für Tätigkeiten mit Gefahrstoffen
- 2013 TRGS 510 Lagerung von Gefahrstoffen in ortsbeweglichen Behältern
6. Altlastrelevante/altlastirrelevante Nutzungszeiträume
Im gewerblichen Siebdruck bestand von Beginn an ein Gefährdungspotential durch
Chrom(VI)-Salze, Benzol, Toluol bzw. Xylol und Kresol, Phenol sowie Formaldehyd
in der Druckformherstellung und -vorbereitung; in der Druckerei selber dominierten
Branchenblatt Siebdruck Seite 15
Altlasten-Leitfaden Schleswig-Holstein: Erfassung Anhang 11
Schwermetallpigmente, Harze als Bindemittel und aromatische bzw. aliphatische
leichtflüchtige Lösemittel.
Die Entwicklung neuer Techniken in der Druckvorlagenherstellung beendete spätes-
tens in den 1970er Jahren die vorherrschende Rolle der bisherigen Beschichtungen
von Drucksieben mit lichtempfindlichen Chromaten. Als Ersatz dienten Fotopoly-
merplatten, in denen giftige Diazoverbindungen als Radikaldonatoren benutzt wur-
den. Dieses Verfahren wurde zu Beginn der 1980er Jahre ergänzt durch den Ein-
satz von Stilbenen, die weniger umweltgefährdend sind.
Die zunehmende Beschriftung der Siebe auf digitalem Wege seit den 1990er Jahren
brachte, anders als bei anderen Druckverfahren, keine weitere Verbesserung des
Gefährdungspotentials im Arbeitsbereich der Druckformherstellung.
Die Verwendung von Schwermetallen in den Siebdruckfarben beschränkt sich seit
der Selbstverpflichtung der Farbhersteller in den 1990er Jahren (s. Kapitel 5.) nur
noch auf Spezialanwendungen im keramischen Siebdruck.
In der Siebdruckerei fallen grundsätzlich sehr viele Druckabfälle an. Es handelt sich
hierbei zum einen um die ausgehärteten Schablonen, die von den Sieben entfernt
werden müssen und große Mengen Farbschlamm aus den Reinigungs- und Ent-
schichtungsbädern sowie zum anderen um basische Beizmittel und aliphatische
bzw. aromatische Lösemittel. Lösemittel werden seit Beginn der 1990er Jahre zu-
nehmend in gekapselten Automaten eingesetzt und zurückgewonnen, so dass seit-
her eine geringere Belastung zu erwarten ist. Gleichzeitig setzte eine verstärkte Su-
che nach möglichen Alternativen ein.
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Altlasten-Leitfaden Schleswig-Holstein: Erfassung Anhang 11
Tabelle 3 Zusammenfassung aller altlastrelevanten Aspekte und Zuordnung zu
den Branchenklassen SH
Zeitspanne Hilfsstoffe Nebenprodukte Altlastrelevante
Aspekte Branchen- klasse SH
1928 – 1970 Schwermetallfarben,
Cr(VI)-Salze, Form-
aldehyd, Benzol,
Toluol, Xylol, CKW
(Dichlormethan),
Kresole, Phenole.
Putzlappen, Ma-
kulatur
Schwermetalle in
den Farbrück-
ständen. Cr(VI)-
Salze, CKW,
BTX, Kresol,
Phenol. Farb-
schlamm mit
Beiz- und Löse-
mitteln. Undichte
Estriche, nicht
vorhandene/
unzureichende
Entwässerungs-
anlagen.
5
1971 – 1993 Schwermetallfarben,
Fotopolymere mit
reaktiven Diazo- und
Stilbenverbindun-
gen, BTX, CKW,
Kresole, Phenole.
Putzlappen, Ma-
kulatur
Schwermetalle in
Farbrückständen;
CKW, BTX, Kre-
sol, Phenol.
Farbschlamm mit
Beiz- und Löse-
mitteln. Verbes-
serung der Ent-
wässerungssitua-
tion.
5
1994 - Ge-
genwart
Fotopolymere mit
reaktiven Diazo- und
Stilbenverbindun-
gen, schwermetall-
haltige Farben nur
für Spezialanwen-
dungen, Xylol, Kre-
sole, Phenole.
Putzlappen, Ma-
kulatur
gekapselte Anla-
gen, Lösemittel-
regeneration;
Entsorgung des
Farbschlamms
mit Beiz- und
Lösemitteln als
Sondermüll; sub-
stituierende Stof-
fe.
3
Branchenklasse 0: kein Gefährdungspotential Branchenklasse 1: Gefährdungspotential sehr gering Branchenklasse 2: Gefährdungspotential gering Branchenklasse 3: Gefährdungspotential mäßig Branchenklasse 4: Gefährdungspotential hoch Branchenklasse 5: Gefährdungspotential sehr hoch
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Branchenblatt Siebdruck Seite 19
Altlasten-Leitfaden Schleswig-Holstein: Erfassung Anhang 11
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Altlasten-Leitfaden Schleswig-Holstein: Erfassung Anhang 11 Histinvest Dr. Klaus Schlottau – Bremen
Branchenblatt Druckerei - Tiefdruck
Inhaltsverzeichnis Seite
1. Bezeichnung der Branche 2
2. Historischer Überblick 3
3. Allgemeiner Verfahrensablauf 3
3.1. Druckformherstellung 4
3.1.1. Bearbeitung der Formzylinder in der Tiefdruckerei 6
3.2. Druckprozess 7
3.2.1. Bogentiefdruck 7
3.2.2. Rollentiefdruck 8
3.2.3. Tampondruck 9
3.2.4. Druckfarbentrocknung 10
3.3. Druckverarbeitung 11
3.4. Druckfarben 11
4. Umweltrelevante Verfahrens- und Produktionsschritte sowie Ver- 12
unreinigungspotentiale
4.1. Umweltrelevanz der Druckformherstellung 12
4.2. Umweltrelevanz des Druckverfahrens und der Farben 15
5. Gesetzliche Ausführungsvorschriften für verwendete Stoffe/ 16
Stoffgruppen
6. Altlastrelevante/altlastirrelevante Nutzungszeiträume 17
7. Literaturhinweise 20
Seite 2 Branchenblatt Tiefdruck
Altlasten-Leitfaden Schleswig-Holstein: Erfassung Anhang 11
1. Bezeichnung der Branche
Der Tiefdruck ist ein altes und qualitativ hochwertiges Druckverfahren, dessen An-
fänge in Form des Kupferstichs und späteren Radierungen bis ins frühe 15. Jahr-
hundert zurück reichen. Die aufwändige Herstellung der Druckform hat dazu geführt,
dass dieses Druckverfahren bis in das 19. Jahrhundert hinein überwiegend von
Kunsthandwerkern ausgeübt wurde.
In den tiefenvariablen, gravierten Tiefdruckplatten oder -zylinder nehmen die Näpf-
chen eine unterschiedlich große Farbmenge auf. Die damit auf dem Bedruckstoff
erzeugte unterschiedliche Schichtdicke entspricht den Tonwertabstufungen der Ori-
ginalvorlage. Verbessert wird die Bildwirkung noch dadurch, dass die flüssige
Druckfarbe nach der Farbübertragung in den Bereichen tiefer Töne auf dem Be-
druckstoff etwas ausfließt und sich somit keine scharf abgegrenzten Rasterpunkte
ergeben und die Stege der Druckform nicht sichtbar werden. Wie beim Hochdruck
auch, ist es möglich, Vierfarbendrucke zu erzeugen, indem jeweils gerasterte Farb-
auszüge erstellt und gedruckt werden. Industriell eingesetzt wird das Verfahren seit
der Einführung der Heliogravüre (fotografisches Edeldruckverfahren) am Ende des
19. Jahrhunderts. Es wurde möglich, Fotografien mit Belichtung auf die Druckplat-
ten, die schon bald von Druckzylindern abgelöst wurden, zu übertragen. Die belich-
teten Bereiche wurden geätzt, so dass, entsprechend der Größe der Bildpunkte,
unterschiedlich tiefe Näpfchen entstanden. Seit dem Beginn des 20. Jahrhunderts
fand der Tiefdruck vor allem bei illustrierten Zeitungen mit hoher Auflage, später bei
Zeitschriften und Katalogen, Anwendung.
Die heutige Mindestauflagenhöhe von Tiefdrucken beträgt wegen der teuren Druck-
vorstufenherstellung etwa eine Million Exemplare. Wochenzeitschriften und Ver-
sandhauskataloge sind deshalb die Hauptprodukte, die im Tiefdruck produziert wer-
den. Solche Produkte werden nur in großen Druckhäusern hergestellt, so dass klei-
ne und mittelständische Betriebe keine vollstufige Tiefdruckerei betreiben - wohl
aber ausgelagerte Tätigkeiten der Druckvorlagenherstellung (z.B. Repro- und Kli-
scheeanstalten). Der Tiefdruck wird auch bei der Herstellung von Verpackungen aus
Mehrschichtpapieren oder Karton sowie auf Folien aus Kunststoff oder Metall einge-
setzt, häufig befindet sich die Druckerei dann in entsprechenden Betrieben, z.B. der
Verpackungs- oder Konservenindustrie. Die entsprechenden Druckzylinder werden
zumeist jedoch zugeliefert.
Es gibt viele spezifische Tiefdruckanwendungen mit unterschiedlichen Anforderun-
gen und Bedürfnissen sowie auch Kombinationen der verschiedenen Druckverfah-
ren. Diese Bandbreite soll und kann nicht umfänglich in diesem Branchenblatt erläu-
tert werden, es geht hier vornehmlich um einen ersten allgemeinen Überblick.
Branchenblatt Tiefdruck Seite 3
Altlasten-Leitfaden Schleswig-Holstein: Erfassung Anhang 11
Abb. 1: Schematische Darstellung des Tiefdrucks in einer Rotationsdruckma-
schine (Quelle: © Helmut Kipphan, Handbuch der Printmedien, Springer,
2000).
2. Historischer Überblick
Der Tiefdruck ist älter als das Druckverfahren Gutenbergs, das zu den Hochdruck-
verfahren gehört. In Form von Kupferstichen und Radierungen wurden bildhafte
Darstellungen auf Einzelblätter und Flugblätter gedruckt. Im 17. Jahrhundert wurden
Kupfer- und Stahlstiche bereits in Zylinderdruckwerken statt in den horizontalen
Pressen hergestellt. Größere Verlage mit einer eigenständigen Druckerei sowie ei-
ner vergleichsweise hohen Auflage und dem Bedarf an bildlichen Darstellungen, so
z.B. die Maschinenbücher und Enzyklopädien des 18. Jahrhunderts, griffen auf die-
se Möglichkeit zurück, insbesondere, um feinere Linien und Schraffuren für
Schwarz-Weißverläufe darstellen zu können. Erst mit der Entstehung der Fotografie
und der Kenntnis von lichtempfindlichen Beschichtungen über die Heliogravüre seit
dem Ende des 19. Jahrhunderts gab es wieder bedeutende Fortschritte im Tief-
druck. Diese fanden allerdings nur im industriellen Rahmen von Großverlagen oder -
druckereien Anwendung.
3. Allgemeiner Verfahrensablauf
Die Druckbildinformation wird in Vertiefungen der Druckform gespeichert. Es handelt
sich im Ursprung um Radierungen, Holz-, Kupfer- oder Stahlstiche, für die das Ne-
gativ mit schneidenden oder schabenden Werkzeugen in die Platte eingearbeitet
wird. Die Vertiefungen werden mit Farbstoff aufgefüllt, so dass auf dem Druckstoff
ein positives Bild erzeugt wird. Diese Verfahren, die vom 15. bis zum Ende des 19.
Jahrhunderts entwickelt wurden, wurden seit der Entstehung der Fotografie zuneh-
mend industrialisiert: zähe Farbfirnisse wurden durch dünnflüssige, lösemittelhaltige
Teerfarben ausgetauscht, Druckplatten wichen Druckzylindern, Graveure wurden
durch Reprofotografen ersetzt.
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Altlasten-Leitfaden Schleswig-Holstein: Erfassung Anhang 11
Bei der Druckformherstellung wird die Kopiervorlage, ein Film, auf optischem Wege
auf den fotochemisch beschichteten Druckformrohling, die unbelichtete Druckform,
übertragen. Für jede Primärfarbe wird eine Druckform mit Hilfe des entsprechenden
Farbauszugs hergestellt. Nach der Belichtung des Druckformrohlings schließt sich
evtl. ein Zwischenschritt, z.B. eine Erwärmung, an, bevor die Entwicklung mit den
vom Druckformmaterial abhängigen chemischen bzw. physikalischen Prozessen -
meist ätzende oder mechanische Arbeitsschritte - folgt. Das Verfahren der Heliogra-
vüre erhielt erst seit 1960 durch die Einführung eines optisch gesteuerten mechani-
schen Stichels der Fa. Hell eine ernsthafte Konkurrenz. Die Druckwalzenhalbscha-
len werden abschließend behandelt, d.h. eingebrannt oder konserviert sowie für die
Befestigung in der Druckmaschine vorbereitet. In der Druckvorbereitung ist mit Bei-
zen, Entwicklern sowie galvanischen Bädern zu rechnen. Da Mineralöle, Schwerme-
talle und Lösemittel auch in den Farben vorhanden sind, ist die Tiefdruckerei in fast
allen Abteilungen altlastrelevant.
1. Druckvorstufe
Druckformherstellung
in Abhängigkeit vom
Druckverfahren
2. Drucken
Druckform +
Papier +
Farbe
3. Druckverarbeitung
Falzen und Schneiden
Zusammentragen
Kleben, Heften, Binden
Produktionsfluss in der Druckerei
Abb. 2: Schematische Darstellung der Arbeitsschritte im Druckereigewerbe.
3.1. Druckformherstellung
Nach der Erfindung der Fotografie vor Mitte des 19. Jahrhunderts wurde der
Wunsch nach einer Wiedergabe im Druck immer stärker. Doch mit der damals ver-
fügbaren Technik im Buchdruck war man nicht in der Lage, Halbtöne wiederzuge-
ben. Aber mit der Erfindung der Reprokamera 1881 wurden die Voraussetzungen
für den modernen Tiefdruck gelegt. Für Reprokameras wurden Gitternetze in Form
von Glasrastern geschaffen, die auf fotografisch-optischem Wege die Tonwerte des
Originals in unterschiedlich große Rasterpunkte, das heißt, druckfähige Elemente,
zerlegten.
Die Heliogravüre, auch als Fotogravur bezeichnet, besteht aus einer Kupferplatte,
die mit geschmolzenem Kolophonium vorbehandelt ist, um darauf eine mit Kalium-
oder Ammoniumdichromat lichtempfindlich gemachte Gelatineschicht anhaften zu
können. Die Platte wird dann mit einer zuvor gerasterten Kontaktkopie der Text-
oder Bildvorlage belegt und belichtet. Die Lichteinwirkung bewirkt, dass die chroma-
tierte Gelatine aushärtet, so dass die unbelichteten Bereiche mit warmem Wasser
entfernt werden können. Es verbleibt ein Relief von Gelatineerhebungen, die dann
mit Eisen(III)chlorid geätzt werden. Je geringer die Reliefstärke ist, desto länger und
tiefer dringt die Beize ein, so dass nach dem Entfernen der gesamten Gelatinebe-
schichtung unterschiedlich tiefe und große Näpfchen entstehen.
Branchenblatt Tiefdruck Seite 5
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Ein ähnliches, aber industriell besser nutzbares Ätzverfahren wurde nach dem Zwei-
ten Weltkrieg aus dem Siebdruck übernommen. Es handelt sich um das Formätzen
mit Pigmentpapier - Pergamentpapier, das mit Gelatine beschichtet und kurz vor der
Verwendung mit einer Chrom(VI)salzlösung lichtempfindlich gemacht wird. Nach der
Belichtung in einem Kopierrahmen wird das Pigmentpapier in einer Übertragungs-
maschine auf die Formzylinderoberfläche „kaschiert“. Durch das Aufweichen und
Ausspülen der unbelichteten und daher löslichen Gelatine in warmem Wasser mit
anschließender Trocknung entsteht ein Relief von unterschiedlich dicken Gelatine-
schichten zwischen den erhabenen Rasterstegen. Vor dem Ätzen in einer Ei-
sen(III)chlorid-Lösung werden alle nichtdruckenden Partien mit einem säurefesten
Asphaltlack abgedeckt. Dieses Verfahren blieb bis zur Mitte der 1960er Jahre nahe-
zu konkurrenzlos.
Erst mit dem Helio-Klischograph der Firma Hell aus Kiel wurde 1961 eine optisch-
mechanische Alternative zur Heliogravüre und dem Pigmentpapier eingeführt. Der
Abtastzylinder der elektromechanischen Gravur und der zu gravierende Formzylin-
der sind entweder mechanisch oder elektronisch miteinander gekoppelt. Auf dem
Abtastzylinder wird ein Positiv des Druckbildes auf einem mit Silbernitrat beschichte-
ten Polyesterzylinder, einem sogenannten Opalfilm, optisch abgetastet. Je nach
Helligkeit des gescannten Bildpunktes wird eine entsprechende Lichtmenge reflek-
tiert; diese wird in ein elektrisches Signal gewandelt. Die Ausgangssignale des Ab-
tastkopfes werden im Rechner elektronisch so aufbereitet, dass der Gravierkopf mit
dem Diamantstichel auf der späteren Druckwalze entsprechend gesteuert wird. Vom
Rechner werden zwei Signale dem Gravierkopf zugeführt: das eigentliche Bildsignal
sowie das die Rasterfeinheit und Winkellage definierende Rastersignal. Beide erge-
ben ein moduliertes Signal zur Steuerung des Gravierkopfes. Nachdem die Bildda-
ten, als Folge der Verbesserung der Computertechnik seit Mitte der 1990er Jahre,
unmittelbar geeignet sind, den Gravierkopf zu steuern, konnte der Zwischenschritt
der Reprofotografie und des Entwickeln eines Opalfilms ausgelassen werden, so
dass spätestens seit den 1990er Jahren die Heliogravüre durch die mechanisierte
Druckvorlagenherstellung abgelöst und diese wiederum durch die Digitalisierung
vereinfacht werden konnte.
1995 kam ein digitalisiertes, direktes Gravierverfahren mit einem Laser auf den
Markt, bei dem ein Festkörperlaser eine Zinkschicht graviert. Die derart erzeugten
Näpfchen sind in ihrer Form geätzten Näpfchen ähnlich. Der gravierte Zylinder wird
nach einem Schleif- und Reinigungsprozess verchromt. Die Aufbereitung des Druck-
formzylinders nach dem Drucken geschieht mit ähnlichen chemischen, mechani-
schen und galvanischen Methoden wie die Aufbereitung eines Kupferzylinders. Im
Wesentlichen wird der Schritt der Verkupferung durch einen galvanischen Prozess
des Verzinkens ersetzt. Indirekte Lasergravierverfahren (Laser-Ablation-Transfer-
Verfahren) arbeiten mit einer lichtempfindlichen schwarzen Schicht, die auf dem
Kupfer des Formträgers aufgebracht ist und mit dem Laser bildmäßig (aus dem digi-
talen Datenbestand) abgetragen wird. Die Druckform wird anschließend an den frei-
gelegten Stellen geätzt.
Seite 6 Branchenblatt Tiefdruck
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Abb. 3: Schematische Darstellung der Druckformherstellung in der Tiefdruckerei
(abgeändert nach WOLF).
Die Rasterungstechnik erfuhr über die Jahre deutliche Verbesserungen. Die ersten
Anlagen, die elektronisch rastern konnten, waren ab ca. 1960 Ausgabescanner
(Trommelbelichter), die die Filme mit sehr fein fokussierten Laserstrahlen beschrie-
ben. Beim Reproduzieren von mehrfarbigen Abbildungen wird das Original mehr-
fach mit entsprechenden Filtern gescannt und in die Standardfarbauszüge zerlegt:
Cyan, Magenta, Gelb und Schwarz. Für jede der Farben muss ein eigener Druck-
formzylinder erstellt werden.
3.1.1. Bearbeitung der Formzylinder in der Tiefdruckerei
Im Tiefdruck werden nahtlose Formzylinder mit stets gleichbleibendem Durchmes-
ser benötigt, so dass die Wiederverwendung des Zylinders mit regelmäßigen galva-
nischen Verkupferungen verbunden ist. Nach dem Druck wird der Formzylinder aus
dem Druckwerk ausgebaut und mit Lösemitteln gewaschen, dann in einem Bad mit
Hilfe von Salzsäure entchromt. Anschließend wird entweder chemisch mit Ei-
sen(III)chlorid oder mechanisch mit Dreh- oder Fräsbänken die nicht mehr benötigte
Gravur entfernt. Um die notwendige Schichtdicke für die Gravur zu erhalten, wird
der Zylinder daraufhin erneut galvanisch verkupfert und anschließend poliert.
Auf den sauberen Formträger wird dann mit dem oben beschriebenen Verfahren
das Druckbild aufgebracht und ein Probedruck durchgeführt, um das Druckbild und
die Passgenauigkeit der verschiedenen Farbformen zu testen. Vor der Verchromung
im galvanischen Bad muss der gesamte Zylinder wieder mit Lösemitteln gereinigt
und entfettet werden. Nach einer weiteren Sichtung der Oberfläche und eventuellem
Finishing von Fehlern in der Chromschicht kann die Form in die Druckmaschine
eingebaut werden.
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Abb. 4: Tiefdruckätzerei ca. 1980 (Quelle: GÖÖCK).
3.2. Druckprozess
Im künstlerischen Tiefdruck wird die Farbe in die Vertiefungen hineingewischt. An
Tiefdruckmaschinen taucht der Druckformzylinder etwa bis zur Hälfte in die Druck-
farbe ein. Eine Rakel sorgt dann dafür, dass auf den nichtdruckenden Formelemen-
ten die Druckfarbe entfernt wird, so dass nur in den Vertiefungen Druckfarbe ver-
bleibt. Ein hoher Anpressdruck und die Adhäsionskräfte zwischen Bedruckstoff und
Farbe bewirken die Farbübertragung auf den Bedruckstoff. Eine Besonderheit die-
ses Drucks besteht darin, dass pro Farbauszug ein kompletter Formzylinder ver-
wendet wird. Der flächenvariable Tiefdruck kommt heute kaum noch zur Anwen-
dung. Der konventionelle, also nur tiefenvariable Tiefdruck verliert ebenfalls mehr
und mehr an Bedeutung, da die Druckformherstellung auf komplizierten Kopier- und
ätztechnischen Verfahren beruht. Aus diesem Grund hat sich das tiefen- und flä-
chenvariable Tiefdruckverfahren, das industriell auf einer elektromechanischen Gra-
vur der Formzylinder beruht, in der Praxis durchgesetzt.
3.2.1. Bogentiefdruck
Tiefdruckmaschinen für den Verpackungsdruck unterscheiden sich von denen, die
im Illustrationsdruck verwendet werden, in der Ausstattung insbesondere hinsichtlich
der eingesetzten Bedruckstoffe und Farben sowie der Weiterverarbeitung der be-
druckten Bahn. Im Verpackungstiefdruck werden sowohl Bogen- als auch Rollen-
maschinen eingesetzt. Bogentiefdruckmaschinen haben den Vorteil, dass aufgrund
der einfacheren Druckformherstellung auch kleinere Auflagen im Tiefdruck wirt-
schaftlich hergestellt werden können. Vermehrt kommt der Bogentiefdruck bei be-
Seite 8 Branchenblatt Tiefdruck
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sonderen Druck- und Veredelungsansprüchen im Verpackungs- und Etikettendruck
sowie beispielsweise im Magazin- und Sicherheitsdruck zum Einsatz.
Abb. 5: Prinzipskizze einer modernen Bogentiefdruckmaschine der Fa. Moog:
Die Papierführung erfolgt von rechts nach links über drei Druckwerke mit
beheizten Übergabewalzen und IR-Trocknung (rot) vor dem eigentlichen
Bogentrockner mit Absaugung links über der Bogenablage. (Quelle:
http://www.idd.tu-darmstadt.de/media/fachgebiet_idd/vddseminare/ar-
chiv /vddseminar_100715kurrek.pdf).
3.2.2. Rollentiefdruck
Die häufig hohe Auflage eines Druckauftrags macht den Rollentiefdruck gegenüber
dem Bogentiefdruck wirtschaftlicher. Eine Rollentiefdruckmaschine z.B. für den Ver-
packungsdruck besteht aus einer Abrollung, in der die unbedruckte Papierrolle auf-
genommen wird, hintereinander angeordneten Tiefdruckeinheiten und einer Aufrol-
lung. Die automatische Fließfertigung für Verpackungen brachte es mit sich, dass im
Anlagenbau die Tiefdruckeinheiten neben speziellen Verarbeitungseinheiten fast in
den Hintergrund gedrängt wurden, so dass man in einigen Branchen von einer Ver-
packungsmaschine mit angeschlossenen Druckeinheiten sprechen kann. Ende der
1950er Jahre wurde der Tiefdruck in der Verpackungsindustrie eingeführt. Die Ent-
wicklung wurde beschleunigt durch die gleichzeitige Einführung neuer Verpa-
ckungsmaterialien (z.B. Cellophan). Zum Bedrucken dieses Materials mussten die
vorhandenen Tiefdruckmaschinen modifiziert werden. Um eine gute Haftung der
neu entwickelten Druckfarben auf diesem nicht saugfähigen Material zu erreichen,
wurden neben Vorbehandlungen der Folienoberflächen mit Grundlack Veränderun-
gen an den Trocknungseinrichtungen der Tiefdruckwerke erforderlich. Außerdem
musste mit geringeren Zugspannungen der Bahn (Bedruckstoff) in der gesamten
Maschine und vor allem an der Aufwicklung gearbeitet werden können, um ein Ver-
kleben der aufgewickelten Rollen zu verhindern.
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Abb. 6: Rollentiefdruck 1970 (Quelle: GÖÖCK).
3.2.3 Tampondruck
Der Tampondruck ist ein indirektes Tiefdruckverfahren, bei dem das druckbildüber-
tragende Zwischenelement als „Tampon“ bezeichnet wird. In der Mitte der 1960er
Jahre wurde ein erster Prototyp einer Tampondruckmaschine mit elektrischem An-
trieb vorgestellt. Die Entwicklung von Silikontampons brachte den Durchbruch für
das Verfahren, das seit den 1970er Jahren erfolgreich beim Bedrucken verschie-
denster Körperformen und Oberflächenstrukturen eingesetzt wird. Der Druck nass in
nass mit lösemittelhaltigen Farben erlaubt auch mehrfarbigen Druck in guter Quali-
tät.
Der Tampondruck nutzt als Druckform ein Tiefdruckklischee. Dieses wird, während
der Tampon sich über dem Druckgut befindet, mittels einer Rakel mit Farbe geflutet.
Nach dem Druckvorgang bewegt sich der Tampon über das Klischee, das gleichzei-
tig abgerakelt wird, so dass sich so nur noch an den Bildstellen in den vertieften
Näpfchen Farbe befindet. Der Tampon wird nun abgesenkt und bedeckt aufgrund
seiner Elastizität das Druckbild auf dem Klischee. Die Farbe muss so beschaffen
sein, dass sie auf der silikonierten Oberfläche haften bleibt. Nach dem Abheben des
Tampons wird dieser über den zu bedruckenden Gegenstand geführt und auf die-
sen abgesenkt. Der nachgiebige Tampon passt sich der Werkstückform an. Die
Farbe auf dem Tampon ist inzwischen weiter getrocknet und haftet an der Oberflä-
che des Werkstücks. Vorteile hat der Tampondruck beim Bedrucken fast beliebig
geformter Oberflächen. Für große Mengen zu bedruckender Gegenstände, zum
Beispiel Flaschenverschlüsse, ist der Rotationstampondruck ein geeignetes Druck-
verfahren (z.B. 50.000 bis 80.000 Flaschendeckeln pro Stunde in Brauereien).
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Abb. 7: Prinzip des Tampondrucks (Quelle: EINDRUCK werbeagentur,
www.ein-druck.net).
3.2.4. Druckfarbentrocknung
Im Mehrfarbendruck muss nach jedem Druckwerk getrocknet werden, so dass der
Vorgang der Trocknung Bestandteil des Druckprozesses ist. Der Begriff „Trocknung“
umfasst grundsätzlich alle Vorgänge, die nach der Farbübertragung von der Druck-
form auf den Bedruckstoff stattfinden und zu einer stabilen Verbindung zwischen
Bedruckstoff und Druckfarbe führen. Die Druckfarbe geht dabei in den festen Zu-
stand über. Je nach Aufbau der Druckfarbe für das jeweilige Druckverfahren kann
die Trocknung durch chemische Reaktion (Oxidation und Polymerisation), physikali-
sche Vorgänge (Wegschlagen, Verdunsten) oder die Kombination beider erfolgen.
An die Beschaffenheit der Druckfarben hinsichtlich der Trocknungseigenschaften
werden zwei gegensätzliche Forderungen gestellt: a) keine Verfestigung der Druck-
farbe auf den Walzen während des Maschinenlaufes oder kurzer Stillstandszeiten,
b) schnelle Verfestigung der Druckfarbe auf dem Bedruckstoff nach dem Druckvor-
gang. Die Trocknung der Druckfarben wird beeinflusst von: 1. der Zusammenset-
zung der Druckfarbe, 2. Eigenschaften des zu bedruckenden Materials (u.a. Saug-
fähigkeit), 3. Druckbedingungen (Farbmenge, Druckgeschwindigkeit), 4. klimatische
Bedingungen (Luftfeuchte, Raumtemperatur), 5. Aufbau des Trockners (Luftbewe-
gung an der Farboberfläche, Einwirkzeit, usw.). Von entscheidendem Einfluss ist die
Temperatur, wobei höhere Temperaturen meist vorteilhaft sind.
Die Tiefdruckfarbe unterscheidet sich von der Hochdruckfarbe (siehe Branchenblatt
Hochdruck - Buchdruck) hinsichtlich der Herkunft und der Viskosität. Mineralfarben
und mineralische Pigmente werden wegen der hohen Arbeitsgeschwindigkeit nicht
genutzt. Druckfarben mit niedriger Viskosität und einem schnell verdunstenden Lö-
semittel (zur vollständigen Farbübertragung aus den tiefliegenden Rasternäpfchen
auf das Papier) werden sowohl im Bogen- als auch im Rollentiefdruck eingesetzt.
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Die Viskosität wird über einen hohen Anteil an Lösemittel (Toluol) mit niedrigem
Siedepunkt in der Farbe erreicht. Das Lösemittel muss nach Verlassen der Druck-
zone zur Trocknung der Farbe in einem Trockner durch Wärmezufuhr ausgetrieben,
also verdunstet werden. Vor dem Gebläse wird ein Teil der Umluft abgezweigt und
in eine Lösemittelrückgewinnungsanlage geführt, um die Lösemittelkonzentration in
der Arbeitsumgebung nicht zu stark ansteigen zu lassen.
Über den Lösemittelgehalt wird die Trocknung an die Druckgeschwindigkeit ange-
passt, so dass die Haftung auf der zu bedruckenden Fläche deutlich höher als die
am Tampon ist. Besonders soll die Tampondruckfarbe gute Haftfähigkeit entwickeln.
Durch niedrig siedende Lösemittelzusätze (z.B. je nach Kunststoff: Reintoluol,
Ethylacetat, Methanol, Ethanol, n-Pentan etc.; vor 1993 aber auch halogenierte und
andere Kohlenwasserstoffe, z.B. Methylenchlorid, oder für PET m-Kresol oder Tri-
chloressigsäure etc.), die die zu bedruckende Oberfläche leicht anlösen, wird er-
reicht, dass die Farbe auch auf Kunststoffoberflächen gut haftet. Zweikomponenten-
farben mit Härtern auf Isocyanatbasis werden wegen der längeren Trockenzeit sel-
tener eingesetzt.
Die im Flexodruck (Hochdruckverfahren) eingesetzten Farben entsprechen denen
des Verpackungstiefdruckverfahrens. Aus diesem Grund sollte sich die Bewertung
des Gefährdungspotentials des Flexodrucks an dem des Tiefdrucks orientieren.
3.3. Druckverarbeitung
Die Druckverarbeitung reicht vom Beschneiden der Bogen über das Falzen bis zur
Herstellung von Broschüren und Festeinbänden. Während der Druckverarbeitung
erhalten bedruckte Bahnen, Bogen oder Tafeln die zur Nutzung erforderliche Gestalt
und die geforderten Gebrauchseigenschaften durch entsprechende Maschinen, die
unmittelbar hinter der Druckmaschine aufgestellt sind. Mit diesen Arbeiten sind in
der Regel keine altlastrelevanten Tätigkeiten verbunden.
3.4. Druckfarben
Die Farben, die im Tiefdruck benutzt werden, setzen sich üblicherweise aus den
Pigmenten für Schwarz und den drei Grundfarben, dem Lösemittel (z.B. organische
Lösemittel aus der Gruppe der Aromaten), einem Bindemittel (z.B. einem Firnis oder
Glycerin) und weiteren Zusatzstoffen (u.a. Trockenstoffe) zusammen. Entsprechend
der gewünschten Farbtöne kann der Drucker die Farbe aus den oben genannten
Farbtönen (CMYK-System) selbst mischen oder aus dem Farbsystem "HKS" fertig
gemischte Farben der Farbenfabriken einsetzen. Welche Farbe genutzt wird, hängt
auch von dem Bedruckstoff und dessen Eigenschaften sowie der erforderlichen
Oberflächenbeschaffenheit, Lichtechtheit und Reibefestigkeit ab. Als Bedruckstoff
fungiert traditionell das Papier, ergänzt um Pappen, Textilien, Bleche und Folien aus
Metall oder Kunststoff. Saugende Bedruckstoffe wie Papier oder Textilien erfordern
Farben, die schnell auftrocknen, während Bleche und Folien mit Farben bedruckt
werden, deren Lösemittel, zumeist Aromaten, schnell verdunsten.
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Die größte Bedeutung in der Tiefdruckerei haben die organischen Pigmente, die den
Druckfarben den gewünschten Farbton verleihen. Unterschieden werden Bunt- und
Schwarzpigmente (Farbruß). Die gegenwärtig bedeutenden anorganischen Pigmen-
te sind: Weißpigmente (z.B. Titandioxid), Metalleffektpigmente (Gold- und Silber-
bronzen), Perlglanzpigmente und Fluoreszenzpigmente (für Tagesleuchtfarben)
sowie synthetische Pigmente (z.B. Azo- oder polyzyklische Pigmente). Daneben gibt
es eine Vielzahl weiterer Effektpigmente, die z.B. thermo- oder photochrom reagie-
ren.
Im Tiefdruck wird eine dünnflüssige Farbe benötigt, die bei der hohen Druckge-
schwindigkeit die Näpfchen des Vorlagenzylinders füllen kann. Das Tiefdruckfarb-
werk besteht lediglich aus einer Farbvorratskammer, aus der heraus die Druckform
direkt mit Farbe versorgt wird, und einer Rakel. Lösemittel haben im Tiefdruck eine
große Bedeutung; sie sorgen für die geringe Viskosität der Farbe, außerdem wird
mit ihnen auch die Pigmentkonzentration, die Farbdichte, verändert. Für den Illustra-
tions- und den Verpackungstiefdruck müssen wegen der unterschiedlichen Anforde-
rungen an die jeweilige Verpackung unterschiedliche Lösemittel verwendet werden.
Lösemittel für den Illustrationstiefdruck waren bis in die 1950er Jahre benzolhaltige
Homologenraffinate, Toluol und Xylol, danach setzte sich das Reintoluol durch. Im
Verpackungstiefdruck werden als Lösemittel überwiegend Ethanol oder Acetat ein-
gesetzt bzw. wasserbasierende Farben verwendet. Aber auch das Druckverfahren
(Bogen- oder Rollentiefdruck) bestimmt Art und Menge des eingesetzten Lösemit-
tels; so werden beim langsameren Bogentiefdruck vorwiegend Alkohole verwendet,
während der schnellere Rollentiefdruck größere Mengen an toluolhaltigen Lösemittel
benötigt. Zur Vermeidung von Rissen im Farbfilm werden ggf. Weichmacher zuge-
setzt. Scheuerfeste Druckfarben werden besonders für den Druck von Verpackun-
gen und für matt gestrichene Papiere verwendet, geruchs- und migrationsarme
Druckfarben für den Druck von Lebensmittel- und Genussmittelverpackungen. Foli-
enfarben sind Druckfarben, die oxidativ trocknen und eingesetzt werden, wenn Be-
druckstoffe nicht saugfähig sind (z.B. Kunststofffolien).
4. Umweltrelevante Verfahrens- und Produktionsschritte sowie Verunreinigungspotentiale
4.1. Umweltrelevanz der Druckformherstellung
Der erste Abschnitt in der moderneren Druckformherstellung ist seit ca. 1955 die
Erzeugung der Kopiervorlagen für die Druckplatten. Die Satzherstellung erfolgt auf
automatisierten Belichtern zur Herstellung der Textfilmvorlagen. Filme müssen ent-
wickelt und auf die Druckplatten kopiert werden. Druckplatten werden dann graviert,
geätzt oder ausgewaschen. Bei den beiden letzteren Varianten werden neben den
galvanischen Bädern insbesondere Säuren, Laugen, Asphaltlack, Eisen(III)chlorid,
Kupfer, Chrom (III) und Chrom (VI) sowie Nickel eingesetzt. In den verschiedenen
Vorstufen werden für Wasch- und Reinigungsvorgänge Petroleum, Benzin, Terpen-
tinersatz, Benzol, Toluol oder Xylol genutzt. Wichtige Lösemittel für den Verpa-
ckungstiefdruck sind daneben: Ethylalkohol (Sprit), Ethylacetat (Essigester) und
Wasser.
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Die fotografische Reproduktion in der Druckvorstufe erfordert Entwickler- und Fi-
xierbäder, mit denen der silberhaltige Film als Vorlage für die Druckplatten behan-
delt wird. Die Haltbarkeit des Entwicklerbades lässt sich seit ca. 1980 mit Hilfe von
Entwicklersparsystemen verlängern. Dadurch wurde die Entsorgungsmenge an ver-
brauchtem Entwickler, der als besonders überwachungsbedürftiger Abfall eingestuft
wird, erheblich vermindert. Beim Fixierer tragen Kreislaufsysteme mit elektrolyti-
scher Entsilberung deutlich zur Standzeitverlängerung bei; auch hier kann dadurch
die Sonderabfallmenge reduziert werden. Das zurückgewonnene Silber wird stofflich
verwertet. Innerhalb der Druckvorstufe hat sich seit ca. 1975 ein grundlegender
technologischer Wandel vollzogen. Der konventionelle Umgang mit Setzmaschine,
Reprokamera und Film wurde durch die Computertechnik abgelöst. Trotzdem blieb
für eine zeitlich begrenzte Übergangsphase für kleinere Betriebe der Druckvorla-
generstellung, die die Investition nicht bewältigen konnten, der Informationsträger
Film ohne Alternative. Mit dem Einsatz von computergesteuerten Belichtungs- und
Graviersystemen fielen die Fotochemikalien und -materialien teilweise oder sogar
vollständig weg. Diese seit 1990 nahezu ausschließlich verwendete physikalische
Gravur hat die Umwelt deutlich entlastet.
Tabelle 1 Altlastrelevante Stoffe bei der Druckbildübertragung durch Ätzen
(Quelle: BUNDESVERBAND DRUCK E.V., ABTEILUNG UMWELT-
SCHUTZ, 1998); ergänzt um PFOS
Präparat Stoffe
Sensibilisierungslösung Alkalidichromat
Trocknungsbeschleuniger Alkohol
Abdeckmittel Asphaltlack
Ätzlösung (Kupfer) Eisen(III)chlorid
Reiniger Toluol
Netzmittel PFOS
Bei der Druckformherstellung müssen unter ökologischen Gesichtspunkten die Pro-
zesse Ätzen und Gravieren des Formzylinders unterschieden werden. Die galvani-
sche Behandlung der Zylinder ist bei beiden Prozessen gleich (siehe Tabelle 2):
Entchromen (chemisch mit HCl oder elektrolytisch), Entkupfern (mechanisch), Ent-
fetten (s.o.), Aufkupfern (elektrolytisch), Verchromen (elektrolytisch). Galvanikanla-
gen in Druckereien arbeiteten seit den 1970er Jahren auch unter Einsatz von PFOS
als Netzmittel. Regeneriereinrichtungen halten die Verarbeitungsbäder im funktions-
fähigen Zustand, die Kupfer- und Chrombäder müssen selten ausgetauscht und
dem Recycling zugeführt werden. Die Systeme arbeiten mittlerweile vollständig ge-
schlossen.
In zunehmendem Maße werden auch die präzisen und schnelleren Direkt-Laser-
Verfahren eingesetzt, eine Kombination verschiedener Rasterarten ist hier ebenfalls
möglich. Im Bogentiefdruck werden neben Tiefdruckzylindern auch digitale wasser-
auswaschbare Fotopolymerplatten verwendet, die deutlich umweltfreundlicher sind.
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Tabelle 2a Zusammenfassung der verschiedenen Arbeitsschritte bei der galvani-
schen Bearbeitung von Rohzylindern (Quelle: BUNDESVERBAND
DRUCK E.V., ABTEILUNG UMWELTSCHUTZ, 1998)
Arbeitsschritt Verfahren/ eingesetzte Stoffe
Entfetten maschinell/elektrolytisch mit cyanfreiem Natriumhydroxid
Dekapieren Entfernen der Oxidschicht im Tauchbad (10%ige Salz-
oder Schwefelsäure) oder von Hand
Vernickeln schwach saures Nickelbad (Nickelsulfat, Nickelchlorid,
Borsäure) (historisch war stattdessen eine cyanidische
Vorverkupferung üblich)
Grundverkupferung vollautomatisch in schwefelsaurem Kupferbad (Kup-
fersulfat, 96%ige Schwefelsäure)
Mechanische Oberflä-
chenbearbeitung
vollautomatisch durch Drehen, Schleifen, Fräsen und
Polieren mit Polierstein und Polierpapier
Aufkupfern vollautomatisch in schwefelsaurem Kupferbad (Kup-
fersulfat, 96%ige Schwefelsäure) in verschiedenen
Schichtstärken je nach Verfahren (beim Ballardhautver-
fahren, einer 1926 eingeführten Trennschicht aus Silber
über dem Grundkupfer, damit die geätzte Druckform ein-
fach abgezogen werden kann, muss nach dem Dekapie-
ren eine Trennlösung (früher auf Basis von Silber, Nickel
oder Quecksilber, gegenwärtig ein Natriumsulfatgemisch)
aufgebracht werden)
Verchromen elektrolytisch mit Chrom(VI)oxid, Schwefelsäure, PFOS;
Titananode (historisch wurde eine Bleianode eingesetzt,
so dass der Schlamm aus Bleichromat bestand).
Tabelle 2b Zusammenfassung der verschiedenen Arbeitsschritte bei der galvani-
schen Bearbeitung von gebrauchten Druckzylindern (Quelle: BUN-
DESVERBAND DRUCK E.V., ABTEILUNG UMWELTSCHUTZ, 1998)
Arbeitsschritt Verfahren/ eingesetzte Stoffe
Reinigen Toluol, selten Xylol, Ethanol
Entchromen Mechanisch beim Ballardhautverfahren, ansonsten elekt-
rolytisch mit 17%iger Schwefelsäure
Entkupfern überwiegend mechanisch durch Fräsen, elektrolytisch
mit Ätznatron und gasförmigem Ammoniak
Entfetten maschinell/elektrolytisch mit cyanfreiem Natriumhydroxid
weitere Schritte vgl. Tab. 2a
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Tabelle 2c mögliche eingesetzte Stoffe bei der Zylinderkorrektur (abhängig von
der Korrekturart) (Quelle: BUNDESVERBAND DRUCK E.V., ABTEI-
LUNG UMWELTSCHUTZ, 1998)
Präparat Stoffe
Reiniger Toluol, Terpentinersatz, Petroleum, Salzsäure, Aceton
Entfettungsmittel Tripelpuder, verdünnte Essigsäure
Entoxidierungsmittel Essigsäure (3%ig), Salzsäure (4%ig) oder Schwefel-
säure (2%ig)
Trocknungsbeschleuniger 5%ige Spiritus- oder Methanollösung
Nachätzfarbe Ruß, Bindemittel, Lösemittel
Abdeckungsmittel Asphaltlack
Farbhärter asbestfreies Talkumpuder
Ätzmittel Kupfer: Eisen(III)chlorid, verdünnte Salpetersäure, Am-
moniumpersulfat
Chrom: Salzsäure, Zinkchlorid, Phosphorsäure
Aktivierungslösung Nickelsulfat, Nickelchlorid, Borsäure
Schleifmittel Holzkohle, Schleifpapier
4.2. Umweltrelevanz des Druckverfahrens und der Farben
Der Tiefdruck ist durch die Verwendung von Lösemitteln grundsätzlich von großer
Umweltrelevanz. Erst durch die dünnflüssigen Lösemittel wurde das Verfahren in-
dustriell nutzbar. Zunächst wurden daher im 19. Jahrhundert Terpentin, Petroleum,
dann Benzin und seit den 1920er Jahren zunehmend Toluol und Xylol, gelegentlich
auch Benzol als Lösemittel eingesetzt. In den 1950er Jahren wurden die benzolhal-
tigen Aliphate aus Raffinerien durch Toluol (seit den 1990er Jahren nur noch Reinto-
luol) als Lösemittel ersetzt. Ein sehr großer Teil des Lösemittels verdunstet gewöhn-
lich im Papier, das aus diesem Grund möglichst saugfähig sein sollte. Beim Anmi-
schen der gebrauchsfertigen Farbe, beim Umfüllen in die Farbwerke, insbesondere
aber bei den Reinigungsarbeiten an der Maschine traten früher häufig Handha-
bungsverluste auf. Zur Reinigung der Maschinen wurden meist Makulaturpapiere
genutzt, die dann in den Altstoffhandel gelangten. Die eigentliche Reinigung erfolgte
mit Hilfe von Putzlappen, die wiederum mit Lösemitteln getränkt wurden. Die Putz-
lappen wurden zum Teil in der Kesselfeuerung verbrannt, überwiegend jedoch in
einer externen Reinigung gewaschen. Diese Art der Handhabung ist aktuell nicht
mehr üblich. Meist werden integrierte Wascheinrichtungen verwendet, die mit ver-
schiedenen Verfahren arbeiten, oder externe Firmen mit einer Maschinengrundrei-
nigung (durch Ausfrieren mit Trockeneis) beauftragt. Es kommen sowohl wasser-
als auch lösemittelbasierte Reinigungssysteme zum Einsatz, die ggf. mit ange-
schlossenen Destillier- bzw. Abwasserbehandlungsanlagen arbeiten. Trotzdem ist
auch weiterhin während des Druckvorgangs eine manuelle Reinigung mit reini-
gungsmittelgetränkten Mehrweglappen notwendig.
Tiefdruckfarben enthalten teilweise bis zu etwa 80% das Lösemittel Toluol. In den
Trocknern wird das Toluol abgesaugt und der Rückgewinnungsanlage zugeführt; die
Rückgewinnungsquote lag im Jahr 2000 bei über 98%. Durch die Kapselung der
Seite 16 Branchenblatt Tiefdruck
Altlasten-Leitfaden Schleswig-Holstein: Erfassung Anhang 11
Tiefdruckanlagen gelangt fast kein Toluol mehr aus den Druckwerken als diffuse
Emission in den Arbeitsraum. Auf den Produktionsprozess abgestimmte Abluftanla-
gen sorgen für die Einhaltung der rechtlichen Vorgaben. Ein Teil des zurückgewon-
nenen Toluols wird in der Druckerei zur Verdünnung der als Konzentrat angeliefer-
ten Druckfarbe wiederverwendet. Die Überschüsse der Rückgewinnung gehen zur
Wiederverwendung an den Farbenhersteller zurück. Toluolreduzierte Farben (R-
Farben) verringern den Toluolgehalt in den Druckerzeugnissen und erhöhen die
Rückgewinnungsquote nochmals. Hauptlösemittel für Verpackungsdruckfarben sind
gegenwärtig Alkohole und Ester, als Trocknungsverzögerer werden Glykolderivate
eingesetzt.
Die verwendeten Farbpigmente sind sowohl anorganischen (z.B. Ruß) als auch or-
ganischen Ursprungs (z.B. Azo-, polyzyklische und verlackte Pigmente). Bei den
eingesetzten Bindemitteln handelt es sich überwiegend um Natur- oder Kunstharze
und Firnisse. Zunehmend werden auch Bindemittel auf Basis nachwachsender
Rohstoffe (z.B. Cellulosederivate oder Dicarbonsäuren) verwendet. Außerdem wer-
den den Tiefdruckfarben eine enorme Bandbreite verschiedenster Additive (z.B.
Netzmittel, Wachse, Weichmacher, Fungizide, Entschäumer etc.) zugesetzt, um die
Eigenschaften je nach eingesetztem Verfahren zu optimieren. Wichtigste Substanz-
klassen sind hier Wachse, Silikone, Epoxide, Phenole, Amine und organische Säu-
ren.
5. Gesetzliche Ausführungsvorschriften für verwendete Stoffe/ Stoffgruppen
Der Betrieb von Druckereien unterliegt zahlreichen gesetzliche Bestimmungen und
Verordnungen.
Grundsätzlich handelt es sich bei bestimmten Anlagen um genehmigungsbedürftige
Anlagen gemäß 4. BImschV. Seit 1993 haben sich die Mitglieder des Verbandes der
Druckfarbenindustrie in Deutschland selbst verpflichtet, giftige bzw. cancerogen,
fortpflanzungsgefährdend oder erbgutgefährdend wirkende Rohstoffe nicht mehr für
die Farbherstellung einzusetzen. Diese so genannte Ausschlussliste für Druckfarben
und zugehörige Produkte wird fortlaufend überarbeitet. Seit 1996 gilt dies europa-
weit.
Eine weitere Vereinbarung für den europäischen Raum ist die 1999 verabschiedete
„VOC-Richtlinie über die Begrenzung von Emissionen flüchtiger organischer Verbin-
dungen, die bei bestimmten Tätigkeiten und in bestimmten Anlagen bei der Ver-
wendung organischer Lösemittel entstehen“ (Richtlinie 1999/13/EG vom
19.03.1999). Diese wurde 2001 mit der Einführung der 31. BImSchV in deutsches
Recht umgesetzt. Die Neuerungen dieser Richtlinie beeinflussen Rollenoffset (Heat-
set), Tiefdruck, Flexodruck, Rotationssiebdruck, Laminierung und Klarlackauftrag.
Für diese Verfahren werden von einem bestimmten Schwellenwert an Emissions-
grenzwerte für Abgase und diffuse Emissionen festgelegt.
Branchenblatt Tiefdruck Seite 17
Altlasten-Leitfaden Schleswig-Holstein: Erfassung Anhang 11
Bezüglich des Einsatzes von PFC als Netzmittel in der Galvanik gilt seit dem
27.06.2008 eine Nutzungsbeschränkung (Richtlinie/2006/122 EG vom 12.12.2006).
Diese Richtlinie wurde in den vergangenen Jahren fortgeschrieben.
Andere Gesetze, Verordnungen und technische Regelwerke, die einen Einfluss auf
den Betrieb einer Druckerei bzw. den Einsatz von umweltrelevanten Stoffen haben,
sind u.a. zu berücksichtigen. Hierzu zählen z.B.:
- TA Luft (Abschnitt 3.1.7 Organische Stoffe)
- VAwS hinsichtlich der Lagerung und Abfüllung wassergefährdender Stoffe
(seit 2017 AwSV)
- WHG § 7a in Verbindung mit §1 Abwasserverordnung AbwV hinsichtlich der
Beschaffenheit von Abwässern (bis 1996), danach WHG § 57 bzw. 58 in
Verbindung mit § 1 Abwasserverordnung (AbwV) bzw. der Indirekteinleiter-
verordnung SH (bis 2000) sowie § 33 Landeswassergesetz SH
- Chemikaliengesetz (ChemG): gilt als Ermächtigungsgrundlage für die Ge-
fahrstoffverordnung (GefStoffV, in Verbindung mit den technischen Regeln
für Gefahrstoffe (TRGS)) und der Chemikalienverbotsverordnung (Chem-
VerbotsV)
- 1992 TRGS 404, Grenzwerte für Lösemittelgemische (1997 aufgehoben)
- 1993 Gefahrstoffverordnung (GefStoffV, Anhang V Nr. 4, Blei und anorgani-
sche Bleiverbindungen)
- 1995 Brancheninitiative der Grafischen Industrie zum Einsatz von emissi-
onsarmen Lösemitteln in Wascheinrichtungen
- 1996 TRGS 900 Arbeitsplatzgrenzwerte (Luft)
- 1996 IVU-Richtlinie (EU) bzw. 1999 Sektorenrichtlinie zur Begrenzung von
Emissionen flüchtiger organischer Verbindungen, 2010 ersetzt durch die eu-
ropäische IE-Richtlinie, in deutsches Recht umgesetzt im BImSchG und in
BImSchV
- 2007 TRGS 505 Blei
- 2007 BVT-Merkblatt für die Oberflächenbehandlung unter Verwendung von
organischen Lösemitteln
- 2008 TRGS 400 Gefährdungsbeurteilung für Tätigkeiten mit Gefahrstoffen
- 2013 TRGS 510 Lagerung von Gefahrstoffen in ortsbeweglichen Behältern
6. Altlastrelevante/altlastirrelevante Nutzungszeiträume
Tiefdruckereien bis zum Anfang des 20. Jahrhunderts (z.B. Kupferdruckanstalten
etc.) sind grundsätzlich von geringer Altlastenrelevanz, weil nur Schwermetalle und
noch keine Lösemittel in nennenswertem Umfang eingesetzt wurden. Industriell
wurde das Verfahren zumeist nur zur Illustration von Mehrfarbenseiten als Einlagen
in Lexika (Brockhaus, Meyer) genutzt. Das Tiefdruckverfahren zur Illustration von
Zeitungen wurde erstmals 1911 in Freiburg eingeführt. Vor dem Druck des Textes
durchliefen die Bahnen zunächst ein Tiefdruckwerk, bevor sie im gewöhnlichen
Hochdruck mit dem Text bedruckt wurden. Durch die Weiterentwicklung zum Licht-
satz und zur Ätzung der Platten, die dann auf Zylinder montiert wurden, bestand
seither auch die Möglichkeit, Text und Bild zugleich zu drucken. Infolge dieser Ent-
wicklung wurden zunehmend Druckerzeugnisse in hoher Auflage mit dem Tiefdruck
hergestellt. Je schneller der Druck wurde, desto flüssiger mussten die Farben mit
Seite 18 Branchenblatt Tiefdruck
Altlasten-Leitfaden Schleswig-Holstein: Erfassung Anhang 11
Hilfe von Lösemitteln angemischt werden. Zur Vermeidung von Feuergefahren wur-
den seit den 1920er Jahren Petroleum und Benzin durch Toluol und Xylol verdrängt.
Auch heute beträgt der Anteil dieser Lösemittel noch bis zu 80 Prozent in der Druck-
farbe, allerdings führten verschiedene Veränderungen in der Produktionstechnik
dazu, dass deren Einfluss auf das Gefährdungspotential der Branche erheblich ab-
genommen hat. Insbesondere sind hier die Einkapselung von Anlagen, die Absau-
gung von Emissionen und die Rückgewinnung von Lösemitteln zu nennen.
Seit ca. 1990 sind eine bedeutende Reduktion der Gesamtmenge der Lösemittel
und auch eine Substitution durch unbedenkliche Mittel zu beobachten. Zur Redukti-
on der Emission flüchtiger organischer Stoffe (VOC - Volatile Organic Compounds)
wurde in Deutschland eine Brancheninitiative angeregt. Die Hersteller von Druck-
maschinen, Wascheinrichtungen und Walzen haben sich darin verpflichtet, dass in
allen Wascheinrichtungen vom Baujahr 1995 an emissionsarme Reinigungsmittel
verwendet werden sollen. Die Lösemittelemissionen aus Waschvorgängen sind
dementsprechend seit 1995 drastisch zurückgegangen.
Reinigungsmittelreste aus den Wascheinrichtungen der Druckmaschinen sind eben-
so wie verunreinigte Filter, Einwegputzlappen (nur in Einzelfällen) und Waschtücher
aus den Wascheinrichtungen als Sonderabfall zu entsorgen. Mehrwegputzlappen,
die von Großreinigungen zur Miete angeboten werden, ermöglichen eine Wieder-
verwendung der Putzlappen.
Rest- und Abfallstoffe wie z.B. Makulatur, leere Farbgebinde, verbrauchte Entwick-
ler- und Fixierbäder sowie Metall- oder Kunststoffspäne werden mittlerweile grund-
sätzlich fachgerecht entsorgt. Druckplatten aus Aluminium oder beschichtetem Kup-
fer können zur Weiterverwertung dem Schrotthandel zugeführt werden; Druckplatten
auf Polyesterbasis werden als Hausmüll entsorgt, so dass eine Gefährdung durch
Abfallprodukte nicht mehr gegeben ist. Schwieriger ist die Entsorgung von Farbres-
ten und Waschflüssigkeiten. Da es sich hierbei z.T. um Sondermüll handelt, müssen
die geschlossenen Gebinde Spezialfirmen übergeben werden, die sie ordnungsge-
mäß entsorgen.
In Druckfarben werden zunehmend umweltverträgliche Substanzen verwendet. In
einer Selbstverpflichtung haben sich die nationalen Druckfarbenhersteller 1993 be-
reit erklärt, bestimmte Pigmente, Farbstoffe, Lösemittel, Weichmacher sowie giftige
Stoffe nicht mehr einzubringen. Mineralöle werden nach und nach durch pflanzliche
Öle (Sojaöl) ersetzt. Der Chlorgehalt der Druckfarben beträgt heute durchschnittlich
weniger als 0,5%. Schwermetalle sind nur noch im geringen Umfang in bestimmten
Druckfarben enthalten, z.B. Eisen und Mangan in anorganischen Pigmenten, Kobalt
als Trockenstoff und Kupfer in organischen Blau- und Grünpigmenten. Außerdem
hat sich durch den zunehmenden Einsatz geschlossener Systeme spätestens seit
den 1980er Jahren eine deutliche Verminderung des Gefährdungspotentials erge-
ben.
Die Druckmaschinenhallen und die Galvanikräume sind in der Regel mit Fliesen, die
sowohl Säuren und Laugen als auch Lösemitteln widerstehen, ausgerüstet, so dass
Farb- und Lösemittelverunreinigungen durch Handhabungsverluste bei der Reini-
gung in die Entwässerung gelangen, wo sie von Abscheidern aufgenommen und
Branchenblatt Tiefdruck Seite 19
Altlasten-Leitfaden Schleswig-Holstein: Erfassung Anhang 11
dann fachgerecht entsorgt werden können. Metallspäne aus der Druckzylinderbear-
beitung werden an Metallrecyclingbetriebe geliefert; Metallschlämme aus der Gal-
vanik werden, wegen des hohen Materialwertes, von spezialisierten Wiederaufberei-
tungsfirmen oder Metallhütten übernommen, so dass saure Metallschlammablage-
rungen in der Regel nicht zu befürchten sind. Risse oder ähnliches in den Fliesen
sowie defekte Dichtungen in den Muffen der Entwässerung können jedoch zum Ein-
tritt von Schadstoffen in den Boden und das Grundwasser geführt haben.
Tabelle 3 Zusammenfassung aller altlastrelevanten Aspekte und Zuordnung zu
den Branchenklassen SH
Zeitspanne Hilfsstoffe Nebenprodukte Altlastrelevante Aspekte
Branchen- klasse SH
1880 - 1925 Schwermetallfarben,
Teer- und Anilinfar-
ben, Petroleum,
Benzin
Putzlappen, Ma-kulatur, Anoden-schlamm mit Blei, Kupfer und Chrom, der an Hütten abgege-ben wurde
Schwermetalle
aus Farbrück-
ständen, ungere-
gelte Entsorgung
der Abfälle und
Abwässer, über-
wiegend kleine
Betriebe
2
1926 – 1980 Schwermetallfarben,
Mineralölfirnis, To-
luol, Xylol, Säuren
und Laugen,
Schwermetalle aus
der Galvanik; seit
ca. 1970 PFOS in
der Galvanik
Putzlappen, Ma-kulatur, Anoden-schlamm mit Blei, Kupfer, Zink und Chrom. Kup-ferfolie seit 1926, Kupferspäne seit ca. 1960, die ebenfalls an Hüt-ten abgegeben wurden
Schwermetalle,
Ätzbäder, Aro-
maten
Entsorgung der
Abfälle und Ab-
wässer
5
1981 – 1993 Schwermetallfarben,
Leinöl; Säuren und
Laugen, PFOS in
der Galvanik
Putzlappen, Ma-kulatur, Anoden-schlamm mit Kupfer, Zink und Chrom; Kupferfo-lie und Kupfer-späne.
Reduktion der
gefährdenden
Stoffe durch Ver-
ringerung, Sub-
stitution bzw.
Rückgewin-
nungstechniken;
verbesserte An-
lagentechnik
durch Kapselung
4
Seite 20 Branchenblatt Tiefdruck
Altlasten-Leitfaden Schleswig-Holstein: Erfassung Anhang 11
1994 - Ge-
genwart
Schwermetallredu-zierte Farben, Lein-öl; benzolfreies To-luol, Säuren und Laugen, PFC in der Galvanik
Mehrwegputz-
lappen, Makula-
turpapier in redu-
zierter Menge,
Metallschlamm
mit Kupfer,
Chrom und Zink;
Kupferfolie und
Kupferspäne.
Verringerung der
Altlastenrelevanz
der Druckfarben
durch Verzicht
auf gefährdende
Farbpigmente;
Verminderung
des Einsatzes
und der Immissi-
on von flüchtigen
organischen
Verbindungen;
weiter verbesser-
te Anlagentech-
nik durch Kapse-
lung
3
Branchenklasse 0: kein Gefährdungspotential Branchenklasse 1: Gefährdungspotential sehr gering Branchenklasse 2: Gefährdungspotential gering Branchenklasse 3: Gefährdungspotential mäßig Branchenklasse 4: Gefährdungspotential hoch Branchenklasse 5: Gefährdungspotential sehr hoch
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Seite 22 Branchenblatt Tiefdruck
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Altlasten-Leitfaden Schleswig-Holstein: Erfassung Anhang 11 Histinvest - Dr. Schlottau, Bremen
Branchenblatt Fahrzeugbau
Inhaltsverzeichnis Seite 1 Bezeichnung der Branche 2 2 Historischer Überblick 2 3 Allgemeiner Verfahrensverlauf 2 4 Umweltrelevante Verfahrens- und Produktionsschritte sowie Verun-
reinigungspotentiale 3 5 Gesetzliche Ausführungsvorschriften für verwendete Stoffe/
Stoffgruppen 4 6 Altlastrelevante/altlastirrelevante Nutzungszeiträume 5 7 Literaturhinweise 6
Branchenblatt Fahrzeugbau Seite 2
Altlasten-Leitfaden Schleswig-Holstein: Erfassung Anhang 11
1 Bezeichnung der Branche
Fahrzeugbaubetriebe, die hauptsächlich Spezialfahrzeuge, Fahrzeugaufbauten,
Anhänger oder Wohnwagen herstellen, entstanden seit dem Beginn der privaten
Motorisierung zu Beginn der 1920er Jahre, verstärkt aber in den 1950er Jahren.
Anfangs überwogen dabei sehr kleine Betriebe. Wartungs- und Reparaturarbeiten
an Motoren, Getrieben, der Elektrik usw. werden nicht ausgeführt.
2 Historischer Überblick
Grundsätzlich ist historisch zwischen den Werkstoffen Holz und Metall zu unter-
scheiden. Im Fahrzeugbau dominierte das Holz als Werkstoff bis zum Ende des 19.
Jahrhunderts und wurde dann zunehmend durch Eisenbleche und neuerdings auch
durch Kunststoffe abgelöst.
Der Holzfahrzeugbau wurde Wagnerei genannt und betraf die Anfertigung von Kut-
schen, Karren und Frachtfahrzeugen, die von Tieren gezogen wurden. Der Wagner
fertigte die hölzernen Speichenräder und ließ sie vom Schmied mit einem eisernen
Reifen versehen. Vom Schmied bezog er auch die eisernen Achsen und Lagerscha-
len, die er in die Radnabe einbaute. Der Wagenboden war das Fundament für den
Aufbau, der je nach Verwendungszweck offen oder gedeckt war. In der Regel wur-
den von den Wagnereien Lastfahrzeuge für die Bauern und das Fuhrwesen erbaut.
Der Metallkarosseriebau für Straßenfahrzeuge wurde industriell im Rahmen der
Serienfertigung selbsttragender Karosserien ab Mitte der 1920er Jahre eingeführt.
„Selbsttragend“ bedeutet, dass der Wagenboden und der Aufbau eine gemeinsame
Einheit bilden und ein tragender Rahmen oder Wagenboden nicht mehr erforderlich
ist.
Diese spezielle Bauweise von Fahrzeugen konnte sich jedoch nur für Personen-
kraftwagen und Luftfahrzeuge durchsetzen. Lastfahrzeuge und Güterwaggons be-
sitzen zumeist nach wie vor einen tragenden Unterbau und einen separaten Aufbau,
weil sich diese Lastfahrzeuge von allen Seiten großflächig beladen lassen müssen,
so dass ein festes Dach und seitliche feste Holme nur hinderlich wären.
Mit der selbsttragenden Karosserie verlor auch das Handwerk der Wagner im Fahr-
zeugbau an Bedeutung.
3 Allgemeiner Verfahrensverlauf
Die Anfertigung einer Karosserie bildet den Beginn des Fahrzeugbaus. Zu diesem
Zweck werden Tafel- oder Rollenbleche mit Hilfe von Stanzen und Pressen so ge-
formt, dass sie eine flache Bodengruppe mit den Aussparungen für die Radläufe,
den Motor und das Getriebe ergeben. Auf die gleiche Weise werden die seitlichen
Holme und die Dachform aus Blechen gestanzt und gepresst. Mit Hilfe von Auto-
Branchenblatt Fahrzeugbau Seite 3
Altlasten-Leitfaden Schleswig-Holstein: Erfassung Anhang 11
genschweißanlagen, die seit ca. 1960 zunehmend durch Elektroschweißanlagen
abgelöst wurden, werden die Bauteile zu einem Gehäuse zusammengefügt.
Entsprechend werden für die Herstellung von Anhängern in Fahrzeugbauwerkstät-
ten rechteckige Hohlprofile aus starken Blechen geformt, sie bilden den Unterbau
eines Anhängers. Auf diesem tragenden Bauelement werden dann entweder ge-
schlossene Aufbauten z.B. für Wohnanhänger oder Tiertransporter bzw. offene Auf-
bauten mit Plane und Spriegel für Transportanhänger befestigt.
Die wichtigste Verbindungstechnik im Fahrzeugbau ist das Schweißen. Zur Vorbe-
reitung werden die Bauteile im Bereich der Schweißnaht zuerst durch Sandstrahlen
entrostet. Der anfallende Sandabfall wurde früher häufig zusammen mit den Rost-
partikeln und eventuellen Farbresten als Kehricht auf dem Firmengelände deponiert.
Neben diversen Handwerkzeugen verfügt ein Fahrzeugbaubetrieb gewöhnlich über
folgende Einrichtungen:
Werkzeugmaschinen: u.a. Bohrmaschine, Schleifbock und Drehbank sowie
hydraulische Pressen;
Schweißanlagen: verwendet werden die Gasschmelzschweißung, elektrische
Schweißverfahren oder elektrische Punktschweißgeräte;
Über- und Unterflur-Arbeitsstände in Form von Hebebühnen oder Montage-
gruben, denen für die Bewegung schwergewichtiger Teile zumeist auch Hebe-
einrichtungen wie z.B. Laufkatzen oder Werkstattkräne zugeordnet sind;
Kompressoren für die Erzeugung von Druckluft für verschiedenste Zwecke,
z.B. zum Reifenfüllen, für die Hebebühne, zum Sandstrahlen oder zum Reinigen
durch Ausblasen.
Die in Fahrzeugbauwerkstätten durchgeführten Arbeiten umfassen nicht die allge-
meine Pflege der Fahrzeuge, laufende Wartungsarbeiten oder Instandsetzungs- und
Reparaturarbeiten (siehe Branchenblatt KFZ-Werkstätten).
Die Lackierung der Fahrzeuge oder Fahrzeugteile erfolgt in der Lackiererei, hier
werden auch Schleif- und Grundierungsarbeiten ausgeführt. Meist werden die Lacke
mit einem Druckluftkompressor in stark verdünnter Form mehrschichtig aufgetragen.
Die Lackierkabine ist zum Schutz der Mitarbeiter und der Umwelt von der Werkstatt
getrennt und verfügt heutzutage über eine Abluftanlage mit Lösungsmittelfilter. Hin-
ter der Lackierkabine befindet sich eine Trockenkabine, in der der Lacküberzug un-
ter Einsatz von Strahlungswärme schnell austrocknet. Diese „Einbrennkammer“ ist
ebenfalls an das Abluftsystem angeschlossen (siehe Branchenblatt Lackiererei).
4 Umweltrelevante Verfahrens- und Produktionsschritte sowie Verunreinigungspotentiale
In der Anfangszeit der Eisenbahnen und der Motorfahrzeuge wurden die Fahrzeug-
aufbauten grundsätzlich noch aus Holz hergestellt, während die Fahrgestelle bereits
aus Stahl bestanden. Das Gefährdungspotential des Holzbaus ist mit dem anderer
holzbearbeitender Branchen wie z.B. Tischlereien und Zimmereien vergleichbar.
Branchenblatt Fahrzeugbau Seite 4
Altlasten-Leitfaden Schleswig-Holstein: Erfassung Anhang 11
Verunreinigungen können insbesondere durch Holzkonservierungen und die Ver-
wendung teerhaltiger Abdichtungen entstanden sein (siehe Branchenblatt Zimme-
rei).
Der Fahrzeugbau ist ansonsten prinzipiell als Stahlbau mit einem geringen Schad-
stoffspektrum anzusehen. Es handelt sich überwiegend um Eisenschrott (Blech,
Schweißschlackenkrümel etc.) und geringe Mengen an Sandstrahlrückständen. Da
die Fahrgestelle aber mittels Grundierung und Farbe vor Rostbildung geschützt
werden müssen, können Verunreinigungen durch schwermetallhaltige Farben auf-
treten. Außerdem ist u.a. von der Verwendung von Schmierfetten, Ölen (z.T. PCB-
haltig) und Lösungsmitteln auszugehen.
Des Weiteren ist bis in die 1960er Jahre Karbidschlamm aus den Acetylengasent-
wicklern angefallen, welcher aufgrund seiner Alkalität einen Einfluss auf die Löslich-
keit von Schadstoffen im Boden bzw. Grundwasser haben kann.
Als Kontaminanten in der Lackiererei treten metall- oder kunststoffhaltige Schleif-
stäube, wässrige Lackschlämme, Lackgebinde, Filtermatten, Abdeckmaterial und
halogenierte sowie nicht-halogenierte Lösungsmittel als Verdünner auf.
Neben den abteilungsgebundenen Verunreinigungen können Kontaminationen
durch zentrale Einrichtungen wie Druckluftkompressoren, Ladestationen, Wasch-
plätze, Abwasser- und Abscheidereinrichtungen sowie Sammelbehälter entstehen,
die in jedem größeren Betrieb anzutreffen sind. Hierbei ist insbesondere der mögli-
che Einsatz PCB-haltiger Hydrauliköle zu beachten. Außerdem bleibt fraglich, in-
wieweit kleinere Betriebe überhaupt über Schlammfänge und Abscheider verfügten.
5 Gesetzliche Ausführungsvorschriften für verwendete Stoffe/ Stoffgruppen
Seit dem 1. November 1986 erfolgt die Entsorgung von Altölen nach Maßgabe des
Abfallgesetzes. Durch den dort festgelegten weiten Altölbegriff werden grundsätzlich
alle flüssigen oder halbflüssigen Stoffe erfasst, die mineralölbürtig sind, sowie syn-
thetische Kohlenwasserstoffe, aber auch sonstige ölartige Stoffe, z.B. synthetische
Öle auf der Basis von PCB und halogenhaltige Ersatzprodukte. Unter den neuen
Altölbegriff fällt auch eine Reihe von Lösemitteln, insbesondere Testbenzine,
Waschbenzine und lösemittelhaltige Reiniger.
Mit der Altöl-Verordnung (27.10.1987) wurde eine ausreichend dimensionierte
Ölauffangwanne unter dem Altölbehälter Vorschrift. Die Abnahme und Kontrolle der
Einrichtung erfolgte zunächst über das Gewerbeaufsichtsamt, heute über die Staat-
lichen Umweltämter. Die Entsorgung wird von zertifizierten Firmen durchgeführt.
Seit Eintreten der Abfallgesetze und Gefahrstoff-Verordnungen (Mitte bis Ende der
1980er Jahre) müssen alle Betriebsflüssigkeiten und ölverschmutzten Betriebsmittel
getrennt gesammelt und einem Verwerter zugeführt werden.
Branchenblatt Fahrzeugbau Seite 5
Altlasten-Leitfaden Schleswig-Holstein: Erfassung Anhang 11
Tabelle 1 Altlastrelevante Stoffe und ihr zeitlicher Einsatz
Stoff Nutzung Verstärkte An-
wendung ab Verwendungsbe-schränkung/ Ver-
bot
PCB (Polychlorierte Biphenyle).
1
Einsatz z.B. in Kühl- und Hyd-raulikölen sowie Motorölen
ca. 1930 1978/1989
LCKW.2 Lösungs- und Reinigungsmit-
tel (Kaltreiniger) ca. 1925 1981/1986 (zum
Teil)
BTEX.3 Lösungs- und Reinigungsmit-
tel im Werkstattbetrieb, Be-standteil des Vergaserkraft-stoffs.
ca. 1925 1986 (zum Teil)
1
26.7.1978 10.BImSchV: Verwendungsbeschränkung auf geschlossene Systeme; 18.7.1989, PCB-Verbotsverordnung: Herstellungs-, Inverkehrsbringungs- und Verwen- dungsverbot, 1993 durch ChemVerbotsV abgelöst. 2 9/1981 Technische Regel für gefährliche Arbeitsstoffe TrgA 502: Verwendungsbe-
schränkung für Tetrachlorkohlenstoff; 21.4.1986 2.BImSchV: Verordnung zur Emissionsbeschränkung von leichtflüchtigen Halogenwasserstoffen, Anwendungsbeschränkungen 1990 in der Neufassung verschärft. 3 26.8.1986 GefStoffV: Verwendungsbeschränkung für Benzol auf geschlossene Systeme.
6 Altlastrelevante/altlastirrelevante Nutzungszeiträume
Fahrzeugbaubetriebe waren zu keinem Zeitpunkt altlastirrelevant. Je nach Alter und
Größe der Werkstatt sowie in Abhängigkeit von den genutzten Lösungsmitteln usw.
können unterschiedliche Gefährdungspotentiale vorliegen. Grundsätzlich wird bei
der vorliegenden Einstufung jedoch davon ausgegangen, dass trotz eines ver-
gleichbaren Schadstoffspektrums der Stoffumsatz und das Abfallaufkommen in den
Fahrzeugbaubetrieben erheblich geringer ist als bei KFZ-Werkstätten.
Die Wagnerei als historischer Kern der Branche ist überwiegend durch potentielle
Verunreinigungen aufgrund der verwendeten Holzkonservierungsstoffe, Farben,
Lacke und Lösungsmittel gekennzeichnet. Mit dem Übergang in eine Metallverarbei-
tung kamen Sandstrahlrückstände, Schwermetalle, Fette, Öle, Lösungsmittel usw.
hinzu.
Durch den vermehrten Einsatz grundwassergefährdender, CKW-haltiger Reini-
gungs- und Lösungsmitteln bis in die 1980er Jahre liegt daher trotz besserer Aus-
stattung der Werkstätten und des Entwässerungssystems ein gleichbleibendes Ge-
fährdungspotential vor. Bis in die Gegenwart haben sich infolge umweltgesetzlicher
Eingriffe bedeutende Verbesserungen ergeben, eine Umweltgefährdung kann je-
doch trotzdem nicht vollständig ausgeschlossen werden.
Branchenblatt Fahrzeugbau Seite 6
Altlasten-Leitfaden Schleswig-Holstein: Erfassung Anhang 11
Tabelle 2 Zusammenfassung aller altlastrelevanten Aspekte und Zuordnung zu
den Branchenklassen SH
Zeitspanne Hilfsstoffe Nebenprodukte Altlastrelevante
Aspekte Branchen-klassen SH
1880 – 1930 Fette, Holzkonser-
vierungsstoffe,
aliphatische Lö-
sungsmittel.
Holzspäne. Keine Bodenbe-
festigung oder
Abwassersysteme
in den Werkstät-
ten.
1
1931 – 1950 Laugen, Öle, Teer-
öle, Lacke, PCB,
Lösungsmittel aller
Art, Rostschutzan-
striche, Schmierstof-
fe.
Metallspäne,
Lackreste,
schwermetall-
haltige Farb-
schlämme, ver-
brauchte Lö-
sungsmittel,
Sandstrahlrück-
stände, Karbid-
schlamm.
Werkstattböden
zumeist nicht öl-
dicht, Sammelan-
lagen und Ab-
scheider für Öle
etc. sind die Aus-
nahme.
3
1951 – 1985 Öle, Waschbenzine,
BTEX, LCKW, Rost-
schutzanstriche,
Lacke, Schmierstof-
fe, PCB.
Metallspäne,
Lackreste,
schwermetall-
haltige Farb-
schlämme, ver-
brauchte Lö-
sungsmittel,
Sandstrahlrück-
stände
Zunahme des
Einsatzes von
CKW-haltigen
Lösungsmitteln.
3
1986 – Ge-
genwart
Öle, Waschbenzine,
BTEX, Tenside,
Rostschutzanstri-
che, Schmierstoffe,
Lacke.
Metallspäne,
Lackreste,
schwermetall-
haltige Farb-
schlämme,
Sandstrahlrück-
stände, verbrau-
chte Lösungsmit-
tel
Verbot von Kaltrei-
nigern, halogenier-
ten Lösungsmitteln
usw., Altölverord-
nung, Ein-satz
wasserlöslicher
Farben.
2
Branchenklasse 0: kein Gefährdungspotential Branchenklasse 1: Gefährdungspotential sehr gering Branchenklasse 2: Gefährdungspotential gering Branchenklasse 3: Gefährdungspotential mäßig Branchenklasse 4: Gefährdungspotential hoch Branchenklasse 5: Gefährdungspotential sehr hoch
7 Literaturhinweise
HELLER, A.: Motorwagen und Fahrzeugmaschinen für flüssigen Brennstoff. Ein
Lehrbuch für den Selbstunterricht und für den Unterricht an technischen Lehranstal-
ten. Springer-Verlag, Berlin, 1912.
HESSEL, W.: Der Fahrrad- und Motorfahrzeugbau. Leipzig, 1905.
KÖNIG, W. u.a.: Schadstoffe beim Schleifvorgang. Schriftenreihe Bundesanstalt für
Arbeitsschutz, Fb. 427. Dortmund, 1985.
Branchenblatt Fahrzeugbau Seite 7
Altlasten-Leitfaden Schleswig-Holstein: Erfassung Anhang 11
SCHOLLAIN, W.: Handbuch für die Kraftfahrzeuginstandsetzung. Band 1: Grundla-
gen. Springer-Verlag, Berlin, 1955.
STEINITZ, E. W.: Richtige Maschinenschmierung. Kraftmaschinen, Arbeitsmaschi-
nen, Transportwesen, Fahrzeuge. Kurzer Wegweiser für die Praxis. Berlin, 1932.
TRZEBIATOWSKY, H.: Die Fahrzeuge und ihre Instandhaltung. Ein Lehr- und
Nachschlagebuch für Fahrzeugmechaniker, Fahrzeugelektriker, für Reparaturwerk-
stätten, Meisterkurse und Fachschulen. Band 2: Instandhaltung der Fahrzeuge,
Sondergruppen, Tabellen und Anhang, 15. neubearbeitete Auflage. Giessen, 1972.
WEINER, R.: Die Abwässer der Metallindustrie (Metallverarbeitende und galvano-
technische Betriebe), 3. erweiterte Auflage. Eugen Leuze Verlag, Saulgau, 1965.
Altlasten-Leitfaden Schleswig-Holstein: Erfassung Anhang 11 Histinvest - Dr. Klaus Schlottau, Bremen
Branchenblatt Feinmechanische
Werkstätten
Inhaltsverzeichnis Seite
1 Bezeichnung der Branche 2
2 Historischer Überblick 2
3 Allgemeiner Verfahrensablauf 2
4 Umweltrelevante Verfahrens- und Produktionsschritte sowie Verun-
reinigungspotentiale 3
5 Gesetzliche Ausführungsvorschriften für verwendete Stoffe/
Stoffgruppen 5
6 Altlastrelevante/altlastirrelevante Nutzungszeiträume 5
7 Literaturhinweise 7
Abb. 1: Lehrwerkstatt eines feinmechanischen Großbetriebes um 1950 (Quel-le: STADLMANN).
Branchenblatt Feinmechanische Werkstätten Seite 2
Altlasten-Leitfaden Schleswig-Holstein: Erfassung Anhang 11
1 Bezeichnung der Branche
In feinmechanischen Betrieben werden unterschiedlichste mechanische bzw. elekt-
romechanische Kleingeräte aus Metall gefertigt, überarbeitet oder repariert. Das
Arbeitsgebiet reicht von der Schraubenanfertigung über die Herstellung von Arma-
turen und Gehäusen bis hin zum Bau kompletter mechanischer/elektromecha-
nischer Geräte wie Rechen-, Schreib- und Nähmaschinen, Pumpen oder Automa-
ten. Der Ursprung der Branche ist im Uhren- und Instrumentenbau zu suchen.
In Abgrenzung zum allgemeinen Maschinen- bzw. Apparatebau, wo seit der Indust-
rialisierung immer größere Maschinen hergestellt wurden, hat die Feinmechanik die
Aufgabe, in immer kleineren Dimensionen alle notwendigen mechanischen Funktio-
nen von Maschinen oder Automaten zu vereinen. Größere feinmechanische Betrie-
be („Fabriken“) sind eher dem Apparatebau zuzuordnen und werden im entspre-
chenden Branchenblatt berücksichtigt.
2 Historischer Überblick
Feinmechanische Werkstätten wurden zumeist als Handwerksbetriebe in Universi-
täts- und Hafenstädten gegründet, waren aber zum Ende des 19. Jahrhunderts
auch in ländlichen Bezirken anzutreffen.
Zunächst wurden aus den metallischen Werkstücken mit Hilfe von Handwerkzeu-
gen und kleinen Drehbänken nur einfache Waagen und Messgeräte aller Art, ver-
messungstechnische Instrumente, nautische Geräte, Rechenmaschinen oder Blen-
den hergestellt. Später, etwa seit Beginn der industriellen Revolution (ca. 1870),
stieg der Bedarf an Steuerungs- und Regelmechanismen, so dass parallel zur Ver-
feinerung der Mechanik auch elektrische Relais und Steuerungen in der Feinme-
chanik verwendet wurden.
3 Allgemeiner Verfahrensablauf
Die Bearbeitungsschritte der feinmechanischen Werkstätten sowie deren Entwick-
lung sind im Allgemeinen eng an die bekannten Verfahren der Dreherei (siehe
Branchenblatt Dreherei) und Schlosserei (siehe Branchenblatt Schlosserei) ange-
lehnt. Unterschiede bestehen hauptsächlich in der Dimension der Werkstücke und
Arbeitsmaschinen.
Als Roh-/Arbeitsmaterial dienen vorwiegend Messing, Bronze bzw. Legierungen wie
z.B. Neusilber, seit den 1970er Jahren zunehmend auch Aluminium und Edelstahl.
Außerdem werden in geringerem Umfang Hartgummi und Kunststoffe be- und ver-
arbeitet.
Branchenblatt Feinmechanische Werkstätten Seite 3
Altlasten-Leitfaden Schleswig-Holstein: Erfassung Anhang 11
Abb. 2: Hörgeräteeinzelanfertigung Mitte der 1960er Jahre (Quelle: STADT-
ARCHIV KIEL).
Der spanenden Formung schließt sich vielfach eine Verlötung von Werkstücken an.
Gebräuchlich sind sowohl die Hartlötung unter Verwendung von Silberlot als auch
die Weichlötung unter Verwendung von Zinn oder Bleizinn. Die Reinigung der zu
lötenden Werkstücke erfolgt mit Salzsäure, als Flussmittel dient u.a. Borax (siehe
Branchenblatt Arbeitstechniken und Verfahren der Metallbearbeitung).
Die abschließende Veredelung der Metalloberflächen kann rein mechanisch durch
Polieren erfolgen, wobei das fertige Werkstück entweder mittels gepreßtem Filz mit
Polierpasten („Polierrot“) blank gerieben wird oder mit Hilfe geeigneter Schmirgel
eine Strichpolitur erhält (siehe Branchenblatt Metallschleiferei). Gelegentlich werden
die Werkstücke noch über einer offenen Flamme gebläut. In Einzelfällen wurden die
Oberflächen aber auch durch Galvanisieren, häufig ein Vernickeln oder Verchro-
men, veredelt (siehe Branchenblatt Galvanische und Feuermetall-Industrie).
4 Umweltrelevante Verfahrens- und Produktionsschritte
sowie Verunreinigungspotentiale
Die spanabhebende Metallbearbeitung wird in einem offenen Kreislauf der Kühl-
schmierstoffe betrieben, so dass Handhabungsverluste unvermeidlich sind. Da die
Metallspäne von Ölen und Emulsionen vollständig benetzt sind, kommt es zu Aus-
tragungs- und Abtropfverlusten. Darüber hinaus muss das gesamte Kreislaufsystem
regelmäßig mit Lösungsmitteln gereinigt werden, um Verseifungen und Verharzun-
gen zu beseitigen. Außerdem wird nicht nur die Werkzeugmaschine, sondern vor
allem auch das Werkstück vor der weiteren Bearbeitung entölt. Vor einer weiteren
Oberflächenbehandlung erfolgt daher in der Regel eine Reinigung mit Lösungsmit-
teln oder eine Beize (siehe Branchenblatt Dreherei).
Branchenblatt Feinmechanische Werkstätten Seite 4
Altlasten-Leitfaden Schleswig-Holstein: Erfassung Anhang 11
Abb. 3: Mittelständischer Betrieb Anfang des 19. Jahrhunderts (Quelle: STADL-
MANN).
Sofern eine galvanische Oberflächenveredelung der Werkstücke, die vielfach in
Tauchbädern erfolgte, vorgenommen wurde, wurden verschiedene Säuren und
Laugen sowie Cyanide eingesetzt. Leckagen an den Bädern sowie Handhabungs-
und Abtropfverluste stellen hier die Hauptursachen für mögliche Kontaminationen
dar.
Die Altlastenrelevanz der feinmechanischen Werkstätten resultiert aus der Verwen-
dung und Lagerung von Bohrölen, Kühlschmierstoffen, organischen Lösungsmitteln
sowie der Lagerung von Spänen ohne ausreichende Sicherung des Untergrundes.
Als Kontaminanten können hauptsächlich Öle, PCB, PCP, BTEX, CKW und Kühl-
schmierstoffe auftreten. Kritische Schadstoffe im Zusammenhang mit Kühlschmier-
stoffen waren (und sind) Nitrit und Chlorverbindungen sowie bis in die 1980er Jahre
polychlorierte Biphenyle (PCB). In den Kühlschmierstoffen befinden sich weitere
Additive wie z.B. Amine, Fungizide, Bakterizide und Emulgatoren (nähere Einzelhei-
ten siehe Branchenblatt Arbeitstechniken und Verfahren der Metallbearbeitung).
Branchenblatt Feinmechanische Werkstätten Seite 5
Altlasten-Leitfaden Schleswig-Holstein: Erfassung Anhang 11
5 Gesetzliche Ausführungsvorschriften für verwendete
Stoffe/ Stoffgruppen
Tabelle 1 Altlastrelevante Stoffe und ihr zeitlicher Einsatz
Stoff Nutzung Verstärkte
Anwendung
ab
Verwendungsbe-
schränkung/ Ver-
bot
PCB (Polychlorier-te Biphenyle).
1
Einsatz in Kühl- und Hydraulik-ölen, um die Entzündungstempe-ratur zu erhöhen.
ca. 1930 1978/1989
Wassermischbare Kühlschmierstoffe (N-Nitrosamin-Bildung).
2
Schmier- und Kühlmittelersatz für Öle mit Flammschutzmitteln.
ca. 1955 1997
PCP (Pentachlor-phenol).³
Einsatz in Emulsionen zur Halt-barmachung.
ca. 1930 1986/1989
LCKW.4 Lösungs- und Reinigungsmittel
(Kaltreiniger) im Werkstattbe-trieb.
ca. 1925 1981/1986 (zum Teil)
BTEX.5 Lösungs- und Reinigungsmittel
im Werkstattbetrieb. ca. 1925 1986 (zum Teil)
1
26.7.1978 10.BImSchV: Verwendungsbeschränkung auf geschlossene Systeme; 18.7.1989, PCB-Verbotsverordnung: Herstellungs-, Inverkehrsbringungs- und Verwen- dungsverbot, 1993 durch ChemVerbotsV abgelöst. 2 4/1997 Technische Regel für Gefahrstoffe TRGS 611, Verwendungsbeschränkungen für
wassermischbare bzw. wassergemischte Kühlschmierstoffe, bei deren Einsatz N-Nitrosamine auftreten können (Verbot von Nitrit im KSS) 3
26.8.1986 GefStoffV: Verwendungsbeschränkung für PCP, z.B. nicht in Aufenthalts- räumen einzusetzen; 12.12.1989 PCP-Verbotsverordnung: Herstellungs-, Inverkehrsbringungs- und Verwen- dungsverbot, 1993 abgelöst durch ChemVerbotsV. 4 9/1981 Technische Regel für gefährliche Arbeitsstoffe TrgA 502: Verwendungsbeschrän-
kung für Tetrachlorkohlenstoff; 21.4.1986 2.BImSchV: Verordnung zur Emissionsbeschränkung von leichtflüchtigen Halogenwasserstoffen, Anwendungsbeschränkungen 1990 in der Neufassung verschärft. 5 26.8.1986 GefStoffV: Verwendungsbeschränkung für Benzol auf geschlossene Systeme.
6 Altlastrelevante/altlastirrelevante Nutzungszeiträume
Die Entwicklungen in der spanabhebenden Metallverarbeitung seit Anfang des 20.
Jahrhunderts stellten erhöhte Anforderungen an die Maschinen, die Handhabung
der Werkzeuge und den Umgang mit den zu bearbeitenden Materialien.
Durch die verbesserten Schneidstähle ergaben sich zunehmend höhere Schnittge-
schwindigkeiten, die eine Schmierung und Kühlung der Werkstücke und -zeuge
erforderlich machten. Während anfänglich noch Seifenwasser, das auf die Grenz-
flächen gespritzt wurde, zur Werkzeug/-stückkühlung ausreichte, musste seit der
Einführung der Schnellschnittstähle zunehmend auf wärmeleitende, hochsiedende
Öle und Emulsionen zurückgegriffen werden. Diese Öle benötigen seit dem Ende
der 1920er Jahre Chlororganika (z.B. PCB) als Flammschutz; Emulsionen mussten
Branchenblatt Feinmechanische Werkstätten Seite 6
Altlasten-Leitfaden Schleswig-Holstein: Erfassung Anhang 11
seither mit Emulgatoren, Fungiziden und Bakteriziden (z.B. PCP) hergestellt und
haltbar gemacht werden. Mit einer verstärkten Anwendung ist in Schleswig-Holstein
etwa seit Anfang der 1930er Jahre zu rechnen.
Das Reinigen der Werkstücke erfolgte in der Regel bis Ende der 1950er Jahre
hauptsächlich durch die Verwendung von Benzin bzw. BTEX, erst danach erfolgte
ein verstärkter CKW-Einsatz. Steigende Metallpreise in den Jahren zwischen 1960
und 1980, besonders nach der Einführung des Abfallwirtschaftsgesetzes, führten
zudem dazu, Drehspäne in möglichst sauberer Form wiederzuverwenden, so dass
diese häufig schon beim Erzeuger mit Kaltreinigern oder anderen Lösungsmitteln
entölt wurden.
Veränderungen in der Bewertung der Umweltrelevanz ergeben sich insbesondere
für den Zweiten Weltkrieg, da feinmechanische Werkstätten, die der Rüstungspro-
duktion dienten, der Kontrolle ziviler Aufsichtsbehörden weitgehend entzogen wa-
ren, und daher häufig in baulichen Anlagen arbeiteten, die für Gewerbebetriebe
auch nach damaligem Stand der Technik nicht geeignet waren. Es fehlte zumeist
an einer Befestigung des Fußbodens sowie an geeigneten Abwasseranlagen. Ähn-
lich ist die Nachkriegszeit zu beurteilen, da behördliche Kontrollen zu diesem Zeit-
punkt nur eingeschränkt durchgeführt wurden.
Darüber hinaus ist unter Umständen zu berücksichtigen, dass bis in die 1950er/
1960er Jahre hinein auch feinmechanische Werkstätten z.T. über kleinere eigene
Galvanisiereinrichtungen verfügten, in denen vorwiegend vernickelt oder verchromt
wurde. Sofern ein entsprechender Hinweis auf diesen Nutzungsaspekt vorliegt, ist
bei der Branchenklassenzuordnung ein Abgleich mit dem Branchenblatt Galvani-
sche und Feuermetall-Industrie erforderlich.
Tabelle 2 Zusammenfassung aller altlastrelevanten Aspekte und Zuordnung zu
den Branchenklassen SH.
Zeitspanne Hilfsstoffe Nebenprodukte Altlastrelevante
Aspekte
Branchen-
klasse SH
bis 1900 Seifen, Wasser,
Säuren, Lotmaterial,
Flussmittel.
Metallspäne. keine Abwasser-
anlagen, keine
Bodenbefestigung
0
1900 –
1930
Seifen, Wasser,
erste Bohröle ohne
PCB, Säuren, Lot-
material, Flussmittel.
gering verölte Me-
tallspäne.
keine Abwasser-
anlagen, keine
Bodenbefestigung
0
1931 –
1960
Bohr- und Schneid-
öle, PCB, Emulsio-
nen, Fungizide, Bak-
terizide, BTEX,
Waschbenzin, Säu-
ren, Lotmaterial,
Flussmittel.
ölige Metallspäne;
Ölschlämme mit
PCB, Schwermetal-
le.
Abscheider sind in
Einzelfällen ab
1930 auf Weisung
der Gewerbeauf-
sicht nachweisbar.
3
Branchenblatt Feinmechanische Werkstätten Seite 7
Altlasten-Leitfaden Schleswig-Holstein: Erfassung Anhang 11
1961 –
1980
Bohr- und Schneid-
öle, PCB, Emulsio-
nen, Fungizide, Bak-
terizide, BTEX,
CKW, Säuren, Lot-
material, Flussmittel.
ölige Metallspäne;
Ölschlämme mit
PCB, Schwermetal-
le.
Entölen der Späne
mit CKW.
4
1981 –
Gegenwart
Bohr- und Schneid-
öle, Emulsionen,
BTEX, Fungizide,
Bakterizide, Säuren,
Lotmaterial, Fluss-
mittel.
Ölige Metallspäne;
Ölschlämme,
Schwermetalle.
Verbot des Einsat-
zes von verschie-
denen Schadstof-
fen, geregelte Ab-
fallentsorgung.
2
Branchenklasse 0: kein Gefährdungspotential Branchenklasse 1: Gefährdungspotential sehr gering Branchenklasse 2: Gefährdungspotential gering Branchenklasse 3: Gefährdungspotential mäßig Branchenklasse 4: Gefährdungspotential hoch Branchenklasse 5: Gefährdungspotential sehr hoch
7 Literaturhinweise
BECK, A.: Vom Zirkelschmied zum Mechaniker. Ein Beitrag zur Geschichte der
Feinmechanik in Sachsen. In: Photographie und Forschung, Jahrgang 3. Dresden,
1941.
BOSCH, ROBERT AG (HRSG.): Handbuch für Lehrlinge der allgemeinen Feinme-
chanik. Eigenverlag der Robert Bosch AG, Stuttgart, 1928.
LAßWITZ, E.: Von Maschinen, die schreiben und rechnen. Mercedes-Verlag, Zella-
Mehlis, 1936.
LUEGER, O. (HRSG.): Lexikon der gesamten Technik und ihrer Hilfswissenschaf-
ten, VII. Band, zweite Auflage. Deutsche Verlags-Anstalt, Stuttgart und Leipzig,
1938.
MOMMERTZ, K. H.: Bohren, Drehen und Fräsen. Rohwohlt Verlag, Reinbek, 1981.
ROHR, B.; WIELE, H. (HRSG.): Lexikon der Technik. VEB Bibliographisches Insti-
tut, Leipzig, 1982.
STADLMANN, F.: Vom Tagwerk der Jahrhundertwende. Europa-Verlag, Wien,
1985.
Altlasten-Leitfaden Schleswig-Holstein: Erfassung Anhang 11 Histinvest – Dr. Klaus Schlottau, Bremen
Branchenblatt Galvanische und Feuermetall-Industrie
Inhaltsverzeichnis Seite 1 Bezeichnung der Branche 2 2 Historischer Überblick 2 3 Allgemeiner Verfahrensablauf 4 4 Umweltrelevante Verfahrens- und Produktionsschritte sowie Verun-
reinigungspotentiale 6 5 Gesetzliche Ausführungsvorschriften für verwendete Stoffe/
Stoffgruppen 8 6 Altlastrelevante/altlastirrelevante Nutzungszeiträume 8 7 Literaturhinweise 9 Abb. 1: Größter Metalloberflächen-Veredelungsbetrieb in Schleswig-Holstein in
den 1950er Jahren (Quelle: HANOW).
Foto
Branchenblatt Galvanische und Feuermetall-Industrie Seite 2
Altlasten-Leitfaden Schleswig-Holstein: Erfassung Anhang 11
1 Bezeichnung der Branche
Die Beschichtung von Gebrauchsgegenständen und Werkzeugen mit verschiede-
nen Materialien (z.B. Metall, Glas/Emaille, Kunststoff) dient dem Schutz vor Korrosi-
on, Dekorationszwecken, der Veredelung minderwertiger Materialien oder der Ver-
besserung physikalischer Eigenschaften. In diesem Branchenblatt wird nur auf die
Beschichtung von Materialien mit Metallen eingegangen, nicht aber auf Verfahren,
bei denen eine Umwandlung der Metalloberfläche stattfindet (z.B. Aloxidieren).
Die Beschichtung kann auf mechanischem (Plattierung), metallurgischem (Feuer-
vergoldung, Feuerverzinkung) oder elektrochemischem Wege (Galvanisierung)
durchgeführt werden. Grundsätzlich lässt sich jeder Werkstoff mit einer oder mehre-
ren der genannten Beschichtungsmethoden veredeln. Grenzen bilden allein die
Bruchfestigkeit und der Flammpunkt des zu beschichtenden Materials: Holz und
Kunststoff können nicht feuerverzinkt, Keramik kann nicht plattiert werden. Da das
Plattieren, eine Beschichtungstechnik mit Hilfe von Treibhämmern und Wärme, in-
dustriell keine Bedeutung hat und hauptsächlich im Kunstgewerbe ausgeübt wird,
wird diese Technik in der folgenden Darstellung vernachlässigt.
Galvanische Betriebe, historisch oft auch als Vernickelungs- oder Verchromungsbe-
triebe bezeichnet, und Feuerverzinkereien können sowohl Einzelbetriebe im hand-
werklichen Maßstab, als auch Firmen mit einer Belegschaftsstärke von bis zu 100
und mehr Personen sein. Andererseits sind sie oft Bestandteil größerer Metallbe-
triebe (z.B. in Walzwerken, Fahrzeugfabriken etc.).
2 Historischer Überblick
Die Feuerbeschichtung von Metallen gab es bereits in der Antike, sie ist damit we-
sentlich älter als die Galvanisierung, die um 1840 zunächst im Kunstgewerbe und
um 1880 auch in der Industrie, eingeführt wurde. Die Feuerbeschichtung erfolgt
entweder im Schmelztauchbad oder im Metallspritzverfahren. Bei dieser Technik
wird mit Hilfe eines Lötrohrs das z.B. in einer Gasflamme geschmolzene Metall auf
das Werkstück gespritzt. Das Werkstück und die Schmelze gehen hierbei im Grenz-
bereich eine Legierung ein: der Vorgang entspricht daher dem Löten, dient aber
nicht der Verbindung zweier Werkstücke.
Das elektrochemische Verfahren der Galvanik entstand um 1840 gleichzeitig in allen
sich industrialisierenden Ländern. Voraussetzung für das Verfahren war die Exis-
tenz leistungsfähiger galvanischer Elemente (Batterien), um den benötigten Strom-
fluss und die Stromdichte zu erhalten. Die Galvanik basiert auf der Erkenntnis, dass
von einem elektropositiven Element (Anode) zu einem elektronegativen Element
(Kathode) solange ein Strom geladener Teilchen fließt, bis die Differenz ausgegli-
chen ist.
Historisch betrachtet, wurden bis in die beginnende Neuzeit (18. Jahrhundert) zu-
meist nur kleine Metallteile mit Edelmetallen beschichtet. Gold- und Silberschmiede
dominierten in der Feuerbeschichtung. Erst als mit der beginnenden Industrialisie-
Branchenblatt Galvanische und Feuermetall-Industrie Seite 3
Altlasten-Leitfaden Schleswig-Holstein: Erfassung Anhang 11
rung erste Massenartikel für den Konsum (gegossene Metallknöpfe, Besteck- und
Haushaltswaren) hergestellt wurden, erfolgten die Feuerbeschichtungen in einem
Bad aus geschmolzenem Metall. Obgleich seither kein offenes Feuer mehr im Ver-
fahren vorhanden war, blieb die Bezeichnung erhalten.
Abb. 2: Feuerverzinkerei in den 1950er Jahren (Quelle: HANOW)
Zunächst wurden in der Galvanik mangels leistungsstarker Batterien nur kleine Ge-
genstände bearbeitet. Man benötigte hierfür ein Bad mit einer leitenden Flüssigkeit,
in welches das Beschichtungsmetall als Anode und das Werkstück als Kathode ein-
gehängt wurden. Sobald an der Anode Strom angelegt wurde, begannen die gela-
denen Metallionen zu wandern. In der Massenfertigung wurden die Werkstücke
(z.B. Besteckteile) an einem leitenden Draht aufgehängt und durch das galvanische
Bad gezogen. Noch kleinere Teile, z.B. Metallknöpfe oder Kugellager, wurden auf
einem leitenden Metallsieb bearbeitet. Eine Sonderentwicklung, auf die hier nur kurz
eingegangen wird, ist die Galvanoplastik. Auf einem billig und schnell zu erstellen-
den Matrizenmaterial, z.B. eine Gipsbüste, wurde galvanisch ein Edelmetall aufge-
tragen. Im Gegensatz zur traditionellen Gießerei war diese Methode für die Massen-
fertigung geeignet und benötigte wenig Material und Nachbearbeitungszeit.
In den 1870er Jahren wurden Generatoren mit hoher Leistung entwickelt. Seither
war die Galvanik nicht mehr auf die teuren, leistungsschwachen Batterien angewie-
sen.
Durch Elektroraffination aus der Schmelze konnten zudem sehr reine Metallbarren
hergestellt werden, die in großen Bädern für die galvanische Beschichtung einsetz-
bar waren. Parallel gelang es, Metalle direkt aus den häufig cyanidhaltigen Lösun-
gen der galvanischen Bäder auf den Werkstücken abzuscheiden, so dass allseitig
gleichmäßige und sehr dünne Überzüge möglich wurden, die wenig Material ver-
brauchten und kaum Polierarbeit erforderten. Seither wurden nicht nur die Kleinteile,
Branchenblatt Galvanische und Feuermetall-Industrie Seite 4
Altlasten-Leitfaden Schleswig-Holstein: Erfassung Anhang 11
sondern auch ganze Konstruktionselemente und Bleche in galvanischen Bädern
veredelt. Als Beschichtungsmetalle sind neben den Edelmetallen insbesondere Kup-
fer, Zinn, Cadmium, Chrom und Nickel zu nennen.
Zink wird in galvanischen Bädern nur bei extrem hoher Stromdichte als gleichmäßi-
ger Überzug abgeschieden, ansonsten entsteht eine schwammartige Oberflächen-
struktur, die die Weiterbearbeitung des Werkstückes stark erschwert. Da Zink je-
doch Eisen und Stahl solange besonders gut schützt, bis es durch Korrosion ver-
braucht ist, kann auf die Verzinkung mittels Zinksalzbäder oder durch Diffusion nicht
verzichtet werden. Meist werden jedoch die Verfahren der Feuerverzinkung ange-
wendet.
3 Allgemeiner Verfahrensablauf
Selbständige Galvanische Betriebe und Feuerverzinkereien sind typische Lohnbe-
triebe. Sie erhalten vom Auftraggeber entweder einzelne Konstruktionsteile (z.B.
Stoßstangen zum Verchromen) oder Eisenkonstruktionen (z.B. Zaunsegmente zum
Verzinken).
Folgende Behandlungsstufen werden in den Betrieben durchlaufen:
Oberflächenvorbehandlung (Schleifen, Polieren, Beizen, Entfetten)
Zwischenarbeitsgänge (Spülen, Neutralisieren, Dekapieren, Entgiften,
anodisch Aufrauen)
Verfahren der Metallabscheidung (Verkupfern, Verchromen, Verzinken
usw.)
Nachbehandlungsverfahren (Lackieren usw.)
Den angelieferten Metallteilen haften aus den vorangegangen Arbeitsschritten noch
Öle, Fette, Zunder, Schmutz und, bedingt durch den Transport oder die Lagerung,
Rost an. Diese Verschmutzungen müssen vor der Oberflächenbeschichtung voll-
ständig entfernt werden. Zu diesem Zweck werden die bekannten mechanischen
und chemischen Reinigungsverfahren der Metallindustrie durchgeführt (siehe Bran-
chenblatt Arbeitstechniken und Verfahren der Metallbearbeitung). An die erste, me-
chanische Reinigung schließen sich fettlösende Behandlungen mit Lappen, Pinseln
oder in Bädern an. Als Lösungsmittel wurden historisch zuerst verseifende Alkalien
sowie beizende Säuren genutzt. Seit Beginn des 20. Jahrhunderts wurden mehr und
mehr aliphatische Lösungsmittel, meist in Form von Waschbenzin, dann aromati-
sche Lösungsmittel in Form von Benzol, genutzt. Der gute Reinigungserfolg dieser
organischen Lösungsmittel wurde jedoch durch den hohen Verbrauch und die starke
Brandgefahr beeinträchtigt. Um die Löslichkeit zu erhöhen und den Arbeitsprozess
zu beschleunigen, wurden die Werkstücke häufig mit erwärmten Lösungsmitteln
unter hohem Druck bearbeitet, so dass trotz anschließender Redestillation ein hoher
Verdunstungsverlust eintrat. Die Gase konnten sich in den Werkhallen ausbreiten
und dort durch offene Feuer, Öfen oder Funken entzündet werden. In der Galvano-
technik ersetzten daher seit Ende der 1920er Jahre die nicht brennbaren chlorierten
Kohlenwasserstoffe (Per und Tri) fast unmittelbar alle brennbaren Lösungsmittel wie
Petroleum, Benzin oder Benzol.
Branchenblatt Galvanische und Feuermetall-Industrie Seite 5
Altlasten-Leitfaden Schleswig-Holstein: Erfassung Anhang 11
Nach der Reinigung sollen die Werkstücke nicht mehr angefasst werden, weil mit
jedem weiteren Handgriff neue Schmutzstoffe aufgetragen werden. Daher werden
die Werkstücke an Hebezeugen, in Gitterkörben oder an Ketten befestigt und ge-
langen so in die Beizerei, wo die metallische Oberfläche des Werkstückes für die
Anlagerung oder Aufbringung des metallischen Überzuges optimiert wird. Je nach-
dem, aus welchem Metall das Werkstück besteht bzw. welches Metall aufgetragen
werden soll, wird eine spezielle Beize bzw. eine passende Säure-Konzentration
ausgewählt. Gewöhnlich wird eine der folgenden Säuren einzeln oder im Gemisch
eingesetzt: Salzsäure, Schwefelsäure, Salpetersäure, Phosphorsäure, Bromsäure,
Essigsäure oder Oxalsäure (siehe Branchenblatt Arbeitstechniken und Verfahren
der Metallbearbeitung).
Im Anschluss an die Beize gelangen zu verzinkende Werkstücke sofort in eine hei-
ße Zinkschmelze. Dort bildet sich an der Grenzfläche beider Metalle eine Legierung,
die für die Haftung sorgt. Das Werkstück wird nur wenige Minuten in der Schmelze,
die eine Temperatur von ca. 450° C besitzt, belassen und kühlt dann langsam aus –
eine schnelle Abkühlung würde zum Reißen der Verzinkung führen. In den Verzin-
kungsbädern bildet sich nach und nach eine Eisen-Zinkkruste, so dass die Becken
nach einiger Gebrauchsdauer entleert und die Kruste abgeschlagen werden muss.
Diese sowie alle anderen Zinkrückstände, die sich durch Tropfverluste als Krusten
auf den Böden der Werkhalle und der Transportwerkzeuge bilden, werden in Zink-
hütten abgegeben.
Das Galvanikbad muss leitende (elektrolytische) Eigenschaften haben und enthält
daher, unabhängig davon, ob es sauer oder basisch ist, ein lösliches Salz des je-
weils aufzutragenden Metalls (z.B. Chloride, Fluoride, Sulfate, Sulfite, Ammoni-
umsulfate etc.) in einer Konzentration von ca. 2 %. Fast alle Bäder, besonders aber
die alkalischen, enthalten außerdem Kaliumcyanid bzw. seit etwa 1910 auch cya-
nidhaltige Doppelsalze, Soda und sogenannte Glanzstoffe. Kaliumcyanid in einer
Konzentration von ca. 2 % war erforderlich, um das Ausfällen des Metalls aus der
Lösung zu erreichen. Dabei wurde allerdings auch giftiges Cyanid freigesetzt, zu
dessen Bindung daher immer ein Sulfit im Überschuss in der elektrolytischen Lö-
sung vorhanden sein musste. Bis etwa 1910 wurden die Lösungen zumeist nach
Erfahrungsgrundsätzen und Betriebsrezepturen selber angesetzt. Mit der Entwick-
lung der Doppel- und Tripelsalze übernahm die chemische Industrie zunehmend die
Zulieferung der Salze, die praktischerweise auch gleich als Sulfit (z.B. K4Cu2(CN)6 x
K2SO3) verkauft wurden. Das Salz wurde sackweise geliefert, nach Bedarf in Was-
ser aufgelöst oder zum Nachbessern in gebrauchte Elektrolytlösungen gegeben.
Verbrauchte Lösungen wurden in der Regel ausgefällt und der metallische Nieder-
schlag an Metallhütten verkauft.
Neben den üblichen galvanischen Bädern und den Feuerbeschichtungsverfahren
(Schmelztauch-, Metallspritzverfahren) werden Materialoberflächen z.B. auch durch
chemische Reduktion im Sudverfahren (Eintauchen des unedleren Werkstücks in
geeignete Lösung des edleren Metalls bei höheren Temperaturen ohne äußere
Stromquelle) oder Aufdampfen im Vakuum veredelt. Beim Verzinken durch Sheradi-
sieren diffundiert Zinkstaub bei ca. 400°C in rotierenden Eisentrommeln direkt in die
Stahloberfläche des Werkstücks. Beim Kalorisieren wird Stahl in Aluminiumpulver,
Al2O3 und Chlorammonium bei 900°C geglüht.
Branchenblatt Galvanische und Feuermetall-Industrie Seite 6
Altlasten-Leitfaden Schleswig-Holstein: Erfassung Anhang 11
Werkstücke, die feuerverzinkt wurden, werden nach dem Abkühlen zumeist ohne
intensive Nachbehandlung an den Auftraggeber zurückgesandt. Werkstücke der
Galvanik werden hingegen fast ausnahmslos durch Schleifen und Polieren weiter
bearbeitet, bis sich eine makellos glänzende Oberfläche ergibt (siehe Branchenblatt
Metallschleiferei).
4 Umweltrelevante Verfahrens- und Produktionsschritte sowie Verunreinigungspotentiale
Arbeiter und Anwohner der feuerverzinkenden bzw. galvanischen Betriebe haben
insbesondere bei größeren Betrieben hinsichtlich der Gefährdung durch metallische
Dämpfe und Stäube traditionell einen gesundheitsgefährdende Arbeits- bzw. Woh-
nort gehabt. Die Entwicklung der Elektrochemie im 19. Jahrhundert hat dies noch
verstärkt, da sie nun zusätzlich mit löslichen Schwermetallsalzen und Cyaniden um-
gingen, die durch Handhabungsverluste in den Boden, das Grundwasser sowie die
Vorfluter gelangen konnten.
Bei Altstandorten dieser Branchen sind Bodenkontaminationen mit verschiedenen
Schadstoffen grundsätzlich zu erwarten. Schwermetallkontaminationen befinden
sich jedoch im Allgemeinen aufgrund der eingeschränkten Verlagerung nur in den
oberen 35 cm des Bodens.
In der Geschichte dieser Industrie gibt es einige grundsätzliche Einschnitte, die mit
jeweils zunehmenden Belastungen der Umweltmedien verbunden sind.
Bis in das letzte Drittel des 19. Jahrhunderts sind mögliche Verunreinigungen auf
Metallsalze und -stäube zurückzuführen. Diese entstanden bei der Reinigung der
Werkstücke in alkalischen oder sauren Bädern, beim Bürsten, Putzen oder Polieren.
Es handelt sich in der Regel um Verunreinigungen kleineren Maßstabs.
Ab etwa 1870 begann der Einsatz von Petroleum, später Benzin und schließlich
Benzol oder anderer Aromaten für die Reinigung der Werkstücke, so dass zusätz-
lich zu den oben genannten Schwermetallsalzen und –stäuben mit organischen Lö-
sungsmitteln als Kontaminanten zu rechnen ist. Zeitgleich wurden Elektrolyte für die
Galvanik entwickelt, die Schwermetallsalze und Kaliumcyanid in ständiger Lösung
halten. Während des Bearbeitungsvorganges und des Transportes vom Entfettungs-
zum Beizbad und weiter zum Galvanikbad tropften ständig Lösungsmittel und
Schwermetallsalze auf den Boden. Sofern dieser Risse aufwies, konnten die
Schadstoffe in den Untergrund gelangen, wo die Löslichkeit der Schwermetalle im
Boden durch die Säuren aus Abtropfverlusten gefördert wurde.
Seit Beginn der 1930er Jahre ist davon auszugehen, dass aliphatische und aromati-
sche Lösungsmittel vollständig durch chlorierte Kohlenwasserstoffe, insbesondere
durch Per und Tri, abgelöst wurden. Obgleich sich seither das von Benzin und Ben-
zol ausgehende Gefahrenpotential reduziert hat, wurde durch die Einführung der
CKW ein weit bedeutenderes Problem geschaffen. Die Gefährdungen durch
Schwermetalle (z.B. Cr III/VI, Sn, Cu, Cd, Ni, Pb), Schwermetallsalze, giftige Be-
gleit- und Reaktionsstoffe des Verfahrens haben sich weder in der Kriegs- noch den
Branchenblatt Galvanische und Feuermetall-Industrie Seite 7
Altlasten-Leitfaden Schleswig-Holstein: Erfassung Anhang 11
Nachkriegszeiten vermindert, sondern sind durch den Vierjahresplan und die fol-
gende Kriegs- und Nachkriegswirtschaft bis zum Beginn der 1950er Jahre sogar
noch verstärkt worden, weil Aspekte des Arbeitsplatz-, Gewässer- oder Boden-
schutzes nachrangig waren.
Mit dem Verbot der offenen Anwendung chlorierter Kohlenwasserstoffe und ihrem
Ersatz wurde seit dem Ende der 1980er Jahre nach und nach eine Verbesserung
des Umweltschutzes erreicht. Zugleich wurden die Arbeitsbedingungen und die
Schutztechniken in Galvanikbetrieben durch Abkapselung der Prozesse von der
Umwelt (Bearbeitung in geschlossenen Flüssigkeits- und Gaskreisläufen, Entgiftung
der Abluft, Sammlung der Schlämme und Altbäder in geschlossenen Containern,
ordnungsgemäße Entsorgung der Abfallstoffe) deutlich verbessert.
Abb. 3: Galvanisierung von Metallmöbeln in den 1920er Jahren (Quelle: STADL-
MANN)
Detaillierte Auflistungen von Verunreinigungspotentialen für die Galvanische Indust-
rie lassen sich in der Regel erst dann erstellen, wenn die Art der Vor-/Zwischen- und
Nachbehandlung, der Metallbeschichtung sowie der genaue Nutzungszeitraum be-
kannt sind.
Branchenblatt Galvanische und Feuermetall-Industrie Seite 8
Altlasten-Leitfaden Schleswig-Holstein: Erfassung Anhang 11
5 Gesetzliche Ausführungsvorschriften für verwendete Stoffe/Stoffgruppen
Tabelle 1 Altlastrelevante Stoffe und ihr zeitlicher Einsatz
Stoff Nutzung Verstärkte Anwendung
ab
Verwendungsbe-schränkung/ Verbot
BTEX.1 Lösungs- und Reinigungsmittel
für die Vorbereitung der Werk-stücke.
ca. 1925 1986 (zum Teil)
LCKW.2 Lösungs- und Reinigungsmittel
(Kaltreiniger) für die Vorberei-tung der Werkstücke.
ca. 1925 1981/1986 (zum Teil)
Schwermetalle.3 Beschichtungsmetalle in den
Elektrolytbädern ca. 1880 1993 (zum Teil)
1 26.8.1986 GefStoffV: Verwendungsbeschränkung für Benzol auf geschlossene Systeme.
2 9/1981 Technische Regel für gefährliche Arbeitsstoffe TrgA 502: Verwendungsbe-
schränkung für Tetrachlorkohlenstoff; 21.4.1986 2.BImSchV: Verordnung zur Emissionsbeschränkung von leichtflüchtigen Halogenwasserstoffen, Anwendungsbeschränkungen 1990 in der Neufassung verschärft. 3
26.10.1993 GefStoffV: Mengenbeschränkung für Arsen-Gehalt; Verwendungsbeschrän- kung für Cadmium
6 Altlastrelevante/altlastirrelevante Nutzungszeiträume
Bis zum letzten Drittel des 19. Jahrhunderts sind keine wesentlichen Veränderungen
in der stofflichen Bearbeitung oder Zusammensetzung der Hilfsstoffe für die Galva-
nische Industrie bekannt. Es handelte sich lediglich um eine schrittweise Maschini-
sierung und Mechanisierung der bisherigen Handarbeit, wobei auch die Dimensio-
nen der Werkstücke und Bäder langsam anstiegen. Viele kleine historische Hand-
werksbetriebe sind auf diesem niedrigen Arbeitsniveau verblieben.
Die Entwicklungen der Dynamomaschine seit Mitte der 1870er Jahre und der Metal-
lurgie seit Beginn des 20. Jahrhunderts ermöglichten jedoch den schnellen Wandel
vom vormals eher handwerklichen Charakter zu industriellen Fabrikbetrieben mit
hohem Energiebedarf und starkem Einsatz von Säuren, Laugen, Lösungsmitteln
sowie wasserlöslichen, cyanidhaltigen Metallsalzen.
Die zunächst verwendeten aliphatischen und aromatischen Lösungsmittel waren in
Betrieben, die ständig mit Wärme, Feuer und Funkenschlag arbeiteten, extrem ge-
fährlich, so dass nicht brennbare Lösungsmittel (CKW) spätestens Ende der 1920er
Jahre schnell und umfassend eingeführt wurden. Erst nach deren Nutzungsbe-
schränkung in den 1980er Jahren nahm das Gefährdungspotential ab, da die CKW
z.B. durch Detergentien oder andere, technische Lösungen (z.B. Ultraschall) substi-
tuiert wurden.
Auch heute noch werden Lösungsmittel, lösliche Schwermetallsalze, Cyanide und
andere umweltrelevante Stoffe eingesetzt. Allerdings sind die Böden der Werkhallen
Branchenblatt Galvanische und Feuermetall-Industrie Seite 9
Altlasten-Leitfaden Schleswig-Holstein: Erfassung Anhang 11
in der Regel besonders versiegelt und die Abluft durchläuft Filtersysteme. Lösungs-
mittel werden in nahezu geschlossenen Kreisläufen geführt und Restbeizen, aufge-
brauchte Elektrolytbäder und –schlämme werden in hermetisch geschlossenen Con-
tainern verwahrt und von Fachbetrieben entsorgt oder aufbereitet.
Tabelle 2 Zusammenfassung aller altlastrelevanten Aspekte und Zuordnung zu
den Branchenklassen SH.
Zeitspanne Hilfsstoffe Nebenprodukte Altlastrelevante
Aspekte Branchen-klasse SH
Bis ca. 1880 Seifen, Wasser, ge-
ringe Mengen Petro-
leum, Säuren, Lau-
gen, Metallsalze
Metallschlämme,
aufgebrauchte
galvanische Ele-
mente
Keine Abwasser-
anlagen, kaum
Bodenbefestigung
0
1880 – 1930 Seifen, Wasser, Pet-
roleum, Waschbenzin,
Benzol, Säuren, Lau-
gen, Metallsalze, Cy-
anide, Sulfite
Metallschlämme
und Schwerme-
talle, verbrauch-
te Säuren und
Elektrolyte
Keine Abwasser-
anlagen, unzurei-
chende Bodenbe-
festigung; Ablage-
rungen auf dem
Betriebsgelände
4
1931 – 1980 Seifen, Wasser, Säu-
ren, Laugen, CKW,
Metallsalze, Cyanide,
Sulfite
Metallschlämme
und Schwerme-
talle, verbrauchte
Säuren und
Elektrolyte
In Kriegs- und
Nachkriegszeiten
ohne Überwach-
ung; Ablagerungen
auf dem Betriebs-
gelände
5
1981 – Ge-
genwart
Seifen, Wasser, ein-
geschränkt CKW,
weitere Lösungsmit-
tel, Detergentien,
Säuren, Laugen, Me-
tallsalze, Cyanide,
Sulfite
Metallschlämme,
verbrauchte Säu-
ren und Elektro-
lyte
Substitution der
CKW durch Deter-
gentien, Ultraschall
etc.; Abkapselung
der Verfahren
gegen die Umwelt,
überwachte Ab-
fallentsorgung
3
Branchenklasse 0: kein Gefährdungspotential Branchenklasse 1: Gefährdungspotential sehr gering Branchenklasse 2: Gefährdungspotential gering Branchenklasse 3: Gefährdungspotential mäßig Branchenklasse 4: Gefährdungspotential hoch Branchenklasse 5: Gefährdungspotential sehr hoch
7 Literaturhinweise
GAIDA, W.: Einführung in die Galvanotechnik. Eugen Leuze Verlag, Saulgau, 1980.
HANOW, M. (HRSG.): Schleswig-Holstein und seine Industrie. Verlag M. Dumont
Schauberg, Köln, 1957.
KATALYSE-INSTITUT: Chemie am Arbeitsplatz. Gefährliche Arbeitsstoffe, Berufs-
krankheiten und Auswege. Rowohlt-Verlag, Reinbek, 1987.
KRÄMER, P.; WEINER, R.; FETT, M.: Die Geschichte der Galvanotechnik und die
Entwicklung der galvanischen Überzüge bis zur Neuzeit. Eugen Leuze Verlag,
Saulgau, 1959.
Branchenblatt Galvanische und Feuermetall-Industrie Seite 10
Altlasten-Leitfaden Schleswig-Holstein: Erfassung Anhang 11
LUEGER, O. (HRSG.): Lexikon der gesamten Technik und ihrer Hilfswissenschaf-
ten, Band 8, 2. neu bearbeitete Auflage. Deutsche Verlagsanstalt, Stuttgart und
Leipzig, 1904.
MEINCK, F.; STOOFF, H.; WELDERT, R.: Industrie-Abwässer. Schriftenreihe des
Vereins für Wasser-, Boden- und Lufthygiene, Band 6. Stuttgart, 1953.
MEINCK, F.; STOOFF, H.; KOHLSCHÜTTER, H.: Industrie-Abwässer. Schriftenrei-
he des Vereins für Wasser-, Boden- und Lufthygiene, Band 6, dritte, verbesserte
und erweiterte Auflage. Gustav Fischer, Stuttgart, 1960.
ROHR, B.; WIELE, H. (HRSG.): Lexikon der Technik. VEB Bibliographisches Insti-
tut, Leipzig, 1982.
SÄCHSISCHES LANDESAMT FÜR UMWELT UND GEOLOGIE (HRSG.): Hand-
buch zur Altlastenbehandlung – Branchenbezogene Merkblätter: 11. Galvanikbe-
triebe. Eigenverlag, Dresden, 2000.
STADLMANN, F.: Vom Tagwerk der Jahrhundertwende. Europa-Verlag, Wien,
1985.
WEINER, R.: Die Abwässer der Metallindustrie (Metallverarbeitende und galvano-
technische Betriebe), 3. erweiterte Auflage. Eugen Leuze Verlag, Saulgau, 1965.
ULLMANN, F. (HRSG.): Enzyklopädie der technischen Chemie, 5ter Band. Urban &
Schwarzenberg, Urban & Schwarzenberg, Berlin und Wien, 1917.
ULLMANN, F. (HRSG.): Enzyklopädie der technischen Chemie, 5ter und 7ter Band,
zweite, völlig neu bearbeitete Auflage. Urban & Schwarzenberg, Berlin und Wien,
1930.
Altlasten-Leitfaden Schleswig-Holstein: Erfassung Anhang 11 Histinvest - Dr. Klaus Schlottau, Bremen
Branchenblatt Gießerei
Inhaltsverzeichnis Seite 1 Bezeichnung der Branche 2
2 Historischer Überblick 2
3 Allgemeiner Verfahrensablauf 2 3.1 Modellbau 3 3.2 Formerei 3 3.3 Gießerei 4 3.4 Putzerei 4
4 Umweltrelevante Verfahrens- und Produktionsschritte sowie Verun-
reinigungspotentiale 5
5 Gesetzliche Ausführungsvorschriften für verwendete Stoffe/Stoffgruppen 6
6 Altlastrelevante/altlastirrelevante Nutzungszeiträume 7
7 Literaturhinweise 8
Abb. 1: Gießerei in den1950er Jahren (Quelle: HANOW).
Branchenblatt Gießerei Seite 2
Altlasten-Leitfaden Schleswig-Holstein: Erfassung Anhang 11
1 Bezeichnung der Branche
Gießereien gehören zu den Mittel- und Großbetrieben. Ihre Aufgabe ist die Herstel-
lung gegossener Halbfertigprodukte z.B. für den Maschinenbau. Die Gießerei um-
faßt die Herstellung eines Modells und der Gussform, die Verflüssigung des Metalls
(z.B. Eisen) sowie die Nachbearbeitung der gegossenen Rohlinge. Generell werden
Gießereibetriebe in Eisen- und Stahlgießereien (Grauguss, Temperguss, Stahlguss)
und in Nichteisengießereien (Leichtmetallguss, Schwermetallguss) eingeteilt. Der
allgemeine Verfahrensablauf wird im Folgenden am Beispiel einer Eisengießerei
erläutert.
Die Produkte einer Gießerei sind sowohl Einzelanfertigungen nach Maß oder Vorla-
ge, als auch die serielle Erzeugung von bestimmten Bauteilen, z.B. Zylinderblöcken.
Die Herstellung von Einzelstücken und Kleinserien ist auch gegenwärtig das Spezi-
algebiet selbständiger, konzernungebundener Gießereien, die selten mehr als 100
Arbeitskräfte beschäftigen. Die Herstellung von Großserien wird überwiegend in
Gießereien vorgenommen, die zunächst als Abteilung eines Maschinenbaukon-
zerns entstanden, heute aber überwiegend rechtlich selbständig auf dem Markt der
Maschinen- und Investitionsgüterindustrie tätig sind. Gießereien dieser Art haben
eine Mitarbeiterzahl, die bis zu 2.000 Personen reicht. Beide beschriebenen Be-
triebsformen können um einen Maschinenbaubetrieb, der entweder die Rohlinge im
Auftrag weiterverarbeitet oder Endprodukte herstellt, erweitert sein.
2 Historischer Überblick
Während der Industrialisierung in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts wurde
Eisen zum billigsten Konstruktionsmaterial. Eisenguss wurde daher in großer Men-
ge für die Konstruktion von Maschinen, aber auch im Eisenbahn- und Brückenbau
eingesetzt. Gusseisen war ein preiswertes, stabiles und leicht zu erzeugendes Ma-
terial, um daraus die Grundgerüste von Arbeits- und Werkzeugmaschinen, Getrie-
beschalen und Motorenblöcke herzustellen, aber auch, um harte Kurbelwellen, La-
gerschalen und andere Maschinen- und Motorenteile zu drehen. Gusseisen besitzt
nicht die Elastizität und Zähigkeit von Schmiedeeisen, dafür aber, je nach Zuschlag,
gute Fließeigenschaften, Korrosionsbeständigkeit und Oberflächenhärte.
3 Allgemeiner Verfahrensablauf
Die im Konstruktionsbüro erstellten Detailpläne werden in der Modellbauabteilung in
dreidimensionale Modelle umgesetzt. Diese werden dann in der Formerei als Nega-
tiv in Formsand abgebildet. In der Gießerei werden die Formen mit dem verflüssig-
ten Eisen gefüllt und anschließend zum Abkühlen gelagert. Nachdem Form und
Formsand von dem erkalteten Gussstück entfernt wurden, werden in der Putzerei
die Werkstücke nachbearbeitet. In der Versandabteilung endet der Tätigkeitsbe-
reich der Eisengießerei.
Branchenblatt Gießerei Seite 3
Altlasten-Leitfaden Schleswig-Holstein: Erfassung Anhang 11
3.1 Modellbau
Im Modellbaubereich werden Positivmodelle im Maßstab 1:1 aus Holz, Metall, Gips,
Wachs oder Harz hergestellt. Fertige Modelle werden mit wachsartigen Überzügen
versehen. In einem Modellbaubereich sind daher alle gewöhnlichen Holzbearbei-
tungsmaschinen und Werkzeuge anzutreffen, die auch in einer Tischlerei oder
Drechslerei vorhanden sind. Werden für die Herstellung von Massenartikeln Model-
le aus Metall gefertigt, sind die entsprechenden Werkzeugmaschinen vorhanden.
Wurden die Modelle bis in die 1950er Jahre überwiegend aus Harthölzern und Gips
hergestellt, so nahm seither der Anteil von Kunststoffen und Kunstharzen stetig zu.
Infolgedessen wurden im zunehmenden Maße auch Lösungsmittel, besonders Ben-
zol, Toluol und Xylol eingesetzt, um die Kunststoffe zu formen, Kunststoffmatten
oder Bewehrungen zu verkleben und Werkzeuge zu reinigen.
Die Modelle wurden und werden in der Regel nicht besonders konserviert oder ge-
gen Holzschädlinge imprägniert, wenn sie wegen hoher Stückzahlen ohnehin re-
gelmäßig erneuert werden müssen. Die Modelle für Einzelanfertigungen oder Klein-
serien hingegen wurden nur selten genutzt und mussten daher geschützt werden.
Die gelagerten Modelle wurden gegebenenfalls mit Imprägnierungs-, Pilz- und an-
deren Schädlingsbekämpfungsmitteln behandelt.
Dauermodelle werden heute oft auch im Auftrag der Gießereien von separaten
Spezialbetrieben hergestellt.
3.2 Formerei
In der Formerei werden die Positivmodelle in einem Formkasten zumeist mit Form-
sand unter Schwingungen und Druck eingerüttelt und dann entweder entnommen
oder als verlorenes Modell ausgeschmolzen. Im Formsand entstehen so Vertiefun-
gen oder Hohlräume, die in der Gießerei durch flüssiges Eisen ausgefüllt werden.
Die Aushöhlungen in der Form sind außerdem mit Zuflusskanälen für flüssiges Ei-
sen und mit Abluftkanälen für Luft und heiße Gase versehen.
Die Abbindung des Formsandes erfolgte früher zumeist durch Tone, Kaseine mit
einem geringen Kalkzusatz oder durch natürliche Harze bzw. Sulfitlauge, Öl oder
Wasserglas. Gegenwärtig haben sich mehr und mehr Kunstharze (z.B. Furanharze)
durchgesetzt. Beim Umgang mit den Bindern sind Handhabungsverluste möglich,
die zu Verunreinigungen führen können.
Formsand darf nicht durch Fremdstoffe, insbesondere nicht durch ausschmelzbare
Teile oder Eisen, verunreinigt sein. Daher haben die Gießereien einen hohen Be-
darf an Sanden und bereiten den Formsand häufig selber auf. Die gebrauchten
Formsande und Rückstände aus der Aufbereitung enthalten viel Eisen, daneben
Schwermetalle sowie Bindemittelreste. Außerdem können sie auch PAK enthalten,
da organische Substanzen durch die hohen Gießtemperaturen verbrannt werden,
wobei PAK entstehen.
Branchenblatt Gießerei Seite 4
Altlasten-Leitfaden Schleswig-Holstein: Erfassung Anhang 11
Die Formmaschinen werden zumeist durch Pressluft oder durch eine Hydraulik be-
tätigt, so dass mit Kompressoren- und Hydraulikölen im Bereich einer Formerei zu
rechnen ist.
3.3 Gießerei
Fertige Formkästen werden in die eigentliche Gießerei transportiert. Dort befinden
sich ein oder mehrere sogenannte „Kupolöfen“ mit einem Durchmesser von ca. 3 -
5 m und einer Höhe von bis zu 20 m. In ihnen wird aus Roheisen, Eisenschrott und
Gussbruchstücken mit Zuschlägen von Kalk (zur Reduktion) und Flussspat (als
Flussmittel) sowie Legierungsmetallen (zur Veredlung) Gusseisen hergestellt. Ku-
polöfen werden indirekt durch Gas oder Strom beheizt, bis das Metall der jeweiligen
Charge geschmolzen ist. Dieses wird dann durch einen Abstich in die Mundlöcher
der Formkästen abgelassen, maschinell eingepresst oder geschleudert, so dass es
die Hohlräume ausfüllt und innerhalb der Form erstarrt.
Selbst große Kupolöfen können selten mehr als 2.000 kg Schmelze in einer Charge
herstellen, so dass für eine kontinuierliche Fertigung von Kleinteilen mindestens
zwei Öfen zugleich benötigt werden. Ein dritter Ofen ist bei Großbetrieben gängig,
um Kleinteile herzustellen oder als Reserve zu dienen. Eine Betriebsunterbrechung
ist für Kupolöfen nicht vorgesehen, aus diesem Grund arbeiten auch mittlere Betrie-
be gewöhnlich in mehreren Schichten, um die Öfen auszulasten. In regelmäßigen
Abständen von einigen Jahren muss die Ofenausmauerung jedoch erneuert wer-
den.
Der regelmäßig anfallende Ofenausbruch wurde häufig zur Hof- und Wegebefesti-
gung verwendet.
3.4 Putzerei
Nach dem Guss müssen die Formen langsam erkalten. Dazu werden sie in einem
Zwischenlager oder in Gießgruben, die über der Form mit Sand aufgefüllt werden,
zum Abkühlen gelagert, bevor sie geöffnet werden können und der Formsand ab-
geschlagen werden kann.
Die gebrauchten Formsande werden in einer Mahl- und Sichtmaschine teilweise
aufbereitet, die Formkästen grob gereinigt und wieder in die Formerei gebracht,
während das rohe Gussstück in die Putzerei gelangt. Nach einer ersten Sichtkon-
trolle, die zur Ausscheidung von Fehlgüssen dient, werden mit Hilfe von Meißeln,
Feilen, Sandstrahlgebläsen und Schleifmaschinen die Kanten und Gusslöcher
nachbearbeitet. In Einzelfällen werden die Stücke auch chemisch (z.B. mit Säuren)
entsandet.
Abschließend wird das Gussstück mit Rostschutzfarbe oder Grundierung behandelt.
In diesem Zusammenhang wird darauf hingewiesen, dass sich unter Umständen
entsprechend der Auftraggebervorgaben auch weitere Bearbeitungsschritte (Ober-
Branchenblatt Gießerei Seite 5
Altlasten-Leitfaden Schleswig-Holstein: Erfassung Anhang 11
flächenbeschichtungen, mechanische Bearbeitungen) anschließen können. Hierbei
können weitere Schadstoffe anfallen.
Abb. 2: Öffnen und Abschlagen der Gussformen (Quelle: HANOW).
4 Umweltrelevante Verfahrens- und Produktionsschritte
sowie Verunreinigungspotentiale
Eine Gießerei produziert als Abfallstoffe überwiegend Formsande sowie Rückstän-
de aus der Formsandaufbereitung, dem Schmelzprozess (z.B. Schlacke) und der
Putzerei (Strahlsande). Die Rückstände und die alten Formsande wurden ein-
schließlich der enthaltenen Schadstoffe (überwiegend Eisen, Schwermetalle, dane-
ben Bindemittelrückstände) zumeist als billiges Auffüllungsmaterial auf dem Be-
triebsgelände eingebaut. Diese Abfallstoffe können im gesamten Betriebsbereich
und in der näheren Umgebung einer Gießerei vermutet werden. Außerdem wurden
historisch die beim Schmelzen entstehenden Gase, die leichtflüchtige Metallverbin-
dungen enthalten, unkontrolliert ins Freie geleitet, so dass in der Umgebung mit
metallischen Abscheidungen zu rechnen ist.
Neben den Abfallstoffen, die grundsätzlich mit dem Betrieb einer Gießerei verbun-
den sind, treten als weitere Verunreinigungsbereiche der Rohstofflagerplatz und der
Modellbaubereich hervor.
Mit Altölen verschiedenster Art ist im Bereich der Schrott- und Gussschrottlagerung
zu rechnen. Gussschrott entsteht in großen Mengen durch das Zertrümmern guss-
eiserner Maschinengehäuse, die zumeist stark mit Altölen und Ölschlämmen verun-
reinigt sind. Die anhaftenden Altöle enthalten nach ca. 1930, besonders aber nach
dem Zweiten Weltkrieg, auch PCP und PCB. Der Lagerbereich einer Gießerei im
Zeitraum zwischen ca. 1930 und 1990 kann daher mit Stoffen, die jenen eines
Schrottplatzes gleichen, verunreinigt sein.
Branchenblatt Gießerei Seite 6
Altlasten-Leitfaden Schleswig-Holstein: Erfassung Anhang 11
Moderne Modelltischlereien verwenden auch Lösungsmittel. Es können daher im
Arbeits- und Lagerbereich Verunreinigungen durch BTEX auftreten. Daneben sind
in geringem Maße Schwermetalle und andere Schadstoffe aus der Holzkonservie-
rung im Bereich des Modelllagers möglich.
Weiterhin ist aus dem Bereich der Formerei mit Schadstoffen zu rechnen. Hierzu
zählen:
chemische Binder aus Handhabungsverlusten
PAK aus Verbrennungsvorgängen
PCB-haltige Öle
Säuren, Laugen, Beizhilfsstoffe aus der chemischen Entsandung (z.B.
Salzsäure, Kaliumhydroxid, Cyanide oder Chromate)
Schwermetalle und Lösungsmittel aus der Oberflächengrundierung.
Insgesamt besteht das Schadstoffinventar in der Regel also aus Metallen und
Schwermetallen sowie deren Verbindungen, PAK, PCB, Kohlenwasserstoffen,
BTEX und, abhängig von der Nachbehandlung der Gussstücke, in manchen Fällen
LCKW.
5 Gesetzliche Ausführungsvorschriften für verwendete
Stoffe/Stoffgruppen
Tabelle 1 Altlastrelevante Stoffe und ihr zeitlicher Einsatz
Stoff Nutzung Verstärkte
Anwendung
ab
Verwendungsbe-
schränkung/ Ver-
bot
PCB (Polychlorier-te Biphenyle).
1
Einsatz in Kühlölen, um die Entzün-dungstemperatur zu erhöhen. Haftet an Gussschrott, daher erfolgt eine zeitliche Verschiebung des Auftre-tens in der Gießerei.
ca. 1930 1978/1989
Wassermischbare Kühlschmierstoffe (N-Nitrosamin-Bildung).
2
Schmier- und Kühlmittelersatz für Öle mit Flammschutzmitteln. Haftet an Gussschrott, daher erfolgt eine zeitliche Verschiebung des Auftre-tens in der Gießerei.
ca. 1955 1997
BTEX.3 Lösungs- und Reinigungsmittel im
Modellbaubereich. ca. 1925 1986 (zum Teil)
1
26.7.1978 10.BImSchV: Verwendungsbeschränkung auf geschlossene Systeme; 18.7.1989, PCB-Verbotsverordnung: Herstellungs-, Inverkehrsbringungs- und Verwen- dungsverbot, 1993 durch ChemVerbotsV abgelöst. 2 4/1997 Technische Regel für Gefahrstoffe TRGS 611, Verwendungsbeschränkungen für
wassermischbare bzw. wassergemischte Kühlschmierstoffe, bei deren Einsatz N-Nitrosamine auftreten können (Verbot von Nitrit im KSS) 3 26.8.1986 GefStoffV: Verwendungsbeschränkung für Benzol auf geschlossene Systeme.
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Altlasten-Leitfaden Schleswig-Holstein: Erfassung Anhang 11
6 Altlastrelevante/altlastirrelevante Nutzungszeiträume
Für die Zeitspanne zwischen der Industrialisierung und dem Ende der 1920er Jahre
sind keine wesentlichen Veränderungen in der stofflichen Bearbeitung oder in der
Zusammensetzung der Hilfsstoffe für die Gießerei-Industrie bekannt. Es handelt
sich lediglich um eine Mechanisierung der bisherigen Handarbeit. Gießereien dieser
Zeitspanne haben durch den Anfall von Formsanden und durch die Eisen- und
Schlackenreste auf dem Betriebsgelände mit Sicherheit zu einer Verunreinigung
beigetragen, jedoch besteht für diese wie auch für die Altölverunreinigungen im
Bereich des Gussschrottlagers keine besondere Gefährdungsvermutung.
Mit Beginn der 1930er Jahre, verstärkt noch nach dem Zweiten Weltkrieg, gelang-
ten auch PCB über den Stoffkreislauf des Schrotthandels auf die Lagerplätze der
Gießereien, so dass sie dort neben einer möglichen Verunreinigung durch Mineral-
ölkohlenwasserstoffe (MKW) und Schwermetalle zu erwarten sind. Obgleich PCB
bereits seit einiger Zeit verboten sind, ist davon auszugehen, dass durch die nut-
zungsbedingte Verschiebung und den Schrotthandel auch nach dem Nutzungsver-
bot Schrott mit PCB-haltigem Altöl verarbeitet wurde.
In der Modellbauabteilung wurden seit Mitte der 1950er Jahre verstärkt Kunststoffe
eingesetzt. Verbunden damit können Lösungsmittelverunreinigungen durch Hand-
habungsverluste entstanden sein. Verunreinigungen dieser Art sind auch gegen-
wärtig zu erwarten.
Tabelle 2 Zusammenfassung der altlastenrelevanten Aspekte und Zuordnung
zu den Branchenklassen SH.
Zeitspanne Hilfsstoffe Nebenprodukte Altlastrelevante As-
pekte
Branchen-
klasse SH
bis 1930 Formsande,
Schrott, über-
wiegend na-
türliche Binder
Schwermetalle,
Formsande, Strahl-
sande (ab 1884),
Schlacken, Gussres-
te, Ofenausbruch,
PAK
Keine Bodenbefesti-
gung, Ablagerung von
Form- und Strahlsan-
den, Rückständen und
Schlacken auf der Be-
triebsfläche
1
1931 – 1950 Formsande,
zunehmend
chemische
Binder; Hyd-
rauliköle;
Flussmittel
(Fluorsäure);
erster Guss-
schrott mit
PCB; Mine-
ralöle
Formsande, Strahl-
sande, Schwerme-
talle, Schlacken,
Ölschlämme mit
PCB, Gussreste,
Ofenausbruch, PAK
Infolge der Kriegswirt-
schaft ohne Überwa-
chung; oftmals keine
Abwasseranlagen, kei-
ne Bodenbefestigung;
Ablagerung von Form-
und Strahlsanden,
Rückständen und
Schlacken auf dem
Betriebsgelände
3
Branchenblatt Gießerei Seite 8
Altlasten-Leitfaden Schleswig-Holstein: Erfassung Anhang 11
1950 – Ge-
genwart
Formsande,
natürliche und
chemische
Binder; Fluss-
mittel (Fluor-
säure); Hyd-
rauliköle;
Gussschrott
mit PCB; Mi-
neralöle;
überwiegend
BTEX
Formsande, Strahl-
sande, Schwerme-
talle, Schlacken,
Gussreste, Ofen-
ausbruch, Schwer-
metalle, Ölschläm-
me mit PCB, Lö-
sungsmittelrück-
stände, PAK
Seit Beginn der 1980er
Jahre Abnahme des mit
PCB verunreinigten
Schrottes, Zunahme
der Kunststoffverarbei-
tung im Modellbau und
der Formerei; zuneh-
mende Ablagerung von
Form- und Strahlsan-
den, Rückständen und
Schlacken auf zugelas-
senen Deponien
3
Branchenklasse 0: kein Gefährdungspotential Branchenklasse 1: Gefährdungspotential sehr gering Branchenklasse 2: Gefährdungspotential gering Branchenklasse 3: Gefährdungspotential mäßig Branchenklasse 4: Gefährdungspotential hoch Branchenklasse 5: Gefährdungspotential sehr hoch
7 Literaturhinweise
BRADKE, H. J.; HANSONIS-JOULEH, H.: Untersuchungen zur umweltrelevanten
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vom Industrieverband Gießerei-Chemie e.V.. Frankfurt, 1979.
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Handbuch für den praktischen Maschinenkonstrukteur, Band VIII, 2. vollständig neu
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HANOW, M. (HRSG.): Schleswig-Holstein und seine Industrie. Verlag M. Dumont
Schauberg, Köln, 1957.
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ten, Band 4, 2. neu bearbeitete Auflage. Stuttgart und Leipzig, 1904.
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STADLMANN, F.: Vom Tagwerk der Jahrhundertwende. Europa-Verlag, Wien,
1985.
WEINER, R.: Die Abwässer der Metallindustrie, 3. neu bearbeitete Auflage. Eugen
Leuze Verlag, Saulgau, 1965.
Altlasten-Leitfaden Schleswig-Holstein: Erfassung Anhang 11 Histinvest - Dr. Klaus Schlottau, Bremen
Branchenblatt Kraftfahrzeugwerk-stätten
Inhaltsverzeichnis Seite 1 Bezeichnung der Branche 2 2 Historischer Überblick 2 3 Arbeitstechniken 3 4 Umweltrelevante Verfahrens- und Produktionsschritte sowie Ver-
unreinigungspotentiale 5 5 Gesetzliche Ausführungsvorschriften für verwendete Stoffe/
Stoffgruppen 6 6 Altlastrelevante/altlastirrelevante Nutzungszeiträume 7 7 Literaturhinweise 9 Abb. 1: KFZ-Werkstatt in den 1950er Jahren (Quelle: LEUSCHNER).
Branchenblatt Kraftfahrzeugwerkstätten Seite 2
Altlasten-Leitfaden Schleswig-Holstein: Erfassung Anhang 11
1 Bezeichnung der Branche
Kraftfahrzeugwerkstätten (Synonyme von ca. 1920 bis 1950 auch Garage, Autoga-
rage, Großgarage oder Garagenbetrieb) sind in Schleswig-Holstein seit dem Beginn
der privaten Motorisierung Anfang der 1920er Jahre, hauptsächlich aber seit der
flächendeckenden Einführung der Kraftfahrzeuge in den 1950er Jahren, entstanden.
Überwogen in der Frühzeit kleine Werkstätten ohne Markenbindung, so sind ge-
genwärtig zentrale Großwerkstätten lizensierter und firmengebundener Autohändler
die Regel.
Grundsätzlich werden neben der allgemeinen Pflege der Kraftfahrzeuge (Waschen,
Abschmieren usw.) und laufenden Wartungsarbeiten (Wechsel von Betriebsflüssig-
keiten, Nachstellarbeiten, Überprüfungen) alle erforderlichen Reparaturen an den
Fahrgestellen, Karosserien, Motoren und Antriebsteilen durchgeführt. Zu Beginn der
1960er Jahre fand zunehmend eine Differenzierung in eigenständige Spezialwerk-
stätten statt:
Zylinder- und Kurbelwellenschleifereien, die die mechanischen Arbeiten der
Motoreninstandsetzung ausführen (siehe Branchenblatt Metallschleiferei),
Vulkanisierwerkstätten, die die Ausbesserung der Bereifung durch Vulkanisie-
ren und insbesondere die Runderneuerung der Reifen übernehmen,
Kraftfahrzeug-Elektrik-Werkstätten für die Instandsetzung der elektrischen
Anlage von Kraftfahrzeugen,
Spezialwerkstätten für Diesel-Einspritzgeräte, die auf die fachgerechte Prü-
fung und Instandsetzung der Einspritzdüsen und Einspritzpumpen spezialisiert
sind,
spezialisierte Karosseriewerkstätten für schwierige Schweißarbeiten,
spezialisierte Lackierwerkstätten für umfangreichere Lackierarbeiten (siehe
Branchenblatt Lackiererei),
Autosattlereien für die Reparatur und Herstellung von Sitzpolsterungen, Fuß-
und Innenraumauskleidungen, Faltdachreparaturen usw..
Diese Spezialwerkstätten sind jedoch nicht Gegenstand des vorliegenden Bran-
chenblattes. Es wird nur auf die gängige Kraftfahrzeugwerkstatt eingegangen, die im
Wesentlichen Reparatur- und Wartungsarbeiten betreibt.
2 Historischer Überblick
Die ersten Straßenfahrzeuge mit Benzinmotor wurden in Europa und Amerika in den
1880er Jahren eingeführt, wobei die wenigen Fahrzeuge zumeist geschäftlichen
oder repräsentativen Zwecken dienten und von den Chauffeuren gewartet und repa-
riert wurden.
Erste private Nutzungen entstanden nach dem Ende des Ersten Weltkrieges. Paral-
lel entwickelten sich entlang den Reichsstraßen und in größeren Städten ein erstes
Tankstellennetz sowie erste Reparaturbetriebe, die häufig aus Schmieden oder
Wagnereien hervorgingen.
Branchenblatt Kraftfahrzeugwerkstätten Seite 3
Altlasten-Leitfaden Schleswig-Holstein: Erfassung Anhang 11
Die Massenmotorisierung setzte in Schleswig-Holstein Mitte der 1930er Jahre ein,
wurde aber durch den Zweiten Weltkrieg unterbrochen. Erst zu Beginn der 1950er
Jahre lebte sie wieder auf und hält bis heute an.
Parallel zur Verbreitung des Automobils entstand eine Vielzahl von Autowerkstätten.
In den 1920er Jahren entwickelte sich der Beruf des Automobilschlossers, des heu-
tigen Kraftfahrzeugmechanikers. Grundsätzlich musste er alle Teile des Fahrzeugs,
also Fahrgestell, Motor, Karosserie und Elektrik, reparieren können. Viele Sonder-
arbeiten wurden jedoch nach und nach ausgegliedert (siehe Kapitel 1) und sind heu-
te im typischen Profil einer Kraftfahrzeugwerkstatt nur noch in Ausnahmen vorhan-
den.
3 Arbeitstechniken
Die in Kraftfahrzeugwerkstätten durchgeführten Arbeiten umfassen neben der all-
gemeinen Pflege der Kraftfahrzeuge (Waschen, Abschmieren usw.), laufende War-
tungs- (Ölwechsel, Wechsel der anderen Betriebsflüssigkeiten, Nachstellarbeiten
und Überprüfungen) und Instandsetzungsarbeiten (einfache Ausbesserungen bis zu
vollständigen Überholungen von Motor, Trieb- und Fahrwerk).
Abb. 2: Kraftfahrzeugreparaturwerkstatt aus dem Jahr 1927 (Quelle: STADL-
MANN).
Eine große Kraftfahrzeugwerkstatt besteht aus folgenden Abteilungen:
Mechanische Werkstatt:
In der mechanischen Werkstatt erfolgt die technische Wartung des Fahrzeuges:
Motoren- und Getriebeöle, Kühl- und Bremsflüssigkeiten werden ergänzt oder er-
Branchenblatt Kraftfahrzeugwerkstätten Seite 4
Altlasten-Leitfaden Schleswig-Holstein: Erfassung Anhang 11
setzt. Batterien werden ebenso geprüft wie Stoßdämpfer, Zünd-, Vergaser- und
Ventileinstellungen der Motoren, Abgasuntersuchungen werden vorgenommen. Die
gesamte Mechanik inklusive der Bremsen wird geprüft und defekte Teile ausge-
tauscht. Zur Kontrolle des Fahrzeugunterbodens, des Fahrwerks und zum Wechsel
der Öle wird das Fahrzeug mittels einer Hebebühne angehoben oder über eine
Montagegrube gefahren (früher in allen Werkstätten vertreten und heute nur noch
Standard in Lastkraftwagenwerkstätten).
Karosseriereparaturwerkstatt:
In der Karosseriewerkstatt werden defekte und verrostete Blechteile des Fahrzeugs
ausgetauscht, Unfallschäden beseitigt sowie Richt- und Schweißarbeiten vorge-
nommen. Zum Richten des Fahrzeugs nach einem Unfallschaden wird das Fahr-
zeug nach der Demontage der Kotflügel, der Motors, Getriebes und der Achsen
sowie anderer Teile auf eine Richtbank gesetzt. Gestauchte Holme oder Boden-
gruppen werden dort entweder vollständig ersetzt oder mit Hilfe hydraulischer Pres-
sen gezogen. Schäden an den Dächern werden danach unter Einsatz von Brennern
und hydraulischen oder manuellen Ausbeulwerkzeugen beseitigt.
Zur Vorbereitung der Schweißstellen und beim Wechsel von Blechteilen müssen
Schleif- und Entrostungsarbeiten ausgeführt und Lack sowie Unterbodenschutz mit-
tels Einsatz von Sandstrahlgeräten oder Schleifmaschinen entfernt werden. An die
Blechbearbeitung schließen sich Spachtel-, Grundier- und Rostschutzmaßnahmen
an.
Lackierwerkstatt:
Die Beseitigung von Lackschäden oder eine Neulackierung erfolgt in der Lackiere-
rei. Vor der endgültigen Lackierung werden die Fahrzeuge oder die Fahrzeugteile
gespachtelt, geschliffen, grundiert und feingeschliffen. Meist werden die Lacke mit
einem Druckluftkompressor in stark verdünnter Form mehrschichtig aufgetragen.
Die Lackierkabine ist zum Schutz der Mitarbeiter und der Umwelt von der Werkstatt
getrennt und verfügt heutzutage über eine Abluftanlage mit Lösungsmittelfilter. Hin-
ter der Lackierkabine befindet sich eine Trockenkabine, in der der Lacküberzug un-
ter Einsatz von Strahlungswärme schnell austrocknet. Diese „Einbrennkammer“ ist
ebenfalls an das Abluftsystem angeschlossen (siehe Branchenblatt Lackiererei).
Wagenpflege:
Neben verschiedenen Reinigungsmitteln für die Unterbodenwäsche wurden auch
alle Arten von Lösungsmitteln für die Säuberung von Einzelteilen eingesetzt. Bis in
die 1980er Jahre dienten Petroleum, Benzol, Waschbenzin sowie Laugen der Reini-
gung, gefolgt von Tri- oder Tetrachlorethylen und anderen sogenannten Kaltreini-
gern, die alle CKW enthielten. Diese Reinigungsmittel sind mittlerweile durch ten-
sidhaltige Produkte sowie den Einsatz von Dampfstrahlgeräten mit hohem Düsen-
druck ersetzt worden.
Branchenblatt Kraftfahrzeugwerkstätten Seite 5
Altlasten-Leitfaden Schleswig-Holstein: Erfassung Anhang 11
Allgemeine Maschinen, Hilfsmittel und Werkzeuge:
Neben diversen Handwerkzeugen verfügt eine Werkstatt gewöhnlich über folgende
Einrichtungen:
Werkzeugmaschinen: u.a. Bohrmaschine, Schleifbock und Drehbank sowie
hydraulische Pressen;
Schweißanlagen: verwendet werden die Gasschmelzschweißung, elektrische
Schweißverfahren oder elektrische Punktschweißgeräte, die sich besonders für
Karosseriearbeiten eignen. Schwierigere Schweißarbeiten werden in der Regel
in Spezialwerkstätten ausgeführt;
Überflur- und Unterflur-Arbeitsstände in Form von Hebebühnen oder Monta-
gegruben, denen für die Bewegung schwergewichtiger Teile zumeist auch He-
beeinrichtungen wie z.B. Laufkatzen oder Werkstattkräne zugeordnet sind;
Kompressoren für die Erzeugung von Druckluft für verschiedenste Zwecke,
z.B. zum Reifenfüllen, für die Hebebühne, zum Sandstrahlen und zum Reinigen
durch Ausblasen.
4 Umweltrelevante Verfahrens- und Produktionsschritte sowie Verunreinigungspotentiale
Verunreinigungen in der mechanischen Werkstatt können durch folgende Stoffe
hervorgerufen werden: Öle und Ölschlämme aus Motoren und Getrieben, Schmier-
fette, halogenierte und nicht-halogenierte Lösungsmittel, alkoholhaltige Kühlflüssig-
keiten, Vergaser- und Dieselkraftstoffe, Bitumen, Teer und Teeröle, Kunstharze,
Asbest, Schwermetalle, Säuren (z.B. Batteriesäure), Sulfate und Phosphate von
Schwermetallen sowie öliger oder teerbeschichteter Schrott. Einige der verwende-
ten Öle enthielten in der Vergangenheit PCB-haltige Additive, ebenso wurden
Bremsflüssigkeiten PCB als Alterungsschutz zugesetzt.
Als Kontaminanten im Karosseriereparaturbereich treten Unterbodenschutzmittel
(Bitumenemulsionen, Kunstharze), halogenierte und nicht-halogenierte Lösungsmit-
tel als Reinigungs- und Entfettungsmittel, Rostumwandler und schwermetallhaltige
Grundierungsfarben sowie Mineralöle (z.B. Stoßdämpferöl) auf. Des Weiteren fallen
verunreinigte Schrottteile, Schleif- und Spachtelstäube sowie Sandstrahlrückstände
an.
In der Lackiererei können metall- oder kunststoffhaltige Schleifstäube, wässrige
Lackschlämme, Lackgebinde, schwermetallhaltige Altlacke und Hilfsmittel (Binder,
Härter),Filtermatten, Abdeckmaterial und halogenierte sowie nicht-halogenierte Lö-
sungsmittel als Verdünner zu Verunreinigungen führen.
Im Bereich der Wagenpflege spielen vor allen Dingen die Reinigungs- und Lö-
sungsmittel eine Rolle.
Neben den abteilungsgebundenen Verunreinigungspotentialen können Kontamina-
tionen durch zentrale Einrichtungen wie Druckluftkompressoren, Ladestationen,
Schrott- und Batteriesammelplätze, Abwasser- und Abscheidereinrichtungen sowie
Sammelbehälter auftreten, die in jeder größeren Werkstatt anzutreffen sind. Zudem
Branchenblatt Kraftfahrzeugwerkstätten Seite 6
Altlasten-Leitfaden Schleswig-Holstein: Erfassung Anhang 11
ist fraglich, inwieweit kleinere Werkstätten historisch überhaupt über Schlammfänge,
Abscheider usw. verfügten.
Beim Wechsel der Motor-, Getriebe- und Differentialöle, die PCB-haltig gewesen
sein können, und der entsprechenden Filter sowie bei Reparaturen an diesen Teilen
kommt es in der Werkstatt zu Spritz- und Handhabungsverlusten. Diese sind in den
Montagegruben größer als auf einer Hebebühne. Die Bodeneinläufe älterer Gruben
sind zumeist nicht an Abscheider angeschlossen gewesen und wurden bei Werk-
stattmodernisierungen fast immer verfüllt, so dass es auch heute durch Setzungs-
risse und Fugen zu Verunreinigungen des umgebenden Bodens kommen kann.
Durch nicht öldichte Fußböden kommt es auch unter den Säulenhebebühnen, Auf-
fahrrampen und Gruben zu Verschmutzungen des darunterliegenden Bodens durch
Handhabungsverluste. Außerdem ist zu berücksichtigen, dass seit Anfang der
1930er Jahre auch die Hydrauliköle häufig PCB-haltig waren.
Altöle jeder Art wurden bis zum Beginn der 1970er Jahre selten entsorgt. Fast alle
Werkstätten setzten die oftmals in Fässern gesammelten Öle vor dem Winter als
Korrosionsschutz für den Unterboden ein. Die Öle wurden mit einer Sprühpistole
aufgetragen und dann zur besseren Haftung mit Feinsand und Staub abgestreut. In
der Vergangenheit wurden zum Teil auch Teerölprodukte (Carbolineum) oder soge-
nannter „Dachlack“ (Bitumenprodukt) hierfür verwendet.
5 Gesetzliche Ausführungsvorschriften für verwendete Stoffe/ Stoffgruppen
Seit dem 1. November 1986 erfolgt die Entsorgung von Altölen nach Maßgabe der
Vorschriften des Abfallgesetzes (AbfG) vom 27.08.1986. Nach § 5a Abs.1 Satz 1
AbfG finden die Vorschriften des Abfallgesetzes auf Altöle auch Verwendung, wenn
sie keine Abfälle im Sinne von § 1 Abs. 1 AbfG sind. Durch den weiten Altölbegriff
werden grundsätzlich alle flüssigen oder halbflüssigen Stoffe erfasst, die mineralöl-
bürtig sind, sowie synthetische Kohlenwasserstoffe, aber auch sonstige ölartige
Stoffe, z.B. synthetische Öle auf der Basis von PCB und halogenhaltige Ersatzpro-
dukte (§ 4 Abs. 1 Satz 1 AltölV). Unter den neuen Altölbegriff fällt auch eine Reihe
von Lösemitteln, insbesondere Testbenzine, Waschbenzine und lösemittelhaltige
Reiniger.
Mit der Altöl-Verordnung (27.10.1987) wurde eine ausreichend dimensionierte
Ölauffangwanne unter dem Altölbehälter Vorschrift. Die Abnahme und Kontrolle der
Einrichtung erfolgte früher über das Gewerbeaufsichtsamt, heute über die Staatli-
chen Umweltämter. Die Entsorgung von Ölen wird seither von zertifizierten Firmen
durchgeführt. Seit Inkrafttreten der Abfallgesetze und Gefahrstoff-Verordnungen
(Mitte bis Ende der 1980er Jahre) müssen alle Betriebsflüssigkeiten und ölver-
schmutzten Betriebsmittel getrennt gesammelt und einem Verwerter zugeführt wer-
den.
Am 01.04.1998 wurde die Altautoverordnung in Kombination mit der Selbstver-
pflichtung der Industrie zur Rücknahme verbindlich eingeführt. Die Verordnung gibt
einen rechtlichen Rahmen für die kostenlose Rücknahme aller Autos vor, die nach
Branchenblatt Kraftfahrzeugwerkstätten Seite 7
Altlasten-Leitfaden Schleswig-Holstein: Erfassung Anhang 11
dem 01.04.1998 verkauft werden und nicht älter als 12 Jahre sind. Die Verordnung
regelt, dass Altautos künftig nur noch abgemeldet werden können, wenn ein dazu
berechtigter (zertifizierter) Verwertungsbetrieb einen sogenannten Verwertungs-
nachweis ausgestellt hat.
Tabelle 1 Altlastrelevante Stoffe und ihr zeitlicher Einsatz
Stoff Nutzung Verstärkte An-
wendung ab Verwendungsbe-schränkung/ Ver-
bot
PCB (Poly-chlorierte Biphenyle).
1
Einsatz z.B. in Kühl- und Hydraulik-ölen sowie speziellen synthetischen Ölen für Hochleistungsmotoren, um die Entzündungstemperatur zu er-höhen.
ca. 1930 1978/1989
LCKW.2 Lösungs- und Reinigungsmittel
(Kaltreiniger) ca. 1925 1981/1986 (zum
Teil)
BTEX.3 Lösungs- und Reinigungsmittel im
Werkstattbetrieb, Bestandteil des Vergaserkraftstoffs.
ca. 1925 1986 (zum Teil)
1 26.7.1978 10.BImSchV: Verwendungsbeschränkung auf geschlossene Systeme;
18.7.1989, PCB-Verbotsverordnung: Herstellungs-, Inverkehrsbringungs- und Verwen- dungsverbot, 1993 durch ChemVerbotsV abgelöst. 2 9/1981 Technische Regel für gefährliche Arbeitsstoffe TrgA 502: Verwendungsbeschrän-
kung für Tetrachlorkohlenstoff; 21.4.1986 2.BImSchV: Verordnung zur Emissionsbeschränkung von leichtflüchtigen Halogenwasserstoffen, Anwendungsbeschränkungen 1990 in der Neufassung verschärft. 3 26.8.1986 GefStoffV: Verwendungsbeschränkung für Benzol auf geschlossene Systeme.
6 Altlastrelevante/altlastirrelevante Nutzungszeiträume
Je nach Größe der Werkstatt, der Vielzahl unterschiedlicher Arbeitsschritte einzel-
ner Abteilungen und letztlich auch in Abhängigkeit von den verwendeten Reini-
gungsmitteln liegen unterschiedliche Gefährdungspotentiale vor.
Auf Grund der geringen Anzahl von Kraftfahrzeugen in Schleswig-Holstein vor 1930
wird den wenigen, kleinen Kraftfahrzeugwerkstätten, die vor diesem Zeitpunkt exis-
tierten, keine Altlastenrelevanz unterstellt.
Das Gefährdungspotential für den Zeitraum zwischen 1931 und 1950 ist insbeson-
dere wegen der Mängel an der Bodenabdichtung und am Abwassersystem höher zu
bewerten, allerdings wurden hauptsächlich nur relativ unproblematische aliphatische
Reinigungsmitteln eingesetzt. Vom Beginn der 1930er bis in die 1980er Jahre ist
allerdings auch mit der Verwendung PCB-haltiger Öle (z.B. Hydraulik oder Motoren)
und Bremsflüssigkeiten zu rechnen.
Mit der flächendeckenden Motorisierung ab 1950 in Schleswig-Holstein stieg sowohl
die Anzahl als auch die Größe der Betriebe kontinuierlich an, was allgemein zu ei-
nem vermehrtem Stoffumsatz führte. Mit dem zunehmenden Einsatz von grundwas-
sergefährdenden CKW-haltigen Reinigungs- und Lösungsmitteln bis in die 1980er
Branchenblatt Kraftfahrzeugwerkstätten Seite 8
Altlasten-Leitfaden Schleswig-Holstein: Erfassung Anhang 11
Jahre liegt daher trotz besserer Ausstattung der Werkstätten und des Entwässe-
rungssystems ein größeres Gefährdungspotential vor.
Infolge neuer gesetzlicher Regelungen und Verordnungen ergeben sich für den Zeit-
raum ab ca. 1986 bedeutende Verbesserungen im Umweltschutz, eine Gefährdung
kann jedoch trotzdem nicht vollständig ausgeschlossen werden.
Tabelle 2 Zusammenfassung aller altlastrelevanten Aspekte und Zuordnung zu
den Branchenklassen SH
Zeitspanne Hilfsstoffe Nebenprodukte Altlastrelevante
Aspekte Branchen-klassen SH
bis 1930 Laugen, Säuren,
Schmierstoffe,
einfache Öle ohne
Additive, aliphati-
sche Lösungsmit-
tel.
Schrott, Me-
tallspäne, Altbat-
terien, ver-
schmutzte Putz-
lappen usw.
Keine Bodenbefes-
tigung und Abwas-
sersysteme in den
Werkstätten. MKW
sind zeitbedingt
zumeist schon
abgebaut
0
1931 – 1950 Laugen, Säuren,
Öle, PCB, Teeröle,
Lacke, Lösungs-
mittel aller Art,
Vergaser- und
Dieselkraftstoffe,
Bitumenemulsio-
nen (Unterboden-
schutz), Rost-
schutzanstriche,
Schmierstoffe.
Schrott, Me-
tallspäne, Altla-
cke, Kühlflüssig-
keiten von Werk-
zeugmaschinen,
Gebinde, Farb- &
Ölschlämme,
Schwermetalle,
Sandstrahlrück-
stände, ver-
brauchte Lö-
sungsmittel, ver-
schmutzte Putz-
lappen usw.,
Altbatterien
Die befestigten
Werkstattböden
sind zumeist nicht
öldicht, Sammel-
anlagen und Ab-
scheider für Öle
und Leichtflüssig-
keiten sind die
Ausnahme.
3
1951 – 1985 Laugen, Säuren,
Öle, PCB, Teeröle,
Lacke und Hilfs-
stoffe, Lösungsmit-
tel aller Art, Verga-
ser- und Diesel-
kraftstoffe, Glykole
und andere Alko-
hole, Bi-
tumenemulsionen,
Rostschutzanstri-
che, Schmierstoffe
Schrott, Me-
tallspäne, Altla-
cke, Kühlflüssig-
keiten von Werk-
zeugmaschinen,
Gebinde, Sand-
strahlrückstände,
Öl- und Farb-
schlämme,
Schwermetalle,
verbrauchte Lö-
sungsmittel, ver-
schmutzte Putz-
lappen usw.,
Altbatterien
Bedeutende Zu-
nahme des Einsat-
zes von CKW-
haltigen Lösungs-
mitteln, so dass
trotz der Speziali-
sierung von Werk-
stätten und einer
Verbesserung der
Abwasseranlagen
nachhaltige Schä-
den auftreten kön-
nen.
4
Branchenblatt Kraftfahrzeugwerkstätten Seite 9
Altlasten-Leitfaden Schleswig-Holstein: Erfassung Anhang 11
1986 – 2000 Säuren, Laugen,
Öle, Tenside,
Waschbenzine,
Lacke und Hilfs-
stoffe, Glykole und
andere Alkohole,
Vergaser- und
Dieselkraftstoffe,
Kunstharze (Un-
terbodenschutz),
Rostschutzanstri-
che, Schmierstof-
fe.
Schrott, Me-
tallspäne, Kühl-
flüssigkeiten von
Werkzeugma-
schinen, Altlacke,
Gebinde, Öl- &
Farbschlämme,
Schwermetalle,
Sandstrahlrück-
stände, verbrau-
chte Reinigungs-
mittel, Altbatte-
rien, verschmutz-
te Putzlappen
usw.
Verbote von Kalt-
reinigern, haloge-
nierten Lösungs-
mitteln und PCB,
Einsatz wasserlös-
licher bzw. lösemit-
telarmer Farben,
Altölverordnung
und behördliche
Aufsicht führen zu
einer Entlastung.
3
Branchenklasse 0: kein Gefährdungspotential Branchenklasse 1: Gefährdungspotential sehr gering Branchenklasse 2: Gefährdungspotential gering Branchenklasse 3: Gefährdungspotential mäßig Branchenklasse 4: Gefährdungspotential hoch Branchenklasse 5: Gefährdungspotential sehr hoch
7 Literaturhinweise
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Nachschlagebuch für Kraftfahrzeugmechaniker, Kraftfahrzeugelektriker, für Repara-
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Altlasten-Leitfaden Schleswig-Holstein: Erfassung Anhang 11 Histinvest - Dr. Klaus Schlottau, Bremen
Branchenblatt Kühlerbau
Inhaltsverzeichnis Seite 1 Bezeichnung der Branche 2 2 Historischer Überblick 2 3 Allgemeiner Verfahrensablauf 3 4 Umweltrelevante Verfahrens- und Produktionsschritte sowie Ver-
unreinigungspotentiale 4 5 Gesetzliche Ausführungsvorschriften für verwendete Stoffe/
Stoffgruppen 4 6 Altlastrelevante/altlastirrelevante Nutzungszeiträume 5 7 Literaturhinweise 5
Branchenblatt Kühlerbau Seite 2
Altlasten-Leitfaden Schleswig-Holstein: Erfassung Anhang 11
1 Bezeichnung der Branche
Aufgabe des Kühlerbaus ist die Herstellung eines Wärmeaustauschapparates, der
aus einer Vielzahl miteinander verbundener Röhren besteht. Die Wandung der Röh-
ren trennt zwei Medien unterschiedlicher Temperatur voneinander, erlaubt aber ei-
nen schnellen Wärmeübergang; demzufolge werden Wandungsmaterialien mit einer
hohen Wärmeleitfähigkeit bevorzugt. Um einen hohen Wärmeübergang zu errei-
chen, werden sehr große Oberflächen benötigt, so dass die Rohre zur Verbesse-
rung der Leistung mit dünnen Blechen verbunden werden können, die häufig zu-
sätzlich gewellt oder plissiert sind.
Welches Medium gekühlt werden soll, hängt von der Nutzung ab: Ein Flachheizkör-
per kühlt das durch die Heizung erwärmte Wasser im Heizungskreislauf ab, indem
die Wärme auf die kühlere Raumluft übertragen wird, in diesem Fall wird der Kühler
als Heizung bezeichnet; eine Klimaanlage hat hingegen die Aufgabe, die Raumluft
an den Wärmetauschern, die von einer Kühlflüssigkeit durchströmt werden, abzu-
kühlen. Die Klimaanlage funktioniert daher wie ein Kühlschrank.
Der industrielle Kühlerbau gehört zu den mittelständischen Betrieben mit selten
mehr als 100 Mitarbeitern, gelegentlich ist er auch als Abteilung von Fahrzeugfabri-
ken oder Blei- oder Metallhütten anzutreffen. In der Frühzeit der Massenmotorisie-
rung bis zum Ende der 1950er Jahre gab es viele Handwerksbetriebe, die sich auf
die Reparatur undichter Kühler spezialisiert hatten oder für Sonderfahrzeuge und
Industriebedarf Kühler herstellten. Nachdem die Kühlerreparatur an Bedeutung ver-
lor, hat sich ein Teil der Betriebe in den letzten Jahrzehnten zunehmend auch dem
Bereich des Klimaanlagenbaus zugewandt.
2 Historischer Überblick
In der Technik besteht ein großer Bedarf an Kühlern, nicht nur für die Prozessküh-
lung in der Chemischen Industrie, der Mineralölraffination oder in Kraftwerken, son-
dern auch insbesondere im Bereich des Verbrennungsmotorenbaus. Die Verbren-
nung des Treibstoffes im Motor erzeugt Temperaturen von mehr als 1.000°C. Ohne
Kühlung würden innerhalb sehr kurzer Zeit die Schmieröle zu brennen beginnen, die
Dichtungen schmelzen und der Motorblock reißen. Daher ist ein Verbrennungsmotor
rund um die Verbrennungszone von vielen Kanälen und Hohlräumen umgeben, in
denen das Kühlwasser zirkuliert. Damit dieses nicht zu kochen beginnt, wird es
beim Fahrzeug von einer Pumpe kontinuierlich durch einen Kühler, der dem Fahrt-
wind ausgesetzt ist, gepresst.
Der Autokühlerbau entstand also als Begleitgewerbe der Motorisierung am Anfang
des 20. Jahrhunderts. Motorfahrzeuge wurden damals von kleinen und mittleren
Betrieben in Kleinserien oder als Einzelanfertigungen gebaut. Die benötigten Kühler
aus Blei wurden zumeist von Bleilötereien nach Bedarf hergestellt und von diesen
oder kleinen Kraftfahrzeugreparaturwerkstätten repariert. Die Kühler waren großflä-
chig und wurden, nur von wenigen Verzierungen verdeckt, an der Stirnseite des
Fahrzeugs befestigt, um dem Fahrtwind optimal ausgesetzt zu sein. Daher wurden
Branchenblatt Kühlerbau Seite 3
Altlasten-Leitfaden Schleswig-Holstein: Erfassung Anhang 11
sie oft von hochgeschleuderten Steinen durchschlagen. Das Fehlen von Kühlerven-
tilatoren führte zudem häufig zu einer Überhitzung und zu Bruchstellen in der Lö-
tung.
Kühler wurden aus Bleirohren oder Walzblei hergestellt und mit Lötzinn verbunden.
In der einfachsten Form handelte es sich um eine Reihe paralleler Bleirohre kleinen
Querschnitts, die an den Seiten mit großformatigen Bleirohren, welche den Vor- und
den Rücklauf darstellten, verbunden waren. Um die Wärmeaustauschfläche zu ver-
größern, wurden auf die Rohre zusätzlich Bleibleche gelötet. Zur Verbesserung der
Kühlung wurden mehrere solcher Kühleinheiten hintereinander montiert, so dass die
Durchflussgeschwindigkeit in den Kühlrohren sank und folglich die Kühlleistung
stieg. Der Nachteil dieser Systeme lag darin, dass zwischen Vor- und Rücklauf
grundsätzlich nur eine kurze Wegstrecke bestand.
Erst mit der industriellen Fertigung endloser Bleirohre in den Hüttenwerken ab etwa
1910 konnten komplexere Kühlanlagen konstruiert werden. Hierzu wird der Vorlauf
in möglichst viele sehr dünne Bleirohre aufgespalten, die in Schlangenlinien auf ei-
nem Stützgerüst befestigt werden und erst nach einer Wegstrecke von fünf und
mehr Metern wieder in den Rücklauf münden. Auch diese Rohre wurden zusätzlich
noch mit dünnen Bleiblechen versehen, so dass die kühlende Oberfläche stark er-
höht werden konnte. Die gerippten Bleche übernahmen zusätzlich die Funktion, den
Fahrtwind innerhalb des Kühlers optimal auf das jeweils hintere Kühlrohr zu leiten.
Mittlerweile ist der Querschnitt der Kühlrohre stetig weiter verkleinert worden, um
mehr Kühlfläche zu erreichen. Viele moderne Kühler haben eine Wabenstruktur, die
zumeist nicht mehr aus Rohren, sondern aus gepressten Bleiblechen mit feinen
Kanälen besteht. Je besser die Kühlleistungen wurden, desto kleiner wurden die
Kühlerdimensionen und die Lufteintrittsöffnungen in der Kühlerhaube. Dadurch be-
dingt nahmen die Steinschlagschäden ab, so dass die Zahl der Reparaturen zu-
rückging. Zugleich wurde es immer schwieriger für die Reparaturwerkstätten, den
Schaden zu finden und zu beheben. Bei einfachen Rohrkühlern war die Leckage
leicht zu finden und konnte ohne großen Demontageaufwand verlötet werden. Ein
moderner Kühler ist nach einem Steinschlagschaden oder einer Kollision irreparabel
zerstört und muss ausgetauscht werden. Infolge dieser Entwicklung ging auch die
Zahl der Fachwerkstätten zwischen 1950 und 1970 stark zurück.
3 Allgemeiner Verfahrensablauf
Bleirohre werden abgelängt und durch eine Lötung mit Weichlot (Blei-Zinn-
Legierung) verbunden, so dass eine möglichst lange und eng gepackte Kühleinheit
mit Vor- und Rücklauf entsteht. Die Lötstellen müssen sauber und fettfrei sein, so
dass zuvor eine Reinigung mit Lötfett und –säure erforderlich ist. Die Wärmezufuhr
für die Lötstelle kann bei Weichbleilötungen durch einen Handlötkolben oder durch
einen einfachen Gasbrenner gewährleistet werden. Das Lot verbindet die Werkstü-
cke miteinander und es entsteht eine dichte metallurgische Verbindung.
Mit der Ausdehnung der Aktivitäten auf den Klimaanlagen und Heizungsbau traten
Kupfer und Stahl neben das traditionelle Werkmaterial Blei. Kühler aus Kupfer- oder
Branchenblatt Kühlerbau Seite 4
Altlasten-Leitfaden Schleswig-Holstein: Erfassung Anhang 11
Stahlrohren für den Klimaanlagenbau oder für den technischen Apparatebau (siehe
Branchenblatt Anlagenbau) müssen mit einem Hartlot oder einer Autogenschwei-
ßung verbunden werden. Für diesen Zweck ist entweder eine Acetylengasanlage
oder ein Gaslager notwendig. Die Kupfer- und Stahlrohre müssen im Bereich der
Schweißnähte entrostet sein, so dass Sandstrahleinrichtungen betrieben wurden.
Der Sandabfall wurde zusammen mit den Rostpartikeln als Kehricht häufig auf dem
Firmengelände deponiert.
Die fertigen Kühleinheiten, die in der Regel unter Wärmeeinfluss nicht formstabil
sind, werden in eine Rahmenkonstruktion aus Profileisen oder Blechen eingebaut,
damit sie dann in das Fahrzeug oder in die Produktionsanlage eingesetzt werden
können. Eine Lackierung oder Oberflächenbeschichtung, die auch nur auf den
Rahmen aufgetragen wird, findet meist erst beim Auftraggeber statt.
4 Umweltrelevante Verfahrens- und Produktionsschritte sowie Verunreinigungspotentiale
Im Bereich von Bleilötereien und Kühlerbauwerkstätten ist insbesondere mit Verun-
reinigungen durch Blei und Zinn zu rechnen. Beim Sägen, Schneiden und Reinigen
der Bleirohre und Bleiplatten entstehen Bleispäne, die zu Boden fallen. Durch das
Anätzen der Verbindungsstellen (Säurebehandlung) entstehen lösliche Bleisalze,
zumeist Chloride oder Acetate, die auf dem Boden als weißliche Schicht auskristalli-
sieren.
Beim Löten bilden sich Tropfen geschmolzener Blei-Zinn-Legierung, die zu Boden
fallen und dort auseinanderspritzen. Um das Zerspritzen zu vermeiden, und die Ar-
beitskräfte vor Verbrennungen zu schützen, hatten und haben Werkstätten, in de-
nen viel geschweißt oder gelötet wird, einen unbefestigten Boden oder ein besande-
tes Fundament. Mit dem Kehricht der Werkstatt wurden feste Metallabfälle häufig
auf den Hof verbracht. Durch ein beständig saures Milieu, das durch die Verwen-
dung von Säuren entsteht, besteht die Gefahr, dass Schwermetalle gelöst werden
und so in das Grundwasser gelangen können.
Die Acetylenanlage befand sich zumeist wegen der Explosionsgefahr abseits der
Werkstätten in Schuppen, neben denen auch die Absitzbecken für den Karbid-
schlamm lagen. Dieser Schlamm wurde häufig auf dem Betriebsgelände abgelagert
und kann aufgrund seiner Alkalität einen Einfluss auf die Löslichkeit von Schadstof-
fen im Boden bzw. Grundwasser haben. Eigenständige Anlagen wurden ab etwa
1960 nach und nach durch die Zulieferung von Gasen ersetzt. Diese lagerten dann
in Containern oder Flaschenbündeln, ohne dass von ihnen eine Umweltgefährdung
ausging.
5 Gesetzliche Ausführungsvorschriften für verwendete Stoffe/Stoffgruppen
Für Kühlerbaubetriebe liegen keine speziellen Ausführungsvorschriften vor.
Branchenblatt Kühlerbau Seite 5
Altlasten-Leitfaden Schleswig-Holstein: Erfassung Anhang 11
6 Altlastrelevante/altlastirrelevante Nutzungszeiträume
Bis zum Ende des 20. Jahrhunderts fand lediglich eine Maschinisierung und Me-
chanisierung der bisherigen Handarbeit mit der Tendenz zur Automatisierung und
Verpressung von Materialien statt. Die Anzahl der Reparaturbetriebe für Autokühler
ist nach einem Höhepunkt in den 1950er Jahren kontinuierlich gesunken, so dass es
derartige Fachbetriebe in der Gegenwart kaum noch gibt. Der Kühlerbau hat sich
auf wenige große Zulieferbetriebe konzentriert, die Klein- und Mittelbetriebe haben
sich zunehmend auf den Bau von Klimaanlagen und Heizungen konzentriert.
Tabelle 2 Zusammenfassung aller altlastrelevanten Aspekte und Zuordnung zu
den Branchenklassen SH.
Zeitspanne Hilfsstoffe Nebenprodukte Altlastrelevante
Aspekte Branchen-klasse SH
bis 1900 Weichlot, Essig-
und Salzsäure.
Metallspäne. Kleiner Betriebs-
maßstab, keine
Abwasseranlagen,
keine Bodenbefesti-
gung.
1
1900 – 1960 Schwermetalle im
Lotmaterial
Metallspäne,
Sandstrahlrück-
stände, Karbid-
schlamm, Weich-
lot, Hartlot.
Keine Abwasseran-
lagen, keine Boden-
befestigung.
2
1961 – Ge-
genwart
Schwermetalle im
Lotmaterial; Essig-
und Salzsäure
Metallspäne,
Weichlot, Hartlot,
Sandstrahlrück-
stande
Ersatz der Acetylen-
anlagen durch ange-
lieferte Gase; Abla-
gerung der Abfälle
auf zugelassenen
Deponien
1
Branchenklasse 0: kein Gefährdungspotential Branchenklasse 1: Gefährdungspotential sehr gering Branchenklasse 2: Gefährdungspotential gering Branchenklasse 3: Gefährdungspotential mäßig Branchenklasse 4: Gefährdungspotential hoch Branchenklasse 5: Gefährdungspotential sehr hoch
7 Literaturhinweise
BERNSDORF, G.: Auf heißen Spuren. Vom Schmieden, Löten, Schweißen. Leipzig,
1986.
HAHN, H.: Eisenhüttenkunde. Eisengießerei, Schmieden, Walzen. Uhland's Hand-
buch für den praktischen Maschinenkonstrukteur, Band VIII, 2. vollständig neu be-
arbeitete Auflage. Berlin, 1905.
HOFFMANN, M.: Handbuch der praktischen Werkstatt-Mechanik. Metall- und Holz-
dreherei. Wien, Leipzig, 1925.
LOSS, A.: Handbuch der Dreherei. Leipzig, 1920.
Branchenblatt Kühlerbau Seite 6
Altlasten-Leitfaden Schleswig-Holstein: Erfassung Anhang 11
LUEGER, O. (HRSG.): Lexikon der gesamten Technik und ihrer Hilfswissenschaf-
ten, Band 4 und Band 7, 2. neu bearbeitete Auflage. Deutsche Verlagsanstalt, Stutt-
gart und Leipzig, 1904.
SCHLOSSER, E.: Das Löten und Schweißen. Die Lote, Lötmittel und Lötapparate
und das autogene Schweißen der Metalle. Wien, 1922.
WEINER, R.: Die Abwässer der Metallindustrie (Metallverarbeitende und galvano-
technische Betriebe), 3. erweiterte Auflage. Eugen Leuze Verlag, Saulgau, 1965.
Altlasten-Leitfaden Schleswig-Holstein: Erfassung Anhang 11 Histinvest - Dr. Klaus Schlottau, Bremen
Branchenblatt Küperei
Inhaltsverzeichnis Seite 1 Bezeichnung der Branche 2 2 Historischer Überblick 2 3 Allgemeiner Verfahrensablauf 3 4 Umweltrelevante Verfahrens- und Produktionsschritte sowie Ver-
unreinigungspotentiale 4 5 Gesetzliche Ausführungsvorschriften für verwendete Stoffe/
Stoffgruppen 4 6 Altlastrelevante/altlastirrelevante Nutzungszeiträume 5 7 Literaturhinweise 6
Branchenblatt Küperei Seite 2
Altlasten-Leitfaden Schleswig-Holstein: Erfassung Anhang 11
1 Bezeichnung der Branche
Küper oder Küfer sind Handwerker, die bis in die 1960er Jahre Fässer oder Bottiche
aus Holz (Kufen oder Küpen) für die Lagerung und den Transport von Waren anfer-
tigten. Der Küper wird im 19. Jahrhundert überwiegend mit Gefäßen und Bottichen
in Verbindung gebracht, die der Lagerung oder Veredelung von Getränken dienten,
oder z.B. in der Textilindustrie als große Reaktionsbehälter benötigt wurden. Zu
nennen sind hier insbesondere Färberei- und Wäschereibottiche, woraus sich der
Ursprung des Begriffes „Küpenfärberei“ erklärt.
In den Hafenstädten entstand aus diesem Berufsbild ein spezialisiertes Gewerbe für
die Transportverpackung und Umpackarbeiten, die Küperei.
2 Historischer Überblick
Im Gegensatz zum Böttcher, der eine vergleichbare Tätigkeit ausübte (s. Branchen-
blatt Böttcherei), wandte sich die Küperei zunächst weniger dem Transportgewerbe
als dem vorindustriellen Bau von großen hölzernen Behältern zu, bevor diese Berei-
che zunehmend von Kupferschmieden oder Behälterbaubetrieben übernommen
wurden. Die Produkte waren Gebrauchsgüter für andere Gewerbe. Daher war die-
ses Handwerk in hohem Maße von den Betrieben und ihrer Konjunktur abhängig,
denen es zuarbeitete. Aber weder die handwerkliche noch die industrielle Herstel-
lung von Holzbehältern konnte langfristig überleben, da die Konkurrenz der moder-
nen Werkstoffe wie Metall und später Kunststoff zu groß war.
Als Spezialisten im Umgang mit großen Reaktions- und Transportgefäßen über-
nahmen die Küper in den großen Handels- und Seehafenstädten bereits im 19.
Jahrhundert zunehmend die Funktion, im Auftrag der Reeder oder Großhändler
Schiffsladungen zusammenzustellen oder in kleinere Einheiten für den Landtrans-
port zu den einzelnen Adressaten aufzuteilen. Hierfür wurden Fässer oder Kisten
und Kartons benötigt, die gegebenenfalls von der Küperei hergestellt und auch re-
pariert wurden, so dass nahe Verbindungen zu den Kistenfabriken und den Trans-
portverpackungsbetrieben entstanden.
Zusätzlich zu dieser Spezialisierung auf eine bestimmte Produktion, die mit einer
Handelsdienstleistung verbunden war, übernahmen viele Küpereien die Funktion,
gegenüber dem Versender oder Empfänger einer Ware den ordnungsgemäßen Zu-
stand und die Vollzähligkeit bzw. das exakte Gewicht zu dokumentieren und garan-
tieren. In dieser Funktion wurden Küpereien zusätzlich zu „Gütermessern“ oder La-
dungskontrolleuren, die von der Handelskammer vereidigt wurden, und auch die
Zolldeklaration ausführten. Es gab daher eine zusätzliche Spezialisierung der Küpe-
reien nach Waren (z.B. Weinküperei, Teeküperei oder Baumwollküperei), die jeweils
umfassenden Sachverstand für diese Waren hatten, Qualitätsunterschiede und Feh-
ler feststellen konnten und gegenüber den See- und Transportversicherungen als
Sachverständige tätig waren.
Branchenblatt Küperei Seite 3
Altlasten-Leitfaden Schleswig-Holstein: Erfassung Anhang 11
Das Gewerbe wurde meist innerhalb des Hafens in den Lagerschuppen und, sofern
Umverpackungen der Waren durchzuführen waren, auch in eigenen Betriebsgebäu-
den innerhalb des Hafens bzw. der Zollgrenze durchgeführt. Die Herstellung von
Verpackungen geriet angesichts dieser Verschiebung des Aufgabengebietes zu-
nehmend in den Hintergrund. Dennoch hatten die Küpereien als mittelständische
Betriebe einen hohen Personal- und Transportmittelbedarf, weil ihre Tätigkeit unmit-
telbar an jene der Stauereien anschloss: Sobald die Ware von den Stauern im
Schuppen abgestellt worden war, wurde sie von den Mitarbeitern der Küperei ge-
wogen, vermessen und hinsichtlich der Qualität und etwaiger Transportschäden
kategorisiert. Jeder Ballen, jedes Fass erhielt einen Stempel oder Anhänger mit den
Angaben des Versenders, des Empfängers, dem Maß, Gewicht und der Warenart.
Diese Angaben wurden dann als Liste an den Zoll, die Reederei und die Spedition
weitergeleitet. Aufgrund der Arbeitsteilung und des hohen Zeitdrucks im Hafen hat-
ten Küpereien daher zumeist zwischen 20 und 50 Mitarbeiter.
In den letzten Jahrzehnten haben die Küpereien zunehmend eine weitere Dienst-
leistung für den Handel übernommen: die Preisauszeichnung der Waren für den
Endverbraucher. Im Auftrag des Empfängers, z.B. einer großen Handelskette, wer-
den die Waren (z.B. Bananen) portioniert, folienverpackt, gewogen und in Versand-
kartons abgepackt.
Hilfsmittel einer Küperei sind seit Aufnahme der geschilderten Dienstleistungsauf-
gaben insbesondere Flurförderfahrzeuge, Waagen, Abpackeinrichtungen, Rampen
sowie eine Druckerei, in der die benötigten Anhänger, Klebezettel oder Durch-
schreibesätze in großen Mengen hergestellt wurden. Der Betrieb einer Holzwerk-
statt hingegen verlor seit Einführung der Paletten, Container und insbesondere von
Kunststoff- und Aluminiumfässern immer mehr an Bedeutung und ist heute vernach-
lässigbar klein.
3 Allgemeiner Verfahrensablauf
Das Fass oder die Küpe wird je nach Verwendungszweck aus dem Holz von Nadel-
oder Laubbäumen angefertigt. Die genaue Herstellungsweise wird im Branchenblatt
Böttcherei beschrieben.
In den Küpereien entstanden durch diesen Arbeitsprozess in der Regel nur Schnitt-
und Hobelspäne, die im Betrieb selbst verbraucht wurden. Da die hölzernen Fässer
im 20. Jahrhundert fast nur für die Lagerung und den Transport von Nahrungsmit-
teln hergestellt wurden, behandelte man sie weder mit Teer, Carbolineum noch
Fungiziden, so dass Verunreinigungen durch diese Stoffe bei der Fassproduktion
nicht zu befürchten sind. Im Allgemeinen wurden nur pflanzliche Öle zum Quellen
des Holzes und äußerliche Anstriche auf der Basis dieser Öle verwendet. Sobald
der Küper allerdings eine Seetransportverpackung oder eine wiederverwendbare
Transportkiste herstellte, wurde diese von außen gegen Feuchtigkeit mit Teerölen
imprägniert. Sofern Handhabungsverluste bei diesen Arbeiten aufgetreten sind, ist
eine Verunreinigung des Bodens mit PAK nicht auszuschließen.
Branchenblatt Küperei Seite 4
Altlasten-Leitfaden Schleswig-Holstein: Erfassung Anhang 11
Mit dem Wandel zum Dienstleistungsbetrieb wurden vermehrt Flurförder-, aber auch
Straßenfahrzeuge eingesetzt. Deren Anzahl erreicht jedoch in der Regel nicht die
Bedeutung einer Spedition oder eines Hafenumschlagbetriebes. Weil jeder Ballen,
jedes Fass, jeder Karton separat gekennzeichnet werden musste, hatten Küpereien
aber oftmals eine eigene Druckerei für die Produktion von Anhängern, Laufzetteln,
Aufklebern usw., sowie einen Bereich, in dem Kisten und Fässer mit Schablonen
beschriftet wurden. In der Druckerei wurden gewöhnlich nur schwarze und rote
Druckfarben verwendet. Für die Fassbeschriftung war eine Vorwäsche mit Lauge
und wasserfeste Ölfarbe erforderlich.
4 Umweltrelevante Verfahrens- und Produktionsschritte sowie Verunreinigungspotentiale
Im Hinblick auf umweltrelevante Verfahrens- und Produktionsschritte sowie weitere
Tätigkeitsaspekte mit Verunreinigungspotential sind die Arbeitsbereiche der Impräg-
nierung, des Transportgewerbes und der Druckerei zu beachten.
In der Fassimprägnierung und gelegentlich auch im Arbeitsbereich des Kistenbaus
wurden für sogenannte „Seeverpackungen“ Teeröle zum Schutz gegen Feuchtig-
keitsschäden eingesetzt. Die entsprechenden Fässer wurden zumeist gesondert
gekennzeichnet, damit sie später nicht für den Transport von Lebensmitteln genutzt
wurden. Diese Art der Verpackungskonservierung endete in der Regel mit der Lage-
rung unter Deck, wie sie bei Dampfschiffen ab 1900 die Regel wurde.
Der Betriebshof einer Küperei bildet mit den Straßenfahrzeugen, insbesondere aber
der Vielzahl von Elektrokarren und Staplern einen Verdachtsschwerpunkt. Die Be-
reiche der Akkuladestationen und Fahrzeugwartung können durch Batteriesäure,
Schwermetalle und Hydrauliköle verunreinigt sein.
Die Druckerei einer Küperei besteht zumeist nur aus einer einfachen Druckmaschi-
ne für den Schwarz- oder Rotdruck. Eine Ätzerei war nicht erforderlich, wie auch der
gesamte Arbeitsbereich der Druckvorlagenherstellung sich auf eine kleine Setzerei
reduzierte, die gewöhnlich fertige Lettern aus einer Bleisetzerei bezog. Potentielle
Verunreinigungen können hier folglich nur aus den verwendeten Druckfarben und
geringen Ölmengen resultieren.
5 Gesetzliche Ausführungsvorschriften für verwendete Stoffe/Stoffgruppen
Für Küpereien liegen keine speziellen Ausführungsvorschriften vor. Ansonsten wird
hier eingeschränkt auf das Branchenblatt Zimmerei verwiesen.
Branchenblatt Küperei Seite 5
Altlasten-Leitfaden Schleswig-Holstein: Erfassung Anhang 11
6 Altlastrelevante/altlastirrelevante Nutzungszeiträume
Im letzten Drittel des 19. Jahrhunderts verlagerte sich, bedingt durch die starke
Ausweitung des Handels, der Tätigkeitsschwerpunkt der Küperei von der Herstel-
lung der hölzernen Küpen zu einem Dienstleistungsunternehmen. Es wurden zu-
nehmend Umverpackungen aus Holz in den unterschiedlichsten Dimensionen er-
stellt. Imprägnierungsarbeiten mit Teer wurden nur dann ausgeführt, wenn See-
kisten von außen wasserdicht gemacht werden mussten.
Der holzverarbeitende Betrieb wurde durch den Fremdbezug ungehobelter und ge-
hobelter Bretter oder Latten nach und nach auf wenige Handwerkzeuge beschränkt,
die für das Ablängen und Vernageln benötigt wurden. Große und kleine Kisten wur-
den mit Ölfarben nach Bedarf beschriftet, so dass im Werkstattbereich mit Farben
und Lösungsmitteln in geringem Umfang gerechnet werden kann.
Seit den 1920er Jahren wurden die Aktivitäten auch auf das Umverpacken und die
Deklaration der Waren ausgedehnt, so dass viele kleine und große Packzettel in
hauseigenen Druckereien hergestellt werden mussten. Zumeist wurden hier auch
Kleber und Formulare produziert. Daraus resultierend können auch Kontaminatio-
nen durch Farben und Lösungsmittel auf dem Betriebsgelände vorhanden sein. Die
Übernahme der Endverbraucherabpackung seit den 1980er Jahren und die Umstel-
lung auf Computeretiketten bzw. Barcode beendete in der Regel die Existenz der
eigenen Druckerei.
Seit der Mitte der 1920er Jahre wurde die Handarbeit bei Transportarbeiten zuneh-
mend durch Elektrokarren und Gabelstapler ersetzt. Einzelne Küpereien verfügten
in den 1960er Jahre über einen Fuhrpark von bis zu 50 Elektrokarren und Gabel-
staplern. Die Elektrofahrzeuge benötigten eine Ladestation, mussten regelmäßig
gewartet und gelegentlich repariert werden. Küpereien hatten daher oft einen eige-
nen Werkstattbereich. Mit dem Aufkommen des Containerverkehrs und der Umstel-
lung des Getränketransportes auf Kessel und Aluminiumgroßfässer, nahm seit etwa
Mitte der 1960er Jahre auch der Bedarf an Flurförderfahrzeugen in den Küpereien
wieder ab.
Tabelle 2 Zusammenfassung aller altlastrelevanten Aspekte und Zuordnung zu
den Branchenklassen SH.
Zeitspanne Hilfsstoffe Nebenprodukte Altlastrelevante As-
pekte Branchen-klasse SH
bis 1925 Imprägnierung mit
Teerölen. Druckfar-
ben in geringem
Maßstab.
Späne PAK auf unbefestig-
ten Böden
2
1926 –
1980
Teeröle, Druckfar-
ben; Akkumulatoren
und Ladegeräte
sowie Betriebsstoffe
für den Fuhrpark
Späne PAK auf unbefestig-
ten Böden, Beginn
des Einsatzes von
Elektrokarren, Gabel-
staplern und Straßen-
fahrzeugen.
3
Branchenblatt Küperei Seite 6
Altlasten-Leitfaden Schleswig-Holstein: Erfassung Anhang 11
1981 –
Gegenwart
Akkumulatoren und
Ladegeräte sowie
Betriebsstoffe.
Verringerung des
Einsatzes von Elekt-
rokarren und Gabel-
staplern, Ende der
Druckerei
1
Branchenklasse 0: kein Gefährdungspotential Branchenklasse 1: Gefährdungspotential sehr gering Branchenklasse 2: Gefährdungspotential gering Branchenklasse 3: Gefährdungspotential mäßig Branchenklasse 4: Gefährdungspotential hoch Branchenklasse 5: Gefährdungspotential sehr hoch
7 Literaturhinweise
KARMARSCH, K.: A. W. Hertel’s moderne Bautischlerei für Tischler und Zimmerleu-
te. Hannover, 1869.
MEYER, F.: Vom Leben und Arbeiten in Tischlerwerkstätten um 1900. In: Grebing,
H.; Hemmer, H.-O.; Christmann, G. (HRSG.): Das Holz-Arbeiter-Buch. Die Ge-
schichte der Holzarbeiter und ihrer Gewerkschaften. Bund-Verlag, Köln, 1993.
MOELLER, J.: Die Rohstoffe des Tischler- und Drechslergewerbes. 1. Theil: Das
Holz. Verlag Fischer, Kassel, 1883.
RADKAU, J.; SCHÄFER, I.: Holz. Ein Naturstoff in der Technikgeschichte. Verlag
Rowohlt. Reinbek bei Hamburg, 1987.
REITH, R. (HRSG): Lexikon des alten Handwerks. Vom Spätmittelalter bis ins 20.
Jahrhundert. Verlag C.H. Beck, München, 1990.
SPANNAGEL, F.: Der Möbelbau. Ein Fachbuch für Tischler, Architekten und Lehrer.
Verlag Maier, Ravensburg, 1945.
UNGER, A.: Holzkonservierung. Schutz und Festigung von Holzobjekten. Callwey-
Verlag, Leipzig, 1990.
Altlasten-Leitfaden Schleswig-Holstein: Erfassung Anhang 11 Histinvest - Dr. Klaus Schlottau, Bremen
Branchenblatt Lackiererei
Inhaltsverzeichnis Seite
1 Bezeichnung der Branche 2
2 Historischer Überblick 2
3 Allgemeiner Verfahrensablauf 3 3.1 Möbellackiererei 4 3.2 Fahrzeuglackiererei 5 3.3 Eingesetzte Farbpigmente und Hilfsstoffe 6
4 Umweltrelevante Verfahrens- und Produktionsschritte sowie Ver-
unreinigungspotentiale 8
5 Gesetzliche Ausführungsvorschriften für verwendete Stoffe/
Stoffgruppen 9
6 Altlastrelevante/altlastirrelevante Nutzungszeiträume 9
7 Literaturhinweise 10
Abb. 1: Umfüllen von Lacken um 1900 (Quelle: DEUTSCHES LACKINSTITUT).
Foto
Ich muß mal in der
Uni schauen.
Branchenblatt Lackiererei Seite 2
Altlasten-Leitfaden Schleswig-Holstein: Erfassung Anhang 11
1 Bezeichnung der Branche
Das Handwerk der Lackierer umfasst definitionsgemäß die Lackierung von Möbeln
und anderen Einrichtungsgegenständen, aber auch das Lackieren von Fahrzeugen,
Maschinen, Anlagen oder Bauteilen. Dabei werden Flächen beschichtet, um sie
entweder gegen Witterungseinflüsse und Korrosion zu schützen oder mit dekorati-
ven Elementen zu versehen.
Merkmal der Lackiererei ist, dass ihr Gewerbe grundsätzlich auf dem betriebseige-
nen Grundstück ausgeübt wird, und eine eigene Werkstatt sowie ein Lager für
Werkzeuge, Farben, Lacke und Hilfsstoffe vorhanden sind. Die Belegschaft einer
Lackiererei besteht gewöhnlich aus einem Meister, bis zu zwei Gesellen sowie ein
bis zwei Lehrlingen.
2 Historischer Überblick
Die Bezeichnung „Lack“ basiert auf dem Schellack, der seit dem Altertum aus der
Körperflüssigkeit der Lackschildläuse gewonnen wurde. Vermischt mit Farbstoffen
wurden daraus die sehr teuren sogenannten „China-Lacke“. Der sogenannte „Ja-
pan-Lack“ hingegen war billiger herzustellen, weil dafür natürliches Harz (Kollopho-
nium, Bernstein etc.) in Leinöl oder Terpentin gelöst und mit Farbpigmenten verse-
hen wurde.
Grundsätzlich bestanden aber auch diese frühen Lacke aus einem Lösungsmittel
(z.B. Leinöl, später Birkenöl oder Terpentin), einem Bindemittel (z.B. Harze) und
dem Farbstoff (z.B. Ruß).
Bis zur Erfindung der Azo-Farbstoffe als Folge der Kohlechemie Mitte des 19. Jahr-
hunderts wurden die oben genannten Grundstoffe der Lacke kaum verändert. Da-
nach differenzierten sich sowohl die Grundbestandteile als auch die Anwendungs-
gebiete der Lacke.
Zur Grundausbildung der Lackierer, deren Gewerbe sich Ende des 18. Jahrhun-
derts von jenem der Maler getrennt hat, gehörte historisch die Zubereitung der
Farbpigmente, die Vorbereitung der Untergründe, das Mischen von Hilfsstoffen,
Farben und Lacken sowie der Deckanstrich mit witterungsbeständigen Farben.
Schon im 18. Jahrhundert gingen aus einigen Betrieben kleine Farb- und Lackfabri-
ken hervor, die auch neue, günstigere Farben entwickelten. Die meisten Lackierer
jedoch stellten ihre Lacke und Farbpulver bis zum Beginn des 20. Jahrhunderts
noch selbst her. Zu diesem Zeitpunkt setzte dann der Vertrieb von Farbpulvern und
fertigen Farben über Drogerien ein, so dass viele Lackierer begannen, ihr Material
von dort zu beziehen. Die mit dem Zubereiten der Harzlacke und Farbpigmente
verbundenen Tätigkeiten und Verschmutzungen sind seither nicht mehr in den
Werkstätten zu erwarten.
Branchenblatt Lackiererei Seite 3
Altlasten-Leitfaden Schleswig-Holstein: Erfassung Anhang 11
Historisch wurden die Farbpigmente in einer Farbmühle oder auf einer Farbreibe-
platte zerrieben und mit dem Bindemittel zu einem Farbbrei vermischt. Parallel hier-
zu wurden die natürlichen Harze in einem Topf auf dem Herd erwärmt, und das
Farbpulver nach und nach zugegeben. Dabei ist aber zu beachten, dass die Lackie-
rer meist wenig Finanzmittel zur Verfügung hatten, so dass nur sehr kleine Mengen
der wertvollen Farbpulver und Harze bevorratet wurden, und man nur jeweils die
Menge herstellte, für die ein Bedarf bestand. Ein sorgsamer Umgang mit den Farb-
pigmenten war auch schon deshalb angezeigt, weil viele der verwendeten Pigmente
gesundheitsschädlich waren, und man Vergiftungen vermeiden wollte.
3 Allgemeiner Verfahrensablauf
Für den Anstrich von Holz, Metall, Leder oder Kunststoff, den typischen Werkstof-
fen für Möbel oder Fahrzeuge, werden Lacke genutzt. Die lackierten Gegenstände
sollen wischfest und wasserdicht oder wasserabweisend sein und vor Pilzbefall oder
Korrosion geschützt werden. Diese Anforderungen erfüllen Lacke, die mit aliphati-
schen oder wässrigen Lösungsmitteln, ersatzweise auch mit schnell trocknenden
Nitroverdünnungen, hergestellt werden, also z.B. Öl-, Nitro- oder Acryllacke.
Die Öllacke bestanden in der Regel aus einem Gemisch von pflanzlichem Öl, Har-
zen, weißem oder farblosem Füllstoff (Kreide, Kalk, Gips oder Wasserglas) sowie
dem gewünschten Pigmentfarbstoff. Im Gegensatz z.B. zu den Nitrolacken lassen
sich diese Lacke aber nur aufstreichen.
Nitrolacke wurden zunehmend seit den 1920er Jahren für Anstriche von Türen,
Fenstern und Möbeln eingesetzt. Es handelt sich hierbei um Lacke, die aus Cellulo-
senitrat, Kunstharzen und Weichmachern, gelöst in „Nitroverdünnung“, hergestellt
werden, und sich auch mittels Spritzpistolen applizieren lassen. Nitroverdünnung ist
ein Gemisch von niedrigsiedenden (Ester, Methanol, Ketone), mittelsiedenden (Spi-
ritus) und hochsiedenden (Ester, Glykolderivate) Lösungsmitteln im Verhältnis von
ca. 3 zu 6 zu 1. Der Anteil an Nitrolacken hat aber nach Einführung der Alkydharz-
lacke („Kunstharzlacke“) Mitte der 1930er Jahre und insbesondere der wasserlösli-
chen Acryllacke in den 1960er Jahren stetig abgenommen.
Die vor allem im Bautenbereich eingesetzten Dispersionslacke (Acryllacke, Poly-
urethanlacke etc.) entstehen durch die Dispergierung des Bindemittels in wässrige
Systeme (vgl. Branchenblatt Malerei: Dispersionswandfarben).
Die Verarbeitung der genannten Lacke erfolgt prinzipiell in mehreren Arbeitsschrit-
ten: Schleifen, Füllen und Grundieren des Untergrundes, Auftragen eines ersten
deckenden Farbfilms und dann gegebenenfalls das Aufmalen dekorativer Elemente
bevor eine abschließende Schutzschicht aufgetragen wird. Die Art der Lackapplizie-
rung richtet sich dabei nach dem verwendeten Lacktyp und dem gewünschten Ef-
fekt (z.B. Tauchbad bei Komplettbeschichtungen).
Reparaturlackierungen oder Lackerneuerungen wurden nach ähnlichem Muster
ausgeführt. Die Flächen mussten jedoch zuvor noch gereinigt, entfettet und abge-
spachtelt werden. Für diesen Zweck wurden neben den üblichen Hilfsstoffen Säu-
Branchenblatt Lackiererei Seite 4
Altlasten-Leitfaden Schleswig-Holstein: Erfassung Anhang 11
ren, Laugen und aliphatische Lösungsmittel oder Nitroverdünnung eingesetzt. Das
Abbeizen von Lacken erfolgte auch mittels CKW-haltiger Abbeizer (Dichlormethan).
Mit der Verwendung von Lacken verbunden ist die Reinigung von Werkzeugen, Ar-
beitskleidung und Körper durch nichtwässrige Lösungsmittel.
Teeröle und Farben auf Teerölbasis wurden früher überwiegend mit ungesättigten
Fettsäuren gelöst und dann mit Laugen abgespült. Zum Entfernen von Ölfarben auf
der Basis von Naturharzen in pflanzlichen Ölen wurden Terpentine genutzt. In der
Neuzeit hat sich im Zuge der Einführung der Nitrolacke die sogenannte „Nitrover-
dünnung“ durchgesetzt. Parallel hierzu wurden gelegentlich auch Benzine, Aroma-
ten und chlorierte Kohlenwasserstoffe eingesetzt, weil der Reinigungserfolg schnel-
ler sichtbar war.
Entsprechend den verschiedenen Materialien z.B. für Möbel (Holzbretter, Span- o-
der Faserplatten) und Fahrzeuge (Metallbleche) unterscheidet sich auch der allge-
meine Verfahrensablauf für die Beschichtungen. Diese Aufteilung wird im Folgen-
den am Beispiel der Möbel- bzw. Fahrzeuglackiererei dargestellt.
Die grundlegenden Arbeiten vor Beginn der Beschichtung mit Farben bestehen zu-
meist in Reinigungsarbeiten oder Grundierungen, die wiederum entsprechend der
zu lackierenden Materialien zu differenzieren sind.
3.1 Möbellackiererei
Zunächst muss der gehobelte Holzuntergrund vorbereitet werden, indem Uneben-
heiten weggeschliffen, lose Holzteile abgelöst, Astlöcher aufgefüllt und Schwundris-
se verspachtelt werden. Saugende oder ölende Hölzer werden außerdem durch ei-
nen bindigen Grundierungsanstrich gesperrt.
Bei diesen Arbeiten handelt es sich um einfache handwerkliche Tätigkeiten, die
häufig von angelernten Hilfskräften ausgeführt werden. Als Hilfsstoffe werden zu-
meist folgende Stoffe eingesetzt:
Leim mit Füllstoffen (Kreide, Gips) zur Grundierung,
Gips zum Auffüllen und Spachteln,
Leinöl- oder Holzteerfirnis zum Sperren saugender Untergründe.
Nach dem Abtrocknen der Grundierungen wurden früher in der Regel stark mit Ter-
pentin verdünnte Farblacke als Erstanstrich vollflächig aufgetragen. Neben dem
dünnen Auftrag von Farbpigmenten aus den Mineralien wurde dadurch eine weitere
Füllung der Poren erreicht, so dass die Saugwirkung der Kapillaren deutlich vermin-
dert wurde.
Darüber wurde dann die Endlackierung mit einem der oben genannten Lacke in be-
liebiger Pigmentierung aufgebracht. Die Lackart und das Auftragsverfahren richten
sich dabei insbesondere danach, ob es sich um einen handwerklichen Betrieb oder
eine Möbelfabrik handelt. Eine automatische Spritzanlage z.B. ist erst ab einer ho-
Branchenblatt Lackiererei Seite 5
Altlasten-Leitfaden Schleswig-Holstein: Erfassung Anhang 11
hen Stückzahl rentabel, so dass handwerkliche Möbellackierereien, die hauptsäch-
lich Reparaturen und Aufarbeitungen ausführen, in der Regel nicht über eine solche
Anlage verfügen.
Reparatur- oder Umlackierungen werden in einem vergleichbaren Arbeitsverfahren
durchgeführt. Der Reparaturbetrieb von Möbellackierereien ist seit ca. 1960 kontinu-
ierlich zurückgegangen, weil diese Arbeiten entweder in Heimarbeit von den Besit-
zern ausgeführt oder neue Möbel gekauft werden.
3.2 Fahrzeuglackiererei
Die Fahrzeuglackiererei unterscheidet sich hinsichtlich des Werkstoffes Metall von
der Möbellackiererei. Die eingesetzten Pigmente und Lösungsmittel hingegen sind
identisch. Metalle haben keine saugenden oder ölenden Eigenschaften, dafür aber
den Nachteil, dass das blanke unedle Metall durch Feuchtigkeit schnell oxidiert, und
dann unterhalb der Farbschichten zu rosten beginnt. Für den dauerhaften Erfolg
einer Lackierung ist daher ein blankes, trockenes Metall, auf dem die Grundierung
lückenlos aufgetragen ist, entscheidend.
In der Fahrzeugfabrik wird zu diesem Zweck eine Lackierstraße benutzt, in der die
Metallteile nochmals geschliffen, poliert und trockengeblasen werden, bevor die
Grundierung und Decklackierungen in bis zu acht Schichten aufgetragen werden.
Solch eine großindustrielle Lackiererei mit Sprühkammern, Tauchbädern und ähnli-
chen Einrichtungen entspricht allerdings nicht dem handwerklichen Standard einer
selbständigen Lackiererei oder einer Lackiererei als Bestandteil eines Karosseriere-
paraturbetriebes. Hier sind in der Regel mehrere Arbeitsplätze zum Schleifen, eine
Sandstrahlkammer, ein bis zwei Lackierkammern sowie eine Einbrennkammer zu
erwarten.
Das Fahrzeug oder Teile davon werden mit Hilfe von Sandstrahlgebläsen und fei-
nen Schleifpapieren bis auf das blanke Metall geschliffen, poliert und dann ent-
staubt. Dann wird eine erste, schnell trocknende Grundierung, zumeist eine farb-
neutrale Rostschutzgrundierung, mit Hilfe eines Druckluftsprühgerätes aufgebracht.
Diese Grundierung wird mit ganz feinem Wasserschleifpapier angeschliffen, ent-
staubt und getrocknet. Auf dem so vorbereiteten Untergrund wird dann eine zweite
Grundierung mit Farbpigmenten aufgesprüht. Nach dem Trocknen dieser Schicht
wird dann die farblich deckende Endlackierung aufgetragen.
Sonderlackierungen, z.B. mit Metallic-Effekten, benötigen eine weitere, teils trans-
parente Schlusslackierung, die sich mit der vorherigen Schicht verbindet. Dafür darf
die farbige Endlackierung noch nicht ausgetrocknet sein.
Eine Trocken- oder Einbrennkammer ist kein zwingender Bestandteil einer Lackie-
rerei. Weil aber die Zeit des Austrocknens und Aushärtens der Lackschichten deut-
lich verringert wird, ist eine derartige Einrichtung heutzutage aus ökonomischen
Gründen erforderlich.
Branchenblatt Lackiererei Seite 6
Altlasten-Leitfaden Schleswig-Holstein: Erfassung Anhang 11
Reparaturlackierungen an Alt- oder Unfallfahrzeugen sind in den vergangenen
Jahrzehnten zum Hauptgegenstand der Arbeit von Fahrzeuglackierereien gewor-
den. Grundsätzlich unterscheiden sich die Arbeitsgänge nicht von den vorgenann-
ten. Es treten jedoch Handhabungen hinzu, die zum Teil in Reparaturbetrieben zu
erwarten sind, wie z.B. die Demontage defekter Teile (Stoßstangen, Lampen etc.).
Gelegentlich sind auch andere, ölende Teile des Fahrzeuges zu entfernen.
Für Reparaturlackierungen werden Vorarbeiten wie Schweißen, Ausbeulen, Spach-
teln etc. erforderlich. Erst dann beginnt die Arbeit des Schleifens, Polierens und La-
ckierens. Nach dem Lackieren müssen alle abgebauten Fahrzeugteile wieder be-
festigt werden. Im Vergleich zum Lackierbetrieb, der nur Neuteile behandelt, fällt
hier eine bedeutend größere Menge Lackstaub, aber auch Schrott und Altmetall,
an.
3.3 Eingesetzte Farbpigmente und Hilfsstoffe
Je nach Verwendungszweck und Farbwunsch gibt es sehr große Variations- und
Kombinationsmöglichkeiten bei den eingesetzten Farbpigmenten, so dass an dieser
Stelle nicht im Einzelnen darauf eingegangen werden kann (vgl. auch Branchenblatt
Malerei).
Grundsätzlich lassen sich für die Lackiererei Erdfarben (z.B. Ocker aus Goldocker-
Erden), Mineralfarben (z.B. Ultramarin aus Lapislazuli), Pflanzenfarbstoffe (z.B. In-
digo, Krapp) und Tierfarbstoffe (z.B. Sepia, Purpur) sowie Kombinationen dieser
Pigmente nutzen. Seit Beginn des 20. Jahrhunderts wurden, ausgehend von den
Teerfarben, immer mehr synthetische Farbpigmente entwickelt und verwendet, da
sie gleichbleibend reine Farbtöne, gute Maleigenschaften und hohe Färbekraft ge-
währleisten. Viele Lacke enthalten Schwermetalle (z.B. As, Pb, Cd, Cr, Cu, Hg, Zn),
wobei gegenwärtig nur noch in Ausnahmefällen auf Blei, Chrom oder Cadmium ba-
sierende Industrielacke zurückgegriffen wird.
Ebenso wie bei den Farbpigmenten gibt es auch bei den eingesetzten Bindemitteln
eine starke Variationsbreite.
Prinzipiell kann im historischen Maler- und Lackierergewerbe zwischen pflanzlichen,
tierischen und mineralischen Bindemitteln, die als filmbildende Komponente die
Widerstandsfähigkeit des Farbauftrages bestimmen, unterschieden werden. Ver-
wendet wurden in der Lackiererei insbesondere die pflanzlichen Öle und Harze. Seit
dem Ende der 1920er Jahre wurden zunehmend auch synthetische Bindemittel (Al-
kyd- und Epoxidharze, Polyurethan, Polyester usw.) entwickelt und vertrieben. Die-
se ermöglichen eine dickere, härtere, aber auch gleichzeitig elastischere Lack-
schicht, was z.B. die Witterungsbeständigkeit verbessert. Die Art des Bindemittels
bestimmt auch den Mechanismus der Lackhärtung (z.B. physikalisch durch Ver-
dunstung des Lösungsmittels oder chemisch durch die Reaktion verschiedener
Partner miteinander), da nicht alle Lösemittel mit jedem Bindemittel kompatibel sind.
Branchenblatt Lackiererei Seite 7
Altlasten-Leitfaden Schleswig-Holstein: Erfassung Anhang 11
Tabelle 1 Häufig genutzte Pigmentstoffe
Farben Benennung Formel Anwendung
Weißfarben Stacholit / Lithophone ZnS / ZnSxBaSO4 Grundierung
Titanweiß TiO2 Grundierung, Lack
Gips CaSO4 Grundierung, Füll-stoff
Rotfarben Mennige Pb3O4 Rostschutzfarbe, Grundierungen
Cadmiumrot CdS / CdSe Lack
Braunfarben Umbra (Mn3O4 / Fe2O3 Lack
Gelbfarben Chromgelb PbCrO4 Lack
Chromorange PbCrO4xPb(OH)2 Lack
Cadmiumorange CdS Lack
Zinkgelb ZnS Lack
Blaufarben Ultramarin 3(Na2OxAl2O3)Na2S2 Lack
Berliner Blau Fe4[Fe(CN)6]2 Lack
Grünfarben Chromhydratgrün 2Cr2O3x3H2O Lack
Chromoxidgrün Cr2O3 Lack
Chromgrün Chromgelb + Berliner Blau Lack
Scheeles Grün Cu2As3 Lack
Permanent-Grün Chromhydratgrün + BaSO4 Lack
Schwarzfarben Ruß C Lack
Zinkgrau ZnS Lack
Karbonschwarz Naphthalinverbrennung Lack
Harze oder Peche wurden in der Vergangenheit zumeist in der Rohform in den
Handel gebracht, und mussten daher in der Lackiererei zunächst durch Sieden und
Dekantieren oder auch durch Raffination gereinigt werden. Dies geschah in Kesseln
unter ständigem Rühren. Gereinigtes Harz erstarrte dann in lagerfähigen Blöcken,
die je nach Bedarf erneut erwärmt wurden und dann in flüssigem Zustand mit ver-
dunstungsfähigem Lösungsmittel und den Pigmenten vermischt wurden.
Als Lösungsmittel traten zunächst pflanzliche Öle wie Leinöl oder Terpentin auf.
Diese wurden seit den 1920er Jahren zunehmend von der Nitroverdünnung (vgl.
oben) abgelöst. Parallel hierzu wurden zunehmend Benzin, Benzol und dessen
Homologe sowie leichtflüchtige Chlorkohlenwasserstoffe eingesetzt. Mit der zuneh-
menden Bedeutung der wasserlöslichen Acryllacke seit etwa 1960, nahm auch die
Verwendung dieser Lösungsmittel ab. Nitroverdünnung oder Terpentin hingegen
haben kaum an Bedeutung verloren und werden zusätzlich auch für die Reinigung
von Werkzeugen genutzt. Insbesondere seit den 1980er Jahren werden zuneh-
mend neue Lacke entwickelt, bei denen auf organische Lösungsmittel ganz oder
teilweise verzichtet wird. So gibt es mittlerweile die völlig lösemittelfreien Pulverla-
cke oder die feststoffreichen High Solid-Lacke.
Neben Pigmenten, Binde- und Lösemitteln kann es noch weitere Lackbestandteile
wie Emulgatoren, UV-Absorber, Sikkative und Füllstoffe geben, auf die hier aber
nicht weiter eingegangen werden kann.
Branchenblatt Lackiererei Seite 8
Altlasten-Leitfaden Schleswig-Holstein: Erfassung Anhang 11
4 Umweltrelevante Verfahrens- und Produktionsschritte
sowie Verunreinigungspotentiale
Umweltrelevant in allen Lackierereien ist insbesondere die Entsorgung der schwer-
metallhaltigen Farbpigmentreste, der Mischgefäße und Farbemballagen, der Lö-
sungsmittel sowie der farbverschmierten Putzlappen. In Reparaturlackierereien
kommen große Mengen an Lackstaub, Strahlsand sowie gegebenenfalls verölte
Schrott- und Maschinenteile hinzu.
Die Art des Lackauftrages (Streichen, Sprühen, Tauchen etc.) beeinflusst ebenfalls
das Verunreinigungspotential durch die unterschiedlichen Dimensionen der Hand-
habungsverluste.
In neuzeitlichen Lackierereien ist seit Einführung der Nitrolacke meist auch eine
Farbsprühanlage vorhanden, zu deren Betrieb ein Kompressor mit großer Leistung
erforderlich ist. Der Standort von Kompressoren kann durch PCB-haltige Öle verun-
reinigt sein.
Die Herstellung der Farben durch Mahlen und Mischen von Bindemittel, Farbpig-
menten und Lösungsmitteln wurde zwar noch zu Beginn des 20. Jahrhunderts ge-
lehrt, aber in den Werkstätten zu diesem Zeitpunkt meist kaum mehr durchgeführt,
weil es billiger war, fertige Farben zu kaufen. Auch vorher kann aufgrund des gerin-
gen Mengenumsatzes und des sorgsamen Umgangs mit dem Farbpulver kein be-
sonderes Gefährdungspotential unterstellt werden (s. Kapitel 2). Eingetrocknete
Farbreste wurden historisch sogar häufig erneut vermahlen, um sie als Farbgrund-
lage für Erstanstriche zu verwenden. Ähnliches gilt auch für flüssige Farbreste; sie
wurden meist in einem Gebinde gesammelt, um bei Erstanstrichen oder Arbeiten
ohne ästhetischen Anspruch eingesetzt zu werden.
Die normale Werkstatt eines Lackierers ist daher hinsichtlich der Gefährdung in fol-
gende Bereiche zu unterteilen:
Arbeitsflächen für die Vorbereitung, dort ist nur mit abgeschliffenen ausgehärte-
ten Altlacken, Holz- oder Metallstaub und gegebenenfalls mit Strahlsanden zu
rechnen. Hier besteht normalerweise keine Gefährdungsvermutung.
In den Lackierkabinen wird der Lack aufgesprüht, so dass hier Farb- und Ver-
dünnungsmittelnebel entstehen, die sich an den Wänden und auf dem Fuß-
boden niederschlagen, aber heutzutage über Abluftanlagen mit Aktivkohlefiltern
aufgefangen werden. Eine Gefährdung besteht hier für den Baukörper durch
Einlagerung von Pigmenten und Lösungsmitteln, die den Estrich durchdringen
können.
In den Trocken- und Einbrennkammern ist keine Gefährdung zu erwarten.
Das Lager für Farben, Lacken und Lösungsmitteln wird zumeist auch zum Ver-
dünnen und Mischen und Umfüllen benutzt. Hier ist durch die möglichen Hand-
habungsverluste eine hohe Kontaminationsvermutung gegeben.
Branchenblatt Lackiererei Seite 9
Altlasten-Leitfaden Schleswig-Holstein: Erfassung Anhang 11
5 Gesetzliche Ausführungsvorschriften für verwendete
Stoffe/Stoffgruppen
Tabelle 2 Altlastrelevante Stoffe und ihr zeitlicher Einsatz
Stoff Nutzung Verstärkte An-
wendung ab
Verwendungsbe-
schränkung/ Verbot
BTEX1 Lösungsmittel ca. 1920 1986 (zum Teil)
LCKW2 Lösungsmittel ca. 1940 1981/1986 (zum Teil)
Bleiverbindungen3 Farbstoff (z.B. Bleiweiß) historisch 1923/1990
1 26.8.1986 GefStoffV: Verwendungsbeschränkung für Benzol auf geschlossene Systeme.
2 9/1981 Technische Regel für gefährliche Arbeitsstoffe TrgA 502: Verwendungsbeschrän-
kung für Tetrachlorkohlenstoff; 21.4.1986 2.BImSchV: Verordnung zur Emissionsbeschränkung von leichtflüchtigen Halogenwasserstoffen, Anwendungsbeschränkungen 1990 in der Neufassung verschärft. 3 31.08.1923 Übereinkommen über die Verwendung von Bleiweiß zum Anstrich: Verbot der
Verwendung von Bleiweiß, Bleisulfat oder eines Erzeugnisses, das diese Farbstoffe ent- hält, für Innenanstriche sowie Regelung der Verwendung außerhalb des Verbotes. 23.04.1990 GefStoffV: Verwendungsbeschränkung von Bleikarbonat- und –sulfat-Farben auf Restaurierungsarbeiten historischer Kunstwerke oder Gebäude; in der nachfolgenden Fassung wird ein komplettes Herstellungs- und Verwendungsverbot für Bleikarbonate ausgesprochen.
6 Altlastrelevante/altlastirrelevante Nutzungszeiträume
Lackierereien nutzen seit ihrer Entstehung schwermetallhaltige Pigmente, so dass
grundsätzlich für jeden Zeitraum eine Grundgefährdung anzunehmen ist. Da der
Arbeitsanfall aber erst seit dem ersten Drittel des 20. Jahrhunderts anstieg, weil
durch immer billigere Möbelwerkstoffe eine Lackierung unumgänglich wurde, ist für
den Zeitraum vor ca. 1920 nur ein geringfügiges Gefährdungspotential zu erwarten.
Außerdem stieg die Zahl der Fahrzeuge erst mit der verstärkten Motorisierung der
Bevölkerung nach dem Zweiten Weltkrieg allmählich an.
Durch die Einführung der Nitrolacke ab ca. 1920 verstärkte sich in den folgenden
Jahren, insbesondere zwischen 1950 und 1970 das Gefährdungspotential, da für
das Lösen der Farbe sowie die Reinigung von Werkzeug, Körper und Kleidung
vermehrt auf aromatische Lösungsmittel (BTEX) und leichtflüchtige chlorierte Koh-
lenwasserstoffe (LCKW) zurückgegriffen wurde. Mit der Einführung der wasserlösli-
chen Dispersionslacke in den 1960er Jahre ist aber auch die Nutzung organischer
Lösungsmittel zurückgegangen.
Branchenblatt Lackiererei Seite 10
Altlasten-Leitfaden Schleswig-Holstein: Erfassung Anhang 11
Tabelle 3 Zusammenfassung aller altlastrelevanten Aspekte und Zuordnung zu
den Branchenklassen SH.
Zeitspanne Hilfsstoffe Nebenprodukte Altlastrele-
vante Aspekte
Branchenklassen SH
Metall-
lackie-
rungen
Holz-/ Bau-
tenlackie-
rungen
bis 1920 Harze, Ter-
pentin, Leinöl,
Pigmente.
Leeremballagen,
Putzlappen etc.
Sorgsamer
Umgang mit
den Farbpig-
menten; meist
kleine Betriebe.
1 1
1921 –
1965
Harze, Ter-
pentin, Pig-
mente, Nitro-
verdünnung,
aliphatische,
aromatische,
z.T. auch ha-
logenierte Lö-
sungsmittel.
Leeremballagen,
Putzlappen etc.,
Farbstaub;
Strahlsande und
Schrott in Fahr-
zeuglackiererei-
en.
Fehlende Ab-
wasser- und
Abluftbehand-
lung, z.T. Ein-
satz von aro-
matischen oder
halogenierten
Lösungsmitteln.
5 3
1965 –
1985
Terpentin,
Pigmente,
Nitroverdün-
nung, ver-
mehrt alipha-
tische Lö-
sungsmittel.
Leeremballagen,
Putzlappen etc.,
Farbstaub,
Strahlsande und
Schrott in Fahr-
zeuglackiererei-
en.
Einführung
neuer Lacke
mit geringerem
Lösemittelanteil
bzw. auf Basis
neuer Bindemit-
tel
4 2
1985 – Ge-
genwart
Terpentin,
Pigmente,
Nitroverdün-
nung, haupt-
sächlich
aliphatische
Lösungsmit-
tel.
Leeremballagen,
Putzlappen etc.,
Farbstaub,
Strahlsande und
Schrott in Fahr-
zeuglackiererei-
en.
Verbot der
Verwendung
von halogenier-
ten Lösungs-
mitteln in offe-
nen Sys-temen
etc., Spritzan-
lagen mit Ab-
luftbehandlung
und z.T. Rück-
gewinnung
3 2
Branchenklasse 0: kein Gefährdungspotential Branchenklasse 1: Gefährdungspotential sehr gering Branchenklasse 2: Gefährdungspotential gering Branchenklasse 3: Gefährdungspotential mäßig Branchenklasse 4: Gefährdungspotential hoch Branchenklasse 5: Gefährdungspotential sehr hoch
7 Literaturhinweise
DEUTSCHES LACKINSTITUT (HRSG.): Die Welt der Lacke und Farben. Wissens-
wertes über Beschichtungsstoffe. Frankfurt, 2000.
FALBE, J.; REGITZ, M. (HRSG.): Römpp Chemie Lexikon, 9. Erweiterte und neu-
bearbeitete Auflage. Georg Thieme Verlag, Stuttgart, New York, 1993.
Branchenblatt Lackiererei Seite 11
Altlasten-Leitfaden Schleswig-Holstein: Erfassung Anhang 11
HENGLEIN, F.A.: Grundriß der Chemischen Technik, 3. Auflage. Verlag Chemie,
Berlin, 1943.
LANGE, O.: Chemisch-technische Vorschriften. III. Band – Harze, Öle, Fette, 3. er-
weiterte und neubearbeitete Auflage. Verlag Otto Spamer, Leipzig, 1923.
LUEGER, O. (HRSG.): Lexikon der gesamten Technik und ihrer Hilfswissenschaf-
ten, zweite Auflage. Deutsche Verlags-Anstalt, Stuttgart und Leipzig, 1938.
MOLLE, F.: Wörterbuch der Berufsbezeichnungen. Eigenverlag, Groß-Denkte/ Wol-
fenbüttel, 1951.
KOCH, R.; KIENZLE, O. (HRSG.): Handwörterbuch der gesamten Technik und ihrer
Hilfswissenschaften. Deutsche Verlags-Anstalt, Stuttgart und Berlin, 1935.
ULLMANN, F. (HRSG.): Enzyklopädie der technischen Chemie, 2. neubearbeitete
Auflage. Urban & Schwarzenberg, Berlin und Wien, 1929.
Altlasten-Leitfaden Schleswig-Holstein: Erfassung Anhang 11 Histinvest - Dr. Klaus Schlottau, Bremen
Branchenblatt Malerei
Inhaltsverzeichnis Seite
1 Bezeichnung der Branche 2
2 Historischer Überblick 2
3 Allgemeiner Verfahrensablauf 3
3.1 Gebäudeanstriche 3 3.2 Anstriche von Gebäudebestandteilen 4 3.3 Eingesetzte Farbpigmente und Bindemittel 6
4 Umweltrelevante Verfahrens- und Produktionsschritte sowie Verun-
reinigungspotentiale 6
5 Gesetzliche Ausführungsvorschriften für verwendete Stoffe/
Stoffgruppen 8
6 Altlastrelevante/altlastirrelevante Nutzungszeiträume 8
7 Literaturhinweise 9
Abb. 1: Maler um 1900 mit seinem Werkzeug und Transportmittel (Quelle: KETTEMANN).
Seite 2 Branchenblatt Malerei
Altlasten-Leitfaden Schleswig-Holstein: Erfassung Anhang 11
1 Bezeichnung der Branche
Das Handwerk der einfachen Maler umfasst definitionsgemäß den Anstrich von In-
nen- und Außenflächen an Gebäuden, die Lackierung von Fenstern, Türen, Gittern,
Zäunen, Möbeln etc.
In dieser Darstellung werden alle Maler, die sich erwerbsmäßig mit dem Anstrich
von Gebäuden oder Gebäudeteilen beschäftigten, zur Gruppe der „Gebrauchsma-
ler“ zusammengefasst. Gemeinsames Merkmal dieser Gruppe ist, dass ihr Gewer-
be grundsätzlich auf dem Grundstück des Auftraggebers ausgeübt wird und eine
eigene Werkstatt sehr selten vorhanden ist bzw. sich auf ein Lager für Werkzeuge,
Farben, Lacke und Hilfsstoffe beschränkt. Die Belegschaft einer Malerei besteht
gewöhnlich aus einem Meister, bis zu zwei Gesellen sowie ein bis zwei Lehrlingen.
Nicht angesprochen werden die Kunstmaler, Schildermaler, Glasmaler etc. sowie
die hauptgewerblichen Lackierereien.
2 Historischer Überblick
Zur Grundausbildung der Maler gehörten historisch die Zubereitung der Farbpig-
mente, die Vorbereitung der Untergründe, das Mischen von Hilfsstoffen, Farben und
Lacken sowie der Deckanstrich mit witterungsbeständigen Farben.
Schon früh gingen aus einigen Malerbetrieben kleine Farb- und Lackfabriken hervor
(18. Jahrhundert), die auch neue, günstigere Farben entwickelten. Die meisten Ma-
ler jedoch stellten ihre Farbpulver bis zum Beginn des 20. Jahrhunderts noch selbst
her. Erst als zu diesem Zeitpunkt Farbpulver und fertige Farben über Drogerien ver-
trieben wurden, begannen viele Maler ihr Material von dort zu beziehen. Die mit
dem Zubereiten der Farbpigmente verbundenen Tätigkeiten und Verschmutzungen
sind seit damals also weder in den Werkstätten, noch auf den Baustellen zu erwar-
ten.
Historisch wurden die Farbpigmente in einer Farbmühle oder auf einer Farbreibe-
platte zerrieben und mit dem Bindemittel zu einem Farbbrei vermischt. Dabei ist
aber zu beachten, dass die Maler meist wenig Finanzmittel zur Verfügung hatten,
so dass nur sehr kleine Mengen der wertvollen Farbpulver bevorratet wurden, und
man nur jeweils die Menge verarbeitete, für die ein Bedarf bestand. Ein sorgsamer
Umgang mit den Farbpigmenten war auch schon deshalb angezeigt, weil viele der
verwendeten Pigmente gesundheitsschädlich waren, und man Vergiftungen ver-
meiden wollte.
Mit Ausnahme der Farbpigmentzubereitung sind aber alle anderen oben genannten
Arbeiten auch heute noch wesentliche Bestandteile der Tätigkeit.
Da die Verdienstmöglichkeiten der Maler früher sehr gering waren, war der Aktions-
radius aufgrund fehlender Fortbewegungsmittel eingeschränkt. Dies führte dazu,
Branchenblatt Malerei Seite 3
Altlasten-Leitfaden Schleswig-Holstein: Erfassung Anhang 11
dass es historisch zwar sehr viele, aber meist nur kleine, ortsnahe Malerbetriebe
gab.
3 Allgemeiner Verfahrensablauf
Entsprechend den verschiedenen Materialien der Wände, Fenster und Türen sowie
der Beschläge und anderen Metallgegenstände unterscheidet sich auch der allge-
meine Verfahrensablauf für die Beschichtungen. Diese Aufteilung wird in der fol-
genden Darstellung beibehalten.
Die grundlegenden Arbeiten vor Beginn der Beschichtung mit Farben bestehen zu-
meist in Reinigungsarbeiten oder Grundierungen, die wiederum entsprechend der
anzustreichenden Materialien zu differenzieren sind.
3.1 Gebäudeanstriche
Zunächst muss der Wanduntergrund vorbereitet werden, lose Putzteile werden ab-
gelöst, Löcher aufgefüllt, Schwundrisse verspachtelt, Bewuchs durch Moose, Algen,
Kletterpflanzen und basische Ausblühungen (Mauersalpeter) entfernt. Grobe und
sandende Putze werden zunächst durch einen bindigen Grundierungsanstrich be-
festigt und egalisiert, feuchte Wände durch einen wassersperrenden Anstrich vor-
bereitet.
Bei diesen Arbeiten handelt es sich um einfache handwerkliche Tätigkeiten. Als
Hilfsstoffe werden zumeist folgende Stoffe eingesetzt:
milde organische Säuren gegen Ausblühungen,
Leim mit Füllstoffen (Kreide, Gips, Zellulose) zur Grundierung,
Gips zum Auffüllen und Spachteln sowie
Wasserglas (wasserlösliche Natrium- und Kaliumsalze der Kieselsäure) für
wassersperrende Schichten.
Im Bereich von Fundamenten, Kellern und Stallungen wurden seit dem 19. Jahr-
hundert auch Teere, davor Peche (Holzteer), als wassersperrende Farben einge-
setzt.
Nach dem Abtrocknen der Grundierungen wurden früher in der Regel stark mit
Wasser verdünnte Kalksuspensionen als Erstanstrich vollflächig aufgetragen
Darüber wurde dann der Deckanstrich mit einer Farbmischung, die durch Hinzufü-
gung von Blei-, Barium-, Zink- oder Titanoxiden sowie anderen Metalloxiden und
Metallsalzen deutlich mehr wassermischbare Pigmente enthielt, aufgebracht. Reine
Kalkfarben aus gelöschtem Kalk wurden wegen der keimtötenden Wirkung regel-
mäßig in Stallungen, Fabriken sowie den Abtritten verwendet.
Seite 4 Branchenblatt Malerei
Altlasten-Leitfaden Schleswig-Holstein: Erfassung Anhang 11
Farbige Deckanstriche mit wasserlöslichen Pigmenten mussten in witterungsbeein-
flussten Bereichen zusätzlich mit einer transparenten, wasserabweisenden Schicht
versehen werden. Hierbei handelte es sich zumeist um Wasserglaslösungen (Alka-
lisilikate) oder Firnisse aus pflanzlichen Ölen, in denen Harze gelöst waren.
Auf den Deckanstrich konnten zur Dekoration oder wegen der wasserabweisenden
Wirkung und der besseren Wischfestigkeit Ölfarben aufgetragen werden. Derartige
Anstriche waren durch das Gewerbeaufsichtsamt besonders für Betriebe, die mit
Lebensmitteln arbeiteten, aber auch z.B. für Friseure, vorgeschrieben.
Seit Beginn der 1960er Jahre wurden zunehmend sogenannte „Binderfarben“ (Dis-
persionsfarben) eingesetzt, weil sie sowohl wasserabweisend als auch wischfest
sind, und zudem durch einen hohen Anteil an Pigmenten, die in Kunststoffen oder
Kunstharzen dispergiert sind, in einem Anstrich decken. Dispersionswandfarben
bestehen aus den feinstverteilten, gemahlenen Pigmenten (s. Kapitel 3.3) und ei-
nem gemahlenen Binder oder Füllstoff (Kunstharze, Kunststoffe, Kautschuk, Harze,
Polymerisate, Polykondensate etc.) in wässriger Lösung. In Neubauten werden
seither nur noch wasserlösliche Dispersionsfarben eingesetzt, während sich in der
Altbaurenovierung in Teilbereichen die älteren Beschichtungsmittel aus bauphysika-
lischen Gründen erhalten haben.
3.2 Anstriche von Gebäudebestandteilen
Nicht alle Anstrichstoffe, die für die Beschichtung von Wänden Verwendung finden,
sind auch für den Anstrich der unterschiedlichen Materialien der einzelnen Gebäu-
debestandteile (Holz, Metall oder Kunststoff) geeignet. Für den Anstrich dieser Bau-
teile wurden und werden überwiegend Lacke genutzt.
Die Bezeichnung „Lack“ basiert auf dem Schellack, der seit dem Altertum aus der
Körperflüssigkeit der Lackschildläuse gewonnen wurde. Vermischt mit Farbstoffen
wurden daraus die sogenannten, sehr teuren „China-Lacke“. Der sogenannte „Ja-
pan-Lack“ hingegen war billiger herzustellen, weil dafür natürliches Harz (Kollopho-
nium, Bernstein etc.) in Leinöl oder Terpentin gelöst und mit Farbpigmenten verse-
hen wurde.
Grundsätzlich bestanden auch diese frühen Lacke aus einem Lösungsmittel (Leinöl,
vom 14. Jahrhundert bis ca.1850, später Birkenöl oder Terpentin, beginnend ab ca.
1780 bis ca. 1900), einem Bindemittel (z.B. Harze) und dem Farbstoff.
Bis zur Erfindung der Azo-Farbstoffe als Folge der Kohlechemie Mitte des 19. Jahr-
hunderts wurden die oben genannten Grundstoffe der Lacke kaum verändert. Da-
nach differenzierten sich sowohl die Grundbestandteile als auch die Anwendungs-
gebiete der Lacke.
Im Rahmen dieser Darstellung werden jedoch nur die sogenannten „Maler-Lacke“
bearbeitet, welche folgende Eigenschaften aufweisen sollen: möglichst schnelle und
Branchenblatt Malerei Seite 5
Altlasten-Leitfaden Schleswig-Holstein: Erfassung Anhang 11
geruchsneutrale Trocknung, Farbechtheit, Wischfestigkeit sowie eine einfache
Verarbeitbarkeit.
Diese Anforderungen erfüllen im wesentlichen Lacke, die mit aliphatischen oder
wässrigen Lösungsmitteln, ersatzweise auch mit schnell trocknenden Nitroverdün-
nungen, hergestellt werden, d.h. Öl-, Nitro- oder Acryllacke.
Die Öllacke bestehen in der Regel aus einem Gemisch von pflanzlichem Öl, Har-
zen, weißem oder farblosem Füllstoff (Kreide, Kalk, Gips oder Wasserglas) sowie
dem gewünschten Pigmentfarbstoff.
Nitrolacke wurden zunehmend seit den 1920er Jahren für Anstriche von Türen,
Fenstern und Möbeln eingesetzt. Es handelt sich hierbei um Lacke, die aus Cellulo-
senitrat, Kunstharzen und Weichmachern, gelöst in „Nitroverdünnung“, hergestellt
werden. Nitroverdünnung ist ein Gemisch von niedrigsiedenden (Ester, Methanol,
Ketone), mittelsiedenden (Spiritus) und hochsiedenden (Ester, Glykolderivate) Lö-
sungsmitteln im Verhältnis von ca. 3 zu 6 zu 1. Der Anteil an Nitrolacken hat aber
nach Einführung der wasserlöslichen Acryllacke seit den 1960er Jahren stetig ab-
genommen.
Dispersionslacke (Acryllacke, Polyurethanlacke etc.) auf wasserlöslicher Basis
entstehen durch die Dispergierung von vorgefertigten Polymeren in Monomeren wie
z.B. Buten etc. (vgl. Dispersionswandfarben).
Die Verarbeitung der genannten Lacke erfolgt in mehreren Arbeitsschritten: Schlei-
fen, Füllen und Grundieren des Untergrundes, Auftragen eines ersten deckenden
Anstrichs und dann gegebenenfalls das Aufmalen dekorativer Elemente.
Reparaturlackierungen oder Lackerneuerungen wurden nach ähnlichem Muster
ausgeführt. Die Flächen mussten jedoch zuvor noch gereinigt, entfettet und abge-
spachtelt werden. Für diesen Zweck wurden neben den üblichen Hilfsstoffen Säu-
ren, Laugen und aliphatische Lösungsmittel oder Nitroverdünnung eingesetzt. Das
Abbeizen von Lacken erfolgte auch mittels CKW-haltiger Abbeizer (Dichlormethan).
Mit der Verwendung von Lacken verbunden ist die Reinigung von Werkzeugen, Ar-
beitskleidung und Körper durch nichtwässrige Lösungsmittel.
Teeröle und Farben auf Teerölbasis wurden früher überwiegend mit ungesättigten
Fettsäuren gelöst und dann mit Laugen abgespült. Zum Entfernen von Ölfarben auf
der Basis von Naturharzen in pflanzlichen Ölen wurden Terpentine genutzt. In der
Neuzeit hat sich im Zuge der Einführung der Nitrolacke die sogenannte „Nitrover-
dünnung“ durchgesetzt. Parallel hierzu wurden gelegentlich auch Benzine, Aroma-
ten und chlorierte Kohlenwasserstoffe eingesetzt, weil der Reinigungserfolg schnel-
ler sichtbar war.
Seite 6 Branchenblatt Malerei
Altlasten-Leitfaden Schleswig-Holstein: Erfassung Anhang 11
3.3 Eingesetzte Farbpigmente und Bindemittel
Je nach Verwendungszweck und Farbwunsch gibt es sehr große Variations- und
Kombinationsmöglichkeiten bei den eingesetzten Farbpigmenten, so dass an dieser
Stelle nicht im Einzelnen darauf eingegangen werden kann.
Grundsätzlich lassen sich aber Erdfarben (z.B. Ocker aus Goldocker-Erden), Mine-
ralfarben (z.B. Ultramarin aus Lapislazuli), Pflanzenfarbstoffe (z.B. Indigo, Krapp)
und Tierfarbstoffe (z.B. Sepia, Purpur) sowie Kombinationen dieser Pigmente un-
terscheiden. Seit Beginn des 20. Jahrhunderts werden immer mehr synthetische
Farbpigmente entwickelt und verwendet, da sie gleichbleibend reine Farbtöne, gute
Maleigenschaften und hohe Färbekraft gewährleisten. Zudem lassen sich synthe-
tisch deutlich mehr Farbtöne herstellen als in natürlichen Pigmenten und ihren
Kombinationsprodukten vorkommen. Speziell Lacke enthalten häufig Schwermetalle
(z.B. As, Pb, Cd, Cr, Cu, Hg, Zn).
Ebenso wie bei den Farbpigmenten gibt es auch bei den eingesetzten Bindemitteln
eine starke Variationsbreite. Früher beruhte die Zusammensetzung des sogenann-
ten „Malerleims“ meist auf eigenen Kreationen der Maler unter Verwendung von
verschiedenen Materialien wie z.B. Haut- und Klauenleim oder Fischleim. Erst in der
Neuzeit konnten auch hier vorgefertigte Standardprodukte über den Handel bezo-
gen werden. Prinzipiell kann historisch zwischen pflanzlichen (Leinöl, Harz, Stärke,
Wachs), tierischen (Knochenleim, Milch, Tran, Eiweiß) und mineralischen (Kalk,
Zement, Gips) Bindemitteln unterschieden werden. Verwendet wurden insbesonde-
re die Öle, das Kasein und im ländlichen Bereich das Rinderblut.
Der Malerleim wurde damals meist in Platten gelagert und bei Bedarf im Leimofen
der Werkstatt erwärmt und aufgeweicht, um anschließend mit den Pigmenten ver-
mischt und mit Wasser oder anderen Verdünnungsmitteln zur gebrauchsfertigen
Farbe aufbereitet zu werden.
Seit dem Ende der 1920er Jahre wurden zunehmend auch synthetische Bindemittel
(zunächst auf Phthalatharzbasis) entwickelt und vertrieben.
4 Umweltrelevante Verfahrens- und Produktionsschritte
sowie Verunreinigungspotentiale
Aufgrund der Mobilität des Malergewerbes besteht, wenn überhaupt, eine Gefähr-
dungsvermutung nur am Ort ihrer Tätigkeit, denn hier sind Materialverluste bei der
Handhabung, Lösungs- oder Reinigungsarbeiten möglich.
Problematisch ist insbesondere die Entsorgung der schwermetallhaltigen Farbpig-
mentreste, der Mischgefäße und Farbemballagen, der Lösungsmittel sowie der
farbverschmierten Putzlappen.
Die Herstellung der Farben durch Mahlen und Mischen von Bindemitteln, Farbpig-
menten und Lösungsmitteln wurde zwar noch zu Beginn des 20. Jahrhunderts ge-
Branchenblatt Malerei Seite 7
Altlasten-Leitfaden Schleswig-Holstein: Erfassung Anhang 11
lehrt, aber in den Werkstätten der Maler zu diesem Zeitpunkt meist kaum mehr
durchgeführt, weil es billiger war, fertige Farben zu kaufen. Auch vorher kann auf-
grund des geringen Mengenumsatzes und des sorgsamen Umgangs mit dem Farb-
pulver kein besonderes Gefährdungspotential unterstellt werden (s. Kapitel 2). Ein-
getrocknete Farbreste wurden historisch sogar häufig erneut vermahlen, um sie als
Farbgrundlage für Erstanstriche zu verwenden. Ähnliches gilt auch für flüssige
Farbreste; sie wurden meist in einem Gebinde gesammelt, um bei Erstanstrichen
oder Arbeiten ohne ästhetischen Anspruch eingesetzt zu werden.
Die normale Werkstatt eines Gebrauchsmalers ist daher nur ein Lager für geringfü-
gige Mengen an Farben, Lacken und Lösungsmitteln, die im Rahmen kleinerer Ar-
beiten auf wechselnden Baustellen benötigt werden. Für Großaufträge werden die
Gebinde unmittelbar vom Großhandel auf die Baustelle geliefert. Leere Gebinde
wurden früher gemeinsam mit dem Bauschutt entsorgt, so dass eine Malerei in der
Regel nur eine Garage für das Lieferfahrzeug und eine kleine Fläche für die Lager-
haltung benötigte. Am gemeldeten Ort der Gewerbeausübung besteht daher für die
beschriebene herkömmliche Gebrauchsmalerei (kleiner Betriebsmaßstab) keine
Gefährdungsvermutung.
Eine Gefährdungsvermutung ist für das Gewerbe einer Malerei eng mit dem Be-
triebsmaßstab und der ausgeübten Tätigkeit verbunden. Folgende Aspekte sollten
bei der Bewertung Berücksichtigung finden.
Aspekte zur Verdachtsentkräftung:
kleine Grundstücksfläche mit Garagen ähnlichem Nebengebäude,
nur Wohnbebauung (z. B. Reihenhaus),
Einstufung: Kategorie A1 (Ausscheiden nach Kartenrecherche oder Bauaktenaus-
wertung).
Aspekte zur Verdachtserhärtung:
große Grundstücke mit entsprechend großen gewerblich genutzten Neben-
gebäuden,
Hinweise auf höhere Mitarbeiterzahl,
Hinweis auf Lackierarbeiten auf dem Standort (z. B. Lackierraum, Spritzan-
lage).
Einstufung: Die Bewertung ist hier den standortspezifischen Gegebenheiten anzu-
passen. Sofern die Haupttätigkeit in Lackierarbeiten vor Ort besteht, ist eine ent-
sprechende Bewertung vorzunehmen (Branchenbezeichnung und Branchenklasse,
siehe Branchenblatt „Lackierereien“).
Seite 8 Branchenblatt Malerei
Altlasten-Leitfaden Schleswig-Holstein: Erfassung Anhang 11
5 Gesetzliche Ausführungsvorschriften für verwendete
Stoffe/Stoffgruppen
Tabelle 1 Altlastrelevante Stoffe und ihr zeitlicher Einsatz
Stoff Nutzung Verstärkte
Anwendung
ab
Verwendungsbeschrän-
kung/ Verbot
BTEX1 Lösungsmittel ca. 1920 1986 (zum Teil)
LCKW2 Lösungsmittel ca. 1940 1981/1986 (zum Teil)
Bleiverbindungen3 Farbstoff (z.B. Bleiweiß) historisch 1923/1990
1 26.8.1986 GefStoffV: Verwendungsbeschränkung für Benzol auf geschlossene Systeme.
2 9/1981 Technische Regel für gefährliche Arbeitsstoffe TrgA 502: Verwendungsbeschrän-
kung für Tetrachlorkohlenstoff; 21.4.1986 2.BImSchV: Verordnung zur Emissionsbeschränkung von leichtflüchtigen Halogenwasserstoffen, Anwendungsbeschränkungen 1990 in der Neufassung verschärft. 3 31.08.1923 Übereinkommen über die Verwendung von Bleiweiß zum Anstrich: Verbot der
Verwendung von Bleiweiß, Bleisulfat oder eines Erzeugnisses, das diese Farbstoffe ent- hält, für Innenanstriche sowie Regelung der Verwendung außerhalb des Verbotes. 23.04.1990 GefStoffV: Verwendungsbeschränkung von Bleikarbonat- und –sulfat-Farben auf Restaurierungsarbeiten historischer Kunstwerke oder Gebäude; in der nachfolgenden Fassung wird ein komplettes Herstellungs- und Verwendungsverbot für Bleikarbonate ausgesprochen.
6 Altlastrelevante/altlastirrelevante Nutzungszeiträume
Für eine Malerei in kleinem bzw. mittlerem Betriebsmaßstab ohne Lackierar-
beiten liegt in Schleswig-Holstein keine Gefährdungsvermutung vor.
Erstbewertung: Branchensynonym: Malerei bzw. Malerbetrieb, Branchenbe-
zeichnung: keine, Branchenklasse 0
Nur bei Vorliegen der in Kapitel 4 genannten Aspekte zur Verdachtserhärtung
ist für eine Malerei mit Lackierarbeiten in kleinem Umfang (z. B. eine Spritzka-
bine) die Tabelle 2 zur Bewertung heranzuziehen.
Tabelle 2 Zusammenfassung aller altlastrelevanten Aspekte und Zuordnung zu
den Branchenklassen SH
Zeitspanne Hilfsstoffe Nebenprodukte Altlastrelevante
Aspekte
Branchen-
klassen SH
bis 1930 Seifen, Terpentin,
Leinöl, Pigmente.
Leeremballagen,
Putzlappen etc.
Mobiles Bauhand-
werk; sorgsamer
Umgang mit den
Farbpigmenten;
meist sehr kleine,
ortsnahe Betriebe.
0
Branchenblatt Malerei Seite 9
Altlasten-Leitfaden Schleswig-Holstein: Erfassung Anhang 11
1931 – 1972 Seifen, Terpentin,
Pigmente, Nitrover-
dünnung, aliphati-
sche, aromatische,
z.T. auch haloge-
nierte Lösungsmittel.
Leeremballagen,
Putzlappen etc.
Aufgrund der Mobili-
tät des Gewerbes
geringe Altlastenre-
levanz am Ort der
Gewerbeanmel-
dung; z.T. Einsatz
von aromatischen
oder halogenierten
Lösungsmitteln zu-
meist beim Auftrag-
geber.
2
1973 – Ge-
genwart
Seifen, Terpentin,
Pigmente, Nitrover-
dünnung, haupt-
sächlich aliphatische
Lösungsmittel.
Leeremballagen,
Putzlappen etc.
Aufgrund der Mobili-
tät des Gewerbes
sehr geringe Altlas-
tenrelevanz am Ort
der Gewerbeanmel-
dung., geregelte Ab-
fallentsorgung durch
veränderte Geset-
zeslage anzuneh-
men
1
Branchenklasse 0: kein Gefährdungspotential Branchenklasse 1: Gefährdungspotential sehr gering Branchenklasse 2: Gefährdungspotential gering Branchenklasse 3: Gefährdungspotential mäßig Branchenklasse 4: Gefährdungspotential hoch Branchenklasse 5: Gefährdungspotential sehr hoch
7 Literaturhinweise
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bearbeitete Auflage. Georg Thieme Verlag, Stuttgart, New York, 1993.
HEINEMANN, G. W.: 100 Jahre, 5. Februar 1861 – 5. Februar 1961, Friedrich Hei-
nemann Malereibetriebe Braunschweig und Wolfenbüttel, Vlg. Hempel, Braun-
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HENGLEIN, F.A.: Grundriß der Chemischen Technik, 3. Auflage. Verlag Chemie,
Berlin, 1943.
KETTEMANN, O.: Handwerk in Schleswig-Holstein. Studien zur Volkskunde und
Kulturgeschichte Schleswig-Holsteins, Band 18. Karl Wachholtz Verlag, Neumüns-
ter, 1987.
KOCH, R.; KIENZLE, O. (HRSG.): Handwörterbuch der gesamten Technik und ihrer
Hilfswissenschaften. Deutsche Verlags-Anstalt, Stuttgart und Berlin, 1935.
LANGE, O.: Chemisch-technische Vorschriften. III. Band – Harze, Öle, Fette, 3. er-
weiterte und neubearbeitete Auflage. Verlag Otto Spamer, Leipzig, 1923.
LUEGER, O. (HRSG.): Lexikon der gesamten Technik und ihrer Hilfswissenschaf-
ten, zweite Auflage. Deutsche Verlags-Anstalt, Stuttgart und Leipzig, 1938.
Seite 10 Branchenblatt Malerei
Altlasten-Leitfaden Schleswig-Holstein: Erfassung Anhang 11
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nische Verlagsanstalt Boyens & Co., Heide, 2001.
MOLLE, F.: Wörterbuch der Berufsbezeichnungen. Eigenverlag, Groß-Denkte/ Wol-
fenbüttel, 1951.
OHL, F. Was ist? Kleines Handlexikon für das Lack- und Farbenfach; für Farben-
und Lackindustrielle, industrielle und handwerkliche Lackier- und Malereibetriebe.
Verlag Dähne, Berlin-Schöneberg, 1940.
ULLMANN, F. (HRSG.): Enzyklopädie der technischen Chemie, 2. neubearbeitete
Auflage. Urban & Schwarzenberg, Berlin und Wien, 1929.
Altlasten-Leitfaden Schleswig-Holstein: Erfassung Anhang 11 Histinvest – Dr. Klaus Schlottau, Bremen
Branchenblatt Maschinenfabriken
Inhaltsverzeichnis Seite 1 Bezeichnung der Branche 2 2 Historischer Überblick 2 3 Allgemeiner Verfahrensablauf 2 4 Umweltrelevante Verfahrens- und Produktionsschritte sowie Ver-
unreinigungspotentiale 3 5 Gesetzliche Ausführungsvorschriften für verwendete Stoffe/
Stoffgruppen 5 6 Altlastrelevante/altlastirrelevante Nutzungszeiträume 6 7 Literaturhinweise 8 Abb. 1: Modernes Maschinenbauunternehmen in den 1950er Jahren (Quelle:
HANOW).
Branchenblatt Maschinenfabriken Seite 2
Altlasten-Leitfaden Schleswig-Holstein: Erfassung Anhang 11
1 Bezeichnung der Branche
Als Maschinenfabriken werden Unternehmen bezeichnet, deren Aufgabe darin be-
steht, Werkzeug- oder Arbeitsmaschinen herzustellen. Im Gegensatz zur sprachli-
chen Unschärfe im Gemeingebrauch werden die Unternehmen relativ strikt unter-
schieden: Kaffeemaschinen z.B. gehören zur Gruppe Apparatebau (vgl. Branchen-
blatt Apparatebau), während eine Mischmaschine für Beton hingegen gewöhnlich
von der Industriegruppe Anlagenbau hergestellt wird. Merkmale letzterer sind im
Wesentlichen eine Produktion von Investitionsgütern sowie der fehlende Kontakt
zum Endkonsumenten. Der Anlagenbau ist also heute eher dem Begriff Maschinen-
bau gleichzusetzen.
2 Historischer Überblick
Das Entstehen von Maschinenfabriken war eine Voraussetzung für die Entwicklung
der industriellen Revolution des 19. Jahrhunderts. Maschinenfabriken haben sich in
der Regel erst entwickelt, als es möglich wurde, Werkzeugmaschinen, Drehbänke,
Fräsen etc. aus Metall herzustellen.
Die Maschinenfabriken sind ursprünglich aus den mechanischen Abteilungen und
Reparaturbereichen von Eisengießereien oder Fahrzeugbaubetrieben, nicht selten
aber auch aus Schlossereien, Schmieden und sogar Textilfabriken hervorgegangen.
Oftmals handelte es sich zunächst um die Anfertigung von Einzelstücken für defekte
Maschinen, bevor der Wandel zur Fabrikation von Serienstücken einsetzte.
Bei der Einstufung der Branche in die Branchenklassen ist zu beachten, dass der
Begriff „Maschinenfabrik“ häufig schon sehr früh von den Betreibern gewählt wurde,
obwohl es sich oftmals noch um handwerkliche Betriebe handelte.
3 Allgemeiner Verfahrensablauf
Eine Maschinenfabrik integriert folgende wesentliche Arbeitsprozesse, die sowohl
früher, als auch gegenwärtig noch als selbständige Gewerbebetriebe bestehen:
- Eisengießerei mit Modelltischlerei, Formerei und Putzerei (vgl. Branchenblatt
Gießerei),
- Dreherei, Fräserei (vgl. Branchenblatt Dreherei),
- Schmiede mit Härterei (vgl. Branchenblatt Schmiede),
- Montage und Lackiererei (vgl. Branchenblatt Schlosserei und Lackiererei).
Die größeren Maschinenfabriken mit Belegschaften von mehr als 100 Personen
waren seit dem letzten Drittel des 19. Jahrhunderts nach dem obigen Schema auf-
gebaut. Größere Gussteile für die Rahmenkonstruktion wurden jedoch z.T. bereits
damals hinzugekauft, weil die Beschaffung eines großen Kupolofens ohne regelmä-
ßige Auslastung unrentabel war. Um eine möglichst hohe Serienstückzahl zu errei-
chen, wurden auch Unteraufträge an Drehereien, Fräsereien, Stanzereien oder Po-
Branchenblatt Maschinenfabriken Seite 3
Altlasten-Leitfaden Schleswig-Holstein: Erfassung Anhang 11
lierereien vergeben. Der Bezug fremdgefertigter Teile wurde für die Maschinenbau-
industrie mit zunehmender Standardisierung von Schrauben, Muttern, Federn, Un-
terleg- und Federscheiben sowie anderer kleinerer Bauteile zum Normalfall. Der
Kernbereich der Unternehmung jedoch, die Konstruktion und Montage der Maschi-
nen sowie der elektrotechnischen Schaltanlagen, blieb in der Regel in einem Werk.
Zu diesem Fertigungsabschnitt gehört insbesondere die Lackierung und Ausrüstung
für den Versand.
Eine Maschinenfabrik enthält daher stets alle Verfahrensabschnitte der Metallbear-
beitung einschließlich der Lackierung in einer personellen und maschinellen Grund-
ausstattung, die dem normalen Auftragsstand proportional ist. Darüber hinaus wer-
den nach betriebswirtschaftlichen Kriterien Unterfertigungsaufträge mit anderen
selbständigen Metallbearbeitungsfirmen abgeschlossen.
4 Umweltrelevante Verfahrens- und Produktionsschritte sowie Verunreinigungspotentiale
Eine Maschinenfabrik besteht allgemein aus einem komplexen Gefüge aller bekann-
ten Metallbearbeitungen, zu denen sich, resultierend aus dem Modellbau, auch sol-
che der Holzbearbeitung hinzugesellen.
In der Metallbearbeitung wurden schon lange schwere Maschinen mit hohem Kraft-
bedarf eingesetzt. Daher verfügten die meisten Großbetriebe, aber auch zahlreiche
mittelgroße Betriebe, früh über eine eigene Kraftzentrale (meist eine Dampfmaschi-
ne) mit Riementransmissionen, Wellenübertragungen und später auch eine eigene
Stromerzeugung.
Daraus resultierten bis in die 1930er Jahre große Mengen an Aschen und Schla-
cken aus der Feuerung, in der zumeist auch betriebliche Abfälle verbrannt oder ge-
sintert wurden. Die Aschen und Schlacken wurden zusammen mit anderen geeigne-
ten Abfallstoffen, z.B. Kohlengrus aus den Bunkern und Sandstrahlrückständen,
häufig für die Befestigung des Betriebsgeländes genutzt, um den zunehmenden
Schwerlastverkehr zu ermöglichen. Seit ca. 1930 nahmen die Kesselfeuerungen mit
Schweröl und später auch mit Heizöl zu. Die Lagerung dieser Stoffe erforderte
Tanks, Pumpwerke, Übernahmestationen und Vorwärmanlagen, die bis in die
1960er Jahre fast immer durch unterirdische Rohre verbunden waren, welche häufig
korrodierten. Folglich sind an allen Orten, auf denen mit diesen Mineralölkohlen-
wasserstoffen umgegangen wurde, entsprechende Verunreinigungen nicht auszu-
schließen.
Die Verstromung der innerbetrieblich erzeugten Energie erforderte die Anlage eige-
ner Transformatorenstationen, Gleichrichter und anderer elektrotechnischer und
elektromechanischer Anlagen (z.B. Ölschützen, d.h. großvolumige relaisähnliche
Hochspannungsschalter mit Öl als Isolator). Die Umstellung der Nennspannung von
110V auf 220V erfolgte allgemein in den 1950er Jahren und machte die gesamte
elektrische Altausrüstung hinfällig, so dass diese Geräte verschrottet wurden. Ins-
besondere im Zuge dieser Umbauarbeiten, aber auch durch den normalen Betrieb
sowie durch Unfälle, gelangte aus den Transformatoren und Ölschützen Transfor-
Branchenblatt Maschinenfabriken Seite 4
Altlasten-Leitfaden Schleswig-Holstein: Erfassung Anhang 11
matorenöl mit PCB und anderen Zusätzen in die Umwelt. Auch die Gleichrichter
erwiesen sich bei Unfällen oder nicht sachgerechter Demontage als umweltschädi-
gend, da sie je nach Größe bis zu 1.400 kg Quecksilber enthielten.
Während des 19. Jahrhunderts und vielfach noch bis in die 1920er Jahre wurden die
Maschinen selbst mit mechanischen Einrichtungen bewegt. Die Umstellung auf den
Einzelantrieb war fast immer auch mit der Umstellung auf eine hydraulische Über-
tragung der Kräfte verbunden. Innerhalb der Einzelmaschine befand sich eine Hyd-
raulikpumpe. Undichtigkeiten bei Pumpen, Vorratsbehältern und Hydraulikschläu-
chen sowie undichte Kolben führten oft zu einem merklichen Verlust an Hydrauliköl.
Dieses war früher fast immer mit PCB versetzt und kann daher in den Abfallstoffen,
im Bauwerk und im Untergrund Spuren hinterlassen haben. Der Einsatz von PCB
wurde 1972 auf geschlossene Systeme beschränkt und 1989 ganz verboten.
Da die Maschinen und Werkstoffe fast durchgängig verölt waren, wurden sie regel-
mäßig mit aliphatischen, aromatischen oder chlorierten Lösungsmittel gereinigt.
Diese können zu Kontaminationen geführt und zusätzlich die Mobilisierung von Mi-
neralölen bewirkt haben.
In der Gießerei handelt es sich insbesondere um Verunreinigungen, die aus der
Formsandaufbereitung resultieren, also um Feineisenteile, Verölungen des Guss-
schrottzuschlages, Furanharze sowie Öle aus den hydraulischen Anlagen und
Kompressoren (siehe Branchenblatt Gießerei).
Abb. 2: Endmontage eines Dampfkessels in einer Maschinenfabrik der 1950er
Jahre (Quelle: HANOW).
In der Dreherei können neben den üblichen Verlusten an Mineralölen aus den Ma-
schinen generell insbesondere die Kühlöle im Zeitraum von ca. 1930 bis in die
1980/1990er Jahre zu Verunreinigungen geführt haben, da sie PCB und andere
Schadstoffe enthielten. Da die Reinigung der Maschinen, der Werkzeuge, Werkstü-
Branchenblatt Maschinenfabriken Seite 5
Altlasten-Leitfaden Schleswig-Holstein: Erfassung Anhang 11
cke und der Drehspäne unter Einsatz von Lösungsmitteln vollzogen wurde, können
dementsprechend die Werkstattbereiche und auch die Lagerplätze verunreinigt sein
(siehe Branchenblatt Dreherei).
Neben diesen Hauptbereichen potentieller Verunreinigungen sind auch die Härte-
reien und Lackierereien zu berücksichtigen, weil hier stets mit einem Verlust an Här-
te- bzw. Lösungsmitteln zu rechnen ist (siehe Branchenblatt Lackiererei bzw. Ar-
beitstechniken und Verfahren der Metallbearbeitung). Durch den Einsatz von Säu-
ren und Cyaniden in den Beiz- und Härtebäder können bei Handhabungsverlusten
oder Leckagen Schwermetalle im Untergrund mobilisiert worden sein.
Detaillierte Auflistungen von Verunreinigungspotentialen für Maschinenfabriken las-
sen sich in der Regel erst dann erstellen, wenn die Art der Metallbearbeitung und
der Oberflächenbehandlung bekannt ist.
5 Gesetzliche Ausführungsvorschriften für verwendete Stoffe/Stoffgruppen
Tabelle 1 Altlastrelevante Stoffe und ihr zeitlicher Einsatz
Stoff Nutzung Verstärkte Anwendung
ab
Verwendungsbe-schränkung/ Ver-
bot
PCB (Polychlo-rierte Biphenyle).
1
Einsatz in Kühl- und Hydraulikölen, um die Entzündungstemperatur zu erhöhen.
ca. 1930 1978/1989
Wassermischbare Kühlschmierstoffe (N-Nitrosamin-Bildung).
2
Schmier- und Kühlmittelersatz für Öle mit Flammschutzmitteln.
ca. 1955 1997
PCP (Pentachlor-phenol).³
Einsatz in Emulsionen zur Halt-barmachung.
ca. 1930 1986/1989
LCKW.4 Lösungs- und Reinigungsmittel
(Kaltreiniger) im Werkstattbetrieb sowie in den Lackierereien.
ca. 1925 1981/1986 (zum Teil)
BTEX.5 Lösungs- und Reinigungsmittel im
Werkstattbetrieb sowie in den La-ckierereien.
ca. 1925 1986 (zum Teil)
1 26.7.1978 10.BImSchV: Verwendungsbeschränkung auf geschlossene Systeme;
18.7.1989, PCB-Verbotsverordnung: Herstellungs-, Inverkehrsbringungs- und Verwen- dungsverbot, 1993 durch ChemVerbotsV abgelöst. 2 4/1997 Technische Regel für Gefahrstoffe TRGS 611, Verwendungsbeschränkungen für
wassermischbare bzw. wassergemischte Kühlschmierstoffe, bei deren Einsatz N-Nitrosamine auftreten können (Verbot von Nitrit im KSS) 3
26.8.1986 GefStoffV: Verwendungsbeschränkung für PCP, z.B. nicht in Aufenthaltsräumen einzusetzen; 12.12.1989 PCP-Verbotsverordnung: Herstellungs-, Inverkehrsbringungs- und Verwen- dungsverbot, 1993 abgelöst durch ChemVerbotsV. 4 9/1981 Technische Regel für gefährliche Arbeitsstoffe TrgA 502: Verwendungsbeschrän-
kung für Tetrachlorkohlenstoff; 21.4.1986 2.BImSchV: Verordnung zur Emissionsbeschränkung von leichtflüchtigen Halogenwasserstoffen, Anwendungsbeschränkungen 1990 in der Neufassung verschärft.
Branchenblatt Maschinenfabriken Seite 6
Altlasten-Leitfaden Schleswig-Holstein: Erfassung Anhang 11
5 26.8.1986 GefStoffV: Verwendungsbeschränkung für Benzol auf geschlossene Systeme.
6 Altlastrelevante/altlastirrelevante Nutzungszeiträume
Bis zum Ende des 19. Jahrhunderts sind keine wesentlichen Veränderungen in der
stofflichen Bearbeitung oder in der Zusammensetzung der Hilfsstoffe für die Metall-
industrie bekannt. Es handelte sich lediglich um eine Maschinisierung und Mechani-
sierung der bisherigen Handarbeit. Die Entwicklungen der chemischen Industrie und
Metallurgie seit Beginn des 20. Jahrhunderts veränderten jedoch nach und nach die
Zusammensetzung der Werk- und Hilfsstoffe. Diese Veränderungen betrafen insbe-
sondere die Arbeitsbereiche der Dreherei, Härterei und Lackiererei.
Die Entwicklungen in der spanabhebenden Metallverarbeitung seit Anfang des 20.
Jahrhunderts stellten erhöhte Anforderungen an die Maschinen, die Handhabung
der Werkzeuge und der zu bearbeitenden Materialien. Durch die verbesserten
Schneidstähle ergaben sich zunehmend höhere Schnittgeschwindigkeiten, die eine
Schmierung und Kühlung der Werkstücke und -zeuge erforderlich machten. Wäh-
rend anfänglich noch Seifenwasser, das auf die Grenzflächen gespritzt wurde, zur
Werkzeug/-stückkühlung ausreichte, musste seit der Einführung der Schnellschnitt-
stähle zunehmend auf wärmeleitende, hochsiedende Öle und Emulsionen zurück-
gegriffen werden. Diese Öle benötigen seit dem Ende der 1920er Jahre Chlor-
organika (z.B. PCB) als Flammschutz; Emulsionen mussten seither mit Emulgato-
ren, Fungiziden und Bakteriziden (z.B. PCP) hergestellt und haltbar gemacht wer-
den. Ebenfalls etwa seit Anfang der 1930er Jahre ist in Schleswig-Holstein mit der
verstärkten Anwendung chlorierter Kohlenwasserstoffe als Lösungsmittel (Per, Tri)
zu rechnen.
Steigende Metallpreise in den Jahren zwischen 1960 und 1980, besonders nach der
Einführung des Abfallwirtschaftsgesetzes, führten zudem dazu, Drehspäne in mög-
lichst sauberer Form wiederzuverwenden, so dass diese häufig schon beim Erzeu-
ger mit Kaltreinigern oder anderen Lösungsmitteln entölt wurden.
In der Härterei befanden sich die Öfen und Bäder für die zu härtenden Werkstücke
regelmäßig in der unmittelbaren Nähe der Dreh-, Fräs- oder Poliermaschinen, so
dass von einem befestigten Boden der Werkstatt ausgegangen werden kann. Den-
noch ist mit kontinuierlichen Stoffverlusten durch Hantierungen mit dem Werkstück
zu rechnen. Bei der Härtung entstehen umweltgefährdende Abfallstoffe und Verun-
reinigungen, insbesondere Mineralöle, Säuren, Schwermetallsalze sowie Alkalicya-
nide und –cyanate, die in nicht mehr brauchbaren Härtereibädern gelöst vorliegen
können. Ferner können verbrauchte Härtereibäder aus verunreinigtem Blei beste-
hen. Die Entsorgung dieser Bäder ist für den Zeitraum vor 1970 selten belegbar.
Seit den 1970er Jahren werden verbrauchte schwermetallhaltige Härtereibäder und
auch Ölbäder von Spezialfirmen wieder aufbereitet. Die Verfahren waren jedoch in
den ersten Jahren nicht ausgereift, so dass die Altbäder vielfach in Containern auf
dem Betriebshof lagerten.
Die für die Schweißarbeiten notwendigen Acetylenanlagen befanden sich wegen der
Explosionsgefahr zumeist abseits der Werkstatt in einem Schuppen, neben dem
auch die Absetzbecken für Karbidschlamm (Calciumhydroxid) zu suchen sind. Es ist
Branchenblatt Maschinenfabriken Seite 7
Altlasten-Leitfaden Schleswig-Holstein: Erfassung Anhang 11
nicht auszuschließen, dass dieser Schlamm auf das Betriebsgelände verbracht
wurde. Karbidschlämme können aufgrund ihrer Alkalität einen Einfluss auf die Lös-
lichkeit von Schadstoffen im Boden bzw. Grundwasser haben.
Auch im Bereich der Lackiererei gab es im Lauf der Zeit Veränderungen hinsichtlich
der Altlastenrelevanz (vgl. Branchenblatt Lackiererei).
Veränderungen in der Bewertung der Umweltrelevanz ergeben sich für die Weltkrie-
ge, da alle rüstungswirtschaftlich bedeutenden Betriebe der Kontrolle ziviler Auf-
sichtsbehörden weitgehend entzogen waren, und daher häufig in baulichen Anlagen
arbeiteten, die für Gewerbebetriebe auch nach damaligem Stand der Technik nicht
geeignet waren. Es fehlte zumeist an einer Befestigung des Fußbodens sowie an
geeigneten Abwasseranlagen. Ähnlich sind die Nachkriegszeiten zu beurteilen, da
behördliche Kontrollen zu diesem Zeitpunkt nur eingeschränkt durchgeführt wurden.
Tabelle 2 Zusammenfassung aller altlastrelevanten Aspekte und Zuordnung zu
den Branchenklassen SH.
Zeitspanne Hilfsstoffe Nebenprodukte Altlastrelevante
Aspekte Branchen-klasse SH
bis 1900 Seifen, Wasser,
Leinöle, Rüböle,
Mineralöle, Form-
sande, Schrott,
überwiegend natür-
liche Binder
Metallspäne, Schwer-
metalle, Formsande,
Strahlsande (ab
1884), Schlacken,
Gussreste, Ofenaus-
bruch, PAK
keine Abwasser-
anlagen, keine
Bodenbefesti-
gung, Ablage-
rung von Abfällen
auf der Betriebs-
fläche
1
1900 – 1930 Seifen, Wasser,
erste Bohröle ohne
PCB; zunehmende
Mengen an Mineral-
ölen, erste Lösungs-
mitteleinsätze, Blei,
Schwermetallsalze,
Formsande, Schrott,
überwiegend natür-
liche Binder
gering verölte Me-
tallspäne, geringe
Mengen Karbid-
schlamm, Schwerme-
talle, Form-sande,
Strahlsande (ab
1884), Schlacken,
Gussreste, Ofenaus-
bruch, PAK, Härterei-
abfälle
keine Abwasser-
anlagen, keine
Bodenbefesti-
gung, Ablage-
rung von Abfällen
auf der Betriebs-
fläche, infolge
der Kriegswirt-
schaft mangeln-
de Überwachung
2
1931 – 1960 Bohr- und Schneid-
öle, PCB, Emulsio-
nen, Fungizide,
Bakterizide; Schwer-
metallsalze, Blei,
Cyanide, Formsan-
de, zunehmend
chemische Binder;
Flussmittel (Fluor-
säure); Gussschrott
mit PCB; Mineralöle,
Lacke, hauptsäch-
lich aliphatische und
aromatische Lö-
sungsmittel, Lacke
ölige Metallspäne,
Ölschlämme mit PCB,
Schwermetalle; cya-
nidhaltige Härterei-
abfälle, Lösungsmit-
telrückstände, Farb-,
Karbid- und Lack-
schlämme, Form- und
Strahlsande, Schla-
cken, Gussreste,
Ofenausbruch, PAK
infolge der
Kriegswirtschaft
mangelnde Über-
wachung, keine
Abscheider für
Farbschlämme,
keine geregelte
Entsorgung der
Härterei- und
sonstiger Abfälle
4
Branchenblatt Maschinenfabriken Seite 8
Altlasten-Leitfaden Schleswig-Holstein: Erfassung Anhang 11
1961 – 1980 Bohr- und Schneid-
öle, PCB, Emulsio-
nen, Fungizide,
Bakterizide;
Schwermetallsalze,
Blei, Cyanide, Säu-
rebeizen und Deter-
gentien; Formsande,
natürliche und che-
mische Binder;
Flussmittel (Fluor-
säure); Gussschrott
mit PCB; Mineralöle,
Lösungsmittel aller
Art, Lacke
ölige Metallspäne,
Ölschlämme mit PCB,
Schwermetalle; Lö-
sungsmittelrückstän-
de; Farb- und Lack-
schlämme, cyanidhal-
tige Abfälle aus der
Härterei, Formsande,
Strahlsande, Schla-
cken, Gussreste,
Ofen-ausbruch,
Schwer-metalle, PAK
Entölen der Spä-
ne mit CKW.
Einführung der
Entgiftung und
Neutralisation
von Abwässern
sowie von Ab-
scheidern für
Farbschlämme
und -nebel; un-
geregelte Ab-
fallentsorgung
4
1981 – Ge-
genwart
Bohr- und Schneid-
öle, Emulsionen,
Fungizide, Bakteri-
zide; Schwermetall-
salze, Cyanide, Blei,
Säurebeizen und
Detergentien, Form-
sande, natürliche
und chemische Bin-
der; Flussmittel
(Fluorsäure); Guss-
schrott mit PCB;
Mineralöle; über-
wiegend BTEX,
Lacke
ölige Metallspäne,
Ölschlämme, Schwer-
metalle, Farb- und
Lackschlämme, cya-
nidhaltige Abfälle aus
der Härterei, Form-
und Strahlsande,
Schlacken, Gussres-
te, Ofenausbruch,
Schwermetalle, PAK,
Lösungsmittelrück-
stände
seit Beginn der
1980er Jahre
Abnahme des mit
PCB verunreinig-
ten Schrottes,
Zunahme der
Kunststoffverar-
beitung in der
Gießerei; gere-
gelte Abfallent-
sorgung, Verbot
von verschiede-
nen Schadstof-
fen, Einsatz lö-
semittelarmer
Lacke
3
Branchenklasse 0: kein Gefährdungspotential Branchenklasse 1: Gefährdungspotential sehr gering Branchenklasse 2: Gefährdungspotential gering Branchenklasse 3: Gefährdungspotential mäßig Branchenklasse 4: Gefährdungspotential hoch Branchenklasse 5: Gefährdungspotential sehr hoch
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Altlasten-Leitfaden Schleswig-Holstein: Erfassung Anhang 11 Histinvest Dr. Klaus Schlottau – Bremen
Branchenblatt Matratzenreinigung
Inhaltsverzeichnis Seite 1. Bezeichnung der Branche 2 2. Historischer Überblick 2 3. Allgemeiner Verfahrensablauf 2 4. Umweltrelevante Verfahrens- und Produktionsschritte sowie Ver- 4
unreinigungspotentiale 5. Gesetzliche Ausführungsvorschriften für verwendete Stoffe/ 4
Stoffgruppen 6. Altlastenrelevante/altlastirrelevante Nutzungszeiträume 4
7. Literaturhinweise 5
Seite 2 Branchenblatt Matratzenreinigung
Altlasten-Leitfaden Schleswig-Holstein: Erfassung Anhang 11
1. Bezeichnung der Branche
.Mit dem Aufkommen der Matratzen im 18. Jahrhundert wurde auch eine Reinigung
erforderlich. Die Reinigung der Matratzen durch Ausklopfen und Abbürsten wird in
Haushalten vielfach heute oftmals noch manuell getätigt, während sich das Reini-
gungsgewerbe bereits seit dem Ende des 19. Jahrhunderts auf eine Reinigung im
großtechnischen Maßstab spezialisierte. Besondere Bedeutung hat die Matratzen-
reinigung aus hygienischen Gründen z. B. in Krankenhäusern, Kasernenanlagen
und Hotels. Der Bedarf dieser Einrichtungen wurde zwar oft durch eigene Wäsche-
reien gedeckt, aber mit der Entwicklung der einteiligen Matratze wurden diese zu
groß und zu schwer und erforderten Einrichtungen, die nur im Rahmen von speziali-
sierten Dienstleistungsanbietern rentabel wirtschaften konnten.
Die Verunreinigung der Matratze erfolgt durch Körperschweiß und Körperflüssigkei-
ten, durch Hautpartikel, Hautfette und durch den Kot der sich von dieser Nahrungs-
grundlage ernährenden Milben (Guanin). Innerhalb eines Jahres kann sich daher in
einer Matratze ein halbes Kilogramm Milbenkot und anderer Partikelschmutz an-
sammeln. Dieser Schmutz muss durch Ausklopfen, Bürsten und intensives Aussau-
gen, das zugleich eine Trocknung bewirkt, entfernt werden. Milbengelege, Bakterien
und andere Infektionskeime, die besonders in den Krankenhausmatratzen zu erwar-
ten sind, müssen durch eine Desinfektion mit Heißdampf abgetötet werden.
2. Historischer Überblick
Bis ins 19. Jahrhundert wurden als Füllstoffe der Matratzen zum Beispiel Seegras,
Schafwolle oder Rosshaar eingesetzt, ab Ende des 19. Jahrhunderts erweiterte
sich die Auswahl der Füllstoffe um importierte Pflanzenfasern wie Sisal, Kokos
oder Alfagras. Als einteilige Vollmatratze hat sich in der Neuzeit die Schaumgum-
mi- oder Polyethylenmatratze durchgesetzt. Das Material wird industriell in großen
Blöcken hergestellt und nach Bedarf zugeschnitten. Die Höhe der Matratze ist vom
Raumgewicht abhängig, das darüber entscheidet, bis zu welchem Gewicht eine
Elastizität gewährleistet ist. Im Bettenfachhandel werden derartige Vollmatratzen
in der Regel mit einem fassonierten Bezug angeboten, so dass die Matratze mit
einem abgesteppten, baumwollwattegefüllten Drell in den Verkauf gelangt. Dieser
Bezug kann in der Regel entfernt und gewaschen werden.
Die Federkernmatratze unterscheidet sich von der Vollmatratze darin, dass in der
Füllung elastische Kammern eingebaut sind, die für eine flexible Liegefläche sor-
gen.
3. Allgemeiner Verfahrensablauf
Die Reinigung der Matratzen erfolgt in Abhängigkeit von Konstruktion und Ver-
schmutzung. Gepolsterte Vollmatratzen und Federkernmatratzen erfordern bereits
bei der Herstellung einen deutlich höheren Aufwand und wurden wegen ihrer relati-
ven Kostbarkeit viel seltener gewechselt. Eine Reinigung konnte nur durch eine
Branchenblatt Matratzenreinigung Seite 3
Altlasten-Leitfaden Schleswig-Holstein: Erfassung Anhang 11
Fachkraft erfolgen, die in der Lage war, die Polsterung wieder fachgerecht zu füllen
und zu vernähen.
Matratzenreinigungen wurden gewerblich besonders dort aktiv, wo neben den übli-
chen Verschmutzungen durch Schweiß, Körperflüssigkeiten und Ungeziefer, Keime
zu bekämpfen waren: Krankenhäuser, Anstalten und Heime, Kasernen sowie Ho-
tels. Auch hier wurde zunächst die mechanische Reinigung in Form von Ausklopfen
und Lüften betrieben, um das Gros der Verschmutzungen zu beseitigen.
Seit dem Ende des 19. Jahrhunderts wurden auch die Matratzen mit sehr leistungs-
starken Staubsaugern bearbeitet, um den Schmutz zu entfernen ohne die Matratze
zu öffnen. Zu diesem Zweck wurden besonders Klopfsauger mit rotierenden Bürsten
entwickelt, die in einem Arbeitsgang sowohl den Drell reinigen, als auch durch ein
entsprechend hohes Vakuum den Staub, Kot und Partikel zerdrückter Füllungen
durch den Bezug hindurch anzusaugen. Ähnlich den Klopfsaugern in der Tep-
pichreinigung können diese Geräte mittlerweile auch mit aufgesprühten Reinigungs-
und Desinfektionsmitteln, zumeist Seifen auf der Basis von Alkoholen, ausgestattet
werden. Diese werden unmittelbar nach der Einwirkung wieder aufgesogen, so dass
die Matratze kaum feucht wird. Moderne Geräte, die besonders von Spezialfirmen in
Hotels eingesetzt werden, reinigen und durchlüften vor Ort eine Matratze innerhalb
einer Spanne von 20 Minuten und saugen dabei bis zu einem Kilogramm Schmutz
ein.
Abb. 1: Matratzendämpfer (Quelle: VOSSWERKE SAARSTEDT).
Diese Geräte können mit der Desinfektionseinrichtung inzwischen auch in Kranken-
häusern, Pflegebetrieben und anderen Einrichtungen mit einem hohen Keimpotenti-
al eingesetzt werden. Ursprünglich hatten die zumeist anstaltseigenen Wäschereien
für Matratzen eine Desinfektionskammer. In diesen Wäschereien, die den gewerbli-
Seite 4 Branchenblatt Matratzenreinigung
Altlasten-Leitfaden Schleswig-Holstein: Erfassung Anhang 11
chen Wäschereien in Nichts nachstanden, wurde wie üblich zunächst der gesamte
Partikelschmutz durch Klopfen, Bürsten oder Saugen entfernt, dann wurden Einzel-
flecken je nach Fleckenart detachiert (Vgl.: Branchenblatt Chemische Reinigung)
und zuletzt gelangte die Matratze für einige Zeit in einen speziellen Schrank, in dem
durch überhitzten Dampf Keime und Ungeziefergelege abgetötet wurden.
Die modernste Variante der Reinigung von Matratzen besteht darin, die Matratze
vor Ort im Bett, mit Hilfe einer transportablen Spezialreinigungsmaschine zu säu-
bern. Die Maschine erzeugt hochfrequente Schwingungen, die die Schmutzpartikel
im Inneren der Matratze lösen, welche dann durch ein Gebläse abgesaugt werden.
Zugleich werden UV-Strahlen erzeugt, die in der Lage sind, Bakterien, Viren und
Gelege abzutöten. Im Anschluss an diese Reinigung wird die Matratze äußerlich
nochmals mit einem alkoholischen Desinfektionsspray behandelt, so dass auch ver-
bliebene Keime oder Pilze mit hoher Wahrscheinlichkeit vernichtet worden sind.
4. Umweltrelevante Verfahrens- und Produktionsschritte sowie Verunreinigungspotentiale
Die Reinigung von Matratzen ist nicht mit umweltrelevanten Verfahrensschritten
verbunden. Es werden nur Desinfektionsmittel und Seifen auf der Basis von Alkoho-
len eingesetzt, um eine rasche Trocknung zu ermöglichen..
5. Gesetzliche Ausführungsvorschriften für verwendete Stoffe/Stoffgruppen
Im Zusammenhang mit der Reinigung von Matratzen werden, mit Ausnahme der
Detachur (vgl. Branchenblatt Chemische Reinigung), keine Stoffe genutzt, für die
gesetzliche Anwendungsvorschriften erlassen wurden.
6. Altlastrelevante/altlastirrelevante Nutzungszeiträume
Die Matratzenreinigung ist zu keinem Zeitpunkt mit umweltschädlichen Verunreini-
gungen verbunden gewesen.
Tabelle 1 Zusammenfassung aller altlastrelevanten Aspekte und Zuordnung zu
den Branchenklassen SH
Zeitspanne Hilfsstoffe Nebenprodukte Altlastrelevante
Aspekte Branchen- klasse SH
1880 - Ge-
genwart
Seifen, Desinfekti-
onsspray.
0
Branchenklasse 0: kein Gefährdungspotential Branchenklasse 1: Gefährdungspotential sehr gering Branchenklasse 2: Gefährdungspotential gering Branchenklasse 3: Gefährdungspotential mäßig Branchenklasse 4: Gefährdungspotential hoch Branchenklasse 5: Gefährdungspotential sehr hoch
Branchenblatt Matratzenreinigung Seite 5
Altlasten-Leitfaden Schleswig-Holstein: Erfassung Anhang 11
7. Literaturhinweise
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Seite 6 Branchenblatt Matratzenreinigung
Altlasten-Leitfaden Schleswig-Holstein: Erfassung Anhang 11
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Altlasten-Leitfaden Schleswig-Holstein: Erfassung Anhang 11 Histinvest - Dr. Klaus Schlottau, Bremen
Branchenblatt Arbeitstechniken und Verfahren der Metall-
bearbeitung
Inhaltsverzeichnis Seite 1 Einleitung 2 2 Reinigung von Werkstücken oder Werkzeugen 3 2.1 Mechanische Reinigung 3 Picken 3 Bürsten 3 Strahlen 4 Schleifen 5 Polieren 6 2.2 Chemische Reinigung 6 Alkalische Bäder 6 Reinigung mit Detergentien 7 Reinigung mit organischen Lösungsmitteln 7 Beizen 8 Abbeizen 9 Beizen für einzelne Metalle 9 2.3 Thermische Reinigung 11 3 Schneidende Bearbeitung von Werkstücken 11 4 Nicht-spanende Bearbeitung von Werkstücken 12 Drahtzieherei 12 Stauchen und Hämmern 12 Walzen 13 5 Spanende Bearbeitung von Werkstücken 13 6 Thermische Bearbeitung von Werkstücken 14 6.1 Thermische Verfahren mit Veränderung der Oberflächeneigen-
schaften 14 Traditionelle Metallhärterei 14 Thermisch molekulare Metallbehandlungen 16 6.2 Thermische Verfahren ohne Veränderung der Oberflächeneigen-
schaften 17 7 Kühlschmierstoffe 18 7.1 Aufgaben der Kühlschmierstoffe 18 7.2 Eigenschaften der Kühlschmierstoffe 18 7.3 Inhaltsstoffe der Kühlschmierstoffe 19 7.4 Schadstoffe beim Umgang mit Kühlschmierstoffen 20 8 Allgemeine Verunreinigungen durch den Metallbearbeitungsbetrieb 21 9 Literaturhinweise 22
Branchenblatt Arbeitstechniken und Verfahren der Metallbearbeitung Seite 2
Altlasten-Leitfaden Schleswig-Holstein: Erfassung Anhang 11
1 Einleitung
Unter dem Oberbegriff Metallbearbeitung verbergen sich vielfältige Produktionsver-
fahren. In Abbildung 1 ist die Einteilung der metallbe- und verarbeitenden Technolo-
gien in Anlehnung an die DIN 8580 dargestellt.
Urformen
Umformen
Fügen
Trennen
Beschichten
Stoffeigen-
schaft ändern
Gießen, Sintern, Pulverme-tallurgie
Schmieden, Pressen, Walzen, Ziehen
Schweißen, Löten, Kle-ben, Nieten
Zerteilen, Spanen, Abtragen
Metallische Schutzschich-ten, Nichtmetal-lische anorga-nische Schutz-schichten, Or-ganische Schutzschich-ten
Wärmebehand-lung, Sintern/ Brennen
Abb. 1: Einteilung der metallbe- und verarbeitenden Technologien in Anlehnung
an DIN 8580
Jeder Betrieb, ob handwerklich oder industriell, hat jedoch seine eigenen Verfahren
und Produktsortimente, die häufig wechseln können. Seit Mitte des 19. Jahrhunderts
wurden die weitgehend gleichen Produktionsschritte und -verfahren durch Speziali-
sierungen auf bestimmte Produkte oder Dienstleistungen abgelöst. Obgleich die
Einzelbearbeitungsschritte in der Metallbearbeitung sehr vielfältig sind, gibt es den-
noch viele gemeinsame Verfahren und Arbeitsschritte.
Die wesentlichen Arbeitsschritte sind:
Mechanische Reinigung der Werkstücke
Chemische Reinigung der Werkstücke
Schneidende Bearbeitung der Werkstücke
Spanende Bearbeitung der Werkstücke
Nicht-spanende Bearbeitung der Werkstücke
Thermische Bearbeitung der Werkstücke
Gießerei
Oberflächenbehandlung von Metallen und Metallprodukten
Verbindungstechniken von Metallteilen
Die Punkte „Gießerei“ und „Oberflächenbehandlung von Metallen und Metallproduk-
ten“ sind eigenständige Bereiche der Metallbearbeitung, auf die in den entspre-
chenden Branchenblättern näher eingegangen wird. „Verbindungstechniken von
Metallbe- und verarbei-
tende Technologien
Branchenblatt Arbeitstechniken und Verfahren der Metallbearbeitung Seite 3
Altlasten-Leitfaden Schleswig-Holstein: Erfassung Anhang 11
Metallteilen“, zu denen insbesondere die häufig angewandten Fertigungsverfahren
des Lötens und des Schweißens zählen, werden im Folgenden nicht behandelt, da
von diesen Verfahren kaum Kontaminationen ausgehen. Andere Verfahren wie die
Klebetechniken sind in der Metallbearbeitung nicht weit verbreitet und darüber hin-
aus in der Regel nicht mit Kontaminationen verbunden.
2 Reinigung von Werkstücken oder Werkzeugen
Als grundsätzliche Vorbehandlung der Werkstücke muss eine Reinigung von
Schmiermitteln, Korrosionen oder Lackschichten durchgeführt werden. Zu diesem
Zweck wird eine mechanische oder chemische Reinigung sowie eine anschließende
Beize eingesetzt.
2.1 Mechanische Reinigung
Zu den mechanischen Verfahren der Reinigung und Vorbereitung der Metallstücke
gehören das Picken, das Bürsten, das Strahlen, das Schleifen und das Polieren.
Picken
Das Picken ist ein Reinigungsverfahren, das bei stark verrosteten oder mit dicken
Farbschichten versehenen Metallteilen angewandt wird. Dabei werden mit einem
Hammer oder Meißel Brocken der Oxidschicht oder der Farbe in groben Stücken
entfernt. Gegenwärtig ist dieses Handverfahren lediglich in der Schifffahrt gebräuch-
lich. In der Industrie, besonders im Stahlbereich, gibt es Maschinen, die mit mecha-
nisierten Schlegeln versehen sind und das Werkstück mehrseitig bearbeiten, bevor
es zum Sandstrahlen weitergeleitet wird.
Für dieses Reinigungsverfahren werden keine Hilfsstoffe benötigt. Als Abfall entste-
hen die losgeschlagenen Oxidschichten, gegebenenfalls auch die abgeplatzten
Grundierungen, Farb- oder Lackschichten bei gebrauchten Metallen.
Bürsten
Es handelt sich um ein Verfahren, das geeignet ist, lose anhaftende Oxidschichten
oder Reste, die nach den groben Vorarbeiten (z.B. dem Picken) zurückgeblieben
sind, durch manuelles oder maschinelles Bürsten mit unterschiedlich harten Borsten
zu beseitigen. Das Bürsten mit Draht-, Messing- oder Wurzelbürsten ist ein Reini-
gungsverfahren, das in allen metallbearbeitenden Handwerken, in Montage- und
Reparaturbetrieben sowie in der Industrie eingesetzt wird.
Hilfsstoffe werden für diese Bearbeitungsstufe nicht benötigt. Als Abfall entstehen
grobkörnige Stäube aus Oxiden, Altfarben und Altlacken.
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Altlasten-Leitfaden Schleswig-Holstein: Erfassung Anhang 11
Strahlen
Das Strahlen ersetzt im industriellen Maßstab die beiden weitgehend handwerkli-
chen Reinigungsverfahren des Pickens und des Bürstens. Seit dem Ende des 19.
Jahrhunderts setzt die Stahlbauindustrie für die Reinigung der Werkstücke zuneh-
mend die so genannte „Sandstrahlung“ ein. Mit der Verbreitung der Elektromotoren
seit den 1920er Jahren begann auch das metallverarbeitende Handwerk Kompres-
soren und Sandstrahlgeräte zu verwenden. Hierbei wird mit Hilfe von Pressluft, die
in stationären oder mobilen Anlagen erzeugt wird, ein Strahlmittel aus einer Düse
gepresst. Dieses schlägt mit hoher Energie auf die zu bearbeitende Fläche auf und
reißt dabei die Rost- oder Farbschichten auf, so dass binnen kurzer Zeit die blanke
Metalloberfläche freigelegt wird. Anstelle der Pressluft wird in großen Industriebe-
trieben auch Wasser unter großem Druck als Transportmittel eingesetzt. Dies hat
den Vorteil, dass eine Staubentwicklung weitgehend vermieden wird. Je höher dabei
der Wasserdruck ist, desto weniger Strahlmittel wird benötigt, weil die Energie des
Wassers ausreicht, um die Metalloberfläche zu reinigen.
Bei den Strahlmitteln handelt es sich zumeist um Materialien, die in Wasser nicht
löslich sind und in der Regel miteinander keine Verbindungen eingehen. Traditionel-
les Hilfsmittel des Strahlens ist gewaschener Sand in unterschiedlichen Korngrößen.
Bereits in den 1920er Jahren wurde auch synthetischer Korund aus Aluminiumoxid
wegen seiner größeren Härte und scharfkantigeren Beschaffenheit genutzt. Mit ab-
nehmender Häufigkeit werden folgende Strahlmittel eingesetzt: Zirkonsand,
Chromsand, gemahlener Basalt, Siliziumkarbid, stählerne oder gusseiserne Körner,
Stahldrahtabschnitte sowie Industrieabfallprodukte (vor allem Kupferschlacke, Hoch-
ofenschlacke und Glasgrus).
Die Strahlmittel sind nach dem Gebrauch mit Metalloxiden, schwermetallhaltigen
Grundierungen, öl- und teerhaltigen Isoliermitteln sowie Farb- und Lackresten ver-
unreinigt. Bis in die 1970er Jahre wurden schadstoffbelastete Strahlmittel und
Schlacken in der Industrie und in Handwerksbetrieben häufig zur Bodenauffüllung
oder Wegeausbesserung benutzt.
Aus Kostengründen wird zunehmend eine Strahlmittelrückgewinnung betrieben, bei
der die Schadstoffe im Luftstrom durch Sedimentation oder andere physikalische
Verfahren vom Strahlmittel getrennt werden. Solche Reinigungsverfahren eignen
sich jedoch in der Regel nur für Strahlkabinen. Bei Strahlarbeiten im Freien, wie
zum Beispiel im Stahlbau und besonders im Schiffbau auf Reparaturwerften, kann
das Strahlmittel kaum zurückgewonnen werden.
Als Abfall entstehen schwermetallhaltige Strahlmittel (überwiegend Kupfer, Chrom,
Blei, Zink, aber auch Eisen und andere Metalle) sowie Metalloxide, schwermetallhal-
tige Grundierungen, öl- und teerhaltige Isoliermittel sowie Farb- und Lackreste aus
dem Reinigungsprozess.
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Altlasten-Leitfaden Schleswig-Holstein: Erfassung Anhang 11
Schleifen
Schleifen ist ein spanabhebender Prozess unter Verwendung von Schleifsteinen,
-papieren bzw. -bändern. Es dient zum Glätten der Oberflächen, zum Entfernen von
Zunder und Gusshaut und zur Beseitigung von Gieß- oder Stanzgraten bzw. kleinen
Fehlern in der Oberfläche.
Das Schleifen der Metalle wurde jahrhundertelang mit Hilfe von Schleifsteinen aus
Sandstein durchgeführt. Die Steine wurden mittels einer Handkurbel, im Falle von
Schleifwerkstätten auch von Wasserrädern, später von Dampfmaschinen oder
Elektromotoren, angetrieben. Neben den Schleifsteinen wurden auch Feilen oder
Handschleifsteine genutzt. Seit dem Beginn des 20. Jahrhunderts wurden mehr und
mehr künstliche Schleifsteine hergestellt, diese setzten sich überwiegend aus Quar-
zen, einem Gemenge von kieselsauren Stoffen, Bimsstein, Korund und anderen
Halbedelsteinen sowie Siliziumkarbid und künstlichem Korund auf der Basis von
Bauxit zusammen. Als Bindemittel dienten neben den ersten Zementen überwie-
gend Magnesiumoxid, Kautschuk, Schellack und Wasserglas. Nach dem Zweiten
Weltkrieg hat sich als Bindemittel Kaolin durchgesetzt, und die Schleifsteine wurden
keramisch gebacken.
Abb. 2: Arbeit an der Rundschleifmaschine (Quelle: HANOW).
Schleifbänder sind endlose, über zwei Rollen geführte Bänder aus einem textilen
Gewebe oder festem Papier mit aufgeleimten harten Kristallen bestimmter Korngrö-
ße.
Als Abfallstoffe treten insbesondere der Metallstaub sowie die Schleifsteinstäube
auf. Gelegentlich werden auch Schleifpasten oder Schleiffette für Arbeiten, die be-
reits in den Bereich der Polituren hineingehen, genutzt.
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Polieren
Polieren ist ein sehr feines Schleifverfahren, bei dem Korngrößen im Nanometerbe-
reich zum Einsatz gelangen, um die Schleifspuren der vorherigen Bearbeitungsstufe
zu beseitigen. Die Kristalle lassen sich daher nicht auf einem Trägermaterial befes-
tigen, sondern werden in Form von Polierpasten eingesetzt. Die Spanabnahme er-
folgt durch harte Kristalle (Berylliumoxid für Hartmetalle und Chromoxid für gehärte-
ten Stahl), die in einer mehlartigen Paste aus weicheren Kristallen (Talk, Graphit)
oder Pudern weicher Schwermetalle gemischt sind. Beim Polieren wird die Paste
mit einem Lappen, Rundpoliermaschinen oder Wattebällen etc. verrieben und ver-
färbt sich durch Aufnahme der abgeschabten Metallpartikel des Werkstückes.
Altlastrelevant sind insbesondere die Schwermetalle der verbrauchten Pasten, die
zumeist im Kehricht als Industrieabfall entsorgt werden.
2.2 Chemische Reinigung
Die chemische Reinigung der Werkstücke lässt sich differenzieren in die Reinigung
mit Alkalien, die Reinigung mit Detergentien, die Reinigung mit organischen Lö-
sungsmitteln und die Reinigung mit Beizmitteln.
Alkalische Bäder
Alkalische Reinigungen mit Hilfe von Laugen sind traditionell in allen Metallhand-
werken durchgeführt worden. Es handelt sich hierbei um einen Waschvorgang, bei
dem durch Lauge als Lösungsmittel und mechanische Bewegung Fette verseift und
emulgiert werden. Dadurch werden die in den Fetten befindlichen Schmutzstoffe,
wie z.B. der Metallabrieb aus Lagern, in Suspension gebracht.
Bis zum Beginn der industriellen Revolution (Ende des 18. Jahrhunderts) wurden
fast immer Pottaschelösungen angewandt, die dann zunehmend durch Industrielau-
gen unterschiedlicher Konzentration ersetzt wurden. Neben dem Hauptbestandteil
Lauge enthalten die Reinigungsmittel seit ca. 1910 folgende Zusatzstoffe: Natrium-
karbonat, Phosphate, Silikate, Detergentien, Komplexbildner sowie Inhibitoren (u. a.
Natriumhyposulfit, Nitrite, Benzoate, Amine und Fettsäureester). Bis in die 1950er
Jahre wurden häufig auch Cyanide in geringer Konzentration hinzugefügt. Der Ge-
halt an Reinigungsmitteln in der gebrauchsfertigen Waschlauge hat von 1960 bis
1990 von ca. 100 g/l auf maximal 30 g/l Wasser abgenommen.
Meist in Kombination mit der Entfettung durch Laugen oder durch Fettlösungsmittel
wird auch die elektrolytische Entfettung angewendet. Die reinigende Wirkung der
Alkalien wird durch die elektrolytische Entwicklung von Wasserstoff oder Sauerstoff
an dem als Kathode oder Anode geschaltetem Werkstück stark unterstützt. Um ca.
1920 dienten als Elektrolyte kalte oder warme Lösungen von Alkalisalzen (Natri-
umcarbonat, Kaliumcarbonat, Ätzkali, Ätznatron, Cyankali).
Nach dem Lösungsvorgang liegen neben den Schadstoffen, die bereits Bestandteil
des Mittels sind, ölhaltige, emulsionsartige wässrige Lösungen mit verseiften oder
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veresterten Fetten, Schwermetalle (u.a. Cadmium, Chrom, Kupfer, Nickel und Zink)
sowie Cyanide als Abfallstoffe vor.
Reinigung mit Detergentien
Die Reinigung mit Detergentien erfolgt ebenfalls im wässrigen Medium. Detergen-
tien sind synthetische Seifen, die seit ca. 1910 in den Handel gelangten. Sie enthal-
ten in der Regel Alkylsulfonate, die die Oberflächenspannung des Wassers derart
herabsetzen, dass wässrige Reinigungsmittel als Lösungsmittel eingesetzt werden
können. Sie lösen von der Metalloberfläche Schmiermittel und anhaftende feste
Partikel wie Schleifstaub ab.
Häufig werden Detergentien in spezifischen Mischungen mit Zusätzen anderer Rei-
nigungsmittel, insbesondere Seifen oder speziellen Emulgatoren, für unterschiedli-
che Reinigungsprobleme hergestellt.
In der Detergentienlösung liegen die emulgierten Fett- und Öltröpfchen sowie die
Feststoffe fein verteilt vor. Während der Stillstandzeiten entmischt sich die Emulsion
wieder, so dass sich die Öltröpfchen als Ölphase auf der Badoberfläche sammeln
und entfernt werden können. Gleichzeitig setzen sich die festen Schwebepartikel als
kompakter Schlamm auf dem Beckenboden ab.
Fast alle Detergentien waren bis in die jüngste Vergangenheit nur schwer abbaubar
und belasteten die Umwelt.
Reinigung mit organischen Lösungsmitteln
Die Reinigung mit organischen Lösungsmitteln (Solventreinigung) basiert auf ihrem
hohen Lösungsvermögen für Öle, Fette, Teere, Asphalte, Farben und Lacke. Bei
den Lösungsmitteln handelt es sich in der Regel um halogenierte oder halogenfreie
Kohlenwasserstoffe bzw. um Gemische dieser Stoffe.
Mengenmäßig bedeutsame Lösungsmittel waren seit 1860 aliphatische Lösungsmit-
tel (Petroleum, Terpentine) und Äther sowie seit ca. 1900 zunehmend Waschbenzi-
ne. Zugleich wurden vermehrt aromatische Lösungsmittel (Benzol, Toluol, Xylol) und
Aceton eingesetzt. Die Verwendung von Petroleum ist seit der Einführung der Ben-
zine auf einen vernachlässigbar geringen Anteil gesunken.
Die Lösungsmittel wurden ursprünglich von Hand mit Lappen oder Pinsel aufgetra-
gen. Dabei sammeln sich in der Lösung nach und nach der metallische Abrieb so-
wie die gelösten Öle und Fette an.
Ein gängiges Verfahren der Solventreinigung ist die Dampfentfettung. Hierbei wird
das Lösungsmittel erwärmt und kondensiert auf dem kalten Werkstück, wobei die
Öl- und Fettschichten kontinuierlich gelöst werden. Die oben genannten Lösungs-
mittel eignen sich wegen der schnellen Verdunstung und der Brand- oder Explosi-
onsgefahr nicht für die Dampfentfettung. Dieses Verfahren erfordert daher die An-
wendung schwer entzündlicher Lösungsmittel wie z.B. chlorierte Kohlenwasserstoffe
(CKW). Es wurden unter anderem folgende CKW verwendet: Trichlorethen, Per-
chlorethen und 1,1,1-Trichlorethan. Für die Reinigung von Kunststoffoberflächen
Branchenblatt Arbeitstechniken und Verfahren der Metallbearbeitung Seite 8
Altlasten-Leitfaden Schleswig-Holstein: Erfassung Anhang 11
waren bis zum Verbot im Jahre 1991 fluorierte Chlorkohlenwasserstoffe (FCKW) in
Gebrauch.
Während die Verwendung der genannten Lösungsmittel früher ohne besondere Si-
cherheitsmaßnahmen erfolgte, ist der Einsatz seit 1972 mit hohen Auflagen verbun-
den. Zum Schutz der Menschen und der Umwelt wurden die Reinigungseinrichtun-
gen in Waschkabinen mit geregelter Entsorgung verlegt. Zugleich wurden anstelle
der halogenierten Lösungsmittel, deren Gebrauch mit einer hohen Grundwasserge-
fährdung einhergeht, detergentienhaltige Ersatzlösungsmittel eingeführt.
Belastende Stoffe der Solventreinigung sind insbesondere die Lösungsmittel selber,
daneben die in ihnen gelösten Stoffe, Fette und Mineralölkohlenwasserstoffe sowie
die schwermetallhaltigen Abriebstoffe, die in den Fetten und Ölen in Feinstverteilung
vorhanden sind. Bodenkontaminationen können durch Leckagen in den Entfet-
tungsanlagen (z.B. undichte Abwasserleitungen), aber auch durch Handhabungs-
verluste bei der Reinigung großer Werkstücke beim Wischen oder Abtropfverluste
nach der Entnahme aus Tauchbädern u. ä. verursacht werden. Neben Benzol sind
insbesondere die CKW altlastrelevant. Trotz ihrer flüchtigen Eigenschaften muss
davon ausgegangen werden, dass erhebliche Mengen z.B. aufgrund der Beton-
durchlässigkeit in den Boden gelangt sein können. Ferner ist zu berücksichtigen,
dass CKW über feste Abfälle und Schlämme den Boden kontaminieren können.
Beizen
Ziel des Beizens von Metallen ist es, die Oberfläche vor weiteren Behandlungen von
Oxidationsschichten zu befreien.
Fest an der Metalloberfläche haftende Oxidationsschichten wie Rost, Zunder oder
Grünspan lassen sich oft nur noch auf chemischem Wege entfernen. Als traditionel-
le Beizmittel sind seit dem 19. Jahrhundert Mineralsäuren in Reinform oder in Mi-
schungen eingesetzt worden. Da hochkonzentrierte und erhitzte Säuren schnell
auch das Metall angreifen, wurden ab dem Zweiten Weltkrieg sogenannte „Sparbei-
zen“ eingesetzt. Diese weisen deutlich geringere Säurekonzentrationen auf und
enthalten stattdessen mehr als zwei Säuren sowie Inhibitoren und Fettlöser. Als
Inhibitoren oder „Beizhemmer“ werden häufig Knochen- oder Hautleime eingesetzt.
Als Fettlöser nutzt man Detergentien oder organische Lösungsmittel.
Zur Unterstützung der Wirkung der Beizlösung setzt man auch elektrischen Strom
ein. Dieses Verfahren wird vor allem zur Entzunderung von Draht sowie Eisen und
Stahl angewendet. Die Zusammensetzung der Elektrolyte entspricht weitgehend
den Tauchbeizen, nur werden sie meist in verdünnter Form eingesetzt.
Neben diesen flüssigen Beizen gibt es für den gelegentlichen Einsatz oder die Ar-
beit auf Baustellen auch Beizpasten, die aus Säuren und einem Bindemittel, in der
Regel Kieselgur, bestehen.
Für die Beize von Drähten, legierten Stählen oder anderen dünn ausgezogenen
Metallen wurde seit dem 19. Jahrhundert eine Schmelze bestehend aus Natrium-
hydroxid mit Zusätzen von Natriumhydrid, Natriumnitrat und anderen Stoffen (Alka-
liperoxide, -chlorate, -nitrate, -manganate sowie -permanganate) genutzt. Weil das
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Metall bei diesem Verfahren nicht selber von diesen Stoffen angegriffen wird, han-
delt es sich nicht um eine Beize im Sinne der obigen Definition.
Abbeizen
Das Reinigungsverfahren des Abbeizens wird zumeist zur Entfernung von Altfarben
angewandt und wird auch als Entlackung bezeichnet.
Durch den Einsatz eines zumeist polaren Lösungsmittels (z.B. Methylenchlorid)
werden die alten Farbschichten aufgelöst oder angeweicht, so dass sie in einer wei-
teren mechanischen oder chemischen Bearbeitungsstufe entfernt werden können.
Da die Abbeizmittel leicht flüchtig sind, werden sie meist nicht in reiner Form einge-
setzt, sondern mit Bindemitteln, Detergentien, Weichmachern, Inhibitoren und ande-
ren Hilfsstoffen versetzt.
Als Beize für verkohlte Metallteile haben sich seit ca. 1960 aggressive organische
Lösungsmittel und Beizen auf der Basis von Kresolen durchgesetzt. Ursprünglich
wurden für diesen Zweck Beizen in Form von kochender Chromsäure (10 - 20%ig)
eingesetzt.
In einer groben Einteilung lassen sich folgende Beizen unterscheiden:
Lösungsmittelbeizen für reversible Lacke, bei denen das Originallösungsmittel
auch für die Lösung eingesetzt werden kann (z.B. Benzine und Ethylacetat)
Alkalien, insbesondere Ammoniak und Natronlauge, Kalilauge, Trinatriumphos-
phat oder Mischungen davon
Methylenchlorid mit Inhibitoren
Aggressive organische Substanzen wie Aldehyde, Phenole etc.
Kresole mit Zusätzen von Methylenchlorid und Inhibitoren
Organische Säuren wie Ameisensäure
Chromsäure
Weichmacher in Form von Glykolen
Die gebrauchten Beizbäder sind vor allem mit Schwermetallen (Blei, Cadmium,
Chrom, Zink, Zinn, Kupfer) aus den Altfarben belastet. In der Vergangenheit wurden
häufig mehrere Beiz- und Lösungsmittel nacheinander eingesetzt, so dass Schwer-
metalle in den sauren Beizmitteln gelöst und ölige Verunreinigungen mit den organi-
schen Lösungsmitteln transportiert wurden.
Beizen für einzelne Metalle
Dem Beizen der Metalle muss eine gründliche Entfettung und mechanische Reini-
gung von anhaftenden Lackresten und dergleichen vorausgehen. Auch heute noch
stellt Schwefelsäure das mengenmäßig bedeutsamste Beizmittel dar. Entsprechend
der zu bearbeitenden Metalle lassen sich die Beizen in folgende Gruppen einteilen:
Eisen- und Stahlbeize: Hauptsächlich werden Schwefelsäure (5 -20 Gewichtspro-
zent), Salzsäure (10 - 15 Gew.%) und Phosphorsäure (15 - 20 Gew.%), mit deutli-
chem Abstand gefolgt von Zitronensäure, Oxalsäure, Natriumbisulfat und Fluorwas-
serstoff eingesetzt.
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Edelstahlbeize: Als Beizmittel werden verdünnte Schwefel- oder Salzsäure, Fluor-
wasserstoff oder ein Gemisch von Salz- und Salpetersäure mit Ammoniumfluorid
verwendet.
Gusseisenbeize: Gusseisen wird gegenwärtig überwiegend elektrolytisch in
Schwefelsäure oder in einer Salzschmelze gebeizt.
Kupferbeize: Das Beizen von Kupfer wird hauptsächlich mit verdünnter Salpeter-
säure oder Schwefelsäure durchgeführt. Daneben gelangt Salpetersäure mit gerin-
gen Zusätzen von Schwefelsäure, Salzsäure oder Kochsalz zur Anwendung. Gele-
gentlich wird Kupfer während der Beize durch Zugabe von Chromsäure oder Di-
chromschwefelsäure gleichzeitig chromiert.
Aluminiumbeize: Aluminium wird überwiegend mit einer Beize aus Natronlauge (5 -
20 Gew.%) mit Zusätzen von Chloriden, Fluoriden und Nitriten vorbehandelt. Es
schließt sich eine Behandlung mit Mineralsäuren, Chromsäure, Fluorwasserstoff
oder Phosphorsäure an.
Zinkbeize: Zink und seine Legierungen werden meist mit verdünnter Salz-, Schwe-
fel- oder Flusssäure gebeizt, vereinzelt auch durch Zugabe von Sparbeizenzusätzen
(z.B. Thioharnstoff, Chinolin).
Magnesiumbeize: Magnesium und seine Legierungen werden entweder in einer
verdünnten Chromsäure, Salpetersäure oder Oxalsäure gebeizt.
Nach dem metalltypischen Beizen wird in der Regel mit Wasser gespült oder mit
Lauge neutralisiert und anschließend mit Wasser gespült. Zur Vorbeugung von
Flugrost wird meist mit einer stark verdünnten Phosphorsäure kurz nachgebeizt.
Von den oben genannten Hauptverfahren gibt es zahlreiche Varianten. Dazu zählen
das Abbeizen von metallischen Verzinkungen, Verchromungen, Pulverbeschichtun-
gen etc. durch hochkonzentrierte Lösungen mineralischer Säuren oder Cyanide.
Elektrolytisches Glänzen und elektrolytische Polituren werden im Anschluss an das
normale Beizbad durchgeführt. Bei diesen Verfahren wird durch die Elektrolyse die
Oberfläche in der Weise verändert, dass Erhebungen rascher abgetragen werden
als Vertiefungen. Als Elektrolyte wurden früher Perchlorsäure und konzentrierte Es-
sigsäure genutzt. Wegen der damit verbundenen Explosionsgefahr werden heute
Elektrolyte bevorzugt, die auf der Basis konzentrierter Phosphorsäure arbeiten. Für
Aluminium werden alkalische Bäder sowie für Silber und Cadmium alkalisch-
cyanidische Bäder verwendet. Das elektrolytische Glänzen kann auch in einer Lö-
sung aus Anilin, Amylalkohol, Ethandiol und n-Butanol durchgeführt werden.
Durch das Beizen der Metalle entstehen Abfälle in Form verbrauchter Beizbäder
und Spüllaugen, in denen sich Schwermetallsalze und andere Zuschlagstoffe der
Beizen angereichert haben. Bis zum Zweiten Weltkrieg wurden diese Abfallstoffe
zumeist in die Vorfluter abgelassen oder im Boden versickert. Auch bei einer gere-
gelten Abwasserentsorgung in modernen Beizanlagen sind Bodenkontaminationen,
z.B. durch undichte Abwasserleitungen nicht auszuschließen. Als potentielle Kon-
taminationsquelle sind dabei seit Mitte der 1950er Jahre auch die Säureregenerati-
onsanlagen zu beachten. Neben den mengenmäßig im Vordergrund stehenden
Säuren und der Natronlauge sind die zum Passivieren, zum Beizen von Kupfer,
Messing und Silber sowie zum elektrolytischen Glänzen von Cadmium verwendeten
Cyanide hervorzuheben. Vereinzelt wurden bis in die 1980er Jahre verbrauchte
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Säuren aus Beizbädern wegen des hohen Eisen- und Phosphatgehaltes in Klärwer-
ken zur Ausflockung eingesetzt.
2.3 Thermische Reinigung
Wärme wurde auch zur Reinigung von Blechen, Formstücken oder anderen Walz-
werkprodukten vor deren Verarbeitung eingesetzt. In diesem Fall wird die Bearbei-
tung als Entzunderung bezeichnet, weil die Oxide kurz aufflammen und unter
Funkenbildung verbrennen. Ge- oder entzundert wurde vor allem in Metallbaube-
trieben, in Werften und Montagebetrieben. Außer den branchenüblichen Eisenoxi-
den entstehen dabei keine weiteren Abfallstoffe.
3 Schneidende Bearbeitung von Werkstücken
Bei der schneidenden Bearbeitung von Werkstücken wird zwischen mechanischen
und thermischen Methoden unterschieden.
Zu den mechanischen Methoden zählt das Ablängen der aus den Walzwerken be-
zogenen Profile und Rohre. Es handelt sich um eine besonders schwere und an-
strengende Arbeit, die zunächst mit Handmeißeln und Handsägen, später mit mo-
torbetriebenen Sägen sowie mit Meißelmaschinen betrieben wurde.
Eine große Arbeitserleichterung brachte die Einführung von thermischen Methoden
unter Verwendung von Autogenbrennern, Schneidbrennern und anderen Brenn-
schneideeinrichtungen mit verschiedenen brennbaren Gasen.
Beim Autogenbrennverfahren wird das abzulängende Eisen in einem Ofen oder
über der Flamme rotglühend erhitzt. Anschließend wird durch eine Düse reiner Sau-
erstoff auf die abzutrennende Stelle geleitet. Dabei oxidiert das Eisen zu Eisenoxid,
das einen geringeren Schmelzpunkt als Eisen hat, und wird durch den Luftstrom
fortgeblasen.
Für Verfahren zum Schneiden kalter Eisenprofile werden stets Sauerstoff und
brennbare Gase benötigt. Genutzt werden überwiegend Acetylen, Wasserstoff,
Leuchtgas, Propan und Butan. Letztere werden meist aus spezialisierten Gasfabri-
ken in Flaschen bezogen. Dagegen wurde Acetylen häufig in kleinen Entwicklern
auch von den handwerklichen Betrieben selber hergestellt.
Die Herstellung von Acetylen geschieht durch das Einwirken von Wasser auf Karbid,
wobei sich Acetylen bildet, das in einem gesonderten Druckkessel gesammelt wird.
Acetylenentwickler sind in den metallbearbeitenden Firmen bis in die 1960er Jahre
in Gebrauch gewesen und wurden durch den Bezug von Fertiggasen in Flaschen
ersetzt. Bei der Herstellung von Acetylen entsteht stets eine große Menge wässri-
gen Karbidschlamms. Dieser Schlamm wurde in Gruben gelagert, bis sich die Fest-
stoffe abgesetzt hatten, und dann auf Flächen, die leicht zu erreichen waren, depo-
niert. Große Metallbaubetriebe haben auf diese Weise häufig ihr Gelände aufge-
höht.
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4 Nicht-spanende Bearbeitung von Werkstücken
Bei allen nicht-spanenden Metallbearbeitungen wird das Werkstück durch Druck,
Zug, Schlag, Wärme oder durch Kombination dieser Möglichkeiten plastisch ver-
formt. Bedeutende Verfahren der spanlosen Verformung sind: Schmieden, Ziehen,
Stauchen, Walzen, Pressen, Treiben, Tiefziehen und Extrudieren.
Zum Erhitzen werden überwiegend Schmiedeessen genutzt. Größere Werkstücke
werden in Flammöfen erwärmt. Als Feuerungsmaterial wurde traditionell Holzkohle
verwendet. Seit Beginn der Industrialisierung wurde zur Feuerung zunehmend
Steinkohle mit einem möglichst geringen Asche- und Schwefelgehalt eingesetzt.
Nach dem Verformen wird in der Regel geglüht, um Spannungen zu beseitigen.
Danach werden die Teile erneut gebeizt und anschließend konserviert.
Drahtzieherei
Das Drahtziehen ist ein Metallverformungsverfahren ohne Wärmezufuhr, bei dem
stabförmige Metalle jeder Art durch Zieheisen mit kegeligen Löchern gezogen wer-
den, und dadurch bei einer gleichzeitigen Querschnittsverringerung immer länger
werden. Dieses Verfahren erfordert den Einsatz von Kühlschmierstoffen. Draht wird
durch Patentieren (Erwärmen im Metallbad, häufig Blei) im Gefüge verbessert.
Grober Metalldraht wurde früher nur durch schmiedende Verformung produziert. Im
19. Jahrhundert wurden Grobdrähte überwiegend für die Herstellung von Nägeln
und Gewindestangen verwendet, aus denen dann Schrauben hergestellt wurden.
Gegenwärtig ist der bedeutendste Produktionszweig der Drahtzieherei die Produkti-
on von Wolframdraht für Glühbirnen.
Stauchen und Hämmern
Stauchen und Hämmern sind Verfahren zur Verdichtung eines metallischen Werk-
stückes durch einen plötzlich auftretenden Druck, der z.B. durch einen Schmiede-
hammer erzeugt werden kann. Beim Stauchen befindet sich das Werkstück in einer
Matrize. Durch Hämmern wird es in die Form hineingedrückt und selbst verdichtet.
Lange Zeit wurde diese Arbeit mit dem Handhammer des Schmiedes ausgeführt.
Erst in der frühen Neuzeit wurden Hämmer mit immer größerem Bärgewicht (Ge-
wicht des Hammerklotzes) eingesetzt, die durch Wasserräder oder andere Ener-
giemaschinen angetrieben wurden. Im 19. Jahrhundert wurden in den Hüttenwerken
und in den Hochofenwerken Dampfhämmer mit Bärgewichten von mehr als 20 t
eingesetzt. In der metallbearbeitenden Industrie überwogen Bärgewichte zwischen
30 und 150 kg.
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Walzen
Beim Walzen wird das Werkstück zwischen zwei gegenläufigen Zylindern hindurch-
geführt und dadurch verbreitert, wobei zugleich die Materialdicke abnimmt. Sollen
Profile jeder Art erzeugt werden, müssen die Walzen mit entsprechenden Matrizen
versehen sein. Es werden sowohl erhitzte als auch kalte Metalle gewalzt. Kaltge-
walzte Metalle erhalten eine härtere Oberfläche.
5 Spanende Bearbeitung von Werkstücken
Bei der spanenden Metallbearbeitung werden aus einem rohen Werkstück bestimm-
te Formen und vorgegebene Maße herausgearbeitet, indem mit Hilfe schneidender
Werkzeuge Metallspäne abgenommen werden. Spanende Arbeitsgänge sind unter
anderem Fräsen, Bohren, Drehen, Sägen, Feilen, Hobeln oder Schaben. Fast jeder
metallbearbeitende Betrieb wendet einige der zerspanenden Verfahren an, die in
vielen Fällen den Einsatz von Kühlschmierstoffen erfordern.
Bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts wurden die meisten dieser Arbeiten mit Hilfe von
Handwerkzeugen durchgeführt. Seither wurden immer mehr Werkzeugmaschinen
konstruiert, die jeweils einem spezifischen Zweck dienen (z.B. Dreh-, Fräs- und Ho-
belbänke, Bohrmaschinen etc.).
Die Drehbank ist die älteste und bedeutendste Maschine in der Metallbearbeitung.
Mit einem fest arretierten Werkzeug werden von einem rotierenden Werkstück kon-
tinuierlich Metallspäne abgenommen. Dieser entscheidende Übergang zur Massen-
fabrikation wurde im ersten Drittel des 19. Jahrhunderts vollzogen. Dadurch konnten
die Werkstücke mit hoher Präzision bearbeitet werden, womit die Standardisierung
und die Serienfertigung von Schrauben, Muttern, Wellen, Riemenscheiben und letzt-
lich ganzen Maschinen möglich wurde.
Abfallstoffe der spanenden Metallbearbeitung sind die Metallspäne. Durchschnittlich
werden bei spanenden Bearbeitungen - mit Ausnahme des Bohrens - ca. 20 - 30 %
des Werkstoffgewichtes entfernt. Bei der Herstellung bestimmter Teile, z.B. Kurbel-
wellen, kann der Metallverlust auf bis zu 90 % ansteigen. An den Metallspänen haf-
ten immer Fette, Öle oder sonstige Kühlschmierstoffe. Der nicht mehr nutzbare An-
teil der Kühlschmierstoffe kann weitere Komponenten enthalten, die in Kapitel 7
aufgeführt sind.
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Abb. 3: Wartung der Revolverkopfdrehbank (Quelle: HANOW).
6 Thermische Bearbeitung von Werkstücken
Die thermischen Verfahren der Metallbe- und verarbeitung lassen sich grundsätzlich
unterteilen in:
- thermische Behandlungen mit Veränderung der Metalloberflächeneigenschaften
- thermische Behandlungen ohne Veränderung der Metalloberflächeneigenschaf-
ten
Die meisten thermischen Verfahren betreffen die Veränderung der Oberflächenhär-
te, die Erweichung der Gesamtstruktur oder die Veränderung des elastischen Ver-
haltens. In allen Verfahren wird das Werkstück nacheinander erhitzt und abge-
schreckt bzw. abgekühlt.
6.1 Thermische Verfahren mit Veränderung der Oberflächeneigenschaften
Traditionelle Metallhärterei
Die Metallhärterei betrifft überwiegend Werkstücke aus Stahl. Bei Werkstücken, von
denen nur Abschnitte oder Teile gehärtet werden sollen, wird jener Teil, dessen Ei-
genschaften unverändert bleiben soll, mit einer Härtepaste eingestrichen. Diese
enthält fein gemahlene Kleie als Bindemittel, Talk (Magnesiumsilikat), ca. 18% Kali-
umcyanid sowie Wasserglas zum Befeuchten.
Nach dem Ende des Härtens wird die Paste unter Einsatz von Lauge oder einer
Suspension von Magnesium in Spiritus wieder entfernt. Dabei können durch Hand-
Branchenblatt Arbeitstechniken und Verfahren der Metallbearbeitung Seite 15
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habungsverluste die eingesetzten Stoffe, insbesondere die Cyanide, in den Boden
bzw. ins Grundwasser gelangen.
Die älteste Art der Härtung in einer Schmiede bestand darin, den Gegenstand in der
Esse bis zu einer bestimmten Glutfarbe zu erhitzen und dann der jeweiligen Abküh-
lung zu unterziehen. Es handelt sich hierbei um das sogenannte Flammhärten. Kri-
tisch hierbei ist, dass Kohlenstoffmoleküle aus der Holzkohle des Schmiedefeuers
mit der Metalloberfläche reagieren und zu einer Versprödung führen können.
Bereits zu Beginn des 19. Jahrhunderts wurden daher Öfen errichtet, in denen das
Werkstück ohne Kontakt zum Feuerungsmaterial erwärmt werden konnte. Dieses
sogenannte Ofenhärten mit Temperaturen von ca. 750° C ist auch gegenwärtig
noch das gebräuchlichste Verfahren in den Härtereien.
Bereits vor dem Ersten Weltkrieg hat sich für Stahl, der ohne Zufuhr weiteren Koh-
lenstoffs erwärmt werden soll, die Erwärmung in Bädern aus geschmolzenem Blei
eingebürgert. Dieses Verfahren wurde nach dem Zweiten Weltkrieg aber oft durch
Bäder aus geschmolzenem Salz ersetzt. Die Salzschmelze verflüssigt sich in der
Regel durch die Zugabe von Soda und Salpeter leichter.
Die wesentlichen Eigenschaften des Stahls sind abhängig von der Art und Dauer
der Abkühlung, die mehrere Tage betragen kann. Erfolgt die Abkühlung durch Ab-
schreckung, ist die stoffliche Zusammensetzung des Abkühlungsmittels und die da-
raus resultierende Wärmeleitfähigkeit ausschlaggebend für die Eigenschaften des
Stahls. Die gebräuchlichsten Mittel zur Abschreckung sind Wasser, Luft und Öle
oder Fette.
Zumeist wird Wasser eingesetzt, das zur Erhöhung der Wärmeleitfähigkeit mit Här-
tereisalzen versetzt wird. Es werden in der Regel Salze und Säuren bis zu einem
Gewichtsanteil von 2 % zugeschlagen. Bei den Säuren handelt es sich meist um
mineralische, selten um organische Säuren. Als Salze werden vor allem Chloride
und Karbonate, untergeordnet auch Borate, Chloride, Nitrate und Nitrite der Erdalka-
ligruppe verwendet. Seit wann cyanidhaltige Salze in der Härterei eingesetzt wer-
den, ist nicht geklärt. Es ist jedoch davon auszugehen, dass sie zumindest seit den
1930er Jahren zum festen Bestandteil der Härtereisalze gehören.
Luft als Mittel zur Abschreckung kann eine schnelle oder langsame Abkühlung be-
wirken. Entscheidend ist das Volumen der Luftzufuhr und die Geschwindigkeit, mit
der der Luftstrom auf den zu härtenden Gegenstand trifft. Zusatzstoffe oder Gase,
die in diesem Zusammenhang gebraucht werden, sind nicht bekannt.
Die Härtung in Öl oder Fett bewirkt im Vergleich zur Abschreckung in Wasser eine
langsamere Abkühlung, die zugleich auch Schrumpfrissen vorbeugt. Das Werkstück
wird allerdings nicht so hart wie im Wasserbad. Benutzt wurden früher tierische Fet-
te und Talg, die zunehmend durch pflanzliche Öle, insbesondere Leinöl, ersetzt
wurden. In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts traten Mineralöl und Petroleum
an die Stelle von Leinöl. Zugleich entstanden durch die Glycerinproduktion neue
Möglichkeiten der Härterei, so dass gegenwärtig für die industrielle Härtung in Öl
neben Mineralöl auch Glycerin verwendet wird.
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Nach dem Härten werden die Werkstücke nochmals „angelassen“, d. h. erhitzt, je-
doch nicht geglüht, um die Spannungen innerhalb des Materialgefüges abzubauen.
Durch das Anlassen wird zudem die Zähigkeit des Stahls erhöht.
Bei der Härtung fallen verschiedene umweltgefährdende Abfallstoffe an, insbeson-
dere Mineralöle, Säuren, Schwermetallsalze sowie Alkalicyanide und -cyanate, die
in den nicht mehr brauchbaren Härtereibädern gelöst sein können. Den mengen-
mäßig größten Anteil stellen dabei die Abschreckmittel, vor allem die Öle und Salz-
bäder. Verluste an Härteölen resultieren aus dem erfahrungsgemäß häufigen Über-
schwappen der Kühlbäder beim Eintauchen der Werkstücke und insbesondere aus
Abtropfverlusten von den entnommenen Werkstücken. Zum Trocknen werden diese
häufig auf Sand gestellt. Salzbäder sind oft cyanidhaltig, wobei sich die Cyanide im
Sumpf dieser Bäder ansammeln. Die Bäder müssen meist täglich entschlammt wer-
den. Es ist nicht auszuschließen, dass Härtesalzrückstände auf oder in unmittelba-
rer Nähe des Betriebsgeländes abgelagert worden sind. Ferner gibt es außerdem
nicht mehr brauchbare Härtereibäder aus verunreinigtem Blei.
Thermisch molekulare Metallbehandlungen
Bei diesen Verfahren, die zumeist Stahl oder Gusseisen betreffen, wird die Oberflä-
chenstruktur der Metalle molekular beeinflusst. Mit Ausnahme des Verfahrens der
Entkohlung werden in den thermischen Verfahren dieser Art bestimmte Elemente in
die oberflächige Struktur der Metallwerkstücke eingefügt, ohne dass es sich um eine
Legierung im eigentlichen Sinne handelt. Zu diesen Verfahren gehören u. a. das
Carbonatisieren, die Oberflächenhärtung, das Nitrieren, das Silizieren, das Sulfinie-
ren, das Chromieren und das Aluminisieren. Zumeist werden Metallsalzen in die
Oberflächenstruktur der Werkstücke eingebracht, daran anschließend können die
Werkstücke zusätzlich noch in Öl, Wasser oder Luft gehärtet werden. Zahlenmäßig
bedeutende Verfahren der molekularen Metallbehandlung sind bis in die Gegenwart
das Carbonatisieren und die Oberflächenhärtung.
Carbonatisieren oder „Zementieren“ ist der Fachausdruck für das Hinzufügen von
Kohlenstoffmolekülen in die oberen Molekülschichten des Werkstückes. Zu diesem
Zweck wird das Werkstück geglüht und dann in heißem Zustand für ca. eine Woche
mit einer Schicht gemahlener Holzkohle bedeckt, so dass die Kohlenstoffatome
während der Prozessdauer im Zementierofen in das Eisen migrieren.
Bei der Oberflächenhärtung werden die zu härtenden Teile auf einer Art Tablett
ringsum mit Kohlenmehl umhüllt und dann für mehrere Stunden in einen vorge-
wärmten Etagenofen geschoben. Das Verfahren wird zumeist in der Maschinenbau-
industrie für Teile, die als Lager oder Gleitflächen einer stärkeren Beanspruchung
ausgesetzt sind, durchgeführt. Der Nachteil besteht allerdings darin, dass die Ein-
dringtiefe der Kohlenstoffe in die Metallstruktur begrenzt ist. Ein noch älteres Verfah-
ren der Oberflächenhärtung bestand in der Anwendung von gelbem Blutlaugensalz
(Kaliumhexacyanoferrat, K4Fe(CN)6). Bei der Verbrennung des feingemahlenen
Puders auf dem glühenden Eisen entstehen Kaliumcyanid, Stickstoff und Kohlen-
stoff. Der freigesetzte Kohlenstoff hat jedoch nur eine geringe Eindringtiefe.
Die weitaus größte Härte wird durch Nitrieren (Aufsticken) erzeugt, dieses Verfahren
wird z.B. für Ventile angewendet. Meist wird in cyanidhaltigen Salzbädern nitriert
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(Salzbadnitrieren), daneben gibt es auch eine Nitrierung in Ammoniakatmosphäre
(Gasnitrieren).
Die Verfahren des Aufkohlens wurden grundsätzlich mit einem Überschuss an Koh-
lenstoff in Form von Staub durchgeführt. Der Kohlenstaub reicherte sich nach und
nach mit Eisen, Schwermetallen und Cyaniden an, so dass eine weitere Nutzung
nicht möglich war. Fabriken, die über eine Kohlenstaubfeuerung verfügten, ver-
brannten die Stäube. Zusammen mit anderen Aschen und Schlacken wurden die
Reststoffe häufig zur Wegbefestigung oder Flächenauffüllung benutzt, so dass auch
gegenwärtig im sauren Medium Schwermetalle in Lösung gehen oder Cyanide frei-
gesetzt werden können.
Das Gegenteil der Oberflächenhärtung besteht in der Oberflächenerweichung durch
Entkohlung. Es handelt sich hierbei um ein traditionelles Verfahren der Schmiede.
Bei der Verhüttung entstand Eisen, das aufgrund des hohen Kohlenstoffgehaltes zu
spröde für Werkstücke war. Dieses Eisen wurde mechanisch mit dem Hammer so-
lange bearbeitet, bis unter Luftzufuhr möglichst viel Kohlenstoff verbrannt war und
das Eisen eine gewisse Zähigkeit erhielt. Zu diesem Zweck wurde das erhitzte Ma-
terial zunächst auf dem Amboss getrieben. Anschließend wurde es unter dem
Hammer wieder zu einem Barren oder einem Block gefaltet, erneut erhitzt, getrieben
und gefaltet, um die nunmehr kohlenstoffärmeren Oberflächen wieder mit dem gro-
ßen Rest des Eisens zu vermischen, und somit den Gesamtkohlenstoffgehalt des
Werkstückes zu vermindern.
Dieser ursprüngliche Prozess des Schmiedens war notwendig, solange Eisen im
Überschuss von brennbarem Kohlenstoff geschmolzen wurde, grundsätzlich also
bis zur Einführung der Elektrostahlöfen bzw. des Bessemer-Stahls im 19. Jahrhun-
dert. Andere thermische Verfahren der Entkohlung erreichen lediglich die Verbren-
nung von Kohlenstoff an der Oberfläche z.B. von Guss- oder Tiegelstahl. Werkstü-
cke mit hoher Verformungsfestigkeit (z.B. Auf- oder Widerlager an Präzisionsma-
schinen) werden zunächst in Öfen ohne Kohlenstoffzufuhr erhitzt und dann mit rei-
nem Sauerstoff beaufschlagt, so dass der oberflächennahe Kohlenstoff verbrennt.
6.2 Thermische Verfahren ohne Veränderung der Oberflächeneigenschaf-
ten
Der Einsatz von Wärme dient in erster Linie dazu, das Werkstück zu erweichen, um
eine Formveränderung durch die Anwendung mechanischer Energie zu erleichtern.
Dieses Verfahren wird am häufigsten eingesetzt und vollzieht sich in immer gleicher
Weise: langsames oder schnelles Erwärmen durch direkte oder indirekte Befeue-
rung, gefolgt von einer schnellen oder einer verzögerten Abkühlung. Die Geschwin-
digkeit der Abkühlung entscheidet maßgeblich über die Verwendbarkeit der Metalle.
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7 Kühlschmierstoffe
Die Entwicklungen in der Metallindustrie seit dem Anfang des 20. Jahrhunderts stell-
ten erhöhte Anforderungen an die Maschinen, die Werkzeuge und die herzustellen-
den Werkstücke. Durch die verbesserten Werkstückmaterialien, Werkzeuge und
Maschinen ergaben sich höhere Schneiddrücke und Schnittgeschwindigkeiten, und
damit verbunden mehr Reibung, die eine Schmierung und Kühlung der Werkstücke
und Werkzeuge erforderlich machten. Hierfür werden während des Bearbeitungs-
vorgangs spezielle chemische Erzeugnisse, die so genannten Kühlschmierstoffe
(KSS), verwendet. Mit dem Einsatz der KSS wird die Standzeit der Schneidwerk-
zeuge verlängert sowie die Oberflächengüte des Werkstückes verbessert. Durch
reichliche Zufuhr von KSS kann das Werkstück mit einer höheren Schnittgeschwin-
digkeit und einem größeren Spanquerschnitt bearbeitet werden.
7.1 Aufgaben der Kühlschmierstoffe
Nachdem KSS lange Zeit bei der Fertigung als nebensächlich angesehen wurden,
gehören sie inzwischen zu den maßgeblichen Einflussfaktoren im Bearbeitungspro-
zess.
Dabei haben sie drei Hauptaufgaben:
Kühlung von Werkzeug und Werkstück durch Abführung der entstehenden
Wärme
Schmierung zur Herabsetzung des Reibungswiderstandes sowie der Verschleiß-
und Schnittkräfte
Reinigung des zu bearbeitenden Werkstücks bzw. des Werkzeugs durch Weg-
spülen der Späne, des Abriebs und der Verunreinigungen
Die Hauptfunktion des Öls ist das Schmieren, während Wasser primär für die Küh-
lung verantwortlich ist. Bereits eine relativ geringe Temperaturabsenkung vermindert
den Werkzeugverschleiß und führt zu erheblichen Standzeitverlängerungen. Die
durch die Spanabhebung freigelegte Metallfläche besitzt eine starke chemische Ak-
tivität, so dass es hier leicht zu Reaktionen mit dem Luftsauerstoff oder KSS-
Inhaltsstoffen kommen kann. Die Erzeugung eines temporären Korrosionsschutzes
ist daher eine weitere wichtige Aufgabe der wassergemischten KSS.
7.2 Eigenschaften der Kühlschmierstoffe
Zu den wichtigsten Eigenschaften, die Kühlschmierstoffe aufweisen sollen, gehören:
Kühlvermögen
Schmierfähigkeit
Spülvermögen, Spänetransport
Schutz vor Korrosion
Chemische Neutralität gegenüber den Werkstoffen
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Alterungsbeständigkeit gegen physikalische, chemische und biologische Ein-
flüsse: Druckfestigkeit, Schwerentflammbarkeit, Geruchsstabilität, Anti-Schaum-
verhalten
Einfache und sichere Handhabung: Emulgierfähigkeit, Haft- und Benetzungs-
vermögen, Abwaschbarkeit, Filtrierbarkeit, Transparenz
In neuerer Zeit sind außerdem die gute Umweltverträglichkeit und die damit verbun-
dene leichtere sowie kostengünstigere Entsorgbarkeit sowie der Gesundheitsschutz
entscheidende Kriterien bei der Auswahl eines KSS. In der Praxis ist jeder Betrieb
bestrebt, die Sortenvielfalt der KSS auf die unbedingt notwendige Anzahl zu redu-
zieren. Daher sind bei den nichtwassermischbaren KSS Mehrzwecköle mengenmä-
ßig von großer Bedeutung. Sie können auch als Schmier- und Hydrauliköle in den
Werkzeugmaschinen verwendet werden.
7.3 Inhaltsstoffe der Kühlschmierstoffe
Die zu Beginn der Industrialisierung üblichen Metallbearbeitungsprozesse wurden
mit einfachen Fettölen als KSS durchgeführt. Es wurden mit pflanzlichen und tieri-
schen Ölen und Fetten (Rüb-, Lein-, Senfsaat- oder Palmöl, Tran) versetzte Seifen-
lösungen oder auch Graphitpasten verwendet.
Seit den 1920er werden zunehmend Mineralöle eingesetzt. Dabei wurden die tieri-
schen und pflanzlichen Fette und Öle zunächst mit Mineralölen vermischt. Diese
Mischungen waren nur grob definiert. Gründe hierfür waren die wenig entwickelten
Analysenmethoden und technischen Aufarbeitungsverfahren der Mineralölindustrie
der damaligen Zeit.
Definierte Zusammensetzungen der handelsüblichen Kühlschmierstoffe sind erst
seit den 1960er Jahren üblich. Zuvor wurden die KSS von den chemischen Fabriken
nach geheim gehaltenen Rezepturen angefertigt und häufig innerhalb des Fabrikbe-
triebes nach eigenen Erfahrungssätzen verändert. So wurden z.B. Geruchsstoffe
häufig von den Drehern an der Arbeitsstelle hinzugefügt, um den Gestank alter
Kühlmittel zu überdecken. Waren diese Selbstversuche der Betriebe erfolgreich,
fanden sie auch Eingang in die handelsüblichen Kühlschmierstoffrezepturen. Eine
Erstdatierung eines Stoffeinsatzes ist daher fast unmöglich.
Moderne KSS sind vollständig charakterisiert und unterliegen zur Aufrechterhaltung
ihrer Qualität einer innerbetrieblichen Kontrolle. Eine gesundheitliche Gefährdung
der Arbeiter sowie eine mögliche Umweltbelastung ist damit allerdings nicht ausge-
schlossen.
Bei den meisten Kühlschmierstoffen neuerer Zeit handelt es sich um beständige
Emulsionen von korrosionsschutzmittelhaltigen Mineralölen in Wasser, wobei Seifen
und Tenside als Emulgatoren dienen.
Kühlschmierstoffe können folgende Komponenten, deren Ersteinsatz zumeist auf
die Zeit vor dem Zweiten Weltkrieg datiert werden kann, enthalten:
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Mineralöle: zumeist Gemische mit Paraffinen und Naphthenen
polare Additive: pflanzliche und tierische Öle, Carbonsäuren und ihre Derivate
Hochdruckadditive (EP-Additive): überwiegend Chlor-, Schwefel- und Phosphor-
verbindungen, vor allem Chlorparaffine
Festschmierstoffe: z.B. Graphit, Molybdän- oder Zinksulfid, Cadmium-, Wolfram-
und Antimonverbindungen
Emulgatoren: traditionell hauptsächlich Natriumseifen, des Weiteren Aminseifen,
Petrolsulfonate, sulfatiertes Rizinusöl, in neuerer Zeit auch Polyglykolether
Korrosionsinhibitoren: häufig Amine, seltener Sulfonate, Naphthensäure, Bor-
säureester
Biozide: meist Formaldehyd oder Formaldehydabspalter, Phenole, früher auch
Pentachlorphenol
Entschäumer: z.B. Dimethylsiloxane
Komplexbildner: z.B. EDTA
Geruchsstoffe
Farbstoffe
7.4 Schadstoffe beim Umgang mit Kühlschmierstoffen
Neben den Handhabungsverlusten stellt die Lagerung und Reinigung der bei der
Werkstückbearbeitung anfallenden Metallspäne eine wichtige Quelle für Kontamina-
tionen dar. Der Gewichtsanteil der an die Metallspäne gebundenen KSS liegt im
Durchschnitt bei 8%. Da die Späne mit dem anhaftendem Öl auf dem Rohstoffmarkt
niedrigere Preise erzielten, wurden die Späne in Gitterkörben oder durchlöcherten
Fässern vor dem Verkauf zumeist mit Kaltreinigern (CKW) oder anderen Fett- und
Öllösern eingesprüht und hinterher mit Wasser unter hohem Druck abgespritzt. Auf
diesem Wege konnten Kühlschmierstoffe und CKW in das Abwasser und den Bo-
den gelangen.
Als Reaktionsprodukte während des Gebrauchs von Kühlschmierstoffen können
krebserregende N-Nitrosamine und polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe
(PAK) entstehen. N-Nitrosamine bilden sich in Gegenwart von Nitrit aus sekundären
Aminen. Es genügt die Anwesenheit von N-Nitrosamin-Vorstufen (z.B. primäre oder
tertiäre Amine sowie organische Nitroverbindungen als Additive in KSS). Seit 1997
sind Nitrit und nitritabspaltende Substanzen in KSS verboten.
PAK entstehen aus Mineralölen bei hoher Temperatur unter Sauerstoffmangel. Vo-
raussetzung für eine signifikante Bildung von PAK ist die Anwesenheit von Aroma-
ten in KSS. Dies war früher der Fall, da die Mineralöle meistens aus den Rückstän-
den der Säureraffination des Rohöls hergestellt wurden. Wegen der günstigen Lö-
sungseigenschaften war der hohe Anteil an Aromaten durchaus erwünscht. In neue-
rer Zeit konnte durch Änderung der Raffinationsverfahren der Aromatengehalt deut-
lich gesenkt werden. Zur Minimierung des PAK-Gehaltes sollte der Aromatenanteil
unter 10% liegen.
Weitere Schadstoffe im Zusammenhang mit den Kühlschmierstoffen sind Chlorver-
bindungen und polychlorierte Biphenyle (PCB). Zwischen 1929 und etwa dem Ende
der 1970er Jahre waren in fast allen verwendeten Kühlschmierstoffen PCB vorhan-
Branchenblatt Arbeitstechniken und Verfahren der Metallbearbeitung Seite 21
Altlasten-Leitfaden Schleswig-Holstein: Erfassung Anhang 11
den. PCB wurde früher als Flammschutzmittel in KSS eingesetzt. Darüber hinaus
gelangte es durch unzulässiges Beimischen von Altöl in Zweitraffinate und somit in
die KSS.
Zum Unterbinden mikrobiologischer Zersetzungsprozesse wurde seit den 1930er
Jahren verstärkt auch PCP beigemischt, allerdings ist die Verwendung von PCP seit
1989 verboten.
Chlorparaffine (Hochdruck-Additive) sind in einem Großteil der heute üblichen Kühl-
schmierstoffe nicht mehr vorhanden, da sie im Verdacht stehen, Krebs zu erzeugen.
8 Allgemeine Verunreinigungen durch den Metallbearbei-tungsbetrieb
In der Metallbearbeitung wurden bereits sehr früh schwere Maschinen mit hohem
Kraftbedarf eingesetzt. Daher verfügten die meisten Großbetriebe, aber auch zahl-
reiche mittelgroße Betriebe, frühzeitig über eine eigene Kraftzentrale (meist eine
Dampfmaschine) mit Riementransmissionen, Wellenübertragungen und später auch
eine eigene Stromerzeugung.
Daraus resultierten bis in die 1930er Jahre große Mengen an Aschen und Schla-
cken aus der Feuerung, in der zumeist auch betriebliche Abfälle verbrannt oder ge-
sintert wurden. Die Aschen und Schlacken wurden zusammen mit anderen geeigne-
ten Abfallstoffen, z.B. Kohlengrus aus den Bunkern und Sandstrahlrückständen,
häufig für die Befestigung des Betriebsgeländes genutzt, um den zunehmenden
Schwerlastverkehr zu ermöglichen. Seit ca. 1930 nahmen die Kesselfeuerungen mit
Schweröl und später auch mit Heizöl zu. Die Lagerung dieser Stoffe erforderte
Tanks, Pumpwerke, Übernahmestationen und Vorwärmanlagen, die bis in die
1960er Jahre fast immer durch unterirdische Rohre verbunden waren, welche häufig
korrodierten. Folglich sind an allen Orten, auf denen mit diesen Mineralölkohlen-
wasserstoffen umgegangen wurde, entsprechende Verunreinigungen zu vermuten.
Die Verstromung der innerbetrieblich erzeugten Energie erforderte die Anlage eige-
ner Transformatorenstationen, Gleichrichter und anderer elektrotechnischer und
elektromechanischer Anlagen (z.B. Ölschützen, d.h. großvolumige relaisähnliche
Hochspannungsschalter mit Öl als Isolator). Die Umstellung der Nennspannung von
110V auf 220V erfolgte allgemein in den 1950er Jahren und machte die gesamte
elektrische Altausrüstung hinfällig, so dass diese Geräte verschrottet wurden. Ins-
besondere im Zuge dieser Umbauarbeiten, aber auch durch den normalen Betrieb
sowie durch Unfälle, gelangte aus den Transformatoren und Ölschützen Transfor-
matorenöl mit PCB und anderen Zusätzen in die Umwelt. Auch die Gleichrichter
erwiesen sich bei Unfällen oder nicht sachgerechter Demontage als umweltschädi-
gend, da sie je nach Größe bis zu 1.400 kg Quecksilber enthielten.
Während des 19. Jahrhunderts und vielfach noch bis in die 1920er Jahre wurden die
Maschinen selbst mit mechanischen Einrichtungen bewegt. Die Umstellung auf den
Einzelantrieb war fast immer auch mit der Umstellung auf eine hydraulische Über-
tragung der Kräfte verbunden. Innerhalb der Einzelmaschine befand sich eine Hyd-
Branchenblatt Arbeitstechniken und Verfahren der Metallbearbeitung Seite 22
Altlasten-Leitfaden Schleswig-Holstein: Erfassung Anhang 11
raulikpumpe. Undichtigkeiten bei Pumpe, Vorratsbehälter und Hydraulikschläuchen
sowie undichte Kolben führten oft zu einem merklichen Verlust an Hydrauliköl. Hyd-
rauliköl war früher fast immer mit PCB versetzt und kann daher in den Abfallstoffen,
im Bauwerk und im Untergrund zu Kontaminationen geführt haben. Der Einsatz von
PCB wurde 1978 auf geschlossene Systeme beschränkt und 1989 ganz verboten.
Da die Maschinen und Werkstoffe fast durchgängig verölt waren, wurden sie regel-
mäßig mit aliphatischen, aromatischen oder chlorierten Lösungsmittel gereinigt.
Diese können zu Kontaminationen geführt und zusätzlich die Mobilisierung von Mi-
neralölen bewirkt haben.
Durch den Einsatz von Säuren für die Beizbäder und die Vorbeizen können zusätz-
lich Schwermetalle mobilisiert worden sein, so dass im Untergrund eines Metallbe-
arbeitungsbetriebes auch mit diesen Stoffen zu rechnen ist.
9 Literaturhinweise
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Altlasten-Leitfaden Schleswig-Holstein: Erfassung Anhang 11
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dorf, 1960).
Altlasten-Leitfaden Schleswig-Holstein: Erfassung Anhang 11 Histinvest – Dr. Klaus Schlottau, Bremen
Branchenblatt Metallschleiferei
Inhaltsverzeichnis Seite 1 Bezeichnung der Branche 2 2 Historischer Überblick 2 3 Allgemeiner Verfahrensablauf 2 4 Umweltrelevante Verfahrens- und Produktionsschritte sowie Ver-
unreinigungspotentiale 4 5 Gesetzliche Ausführungsvorschriften für verwendete Stoffe/
Stoffgruppen 4 6 Altlastrelevante/altlastirrelevante Nutzungszeiträume 5 7 Literaturhinweise 6 Abb. 1: Zylinderschleiferei von 1941 (Quelle: RUBY).
Branchenblatt Metallschleiferei Seite 2
Altlasten-Leitfaden Schleswig-Holstein: Erfassung Anhang 11
1 Bezeichnung der Branche
Die Metallschleiferei ist ein spezialisierter Dienstleistungsbetrieb innerhalb der Me-
tallbearbeitungsbranche. Im Gegensatz zur Dreherei, Schlosserei und anderen
Werkstätten werden in der Regel keine Teile angefertigt, sondern Halbfertigprodukte
bearbeitet. Außerdem werden Reparaturdienstleistungen an Maschinen oder Ma-
schinenteilen, deren Schweißnähte geschliffen oder poliert werden sollen, ausge-
führt. Die Metallschleiferei ist ein mittelständischer, überwiegend handwerklicher
Betrieb.
2 Historischer Überblick
Der historische Ursprung des Schleifer- und Polierergewerbes liegt in den mittelal-
terlichen Schwertfegern, die Schneidwaren und andere Metallgegenstände mit ei-
nem Feinschliff oder einer Politur, der Steigerung des Schliffs, versahen. Es handel-
te sich bereits zu dieser Zeit um ein Dienstleistungsgewerbe innerhalb der metallbe-
arbeitenden Branche.
Im Maschinenbau etablierte sich die Branche erst Mitte des 19. Jahrhunderts, als
die Toleranzen für gegossene Lagerschalen immer geringer wurden, und die Rei-
bung in den Lagern als ausschlaggebender Faktor für den Wirkungsgrad und die
Haltbarkeit von Maschinen erkannt wurde.
Die Entwicklung der Benzinkraftmotoren Ende des 19. Jahrhunderts mit Kolben,
Zylindern, Kurbelwellen und einer Vielzahl von Ventilen und Lagern führte zu einem
erheblichen, bis heute steigenden Bedarf an Schleifkapazitäten. Die hochwertigen
Feinarbeiten, die insbesondere bei Dieselmotoren notwendig waren, konnten nur
durch den Einsatz von Politurpasten erreicht werden.
3 Allgemeiner Verfahrensablauf
Das Schleifen und Polieren gehört zu den spanabhebenden Bearbeitungen von me-
tallischen Werkstücken. Die Arbeiten dienen dem Glätten der Oberflächen, dem
Entfernen von Zunder, Gusshaut, Gieß- oder Stanzgraten sowie der Beseitigung
von kleinen Fehlern in der Oberfläche.
Im Gegensatz zu den in einer Dreherei verwendeten Werkzeugen mit definierter
geometrischer Schneide besitzen Schleifsteine, Schleifpapiere oder Schleif- und
Polierpasten diese Eigenschaft nicht. Die Größe der Spanabnahme definiert sich
über die Korngröße von Kristallen im Schleifmittel. Die erforderliche gleichmäßige
Korngröße wird entweder durch Züchtung, Vermahlung oder physikalische Trenn-
methoden erreicht. Je nach Korngrößenklasse werden die Kristalle mit verschiede-
nen Trägersubstanzen (Stein, Textil, Kunststoff) verbacken. Feinste Körnungen
werden in Pasten oder Flüssigkeiten eingesetzt.
Branchenblatt Metallschleiferei Seite 3
Altlasten-Leitfaden Schleswig-Holstein: Erfassung Anhang 11
Das Schleifen der Metalle wurde jahrhundertelang mit Hilfe von Schleifsteinen aus
Sandstein durchgeführt. Die Steine wurden mittels einer Handkurbel, im Falle von
Schleifwerkstätten auch von Wasserrädern, später von Dampfmaschinen oder
Elektromotoren, angetrieben. Neben den Schleifsteinen wurden auch Feilen oder
Handschleifsteine genutzt.
Seit Beginn des 20. Jahrhunderts wurden mehr und mehr künstliche Schleifsteine
hergestellt. Diese setzten sich überwiegend aus Quarzen, einem Gemenge von kie-
selsauren Stoffen, Bimsstein, Korund und anderen Halbedelsteinen sowie aus Sili-
ziumkarbid und künstlichem Korund auf der Basis von Bauxit zusammen. Als Bin-
demittel dienten neben den ersten Zementen überwiegend Magnesiumoxid, Kaut-
schuk, Schellack oder Wasserglas. Nach dem Zweiten Weltkrieg hat sich als Bin-
demittel Kaolin durchgesetzt, die Schleifsteine werden keramisch gebacken.
Schleifpapiere für Hand- und Maschinenschliff wurden zu Beginn des 20. Jahrhun-
derts aus beschichteten Textilien entwickelt. Ursprung ist das Nassschleifpapier, ein
mit Kautschuk belegtes Textilgewebe, in das Korund eingewalzt wurde. Für trocke-
ne Anwendungen wurde bald das billigere Trägermaterial Karton eingeführt.
Polieren ist ein sehr feines Schleifverfahren, bei dem Korngrößen im Nanometerbe-
reich zum Einsatz gelangen, um die Schleifspuren der vorherigen Bearbeitungsstufe
zu beseitigen. Die Kristalle lassen sich daher nicht auf einem Trägermaterial befes-
tigen, sondern werden in Form von Polierpasten eingesetzt. Die Spanabnahme er-
folgt durch harte Kristalle (Berylliumoxid für Hartmetalle und Chromoxid für gehärte-
ten Stahl), die in eine mehlartige Paste aus weicheren Kristallen (Talk, Graphit) oder
in Puder aus weichen Schwermetallen eingemengt sind. Beim Polieren wird die
Paste mit einem Lappen, Rundpoliermaschinen, Watte o.ä. verrieben und verfärbt
sich durch die Aufnahme von abgeschabten Metallpartikeln des Werkstückes.
Wie bei den Werkzeugen der Dreherei entsteht auch beim Schleifen und Polieren
Wärme, die abgeleitet werden muss; zugleich verstopfen feinste Metallpartikel nach
und nach die Zwischenräume zwischen den Kristallen. Schleifmittel müssen daher
gekühlt, gereinigt und regelmäßig ausgewechselt werden.
Sind nach mehreren Arbeitsgängen mit immer feineren Schleif- und Poliermitteln die
angestrebten Toleranzen erreicht, werden die Schleifflächen mit Hilfe von geölten
Tüchern und Watten zunächst von groben Rückständen gesäubert. Dann werden
die Flächen mit Pressluft abgeblasen und Fettrückstände mit Hilfe von Lösungsmit-
teln entfernt, bevor dünnflüssige Mineralöle zum Schutz vor Korrosion aufgetragen
werden.
Als Abfallstoffe treten hauptsächlich Schwermetall- und Schleifsteinstäube auf. Ins-
besondere die Schwermetalle der verbrauchten Pasten, die zumeist im Kehricht als
Industrieabfall entsorgt werden, weisen ein Gefährdungspotential für die Umwelt
auf. Leichte Verunreinigungen durch Mineralöle bzw. Lösungsmittel aller Art, sowie
in Einzelfällen auch Kühlschmierstoffe aus den Drehereien, sind in einer typischen
Schleiferei ebenfalls zu erwarten.
Branchenblatt Metallschleiferei Seite 4
Altlasten-Leitfaden Schleswig-Holstein: Erfassung Anhang 11
4 Umweltrelevante Verfahrens- und Produktionsschritte sowie Verunreinigungspotentiale
Das Werkstück wird normalerweise in einer Dreherei vorgearbeitet und oft mit Kühl-
schmierstoffen benetzt angeliefert. In der Regel wird daher die zu bearbeitende Flä-
che vor dem nächsten Arbeitsschritt mit einem Lösungsmittel gereinigt (BTEX oder
CKW). Die Reinigung wird am Ende der Bearbeitung für das ganze Werkstück wie-
derholt, weil sich die Schleifstäube und Pasten mit den Ölen auf der Oberfläche des
Werkstückes verbinden. Aufgrund dieser Säuberungen ist mit Handhabungsverlus-
ten zu rechnen, so dass eine Verunreinigung des Untergrundes nicht auszuschlie-
ßen ist.
Durch die schleifende Bearbeitung mit unterschiedlichen Kristallkörnungen werden
kleine Metallteile vom Werkstück abgeschabt und mit den Kristallen des Schleifmit-
tels und dem Bindemittel vermischt. Diese schwermetallhaltigen Rückstände werden
entweder abgesaugt oder ausgefegt, sowie gegebenenfalls aus Trägerflüssigkeiten
herausgefiltert. Die Filter und der Kehricht werden heute als Industrieabfall entsorgt.
Früher wurden sie jedoch vermutlich auch zur Bodenbefestigung verwendet, so
dass hier mit Schwermetallverunreinigungen zu rechnen ist.
Die Werkstücke werden für den Transport nach der Bearbeitung zum Schutz vor
Korrosionen erneut eingeölt, so dass Mineralöle durch Handhabungsverluste in den
Untergrund gelangt sein können.
5 Gesetzliche Ausführungsvorschriften für verwendete Stoffe/Stoffgruppen
Tabelle 1 Altlastrelevante Stoffe und ihr zeitlicher Einsatz
Stoff Nutzung Verstärkte Anwendung
ab
Verwendungsbe-schränkung/ Ver-
bot
PCB (Polychlorierte Biphenyle).
1
Einsatz in Kühlölen, um die Entzündungstemperatur zu erhöhen.
ca. 1930 1978/1989
Wassermischbare Kühlschmierstoffe (N-Nitrosamin-Bildung).
2
Schmier- und Kühlmittelersatz für Öle mit Flammschutzmitteln.
ca. 1955 1997
PCP (Pentachlor- phenol).³
Einsatz in Emulsionen zur Halt-barmachung.
ca. 1930 1986/1989
LCKW.4 Lösungs- und Reinigungsmittel
(Kaltreiniger) insbesondere für verölte Späne.
ca. 1925 1981/1986 (zum Teil)
BTEX.5 Lösungs- und Reinigungsmittel
im Werkstattbetrieb. ca. 1925 1986 (zum Teil)
1
26.7.1978 10.BImSchV: Verwendungsbeschränkung auf geschlossene Systeme; 8.7.1989, PCB-Verbotsverordnung: Herstellungs-, Inverkehrsbringungs- und Verwen- dungsverbot, 1993 durch ChemVerbotsV abgelöst.
Branchenblatt Metallschleiferei Seite 5
Altlasten-Leitfaden Schleswig-Holstein: Erfassung Anhang 11
2 4/1997 Technische Regel für Gefahrstoffe TRGS 611, Verwendungsbeschränkungen für
wassermischbare bzw. wassergemischte Kühlschmierstoffe, bei deren Einsatz N-Nitrosamine auftreten können (Verbot von Nitrit im KSS) 3
26.8.1986 GefStoffV: Verwendungsbeschränkung für PCP, z.B. nicht in Aufenthaltsräumen einzusetzen; 12.12.1989 PCP-Verbotsverordnung: Herstellungs-, Inverkehrsbringungs- und Verwen- dungsverbot, 1993 abgelöst durch ChemVerbotsV. 4 9/1981 Technische Regel für gefährliche Arbeitsstoffe TrgA 502: Verwendungsbeschrän-
kung für Tetrachlorkohlenstoff; 21.4.1986 2.BImSchV: Verordnung zur Emissionsbeschränkung von leichtflüchtigen Halogenwasserstoffen, Anwendungsbeschränkungen 1990 in der Neufassung verschärft. 5 26.8.1986 GefStoffV: Verwendungsbeschränkung für Benzol auf geschlossene Systeme.
6 Altlastrelevante/altlastirrelevante Nutzungszeiträume
Nahezu alle Werkstücke, die in den Schleifereien bearbeitet werden, stammen aus
Drehereien. Dies hat zur Folge, dass in den Schleifereien auch mit den typischen
Schadstoffen dieser Branche zu rechnen ist, da den Werkstücken häufig Öle und
Kühlschmierstoffe anhaften. Diese beinhalten Chlororganika (z.B. seit Ende der
1920er Jahre bis zum Verbot 1989 PCB) als Flammschutz; Emulsionen wurden et-
wa zum gleichen Zeitpunkt mit Emulgatoren, Fungiziden sowie Bakteriziden (z.B.
PCP) hergestellt und haltbar gemacht.
Ebenfalls etwa seit Anfang der 1930er Jahre ist in Schleswig-Holstein mit der ver-
stärkten Anwendung chlorierter oder aromatischer Kohlenwasserstoffe als Lösungs-
mittel zu rechnen.
Tabelle 2 Zusammenfassung aller altlastrelevanten Aspekte und Zuordnung zu
den Branchenklassen SH.
Zeitspanne Hilfsstoffe Nebenprodukte Altlastrelevante Aspekte
Branchen-klassen SH
vor 1900 – 1930
Sandsteine, Korund. Metallspäne, z.T. gering verölt.
Unbefestigte Fußböden
0
1931 – 1980 Sandsteine, Korund, Schleifmittel, Pasten, Fette, Lösungsmittel (CKW, BTEX).
ölige Metallspä-ne, Schwermetal-le.
Öle und Kühl-schmierstoffe aus den Drehe-reien.
4
1981 – 2000 Sandsteine, Korund, Schleifmittel, Pasten, Fette, Lösungsmittel (BTEX), Detergen- tien.
ölige Metallspä-ne, Schwermetal-le.
Öle und Kühl-schmierstoffe aus den Drehe-reien.
3
Branchenklasse 0: kein Gefährdungspotential Branchenklasse 1: Gefährdungspotential sehr gering Branchenklasse 2: Gefährdungspotential gering Branchenklasse 3: Gefährdungspotential mäßig Branchenklasse 4: Gefährdungspotential hoch Branchenklasse 5: Gefährdungspotential sehr hoch
Ein weiterer altlastrelevanter Aspekt ist die Tatsache, dass während des Zweiten
Weltkrieges Schleifereien und andere Metallbetriebe der Rüstungsindustrie der Kon-
trolle ziviler Aufsichtsbehörden weitgehend entzogen wurden, und daher häufig in
baulichen Anlagen arbeiteten, die für Gewerbebetriebe auch nach damaligem Stand
der Technik nicht geeignet waren. Es fehlte zumeist an einer Befestigung des Fuß-
Branchenblatt Metallschleiferei Seite 6
Altlasten-Leitfaden Schleswig-Holstein: Erfassung Anhang 11
bodens sowie an geeigneten Abwasseranlagen. Ähnliches gilt für die Nachkriegs-
zeit, in der behördliche Kontrollen meist nur in eingeschränktem Maße durchgeführt
wurden.
7 Literaturhinweise
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lag der SCHUMAG, Schuhmacher Metallwerke Aachen, Neuwied, o.J.
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MAG, Schuhmacher Metallwerke Aachen, Neuwied, o.J.
HOFFMANN, M.: Handbuch der praktischen Werkstatt-Mechanik. Metall- und Holz-
dreherei. Wien, Leipzig, 1925.
LOSS, A.: Handbuch der Dreherei. Leipzig, 1920.
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Berufe, Band 109. Verlag Gebrüder Jänecke, Hannover, 1945.
RUBY, J.: Werkzeug-Maschine. Magdeburg, 1997.
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der Deutschen Materialprüfanstalten, Sonderheft 16. Berlin, 1931.
STAU, C. H.: Die Drehmaschinen, Drehbänke und verwandte Werkzeugmaschinen.
Berlin, Göttingen und Heidelberg, 1963.
WEINER, R.: Die Abwässer der Metallindustrie (Metallverarbeitende und galvano-
technische Betriebe), 3. erweiterte Auflage. Eugen G. Leuze Verlag, Saulgau, 1965.
Altlasten-Leitfaden Schleswig-Holstein: Erfassung Anhang 11 Histinvest - Dr. Klaus Schlottau, Bremen
Branchenblatt Metallwarenfabriken
Inhaltsverzeichnis Seite 1 Bezeichnung der Branche 2 2 Historischer Überblick 2 3 Allgemeiner Verfahrensablauf 3 4 Umweltrelevante Verfahrens- und Produktionsschritte sowie Verun-
reinigungspotentiale 4 5 Gesetzliche Ausführungsvorschriften für verwendete Stoffe/
Stoffgruppen 5 6 Altlastrelevante/altlastirrelevante Nutzungszeiträume 7 7 Literaturhinweise 7
Abb. 1: Tiefziehen (Quelle: HANOW)
Seite 2 Branchenblatt Metallwarenfabriken
Altlasten-Leitfaden Schleswig-Holstein: Erfassung Anhang 11
1 Bezeichnung der Branche
Produkte der Metallwarenfabriken zählen zur Konsumgüterindustrie und werden un-
ter einer Firmenmarke über den Haushalts-, Eisen- und Stahlwarenhandel an die
Endverbraucher verkauft. Zu den Produkten gehören alle metallenen Haushaltsge-
genstände ohne elektrischen Antrieb oder elektronischer Kontrolle wie z.B. Töpfe,
Pfannen, Besteckteile, Messer oder Scheren.
Eine Metallware entsprechend der obigen Definition wird in der Regel durch
Schmieden, Stauchen oder Tiefziehen aus Metallblechen hergestellt und dann mit
einer Oberflächenveredelung durch Polieren, Emaillieren oder Lackieren verkaufsfer-
tig gemacht.
2 Historischer Überblick
Die Metallwarenfabriken etablierten sich, basierend auf verschiedenen Metallhand-
werken, seit der Mitte des 18. Jahrhunderts zunehmend als eigenständige Branche,
genannt Kleineisenindustrie. Exemplarisch sei hier die märkische Eisenwarenindust-
rie genannt, die noch heute unter der Bezeichnung „Solinger Stahl“ einen hohen
Marktanteil besitzt. An Bächen, die die notwendige Wasserkraft lieferten, waren be-
reits zum damaligen Zeitpunkt mechanische Werkstätten entstanden, die sich durch
eine hohe Diversifizierung und Arbeitsteilung auszeichneten. Auch in Schleswig-
Holstein gab es drei zeitgenössische Zentren in Flensburg, Gröhnwohld und Bäk bei
Ratzeburg. Mit der Einführung der Dampfmaschine als ubiquitärer Kraftquelle verla-
gerten sich die Kleineisenwerke im 19. Jahrhundert in die Städte.
Die meisten Betriebe der Metallwarenindustrie gehören heute zu den klein- bis mit-
telgroßen Firmen, die aus den Bereichen der Schmieden und des Kesselbaus
stammen. Während bis zum Beginn des Konsumzeitalters in den 1950er Jahren vie-
le Haushalts- und Eisenwaren noch in Kleinserienfertigung vollständig von einem
Betrieb hergestellt wurden, begann danach die Herstellung von Großserien, die spä-
ter aus Kostengründen in andere Länder verlegt oder durch Zukauf von Fertigpro-
dukten „ohne Namen“ ergänzt wurde. Nach der Wirtschaftskrise, die der ersten Öl-
krise am Ende der 1960er Jahre folgte, konnten sich in Deutschland nur noch weni-
ge Betriebe der Metallwarenindustrie behaupten. Es handelt sich zumeist um Fir-
men, die eine starke und international bekannte „Marke“ besitzen, oder um z.B. Sil-
berbesteckfabriken.
Wesentliche Arbeitsschritte der Metallwarenindustrie sind identisch mit jenen der
Metallbearbeitungsindustrie. Hierzu gehören insbesondere: formende Metallbearbei-
tung, Metallverbindungstechniken wie Schweißen, Schrauben und Nieten, Oberflä-
chenbehandlungen wie z.B. Lackierungen oder Emaillierungen. Oberflächenbe-
schichtungen aus Zinn oder Zink für Töpfe oder Kochgeschirr, wie sie im 19. Jahr-
hundert häufig ausgeführt wurden, werden in Deutschland seit Beginn des 20. Jahr-
hunderts nicht mehr für Metallwaren, die mit Lebensmitteln Kontakt haben, ausge-
führt, weil die Vergiftungsgefahr zu hoch ist.
Branchenblatt Metallwarenfabriken Seite 3
Altlasten-Leitfaden Schleswig-Holstein: Erfassung Anhang 11
3 Allgemeiner Verfahrensablauf
Eine Metallwarenfabrik umfasst häufig folgende wesentliche Arbeitsprozesse, die
sowohl früher als auch gegenwärtig noch als selbständige Gewerbebetriebe beste-
hen können:
- Gießerei für Messergriffe, Handgriffe oder Tiegelguss für Pfannen (vgl. Bran-
chenblatt Gießerei),
- Messerschmiede für Besteckteile (vgl. Branchenblatt Schmiede),
- Stauchen und Tiefziehen für Töpfe und Behälter (vgl. Branchenblätter
Schmiede und Fahrzeugbau),
- Schweißen und Löten (vgl. Branchenblätter Arbeitstechniken und Verfahren
der Metallbearbeitung sowie Schlosserei),
- Lackiererei (vgl. Branchenblatt Lackiererei) und Emailliererei.
Für die Herstellung gewöhnlicher Töpfe wurden Blechplatten bezogen, aus denen
mit Hilfe von Schablonen die Vorformen des Gefäßes gestanzt wurden. Die Rohform
wurde sodann entweder durch die Arbeit eines Schmiedes oder eines mechanisier-
ten Hammers in eine vorgegebene Form getrieben. Aus der Arbeit mit mechani-
schen Hämmern (Presslufthammer oder motorgetriebener Hammer) mit geringem
Bärgewicht resultierte der Übergang zum Tiefziehen der Metallbehälter.
Der Vorgang des Tiefziehens ist ebenfalls aus der Schmiede übernommen worden.
In diesem Fall werden mit einem speziellen Werkzeug die Rohformen in eine vorge-
gebene Form gepresst. In der Neuzeit wird diese Arbeit gewöhnlich von einem hyd-
raulischen Presswerk unter großem Druck ausgeführt.
Während die getriebenen Gefäße Formabweichungen auswiesen, weil sie ohne
Formschablone ausgeführt wurden, begann mit dem Tiefziehen der Übergang in die
industrielle Serienproduktion. Die Topfgrößen wurden in Abstimmung zu den
Durchmessern der Herdringe gewöhnlicher Kohleöfen standardisiert und die Töpfe
konnten so zu einem Kegel gestapelt werden. Mit dem Durchbruch der Elektroherde
nach 1960 wurden in der Regel nur noch vier Topfgrößen hergestellt, die einen be-
sonders ebenen Boden haben mussten. Zu diesem Zweck wurden die Topfböden
geschliffen, um einen besonders guten Kontakt zur Herdplatte zu gewährleisten.
Ein ähnliches Verfahren wurde auch für Pfannen durchgeführt. Nahezu alle Pfannen
werden seit der Mitte des 19. Jahrhunderts ebenfalls durch Tiefziehen hergestellt.
Als Qualitätskriterium einer guten Pfanne gilt dennoch, dass sie geschmiedet sein
soll, um sich auch bei Bratvorgängen mit einem Temperaturbereich bis zu 300 °C
nicht zu wölben. Um dies zu verhindern, werden „gute“ Pfannen aus Tiegelstahl im
Treibverfahren mit einem Hammerwerk vorgeformt, geglüht, abgeschreckt (vgl. Här-
terei) und dann durch das Tiefziehverfahren mit einem glatten und für Elektroherde
geeigneten Boden versehen, der gegebenenfalls noch geschliffen wird. Darauf folgt
eine erneute Härtung im Bleiofen, um das Gefüge des Eisens wieder zu homogeni-
sieren.
Messerklingen werden gewöhnlich immer noch geschmiedet und dann geschärft und
poliert. Während dies bis vor einigen Jahrzehnten noch die Arbeit gelernter Schmie-
Seite 4 Branchenblatt Metallwarenfabriken
Altlasten-Leitfaden Schleswig-Holstein: Erfassung Anhang 11
de war, werden gegenwärtig immer mehr Klingen von Automaten geschmiedet. Das
Schmieden wird mehrfach von Härtungen unterbrochen, um eine besondere Flexibi-
lität der Klinge zu erreichen. Die Griffe werden üblicherweise in einer Gießerei vor-
gearbeitet, so dass in einem weiteren Arbeitsgang die Klingen am Heft (Griff) befes-
tigt werden müssen. Billige Massenware wird aber zum Teil auch in einem Stück
gegossen.
Die größeren Metallwarenfabriken mit Belegschaften von mehr als 100 Personen
waren Anfang des 20. Jahrhunderts nach dem obigen Schema aufgebaut. Ein Bezug
fremdgefertigter Teile wurde selten ausgeführt. Eine Metallwarenfabrik enthält daher
wesentliche Verfahrensabschnitte der Metallbearbeitung einschließlich der Lackie-
rung oder einer Emaillierung.
4 Umweltrelevante Verfahrens- und Produktionsschritte sowie Verunreinigungspotentiale
Der oben beschriebene Wandel von der Handarbeit zur mechanischen Treibarbeit
mit schweren Hämmern sowie der Übergang zur Tiefzieherei vollzog sich, je nach
Größe der Fabrik, zwischen ca. 1920 und 1960. Eine signifikante Veränderung des
Schadstoffspektrums oder eine Intensivierung der potentiellen Kontaminationen in
bestimmten Abteilungen war mit diesem Wandel nicht verbunden. Gegenüber einer
traditionellen Messerschmiede oder einer Topffabrik sind lediglich zusätzliche Verun-
reinigungsquellen im Bereich der Antriebsmaschinen, der Kompressoren für Luft-
hämmer oder der Hydraulikanlagen für Tiefziehpressen zu berücksichtigen. Die Här-
tung von Töpfen, besonders aber Pfannen und Klingen wurde zunächst in Wasser
oder Öl, später überwiegend in Härteöfen oder Bleibädern durchgeführt. Wie in allen
metallbearbeitenden Betrieben ist mit Verunreinigungen durch Metalle, aber auch
Mineralöle und Lösungsmittel zu rechnen, weil zum Schutz vor Korrosionen das
blanke Metall im Lager geölt wurde und dann vor der Beschichtung wieder fettfrei
gemacht werden musste.
Eine traditionelle Metallwarenfabrik besteht aus wenigen Abteilungen ohne komplexe
Metallbearbeitungen wie Drehen oder Fräsen, so dass eigentliche Kontaminations-
schwerpunkte nicht auszumachen sind. Da die Reinigung von Maschinen, Werkzeu-
gen und Werkstücken unter Einsatz von Lösungsmitteln vollzogen wurde, ist eine
Verunreinigung der Werkstattbereiche und der Lagerplätze nicht auszuschließen.
Neben diesem Bereich potentieller Kontaminationen ist insbesondere auch die La-
ckiererei zu berücksichtigen, weil hier stets mit einem Handhabungsverlust von Lö-
sungsmitteln zu rechnen ist.
Die Emaillierung von Töpfen, Pfannen, Bechern etc. fand unter Einsatz schmelzfähi-
ger Metallpigmente statt, die allerdings selten eluierbar sind. Unter Einfluss eines
Grundwassers mit niedrigem pH-Wert kann jedoch eine Mobilisierung der Schwer-
metalle nicht ausgeschlossen werden.
Branchenblatt Metallwarenfabriken Seite 5
Altlasten-Leitfaden Schleswig-Holstein: Erfassung Anhang 11
Abb. 2: Emaillierung (Quelle: HANOW).
Detaillierte Verunreinigungspotentiale für Metallwarenfabriken lassen sich in der Re-
gel erst auflisten, wenn die Art der Metallbearbeitung und Oberflächenbehandlung
bekannt ist. Ein mögliches Kontaminationsspektrum ergibt sich aus den Einsatzstof-
fen in den Bereichen Gießerei, Schmiede, Emailliererei und Lackiererei.
5 Gesetzliche Ausführungsvorschriften für verwendete Stoffe/Stoffgruppen
Tabelle 1 Altlastrelevante Stoffe und ihr zeitlicher Einsatz
Stoff Nutzung Verstärkte An-wendung ab
Verwendungsbe-schränkung/ Ver-
bot
LCKW.1 Lösungs- und Reinigungsmit-
tel (Kaltreiniger) im Werkstatt-betrieb sowie in den Lackiere-reien.
ca. 1925 1981/1986 (zum Teil)
BTEX.2 Lösungs- und Reinigungsmit-
tel im Werkstattbetrieb sowie in den Lackierereien.
ca. 1925 1986 (zum Teil)
PCB (Polychlo-rierte Biphe-nyle).
3
Wurden in Kühlölen einge-setzt, um die Entzündungs-temperatur zu erhöhen.
ca. 1930 1978/1989
Wassermischba-re Kühlschmier-stoffe (N-Nitros-amin-Bildung).
4
Schmier- und Kühlmittelersatz für Öle mit Flammschutzmit-teln.
ca. 1955 1997
PCP (Penta- chlorphenol).
5
Wurden in Emulsionen zur Haltbarmachung eingesetzt.
ca. 1930 1986/1989
Seite 6 Branchenblatt Metallwarenfabriken
Altlasten-Leitfaden Schleswig-Holstein: Erfassung Anhang 11
1 9/1981 Technische Regel für gefährliche Arbeitsstoffe TrgA 502: Verwendungsbeschrän-
kung für Tetrachlorkohlenstoff; 21.4.1986 2.BImSchV: Verordnung zur Emissionsbeschränkung von leichtflüchtigen Halo- genwasserstoffen, Anwendungsbeschränkungen 1990 in der Neufassung verschärft. 2 26.8.1986 GefStoffV: Verwendungsbeschränkung für Benzol auf geschlossene Systeme.
3 26.7.1978 10.BImSchV: Verwendungsbeschränkung auf geschlossene Systeme;
18.7.1989, PCB-Verbotsverordnung: Herstellungs-, Inverkehrsbringungs- und Verwen- dungsverbot, 1993 durch ChemVerbotsV abgelöst. 4 4/1997 Technische Regel für Gefahrstoffe TRGS 611, Verwendungsbeschränkungen für
wassermischbare bzw. wassergemischte Kühlschmierstoffe, bei deren Einsatz N-Nitros- amine auftreten können (Verbot von Nitrit im KSS) 5
26.8.1986 GefStoffV: Verwendungsbeschränkung für PCP, z.B. nicht in Aufenthaltsräu-- men einzusetzen; 12.12.1989 PCP-Verbotsverordnung: Herstellungs-, Inverkehrsbringungs- und Verwen- dungsverbot, 1993 abgelöst durch ChemVerbotsV.
6 Altlastrelevante/altlastirrelevante Nutzungszeiträume
Bis zum Ende des 19. Jahrhunderts sind keine wesentlichen Veränderungen in der
stofflichen Bearbeitung oder der Zusammensetzung der Hilfsstoffe für die Metallin-
dustrie bekannt. Es handelt sich lediglich um eine Maschinisierung und Mechanisie-
rung der bisherigen Handarbeit. Dieser Zeitraum kann daher mit einigen Ausnahmen
als altlastirrelevant angesehen werden.
Mit dem Einsatz von Verbrennungsmotoren als Kraftmaschinen und der Entwicklung
von Kompressoren, Hydraulikpumpen sowie anderer Hilfsaggregate sind allgemeine
Verunreinigungen durch Betriebsstoffe und Öle anzunehmen. Mit der stofflichen Be-
arbeitung von Werkstücken sowie dem gängigen Verfahren der Metallformung sind
bis in die Gegenwart keine merklich höheren Gefährdungspotentiale verbunden. Die
Härtung von Metallwaren wurde nach dem Zweiten Weltkrieg allgemein auf eine
Ofen- oder Bleibadhärtung umgestellt. Bei Letzterer können Handhabungsverluste
nicht ausgeschlossen werden.
Im Bereich der Lackiererei gab es im Laufe der Zeit Veränderungen hinsichtlich der
Altlastenrelevanz, die im Branchenblatt Lackiererei ausführlich dargestellt sind.
In der Tabelle 2 werden weder die Gießerei noch die Lackiererei besonders berück-
sichtigt, sollten diese Abteilungen jedoch besonders prägend für den Betrieb gewe-
sen sein, sind die in den jeweiligen Branchenblättern aufgeführten altlastrelevanten
Aspekte bei der Zuordnung zu einer Branchenklasse zu berücksichtigen.
Branchenblatt Metallwarenfabriken Seite 7
Altlasten-Leitfaden Schleswig-Holstein: Erfassung Anhang 11
Tabelle 2 Zusammenfassung aller altlastrelevanten Aspekte und Zuordnung zu den Branchenklassen SH.
Zeitspanne Hilfsstoffe Nebenprodukte Altlastrelevante
Aspekte Branchen-klasse SH
Bis 1900 Seifen, Wasser,
Leinöle, Rüböle,
geringe Mengen
Mineralöle, me-
tallhaltige Glas-
schmelzen
Metallabfälle und
Schleifspäne
Keine Abwasser-
anlagen, keine
Bodenbefestigung
0
1900 – 1930 Seifen, Wasser,
zunehmende
Mengen an Mine-
ralölen, aliphati-
sche Lösungs-
mittel, metallhal-
tige Glasschmel-
zen
Metallspäne, gering
verölt
keine Abwasser-
anlagen, keine
Bodenbefestigung
0
1931 – 1960 Öle, Emulsionen,
PCB, Lösungs-
mittel aller Art,
metallhaltige
Glasschmelzen
ölige Metallspäne,
Schwermetalle;
Lösungsmittelrück-
stände, Farb- und
Lackschlämme
Keine Abscheider
für Farbschlämme
3
1961 – 1980 Emulsionen,
PCB, Lösungs-
mittel aller Art,
metallhaltige
Glasschmelzen,
erste Kunststoff-
beschichtung mit
Teflon
ölige Metallspäne,
Schwermetalle,
Lösungsmittelrück-
stände, Farb- und
Lackschlämme
Einführung der
Entgiftung und
Neutralisation von
Abwässern sowie
Abscheider für
Farbschlämme
und Nebel
3
1981 – Ge-
genwart
Emulsionen,
BTEX, metallhal-
tige Glasschmel-
zen, Kunststoff-
beschichtung mit
Teflon
ölige Metallspäne,
Ölschlämme,
Schwermetalle,
Farb- und Lack-
schlämme
Verbot von ver-
schiedenen
Schadstoffen.
3
Branchenklasse 0: kein Gefahrenpotential Branchenklasse 1: Gefahrenpotential sehr gering Branchenklasse 2: Gefahrenpotential gering Branchenklasse 3: Gefahrenpotential mäßig Branchenklasse 4: Gefahrenpotential hoch Branchenklasse 5: Gefahrenpotential sehr hoch
7 Literaturhinweise
HANOW, M. (HRSG.): Schleswig-Holstein und seine Industrie. Verlag M. Dumont
Schauberg, Köln, 1957.
LUEGER, O. (HRSG.): Lexikon der gesamten Technik und ihrer Hilfswissenschaften,
VII. Band, 2. Auflage. Deutsche Verlagsanstalt, Stuttgart und Leipzig, 1938.
ROHR, B.; WIELE, H. (HRSG.): Lexikon der Technik. Leipzig, 1982.
Altlasten-Leitfaden Schleswig-Holstein: Erfassung Anhang 11 Histinvest - Dr. Klaus Schlottau, Bremen
Branchenblatt Metallwerke
Inhaltsverzeichnis Seite 1 Bezeichnung der Branche 2
2 Historischer Überblick 2
3 Allgemeiner Verfahrensablauf 3 3.1 Die Kupferraffination 4 3.2 Die Bleiraffination 4 3.3 Die Zinkraffination 4
4 Umweltrelevante Verfahrens- und Produktionsschritte sowie Verun- reinigungspotentiale 5
5 Gesetzliche Ausführungsvorschriften für verwendete Stoffe/ Stoffgruppen 6
6 Altlastrelevante/altlastirrelevante Nutzungszeiträume 6
7 Literaturhinweise 8 Abb. 1: Schmelzofen in einem Metallwerk (Quelle: nb-fotodesign).
Seite 2 Branchenblatt Metallw erke
Altlasten-Leitfaden Schleswig-Holstein: Erfassung Anhang 11
1 Bezeichnung der Branche
Metallwerke zählen in der Grundstoffindustrie zu den Hütten, in denen aus Erzen,
Metallkonzentraten oder Sekundärrohstoffen (Schrott) Nichteisenmetalle hergestellt
werden. Handelt es sich um Erzhütten, so sind sie historisch meist nach ihrem
Hauptprodukt benannt (z.B. Kupferhütte, Aluminiumwerk, Bleihütte etc.). „Metall-
werk“ ist eine neuere Bezeichnung, die einerseits darauf zurückzuführen ist, dass im
metallurgischen Hüttenprozess aus den mehr oder minder reichen Erzen sehr viele
Metalle gewonnen und raffiniert werden, andererseits werden mit dieser Bezeich-
nung auch jene Hüttenwerke gekennzeichnet, die überwiegend Sekundärrohstoffe
wie z.B. Schrott, Aschen, Flugstaub und Schlacken verarbeiten.
In Norddeutschland gab es in der Vergangenheit eine verhältnismäßig große Zahl
von metallurgischen Betrieben, die sich als Metallwerk bezeichneten, und eingeführ-
tes angereichertes Erz verarbeiteten bzw. Kupfer-, Zink- oder Bleischrott verschie-
denster Herkunft verhütteten und raffinierten. In diesem Branchenblatt wird daher
nicht die primäre Erzverhüttung, sondern die Verhüttung angereicherter Importerze
und Sekundärrohstoffe dargestellt. In einigen Firmennamen der Metallindustrie
taucht der Begriff Metallwerke in irreführender Weise auf: manche Stahlbaubetriebe,
Metallwarenfabriken oder Eisengießereien versuchten sich durch diese Benennung,
die einen Großbetrieb suggeriert, von den Konkurrenten abzuheben.
Die Produkte der Metallwerke bestehen aus Barren, Blöcken, Masseln oder Granu-
laten der metallurgisch oder elektrolytisch raffinierten Nichteisenmetalle, die von den
Walzwerken zu Platten, Blechen, Profilen oder Röhren geformt werden oder in Ver-
zinkereien und Verchromereien erneut eingeschmolzen werden.
2 Historischer Überblick
Die Verhüttung der Nichteisenerze wird bereits seit der Antike von allen Kulturen
ausgeführt. Infolge des hohen Erzgewichtes wurde dieser Prozess zunächst aus-
schließlich in der Nähe der Lagerstätten durchgeführt. Die neuzeitliche ubiquitäre
Verbreitung von Metallprodukten sowie deren Einsatz für Konstruktionsmaterialien
führt dazu, dass sich auch abseits der Erzfundstätten, besonders in den Städten,
große Mengen von Schrott, Metallspänen, metallhaltigen Aschen, Schlacken und
Stäuben ansammeln. Der Transport dieses Materials zu den erzverarbeitenden Hüt-
ten ist zu kostspielig, so dass eine Verhüttung des Materials, besonders bei Zukauf
von Erzkonzentraten oder Schrott aus benachbarten Gebieten, auch in Nord-
deutschland rentabel ist.
Die Verhüttung von Kupfer und Silber in der wasserreichen Region zwischen Ham-
burg und Lübeck basiert auf einer bereits im 17. Jahrhundert beginnenden Tradition.
Schwedisches Rohkupfer aus den Gruben von Falun wurde hier raffinert und zu
Blechen oder Haushaltswaren verarbeitet. Die Münzprägen in Hamburg und Lübeck
raffinierten ihr Münzsilber selbst, und in Ahrensburg wurde bereits am Ende des 18.
Jahrhunderts eine komplette Hütte betrieben. Im Gegensatz zu dem Großbetrieb
der Norddeutschen Affinerie, die in großem Umfang Erz importiert, beziehen die
Branchenblatt Metallwerke Seite 3
Altlasten-Leitfaden Schleswig-Holstein: Erfassung Anhang 11
meisten anderen Metallwerke ihr Ausgangsmaterial von den Schrotthändlern, die
die Späne und Abfallmetalle (Drehspäne aus Drehereien und Schleifereien, alte
Zinkregenrinnen, Blei- und Kupferrohre aus Klempner- und Installationsbetrieben,
Abfallzink und -chrom aus den Verzinkereien, Blei aus Härtereien, Kupfer von Elekt-
roinstallationsbetrieben und der Elektroindustrie etc.) von Schrottsammlern oder
direkt von den Betrieben beziehen.
Ein Metallwerk in Norddeutschland ist daher in der Regel ein mittelständischer Be-
trieb mit einem oder mehreren Schmelzöfen, die mit metallurgischem Koks oder
elektrisch beheizt werden. Einsatzstoffe sind fast immer sortierte Sekundärrohstoffe,
so dass eine Raffination, z.B. nach dem Seigerverfahren mit Quecksilber, nicht er-
forderlich ist. Produkte sind entweder Reinmetalle in Block- oder Barrenform oder
Legierungsmetalle in Form von gewalzten Messing- oder Bronzeblechen sowie
Gussteile aus Messing oder Bronze für die Metallindustrie. Im letzten Fall handelt es
sich um eine Metallgießerei, die in allen produktionstechnischen Verfahren mit einer
Eisengießerei vergleichbar ist (vgl. Branchenblatt Gießerei).
3 Allgemeiner Verfahrensablauf
Metallhütten arbeiten im Allgemeinen mit Erzen, die durch Ausklauben, Zermahlen,
Ausblasen, Auswaschen und andere physikalische Trennmethoden angereichert
und homogenisiert werden müssen. Mit Ausnahme des Sortierens und der Zerklei-
nerung entfallen für die hier beschriebenen Metallwerke all diese Arbeitsprozesse.
Nicht in Betracht kommen ferner metallurgische Prozesse wie Rösten und Reduzie-
ren, weil das Material, mit Ausnahme von Aschen und Schlacken, zumeist bereits in
hinreichendem Maße rein ist.
Metallschrott enthält allerdings fast immer unerwünschte Verunreinigungen durch
Öle jeder Art, Emulsionen oder Lacke. Die unkontrollierte Zufuhr von Kohlenstoffen
durch Mineralöle und Altlacke sowie die Zugabe von Metallen aus den Metallpig-
menten kann den Guss verderben oder zu unerwünschten Legierungen führen. Die
Vorstufe eines Metallwerkes besteht daher darin, Öle durch eine Wäsche in Lö-
sungsmitteln zu entfernen, und Altlacke durch Zerkleinerung, Granulieren und an-
schließendes Ausblasen oder Waschen zu beseitigen. Nach diesen allgemeinen
Vorarbeiten ist, in Abhängigkeit des zu erschmelzenden Metalls, ein geeigneter Raf-
finationsprozess zu wählen. Da in einem Metallwerk zumeist vorraffinierte Rohstoffe
oder sogenannte „Zemente“ eingesetzt werden, sind vor allem Kupfer-, Blei- und
Zinkraffinationen zu betrachten.
Nach der Raffination werden die zurückgewonnenen Rein- oder Werkmetalle in
handelsübliche Formen gebracht.
Seite 4 Branchenblatt Metallw erke
Altlasten-Leitfaden Schleswig-Holstein: Erfassung Anhang 11
3.1 Kupferraffination
Je nachdem, ob der Kupferschrott oder der Zementkupfer noch Edelmetalle enthält,
wird ein oxidierendes oder reduzierendes metallurgisches Verfahren gewählt, um
sogenanntes Garkupfer zu erhalten. In beiden Fällen wird ein flacher Herdofen, der
von außen beheizt wird, für das Einschmelzen benutzt. Kupfer ohne Edelmetalle
wird in der Regel durch Luftzufuhr oxidiert, während im anderen Fall die Schmelze
durch das Eintauchen von Holz reduziert wird. Edelmetallhaltiges Kupfer, das in
Schwefelsäure gelöst wurde, kann auch durch Elektrolyse raffiniert werden. Die
Edelmetalle wie Gold, Silber, Blei etc., die in der Säure nicht gelöst werden, sam-
meln sich als Anodenschlamm im Bad an.
3.2. Bleiraffination
Bleischrott als Sekundärrohstoff besteht häufig aus Wasserrohren, Letternblei oder
Härtereibädern und enthält daher zumeist wenig Edelmetalle. Solches Abfallblei
lässt sich durch Einschmelzen ohne metallurgische Raffination zurückgewinnen. Ist
das Blei mit Kupfer verunreinigt, kann man eine Kupfer-Blei-Legierung abschöpfen,
sobald das Blei geschmolzen ist. Begleitmetalle wie Zink, Nickel oder Kobalt werden
aus der Schmelze oxidiert, indem Wasserdampf eingeblasen wird.
3.3. Zinkraffination
Zinkschrott besteht gewöhnlich aus Bedachungsmaterial, Regenrinnen, Altzink aus
der Feuerverzinkerei, Druckplatten oder aus Resten der Edelmetallverhüttung. Da
das Material gewöhnlich oxidiert ist, kann es nicht einfach durch Einschmelzen raffi-
niert werden, sondern muss destilliert werden. Hierzu dient wie bei fast allen Metall-
raffinationen der offene, indirekt beheizte Herdofen. Reines Zink verdampft bei einer
geringeren Temperatur als Zinkoxid, so dass mit einem Destillationsverfahren Zink
zusammen mit den Verbrennungsgasen aus dem Ofen ausgetrieben wird. Die Ab-
kühlung erfolgt dann in Kammern und Kanälen sowie in Filtern, die auch die Zink-
aschen und –stäube aufhalten sollen. Wird der Flammofen zu stark beheizt oder ist
die Länge und das Volumen der Abkühlungskanäle zu kurz gewählt, kondensiert
das Zink erst in der Luft über dem Abluftschornstein. Dieses Phänomen war bereits
zur Jahrhundertwende bekannt, so dass Metallwerke mit Zinkschmelze die höchsten
Schornsteine hatten. Das durch die Destillation gewonnene Werkzink enthielt fast
immer verunreinigende Metalle wie Eisen, Blei oder Antimon. Diese Metalle können
anschließend auf elektrolytischem Wege abgetrennt werden.
Branchenblatt Metallwerke Seite 5
Altlasten-Leitfaden Schleswig-Holstein: Erfassung Anhang 11
4 Umweltrelevante Verfahrens- und Produktionsschritte sowie Verunreinigungspotentiale
Metallwerke befassen sich grundsätzlich mit allen Metallen außer Eisen, so dass
Metalle und Legierungen in Form von stückigem Schrott, Spänen, Granulaten, Pul-
ver, Aschen und Schlacken auf dem gesamten Firmengelände zu erwarten sind. Für
Metallwerke, insbesondere Zinkschmelzen, ist auch mit einer Metallverunreinigung
in der Umgebung zu rechnen, weil die Metalle zum Teil erst in der Außenluft kon-
densierten oder als Flugstaub aus den Filtern und dem Abluftschornstein ausgesto-
ßen wurden. Viele metallurgische Verfahren und auch die Elektrolyse setzen chemi-
sche Aufschlüsse durch Säuren oder Ausfällungen aus Lösungen voraus, so dass
insbesondere Säuren ebenfalls auf dem ganzen Gelände zu erwarten sind. Dies
kann u.U. zu einer Mobilisierung der vorhandenen Schwermetalle durch einen ent-
sprechend niedrigen pH-Wert im Boden führen.
Allgemeine Verunreinigungen sind auch durch den starken Fahrzeugverkehr und
den hohen Kraftbedarf der Pumpen, Brechwerke, Förderbänder, Windmaschinen
und Dynamos zu erwarten.
Die Verwendung von Metallabfällen jeder Art ist auch mit der Verbringung sonstiger
Abfälle der metallverarbeitenden Abfallerzeuger auf das Firmengelände der Metall-
werke verbunden. Dies gilt insbesondere für die Metallspäne der Dreherei (vgl.
Branchenblatt Dreherei), die im Zeitraum vom Beginn der 1930er Jahre bis zum
Beginn der 1980er Jahre durchgängig mit Ölen und Emulsionen, die als Kühlmittel
verwandt wurden, benetzt waren. Erst Anfang der 1980er Jahre konnten die
Schrotthändler wegen des schlechteren Preises für verölte Abfallmetalle durchset-
zen, dass die Späne bereits auf dem Gelände der Erzeuger gereinigt wurden. Vor
dieser Zeit mussten die Späne vor dem Einschmelzen auf dem Gelände der Metall-
werke von Ölen und Kühlmitteln befreit werden, weil, anders als in einer Eisengieße-
rei, die einen gewissen Anteil von Kohlenstoff im Guss benötigt, Kohlenstoff in den
meisten Werk- oder Reinmetallen, aber auch in den Legierungen wie z.B. Bronze
oder Messing, nicht erwünscht ist. Als Lösungsmittel waren bis zum jeweiligen Ver-
bot insbesondere chlorierte Kohlenwasserstoffe, seltener Petroleum oder Wasch-
benzin, verbreitet. Als Folge ist damit zu rechnen, dass mit den Lösungsmitteln auch
Öle ins Grundwasser gelangen konnten.
Sofern dem Metallwerk eine Walzstraße angeschlossen war, kann es im Bereich der
einzelnen Walzwerke oder Pressen zur Verunreinigung des Untergrundes durch
Hydrauliköle aus den Schläuchen, Kolben oder Pumpen gekommen sein.
Metallwerke mit einer angeschlossenen Gießerei für Bronze, Lagermetall oder spe-
zielle Legierungen haben neben den bereits geschilderten allgemeinen Verunreini-
gungspotentialen auch noch die einer Modelltischlerei, Formerei und Sandaufberei-
tung (vgl. Branchenblatt Gießerei).
Seite 6 Branchenblatt Metallw erke
Altlasten-Leitfaden Schleswig-Holstein: Erfassung Anhang 11
5 Gesetzliche Ausführungsvorschriften für verwendete Stoffe/Stoffgruppen
Tabelle 1 Altlastrelevante Stoffe und ihr zeitlicher Einsatz
Stoff Nutzung Verstärkte Anwen-
dung ab Verwendungs-beschränkung/
Verbot
PCB (Polychlorierte Biphenyle).
1
Wurden in Kühlölen einge-setzt, um die Entzündungs-temperatur zu erhöhen.
ca. 1930 1978/1989
Wassermischbare Kühlschmierstoffe (N-Nitrosamin-Bildung).
2
Schmier- und Kühlmittelersatz für Öle mit Flammschutzmit-teln.
ca. 1955 1997
PCP (Penta- chlorphenol).³
Wurden in Emulsionen zur Haltbarmachung eingesetzt.
ca. 1930 1986/1989
LCKW.4 Lösungs- und Reinigungsmit-
tel insbesondere für verölte Späne.
ca. 1925 1981/1986 (zum Teil)
1 26.7.1978 10.BImSchV: Verwendungsbeschränkung auf geschlossene Systeme;
18.7.1989, PCB-Verbotsverordnung: Herstellungs-, Inverkehrsbringungs- und Verwen- dungsverbot, 1993 durch ChemVerbotsV abgelöst. 2 4/1997 Technische Regel für Gefahrstoffe TRGS 611, Verwendungsbeschränkungen für
wassermischbare bzw. wassergemischte Kühlschmierstoffe, bei deren Einsatz N-Nitrosamine auftreten können (Verbot von Nitrit im KSS) 3
26.8.1986 GefStoffV: Verwendungsbeschränkung für PCP, z.B. nicht in Aufenthaltsräu-- men einzusetzen; 12.12.1989 PCP-Verbotsverordnung: Herstellungs-, Inverkehrsbringungs- und Verwen- dungsverbot, 1993 abgelöst durch ChemVerbotsV. 4 9/1981 Technische Regel für gefährliche Arbeitsstoffe TrgA 502: Verwendungsbeschrän-
kung für Tetrachlorkohlenstoff; 21.4.1986 2.BImSchV: Verordnung zur Emissionsbeschränkung von leichtflüchtigen Halogenwasserstoffen, Anwendungsbeschränkungen 1990 in der Neufassung verschärft.
6 Altlastrelevante/altlastirrelevante Nutzungszeiträume
Die meisten Metallwerke der Neuzeit haben seit den 1920er Jahren für die Reindar-
stellung der Metalle das Verfahren der Elektrolyse in geschlossenen sauren Bädern
eingeführt. Gegenüber dem früheren Verfahren der Affination durch chemische Re-
aktionen und anschließender metallurgischer Reinigung durch Ausnutzung unter-
schiedlicher Schmelzpunkte ist daher eine geringere Umweltgefährdung durch
Handhabungsverluste zu konstatieren.
Die Entwicklungen in der spanabhebenden Metallverarbeitung seit Anfang des 20.
Jahrhunderts beeinflussten unmittelbar die Altlastenrelevanz und das Gefährdungs-
potential der Metallwerke, weil die Drehspäne einen wesentlichen Teil des Stoffein-
satzes darstellten. Alle Verunreinigungen an den Spänen gelangten über lange Zeit
auch auf das Gelände der Metallwerke und wurden häufig erst dort mit Hilfe chlorier-
ter Kohlenwasserstoffe entfernt. Durch die verbesserten Schneidstähle ergaben sich
zunehmend höhere Schnittgeschwindigkeiten, die eine Schmierung und Kühlung
Branchenblatt Metallwerke Seite 7
Altlasten-Leitfaden Schleswig-Holstein: Erfassung Anhang 11
der Werkstücke und -zeuge erforderlich machten. Während anfänglich noch Seifen-
wasser, das auf die Grenzflächen gespritzt wurde, zur Werkzeug-/-stückkühlung
ausreichte, musste seit der Einführung der Schnellschnittstähle zunehmend auf
wärmeleitende, hochsiedende Öle und Emulsionen zurückgegriffen werden. Diese
Öle benötigen die seit dem Ende der 1920er Jahre eingesetzten Chlororganika (z.B.
PCB) als Flammschutz; Emulsionen mussten seither auch mit Emulgatoren, Fungi-
ziden und Bakteriziden (z.B. PCP) hergestellt und haltbar gemacht werden. Eben-
falls etwa seit Anfang der 1930er Jahren ist in Schleswig-Holstein auch mit der ver-
stärkten Anwendung chlorierter Kohlenwasserstoffe als Lösungsmittel (Per, Tri) zu
rechnen, da die verwendeten Abfallmetalle nicht verölt sein durften. Bis zum Verbot
der chlorierten Kohlenwasserstoffe und der Anwendungsbeschränkung für Kaltreini-
ger ist in den Metallwerken daher neben den stets vorhandenen Schwermetallen
auch mit Verunreinigungen durch Öle und Lösungsmittel zu rechnen.
Mit dem Einsatz von Verbrennungsmotoren als Kraftmaschinen und der Entwicklung
von Kompressoren, Hydraulikpumpen sowie anderen Hilfsaggregaten sind allge-
meine Verunreinigungen durch Betriebsstoffe und Öle anzunehmen.
Mit der stofflichen Bearbeitung von Werkstücken sowie dem gängigen Verfahren der
Metallformung sind bis in die Gegenwart keine merklich höheren Gefährdungs-
potentiale verbunden (vgl. Branchenblatt Metallwarenfabriken).
Tabelle 2 Zusammenfassung aller altlastrelevanten Aspekte und Zuordnung zu
den Branchenklassen SH. Zeitspanne Hilfsstoffe Nebenprodukte Altlastrelevante As-
pekte Branchen-klasse SH
Bis 1900 Koks, Holzkoh-
le, grünes Holz,
Säuren und
Laugen
Begleitmetalle zur
Abgabe an Schei-
deanstalten
Keine Abwasseranla-
gen, keine Bodenbe-
festigung
1
1900 – 1930 Koks, Holzkoh-
le, grünes Holz,
Säuren und
Laugen, erste
Bohröle ohne
PCB.
Begleitmetalle zur
Abgabe an Schei-
deanstalten
Infolge der Kriegswirt-
schaft ohne Überwa-
chung: keine Abwas-
seranlagen, keine
Bodenbefestigung
2
1931 – 1960 Koks, Holzkoh-
le, Säuren und
Laugen, Bohr-
und Schneid-
öle, PCB,
Emulsionen,
BTEX, CKW,
Fungizide, Bak-
terizide.
Begleitmetalle zur
Abgabe an Schei-
deanstalten
In den Drehspanla-
gern Abscheider im
Einzelfall ab 1930 auf
Weisung der Gewer-
beaufsicht nachweis-
bar. Entölen der Spä-
ne mit CKW.
4
Seite 8 Branchenblatt Metallw erke
Altlasten-Leitfaden Schleswig-Holstein: Erfassung Anhang 11
1961 – 1980 Koks, Holzkoh-
le, Säuren und
Laugen, Bohr-
und Schneid-
öle, PCB,
Emulsionen,
BTEX, CKW,
Fungizide, Bak-
terizide.
Begleitmetalle zur
Abgabe an Schei-
deanstalten.
Entölen der Späne mit
CKW
4
1981 – Ge-
genwart
Koks, Holzkoh-
le, Säuren und
Laugen, Bohr-
und Schneid-
öle, Emulsio-
nen, BTEX,
Fungizide, Bak-
terizide.
Begleitmetalle zur
Abgabe an Schei-
deanstalten.
Die Anlieferung vor-
gereinigter Späne
vermeidet die Gefähr-
dung durch CKW,
Verbot einiger Schad-
stoffe.
3
Branchenklasse 0: kein Gefahrenpotential Branchenklasse 1: Gefahrenpotential sehr gering Branchenklasse 2: Gefahrenpotential gering Branchenklasse 3: Gefahrenpotential mäßig Branchenklasse 4: Gefahrenpotential hoch Branchenklasse 5: Gefahrenpotential sehr hoch
7 Literaturhinweise
HANOW, M. (HRSG.): Schleswig-Holstein und seine Industrie. Verlag M. Dumont
Schauberg, Köln, 1957.
LUEGER, O. (HRSG.): Lexikon der gesamten Technik und ihrer Hilfswissenschaf-
ten, 1. Auflage. Deutsche Verlagsanstalt, Stuttgart und Leipzig, 1904.
nb-fotodesign: Norbert Balzer, Stickenbütteler Weg 22, 27476 Cuxhaven.
ROHR, B.; WIELE, H. (HRSG.): Lexikon der Technik. VEB Bibliographisches Institut
Leipzig, Leipzig, 1982.
SCHMÖHLE, C.: Von den Metallen und ihrer Geschichte, Band 1 und 2. R. & G.
Schmöhle Metallwerke, Menden, 1967/1969.
SINGER, C.; HOLMYARD, E.J.; HALL, A.R. et al. (HRSG.): A History of Technolo-
gy, Vol. V (The Late Nineteenth Century). Clarendon Press, Oxford, 1958.
SUHLING, L.: Der Seigerhüttenprozeß. Die Technologie des Kupferseigerns. Dr.
Riederer Verlag, Stuttgart, 1976.
Altlasten-Leitfaden Schleswig-Holstein: Erfassung Anhang 11 Histinvest – Dr. Klaus Schlottau, Bremen
Branchenblatt Öl- und Margarine- fabriken
Inhaltsverzeichnis Seite 1 Bezeichnung der Branche 2 2 Historischer Überblick 2 3 Allgemeiner Verfahrensablauf 3 3.1 Ölmühlen und Ölfabriken 4 3.2 Margarinefabriken 5 4 Umweltrelevante Verfahrens- und Produktionsschritte sowie Ver-
unreinigungspotentiale 6 5 Gesetzliche Ausführungsvorschriften für verwendete Stoffe/
Stoffgruppen 7 6 Altlastrelevante/altlastirrelevante Nutzungszeiträume 7 7 Literaturhinweise 9
Abb. 1: Margarinewerbung um 1950 (Quelle: PELZER; REITH)
Seite 2 Branchenblatt Öl- und Margarinefabriken
Altlasten-Leitfaden Schleswig-Holstein: Erfassung Anhang 11
1 Bezeichnung der Branche
Margarine und pflanzliche Öle gehören zur großen Gruppe der Speisefette und -öle,
die zumeist aus Pflanzensamen, seltener aus tierischen Fetten hergestellt werden.
Bekannt sind insbesondere Leinöl, Olivenöl, Kokosöl sowie ausgeschmolzene tieri-
sche Fette. Verwendung finden sie zumeist als Speiseöl, Salatöl, Bratfett etc. Auch
die Butter ist als tierisches Fett in der Milch Bestandteil der Speisefette. Pflanzliche
Öle sind in der Regel einerseits selber Hauptgegenstand der Produktion und zusätz-
lich Rohstoff für die Herstellung von Margarine.
Ölmühlen waren zunächst nur Kleinunternehmen, eine Konzentration der Betriebe
setzte schon vor dem Ersten Weltkrieg ein und wurde durch diesen gefördert. In den
1920er Jahren entstanden große Ölmühlen mit bis zu 500 Arbeitskräften sowie
Margarinefabriken, die bis zu 2000 Arbeitskräfte im Schichtbetrieb einsetzten. Ge-
genwärtig bestehen in Norddeutschland noch Fabriken, die bis zu 500 Arbeitskräfte
pro Standort beschäftigen.
2 Historischer Überblick
Pflanzenöle wurden bereits seit der Antike aus den Früchten des Olivenbaumes und
anderer ölhaltiger Samen, z.B. Sesam, gewonnen und nach Filtration zumeist ohne
weitere Bearbeitung verwendet. Die Frucht wurde unter Anwendung quetschender
Werkzeuge oder Maschinen zerkleinert und dann ausgepresst, so dass das Öl zu-
sammen mit wässrigen Bestandteilen und Teilen des Fruchtfleisches herausfloss.
Nach Filtration und anschließendem Dekantieren wurde das gewonnene Öl unter
Luftabschluss bis zum Verzehr aufbewahrt.
Diese Vorgehensweise gilt trotz Veränderungen in der Produktionstechnik grund-
sätzlich noch bis heute. Das Produkt dieses Herstellungsverfahrens wird als „kalt
gepresst“ bezeichnet.
Die Herstellung von Margarine als Ersatzstoff für Butter wurde ab ca. 1880 in den
Niederlanden industriell eingeführt. Sehr bald schon wurden, besonders in Schles-
wig-Holstein, die norddeutschen Einfuhrhäfen für pflanzliche Öle und Fette sowie
deren nähere Umgebung zu den Hauptstandorten der Margarineindustrie. Der Kon-
sum der Margarine erreichte zwar nie die Bedeutung von Butter, dennoch ist Marga-
rine ein Produkt mit großer Bedeutung für die Industrie.
Zunächst wurde Margarine fast ausschließlich aus tierischen Fetten hergestellt, die
als Abfallprodukte in Schlachthäusern anfielen. Pflanzenöle wurden zunächst nur
zum Strecken und aus steuerlichen Gründen zugesetzt, gewannen aber eine zu-
nehmende und letztlich dominante Funktion. Nachdem verschiedene industrielle
Verfahren zum Härten der Öle mit Hilfe von Katalysatoren (Nickel) und Hydrierung
erprobt worden waren, wurden seit dem Ersten Weltkrieg immer mehr Pflanzenöle
zu Margarine verarbeitet.
Branchenblatt Öl- und Margarinefabriken Seite 3
Altlasten-Leitfaden Schleswig-Holstein: Erfassung Anhang 11
3 Allgemeiner Verfahrensablauf
Ölfrüchte und ölhaltige Pflanzenteile müssen vor der Bearbeitung zunächst gereinigt
werden. Die Verunreinigungen bestehen überwiegend aus holzigen oder blättrigen
Teilen, daneben sind gelegentlich Erde oder Sand vorhanden. Diese können durch
Rüttelsiebe oder Windsichter entfernt werden. Hülsen und umhüllender Bast können
mit Hilfe von Putzmühlen beseitigt werden.
Verunreinigungen, die durch die Lagerung und den Transport entstanden sind, z.B.
Schimmelbildungen sowie pflanzenimmanente Verunreinigungen durch Harze, z.B.
bei Baumwollsaat, werden durch Raffinationsprozesse bei der Ölgewinnung besei-
tigt.
In Kollergängen, zwischen Mühlsteinen oder in Kegelmühlen, werden dann die
Früchte oder Kerne soweit zerkleinert, dass die Zellwände zwar bereits geöffnet
sind, das Öl jedoch noch nicht austritt.
Abbildung 2 zeigt den schematischen Produktionsablauf von Speiseöl und Margari-
ne.
Abb. 2: Schema des Produktionsablaufes von Speiseöl und Margarine
Ölsaaten (Sonnenblumen, Sojabohnen, Raps etc.)
Ölmühle - Pressen oder Extrahieren
Rohöle
Raffinerie (mehrstufiger Prozess) - Entsäuern, Bleichen, z.T. Härten in großen Kesseln
Raffinate (Reinöle)
Margarinefabrik - Mischen, Emulgieren, Abpacken, Umpacken
Schrot (Futtermittelherstellung)
Fettsäure (Seifenherstellung)
Speiseöl
Wasser, Zutaten, Packstoffe
Abgepackte Margarine
Seite 4 Branchenblatt Öl- und Margarinefabriken
Altlasten-Leitfaden Schleswig-Holstein: Erfassung Anhang 11
3.1. Ölmühlen und Ölfabriken
Öle und Fette aus Pflanzen werden seit der Industrialisierung auf drei verschiedene
Weisen gewonnen:
- durch Auspressen der ölhaltigen Pflanzenteile
- durch Ausschmelzen oder Auskochen in Wasser oder Dampf
- durch die Extraktion der Öle mittels flüchtiger Lösemittel.
Das Auspressen ist die historisch älteste Form der Ölgewinnung. Selbst bei der An-
wendung großer Drücke und einer guten mechanischen Vorbereitung durch Zerklei-
nerung der Ölfrüchte und Ölsaaten verbleibt ein restlicher Ölgehalt von 4 – 12 Pro-
zent im Rückstand, dem Ölkuchen. Nachdem man zunächst versucht hatte, diesen
Restgehalt durch Auskochen oder Bedampfen zu gewinnen, ging man ab 1855 in
den Ölmühlen und Fabriken dazu über, die Rückstände mit Lösungsmitteln, zu-
nächst Schwefelkohlenstoff, zu behandeln.
Die Industrialisierung der Branche begann am Ende des 19. Jahrhunderts, als der
Bedarf an Speisefetten durch die Bevölkerungsexplosion stark zunahm und zugleich
ein großer Teil der essbaren Pflanzenöle oder Ölsamen für technische Produkte
eingesetzt wurden. Durch den Einsatz von Wärme und höherem Druck konnte ei-
nerseits die Ausbeute des bisher eingesetzten Verfahrens deutlich erhöht werden.
Andererseits wurden nunmehr auch Pflanzenöle, die bisher wegen chemischer Ver-
unreinigungen durch Harze (Baumwollsaatöl) oder Ranzigkeit aufgrund von Oxidati-
on auf dem Transport (Kokosöl, Palmfett) nicht verwendet wurden, verarbeitet. Da-
bei wird in einem Verfahren, das mit der Raffination von Mineralölen vergleichbar ist,
das erwärmte Öl zunächst durch die Zugabe von Laugen neutralisiert. Bei diesem
Vorgang bilden die freien Fettsäuren mit den Laugen Seifen, die zusätzlich beim
Ausfällen weitere unerwünschte Verunreinigungen binden. Durch Filtrieren werden
dann die neutralen Öle gewonnen, die durch den Zusatz von Silikaten weiter ge-
bleicht werden. Der Rückstand kann zu Seifen verarbeitet werden, während die er-
wärmten Presskuchen an die Kraftfutterindustrie verkauft werden.
Zur Entfernung von Geruchsstoffen, die beim thermischen Pressverfahren unver-
meidlich waren, wurden Destillationskolonnen benutzt. Die Erwärmung wurde durch
das Einblasen von Wasserdampf in die Destillationsblase erreicht.
Während des Ersten Weltkrieges war der Mangel an Ölen und Fetten wegen des
hohen Glycerinbedarfs der Sprengstoffindustrie so groß, dass man begann, zu-
nächst die Ölkuchen, die nach dem Pressen zurückblieben, mit leichtflüchtigen Lö-
sungsmitteln in Destillationskolonnen nachzubearbeiten, um auch den letzten Ölrest
zu gewinnen. Dieses Verfahren wurde nach und nach auch für die billigeren Mas-
senöle eingesetzt, weil der Produktionsgang verfahrenstechnisch besser zu optimie-
ren war. Zugleich konnte durch das Einblasen von Wasserstoff unter Anwesenheit
eines Katalysators eine unmittelbare Hydrierung des Öls durchgeführt werden, so
dass eine Vorstufe der Margarineproduktion erreicht wurde.
Branchenblatt Öl- und Margarinefabriken Seite 5
Altlasten-Leitfaden Schleswig-Holstein: Erfassung Anhang 11
3.2 Margarinefabriken
Margarine wurde in der letzten Dekade des 19. Jahrhunderts als „Kunstbutter“ auf
dem Markt eingeführt. Es handelte sich hierbei zunächst um ein Speisefett, das
durch Mischung verschiedener tierischer Fette, darunter auch die sogenannte
„Oleomargarine“ aus ausgeschmolzenem Rindertalg oder Knochenfett aus den Ab-
fällen der Schlachthöfe sowie Molke und Butter, entstand. Der Gesetzgeber hatte,
um einer Täuschung der Verbraucher vorzubeugen, allerdings vorgeschrieben, dass
in Deutschland 10 Prozent leicht erkennbare Pflanzenöle (z.B. Sesamöl) enthalten
sein müssen. Um eine streichfähige Konsistenz zu erreichen, wurden mehr und
mehr Pflanzenöle mit verschiedenen Schmelzpunkten und mit besseren Eigenschaf-
ten zur Bindung von Wasser eingesetzt, so dass moderne Margarine zumeist einen
hohen Anteil an Pflanzenölen und Wasser hat. Die Beimengung von Butter oder
anderen tierischen Fetten ist demgegenüber kontinuierlich gesunken.
Die Margarineproduktion folgt einem bestimmten Schema. Zunächst werden die Öle
und Fette je nach gewünschter Konsistenz und Farbe, manchmal aber auch nach
jahreszeitlichen Gesichtspunkten, ausgewählt und mit Milchpulver, Butter, Talg etc.
gemischt. Dann wird die Mischung mit Magermilch oder Wasser maschinell zu einer
Emulsion aufbereitet, die einen zäh-pastösen Charakter hat. Durch weitere Hydrie-
rung erfolgt eine Kristallisation, so dass die Masse gewalzt und geknetet werden
kann. Weiterhin werden u.a. Farb-, Geschmacks- und Geruchsstoffe zugesetzt, be-
vor die Masse abgefüllt wird.
Abb. 3: Auswiegen der Rohstoffe (Quelle: STADTARCHIV ELMSHORN)
Seite 6 Branchenblatt Öl- und Margarinefabriken
Altlasten-Leitfaden Schleswig-Holstein: Erfassung Anhang 11
4 Umweltrelevante Verfahrens- und Produktionsschritte sowie Verunreinigungspotentiale
Die traditionelle Ölmüllerei ist mit keinen relevanten Umweltgefährdungen verbun-
den, weil die eingesetzten Stoffe restlos verwertet werden und der Maschinenbe-
trieb nur geringe Schmierstoffleckagen verursachen kann. Diese Einschätzung gilt
unabhängig von der Betriebsgröße, wobei allerdings zu berücksichtigen ist, dass mit
wachsender Betriebsgröße auch die Probleme, die mit einem Betriebshof verbun-
den sind, zunehmen können.
Ein Gefährdungspotential ergibt sich in den Ölfabriken erst mit der Einführung der
Ölextraktionsverfahren seit dem Ende des 19. Jahrhunderts. Obwohl es sich bei den
Ölen um Nahrungsmittel handelte, wurden damals Petroleum und Benzin einge-
setzt, um Restöle aus den Presskuchen zu lösen, oder die Frucht gänzlich zu ent-
ölen. Analog zu anderen Branchen, die mit feuergefährlichen Lösungsmitteln um-
gingen, begann verstärkt am Ende der 1930er Jahre die Umstellung auf chlorierte
Kohlenwasserstoffe, weil diese eine geringere Brandgefährdung hatten.
Das Entölen mit CKW wurde besonders im Zweiten Weltkrieg angewandt, weil auch
allerkleinste Teilmengen der Öle und Fette benötigt wurden. Nach Ende des Krieges
wurden angesichts des Nahrungsmittelmangels diese Stoffe vermutlich noch weiter
eingesetzt. Mit dem Beginn des Konsumzeitalters wurden zwar wieder vermehrt
Fette verzehrt, jedoch stieg insbesondere der Butter-Konsum an, da der Ruf der
Margarine während des Krieges („Hitler-Fett“) sehr durch Qualitätsmängel und die
Verwendung von Hydrierfetten aus Braunkohle gelitten hatte. Nach dem Krieg hat-
ten außerdem gelegentliche Beimengungen von Mineralölen oder sogar Spezial-
ölen, z.B. dem überschüssigen „Torpedoöl“ mit Tricresylphosphat, in Norddeutsch-
land zu Skandalen geführt.
Für die Öl- und Margarineindustrie war es daher überlebenswichtig, den Markenna-
men durch bessere Qualität zu stärken und die Ölkuchen mit hohen Restölgehalten
zu besseren Konditionen an die Futtermittelindustrie zu verkaufen. Tendenziell be-
gann daher bereits zu Beginn der 1950er Jahre eine Abwendung von der industriel-
len Extraktion hin zu dem heutigen Werbeargument „kalt gepresstes Natur-öl“.
Durch den Verzicht auf höhere Ausbeute beim Einsatz von Lösungsmitteln hat sich
das Gefährdungspotential verringert.
Die eigentliche Margarineherstellung umfasst nur das Vermengen und Verarbeiten
der Rohstoffe. Ihr ist in diesem Sinne keine Altlastenrelevanz zu unterstellen. Dies
gilt allerdings nur, solange die Fabriken ihre Rohstoffe (Speiseöle) nicht selbst her-
stellen. Außerdem ist zu bedenken, dass bei Großbetrieben immer mit dem Vorhan-
densein eines Fuhrparks und Betriebshofes zu rechnen ist, woraus diesbezügliche
Probleme entstehen können.
Branchenblatt Öl- und Margarinefabriken Seite 7
Altlasten-Leitfaden Schleswig-Holstein: Erfassung Anhang 11
Abb. 4: Emulgation der Margarine in sogenannten „Kirmen“ (Quelle: STADTAR-
CHIV ELMSHORN).
5 Gesetzliche Ausführungsvorschriften für verwendete Stoffe/Stoffgruppen
Für Ölfabriken und Margarinefabriken liegen abgesehen von einer EU-Normierungs-
verordnung für das Produkt Margarine („Streichfett“) keine speziellen Ausführungs-
vorschriften vor.
Tabelle 1 Altlastrelevante Stoffe und ihr zeitlicher Einsatz
Stoff Nutzung Verstärkte An-wendung ab
Verwendungsbe-schränkung/ Verbot
LCKW.1 Lösungsmittel für Fette und Öle. ca. 1940 1981/1986 (zum Teil)
BTEX.2 Lösungsmittel für Fette und Öle. ca. 1920 1986 (zum Teil)
1 9/1981 Technische Regel für gefährliche Arbeitsstoffe TrgA 502: Verwendungsbeschrän-
kung für Tetrachlorkohlenstoff; 21.4.1986 2.BImSchV: Verordnung zur Emissionsbeschränkung von leichtflüchtigen Halo- genwasserstoffen, Anwendungsbeschränkungen 1990 in der Neufassung verschärft. 2 26.8.1986 GefStoffV: Verwendungsbeschränkung für Benzol auf geschlossene Systeme.
6 Altlastrelevante/altlastirrelevante Nutzungszeiträume
Zwischen 1890 und den 1930er Jahren wurden in den Ölfabriken zunehmende
Mengen an Lösungsmitteln, besonders Aliphate, aber auch Benzole, für die Lösung
der Restöle aus den Ölkuchen verwendet. Diese Stoffe wurden nach Redestillation
erneut benutzt, so dass, insbesondere unter Berücksichtigung des mikrobiellen Ab-
baus, kaum nachhaltige Verunreinigungen zu erwarten sind.
Seite 8 Branchenblatt Öl- und Margarinefabriken
Altlasten-Leitfaden Schleswig-Holstein: Erfassung Anhang 11
Ende der 1930er Jahre und verstärkt während der Kriegsjahre wurden chlorierte
Kohlenwasserstoffe eingesetzt, die ebenfalls redestillert wurden. Obgleich auch bei
diesem Verfahrensschritt ein vollständiger Kreislauf ohne Verluste angestrebt war,
muss davon ausgegangen werden, dass Handhabungsverluste und Leckagen im
Bereich der Lösungsmittellager, der Produktion und der Abfall- oder Reststofflage-
rung vorgekommen sind, die zu nachhaltigen Umweltverunreinigungen geführt ha-
ben können.
Mit Beginn der 1950er Jahre wurden diese Verfahren nahezu vollständig aufgege-
ben, da die Futtermittelindustrie für ölhaltige Presskuchen mehr zahlte als für entölte
Cellulose, und der Verbraucherwunsch nach „hochwertiger“ Ware verstärkt berück-
sichtigt wurde.
Tabelle 2a Zusammenfassung aller altlastrelevanten Aspekte der Ölfabriken
und Zuordnung zu den Branchenklassen SH.
Zeitspanne Hilfsstoffe Nebenprodukte Altlastrelevante
Aspekte
Branchen-
klasse SH
bis 1900 Laugen, Schwe-
felkohlenstoff,
Sikkative, Silikate
Ölkuchen Keine Abwasseran-
lagen
0
1901 – 1939 Laugen, Sikkati-
ve, hauptsächlich
aliphatische Lö-
sungsmittel, Ge-
ruchsstoffe, Sili-
kate
Ölkuchen Redestillation der
Lösungsmittel; man-
gelnde Abwasseran-
lagen
0
1940 – 1950 Laugen, Silikate,
Geruchsstoffe,
CKW, aliphati-
sche Lösungs-
mittel, Sikkative.
Ölkuchen Infolge der Kriegs-
wirtschaft zeitweise
ohne Überwachung
bei hohen Produkti-
onsmengen
4
1951 – Ge-
genwart
Laugen, Sikkati-
ve, Silikate,
aliphatische Lö-
sungsmittel, Ge-
ruchsstoffe
Ölkuchen Abkapselung der
Verfahren gegen die
Umwelt; Verbot
einiger Stoffe/Stoff-
gruppen, Fuhrpark
2
Tabelle 2b Zuordnung der Margarinefabriken zu den Branchenklassen SH.
Zeitspanne Altlastrelevante
Aspekte
Branchen-
klasse SH
bis 1950 0
1951 – Ge-
genwart
Betriebshofproble-
matik durch Fuhr-
park
3
Branchenklasse 0: kein Gefährdungspotential Branchenklasse 1: Gefährdungspotential sehr gering Branchenklasse 2: Gefährdungspotential gering Branchenklasse 3: Gefährdungspotential mäßig Branchenklasse 4: Gefährdungspotential hoch Branchenklasse 5: Gefährdungspotential sehr hoch
Branchenblatt Öl- und Margarinefabriken Seite 9
Altlasten-Leitfaden Schleswig-Holstein: Erfassung Anhang 11
7 Literaturhinweise
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BETHKE, W.; ZUNCKE, H.: Molkereierzeugnisse. Warenkunde über Milch, Butter,
Käse sowie Öle, Fette, Margarine und Eier. Leipzig, 1960
ELLERBROOK, K.P.: Geschichte der deutschen Nahrungs- und Genussmittelin-
dustrie 1750 – 1914. Kohlhammer, Stuttgart, 1993.
EWALD, M.: Die pflanzlichen und tierischen Fette und Öle in Krieg und Frieden.
Springer, Berlin, 1918.
FAHRION, W.: Die Fabrikation der Margarine, des Glyzerins und Stearins. Springer,
Berlin, 1920.
FELD, E.: Die deutsche Margarineindustrie. Diss. Universität Marburg, 1922.
HEIß, P.: Butter und Margarine. Die Verbrauchsverschiebungen in der Bundesre-
publik Deutschland. Diss. Universität Innsbruck, 1955.
HERBST, R.: Die Entwicklung der Margarineindustrie zwischen 1869 und 1930 un-
ter besonderer Berücksichtigung des Hamburger Wirtschaftsraumes. Diss. Universi-
tät Hamburg, 1989.
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Auflage. Wien und Leipzig, 1912.
PELZER, B.; REITH, R.: Margarine. Die Karriere der Kunstbutter. Wagenbach, Ber-
lin, 2001.
POLLATSCHEK, P.: Die Fabrikation der Margarine. Kohlhammer, Stuttgart, 1923.
ULLMANN, F. (HRSG.): Enzyklopädie der technischen Chemie, 2., völlig neu bear-
beitete Auflage. Urban & Schwarzenberg, Berlin und Wien, 1930.
Altlasten-Leitfaden Schleswig-Holstein: Erfassung Anhang 11 Histinvest - Dr. Klaus Schlottau, Bremen
Branchenblatt Schiffswerften und Schiffsreparaturbetriebe
Inhaltsverzeichnis Seite 1 Bezeichnung der Branche 2
2 Historischer Überblick 2
3 Allgemeiner Verfahrensablauf 3 3.1 Neubau von Schiffsrümpfen und Rohrleitungsbau 3 3.2 Gießerei 5 3.3 Spanende Bearbeitungen im Schiffsmaschinenbau 5 3.4 Montage von Maschinenteilen 6 3.5 Lackiererei, Anstrich und Oberflächenveredelung 6 3.6 Tischlerei und Innenausbau 7 3.7 Fremdfirmen auf dem Werftgelände 7 3.8 Fremdarbeiten für Dritte 8
4 Umweltrelevante Verfahrens- und Produktionsschritte sowie Verun- reinigungspotentiale 8
5 Gesetzliche Ausführungsvorschriften für verwendete Stoffe/Stoffgruppen 10
6 Altlastrelevante/altlastirrelevante Nutzungszeiträume 11 Dreherei 11 Schweißerei und Löterei 12 Härterei 12
7 Literaturhinweise 15
Abb. 1: Ausrüstungs- und Reparaturbereich einer Schiffswerft in den 1950er
Jahren (Quelle: HANOW).
Branchenblatt Schiffswerften und Schiffsreparaturbetriebe Seite 2
Altlasten-Leitfaden Schleswig-Holstein: Erfassung Anhang 11
1 Bezeichnung der Branche
Aufgabe einer Werft ist die Herstellung eines Wassertransportfahrzeuges, das sich
aus eigener Kraft oder mit Hilfe eines Schleppfahrzeuges fortbewegt. Die Binnen-
gliederung einer Werft umfasste historisch üblicherweise die Herstellung des
Schiffsrumpfes, einer Maschinen- und Ruderanlage sowie die Einrichtung mit Hebe-
zeugen, Unterkünften und allen notwendigen Installationen. Als typische Werft ist
daher ein Stahlbaubetrieb mit Erweiterungen durch Gießerei, Maschinenbau, La-
ckiererei usw. anzusehen. Werften sind, sofern es sich nicht nur um den Bau von
Booten oder Yachten handelt, grundsätzlich personalintensiv und gehören zu den
Mittel- und Großbetrieben.
2 Historischer Überblick
Der Bau von Wasserfahrzeugen und ihre Reparatur ist ein Gewerbe, das bereits seit
früher Zeit an allen schiffbaren Flussläufen und in Seehafenstädten ausgeübt wur-
de. Grundsätzlich ist zwischen den Werkstoffen Holz und Metall zu unterscheiden.
Im Handelsschiffbau dominierte das Holz bis zum Ende des 19. Jahrhunderts und
wurde dann durch Eisenbleche abgelöst.
Der Holzschiffbau beschränkte sich zunehmend auf den Bau von Booten und Frei-
zeitfahrzeugen. Die grundsätzlichen Umweltprobleme des Holzschiffbaus sind mit
denen anderer holzbearbeitender Branchen wie z.B. Tischlereien und Zimmereien
vergleichbar. Verunreinigungen können insbesondere durch Holzkonservierungen
und Abdichtungen entstehen, so dass teerige bzw. schwermetallhaltige Holzkonser-
vierungsmittel als potentielle Schadstoffe dominant sind (siehe Branchenblatt Zim-
merei).
Neben dem Holzschiffbau spielt auch die Anfertigung von Kunststoffrümpfen im mo-
dernen Bootsbau für den Freizeitbereich eine herausragende Rolle. Beide sind aber
nicht Bestandteil dieses Branchenblattes.
Der Metallschiffbau wurde für die Kriegsmarine bereits Mitte des 19. Jahrhunderts
eingeführt und am Ende des 19. Jahrhunderts auch von der Handelsschifffahrt
übernommen. Die herkömmliche Schiffswerft wandelte sich daher zunehmend zum
metallverarbeitenden Betrieb. Im Rahmen des Wilhelminischen „Tirpitz-Planes“ ent-
standen in den Hafenstädten Großwerften mit mehreren tausend Mitarbeitern, die
sowohl im Flottenbauprogramm als auch beim Bau der Ozeanriesen für den Fracht-,
besonders aber den Passagierverkehr, tätig waren. Als Werftstandort besonderer
Art kann in Schleswig- Holstein die Stadt Kiel gelten, deren Bedeutung hauptsäch-
lich auf das Flottenbauprogramm zurückzuführen ist. Mit einigem Abstand folgen
Lübeck und Flensburg, aber auch an der Nordseeküste und entlang der Elbe finden
sich viele mittelständische Werftbetriebe, die bis in die Gegenwart hinein produzie-
ren.
Branchenblatt Schiffswerften und Schiffsreparaturbetriebe Seite 3
Altlasten-Leitfaden Schleswig-Holstein: Erfassung Anhang 11
3 Allgemeiner Verfahrensablauf
Die Produkte einer Werft sind einerseits Neuanfertigungen von Schiffsrümpfen, Ma-
schinenteilen oder mechanischen Geräten, andererseits handelt es sich um Repara-
turdienstleistungen an den Rümpfen, Maschinen oder Maschinenteilen. Die Arbeiten
an Maschinen werden zumeist in einer Werkstatt durchgeführt, die über die gängi-
gen Werkzeuge und Hilfseinrichtungen verfügt. Der Bau der Schiffsrümpfe hingegen
wird in der Regel auf den sogenannten „Helgen“ oder in Bau- und Trockendocks
ausgeführt. Für Reparatur- und Wartungsarbeiten werden die Schiffe seit dem letz-
ten Jahrhundert zumeist in einem Schwimmdock aufgebockt.
Als Entwicklung der letzten Jahrzehnte ist der Segmentbau anzusehen. Der Vorteil
besteht in einer deutlich kürzeren, witterungsunabhängigen Bauzeit. Der Schiffs-
rumpf und das Deckshaus werden in Segmente untergliedert, die in Werkhallen
hergestellt und dann mit Hilfe eines Bockkranes in einem Baudock zusammengefügt
werden. Auf diese Weise konnten einerseits die flächenintensiven Helgen einge-
spart werden, und andererseits Drittfirmen, die im Binnenland ansässig sind, an der
Zulieferung beteiligt werden.
Eine Reparaturwerft unterscheidet sich nicht grundsätzlich von einer Neubauwerft.
Zu reparieren sind einerseits die Schiffsrümpfe, andererseits die Maschinen- und
sonstigen Anlagen eines Schiffes. Im letzten Jahrzehnt haben viele Reparaturwerf-
ten auch Schiffsverlängerungen durchgeführt, so dass eine eindeutige Trennung
beider Betriebsarten nicht mehr möglich ist. Hinsichtlich der Umweltrelevanz unter-
scheiden sich jedoch die Abfallstoffe eines Schiffsneubaus bezüglich der Art und
Menge beträchtlich von denen einer Reparaturwerft. Insbesondere Sandstrahlabfäl-
le mit hohem Anteil an Altfarben und Grundierungen, Altöle aus den Schiffsmaschi-
nen, der Hydraulik und der Bilge sowie Ölschlämme aus den Tanks für Bunkeröle
fallen im Reparatur- und Wartungsbereich in weit größeren Mengen als im Neubau-
bereich an.
Der Neubau eines Schiffes erfordert wie oben ausgeführt einerseits den Bau des
Schwimmkörpers und die maschinelle Ausstattung, andererseits aber auch die Aus-
rüstung des Schiffes mit allen erforderlichen Ein- und Ausbauten unter und über
Deck. Durch die Aufteilung in Abteilungen, die auch flächig getrennt sind, ist der
Baubeginn an allen Einzelteilen eines Schiffes nahezu gleichzeitig möglich. Eine
Serienfertigung von Schiffen ist wenig verbreitet und findet in größerem Umfang nur
für die Marine, besonders in den kleineren Schiffs- und Bootsklassen, statt.
3.1 Neubau von Schiffsrümpfen und Rohrleitungsbau
Die Bearbeitung von metallischen Werkstücken in Form von Blechen und Profilen zu
Hohlkörpern wie z.B. Schiffsrümpfen unterscheidet sich deutlich von der Bearbei-
tung massiver Teile. Profile und Blechtafeln werden abgelängt, abgekantet und
dann durch Schweißen, Löten, Nieten oder Verschrauben zu einem Gehäuse zu-
sammengefügt. Massive Teile in Form von Guss-, Stab- oder Rundeisen hingegen
werden durch Bohren, Drehen, Fräsen, Feilen und Polieren, wie auch in einer Dre-
Branchenblatt Schiffswerften und Schiffsreparaturbetriebe Seite 4
Altlasten-Leitfaden Schleswig-Holstein: Erfassung Anhang 11
herei oder einer Maschinenfabrik üblich, bearbeitet. Weitere formgebende Arbeits-
verfahren sind z.B. das Gesenkschmieden (siehe Branchenblatt Schmiede).
Bis in die 1920er Jahre wurden eiserne Schiffsrümpfe durch die Vernietung von Ei-
senplatten, die auf dem sogenannten „Schnürboden“ maßstäblich aufgerissen und
dann in der Brennerei sowie in der Blechpresse vorgeformt wurden, hergestellt. Die
auf Profilen, den sogenannten Spanten, befestigten Platten wurden mit einer Über-
lappung von annähernd 15 % durch Nieten verbunden. Auf dem Helgen wurden
glühende Nieten durch Bohrungen in beiden Werkstücken gesteckt und mit Hilfe von
Hand- oder Presslufthämmern aufgestaucht. Beim Erkalten ziehen sich die Nieten
zusammen, so dass die beiden Tafeln eng und wasserdicht aneinandergepresst
werden.
Weil die Versailler Verträge der Reichsmarine nach dem Ersten Weltkrieg lediglich
eine bestimmte Schiffsgröße bzw. maximale Eisenmenge pro Schiff zugestanden,
entwickelte die Materialanstalt der Marine ein Schweißverfahren für Stahlplatten im
Schiffbau, durch das mehr als 15 Gewichtsprozent eingespart werden konnten. Es
handelte sich aber nicht nur um eine Materialeinsparung, sondern auch um eine
Arbeitszeitersparnis, so dass sich dieses Verfahren bis zum Ende der 1920er Jahre
auch im Handelsschiffbau durchsetzte.
Durch die neue Schweißtechnik stieg auch der Bedarf an Acetylengas. Vorher wur-
den brennbare Gase überwiegend in der Schmiede, der Plattenbrennerei oder im
Rohrbau einer Werft eingesetzt. Nun entstanden rund um die Helgen eine Vielzahl
von Entwicklern und Druckspeichern, so dass mehr Karbidschlamm anfiel.
Gleichzeitig mussten die verwendeten Tafeln und Bleche bereits vor der eigentli-
chen Konservierung im Bereich der Schweißnähte entrostet sein, so dass auf den
Helgen und in den Werkstätten ständig mobile Sandstrahleinrichtungen in Betrieb
waren. Der Sandabfall wurde zusammen mit den Rostpartikeln und eventuellen
Farbresten als Kehricht häufig auf dem Firmengelände deponiert.
Bereits durch die Einführung des Dampfantriebes auf Schiffen zur Mitte des 19.
Jahrhunderts begann auch der Rohrleitungsbau sowie die Isolierung der Rohre eine
wesentliche Rolle einzunehmen. Der Dampfkessel musste mit der Dampfmaschine
verbunden werden, diese wiederum mit Kondensatoren, Wasserenthärtern, Entölern
und Ölmaschinen. Die Ruderanlage wurde mit Hilfe einer Dampfpumpe angetrieben,
die Unterkünfte erhielten Heizungen. Zum Ende des 19. Jahrhunderts wurden auch
Dynamomaschinen und Kühlaggregate für die Konservierung von Frischfleisch und
Südfrüchten eingeführt. Die Einführung der Schweröl- und Dieselmotoren seit ca.
1922 führte zur Installation weiterer Rohrleitungen und Tanks für Bunkeröl, Bilgen-
wasser, Sludge sowie zur Einrichtung von Ölabscheidern im Schiffbau.
Die benötigten Rohrverbindungen wurden auf der Werft in zentralen Werkstätten
vorbereitet und dann auf dem Helgen, im Baudock oder am Ausrüstungskai zu-
sammen mit der Maschinenanlage installiert. Die dampf- oder heißwasserführenden
Rohre wurden in der Regel mit Asbest und Steinwolle ummantelt und dann mit einer
Deckschicht aus Gips oder einem vorgefertigten Metallrohr versehen. Bei diesen
Arbeiten wurden sehr viele Asbest- und Steinwollpartikel freigesetzt und mit dem
Kehricht deponiert. Aufgrund der Bestimmung in der Gefahrstoffverordnung vom
Branchenblatt Schiffswerften und Schiffsreparaturbetriebe Seite 5
Altlasten-Leitfaden Schleswig-Holstein: Erfassung Anhang 11
26.10.1993 wurde der Einsatz von Asbest verboten (in anderen Ländern sogar seit
1977), was jedoch zur Folge hatte, dass Kunstschaumisolierungen vor Ort herge-
stellt wurden, die Lösungsmitteldämpfe absonderten und zu einem hohen Abfallauf-
kommen in Form von Restkunststoffen sowie Behältern mit Kunststoffgranulaten
und Lösungsmittelresten führten.
3.2 Gießerei
Die Herstellung von Schiffsmaschinen ist, ebenso wie die der Schiffe, nur geringfü-
gig standardisiert oder typisiert. Jede mittelgroße und größere Werft hat daher eine
eigene Gießerei, der sich eine Maschinenbauabteilung anschließt. Lediglich im
Bootsbau sind Standardmaschinen namhafter Hersteller verbreitet. Es handelt sich
zumeist um stationäre Diesel- oder Schwerölmaschinen mit Leistungen bis zu 2500
KW. Solche Maschinen werden allerdings auch für größere Schiffe als Hilfsaggrega-
te benötigt. Es handelt sich hierbei häufig um Stromerzeuger, Rudermaschinen oder
Anlasser für die Hauptmaschine. Für den Schiffsantrieb größerer Schiffe werden
entsprechend leistungsstarke Maschinen nach Bedarf konstruiert und produziert.
Die Herstellung der Fundamentplatte, Zylindergehäuse, Kurbelwelle und Zylinder
sowie der notwendigen Pleuel und Ventile einer großen Schiffsmaschine wird von
der werfteigenen Gießerei ausgeführt. Sie unterscheidet sich hinsichtlich der Ar-
beitsschritte und der einzelnen Fertigungsabteilungen nicht von einer selbständigen
Gießerei (siehe Branchenblatt Gießerei). Die Dimensionen der Einzelstücke und
entsprechend der Werkshallen sind jedoch in der Regel deutlich größer. Die Gieß-
gruben können eine Tiefe bis zu 4 Meter erreichen.
3.3 Spanende Bearbeitungen im Schiffsmaschinenbau
Die rohen Gussstücke für die Zylindergehäuse, Zylinder, Wellen und Ventile müssen
auf übergroßen Drehbänken bearbeitet werden. Für diesen Zweck besitzt die Werft
eine Maschinenbauabteilung, in der alle notwendigen Arbeitsmaschinen vorhanden
sind.
Die Abfallstoffe der spanenden Metallbearbeitung bestehen insbesondere aus Me-
tallspänen, durchschnittlich werden bei spanenden Bearbeitungen – mit Ausnahme
des Bohrens – ca. 20 – 30 % des Werkstoffgewichtes entfernt. Die den Metallspä-
nen anhaftenden Fette, Öle oder Kühlmittelemulsionen sind als wesentliche Quelle
der branchentypischen Verunreinigungen anzusehen. Die Kühlschmierstoffe können
Mineralöle - zumeist Gemische mit Paraffinen, Naphtenen und bis zu 10 % Aroma-
ten - enthalten. Daneben treten polare Additive, Hochdruckadditive, Stabilisatoren,
Korrosionsinhibitatoren, Biozide, Geruchs- sowie Farbstoffe auf.
Etwa seit Anfang der 1930er Jahre bis in die 1980er Jahre hinein können in fast
allen Kühlschmierstoffen auch PCB als Bestandteile angenommen werden. Die
Kühlschmierstoffe gelangten zum einen in die Abwasseranlage der Werkstatt, zum
anderen aber durch Handhabungsverluste und undichte Fundamente in den Boden.
Des Weiteren haften sie auch an den Metallspänen. Der Gewichtsanteil der an die
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Metallspäne gebundenen Kühlschmierstoffe liegt im Durchschnitt bei 8%. Es handelt
sich also um bedeutende Mengen an Kühlschmierstoffen, die auf den Sammelplät-
zen der Drehspäne, die oftmals außerhalb der Gebäude lagen, nach und nach in
den Boden gelangen konnten.
Steigende Metallpreise in den Jahren zwischen 1960 und 1980, besonders nach der
Einführung des Abfallwirtschaftsgesetzes, führten zudem dazu, Drehspäne in mög-
lichst sauberer Form wiederzuverwenden, so dass diese häufig schon beim Erzeu-
ger in Gitterkörben oder in durchlöcherten Fässern mit Kaltreinigern oder anderen
Lösungsmitteln entölt und hinterher mit Wasser unter hohem Druck abgespritzt wur-
den (siehe Branchenblatt Dreherei).
3.4 Montage von Maschinenteilen
In einer Werft ist in der Regel eine eigene Abteilung für die Montage der Einzelteile,
die in den vorgelagerten Abteilungen hergestellt wurden, zuständig. Es handelt sich
hierbei zumeist um reine Schraubverbindungen zwischen den Maschinenelementen,
so dass allein die Reinigungs-, Befüllungs- und Isoliertätigkeiten unter Umwelt-
schutzgesichtspunkten zu berücksichtigen sind.
Aus der Dreherei oder Fräserei gelangen die Bauteile in öligem Zustand in die Mon-
tagebereiche, wo sie zunächst mit Lappen und Lösungsmitteln entölt werden. Viele
Maschinenteile werden während der Montage erneut gefettet und geölt bzw. mit
Maschinenöl aufgefüllt, so dass mit Handhabungsverlusten zu rechnen ist.
Wärmeführende Maschinenteile werden mit Isoliermaterial, historisch Asbest und
Steinwolle, in der Gegenwart auch hitzebeständige Kunststoffe, ummantelt, so dass
entsprechende Rückstände vorhanden sein können.
3.5 Lackiererei, Anstrich und Oberflächenveredelung
Nach der Montage werden die Maschinen im Bereich der Lackiererei nochmals
gründlich gesäubert und entölt, um anschließend grundiert und lackiert zu werden.
Bei diesen Arbeiten fallen die üblichen Farb- und Lackreste sowie Lösungsmittel für
Farben und Lacke als Reststoffe mit Umweltrelevanz an (siehe Branchenblatt La-
ckiererei). Nachdem die Maschinen die Trockenkabinen passiert haben, werden sie
zum Ausrüstungskai oder Baudock transportiert und dort in den Schiffskörper ein-
gebaut.
Neben der Lackiererei für die Maschinenteile gibt es in der Regel auch eine Lackie-
rerei für die Segmente des Schiffsrumpfes. Es handelt sich um große Hallen oder
Zelte, die mit Schwerlastfahrzeugen befahren werden können. Die Segmente wer-
den dort aufgebockt, sandgestrahlt und mit einer Grundierung versehen. Nachdem
die Segmente auf dem Helgen oder im Baudock zusammengeschweißt worden
sind, wird die Grundierung auch im Bereich der Verbindungen aufgetragen, und das
ganze Schiff mit einem mehrschichtigen Außen- und Innenanstrich versehen.
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Altlasten-Leitfaden Schleswig-Holstein: Erfassung Anhang 11
Diese Tätigkeit ist wegen der vielen Rückstände, der verwendeten Lösungsmittel
und Schwermetallpigmente sowie des letzten Deckanstriches, der seit nahezu 40
Jahren mit Antifouling-Farben vorgenommen wird, besonders altlastrelevant. Der
Deckanstrich enthält als Schutz vor Algen- und Muschelbewuchs ein Biozid, das
kontinuierlich von den Lebewesen am Schiffsrumpf aufgenommen wird. Es handelt
sich um mittlerweile nur noch eingeschränkt zulässige zinnorganische Verbindungen
(z.B. Tributylzinnoxid, TBTO), die wegen ihrer Wasserlöslichkeit auch im Hafensch-
lick in großen Mengen auftreten können. Diese Löslichkeit führt dazu, dass inner-
halb des normalen Reparatur- und Wartungszyklus eines Schiffes der Farbauftrag
regelmäßig erneuert werden muss. Die alten Deckfarbschichten werden mit Sand-
strahlgeräten entfernt, so dass im Sandstrahlabfall einer Reparaturwerft auch nach
Inkrafttreten des weltweiten Totalverbotes 2008 noch mit einem erhöhten Anfall die-
ser Schadstoffgruppe gerechnet werden muss.
Metallische Oberflächenveredelungen sind auf Werften in der Regel nur für den
Rohrleitungsbau bekannt. Verzinkte Schiffsrümpfe oder Aufbauten können als Aus-
nahme für Sonderbauten mit kleinen Dimensionen angesehen werden. Feuerverzin-
kereien waren auf den Großwerften zumeist in der Nähe des Rohrbaus angesiedelt
(siehe Branchenblatt Galvanische und Feuermetall-Industrie). Aufgrund der ver-
gleichsweise geringen Auslastung und der zunehmenden Vergabe von Arbeiten an
Fremdfirmen wurden die betriebseigenen Verzinkereien unrentabel und daher auf-
gegeben. Diese Entwicklung ist insbesondere seit dem Beginn der 1970er Jahre zu
verzeichnen.
3.6 Tischlerei und Innenausbau
Neben der Modelltischlerei als Unterabteilung der Gießerei gehört auch eine Tisch-
lerei für den Innenausbau der Schiffe, insbesondere der Passagier- und Fahrgast-
schiffe, zum Bestand einer Werft. Sie ist für die Innenverkleidung der Mannschafts-
unterkünfte, der Kabinen usw. zuständig. Neben der Wand- und Deckenverkleidung
mit furnierten Faser- oder Verbundplatten werden auch Fußböden verlegt und Ein-
baumöbel hergestellt. Zu diesem Zweck gibt es auf der Werft eine zentrale Werk-
statt mit allen erforderlichen Holzbearbeitungsmaschinen, gelegentlich sogar einem
eigenen Presswerk für die Ausbauplatten, sowie einer Lackiererei, die das Mobiliar
nach dem Einbau in den Rumpf mit Konservierung, Grundierung und Deckanstrich
versieht (siehe Branchenblatt Tischlerei bzw. Lackiererei).
3.7 Fremdfirmen auf dem Werftgelände
Bis zur Ölkrise zu Beginn der 1970er Jahre hatten alle Werften für gewöhnlich die
oben genannten Abteilungen auf dem Betriebsgelände. Die Ölkrise führte jedoch
auch zu einer Schiffbaukrise, so dass Personal in großem Umfang entlassen wurde.
Als Folge wurden alle Abteilungen, die nicht unmittelbar zum Kerngeschäft einer
Werft gehörten, personell ausgedünnt oder aufgelöst, um Personal zu sparen. Be-
troffen waren überwiegend Abteilungen, die in der Schiffsausrüstung oder der War-
tung tätig waren: Rohrbau, Elektrik, Tischlerei, Anstrich und Lackiererei. Sie wurden
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durch Fremdfirmen ersetzt, die auftragsabhängig auf dem Gelände beschäftigt wa-
ren. Diese benötigten für ihre Tätigkeit auf dem Gelände ebenfalls Lager, Werkstät-
ten und Unterkünfte. Handelte es sich nur um einen kurzfristigen Einsatz, z.B. um
den Außenanstrich eines Schiffes zu erneuern, konnten für einige Wochen Büro-
und Sozialcontainer aufgestellt oder vorübergehend leere Lager- und Werkstattflä-
chen der Werft genutzt werden. Zog sich der Auftrag über Jahre hinweg bzw. wur-
den kontinuierlich Aufträge übernommen, erhielten die Fremdfirmen auf dem Be-
triebsgelände Mietflächen für die Errichtung fester Lager-, Werkstatt- und Sozial-
räume.
So entwickelten sich auf den Großwerften selber oder in deren unmittelbarer Nach-
barschaft in den vergangenen 30 Jahren intensiv genutzte Fremdfirmenareale mit
einem häufigen Nutzerwechsel und einem hohen Kontaminationspotential durch die
unterschiedlichen Stoffe, mit denen diese Firmen umgingen.
3.8 Fremdarbeiten für Dritte
Nach den Weltkriegen nahmen die Werften, die sich auf den Marineschiffbau spezi-
alisiert hatten, nahezu jeden Auftrag an, der sich mit den Abteilungen einer typi-
schen Werft bearbeiten ließ: Behälter- und Tankbau, Anlagen- und Apparatebau,
Fahrzeug- und Waggonbau, Maschinenbau sowie die Reparatur aller gängigen Ma-
schinen. Konnten die Werkstätten und Freiflächen nicht genutzt werden, wurden sie
an andere Firmen vermietet.
Staatliche Werften, die Torpedoversuchsanstalt in Eckernförde und auch kleinere
Betriebe, wie z.B. die Werft in Wewelsfleth, wurden mit Desarmierung und Muniti-
onsdelaborierung beschäftigt.
Werften, die überwiegend für die Handelsmarine gearbeitet hatten, waren hingegen
bei verringerter Mitarbeiterzahl mit der Reparatur und dem Neubau von Repara-
tionsschiffen beschäftigt. Die Nachkriegszeiten sind daher mit besonderer Aufmerk-
samkeit zu beurteilen, da für diesen Zeitraum unter Umständen auch branchenun-
typische Schadstoffe bis hin zu Kampfmitteln zu vermuten sind.
4 Umweltrelevante Verfahrens- und Produktionsschritte sowie Verunreinigungspotentiale
Eine Werft besteht aus einem komplexen Gefüge aller bekannten Metallbearbeitun-
gen ergänzt durch Arbeiten mit Holz, Kunststoffen, Farben und Lacken.
Der eigentliche Schiffbau ist als Stahlbau mit einer geringen Schadstoffvielfalt anzu-
sehen. Es handelt sich überwiegend um Eisenschrott (vom Blech bis hin zu
Schweißschlackenresten) und Sandstrahlrückstände. Da der Schiffsrumpf mittels
Grundierungen und Farbe vor Rostbildung sowie dem Bewuchs mit Algen und Mu-
scheln geschützt werden muss, treten im Schiffbau hohe Belastungen durch
schwermetallhaltige Farben auf. Durch Reparatur- und Wartungsarbeiten an Schiffs-
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rümpfen wird das Schadstoffspektrum in erster Linie um Altfarben und Lacke er-
gänzt, die gemeinsam mit den Sandstrahlrückständen auftreten.
Die Reparatur von Schiffsmaschinen und anderen Betriebsanlagen eines Schiffes
führt zu einem hohen Aufkommen an Maschinen-, Getriebe- und Hydrauliköl sowie
Kühlflüssigkeiten aus Kühl- und Klimaanlagen. Die Öle enthielten seit Anfang der
1930er Jahre häufig PCB-haltige Additive. Ferner werden insbesondere bei Repara-
turen Altisolierungen in großer Menge ersetzt. Diese Stoffe wurden erst seit Beginn
der 1970er Jahre geregelt entsorgt. Zuvor wurden flüssige Abfallstoffe oftmals in
besonderen Teichen gelagert und feste Stoffe zum Aufhöhen oder zur Befestigung
des Betriebsgeländes genutzt.
Die Gießerei einer Werft ist häufig mit größeren Kupolöfen und Formkästen als an-
dere Gießereien ausgestattet. Dies hat zur Folge, dass der Anfall von Formsanden
und Rückständen aus der Formsand-Wiederaufarbeitung deutlich größer ist. Die
Rückstände und die alten Formsande wurden einschließlich der enthaltenen Schad-
stoffe (Eisen, Schwermetalllegierungen, Schlacken, Harze etc.) zumeist als billiges
Auffüllungsmaterial auf dem Betriebsgelände eingebaut. Dies führte dazu, dass auf
Werftgeländen, die wegen ihrer Uferlage nahezu ständig aufgehöht wurden, zum
Teil deutliche Schichten aus Schlacken, Sandstrahlsanden, Karbidschlämmen und
Formsanden zu erkennen sind, bevor bei Sondierungen der gewachsene Boden
erreicht wird.
In der Dreherei können neben den üblichen Mineralölverlusten aus den Maschinen
insbesondere die Kühlöle, die seit Beginn der 1930er Jahre oft PCB-haltig waren, zu
Verunreinigungen geführt haben. Da die Reinigung der Maschinen, der Werkzeuge,
Werkstücke und auch der Drehspäne unter Einsatz verschiedener Lösungsmittel
vollzogen wurde, ist eine Kontamination der Werkstattbereiche bzw. der Lagerplätze
durch Handhabungsverluste nicht auszuschließen.
Um den hohen Kraftbedarf der verschiedenen Maschinen zu decken, verfügten die
meisten Großbetriebe, aber auch zahlreiche mittelgroße Betriebe, schon früh über
eine eigene Kraftzentrale (meist eine Dampfmaschine) mit Riementransmissionen,
Wellenübertragungen und später auch einer eigenen Stromerzeugung.
Daraus resultierten bis in die 1930er Jahre große Mengen an Aschen und Schla-
cken aus der Feuerung, in der zumeist auch betriebliche Abfälle verbrannt oder ge-
sintert wurden. Die Aschen und Schlacken wurden zusammen mit anderen geeigne-
ten Abfallstoffen, z.B. Kohlengrus aus den Bunkern und Sandstrahlrückständen,
häufig für die Befestigung des Betriebsgeländes genutzt. Seit ca. 1930 nahmen die
Kesselfeuerungen mit Schweröl und später auch mit Heizöl zu. Die Lagerung dieser
Stoffe erforderte Tanks, Pumpwerke, Übernahmestationen und Vorwärmanlagen,
die bis in die 1960er Jahre fast immer durch unterirdische Rohre verbunden waren,
welche häufig korrodierten. Folglich sind an allen Orten, auf denen mit diesen Mine-
ralölkohlenwasserstoffen umgegangen wurde, entsprechende Verunreinigungen
nicht auszuschließen.
Die Verstromung der innerbetrieblich erzeugten Energie erforderte die Anlage eige-
ner Transformatorenstationen, Gleichrichter und anderer elektrotechnischer sowie
elektromechanischer Anlagen (z.B. Ölschützen, d.h. großvolumige relaisähnliche
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Hochspannungsschalter mit Öl als Isolator). Die Umstellung der Nennspannung von
110V auf 220V erfolgte allgemein in den 1950er Jahren und machte die gesamte
elektrische Altausrüstung hinfällig, so dass diese Geräte verschrottet wurden. Ins-
besondere im Zuge dieser Umbauarbeiten, aber auch durch den normalen Betrieb
sowie durch Unfälle, gelangte aus den Transformatoren und Ölschützen Öl mit PCB
und anderen Zusätzen in die Umwelt. Auch die Gleichrichter konnten bei Unfällen
oder nicht sachgerechter Demontage zu Umweltschäden führen, da sie je nach
Größe bis zu 1.400 kg Quecksilber enthielten.
Während des 19. Jahrhunderts und vielfach noch bis in die 1920er Jahre wurden die
Maschinen selbst mit mechanischen Einrichtungen bewegt. Die Umstellung auf den
Einzelantrieb war fast immer auch mit der Umstellung auf eine hydraulische Über-
tragung der Kräfte verbunden. Innerhalb der Einzelmaschine befand sich eine Hyd-
raulikpumpe. Undichtigkeiten bei Pumpen, Vorratsbehältern und Hydraulikschläu-
chen sowie undichte Kolben führten oft zu einem merklichen Verlust an Hydrauliköl.
Dieses war früher fast immer mit PCB versetzt und kann daher in den Abfallstoffen,
im Bauwerk und im Untergrund Spuren hinterlassen haben. Der Einsatz von PCB
wurde 1972 auf geschlossene Systeme beschränkt und 1989 ganz verboten.
Da die Maschinen und Werkstoffe fast durchgängig verölt waren, wurden sie regel-
mäßig mit aliphatischen, aromatischen oder chlorierten Lösungsmittel gereinigt.
Diese können zu Kontaminationen geführt und zusätzlich die Mobilisierung von Mi-
neralölen bewirkt haben.
Detaillierte Verunreinigungspotentiale für Werften lassen sich in der Regel erst dann
zusammenstellen, wenn die Art der Metallbearbeitung, der Oberflächenbehandlung
sowie etwaige branchenfremde Aktivitäten bekannt sind.
5 Gesetzliche Ausführungsvorschriften für verwendete Stoffe/Stoffgruppen
Tabelle 1 Altlastrelevante Stoffe und ihr zeitlicher Einsatz
Stoff Nutzung Verstärkte Anwendung
ab
Verwendungsbe-schränkung/ Verbot
PCB (Polychlo-rierte Biphenyle).
1
Einsatz in Kühl- und Hydraulik-ölen, um die Entzündungstem-peratur zu erhöhen.
ca. 1930 1978/1989
Wassermischbare Kühlschmierstoffe (N-Nitrosamin-Bildung).
2
Schmier- und Kühlmittelersatz für Öle mit Flammschutzmitteln.
ca. 1955 1997
PCP (Pentachlor-phenol).³
Einsatz in Emulsionen zur Halt-barmachung.
ca. 1930 1986/1989
LCKW.4 Lösungs- und Reinigungsmittel
(Kaltreiniger) im Werkstattbe-trieb sowie den Lackierereien.
ca. 1925 1981/1986 (zum Teil)
BTEX.5 Lösungs- und Reinigungsmittel
im Werkstattbetrieb sowie in den Lackierereien.
ca. 1925 1986 (zum Teil)
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Organozinn-Verbindungen.
6
Einsatz in Antifouling-Farben ca. 1950 1990
Asbest.7 Einsatz in Isolierungen ca. 1880 1993
Schwermetallver-bindungen.
8
Einsatz in Antifouling-Farben historisch 1990 (zum Teil)
1
26.7.1978 10.BImSchV: Verwendungsbeschränkung auf geschlossene Systeme; 18.7.1989, PCB-Verbotsverordnung: Herstellungs-, Inverkehrsbringungs- und Verwen- dungsverbot, 1993 durch ChemVerbotsV abgelöst. 2 4/1997 Technische Regel für Gefahrstoffe TRGS 611, Verwendungsbeschränkungen für
wassermischbare bzw. wassergemischte Kühlschmierstoffe, bei deren Einsatz N-Nitrosamine auftreten können (Verbot von Nitrit im KSS) 3
26.8.1986 GefStoffV: Verwendungsbeschränkung für PCP, z.B. nicht in Aufenthaltsräumen einzusetzen; 12.12.1989 PCP-Verbotsverordnung: Herstellungs-, Inverkehrsbringungs- und Verwen-
dungsverbot, 1993 abgelöst durch ChemVerbotsV. 4 9/1981 Technische Regel für gefährliche Arbeitsstoffe TrgA 502: Verwendungsbeschrän-
kung für Tetrachlorkohlenstoff; 21.4.1986 2.BImSchV: Verordnung zur Emissionsbeschränkung von leichtflüchtigen Halogenwasserstoffen, Anwendungsbeschränkungen 1990 in der Neufassung verschärft. 5 26.8.1986 GefStoffV: Verwendungsbeschränkung für Benzol auf geschlossene Systeme.
6 23.04.1990 GefahrStoffV: Verbot der Anwendung von zinnorganischen Anstrichen bei
Schiffen <25m und für den privaten Gebrauch 26.10.1993 GefahrStoffV: Herstellungs- und Verwendungsverbot für Antifouling-Farben (ab 2003 tritt ein weltweites Verbot für Schiffsneuanstriche in Kraft, ab 2008 sind sie gänz- lich verboten); 7
26.10.1993 GefahrStoffV: Herstellungs- und Verwendungsverbot für Asbest 8 23.04.1990 GefahrStoffV: Inverkehrbringungsverbot von arsen- oder quecksilberhaltigen
Antifouling-Farben; in späterer Fassung Herstellungs- und Verwendungsverbot für Arsen und Quecksilber sowie ihre Verbindungen
6 Altlastrelevante/altlastirrelevante Nutzungszeiträume
Bis zum Ende des 19. Jahrhunderts sind keine wesentlichen Veränderungen in der
stofflichen Bearbeitung oder in der Zusammensetzung der Hilfsstoffe für die Metall-
industrie bekannt. Es handelte sich lediglich um eine Maschinisierung und Mechani-
sierung der bisherigen Handarbeit. Die Entwicklungen in der chemischen Industrie
und Metallurgie seit Beginn des 20. Jahrhunderts veränderten jedoch Zusammen-
setzung der Werk- und Hilfsstoffe. Diese Veränderungen betrafen insbesondere die
Arbeitsbereiche der Dreherei, Härterei sowie Schweißerei und Löterei.
Dreherei
Durch die verbesserten Schneidstähle ergaben sich zunehmend höhere Schnittge-
schwindigkeiten, die eine Schmierung und Kühlung der Werkstücke und -zeuge er-
forderlich machten. Während anfänglich noch Seifenwasser, das auf die Grenzflä-
chen gespritzt wurde, zur Werkzeug/-stückkühlung ausreichte, musste seit der Ein-
führung der Schnellschnittstähle zunehmend auf wärmeleitende, hochsiedende Öle
und Emulsionen zurückgegriffen werden. Diese Öle benötigen seit dem Ende der
1920er Jahre Chlororganika (z.B. PCB) als Flammschutz; Emulsionen mussten
seither mit Emulgatoren, Fungiziden und Bakteriziden (z.B. PCP) hergestellt und
haltbar gemacht werden. Mit einer verstärkten Anwendung ist in Schleswig-Holstein
etwa seit Anfang der 1930er Jahre zu rechnen. Steigende Metallpreise in den Jah-
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ren zwischen 1960 und 1980, besonders nach der Einführung des Abfallwirtschafts-
gesetzes, führten zudem dazu, Drehspäne in möglichst sauberer Form wiederzu-
verwenden, so dass diese häufig schon beim Erzeuger mit Kaltreinigern oder ande-
ren Lösungsmitteln entölt wurden.
Schweißerei und Löterei
Schweiß- und Lötarbeiten wurden und werden seltener auf befestigten Böden aus-
geführt, weil glühende Schweißperlen, Schlacken sowie heiße Lot-Tropfen auf ei-
nem Betonboden auseinanderspritzen und so die Arbeitskräfte verletzen können.
Wie auch in den Schmieden werden daher solche Arbeiten oft auf Sand oder abge-
sandeten Fundamenten ausgeführt, so dass sich im Sand neben den üblichen Ei-
senfeilspänen, Schlacken und Schwermetallen auch Hilfsstoffe wie Säuren, Laugen
und Flussmittel befinden können. Wurde der Sand gelegentlich ausgewechselt oder
ausgefegt, gelangte er meist zur Befestigung auf die Betriebsfläche. Aus den abge-
lagerten Abfallstoffen können unter Umständen im sauren Milieu Schwermetalle
herausgelöst werden.
Die Acetylenanlagen befanden sich zumeist wegen der Explosionsgefahr abseits
der Werkstätten in Schuppen, neben denen auch die Absitzbecken für den Karbid-
schlamm lagen. Dieser Schlamm wurde häufig auf dem Betriebsgelände abgelagert
und kann aufgrund seiner Alkalität einen Einfluss auf die Löslichkeit von Schadstof-
fen im Boden bzw. Grundwasser haben.
Härterei
Die Härtung geschmiedeter oder gedrehter Werkstücke wandelte sich während des
vergangenen Jahrhunderts nach und nach von einem bloßen Abschrecken in Was-
ser oder Öl zu einer Härtung in Öfen und Bädern. Während die Ofenhärtung ohne
wesentliche Schadstoffe durchgeführt wurde, war mit der Härtung im Bad aus Blei
oder einem anderen leicht schmelzenden Metall, aber auch in Bädern aus Spezialöl
(Torpedoöl), das Flammschutzmittel oder Oberflächenhärter wie Tricresylphosphat
(TCP) enthielt, eine erhöhte Umweltgefährdung verbunden. Die Nutzung der Chloro-
rganika und des TCP erfolgte besonders zwischen 1930 und 1980. Daneben ist als
gebräuchliches Härteverfahren die Anwendung von cyanidhaltigen Salzbädern zu
nennen (siehe Branchenblatt Arbeitstechniken und Verfahren der Metallbearbeitung)
Von besonderer Bedeutung ist die zunehmende Verwendung von Diesel- und
Schwerölmotoren in der Schifffahrt seit der Mitte der 1920er Jahre. Seit diesem
Zeitpunkt bis zum Beginn der 1970er Jahre ist mit einem stetigen Anfall von Ölen
jeder Art in großen Mengen zu rechnen. Üblicherweise wurden diese Öle in Teichen
auf dem Betriebsgelände gelagert.
Ein weiteres großes Kontaminationspotential entstand durch die Verwendung was-
serlöslicher zinnorganischer Farben zum Schutz gegen Algen- und Muschelbe-
wuchs vom Beginn der 1950er bis Anfang der 1990er Jahre.
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Abb. 2: Manuelle Härterei um ca. 1950 (Quelle: VEREIN DEUTSCHER MASCHI-
NENBAU-ANSTALTEN).
Veränderungen in der Bewertung der Umweltrelevanz ergeben sich für die beiden
Weltkriege, da Betriebe, die der Rüstungsproduktion dienten, der Kontrolle ziviler
Aufsichtsbehörden weitgehend entzogen waren, und daher häufig in baulichen An-
lagen arbeiteten, die für Gewerbebetriebe auch nach damaligem Stand der Technik
nicht geeignet waren. Es fehlte zumeist an einer Befestigung des Fußbodens sowie
an geeigneten Abwasseranlagen. Ähnlich sind die Nachkriegszeiten zu beurteilen,
da behördliche Kontrollen zu diesem Zeitpunkt nur eingeschränkt durchgeführt wur-
den.
In den letzten Jahrzehnten hat sich der Schiffbau verstärkt auf die reine Herstellung
der Schiffsrümpfe und den Einbau der Ausrüstung konzentriert. Gießerei- oder Ma-
schinenbauabteilungen usw. wurden immer mehr durch Zulieferbetriebe im Binnen-
land ersetzt.
Branchenblatt Schiffswerften und Schiffsreparaturbetriebe Seite 14
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Tabelle 2 Zusammenfassung aller altlastrelevanten Aspekte und Zuordnung zu
den Branchenklassen SH.
Zeitspanne Hilfsstoffe Nebenprodukte Altlastrelevante
Aspekte Branchen-klasse SH
bis 1900 Seifen und Wasser, Teer und Pech, Lein-öle, Rüböle, geringe Mengen an Mineral-ölen.
Metallspäne, teerhaltige Holz-abfälle.
keine Abwasser-anlagen, keine Bo-denbefestigung.
3
1900 – 1930
Seifen, Wasser, erste Bohröle ohne PCB, Schwermetallsalze, Blei, zunehmende Mengen an Mineral-ölen, Rostschutzan-striche, erste Lö-sungsmitteleinsätze.
gering verölte Metallspäne, Formsande, Sandstrahlrück-stände, Altöle, Bilgenöle, Kar-bidschlamm, Härtereiabfälle.
keine Abwasseran-lagen, keine Boden-befestigung; unge-regelte Abfallentsor-gung, branchen-fremde Nebentätig-keiten; infolge der Kriegswirtschaft ohne Überwachung.
3
1931 – 1960
Bohr- und Schneid-öle, PCB, Emulsio-nen, Fungizide, Bak-terizide, Schwerme-tallsalze, Blei, Cyani-de, TCP, Antifouling-Farben, Rostschutz-anstriche, zunehmen-de Mengen an Mine-ralölen, Lösungsmittel aller Art (z.B. BTEX, CKW).
ölige Metallspä-ne; Ölschlämme mit PCB, Här-tereiabfälle, Schwermetalle. Lösungsmittel-rückstände, Kar-bidschlämme, Farb- & Sand-strahlrückstande.
In den Drehspanla-gern Abscheider, ungeregelte Ab-fallentsorgung, Kriegs- und nach-kriegsbedingte Pro-duktionen sowie Nebennutzungen ohne ausreichende Überwachung, Be-ginn TBT-Einsatz.
5
1961 – 1980
Bohr- und Schneid-öle, PCB, Emulsio-nen, Fungizide, Bak-terizide. Schwerme-tallsalze, Blei, Cyani-de, TCP, Säurebeizen und Detergentien, Rostschutzanstriche, Antifouling-Farben, große Mengen an Mineralölen, Lö-sungsmittel aller Art.
ölige Metallspä-ne, Ölschlämme mit PCB, Här-tereiabfälle, Schwermetalle, Farb-, Lösungs-mittel- & Sand-strahlrückstände.
Entölen der Späne mit CKW, ungere-gelte Abfallentsor-gung.
5
1981 – Gegenwart
Bohr- und Schneid-öle, Emulsionen, Fungizide, Bakterizi-de, Schwermetallsal-ze, Cyanide, Säure-beizen und Detergen-tien, Rostschutzan-striche, Antifouling-Farben, Mineralöle, BTEX.
ölige Metallspä-ne, Ölschlämme, Schwermetalle, Härtereiabfälle, Sandstrahl- & Farbrückstände, Lösungsmittel-reste.
Ablagerung von Abfällen auf zuge-lassenen Deponien; Verbot von ver-schiedenen Schad-stoffen, Zunahme von Zulieferungen, Anfang der 1990er Jahre Verbot von Antifouling-Farben.
4
Branchenklasse 0: kein Gefährdungspotential Branchenklasse 1: Gefährdungspotential sehr gering Branchenklasse 2: Gefährdungspotential gering Branchenklasse 3: Gefährdungspotential mäßig Branchenklasse 4: Gefährdungspotential hoch Branchenklasse 5: Gefährdungspotential sehr hoch
Branchenblatt Schiffswerften und Schiffsreparaturbetriebe Seite 15
Altlasten-Leitfaden Schleswig-Holstein: Erfassung Anhang 11
7 Literaturhinweise
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Altlasten-Leitfaden Schleswig-Holstein: Erfassung Anhang 11 Histinvest - Dr. Klaus Schlottau, Bremen
Branchenblatt Schlosserei
Inhaltsverzeichnis Seite 1 Bezeichnung der Branche 2
2 Historischer Überblick 2
3 Arbeitstechniken 2 3.1 Allgemeiner Verfahrensablauf 2 3.2 Spanende Bearbeitungen 3 3.3 Verbindung von Metallteilen 4 Schweißen 4 Löten 5 Klebetechniken 6
4 Umweltrelevante Verfahrens- und Produktionsschritte sowie Verun-
reinigungspotentiale 6
5 Gesetzliche Ausführungsvorschriften für verwendete Stoffe/Stoffgruppen 7
6 Altlastrelevante/altlastirrelevante Nutzungszeiträume 8 Dreherei 8 Schweißerei und Löterei 9
7 Literaturhinweise 10
Abb. 1: Kunstschlosserei (u.a. Lampen) zu Beginn des 20. Jahrhunderts. Links eine kleine Drehbank sowie eine Standbohrmaschine (Quelle: STADL-MANN).
Branchenblatt Schlosserei Seite 2
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1 Bezeichnung der Branche
Die Schlosserei ist ein mittelständischer, überwiegend handwerklicher Betrieb, der
Halbzeuge bearbeitet. Die Produkte einer Schlosserei sind einerseits Einzelanferti-
gungen von Maschinenteilen oder mechanischen Geräten, andererseits handelt es
sich um Reparaturdienstleistungen an Maschinen oder Maschinenteilen. Im Gegen-
satz zur feinmechanischen Werkstatt werden in der Regel jedoch keine elektrome-
chanischen Teile angefertigt. Man unterscheidet den typischen Schlossereibetrieb,
z.B. den Geldschrankbau, von den Schlossereibetrieben, die ihr Gewerbe überwie-
gend auf Baustellen ausführen, wie z.B. den Bauschlossereien, die den Heizungs-
und Anlagenbaubetrieben näher stehen.
2 Historischer Überblick
Die Schlosser entwickelten sich aus der Berufsgruppe der Kleineisenschmiede, die
Berufsbezeichnung „Schlosser“ resultiert aus dem geläufigsten Produkt, dem
Schloss zum Verschließen von Türen oder Truhen.
Ursprünglich benutzten die Schmiede zur Verbindung von Metallen das Schweißen
oder Nieten, während Schlosser das Löten und Schrauben zur Verbindung von Tei-
len verwendeten. Dies trifft heute nur noch für die Kunstschlossereibetriebe zu. Die
meisten Schlossereien nutzen inzwischen alle gängigen Metallbearbeitungstechni-
ken und verfügen im Rahmen der räumlichen Möglichkeiten zumeist auch über eine
kleine Dreherei oder Fräserei, um Einzelanfertigungen durchführen zu können. Ver-
einzelt wurden historisch in kleinem Maßstab auch Gussarbeiten ausgeführt. Seit
1988 werden Schmieden und Schlossereien gemäß der Handwerksrolle unter dem
Begriff „Metallbau“ zusammengefasst.
Es handelt sich fast immer um kleinere und mittelständische Betriebe mit selten
mehr als zwanzig, zumeist jedoch nur zwei bis fünf Mitarbeitern, die in allen Metall-
bearbeitungstechniken versiert sind.
3 Arbeitstechniken
3.1 Allgemeiner Verfahrensablauf
Bei der Bearbeitung von metallischen Werkstücken ist zum Einen eine Bearbeitung
massiver Teile und zum Anderen eine formende sowie verbindende Bearbeitungs-
technik von Blechen und Profilen zu unterscheiden.
Massive Teile wie Stab- oder Rundeisen werden durch Bohren, Drehen, Fräsen,
Feilen und Polieren, wie auch in einer Dreherei oder Maschinenfabrik üblich, bear-
beitet.
Branchenblatt Schlosserei Seite 3
Altlasten-Leitfaden Schleswig-Holstein: Erfassung Anhang 11
Bleche und Profile werden abgelängt, abgekantet und dann durch Schweißen, Lö-
ten, Nieten oder Verschrauben zu einem Gehäuse zusammengefügt. Wird in einer
größeren Schlosserei eine Serienfertigung eingerichtet, so kann das Gehäuse auch
in einer Gießerei angefertigt werden, um den Produktionsablauf zu verbessern. In
diesem Fall ist der Übergang zur Maschinenfabrik fließend.
Abb. 2: Bearbeitung einer Messerwalze in einer Maschinenschlosserei der
1960er Jahre. Der Drehmeißel auf dem Support wird horizontal wie ein
Hobel eingesetzt (Quelle: RUBY).
3.2 Spanende Bearbeitungen
Spanende Metallbearbeitungen sind Arbeitsvorgänge, die aus einem rohen Werk-
stück eine bestimmte Form nach vorgegebenen Maßen herausarbeiten, indem mit
Hilfe schneidender Werkzeuge Metallspäne abgenommen werden. Spanende Ar-
beitsgänge sind Fräsen, Bohren, Drehen, Sägen, Feilen, Hobeln und Schaben. Bis
zur Mitte des 19. Jahrhunderts wurden die meisten dieser Arbeiten mit Hilfe von
Handwerkzeugen durchgeführt. Seither wurden immer mehr Werkzeugmaschinen
konstruiert, die jeweils einem spezifischen Zweck dienen: Drehbänke, Fräsbänke,
Hobelbänke, Bohrmaschinen etc.. Erst mit diesem Entwicklungsschritt wurden die
Standardisierung und Serienfertigung möglich.
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Altlasten-Leitfaden Schleswig-Holstein: Erfassung Anhang 11
Durchschnittlich werden bei spanenden Bearbeitungen, mit Ausnahme des Bohrens,
ca. 20 – 30 % des Werkstoffgewichtes entfernt. Den dabei entstehenden Metallspä-
nen haften immer Fette, Öle oder Kühlmittelemulsionen an, die als wesentliche
Quelle für branchentypische Verunreinigungen anzusehen sind. Der nicht mehr
nutzbare Anteil der Kühlschmierstoffe kann Mineralöle - zumeist Gemische mit Pa-
raffinen, Naphthenen und ca. 10 % Aromaten - und Zusätze wie Hochdruckadditive,
Stabilisatoren, Korrosionsinhibitoren und Biozide enthalten. Zwischen dem Ende der
1920er Jahre und dem Ende der 1970er Jahre enthielten fast alle in offenen Syste-
men verwendeten Kühlschmierstoffe auch PCB.
3.3 Verbindung von Metallteilen
Zur metallurgischen Verbindung von Eisenteilen (Schweißen) wurden bis zur indust-
riellen Revolution überwiegend Techniken angewandt, die bereits aus den Schmie-
den bekannt sind. Nichtmetallurgische Verbindungstechniken wie Nieten oder
Schrauben waren und sind bei den Schlossern die Regel.
Schweißen
Das Schweißen ist ursprünglich eine Verbindungstechnik aus der Schmiede, bei der
zwei Werkstücke gleichartiger Beschaffenheit unter hoher Temperatur und hohem
punktuellen Druck, der durch den Schmiedehammer erzeugt wird, verbunden wer-
den. Diese Technik der Eisenbearbeitung wurde seit dem Ende des 19. Jahrhun-
derts in schnellem Tempo durch das Schweißen mit Hilfe brennbarer Gase abgelöst.
Die Vorteile der neuen Methode lagen darin, dass einerseits diese Verbindungs-
technik auch auf Baustellen außerhalb der eigentlichen Werkstatt eingesetzt werden
konnte, andererseits aber gegenüber dem Nieten, für das beide Metallteile einander
überlappen müssen, bis zu 15 % Material eingespart wurden.
Die Schweißdrähte enthalten Borax, Kieselsäure, Flussspat sowie verschiedene
Kohlenstoffe, um die Schlacken dünnflüssig zu halten, aber auch um den Kohlen-
stoffgehalt des Stahls nicht zu vermindern. In Sonderfällen werden zuvor spezielle
Schweißpulver auf die Schweißnaht gestreut, um bestimmte Wirkungen zu erzielen
oder zu verhindern.
Als brennbare Gase sind, je nach Höhe der gewünschten Schweißtemperatur, Was-
sergas, Acetylen, Propan und Butan in Gebrauch. Für die Verschweißung starkwan-
diger Werkstücke wird auch Thermit eingesetzt, während sich für dünne Bleche die
Elektroschweißanlagen mit Einsatz von inerten Schutzgasen durchgesetzt haben.
Wassergas wurde in der Regel nicht in den Werkstätten hergestellt, sondern von
Gas- oder Hüttenwerken bezogen, so dass Verunreinigungen bei der Herstellung
nicht zu berücksichtigen sind.
In vielen Betrieben gab es seit dem Beginn des 20. Jahrhunderts Acetylenanlagen
zur Herstellung des Gases aus der Verbindung von Calciumkarbid mit Wasser. Für
Branchenblatt Schlosserei Seite 5
Altlasten-Leitfaden Schleswig-Holstein: Erfassung Anhang 11
Betriebe mit mehr als fünf Mitarbeitern und einer festen Werkstatt kann man davon
ausgehen, dass bis in die Nachkriegszeit Acetylen selbst hergestellt wurde.
Thermit wird seit Beginn des 20. Jahrhunderts für die Schweißung dickwandiger
Stahlwerkstücke eingesetzt. Thermit ist ein Gemenge von Aluminium- und Eisen-
oxidpulver, Bariumperoxid sowie Magnesit, das unter starker Hitzeentwicklung ver-
brennt und dabei alle Metalloxide aus ihren Verbindungen verdrängt, so dass nahe-
zu sauberes Metall entsteht. Als Abfallprodukt fällt Aluminiumschlacke an.
Die seit etwa 1910 ebenfalls verwendete Elektroschweißung hat keine Altlastenrele-
vanz, da keine umweltgefährdenden Abfallprodukte entstehen.
Löten
Beim Löten werden zwei Metallteile, zumeist Bleche, durch die Zuführung eines er-
wärmten Metalles oder einer Metalllegierung mit einer geringeren Schmelztempera-
tur verbunden. Die Werkstücke müssen zu diesem Zweck vollständig sauber und
fettfrei sein.
Beim Löten werden durch erhitzte Lötkolben oder durch brennbare Gase die beiden
Werkstücke auf eine Temperatur aufgeheizt, die der Schmelztemperatur des Lotes
entspricht, so dass dieses auf die Verbindungsstelle fließt und dort erstarrt. Zu un-
terscheiden sind grundsätzlich zwei Lötverfahren: Weich- und Hartlöten. Der Unter-
schied wird einerseits durch die Schmelztemperatur des Lotes (ober- oder unterhalb
von 450° C) definiert, andererseits über die Haltbarkeit der Verbindung und die Art
der Metalle.
Weichlot besteht überwiegend aus einer Legierung von Blei und Zinn, gelegentlich
auch etwas Wismut. Es wird benutzt zur Verbindung von Zinn, Eisenblechen (Kon-
servendosen), Zinn-Zinklegierungen, Zink, Kupfer und Eisen. In den letzten Jahr-
zehnten wurden dem Weichlot auch zunehmend Cadmium, Antimon und Silber zu-
gefügt. Hartlot besteht überwiegend aus Kupfer mit einem geringen Anteil von Zink,
Zinn und Silber. Mit diesem Lot werden überwiegend Kupferrohre, Messing, Gold,
Silber und Aluminium verlötet.
Zur Reinigung der metallischen Oberflächen sowie als Flussmittel wird in der Regel
eine Lötpaste oder Löttinktur aufgetragen, die entsprechend der gewünschten Ver-
bindungsart zusammengesetzt ist. Sie kann Borax, Wasserglas, Natriumphosphat
oder Aluminiumphosphat enthalten. Je nach Erfordernis können ätzende oder redu-
zierende Bestandteile hinzugefügt sein. Als ätzende Stoffe kommen Salzsäure,
Zinkchlorid oder Zinkammoniumchlorid in Frage, als reduzierende Verbindungen
Kolophonium (Pinienharz), Stearine, Terpentin, Kaliumcyanid oder Salmiak.
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Altlasten-Leitfaden Schleswig-Holstein: Erfassung Anhang 11
Abb. 3: Schlosser bei Schweißarbeiten um 1930 (Quelle: GESELLSCHAFT FÜR
VOLKSKUNDE IN SCHLESWIG-HOLSTEIN E.V.)
Klebetechniken
Neben den oben beschriebenen Verbindungstechniken haben sich seit dem 19.
Jahrhundert auch klebende oder kittende Verbindungstechniken etabliert. Im Ver-
gleich zu den zuvor genannten Verfahren hat die Klebetechnik eine untergeordnete
Bedeutung, so dass auf eine detaillierte Beschreibung verzichtet wird.
Als potentiell verunreinigende Stoffe aus dem Schlossereibetrieb sind also insbe-
sondere Schwermetalle und einige Lösungsmittel, z.B. Benzin, anzusehen.
4 Umweltrelevante Verfahrens- und Produktionsschritte
sowie Verunreinigungspotentiale
Eine Schlosserei besteht aus einem komplexen Gefüge aller bekannten Metallbear-
beitungstechniken.
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Altlasten-Leitfaden Schleswig-Holstein: Erfassung Anhang 11
In der Dreherei können neben den üblichen Verlusten an Mineralölen/Hydraulikölen
aus den Maschinen insbesondere die Kühlschmierstoffe zu Verunreinigungen ge-
führt haben. An den Metallspänen hafteten durchschnittlich ca. 8 % Kühlschmierstof-
fe, so dass relativ bedeutende Mengen auf den Sammelplätzen der Drehspäne nach
und nach in den Boden gelangen konnten. Da Späne mit anhaftendem Öl auf dem
Rohstoffmarkt schlechte Preise erzielten, wurden sie in Gitterkörben oder in durch-
löcherten Fässern vor dem Verkauf zumeist mit Kaltreinigern (CKW) oder anderen
Fett- und Öllösern eingesprüht und hinterher mit Wasser unter hohem Druck abge-
spritzt. Auf diese Weise gelangten die Kühlschmierstoffe und Lösungsmittel in das
Abwasser und den Boden. Ebenso wurden Maschinen, Werkzeuge und Werkstücke
unter Einsatz von Lösungsmitteln gereinigt.
Aus der Anwendung von speziellen Verbindungstechniken resultiert nur eine geringe
Gefährdungsvermutung. Handhabungsverluste beim Einsatz von Hilfsstoffen kön-
nen aber u.U. zu einer Kontamination geführt haben.
Ferner sind bei einem kontinuierlichen Werkstattbetrieb die Verunreinigungen mit
Schwermetallen und Säuren - aber auch Laugen - sowie einigen Lösungsmitteln
nicht zu vernachlässigen.
Detaillierte Verunreinigungspotentiale für Schlossereien lassen sich in der Regel erst
erkennen, wenn die Art der Metall- und Oberflächenbehandlung ermittelt wurde. Für
die Beurteilung sind alle Stoffgruppen aus den Bereichen Dreherei, Schweißerei/
Löterei, Beizerei und Poliererei heranzuziehen (siehe Branchenblatt Arbeitstechni-
ken und Verfahren der Metallbearbeitung).
5 Gesetzliche Ausführungsvorschriften für verwendete
Stoffe/Stoffgruppen
Tabelle 1 Altlastrelevante Stoffe und ihr zeitlicher Einsatz
Stoff Nutzung Verstärkte
Anwendung
ab
Verwendungs-
beschränkung/
Verbot
PCB (Polychlorierte Biphenyle).
1
Einsatz in Kühlölen, um die Ent-zündungstemperatur zu erhöhen.
ca. 1930 1978/1989
Wassermischbare Kühlschmierstoffe (N-Nitrosamin-Bildung).
2
Schmier- und Kühlmittelersatz für Öle mit Flammschutzmitteln.
ca. 1955 1997
PCP (Pentachlor- phenol).³
Einsatz in Emulsionen zur Halt-barmachung.
ca. 1930 1986/1989
LCKW.4 Lösungs- und Reinigungsmittel
(Kaltreiniger) insbesondere für verölte Späne.
ca. 1925 1981/1986 (zum Teil)
BTEX.5 Lösungs- und Reinigungsmittel im
Werkstattbetrieb. ca. 1925 1986 (zum Teil)
1
26.7.1978 10.BImSchV: Verwendungsbeschränkung auf geschlossene Systeme; 18.7.1989, PCB-Verbotsverordnung: Herstellungs-, Inverkehrsbringungs- und Verwen- dungsverbot, 1993 durch ChemVerbotsV abgelöst.
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Altlasten-Leitfaden Schleswig-Holstein: Erfassung Anhang 11
2 4/1997 Technische Regel für Gefahrstoffe TRGS 611, Verwendungsbeschränkungen für
wassermischbare bzw. wassergemischte Kühlschmierstoffe, bei deren Einsatz N-Nitrosamine auftreten können (Verbot von Nitrit im KSS) 3
26.8.1986 GefStoffV: Verwendungsbeschränkung für PCP, z.B. nicht in Aufenthaltsräumen einzusetzen; 12.12.1989 PCP-Verbotsverordnung: Herstellungs-, Inverkehrsbringungs- und Verwen- dungsverbot, 1993 abgelöst durch ChemVerbotsV. 4 9/1981 Technische Regel für gefährliche Arbeitsstoffe TrgA 502: Verwendungsbeschrän-
kung für Tetrachlorkohlenstoff; 21.4.1986 2.BImSchV: Verordnung zur Emissionsbeschränkung von leichtflüchtigen Halogenwasserstoffen, Anwendungsbeschränkungen 1990 in der Neufassung verschärft. 5 26.8.1986 GefStoffV: Verwendungsbeschränkung für Benzol auf geschlossene Systeme.
6 Altlastrelevante/altlastirrelevante Nutzungszeiträume
Bis zum Ende des 19. Jahrhunderts sind keine wesentlichen Veränderungen in der
stofflichen Bearbeitung oder in der Zusammensetzung der Hilfsstoffe für die Metall-
industrie bekannt. Es erfolgte lediglich eine Maschinisierung und Mechanisierung
der bisherigen Handarbeit. Die Fortschritte der chemischen Industrie und Metallurgie
seit dem Beginn des 20. Jahrhunderts veränderten jedoch nach und nach auch die
Zusammensetzung der Werk- und Hilfsstoffe. Diese Veränderungen betrafen insbe-
sondere die Arbeitsbereiche der Dreherei und der Schweißerei.
Insbesondere während des Zweiten Weltkrieges waren Schlossereibetriebe und
Schlossereiabteilungen in Großbetrieben mit Drehbänken, die sich für die Granaten-
dreherei eigneten, der Kontrolle ziviler Aufsichtsbehörden weitgehend entzogen und
daher häufig in baulichen Anlagen untergebracht, die für Gewerbebetriebe auch
nach damaligem Stand der Technik nicht geeignet waren. Es fehlte zumeist an einer
Befestigung des Fußbodens und an geeigneten Abwasseranlagen. Ähnliches gilt für
die Nachkriegszeit, in der behördliche Kontrollen meist nur in eingeschränktem Ma-
ße durchgeführt wurden.
Dreherei
Durch die verbesserten Schneidstähle ergaben sich zunehmend höhere Schnittge-
schwindigkeiten, die eine Schmierung und Kühlung der Werkstücke und Werkzeuge
zwingend erforderlich machten. Während anfänglich noch Seifenwasser, das auf die
Grenzflächen gespritzt wurde, zur Werkzeug- oder Werkstückkühlung ausreichte,
wurde seit der Einführung der Schnellschnittstähle zunehmend auf wärmeleitende
und hochsiedende Öle und Emulsionen zurückgegriffen. Diese Öle enthielten seit
dem Ende der 1920er Jahre Chlororganika (z.B. PCB) als Flammschutz. Die was-
serhaltigen Emulsionen mussten mit Emulgatoren, Stabilisatoren und Mikrobioziden
(z.B. PCP) haltbar gemacht werden. Mit einer verstärkten Anwendung ist in Schles-
wig-Holstein etwa seit Anfang der 1930er Jahre zu rechnen.
Steigende Metallpreise zwischen 1960 und 1980, besonders nach der Einführung
des Abfallwirtschaftsgesetzes, führten zudem dazu, Drehspäne in möglichst saube-
rer Form wiederzuverwenden, so dass diese häufig schon beim Erzeuger mit Kalt-
reinigern oder anderen Lösungsmitteln entölt wurden.
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Altlasten-Leitfaden Schleswig-Holstein: Erfassung Anhang 11
Schweißerei und Löterei
Schweiß- und Lötarbeiten wurden und werden seltener auf befestigten Böden aus-
geführt, weil glühende Schweißperlen, explodierende Schlacken sowie heiße Lot-
Tropfen auf einem Betonboden auseinanderspritzen und so die Arbeitskräfte verlet-
zen können. Wie auch in den Schmieden werden daher solche Arbeiten oft auf Sand
ausgeführt, so dass sich im unbefestigten Boden einer Werkstatt neben den übli-
chen Eisenfeilspänen und Schlacken auch Schwermetalle jeder Art sowie Hilfsstoffe
wie Säuren, Laugen und Flussmittel befinden können. In Abhängigkeit von der Dau-
er der Werkstattnutzung kann der Oberboden unterschiedlich stark verunreinigt
sein. Wurde der Sand gelegentlich ausgewechselt, gelangte er meist zur Befesti-
gung auf die Betriebsfläche. Aus den abgelagerten Abfallstoffen können u.U. im
sauren Milieu Schwermetalle herausgelöst werden.
Die Acetylenanlage befand sich wegen der Explosionsgefahr zumeist abseits der
Werkstatt in einem Schuppen, neben dem dann auch die Absetzbecken für Karbid-
schlamm (Calciumhydroxid) zu suchen sind. Es ist nicht auszuschließen, dass die-
ser Schlamm auch auf das Betriebsgelände verbracht wurde. Karbidschlämme kön-
nen aufgrund ihrer Alkalität einen Einfluss auf die Löslichkeit von Schadstoffen im
Boden bzw. Grundwasser haben.
Tabelle 2 Zusammenfassung aller altlastrelevanten Aspekte und Zuordnung zu den Branchenklassen SH. Zeitspanne Hilfsstoffe Nebenprodukte Altlastrelevante
Aspekte
Branchen-
klasse SH
bis 1900 Seifen und Wasser,
Leinöle, Rüböle, ge-
ringe Mengen Mine-
ralöle, Lotmaterial
Metallspäne Keine Abwasser-
anlagen, keine
Bodenbefesti-
gung
0
1900 – 1930 Seifen, Wasser, erste
Bohröle ohne PCB;
Zunehmende Mengen
an Mineralölen, Lot-
material, erste Lö-
sungsmitteleinsätze
gering verölte Me-
tallspäne, Formsan-
de, Karbidschlamm
keine Abwasser-
anlagen, keine
Bodenbefesti-
gung
0
1931 – 1960 Bohr- und Schneid-
öle, PCB, Emulsio-
nen, Fungizide, Bakte-
rizide, Lotmaterial,
Lösungsmittel aller Art
ölige Metallspäne;
Ölschlämme mit
PCB, Schwermetal-
le; Lösungsmittel-
rückstände, Karbid-
schlamm
Im Einzelfall ab
1930 in den
Drehspanlagern
Abscheider auf
Weisung der
Gewerbeaufsicht
nachweisbar.
3
1961 – 1980 Bohr- und Schneid-
öle, PCB, Emulsio-
nen, BTEX, CKW,
Fungizide, Bakterizi-
de, Lotmaterial, Säu-
rebeizen und Deter-
gentien
ölige Metallspäne,
Ölschlämme mit
PCB, Schwermetalle
und Schwermetall-
salze; Lösungsmit-
telrückstände
Entölen der Spä-
ne mit CKW.
4
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Altlasten-Leitfaden Schleswig-Holstein: Erfassung Anhang 11
1981 – Ge-
genwart
Bohr- und Schneid-
öle, Emulsionen,
BTEX, Fungizide,
Bakterizide, Lotmate-
rial, Säurebeizen und
Detergentien
ölige Metallspäne,
Ölschlämme,
Schwermetalle und
Schwermetallsalze
Verbot von ver-
schiedenen
Schadstoffen,
geregelte Ab-
fallentsorgung.
3
Branchenklasse 0: kein Gefährdungspotential Branchenklasse 1: Gefährdungspotential sehr gering Branchenklasse 2: Gefährdungspotential gering Branchenklasse 3: Gefährdungspotential mäßig Branchenklasse 4: Gefährdungspotential hoch Branchenklasse 5: Gefährdungspotential sehr hoch
7 Literaturhinweise
BERNSDORF, G.: Auf heißen Spuren. Vom Schmieden, Löten, Schweißen. Leipzig,
1986.
GESELLSCHAFT FÜR VOLKSKUNDE IN SCHLESWIG-HOLSTEIN E.V. (HRSG.):
Handwerk in Schleswig-Holstein, 1900 bis heute. Schriftenreihe der Gesellschaft für
Volkskunde in S.-H., Band 2. Edition Barkau, Großbarkau, 1997.
HOCH, J.: Der praktische Bauschlosser. Ein Hand- und Nachschlagewerk für
Schlosser mit einem Anhang. Leipzig, 1905.
HOFFMANN, M.: Handbuch der praktischen Werkstatt-Mechanik, Metall- und Holz-
dreherei. Wien, Leipzig, 1925.
KRAUTH; MEYER: Die Kunst- und Bauschlosserei in ihrem gewöhnlichen Umfange
mit besonderer Berücksichtigung der kunstgewerblichen Form. 2 Bände. Leipzig,
1897.
LEHNER, S.: Die Kitte und Klebemittel. Ausführliche Anleitung zur Darstellung aller
Arten von Kitten und Klebemitteln für Glas, Porzellan, Metalle, Leder, Eisen, Stein,
Holz. Wien, 1899.
LOSS, A.: Handbuch der Dreherei. Leipzig, 1920.
RUBY, J.: Werkzeug-Maschine. Magdeburg, 1997.
SACHS; EISBEIN; KUNTZE; LINICUS: Spanlose Formung der Metalle. Mitteilungen
der Deutschen Materialprüfanstalten, Sonderheft 16. Berlin, 1931.
SCHLOSSER, E.: Das Löten und Schweißen. Die Lote, Lötmittel und Lötapparate
und das autogene Schweißen der Metalle. Wien, 1922.
STADLMANN, F.: Vom Tagwerk der Jahrhundertwende. Europa-Verlag, Wien,
1985.
STAU, C. H.: Die Drehmaschinen, Drehbänke und verwandte Werkzeugmaschinen.
Berlin, Göttingen und Heidelberg, 1963.
Branchenblatt Schlosserei Seite 11
Altlasten-Leitfaden Schleswig-Holstein: Erfassung Anhang 11
STEINBRINGS; MAIER: Der praktische Maschinenschlosser und Mechaniker. Ber-
lin, 1942.
WEINER, R.: Die Abwässer der Metallindustrie (Metallverarbeitende und galvano-
technische Betriebe), 3. erweiterte Auflage. Eugen Leuze Verlag, Saulgau, 1965.
WITTMANN, K.: Die Entwicklung der Drehbank. Berlin, 1941 (2. Auflage Düsseldorf,
1960).
Altlasten-Leitfaden Schleswig-Holstein: Erfassung Anhang 11 Histinvest - Dr. Klaus Schlottau, Bremen
Branchenblatt Schmiede
Inhaltsverzeichnis Seite 1 Bezeichnung der Branche 2 2 Historischer Überblick 2 3 Allgemeiner Verfahrensablauf 2
3.1 Entwicklung des Verfahrensablaufs seit 1880 3 Handwerkliche Schmiedebetriebe 3
Industrielle Schmiedebetriebe 4 4 Umweltrelevante Verfahrens- und Produktionsschritte sowie Verun-
reinigungspotentiale 4 4.1 Ländliche Huf- und Grobschmieden 5 4.2 Fahrzeugschmieden und Grobschmiede mit Reparaturbetrieb 5 4.3 Industrielle Schmieden 6 4.4 Spezialschmieden 6
5 Gesetzliche Ausführungsvorschriften für verwendete Stoffe/Stoffgruppen 7 6 Altlastrelevante/altlastirrelevante Nutzungszeiträume 8 7 Literaturhinweise 9
Abb. 1: Schmiede eines Bauunternehmens in den 1950er Jahren (Quelle:
STADTARCHIV KIEL).
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Altlasten-Leitfaden Schleswig-Holstein: Erfassung Anhang 11
1 Bezeichnung der Branche
Als Schmiede wird in dieser Darstellung ein Gewerbebetrieb bezeichnet, der Ge-
brauchsgegenstände, Halbzeuge und Werkzeuge durch schlagende Verformung
aus Roheisen herstellt. Gegenstand sind also Hufschmieden, Kunstschmieden, Na-
gelschmieden, Sensen- und Klingenschmieden sowie Hammerwerke.
Schmieden, die Nichteisenmetalle bearbeiten, z.B. Kupferschmiede, Goldschmiede
etc., werden an dieser Stelle nicht behandelt und haben in Schleswig-Holstein in
aller Regel auch keine Altlastenrelevanz.
Seit 1988 werden Schmieden und Schlossereien gemäß der Handwerksrolle unter
dem Begriff „Metallbau“ zusammengefasst.
2 Historischer Überblick
Der dörfliche Hufschmied, der Ausbildung nach ein Grobschmied, wird in Schleswig-
Holstein im Zuge der Industrialisierung seit Beginn des 20. Jahrhunderts zuneh-
mend zum Vermittler der Mechanisierung in der Landwirtschaft und im Verkehrsge-
werbe, wobei sich zugleich die Zahl der Reparaturen und Ersatzteilimprovisationen
an technischen Gerätschaften und Maschinen stetig erhöht. Der Schmied über-
nimmt allmählich die Funktion eines Maschinenschlossers, ohne unbedingt über
eine Drehbank oder Fräse zu verfügen.
Seit Anfang der 1950 Jahre, als in der Landwirtschaft der Trecker zunehmend ein-
geführt wurde und im Straßenverkehr das Kraftfahrzeug eine größere Bedeutung
gewann, verlagerte der örtliche Hufschmied häufig sein Tätigkeitsfeld in die Berei-
che der Fahrzeug- und Landmaschinenreparaturen, der Blech- und Stahlbauschlos-
serei sowie der Maschinenschlosserei. Mit dieser Funktionsverlagerung war häufig
auch der Beginn eines Handels mit Treibstoffen verbunden.
Im ländlichen Bereich konnten sich auf Grund des höheren Bedarfs an Schmiedear-
beiten an landwirtschaftlichem Gerät die kleingewerblichen Schmieden über einen
längeren Zeitraum bis in die 1980er Jahre hinein halten und sind vereinzelt auch
heute noch in ländlichen Regionen vertreten.
3 Allgemeiner Verfahrensablauf
Unter Schmieden versteht man die spanlose Warmformung von Metallen. Durch
Erwärmung im holzkohlen- oder koksbefeuerten Schmiedefeuer, Wärme- oder
Glühofen bzw. elektrisch durch Induktion, wird ein metallischer Werkstoff in einen
knetbaren Zustand überführt, und anschließend durch schlagartigen oder kontinuier-
lichen Druck nach Bedarf bearbeitet. Die Formung des erwärmten Metalls erfolgt
entweder in weitgehender Handarbeit als sogenanntes „Freiformschmieden“ oder
unter Einsatz verschiedener formender Hilfsmittel und Maschinen als sogenanntes
„Gesenkschmieden“.
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Altlasten-Leitfaden Schleswig-Holstein: Erfassung Anhang 11
Das fertige Schmiedestück wird im Glühofen abermals erwärmt, um die durch das
Schmieden und das Abkühlen an der Luft entstandenen Spannungen zu beseitigen,
und die ursprüngliche Festigkeit, Elastizität und Kerbzähigkeit des Materials wieder-
herzustellen.
An die Stelle des einfachen Glühens tritt vielfach die Härtung als „Vergütung“. Auch
hierbei wird das Schmiedestück zunächst im Glühofen abermals erwärmt, anschlie-
ßend jedoch mit hoher Geschwindigkeit abgekühlt. Diese sogenannte „Abschre-
ckung“ bewirkt eine erhebliche Härtesteigerung. Gebräuchliche Abschreckmittel sind
nach dem Grad ihrer Wirkung Wasser (oft unter Zusatz von Natronlauge und Koch-
salz), Öle (fette Pflanzenöle wie auch dünnflüssige Mineralöle), Blei und Druckluft.
Dem Härten folgt abschließend das sogenannte „Anlassen“, eine langsame und
bestimmte Zeit anhaltende Erwärmung des Schmiedestücks. Dies geschieht in der
Regel wiederum im Glühofen, zuweilen auch durch Auskochen in Wasser oder Öl,
und beseitigt die im Schmiedestück bei der Härtung aufgebauten Zugspannungen.
Nach Abschluss dieses Prozesses wird das Schmiedestück gelegentlich spanend
(z.B. durch Bohren oder Fräsen) weiterbearbeitet.
3.1 Entwicklung des Verfahrensablaufs seit 1880
Der Verfahrensablauf der spanlosen Warmformung von Metallen hat sich seit 1880,
dem Beginn der Industrialisierung in Deutschland, nicht in allen Schmiedebetrieben
synchron entwickelt. Zu unterscheiden sind im Wesentlichen handwerkliche und
industrielle Schmiedebetriebe. Als Abgrenzungskriterium kann der Einsatz von
Dampf- und Lufthämmern, hydraulischen Pressen und Stanzen sowie von Här-
tungs-, Entfettungs- und Beizanlagen dienen. Diese stellen im handwerklichen
Schmiedebetrieb weitgehend die Ausnahme dar.
Handwerkliche Schmiedebetriebe
Bei ländlichen Schmiedebetrieben handelte es sich bis in die 1940er Jahre vor-
wiegend um Eisen-, Grob- oder Hufschmieden. Da die Arbeitsteilung auf dem Land
nicht sehr stark ausgeprägt war, erwartete man vom Schmied, dass er eine Reihe
von Arbeiten beherrschte, die in der Stadt auf verschiedene Gewerbe verteilt waren.
Schwerpunkte seiner Tätigkeit waren überwiegend:
Hufeisenfertigung nebst Hufbeschlag,
Eisenarbeiten an Wagen (insbesondere am Rad und an der Achse),
Eisenarbeiten an Ackergeräten,
Anfertigung und Reparatur der wichtigsten Werkzeuge und Arbeitsgeräte; Repa-
ratur- und Wartungsarbeiten.
Bis zum Ende des Zweiten Weltkrieges behielt das Schmieden von Hufeisen und
der Hufbeschlag seine Bedeutung. Mit dem zunehmenden Einsatz von Maschinen
in der Landwirtschaft übernahm der ländliche Schmied etwa seit Anfang der 1950er
Jahre vermehrt auch deren Reparatur. Vielfach entwickelte sich der Schmiedebe-
trieb dadurch zum Landmaschinenfachbetrieb für Handel und Reparatur.
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Altlasten-Leitfaden Schleswig-Holstein: Erfassung Anhang 11
Bei städtischen Schmiedebetrieben handelte es sich oft um spezialisierte
Schmieden. So gab es u.a. Draht-, Büchsen-, Grob-, Nagel-, Klein-, Waffen-, Mes-
ser-, Zeug- und Zirkelschmiede.
Mit Zunahme des Kraftfahrzeugverkehrs wurden die ursprünglichen Fähigkeiten der
Schmiede immer weniger in Anspruch genommen, was vor allem in städtischen
Betrieben eine Umorientierung oder Schließung des Betriebes zur Folge hatte. Die
Wandlung vollzog sich maßgeblich in Richtung KFZ-Werkstatt bzw. Schlosserei.
Industrielle Schmiedebetriebe
Mit der Industrialisierung und dem Fortschreiten der Maschinenentwicklung stieg der
Bedarf an größeren und standardisierten Schmiedestücken (Serienfertigung) konti-
nuierlich an. Dieser konnte vom handwerklichen Schmiedebetrieb nicht mehr ge-
deckt werden, so dass sich größere Betriebe entwickelten, in denen vermehrt Ma-
schinen zum Einsatz kamen.
Zur Erwärmung des Metalls setzte sich um die Jahrhundertwende der Wärmeofen
durch. Die anschließende Formung erfolgte entweder durch Freiformschmieden
oder durch Schmieden im Gesenk, mit dem Aufkommen entsprechender hydrauli-
scher Maschinen seit den 1930er Jahren auch durch Pressen.
Das Freiformschmieden umfasste im Wesentlichen Ambossarbeiten, Winkelschmie-
dearbeiten, Dampfhammerarbeiten sowie Pressarbeiten. Die wichtigsten Arbeits-
vorgänge waren hierbei das Strecken und Absetzen, Stauchen und Nieten, Biegen
und Richten, Lochen und Aufhauen sowie Abhauen und Kreuzen.
Werkstücke, die eine besondere Kunstfertigkeit verlangten oder in „Serie“ gefertigt
werden sollten, wurden im Gesenk geschmiedet. Maschinen und Einrichtungen ei-
ner Gesenkschmiede waren im wesentlichen Spindelpressen, Exzenterpressen (als
Abgratpressen und zum Stanzen von schwachen Blechen), verschiedene maschi-
nell angetriebene Hämmer wie Fall-, Dampf- und Lufthammer, hydraulische Pressen
und Waagerechtschmiedemaschinen sowie Walzmaschinen.
4 Umweltrelevante Verfahrens- und Produktionsschritte sowie Verunreinigungspotentiale
Die handwerkliche Schmiede war gewöhnlich mit einem Stampflehmboden oder
mit losem Sand als Schutz vor Eisenspritzern ausgelegt, meist besaß nur der Am-
boss ein Fundament. Daher sind Eisenteile und Rost neben der Asche des Schmie-
defeuers gewöhnlich die einzigen Abfallprodukte dieser Schmieden.
Die Einführung eines mechanischen Hammers deutet in der Regel auf den Über-
gang zur industriellen Produktion hin. Mit dem Einsatz eines Fallhammers geht da-
her häufig auch der Beginn der Verwendung besonderer Härteverfahren und Wär-
mebehandlungen mit umweltrelevanten Stoffen einher.
Branchenblatt Schmiede Seite 5
Altlasten-Leitfaden Schleswig-Holstein: Erfassung Anhang 11
Häufig ist mit der Entwicklung zur industriellen Schmiede auch die Einführung
spanabhebender Formgebungsverfahren (Drehen, Fräsen) mit anschließender
Oberflächenbearbeitung durch Härten, Schleifen, Polieren, Grundieren, Lackieren
oder eine Oberflächenbeschichtung verbunden.
War der Boden einer Schmiede nicht befestigt, konnten dabei flüssige Schadstoffe
ungehindert in den Boden gelangen, so dass Schmieden im Übergang zum Indust-
riebetrieb ein erhöhtes Gefahrenpotential aufweisen können.
4.1 Ländliche Huf- und Grobschmieden
Als umweltrelevante Verfahrens- und Produktionsstoffe kommen in Betracht:
- Eisenteile und Eisenspäne, Schlacken und Aschen;
- tierische, pflanzliche und mineralische Fette und Öle in geringem Umfang.
Für alle Schmieden dieser Art besteht in der Regel bis in die Gegenwart keine Ge-
fährdungsvermutung.
4.2 Fahrzeugschmieden und Grobschmieden mit Reparaturbetrieb
Als umweltrelevante Verfahrensschritte und Produktionsstoffe sind hier zu nennen:
- Eisenteile und Eisenspäne, Schlacken und Aschen;
- tierische, pflanzliche und mineralische Fette und Öle als Schmierstoffe;
- das Härten einzelner Werk-/ Schmiedestücke in mineralischen Ölen;
- die spanende bzw. schleifende Weiterbearbeitung einzelner Werkstücke, z.B.
beim Schärfen von Schneidewerkzeugen oder bei Maschinenreparaturen führte
zum Anfallen und zur Ablagerung von Metallspänen sowie Schleifstäuben;
- Verunreinigungen durch Reparatur- und Wartungsarbeiten an Fahrzeugen, Ma-
schinen und landwirtschaftlichen Geräten;
- Verunreinigungen durch Kraftstoffe und Lösungsmittel.
Schmieden mit Reparaturdiensten entstanden vorwiegend in zentralen Orten, an
den Einfallstraßen zu den Städten sowie in größeren Dörfern mit überörtlichem
Durchgangsverkehr. Infolge der Motorisierung kamen ab etwa 1950 verstärkt Folge-
nutzungen wie Kraftfahrzeug- und Landmaschinenreparaturen, Kraftfahrzeug- und
Landmaschinenhandel sowie sonstige Werkstätten und Tankstellen hinzu. Damit
nahm die Altlastenrelevanz dieser Standorte rasch zu, weil die ursprünglichen Be-
triebseinrichtungen und baulichen Einrichtungen der Schmieden beibehalten wur-
den, so dass Schadstoffe ggf. in den Untergrund eindringen konnten.
Branchenblatt Schmiede Seite 6
Altlasten-Leitfaden Schleswig-Holstein: Erfassung Anhang 11
4.3 Industrielle Schmieden
Als umweltrelevante Verfahrensschritte und Produktionsstoffe sind hier in Betracht
zu ziehen:
- Eisenteile und Eisenspäne, Schlacken und Aschen;
- das Härten einzelner Werk-/ Schmiedestücke in mineralischen Ölen oder
Bleibädern;
- Verunreinigungen durch Reparatur- und Wartungsarbeiten an Maschinen und
Geräten;
- Verunreinigungen durch ortsfeste Kraftmaschinen (Dampfmaschinen, Diesel-
kraftmaschinen etc.), Hydraulikpumpen sowie Kompressoren;
- der Einsatz größerer Maschinen wie z.B. Dampf- und Fallhämmer, hydraulische
Pressen und Stanzen einschließlich zugehöriger Kompressionsanlagen, die eine
Verwendung von Schmierölen und -fetten sowie von Hydraulik- und Kompresso-
renölen erfordern;
- die chemische Vor-/ Nachbehandlung der Werkstoffe/-stücke in Härtungs-, Ent-
fettungs- und Beizanlagen;
- die spanende Weiterbearbeitung von Werkstücken durch Bohren, Fräsen o.ä.,
bei dem es u.a. zum Einsatz von Bohr- und ggf. Schneidölen kommt.
Der Übergang zur industriellen Fertigung setzte in Schleswig-Holstein zumeist erst
Anfang des 20. Jahrhunderts ein. Entscheidende Indikatoren sind der Übergang von
einfachen Fallhämmern zu hydraulischen Pressen und Drucklufthämmern sowie die
Einführung spanabhebender Maschinen. Aus der Grobschmiede entwickelte sich
häufig eine mechanische Werkstatt. Die Folgenutzungen sind durch den Maschinen-
oder Apparatebau bestimmt.
4.4 Spezialschmieden
In Städten bestanden neben den Kleinschmieden, die als Vorstufen vieler Schlosse-
reien zu betrachten sind, spezielle Schmieden. Insbesondere die Waffenschmieden
können infolge der Nachbehandlung durch Härten und konservierende Überzüge
ein erweitertes Schadstoffspektrum aufweisen. Neben der Härterei und spanabhe-
benden Arbeitsschritten sind als weiterer Unterschied besonders die Schleif- und
Polierarbeiten hervorzuheben.
Bezüglich der umweltrelevanten Produktionsschritte und -stoffe wird auf Kapitel 4.2
verwiesen. Eine hohe Gefährdungsvermutung für die Branche besteht allerdings nur
bei der Produktion im industriellen Maßstab (siehe Kapitel 4.3). Hier ist die Existenz
einer eigenen Galvanik sowie von Härtebädern und Kompressoranlagen zu überprü-
fen.
Der Einsatz chlororganischer Lösungsmittel (z.B. PER) zum Entfetten und Reinigen
von Werkstücken tritt erst in Betrieben der Nachkriegszeit verstärkt auf. Hydrauli-
sche Pressen und damit PCB-haltige Öle als Kontaminanten sind seit den 1930er
Jahren im Einsatz, davor wurde die mechanische Kraft mit Dampf-, Luft- und Fall-
hämmern übertragen.
Branchenblatt Schmiede Seite 7
Altlasten-Leitfaden Schleswig-Holstein: Erfassung Anhang 11
Eine weitere Kontaminationsvermutung ergibt sich aus der Verwendung von Entfet-
tungs-, Beiz- und Wärmebehandlungsbädern (Öl- und Bleibäder), bei denen Lecka-
gen und Handhabungsverlusten nicht auszuschließen sind. Weiterhin ist mit Verun-
reinigungen durch die Ablagerung von Badrückständen, Metallspänen sowie
Schmiermittelresten auf unbefestigtem Betriebsgelände zu rechnen.
Potentielle Schadstoffe sind somit:
Metall- und Schwermetallverbindungen (u.a. Blei, Zink);
Säuren, Laugen (Fluss-, Chrom-, Schwefel-, Salz-, Phosphorsäure, Natron-,
Kalilauge);
beim industriellen Maßstab auch Cyanide (Härtesalze, Beiz- und Galvanisier-
bäder);
BTEX, CKW (Entfettungs- und Reinigungsbäder);
Öle (Schmierstoffe);
PCB (Hydraulikanlagen) und
schwermetallhaltige Schlämme.
5 Gesetzliche Ausführungsvorschriften für verwendete Stoffe/Stoffgruppen
Für Schmiedebetriebe liegen keine speziellen Ausführungsvorschriften vor. Ansons-
ten gilt primär für industrielle Schmieden:
Tabelle 1 Altlastrelevante Stoffe und ihr zeitlicher Einsatz
Stoff Nutzung Verstärkte
Anwendung ab
Verwendungs- beschränkung/
Verbot
PCB (Polychlo-rierte Biphenyle).
1
Einsatz in Kühlölen, um die Ent-zündungstemperatur zu erhöhen.
ca. 1930 1978/1989
Wassermischbare Kühlschmierstoffe (N-Nitrosamin-Bildung).
2
Schmier- und Kühlmittelersatz für Öle mit Flammschutzmitteln.
ca. 1955 1997
PCP (Pentachlor-phenol).³
Einsatz in Emulsionen zur Halt-barmachung.
ca. 1930 1986/1989
LCKW.4 Lösungs- und Reinigungsmittel
(Kaltreiniger) insbesondere für verölte Späne.
ca. 1925 1981/1986 (zum Teil)
BTEX.5 Lösungs- und Reinigungsmittel
im Werkstattbetrieb. ca. 1925 1986 (zum Teil)
1 26.7.1978 10.BImSchV: Verwendungsbeschränkung auf geschlossene Systeme;
18.7.1989, PCB-Verbotsverordnung: Herstellungs-, Inverkehrsbringungs- und Verwen- dungsverbot, 1993 durch ChemVerbotsV abgelöst. 2 4/1997 Technische Regel für Gefahrstoffe TRGS 611, Verwendungsbeschränkungen für
wassermischbare bzw. wassergemischte Kühlschmierstoffe, bei deren Einsatz N-Nitrosamine auftreten können (Verbot von Nitrit im KSS). 3
26.8.1986 GefStoffV: Verwendungsbeschränkung für PCP, z.B. nicht in Aufenthaltsräumen einzusetzen;
Branchenblatt Schmiede Seite 8
Altlasten-Leitfaden Schleswig-Holstein: Erfassung Anhang 11
12.12.1989 PCP-Verbotsverordnung: Herstellungs-, Inverkehrsbringungs- und Verwen- dungsverbot, 1993 abgelöst durch ChemVerbotsV. 4 9/1981 Technische Regel für gefährliche Arbeitsstoffe TrgA 502: Verwendungsbeschrän-
kung für Tetrachlorkohlenstoff; 21.4.1986 2.BImSchV: Verordnung zur Emissionsbeschränkung von leichtflüchtigen Halogenwasserstoffen, Anwendungsbeschränkungen 1990 in der Neufassung verschärft. 5 26.8.1986 GefStoffV: Verwendungsbeschränkung für Benzol auf geschlossene Systeme.
6 Altlastrelevante/altlastirrelevante Nutzungszeiträume
Die Verformung des Eisens mit dem Schmiedehammer und anderen Handwerkzeu-
gen wie z.B. in der typischen dörflichen Hufschmiede ist nicht mit dem Einsatz von
umweltgefährdenden Stoffen verbunden. In den Werkstatträumen können allerdings
geringe Mengen abspritzenden Eisens und herausgeschlagener Kohlenstoffschla-
cken sowie Aschen auf den oft unbefestigten Boden gelangen. Eine nachhaltige
Verunreinigung ist damit jedoch nicht gegeben.
Abgesehen von den wasserbetriebenen Hammerwerken bildet der Einsatz mecha-
nisch betriebener Hämmer Ende des 19. Jahrhunderts den Übergang zur Fertigung
großer Einzelteile oder zur Serienfertigung in Gesenkschmieden, der mit einem er-
höhten Verbrauch an umweltgefährdenden Stoffen einhergeht. Diese Maschinen
wurden jedoch nur in großen Fabriken eingesetzt. Mit der Einführung von Gasma-
schinen und verstärkt noch durch die flächendeckende Elektrifizierung wurden auch
handwerkliche Schmieden mit kleineren und mittleren mechanischen Hämmern und
Einzelantrieb ausgestattet, so dass sie ab ca. 1930 zu mittelständischen Gewerbe-
betrieben heranwuchsen.
Die Konversion der Rüstungsindustrie nach 1918 führte zu einem Preiseinbruch für
Werkzeugmaschinen, so dass auch der kleinere Betrieb günstig an Stanzen, Stand-
bohrmaschinen und spanabhebenden Maschinen gelangen konnte. Mit diesem Ma-
schinenpark, ähnlich dem einer Schlosserei, wurde oft noch bis zum Beginn der
1950er Jahre unter der Bezeichnung „Schmiede“ gearbeitet.
Ein Teil der Schmieden, insbesondere im ländlich-kleinstädtischen Einzugsgebiet,
konzentrierte sich bei ähnlicher Maschinenausstattung seit Beginn der 1950er Jahre
auf Reparaturen und Wartungen an Fahrzeugen und Landwirtschaftsmaschinen.
Seit dem Ende der 1950er Jahre sind nach und nach die Huf- und Grobschmieden
sowie die Fahrzeugschmieden aus dem Erscheinungsbild der Dörfer und Städte
verschwunden, es blieben zumeist nur die Kunstschmieden, die heute dem Kunst-
gewerbe zugerechnet werden. Alle anderen Schmieden haben ihr Betätigungsfeld
ausgeweitet und sind zu Handelsunternehmen für Fahrzeuge und Maschinen oder
zu mechanischen Werkstätten, Schlossereien, Maschinenfabriken oder einem ande-
ren metallbearbeitenden Betrieb geworden.
Die nachfolgende Tabelle vermittelt einen Überblick über die zeitbezogene Zuord-
nung der verschiedenen Schmiedetypen zu den „Branchenklassen SH“:
Branchenblatt Schmiede Seite 9
Altlasten-Leitfaden Schleswig-Holstein: Erfassung Anhang 11
Tabelle 2: Zeitbezogene Zuordnung zu den Branchenklassen SH
Zeitraum Huf-
schmiede (Kap. 4.1)
Fahrzeug- schmiede (Kap. 4.2)
Städtische Klein-
schmieden
Industrielle Schmieden (Kap. 4.3)
Spezial- schmieden (Kap. 4.4)
bis 1900 0 0 0 0 0
1900 – 1920 0 0 0 0 0
1921 - 1930 0 0 0 4 3
1931 – 1950 0 2 2 4 3
1951 – 1965 0 3 3 4 3
1966 - 1980 0 Erloschen 2 4 2
1981 – Gegen-wart
0 Erloschen 2 3 2
Branchenklasse 0: kein Gefährdungspotential Branchenklasse 1: Gefährdungspotential sehr gering Branchenklasse 2: Gefährdungspotential gering Branchenklasse 3: Gefährdungspotential mäßig Branchenklasse 4: Gefährdungspotential hoch Branchenklasse 5: Gefährdungspotential sehr hoch
7 Literaturhinweise
GRÜNINGER: Die Arbeiten des Wagenschmieds. Wangen i. Allgäu, 1924.
HOERNER, L.: Agenten, Bader und Copisten. Hannoversches Gewerbe ABC 1800-
1900. Hannover, 1995.
KAESBERG, H.: Entwicklung der Schmiedetechnik. Handbuch der Schmiedetech-
nik, Band A2. Berlin, 1944.
KETTEMANN, O.: Handwerk in Schleswig-Holstein. Geschichte und Dokumentation
im Schleswig-Holsteinischen Landesmuseum. Studien zur Volkskunde und Kultur-
geschichte Schleswig-Holsteins, Seminar für Volkskunde der Christian-Albrechts-
Universität Kiel, Band 18. Neumünster, 1987.
LITZ, V. (HRSG.): Spanlose Formung. Schmieden, Stanzen, Pressen, Prägen, Zie-
hen. Schriften der Arbeitsgemeinschaft Deutscher Betriebsingenieure, Band IV. Ber-
lin, 1926.
LUNGWITZ, A.: Der Lehrmeister im Hufbeschlag, 19. Auflage. 1925.
OETLING, C. (HRSG.): Schmiede und Schmiede-Technik. Ein Handbuch für Be-
triebsleiter, Schmiedemeister und Studierende. München und Berlin, 1920.
PALLA, R.: Verschwundene Arbeit. Ein Thesaurus der untergegangenen Berufe.
Frankfurt a.M., 1994.
ROHR, B.; WIELE, H. (HRSG.): Lexikon der Technik. VEB Bibliographisches Institut
Leipzig, 1982.
Branchenblatt Schmiede Seite 10
Altlasten-Leitfaden Schleswig-Holstein: Erfassung Anhang 11
ROTH, E.: Schmieden im Wandel der Zeiten. In: Almanach des Verlages Georg
D.W. Callwey für das Jahr 1963. München, 1963.
SCHNEIDER, A.: Gesenkschmieden, 2. Auflage. Essen 1925.
WARTENBERG, E.: Die Reparaturarbeiten des Schmiedes. Umfassend: Die Repa-
raturen an Automobilen, an Fahrrädern, an landwirtschaftlichen Arbeits-, Kraft- und
Hilfsmaschinen nebst einer Abhandlung über Elemente des Wagenbaus. Berlin,
1916.
Altlasten-Leitfaden Schleswig-Holstein: Erfassung Anhang 11 Histinvest - Dr. Klaus Schlottau, Bremen
Branchenblatt Stahlbau
Inhaltsverzeichnis Seite 1 Bezeichnung der Branche 2 2 Historischer Überblick 2 3 Allgemeiner Verfahrensablauf 3 4 Umweltrelevante Verfahrens- und Produktionsschritte sowie Ver-
unreinigungspotentiale 5 5 Gesetzliche Ausführungsvorschriften für verwendete Stoffe/
Stoffgruppen 6 6 Altlastrelevante/altlastirrelevante Nutzungszeiträume 6 7 Literaturhinweise 8
Branchenblatt Stahlbau Seite 2
Altlasten-Leitfaden Schleswig-Holstein: Erfassung Anhang 11
1 Bezeichnung der Branche
Aufgabe eines Stahlbaubetriebes ist die Herstellung eiserner Konstruktionen aus
tragenden Profileisen und abdeckenden Blechen. Es handelt sich hierbei um die
Verbindung von Metallteilen hauptsächlich durch Vernietung, Verschraubung oder
Verschweißung mit der Absicht, z.B. ein tragendes Bauteil, eine Hallenkonstruktion
oder einen Behälter herzustellen. Stahlbaubetriebe im erweiterten Sinne sind daher
z.B. auch Werften oder Fahrzeugbaubetriebe.
Stahlbaubetriebe gehören zu den mittelständischen Unternehmen mit einer Beleg-
schaft von 20 bis 200 Mitarbeitern. Sie verfügen meist über ein ausgedehntes Ei-
senlager mit Eisensägen oder Brennschneideinrichtungen unter einer Überdachung
oder in einem Schuppen, einer Werkstatt, einem Feuerverzinkungsbad, einem Platz,
auf dem größere Konstruktionsteile zusammengestellt werden können, sowie über
einen Schwerlastfuhrbetrieb.
2 Historischer Überblick
Eisen- und Stahlbaubetriebe für Konstruktionen im oben genannten Sinne haben
sich aus dem Gewerbe der Blechschmiede und der Kupferschmiede entwickelt.
Frühe Zeugnisse entstanden im Zusammenhang mit der Entstehung von Hochöfen,
die Profileisen im Guss herstellten, so z.B. die ersten eisernen Brückenbauten in
England zur Mitte des 18. Jahrhunderts, dem sich bald der Kesselbau (Dampfma-
schine) anschloss. Es folgten seit 1830 der Streckenausbau der Eisenbahnen in
Europa und die großtechnischen Anlagen der Gaswerke, für die Kessel in bisher
nicht gekannten Dimensionen erforderlich waren.
Mit dem Stahlbau waren häufig Rohrleitungsbauten verbunden, so dass Stahlbau-
betriebe in aller Regel auch Rohrleitungen in Gaswerken oder Raffinerien erstellten.
Im Zuge des Eisenbahnbaus wurden die hölzernen Bahnhofsgebäude am Ende des
19. Jahrhunderts zunehmend durch eiserne Konstruktionen ersetzt, mit denen ein
Übergang des Gewerbes in den Bereich der Stahlhochbauten, also der tragenden
Gerüste von Hochhäusern verbunden war. Zeitlich parallel hierzu entstanden riesige
Sende- und Empfangsantennen, die Überlandleitungen der Elektrizitäts- und Tele-
fongesellschaften und der Oberleitungsbau der nach und nach elektrifizierten Stra-
ßen- bzw. Eisenbahnen.
Während des Ersten und des Zweiten Weltkrieges wurden im küstennahen Gebiet
viele Stahlbaubetriebe mit der Einzelfertigung von Schiffsteilen, insbesondere
U-Bootsektionen, oder der Fertigung von Bootsrümpfen beauftragt. Einzelne Betrie-
be fertigten auch Panzerwannen, Geschütztürme sowie Hebewerkzeuge. Alle ge-
nannten Arbeitsbereiche sowie der Container– oder Behälterbau, der seit dem Ende
der 1960er Jahre stetig zunimmt, bilden auch heute noch das Hauptarbeitsgebiet
des Stahlbaus.
Branchenblatt Stahlbau Seite 3
Altlasten-Leitfaden Schleswig-Holstein: Erfassung Anhang 11
3 Allgemeiner Verfahrensablauf
Die Bearbeitung metallischer Werkstücke in Form von Profilen und Blechen zu Kon-
struktionselementen oder Hohlkörpern wie z.B. Containern unterscheidet sich deut-
lich von der formgebenden Bearbeitung massiver Metallteile. Profile und Blechtafeln
werden abgelängt, abgekantet und dann durch Schweißen, Nieten oder Verschrau-
ben zu einem Stahlgerippe oder Gehäuse zusammengefügt. Eine formgebende
Bearbeitung der metallischen Werkstücke durch Drehen, Fräsen, Feilen und Polie-
ren, wie in einer Dreherei oder Maschinenfabrik üblich, findet in aller Regel nicht
statt.
Bis in die 1920er Jahre wurden eiserne Konstruktionen durch Vernietung oder Ver-
schraubung hergestellt. Nietungen wurden besonders für den Behälterbau einge-
setzt, weil die erkaltende Niete eine gas- und flüssigkeitsdichte Verbindung erzeu-
gen konnte. Verschraubungen wurden eingesetzt, um eine schnelle Demontage zu
ermöglichen, während Vernietungen überwiegend bei Konstruktionen eingesetzt
wurden, die auf Dauer konzipiert waren.
Stahlbaubetriebe fertigen Konstruktionsteile nach eigenen oder fremden Zeichnun-
gen an. Die benötigten Profile und Bleche werden im Lagerbereich mit Hilfe von
Sägen oder Brennschneideinrichtungen geschnitten und in die Werkstatt transpor-
tiert. Bis zu diesem Arbeitsschritt sind die Verfahrenstätigkeiten mit denen identisch,
die auch im Eisengroßhandel und in Bauschlossereien ausgeführt werden.
In der Werkstatt werden die Schnittkanten gefast, Bohrungen mit Hilfe von Stand-,
Handbohrmaschinen oder Stanzen angefertigt, Streben, Verbindungsbleche und
Laschen vorbereitet und zum Teil auch bereits befestigt. Sofern keine Feuerverzin-
kung als Korrosionsschutz vorgesehen ist, werden die Einzelteile der Konstruktion
dann einer ersten Grundierung mit Mennige unterzogen.
Bauteile, die ständig der Witterung ausgesetzt sind, werden generell in einer Feuer-
verzinkerei behandelt. Größere Werke, die kontinuierlich gleichartige Stahlkonstruk-
tionen anfertigen (z.B. Gittermasten), besitzen fast immer eine eigene Verzinkerei.
Verwendet das Werk hingegen viele verschiedenartige Formen und Dimensionen
der Profile oder Bleche, wird die Arbeit meist einer selbständigen Verzinkerei über-
tragen (siehe Branchenblatt Galvanische und Feuermetall-Industrie).
Die korrosionsgeschützten Einzelteile werden anschließend in einer Werkhalle oder
auf einem Freiplatz durch Nieten oder Schweißen fest verbunden. Überdimensiona-
le Bauteile werden in transportable Segmente gegliedert, die erst auf der Baustelle
zusammengefügt werden.
Das ältere Verbindungsverfahren des Nietens wurde bis zum Ende der 1920er Jah-
re durchgeführt. Es erfordert eine Überlappung der beiden zu verbindenden Teile
durch Metalllaschen. Die Teile waren in der Regel zuvor mit einem Korrosionsschutz
versehen worden, der im Gesamtbereich der Überlappung durch Bürsten und
Schleifen egalisiert werden musste, damit ein beständiger Kraftschluss erreicht wur-
de. Anschließend wurden die glühenden Nieten eingesetzt und aufgestaucht, zu-
sätzlich wurden die Bereiche mit Hammer und Meißel verstemmt.
Branchenblatt Stahlbau Seite 4
Altlasten-Leitfaden Schleswig-Holstein: Erfassung Anhang 11
Die mechanische Beanspruchung des Oberflächenschutzes durch Niethämmer,
Meißel und Transportwerkzeuge führte fast immer zu Abplatzungen, so dass hier
der Oberflächenschutz durch den Anstrich mit Mennige oder Zinksalzlösungen er-
neuert werden musste. Ein deckender Anstrich fand für die meisten Konstruktions-
teile erst auf der Baustelle statt. Tanks erhalten jedoch häufig eine Innenbeschich-
tung, die vor Flüssigkeitsverlusten oder Korrosion, z.B. durch den aggressiven In-
halt, schützen soll. Zumeist handelte es sich hierbei historisch um Beschichtungen
aus Teer, Ölfarbe oder Walzblei. Diese Werkstoffe wurden bis zur Gegenwart fast
vollständig durch Kunststoffe ersetzt.
Ende der 1920er Jahre etablierte sich die auf den Schiffswerften bereits weit ver-
breitete Schweißung auch im Bereich des Stahlbaus, weil so bis zu 15 Prozent des
Eisengewichtes gespart werden konnten und die arbeitskraftintensive Vorbereitung
und Durchführung der Nietung fortfiel. Ein Schweißer konnte so drei Nieter ersetzen.
Für die Autogen- und die Elektroschweißung muss nur noch der unmittelbare Kon-
taktbereich beider Teile vom Korrosionsschutz befreit werden. Nach der Schwei-
ßung werden die Schweißschlacken entfernt und der Korrosionsschutz auf der
schmalen Naht erneuert.
Abb. 1: Anwendung von Schweißautomaten um 1950 (Quelle: VEREIN DEUT-
SCHER MASCHINENBAU-ANSTALTEN).
Durch die Einführung der Schweißtechnik stieg der Bedarf an Acetylengas, das oft-
mals in betriebseigenen Anlagen hergestellt wurde. Diese befanden sich zumeist
wegen der Explosionsgefahr abseits der Werkstätten in Schuppen, neben denen
auch die Absitzbecken für den Karbidschlamm lagen.
Branchenblatt Stahlbau Seite 5
Altlasten-Leitfaden Schleswig-Holstein: Erfassung Anhang 11
Mit dem Beginn der Elektroschweißung wurden die Gasentwickler und Druckspei-
cher für die Acetylenherstellung zum Teil durch ortsfeste oder mobile Transformato-
ren sowie durch Gleichrichter ersetzt. Zeitlich parallel stieg der Einsatz von Sand-
strahleinrichtungen an. Der Sandabfall wurde zusammen mit den Rostpartikeln und
eventuellen Farbresten als Kehricht häufig auf dem Firmengelände deponiert.
Die Endmontage von Konstruktionsteilen des Eisen- und Stahlbaus findet in der
Regel auf der Baustelle statt, wo gegebenenfalls nochmals Grundierungen und
Deckanstrich aufgetragen werden. Mit der Einführung des Containerbaus wurden
Stahlbaubetriebe oft jedoch um eine Lackiererei erweitert, die die Container mit ei-
nem Deckanstrich versieht.
4 Umweltrelevante Verfahrens- und Produktionsschritte sowie Verunreinigungspotentiale
Der eigentliche Stahlbau weist nur eine geringe Schadstoffvielfalt auf. Das mögliche
Schadstoffspektrum umfasst überwiegend Eisenschrott und Sandstrahlrückstände.
Schweißarbeiten wurden und werden seltener auf befestigten Böden ausgeführt,
weil glühende Schweißperlen und Schlacken auf einem Betonboden auseinander-
spritzen und so die Arbeitskräfte verletzen können. Wie in den Schmieden werden
daher solche Arbeiten oft auf Sand oder abgesandeten Fundamenten ausgeführt, so
dass sich Eisenspäne, Schlacken und Schwermetallen im Sand ansammeln kön-
nen. Wurde dieser gelegentlich ausgewechselt oder ausgefegt, gelangte er meist
zur Befestigung auf die Betriebsfläche, so dass dort eine Schwermetallkontaminati-
on des Oberbodens nicht auszuschließen ist.
Zusätzlich können im Stahlbau hohe Belastungen durch schwermetallhaltige Farben
und Reste aus der Verzinkerei oder der Lackiererei auftreten, da die Eisen- und
Stahlkonstruktionen mittels Grundierungen, Oberflächenbehandlung und Farbe vor
Rostbildung geschützt werden müssen (siehe Branchenblatt Galvanische und Feu-
ermetall-Industrie bzw. Lackiererei).
Außerdem fallen Karbidschlämme aus den Acetylengasentwicklern an. Dieser
Schlamm wurde häufig auf dem Betriebsgelände abgelagert und kann aufgrund
seiner Alkalität einen Einfluss auf die Löslichkeit von Schadstoffen im Boden bzw.
Grundwasser haben.
Im Bereich hydraulischer Maschinen ist der mögliche Einsatz von PCB-haltigen
Ölen zu berücksichtigen. PCB wurden auch den Kühlölen in den Transformatoren
zugesetzt.
Für den Transport der fertigen Konstruktionsteile sind oft eigene Speditionsfirmen
vorhanden, die z.T. eigene Betriebshöfe (Wartung, Tankstelle etc.) betreiben, wo-
raus sich weitere Verunreinigungspotentiale ableiten.
Branchenblatt Stahlbau Seite 6
Altlasten-Leitfaden Schleswig-Holstein: Erfassung Anhang 11
Detaillierte Schadstoffspektren für Stahlbaubetriebe lassen sich in der Regel erst
zusammenstellen, wenn die Art der Oberflächenbehandlung sowie etwaige bran-
chenfremde Aktivitäten bekannt sind.
5 Gesetzliche Ausführungsvorschriften für verwendete Stoffe/Stoffgruppen
Tabelle 1 Altlastrelevante Stoffe und ihr zeitlicher Einsatz
Stoff Nutzung Verstärkte Anwendung
ab
Verwendungs-beschränkung/
Verbot
BTEX.1 Lösungs- und Reinigungsmittel im Werk-
stattbetrieb sowie in den Lackierereien. ca. 1930 1986 (zum Teil)
PCB (Poly-chlorierte Biphenyle).
2
Einsatz in Kühlölen von Transformatoren, um die Entzündungstemperatur zu erhö-hen, sowie in Hydraulikölen.
ca. 1930 1978/1989
Schwerme-talle.
3
Beschichtungsmetalle in den Elektrolyt-bädern
ca. 1880 1993 (zum Teil)
LCKW.4 Lösungs- und Reinigungsmittel (Kaltrei-
niger) im Werkstattbetrieb sowie in den Lackierereien.
ca. 1925 1981/1986 (zum Teil)
1 26.8.1986 GefStoffV: Verwendungsbeschränkung für Benzol auf geschlossene Systeme.
2 26.8.1986 GefStoffV: Verwendungsbeschränkung für PCP, z.B. nicht in Aufenthaltsräumen
einzusetzen; 18.7.1989, PCB-Verbotsverordnung: Herstellungs-, Inverkehrsbringungs- und Verwendungsverbot, 1993 durch ChemVerbotsV abgelöst. 3
26.10.1993 GefStoffV: Mengenbeschränkung für Arsen-Gehalt; Verwendungsbeschrän- kung für Cadmium 4 9/1981 Technische Regel für gefährliche Arbeitsstoffe TrgA 502: Verwendungsbeschrän-
kung für Tetrachlorkohlenstoff; 21.4.1986 2.BImSchV: Verordnung zur Emissionsbeschränkung von leichtflüchtigen Halogenwasserstoffen, Anwendungsbeschränkungen 1990 in der Neufassung verschärft.
6 Altlastrelevante/altlastirrelevante Nutzungszeiträume
Bis in die 1920er Jahren sind keine wesentlichen Veränderungen im Stoffeinsatz
bekannt. Es handelte sich lediglich um eine Maschinisierung und Mechanisierung
der bisherigen Handarbeit.
Im Bereich hydraulischer Maschinen ist seit Beginn der 1930er Jahre bis zu ihrem
Verbot der mögliche Einsatz von PCB-haltigen Ölen zu berücksichtigen. Dies gilt
auch für die Kühlöle in den Transformatoren.
Acetylengasentwickler wurden in den 1960er Jahren durch die Anlieferung von Gas-
flaschen ersetzt. Etwa zeitgleich entstanden in vielen Betrieben eigene Fuhrunter-
nehmen mit Betriebshöfen.
Durch die Verwendung schwermetallhaltiger Farben (Bleimennige etc.) für den Kor-
rosionsschutz oder den Einsatz einer eigenen Verzinkerei ergibt sich ein weiteres
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Altlasten-Leitfaden Schleswig-Holstein: Erfassung Anhang 11
Gefährdungspotential. Das Abschleifen von Mennige und Zink vor der Vernietung
oder Schweißung führt zu Belastungen durch Blei, Zink und Sandstrahlabfälle. Ein
weiterer Faktor kann das Auftragen von Deckfarben (Lacken) und der entsprechen-
de Einsatz von Lösungsmitteln sein. Seit Beginn der 1980er Jahre hat sich die Zahl
der auf dem Betriebsgelände durchgeführten Lackierungen stetig erhöht.
Während der Weltkriege waren Stahlbaubetriebe häufig für die Rüstungsproduktion
tätig und somit der Kontrolle ziviler Aufsichtsbehörden weitgehend entzogen. Sie
befanden sich häufig in baulichen Anlagen, die für Gewerbebetriebe auch nach da-
maligem Stand der Technik nicht geeignet waren. Es fehlte zumeist an einer Befes-
tigung des Fußbodens sowie an geeigneten Abwasseranlagen. Ähnlich sind die
Nachkriegszeiten zu beurteilen, da behördliche Kontrollen zu diesem Zeitpunkt nur
eingeschränkt durchgeführt wurden.
Tabelle 2 Zusammenfassung aller altlastrelevanten Aspekte und Zuordnung zu
den Branchenklassen SH (ohne Berücksichtigung von Verzinkungs-
oder Galvanisieranlagen). Zeitspanne Hilfsstoffe Nebenprodukte Altlastrelevante As-
pekte Branchen-klasse SH
bis 1930 Teer, Rostschutz-anstriche, geringe Mengen an Mine-ralölen (PCB-frei) oder aliphatischen Lösungsmitteln.
Schleifstäube, Schwermetalle, Karbidschlamm, Sandstrahl- und Farbrückstände
keine Abwasseran-lagen, keine Bodenbe-festigung, während des Krieges ohne ausrei-chende Überwachung, Ablagerung von Rück-ständen auf dem Be-triebsgelände
1
1931 – 1960
Rostschutzanstri-che, zunehmende Mengen an PCB-haltigen Ölen, Lösungsmittel, Teer, Ölfarbe, Walzblei.
Schleifstäube, Schwermetalle, Farbrückstände, Karbidschlamm Lösungsmittel- & Sandstrahlrück-stände.
keine Abwasseranla-gen, keine Bodenbefes-tigung; während des Krieges ohne ausrei-chende Überwachung; Ablagerung von Rück-ständen auf dem Be-triebsgelände
3
1961 – 1980
Rostschutzanstri-che, Lösungsmit-tel, PCB-haltige Öle, Teer, Ölfarbe, Walzblei.
Schleifstäube, Schwermetalle. Farbrückstände,. Lösungsmittel- & Sandstrahlrück-stände
Ablagerung von Rück-ständen auf dem Be-triebsgelände, Zunah-me von Transformato-ren und Gleichrichtern mit PCB-haltigen Ölen, Fuhrpark.
3
1981 – Gegenwart
Rostschutzanstri-che, Lösungsmit-tel, Kunststoffe.
Schleifstäube, Schwermetalle, Lösungsmittel- und Kunststoff-rückstände, Sandstrahl- und Farbrückstände.
Verbot von verschiede-nen Schadstoffen; Ab-lagerung der Rück-stände auf zugelasse-nen Deponien, Fuhr-park.
2
Branchenklasse 0: kein Gefährdungspotential Branchenklasse 1: Gefährdungspotential sehr gering Branchenklasse 2: Gefährdungspotential gering Branchenklasse 3: Gefährdungspotential mäßig Branchenklasse 4: Gefährdungspotential hoch Branchenklasse 5: Gefährdungspotential sehr hoch
Branchenblatt Stahlbau Seite 8
Altlasten-Leitfaden Schleswig-Holstein: Erfassung Anhang 11
7 Literaturhinweise
BERNSDORF, G.: Auf heißen Spuren. Vom Schmieden, Löten, Schweißen. Leipzig,
1986.
HAHN, H.: Eisenhüttenkunde. Eisengießerei, Schmieden, Walzen. Uhland's Hand-
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LUEGER, O. (HRSG.): Lexikon der gesamten Technik und ihrer Hilfswissenschaf-
ten, Band 4 und Band 7, 2. neu bearbeitete Auflage. Deutsche Verlagsanstalt, Stutt-
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VEREIN DEUTSCHER MASCHINENBAU-ANSTALTEN (HRSG.): Spezialisierung,
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WEINER, R.: Die Abwässer der Metallindustrie (Metallverarbeitende und galvano-
technische Betriebe), 3. erweiterte Auflage. Eugen Leuze Verlag, Saulgau, 1965.
Altlasten-Leitfaden Schleswig-Holstein: Erfassung Anhang 11 Histinvest Dr. Klaus Schlottau – Bremen
Branchenblatt Teppichreinigung
Inhaltsverzeichnis Seite 1. Bezeichnung der Branche 2
2. Historischer Überblick 2 3. Allgemeiner Verfahrensablauf 4
4. Umweltrelevante Verfahrens- und Produktionsschritte sowie Ver- 6 unreinigungspotentiale
5. Gesetzliche Ausführungsvorschriften für verwendete Stoffe/ 6 Stoffgruppen
6. Altlastrelevante/altlastirrelevante Nutzungszeiträume 7 7. Literaturhinweise 7
Seite 2 Branchenblatt Teppichreinigung
Altlasten-Leitfaden Schleswig-Holstein: Erfassung Anhang 11
1. Bezeichnung der Branche
Teppiche sind lose verlegte textile Bodenbeläge oder Wandbehänge. Für die Reini-
gung von Teppichen werden große Maschinen benötigt, so dass eine große Arbeits-
fläche (Werkstatt) erforderlich ist. Oftmals bieten große Wäschereien eine Tep-
pichreinigung als lukratives Nebengeschäft an. Darüber hinaus gibt es aber auch
handwerkliche Teppichreinigungen, die nur über transportable Reinigungsgeräte
(oftmals Leihgeräte) verfügen.
Von den Einzelteppichen sind die industriell gefertigten Teppichböden zu unter-
scheiden. Teppichböden sind fast immer fest verklebt, so dass eine Reinigung nur
vor Ort stattfinden kann. Die Teppichbodenreinigung wird zumeist von Betrieben
ausgeführt, die zu den Kunden fahren und dort vor Ort den Teppichboden bearbei-
ten. Die Teppichbodenreinigung wird im Folgenden nicht weiter berücksichtigt.
2. Historischer Überblick
Eine Reinigung von Teppichen wurde in der Vergangenheit durch Ausklopfen und
Ausbürsten erzielt, hartnäckige Flecken wurden gezielt mit Seifen oder tradierten
Fleckenreinigungsmitteln (z. B. Gallseife, Blutlaugensalz etc.) entfernt. Ab 1890
wurden vermehrt Staubsauger zur Säuberung der Teppiche eingesetzt.
Mit Beginn des 20. Jahrhunderts entwickelte sich die Teppichreinigung in den
Städten aber auch zum Nebengewerbe der Wäschereien. Die Teppiche wurden
von der Wäscherei beim Kunden abgeholt und nach der Reinigung auch wieder
zurückgebracht.
Abb. 1: Bildausschnitt: Teppichreinigung als Abteilung einer Großwäscherei,
1927 (Quelle: ROGGENHOFER).
Seite 3 Branchenblatt Teppichreinigung
Altlasten-Leitfaden Schleswig-Holstein: Erfassung Anhang 11
Da Partikelschmutz einen unverhältnismäßig hohen Teil der Reinigungsstoffe bin-
det, wurde der Teppich zunächst manuell oder mechanisch ausgeklopft, gebürstet
und gesaugt. Anschließend wurde eine handwarme Seifenlösung eingebürstet und
dann der Teppich ausgespült. Da viele Teppiche mit blutenden Farben hergestellt
worden waren, wurde zumeist Salz zugesetzt und der ganze Vorgang so schnell
wie möglich abgeschlossen, um das Entfärben oder Verfärben zu vermeiden. Die
nassen Teppiche wurden anschließend mit Hilfsmitteln, z.B. Karrenwalzen, in
Großbetrieben auch schon mit Hilfe von speziellen Mangeln oder Schleudern,
entwässert und dann schonend getrocknet.
Einige Flecken im Teppich waren auf diese Weise jedoch nicht zu entfernen. Es
handelte sich zumeist um neu eingeführte Stoffe, die, wie z.B. das Petroleum für
die Zimmerbeleuchtung, nicht in Wasser und Seife zu lösen waren. Diese Flecken,
deren Zahl und Verschiedenartigkeit mit voranschreitender Industrialisierung im-
mer größer wurde, wurden mit Hilfe von Detachiermitteln, z.B. mit Benzin, behan-
delt (vgl.: Branchenblatt Chemische Reinigung). Es lag daher nahe, die erprobten
liegenden geschlossenen Benzinwaschmaschinen der Reinigungen nach dem
üblichen Ausklopfen auch für den ganzen Teppich zu nutzen: Teer, Fette sowie
Öle wurden problemlos aufgelöst und die wasserlöslichen Farben konnten nicht
ausbluten. Die Vorteile dieses Verfahrens wurden jedoch dadurch aufgehoben,
dass die Farben nach dem Trocknen des Lösungsmittels stumpf wurden, und dass
ferner enorme Mengen Lösungsmittelverluste beim Mangeln, Schleudern und
Trocknen auftraten. Gegen die Benzinreinigung sprach weiterhin, dass der übliche
wasserlösliche Schmutz vom Benzin in der Regel nicht einmal angelöst wurde.
Abb. 2: Benzinteppichwaschmaschine, 1927 (Quelle: ROGGENHOFER).
Hohe Kosten, eine beträchtliche Brandgefahr und der geringe Effekt führten dazu,
dass die Benzinreinigung schon in den 1920er Jahren nicht mehr ausgeführt wur-
de. In der Regel wird seither die Teppichreinigung mit Wasser, milden Seifen und
mechanischem Aufwand betrieben. Verbleibende Flecken werden mit den han-
Seite 4 Branchenblatt Teppichreinigung
Altlasten-Leitfaden Schleswig-Holstein: Erfassung Anhang 11
delsüblichen Fleckenreinigungsmitteln (vgl. Branchenblatt Chemische Reinigung –
Detachurmittel) behandelt.
3. Allgemeiner Verfahrensablauf
Der schmutzige Teppich wird in der Wäscherei oder Teppichreinigung zunächst
intensiv ausgeklopft, gebürstet und gesaugt. Bei diesem Reinigungsvorgang können
bereits bis zu 1 kg Partikelschmutz pro m² entfernt werden.
Anschließend wird der Teppich häufig auf dem Boden ausgebreitet und mit einer
milden Neutralseife eingesprüht, die dann mit einer Maschine eingearbeitet wird, so
dass der Teppich bis auf das Bodengeflecht einshampooniert wird. Auf diese Weise
werden sowohl wasserlösliche Verschmutzungen gelöst als auch Feinstaub im
Schaum gebunden. Das mit Schmutz befrachtete Shampoo wird anschließend mit
viel kaltem Wasser fortgespült.
Abb. 3/ 4: Shampoonieren und Klarspülen in der Teppichreinigung (Quelle:
http://www.siamak-teppichcenter.com/index.php/waescherei/)
In den Einzelfäden und Knoten ist nach diesem Vorgang sehr viel Wasser gespei-
chert, so dass eine schnelle Trocknung nur erreicht wird, indem der Teppich ge-
mangelt oder geschleudert wird. Für diesen Zweck sind spezielle Maschinen vor-
handen. Nachdem das Wasser zu großen Teilen beseitigt worden ist, werden die
Teppiche dann an Spannrahmen befestigt und zum Trocknen ausgehängt oder in
Trockenschränken, die mit Warmluft und Ventilatoren ausgestattet sind, schnellge-
trocknet.
Seite 5 Branchenblatt Teppichreinigung
Altlasten-Leitfaden Schleswig-Holstein: Erfassung Anhang 11
Abb. 5: Schema einer Teppichwaschmaschine, 1982 (Quelle: BERNEISER).
Teppichreinigungen, die über entsprechende Spezialmaschinen verfügen, ersetzen
den eigentlichen Reinigungsvorgang, der oben beschrieben wurde, dadurch, dass
der Teppich nicht flach ausgebreitet wird, sondern gleich in eine Maschinen, die
über Einsprühvorrichtungen, rotierende Bürsten, Mangel etc. verfügt, eingebracht
wird. Die Reinigung unterscheidet sich aber weder hinsichtlich der Abfolge noch der
eingesetzten Reinigungsmittel.
Abb. 6: Gesamtschema einer Teppichreinigungsanlage, 1982 (Quelle: BERNEI-
SER),.
Nach dem Trocknen werden die Teppiche nochmals geprüft, ob etwaige wasserun-
lösliche Flecken verblieben sind, die dann mit ausgewählten Detachiermitteln (siehe
oben) beseitigt werden. Anschließend wird der Teppich verpackt und an den Kun-
den ausgeliefert.
Seite 6 Branchenblatt Teppichreinigung
Altlasten-Leitfaden Schleswig-Holstein: Erfassung Anhang 11
4. Umweltrelevante Verfahrens- und Produktionsschritte sowie Verunreinigungspotentiale
Die Einführung der Teppichreinigung mit Benzin verlief zeitlich parallel zur Einfüh-
rung des Benzins als Lösungsmittel in der chemischen Reinigung (vgl.: Branchen-
blatt Chemische Reinigung). Auch in der Teppichreinigung wurde die geschlossene
Waschmaschine eingeführt, die dann möglichst auch noch mit Schutzgas und Ben-
zinseifen betrieben wurde, um eine Entzündung zu vermeiden. Maschinenschleu-
dern oder Mangeln in geschlossener Bauweise mit Schutzgaseinrichtung waren
jedoch technisch zu aufwendig und allein schon der Transport eines nassen, schwe-
ren Teppichs von der Waschmaschine in die Schleuder war mit sehr hohen Lö-
sungsmittelverlusten und Risiken verbunden. Hinzu kam der Mangel, dass die Tep-
piche zumeist nochmals mit Wasser gewaschen werden mussten, um sowohl die
wasserlöslichen Verschmutzungen zu lösen, als auch die durch das trocknende
Benzin verblassten Farben wieder aufzufrischen. Betriebswirtschaftlich und auch
unter reinigungsfachlichen Gesichtspunkten war daher die chemische Reinigung
von Teppichen kein Erfolg und wurde seit dem Anstieg der Benzinpreise während
der Weltwirtschaftskrise eingestellt und nicht wieder aufgenommen.
Mit dem Ende der Benzinreinigung von Teppichen gewann die übliche Reinigungs-
methode, die durch die Benzinreinigung auch nie verdrängt worden war, wieder all-
gemeine Bedeutung. Teppiche werden geklopft, gebürstet, gesaugt, shampooniert,
gespült und dann getrocknet. Allenfalls verbleibende wasserunlösliche Flecken wer-
den mit geringen Mengen chemischer Lösungsmittel ausgetupft. Von der Tep-
pichreinigung geht daher keine Gefährdung der Umwelt aus. Häufig allerdings wird
sie in Kombination mit einer Großwäscherei oder einer großen chemischen Reini-
gung betrieben, so dass Gefährdungen aus diesem Arbeitsbereich gegebenenfalls
zu berücksichtigen sind.
5. Gesetzliche Ausführungsvorschriften für verwendete Stoffe/Stoffgruppen
Im Arbeitsbereich der Teppichreinigung wurde in den 1920er Jahre in manchen Be-
trieben auch Benzin als Hauptlösungsmittel eingesetzt, so dass in diesen Betrieben
mit großen Mengen Lösungsmittelverlusten aus Verkleckerungen, die aus der
schwierigen Handhabung schwerer Teppiche resultierten, zu rechnen ist. Für Ben-
zine sind in dieser Zeitspanne allerdings keine Ausführungsvorschriften vorhanden.
Im Rahmen der Detachur wasserunlöslicher Flecken in den Teppichen wurden und
werden, je nach Art der Flecken, auch heute Lösungsmittel eingesetzt, für die ge-
setzliche Ausführungsvorschriften bestehen. Da es sich jedoch immer um geringste
Mengen handeln wird, wird auf eine ausführliche Beschreibung in dieser Stelle ver-
zichtet.
Seite 7 Branchenblatt Teppichreinigung
Altlasten-Leitfaden Schleswig-Holstein: Erfassung Anhang 11
6. Altlastrelevante/altlastirrelevante Nutzungszeiträume
Die Teppichreinigung mit chemischen Lösungsmitteln beschränkt sich auf eine Zeit-
spanne, die das Jahrzehnt zwischen ca. 1920 und 1929 umfasst. Geringe Reini-
gungswirkung des Benzins auf Alltagsschmutz, hohe Lösungsmittelverluste in der
Handhabung und rasant steigende Benzinkosten am Ende der 1920er Jahre been-
deten jedoch die nur von wenigen Großbetrieben eingeführte Benzinreinigung der
Teppiche. Diese Betriebe waren zumeist nicht selbstständig, sondern Bestandteil
großer Chemischer Reinigungen, so dass sie hier nicht weiter berücksichtigt wer-
den. Da neuere nicht entflammbare Lösungsmittel (Tetra etc.) viel teurer als Benzin
waren und ebenfalls keine Reinigungseffekte auf gewöhnlichen Schmutz hatten,
wurde die chemische Reinigung von Teppichen seither nicht wieder aufgenommen.
Vor und nach dieser Episode wurden Teppiche ganz traditionell zunächst mecha-
nisch und dann mit Wasser und Seifenlösungen gereinigt.
Tabelle 1 Zusammenfassung aller altlastrelevanten Aspekte und Zuordnung zu
den Branchenklassen SH
Zeitspanne Hilfsstoffe Nebenprodukte Altlastrelevante
Aspekte Branchen- klasse SH
1880 - 1920 Wasser und Seifen 0
1920 - 1929 im allgemeinen (kei-
ne Großbetriebe):
Wasser und Seifen
0
1930 – Ge-
genwart
Wasser und Seifen. 0
Branchenklasse 0: kein Gefährdungspotential Branchenklasse 1: Gefährdungspotential sehr gering Branchenklasse 2: Gefährdungspotential gering Branchenklasse 3: Gefährdungspotential mäßig Branchenklasse 4: Gefährdungspotential hoch Branchenklasse 5: Gefährdungspotential sehr hoch
7. Literaturhinweise
BERNEISER, Rolf und Klaus UEBERSCHÄR: Lehrbuch der Textilreinigung, VEB
Fachbuchverlag, Leipzig 1980.
DEE Andrea, Wenzel MÜLLER und Kurt SIMPERL: Sauber Waschen. Die Wahrheit
über Waschmittel, Waschmaschinen und Trockner, Allergien und Umweltbelastung,
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GÖTZ, Ferdinand. 75 Jahre Ferdinand Götz: A. Giulini’s Nachfolger; gegründet
1889 in München-Schwabing; Färberei, chemische Reinigung, Wäscherei, älteste
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Seite 8 Branchenblatt Teppichreinigung
Altlasten-Leitfaden Schleswig-Holstein: Erfassung Anhang 11
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Seite 9 Branchenblatt Teppichreinigung
Altlasten-Leitfaden Schleswig-Holstein: Erfassung Anhang 11
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sichtigung der Chemisch-Wäscherei und –Reinigung, der Fleckenreinigungskunde,
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pichreinigung usw. Max Jänecke Verlagsbuchhandlung, Hannover 1907.
Altlasten-Leitfaden Schleswig-Holstein: Erfassung Anhang 11 Histinvest Dr. Klaus Schlottau – Bremen
Branchenblatt Tischlerei
Inhaltsverzeichnis Seite 1 Bezeichnung der Branche 2 2 Historischer Überblick 2 3 Allgemeiner Verfahrensablauf 3 4 Umweltrelevante Verfahrens- und Produktionsschritte sowie Ver-
unreinigungspotentiale 4 5 Gesetzliche Ausführungsvorschriften für verwendete Stoffe/
Stoffgruppen 6 6 Altlastrelevante/altlastirrelevante Nutzungszeiträume 6 7 Literaturhinweise 7 Abb. 1: Tischlerei um 1930 (Quelle: STADLMANN).
Seite 2 Branchenblatt Tischlerei
Altlasten-Leitfaden Schleswig-Holstein: Erfassung Anhang 11
1 Bezeichnung der Branche
Tischler sind Handwerker, die Möbel aus Holz für den Wohnbedarf und die Aufbe-
wahrung von Gegenständen anfertigen. Andere Bezeichnungen sind Schreiner oder
Bautischler, wobei letztere im Zusammenhang mit der Herstellung von Türen, Zar-
gen, Treppen und Fenstern genannt werden.
Die Tischlerei unterscheidet sich hinsichtlich der Produktionsweise und der Produkte
grundsätzlich von der Zimmerei. Zimmereien haben meist deutlich mehr Personal
und erstellen vor Ort Konstruktionsteile von Gebäuden, während Tischlereien immer
über Werkstätten verfügen und eher für die Inneneinrichtung und den Trockenaus-
bau, häufig auch für die Montage oder den Messebau, zuständig sind.
Von Möbel-, Fenster- und Türfabriken grenzt sich die Tischlerei jedoch zum einen
durch die Betriebsgröße und zum anderen durch die fehlende Oberflächenbehand-
lung mit Lacken und Farben ab. Dies bedingt einen sehr viel geringeren Einsatz von
umweltrelevanten Stoffen.
2 Historischer Überblick
Das historisch gesehen eher städtische Handwerk der Tischler leitet sich vom Ge-
werbe der Zimmerleute ab, unterschied sich aber von Beginn an insbesondere
durch die Schlüsselstellung des Hobeleinsatzes.
Seit dem 18. Jahrhundert gewann die Verwendung von Leim für den Möbel- und
Innenausbau als zusätzliche Holzverbindungstechnik insbesondere für die Herstel-
lung von Edelholzfurnieren an Bedeutung. Neben die Möbelproduktion trat in
wachsendem Maße die Arbeit am Bau. Außer Vertäfelungen boten die Tischler
bald auch Türen und Fenster an, es entwickelte sich der Gewerbezweig der Bau-
tischlereien.
Hauptarbeitsgeräte der Tischler sind traditionell Beile, Äxte, Sägen, Hobel, Kne-
belbohrer und Bohrwinden. Anders als bei den Zimmerleuten reichte es aber nicht,
eine einfache überdachte „Bauhütte“ aufzustellen, weil in der Tischlerei auch
Leimarbeiten ausgeführt werden. Des Weiteren befanden sich dort auch die Pres-
se für die Schichtverleimung und Furnierarbeiten sowie neben einfachen Hobeln
auch die tischlereispezifische Hobelbank.
Kreissägen, Bandsägen, Fräsen zum Profilieren und Zapfenschneiden sowie Ho-
bel- und Bohrmaschine zählen zum üblichen Inventar einer Tischlerei.. Die Elektr i-
fizierung brachte seit den 1920er Jahren den entscheidenden Wandel in der Aus-
stattung der Werkstätten. Da die Möbelproduktion in immer stärkerem Ausmaß der
Industrie zufiel, bedeutete die Mechanisierung für die meisten Tischlereien ein
verstärktes Ausweichen auf den Bausektor. Symptomatisch hierfür ist auch die
Übernahme des Treppenbaus durch die Tischlerwerkstätten. Nur weil der Werk-
stoff Holz leicht zu bearbeiten ist, hatten auch Kleinstbetriebe, die allgemein für
Branchenblatt Tischlerei Seite 3
Altlasten-Leitfaden Schleswig-Holstein: Erfassung Anhang 11
die Tischlerei typisch waren (ein bis zwei Mitarbeiter pro Werkstatt), eine Überle-
benschance gegen konkurrierende Fabrikbetriebe.
Heute ist der Innenausbau die Grundlage des Tischlerhandwerks, das darüber
hinaus mit industriell erzeugtem Holzersatz (Spanplatten, Tischlerplatten) und vor
allem den Kunststoffen vollkommen neue Materialien in seinen Arbeitsbereich in-
tegriert hat.
Mit der Vielzahl kleiner elektrischer Handmaschinen hat sich das Erscheinungsbild
insbesondere der Bautischlereien seit den 1920er Jahren entscheidend gewan-
delt. Wie auch die Zimmereien können sie heute oft auf eine eigene Werkstatt ver-
zichten, weil, mit Ausnahme der maßgefertigten Treppen, die Baumaterialien auf
die Baustellen geliefert und dort verarbeitet oder montiert werden.
3 Allgemeiner Verfahrensablauf
Die benötigten Bretter wurden von Sägewerken oder Händlern bezogen; größere
flächige Hölzer kamen Anfang des 20. Jahrhunderts als Spanplatten oder als soge-
nannte „Tischlerplatten“ hinzu.
Abb. 2: Tischler am Dickenhobel um 1930 (Quelle: GREBING).
Bretter, Platten und Profile bilden den Materialgrundstock einer Möbel- und Bau-
tischlerei des 20. Jahrhunderts. Zur Herstellung von Möbeln, Türen, Fenstern, Ver-
kleidungen etc. werden die Hölzer entsprechend der Risszeichnung zugesägt, mit
Nut und Falz versehen, verleimt, verdübelt, verschraubt oder mit Beschlägen
(Scharnieren, Angeln, Schlössern) versehen.
Der traditionelle Möbelbau bis zur Mitte des 20. Jahrhunderts bevorzugte die soge-
nannte Rahmenbauweise. Nach der Montage der Einzelteile wurden die Flächen mit
Profilhobeln oder Fräsen profiliert und feingeschliffen, und Fugen mit einem Ge-
menge von Schleifstaub und Leim oder Firnis aufgefüllt. Nach der mechanischen
Seite 4 Branchenblatt Tischlerei
Altlasten-Leitfaden Schleswig-Holstein: Erfassung Anhang 11
Feinbehandlung wurde zumeist noch ein Firnis aus Harz und Pflanzenöl aufgetra-
gen, um die Maserung und die natürliche Holzfärbung zu betonen.
Abb. 3: Tischler bei der Endfertigung eines Unterschrankes, um 1930 (Quelle: GREBING).
4 Umweltrelevante Verfahrens- und Produktionsschritte sowie Verunreinigungspotentiale
Künstliche Holzfärbungen wurden traditionell nur von Kunsttischlern bei der Erstel-
lung von Intarsien vorgenommen. Die Verzierung von Möbeln mit farbigen Anstri-
chen (Ölfarben, Lacke) gehört üblicherweise nicht zum Arbeitsbereich der hand-
werklichen Möbeltischlereien. Lackierte Möbel, beschichtete oder Möbel mit einer
künstlichen Holzmaserung stammen aus Möbelfabriken (vgl. hierzu auch das Bran-
chenblatt Lackiererei).
Die Aufarbeitung und das Abbeizen von Möbeln sind grundsätzlich kein Arbeitsge-
biet für normale gewerbliche Tischlereien, diese Tätigkeiten wurden in Spezialbe-
trieben ausgeführt.
Hölzerne Gegenstände sind im Innenbereich grundsätzlich vor Feuchtigkeit ge-
schützt, so dass Pilzbefall bei Möbeln selten ist und entsprechende Imprägnierun-
gen mit Teer, Carbolineum oder Fungiziden nicht notwendig waren. Holzwürmer und
Holzböcke können jedoch durch ungeschützte Flächen in den Holzkörper eindringen
und sich darin ausbreiten. Zum Schutz vor diesen Insekten wurden besonders bei
Weichhölzern schützende Anstriche oder Imprägnierungen mit giftigen wasserlösli-
chen Metallsalzen, Phenolen sowie weiteren Stoffen eingesetzt. Als farbneutrales
Imprägniermittel wurde historisch Quecksilberchlorid oder Zinkchlorid verwendet.
Die Gesundheitsgefährdung durch diese Metallsalze ist aber seit Beginn des 20.
Jahrhunderts bekannt, so dass ihr Einsatz für Möbel nach einem ersten Verbot in
Großbritannien im Jahre 1904 eingestellt wurde Färbende Metallsalze wie z.B.
Branchenblatt Tischlerei Seite 5
Altlasten-Leitfaden Schleswig-Holstein: Erfassung Anhang 11
Chromoxid, Kupfersulfat oder Arsenik wurden nur in industriell betriebenen Impräg-
nieranstalten der Möbelfabriken eingesetzt.
In Einzelfällen wurden gelegentlich auch in Tischlereien Imprägniermittel mit starken
organischen Giften eingesetzt. Wie bereits in Bezug auf Lackierarbeiten herausge-
stellt wurde, handelt es sich aber auch hier nicht um Arbeiten einer typischen Möbel-
tischlerei.
Abb. 4: Große Tischlerei in den 1950er Jahren (Quelle: HANOW).
Sowohl in der handwerklichen Tischlerei, als auch in frühen Möbelfabriken entstan-
den durch den eigentlichen Arbeitsprozess in der Regel nur Schnitt- und Hobelspä-
ne, die im Betrieb selbst verbraucht wurden.
Die Branche „Tischlerei“ weist somit im Prinzip kein Gefährdungspotential auf. Be-
stimmte betriebsbedingte Gegebenheiten können jedoch eine Gefährdungsvermu-
tung zur Folge haben.
Eine Gefährdungsvermutung ist für das Gewerbe einer Tischlerei eng mit dem Be-
triebsmaßstab und der ausgeübten Tätigkeit verbunden. Folgende Aspekte sollten
bei der Bewertung Berücksichtigung finden.
Aspekte zur Verdachtsentkräftung:
kleine Grundstücksfläche mit garagenähnlichem Nebengebäude
kein Hinweis auf Lackier- oder Imprägnierarbeiten
nur Wohnbebauung (z. B. Reihenhaus)
Einstufung: Kategorie A1 (Ausscheiden nach Kartenrecherche oder Bauaktenaus-
wertung).
Aspekte zur Verdachtserhärtung:
große Grundstücke mit entsprechend großen gewerblich genutzten Neben-
gebäuden
Hinweise auf höhere Mitarbeiterzahl
Seite 6 Branchenblatt Tischlerei
Altlasten-Leitfaden Schleswig-Holstein: Erfassung Anhang 11
Hinweis auf Lackier- und Imprägnierarbeiten auf dem Standort (z. B. Lackier-
raum, Spritzanlage)
Hinweis auf einen Fuhrpark (Rückschluss auf größeren Betriebsmaßstab
oder Betriebshofproblematik möglich)
Einstufung: Die Bewertung ist hier den standortspezifischen Gegebenheiten anzu-
passen. Sofern Lackierarbeiten in größerem Umfang durchgeführt werden, ist ein
entsprechender Punktaufschlag vorzunehmen (siehe Branchenblatt „Lackierereien,
Holz“).
5 Gesetzliche Ausführungsvorschriften für verwendete Stoffe/Stoffgruppen
Für Tischlereien liegen keine branchenspezifischen Ausführungsvorschriften vor.
Allgemeine Bundesvorschriften für Stoffe, die gelegentlich zum Einsatz kommen
können, sind den Tabellen 1 der Branchenblätter Zimmerei bzw. Lackiererei zu ent-
nehmen.
6 Altlastrelevante/altlastirrelevante Nutzungszeiträume
Das Arbeitsgebiet der Tischlerei ist die Holzverarbeitung, die dabei entstehenden
Späne und Stäube werden schadlos verbraucht. Die Imprägnierung, Lasierung oder
der Anstrich der Möbel oder Konstruktionsteile gehört nicht zum eigentlichen Ar-
beitsgebiet des Handwerks, sondern zu dem der Zimmerer und Lackierer. Die Auf-
arbeitung von Altmöbeln durch Beizen, Schleifen oder Brennen gehört ebenfalls
nicht zu den eigentlichen Tätigkeiten einer üblichen Tischlerei.
Der Einsatz von Leim bei der Herstellung von Möbeln beschränkte sich zunächst auf
die Herstellung von Furnieren oder Einlegearbeiten und wurde folglich nur in Möbel-
manufakturen, den Vorgängern der Möbelfabriken, durchgeführt. Mit der Entstehung
des Berufsbildes „Holzmechaniker“ verbreiteten sich Verbindungstechniken wie
Winkelbleche, Spannschrauben etc., aber auch die Nutzung von Kunststoffleimen.
Ein umfangreicher Einsatz von Leimen mit umweltrelevanten Lösungsmitteln und
daraus resultierenden Handhabungsverlusten ist jedoch für die Tischlerei im kleinen
bzw. mittleren Betriebsmaßstab auszuschließen.
Nur bei Vorliegen der in Kapitel 4 genannten Aspekte zur Verdachtserhärtung
ist für eine Tischlerei mit Lackierarbeiten in kleinem Umfang (z. B. eine Spritz-
kabine) die Tabelle 2 zur Bewertung heranzuziehen.
Branchenblatt Tischlerei Seite 7
Altlasten-Leitfaden Schleswig-Holstein: Erfassung Anhang 11
Tabelle 2 Zusammenfassung aller altlastrelevanten Aspekte und Zuordnung zu
den Branchenklassen SH
(ohne Berücksichtigung möglicher Imprägnier- oder Lackierarbeiten,
gegebenenfalls sind die Branchenklassen den entsprechenden Bran-
chenblättern Zimmerei bzw. Lackiererei zu entnehmen).
Zeitspanne Hilfsstoffe Nebenprodukte Altlastrelevante
Aspekte Branchen- klasse SH
(ohne Lackier- oder Impräg-nierarbeiten)
1880 – 1950 Knochenleim, erste
Einsätze von Kunst-
stoffleimen mit Lö-
sungsmitteln (Ben-
zin). Tischler- und
Spanplatten sowie
Kunststoffplatten
Späne Holzbearbei-
tungsmaschinen
in der Werkstatt.
Geringfügiger
Einsatz lösemit-
telhaltiger Leime.
0
1951 – Ge-
genwart
Kunststoffleime mit
wässrigem Lösungs-
mittel, Span-, Tisch-
ler- und Kunststoff-
platten
Späne Holzbearbei-
tungsmaschinen,
kleinere Lackier-
arbeiten, eigener
Fuhrpark.
2
Branchenklasse 0: kein Gefährdungspotential Branchenklasse 1: Gefährdungspotential sehr gering Branchenklasse 2: Gefährdungspotential gering Branchenklasse 3: Gefährdungspotential mäßig Branchenklasse 4: Gefährdungspotential hoch Branchenklasse 5: Gefährdungspotential sehr hoch
7 Literaturhinweise
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Seite 8 Branchenblatt Tischlerei
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Altlasten-Leitfaden Schleswig-Holstein: Erfassung Anhang 11 Histinvest – Dr. Klaus Schlottau, Bremen
Branchenblatt Tuchfabriken
Inhaltsverzeichnis Seite 1 Bezeichnung der Branche 2 2 Historischer Überblick 2 3 Allgemeiner Verfahrensablauf 3 3.1 Spinnerei 3 3.2 Weberei 5 3.3 Färberei 6 3.4 Appretur 9 4 Umweltrelevante Verfahrens- und Produktionsschritte sowie Ver-
unreinigungspotentiale 10 5 Gesetzliche Ausführungsvorschriften für verwendete Stoffe/
Stoffgruppen 11 6 Altlastrelevante/altlastirrelevante Nutzungszeiträume 12 7 Literaturhinweise 13 Abb. 1: Websaal um 1910 (Quelle: RUPPERT).
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Altlasten-Leitfaden Schleswig-Holstein: Erfassung Anhang 11
1 Bezeichnung der Branche
Eine Tuchfabrik dient der Herstellung von Tuchen oder Stoffen, die überwiegend
aus Schafwolle oder der Wolle anderer Tiere hergestellt werden. Sie ist in der Regel
als sogenannte „vollstufige“ Tuchfabrik ausgebildet und umfasst eine Spinnerei,
Weberei, Färberei sowie eine Appretur.
In der Spinnerei wird die Rohwolle gereinigt, gekrempelt, gesponnen und für den
Gebrauch in der Weberei gezwirnt und gespult. In der Weberei werden die gezwirn-
ten Fäden als „Kett- und Schussfäden“ kreuzweise miteinander verbunden, so dass
sich eine Fläche bildet. In der Färberei wird entweder Wolle in der „Flocke“ oder als
Tuch im Stück gefärbt. Die mechanische Appretur dient dazu, durch Kratzen die
Fasern wieder etwas aus dem Gewebe zu ziehen, und dann mit Hilfe von Scherma-
schinen auf eine Länge zu schneiden, so dass sich ein Flor bildet. Zum Abschluss
werden die Tuche gepresst und gegebenenfalls auch gegen Insektenfraß, Feuchtig-
keit oder Feuer imprägniert.
Tuchfabriken sind zumeist mittelständische Fabrikbetriebe mit einer Belegschaft von
100 bis 500 MitarbeiterInnen. Sie entstanden häufig im 19. Jahrhundert am Rande
verkehrsgünstig gelegener Klein- und Mittelstädte, die zudem über eine gute Ver-
sorgung mit Frischwasser verfügten.
2 Historischer Überblick
Das Tuchgewerbe entstand einerseits aus kleinen handwerklichen Betrieben, die
sich jeweils einem der vier Hauptgewerbe der Tuchproduktion widmeten: den Spin-
nern, den Webern, den Tuchscherern oder den Färbern. Andererseits gab es auch
historisch bereits eine Anzahl sogenannter vollstufiger Tuchmanufakturen, die sich
von der Fabrik lediglich dadurch unterschieden, dass es noch keine mechanischen
Spinn- oder Webmaschinen gab.
Bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts starb zunächst das selbständige Gewerbe der
Spinner aus, die durch Maschinenspinnereien ersetzt wurden. Bereits in den letzten
Jahrzehnten des 18. Jahrhunderts drangen englische Vorspinn- und Spinnmaschi-
nen auf den europäischen Kontinent. Hier wurden sie leicht verändert, um anstelle
der Baumwolle die stärkeren Fasern der Wolle verarbeiten zu können.
Mit der Entwicklung lochkartengesteuerter Jacquardwebmaschinen ab 1802 und der
Entwicklung von mechanischen Steuerungen für die alten Handwebstühle sowie
deren Umstellung auf einen mechanischen Antrieb ab ca. 1820 begann auch das
Ende der selbständigen Handwebereien. Die Maschinenwebereien benötigten eine
starke Kraftquelle, so dass sie sich fast immer in der Nähe von Kohlenumschlag-
plätzen ansiedelten.
Die Färberei in der „Flocke“ oder im „Stück“ wurde ebenfalls seit der Einführung der
Dampfmaschine zunehmend maschinisiert. Die Abwärme des Kondenswassers aus
der Dampfmaschine konnte für alle Wasch- und Spülarbeitsschritte genutzt werden,
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Altlasten-Leitfaden Schleswig-Holstein: Erfassung Anhang 11
während der Antrieb für die Bewegung der schweren Tuche in der Färberkufe und
für die Mangel benötigt wurde.
Die Gewerbe der Tuchscherer und der Walker mussten ebenfalls der Maschinisie-
rung weichen. Schon im 18. Jahrhundert gab es die ersten Schermaschinen, die
nach dem Prinzip des Walzenrasenmähers arbeiteten. Für diese Maschinen und die
Kalander, mit denen das Tuch gepresst wurde, war ebenfalls ein starker Maschi-
nenantrieb erforderlich. Die Walker, die bis zur Industrialisierung regelmäßig ihr
Gewerbe in einer Wassermühle ausübten, stellten den Maschinenantrieb ebenfalls
auf Dampfmaschinen um, und konnten die Abwärme für eine schnellere Schrump-
fung des Gewebes nutzen.
Das gemeinsame Element aller Maschinisierungen und Modernisierungen zwischen
dem letzten Drittel des 18. Jahrhunderts und dem ersten Drittel des 19. Jahrhun-
derts bestand darin, eine Dampfmaschine für den Antrieb der mechanischen Ein-
richtungen einzuführen und häufig auch die Abwärme für die Produktion einzuset-
zen. Da mit dem Einsatz der Dampfmaschine zumeist auch eine Verlagerung der
Gewerbe vom Land in die verkehrsgünstigere Stadt einsetzte, wurden die vier we-
sentlichen Arbeitsschritte räumlich und organisatorisch zu vollstufigen Tuchfabriken
zusammengefasst. Dieser Typus der Textilherstellung ist seit Mitte des 19. Jahr-
hunderts allgemein in Westeuropa verbreitet.
Das Textilgewerbe hatte im 19. Jahrhundert einen bedeutenden Anteil an der
Durchsetzung der Industriellen Revolution und beschäftigte große Mengen an Ar-
beitskräften, vor allem in den sogenannten „Leichtlohngruppen“, also ungelernten
bzw. angelernten Arbeitskräften. Basierend auf der vollständig ausgebildeten Tech-
nik begannen ab etwa 1950 ehemalige Kolonialgebiete eine konkurrierende Textil-
produktion, die dazu führte, dass bis ca. 1980 die meisten Tuchfabriken in den west-
lichen Industrieländern ihren Betrieb aufgaben.
3 Allgemeiner Verfahrensablauf
3.1 Spinnerei
In einer Spinnerei werden aus der rohen, fettigen und schmutzigen Schurwolle ge-
zwirnte Fäden für die Kette oder den Schussfaden hergestellt.
Die in Ballen angelieferte Rohwolle wird zunächst in einem Reißwolf aufgelockert.
Dabei werden auch Gras- und Strohhalme, Holzstückchen sowie Kotklumpen zer-
schlagen und zum Teil bereits entfernt. Die gelockerte Wolle wird dann in einer Flo-
ckenwaschmaschine von wasserlöslichen oder erdig-sandigen Verschmutzungen
befreit.
Cellulosefasern (Holz etc.), die sich häufig in der Wolle der Tiere verfangen, wurden
seit dem zweiten Drittel des 19. Jahrhunderts, nachdem das Soda-Verfahren genü-
gend Chlor und Salzsäure für industrielle Zwecke zur Verfügung stellte, in einer
Karbonisieranlage mit dem Chlordampf aus kochender Salzsäure aufgelöst. Auf die
gleiche Weise wurden Baumwoll-Wollmischgewebe in den Reißereien und Reißwoll-
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Altlasten-Leitfaden Schleswig-Holstein: Erfassung Anhang 11
fabriken wieder aufbereitet. Mit dem freien Chlor wurde zugleich eine Bleichung der
Wolle erreicht.
Im Anschluss an diese ersten Reinigungsarbeiten wird das Wollfett (Lanolin) ent-
fernt. Zu diesem Zweck werden fettlösende Zusätze wie Seifen oder organische
Lösungsmittel (BTEX oder CKW), in der Gegenwart zunehmend Tenside, zugesetzt.
Sofern das Fett an die pharmazeutische Industrie verkauft werden sollte, wurde es
früher häufig mit Benzin ausgewaschen. Das im Benzin gelöste Fett wurde durch
Redestillation des Waschbenzins gewonnen und verkauft.. Ab Ende der 1930er Jah-
re wurde es durch feuersichere Lösungsmittel (CKW) ersetzt.
Nach der Wäsche wird die Wolle für den Vorgang des Spinnens fast immer leicht
eingeölt, damit der Kammzug geschmeidig wird und die Wolle überhaupt maschinell
zu verarbeiten ist („Schmälzen“). Für diesen Zweck wurde historisch grundsätzlich
Leinöl oder billiges Olivenöl eingesetzt.
Die so vorbehandelte Wolle wurde erneut in einer Reißmaschine aufgelockert und
dann direkt über eine automatische Waage der Krempelmaschine zugeführt. Krem-
pel sind Maschinen, zwischen deren gegeneinander rotierenden und mit Häkchen
besetzten Walzen die Wolle gekämmt wird. Um ein besseres Ergebnis und eine
sehr dünne Schicht feiner Haare zu erreichen, wurden meist drei Krempelmaschi-
nen hintereinander gereiht. Auf der letzten Maschine wurde die Wolle in viele kleine
Streifen (Kammzüge) zerteilt, die entweder direkt zur Vorstreckmaschine oder aber
in ein Zwischenlager geleitet wurden.
Abb. 2: Krempelei um 1960 (Quelle: RUPPERT).
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Altlasten-Leitfaden Schleswig-Holstein: Erfassung Anhang 11
Eine Vorstreckmaschine macht aus dem Kammzug bereits die Vorstufe eines Fa-
dens, ohne ihn zu drehen und zu verdrillen. Dies geschieht erst in der Spinnmaschi-
ne. Spinnmaschinen der üblichen Bauart verrichten zeitgleich folgende Arbeitsvor-
gänge: Strecken, Drillen, Aufwickeln. Der gestreckte Kammzug wird über Ösen und
Abdruckwalzen dem ausfahrbaren Teil der Maschine zugeführt und an diesem Ma-
schinenteil gleich in einer Aufwickelmaschine befestigt. Sobald die Maschine mit
dem Arbeitsvorgang beginnt, fährt der Wagen aus, streckt den Vorfaden, während
dieser zugleich gedreht wird. Während der Spinnwagen dann in seine Ausgangspo-
sition zurückfährt, wird der gedrillte Faden unter Beibehaltung der Zugspannung
aufgewickelt.
Der Faden wird auf Spulen oder „Kopsen“ aufgewunden und dann zur Zwirnerei
transportiert. Drei und mehr Fäden werden hier maschinell zu einem einzigen Faden
verzwirnt, damit sich der Faden nicht mehr abwickeln kann.
Die Spinnerei ist, mit Ausnahme der Wollwäscherei und eventueller Ölleckagen an
den Spinn-, Zwirn- und Spulmaschinen, ohne typische Verunreinigungen.
Von einer Wollwäscherei können jedoch Boden- und Grundwasserverunreinigungen
ausgehen. Mit dem Entstehen der Kriegs-Woll AG (Erster Weltkrieg) begann aller-
dings auch der noch heute übliche Handelsbrauch, dass die Importfirmen die Wolle
entweder bereits beim Exporteur oder aber in zentralen großen Wollwäschereien
waschen und manchmal auch krempeln lassen (s. Branchenblatt Wollwäschereien
und Hautwollfabriken).
3.2. Weberei
In der Weberei werden die gezwirnten Fäden als sogenannte „Kettfäden“ und
„Schussfäden“ kreuzweise miteinander verbunden, so dass sich eine Fläche bildet.
Zu diesem Zweck werden Kettfäden in einer Länge von mindestens ca. 50 m in ei-
nem Schärrahmen, in der Kettschärerei, auf eine Walze gewickelt. Kettfäden erfah-
ren vor dem „Aufschären“ noch eine zusätzliche Behandlung durch die „Schlichte“,
einem wasserlöslichen Leim, der historisch aus Stärke bestand, den Faden glatt
macht und ihn verstärkt. Seit 1950 werden mehr und mehr synthetische Schlichten
(z.B. Polyacrylate) eingesetzt, denen weitere Additive (z.B. Viskositätsregler) zuge-
setzt werden. Bei Schlichteflotten, die lange gelagert werden, müssen Konservie-
rungsstoffe zur Stabilisierung hinzugefügt werden (z.B. halogenierte Phenole wie
PCP, Kresole etc.).
Die Walze, der „Kettbaum“, wird in den Webstuhl eingebaut und die Kettfäden dann
an einer zweiten Walze, einem „Warenbaum“, der später zum Aufwinden des rohen
Gewebes dient, befestigt. Der Schussfaden wird als Spule in die Schützen einge-
legt. Pro Farbe wird ein weiterer Schütze benötigt.
Der Schütze ist ein beidseitig angespitzter hölzerner Hohlkörper, der in der Mitte die
Spule mit dem Schussfaden enthält. Die Steuerung des Schusses und der Magazi-
ne ist zumeist über Lochkarten vorgegeben.
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Altlasten-Leitfaden Schleswig-Holstein: Erfassung Anhang 11
Abb. 3: Lochkartenweberei 1960 (Quelle: RUPPERT).
Nachdem der Schussfaden vom Schützen in das Webfach eingelegt worden ist,
muss die Maschine den neuen lockeren Faden an das bisher fertiggestellte Gewebe
pressen („Anschlag“). Ältere Webmaschinen hatten ca. 60 bis 90 Anschläge pro
Minute. Moderne Webautomaten, bei denen der Schussfaden mit Pressluft transpor-
tiert wird, haben bis zu 400 Anschläge pro Minute.
Die eigentliche Weberei ohne die Fadenvorbereitung (Schlichte) ist an sich nicht mit
Umweltverunreinigungen verbunden. Ältere Webmaschinen hatten jedoch einen
hohen Verbrauch an Schmiermitteln in der Mechanik, so dass unter den Antriebsbe-
reichen zumeist Blechwannen installiert waren, um ablaufendes Öl aufzufangen. Es
handelte sich hierbei aber selten um Mineralöl, weil sich solche Flecken nur schwer
aus den Tuchen entfernen ließen. Zumeist kamen daher Lein- und Rüböle zum Ein-
satz.
3.3 Färberei
Die Färbung der Wolle kann grundsätzlich sowohl an der Wolle (Färbung in der Flo-
cke), am Faden (Färbung im Kops) oder am Tuch (Färbung im Stück) durchgeführt
werden. Generell muss aber vor der Färbung eine Reinigung und Entfettung durch-
geführt werden, damit die Farbstoffe an der schuppigen Struktur der Faser haften
oder in die Faser eindringen können.
Eine Färberei ist daher immer mit einer Wäscherei verbunden. Zwischen den
Durchgängen in der Farbkufe muss gespült werden, um die Beize wieder zu entfer-
nen, so dass die maschinelle und apparative Einrichtung einer Färberei grundsätz-
lich der einer Wäscherei sehr ähnlich ist.
Branchenblatt Tuchfabriken Seite 7
Altlasten-Leitfaden Schleswig-Holstein: Erfassung Anhang 11
Sofern die gesponnene Wolle als Faden im sogenannten „Kops“ gefärbt werden
soll, muss auch das Schmälzöl wieder entfernt werden. Dafür reichen allerdings
gewöhnliche Laugen oder Detergentien aus. Auch für die Färbung eines gewebten
Stückes oder das Walken eines Tuches muss die Ölung des Fadens entfernt wer-
den. Die Hälfte des Gewebes ist zudem auch durch die Schlichte, die auf den Kett-
faden aufgebracht worden war, verunreinigt. Das Öl und der Leim können allerdings
meist durch eine Waschlauge entfernt werden.
In der traditionellen Färbung reichte diese Vorwäsche häufig nicht aus, so dass Bei-
zen aus Laugen, Säuren oder Enzymbäder mit Harnstoffüberschuss für den Auf-
schluss der Faser eingesetzt wurden. Nach der Beize wurde mit frischem Wasser
gespült und mit dem ersten Durchgang in der Farbküpe begonnen.
Bis zur Entwicklung der Teerfarben wurden traditionell Pflanzenfarbstoffe (z.B.
Krapp oder Waid) eingesetzt, um die Farbpalette auszufüllen. Tierische Farbstoffe
wie z.B. Cochenille wurden wegen ihrer hohen Kosten nur für sehr wertvolle Stücke
eingesetzt. Rückstände gab es nur sehr selten, da die bereits mehrfach genutzten
Farbbäder, die bereits sehr schwach geworden waren, zunächst zum Anfärben ge-
nutzt wurden, und nur die Endfärbung im frischesten Ansatz durchgeführt wurde.
Diese Vorgehensweise blieb trotz der Einführung der Teerfarben (Anilin) in den
1860er Jahren bis in die Gegenwart erhalten, obgleich dadurch die Reproduzierbar-
keit des Farbergebnisses nicht immer gewährleistet ist.
Für die Wollfärberei wurden inzwischen viele weitere Farbstoffe entwickelt, die ent-
weder nach ihren chemischen Merkmalen (saure Farbstoffe, Chromierungsfarb-
stoffe, Reaktivfarbstoffe, Metallsalzkomplexfarbstoffe usw.) oder dem Applikations-
verfahren (Auftrags-, Auszieh- oder Tauchverfahren etc.) bezeichnet werden.
Nach der Färbung müssen die Farbstoffe oft noch in der Faser fixiert werden, weil
sie sonst infolge ihrer Wasserlöslichkeit beim Waschen ausfärben, „ausbluten“, wür-
den (z.B. Küpenfärberei). Während man bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts dafür
aufgrund der verwendeten Farbstoffe grundsätzlich tierischen Harn einsetzte, wur-
den, seitdem Ammoniak in den Gaswerken in ausreichender Menge hergestellt
wurde, z.B. auch Ammoniaksalze und Kochsalz für diesen Zweck eingesetzt. Ande-
re Fixiermittel können z.B. Kondensationsprodukte auf Basis von Formaldehyd sein.
Für die Färbung weißer oder sehr heller Tuche wurden in der Regel kein Farbstoffe
eingesetzt, sondern eine Bleiche der Wolle, der Garne oder des Tuches durchge-
führt. Die vorindustrielle Bleiche bestand darin, die Wolle zunächst nach Naturfär-
bung zu sortieren und die Tuche nach der Wäsche in einem angesäuerten Medium
(Molke, Essigwasser oder „Sauerwasser“, eine Gerstenbrei-Gärung) der Sonne
auszusetzen. Die Tuche wurden zu diesem Zweck auf Wiesen ausgebreitet oder auf
Rahmen gehängt, bis sie nach Wochen endlich die gewünschte Bleichung erfahren
hatten. Durch die Einführung der Chlorchemie im Zuge der industriellen Entwicklung
der Sodaindustrie des 19. Jahrhunderts wurde für diese Zwecke zunehmend Chlor
eingesetzt. Das Chlor wurde entweder als Gas bezogen oder aus konzentrierter
Salzsäure entwickelt. Diese Verfahrensweise führte dazu, dass die Färbereigebäu-
de in der Regel starke Schäden an der Bausubstanz aufwiesen. Nachhaltige Schä-
den für die Umwelt sind jedoch nur im Zusammenhang mit der Lösung von
Schwermetallen in den anderen Farbstoffen zu erwarten.
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Altlasten-Leitfaden Schleswig-Holstein: Erfassung Anhang 11
Abb. 4: Vorsortierung der Wolle nach Qualität und Farbe um 1930 (Quelle: RUP-
PERT)
Eine abschließende Behandlung nach der Färbung oder der Bleiche mit pflanzlichen
Ölen machte die Faser wieder geschmeidig und verlieh dem Gewebe Glanz.
Gleichzeitig wurde die Färbung vor Feuchtigkeit und dem Ausbluten geschützt. Eine
derartige Behandlung bildete daher historisch für Tuche immer den Abschluss der
Färbung.
Neben den beschriebenen Arbeitsschritten können weitere notwendig sein, die den
Einsatz neuer Chemikalien erforderlich machen.
Sollen z.B. bestimmte Bereiche im Tuch nicht eingefärbt werden, müssen sie zuvor
mit Reserviermitteln (z.B. Polykondensationsprodukte aus Acrylsulfonsäure und
Formaldehyd) behandelt werden. Weitere Hilfsmittel in der Färberei können Farb-
schutzmittel (z.B. Chromate, aromatische Nitroverbindungen) oder Faserschutzmit-
tel gegen mechanische, thermische, chemische, photochemische oder biologische
Vorgänge sein (u.a. Formaldehyd, Polyoxybenzole, Phenole). Letztere werden z.T.
auch erst in der Appretur aufgetragen.
Der visuelle Eindruck von Färbereien in vollstufigen Tuchfabriken mit der Vielzahl an
Bädern und dem durch ätzende Stoffe geschädigten Bauwerk ist zwar meist sehr
negativ, aber im Hinblick auf nachhaltige Verunreinigungen jedoch häufig über-
schätzt worden. Im Gegensatz zu selbständigen Färbereien und Umfärbereien, die
mit hohem Lösungsmitteleinsatz und anderen Chemikalien zunächst entfetten und
entfärben müssen, ist dies in einer Tuchfabrik nicht erforderlich. Organische Lö-
sungsmittel und starke Mineralsäuren wurden nur sehr selten eingesetzt.
Infolge der hohen Stückzahl an Tuchen, Garnen oder Flocken, die in einer gleich-
bleibenden Tönung zu färben sind, ist auch der Anfall an Farb- und Restschlämmen
gegenüber einer selbständigen Färberei marginal. In der Tuchfabrik wurde meist
Branchenblatt Tuchfabriken Seite 9
Altlasten-Leitfaden Schleswig-Holstein: Erfassung Anhang 11
auch der letzte verwertbare Farbrest aus einer Lösung genutzt, bevor sie in die Ka-
nalisation oder in die Klärteiche abgelassen wurde; in selbständigen Färbereien
oder Lohnfärbereien mussten die Bäder je nach Auftragslage abgelassen und aus-
gewechselt werden. In den Tuchfabriken konnten Reste sogar eingedampft werden,
weil dort genügend Abwärme vorhanden war. Der getrocknete Farbstoff wurde spä-
ter für neue Anfärbungen genutzt.
Die Abwässer der Färberei enthalten trotz dieser Verfahrensweise Farbreste mit
PAK und Schwermetallen. Sie gelangen z.B. beim Spülen gemeinsam mit einer ho-
hen organischen Schmutzfracht, Ammoniaksalzen und organischen Säuren in die
Kanalisation. Teile dieser Stoffe können sich auch im Gebäude bzw. im Boden ab-
gelagert haben.
3.4 Appretur
Die Appretur der Tuche diente anfänglich dazu, aus einem sichtbaren Gewebe eine
einheitliche mit einem Flor versehene Textilfläche, bei der weder Kett-, noch
Schussfaden zu erkennen sind, herzustellen.
Die ersten Maschinen, die dafür eingesetzt wurden, waren Walkmühlen, die die Tu-
che tagelang mechanisch bearbeiteten, Walkererde zugaben und spülten. Sobald
die Fadenstruktur des Gewebes aufgebrochen war, wurden die Tuche an die Tuch-
scherer abgegeben, die mit Kratzbürsten den Flor beidseitig aus den Fäden heraus-
zogen und ihn dann mit langen Scheren auf eine Länge brachten. Mit weichen Bürs-
ten, die häufig auch in heißes Pflanzenöl getaucht waren, wurden die feinen Fasern
des Flors dann in eine Richtung gekämmt und mit Handpressen fixiert. Der Sinn
dieser Handhabung lag darin, den Wert eines einfachen Gewebes beträchtlich zu
steigern, die Luftdurchlässigkeit zu vermindern und dem Gewebe durch das Zufü-
gen von Öl einen wasserabweisenden Charakter zu geben sowie einen glänzenden
Eindruck zu vermitteln.
Bereits am Ende des 18. Jahrhunderts waren fast alle Handarbeiten durch die Ein-
führung von Kratzmaschinen, Messerwalzen in den Schermaschinen und rotierende
Kalanderpressen abgelöst worden. Parallel zur Entfaltung der Kohlechemie, die
schon in der Färberei zu einer Ablösung der Pflanzenfarben geführt hatte, wurde
seit dem letzten Drittel des 19. Jahrhunderts eine Vielzahl von organischen Stoffen
für die Imprägnierung gegen Insektenfraß eingesetzt. Die „Eulanisierung“ von Tu-
chen zum Schutz gegen Motten wurde über Jahrzehnte von Naphthalin dominiert.
Hinzu kamen Pflanzengifte und seit den 1920er Jahren eine Vielzahl chemischer
Präparate, die hochgiftig sind (z.B. DDT). Zeitgleich wurde mit Schwermetallsalzen
und Chlororganika eine Kombinationspräparierung gegen Insektenfraß und Feuer
erprobt.
In Abhängigkeit von der späteren Verwendung wurden verschiedenartige Imprägnie-
rungen gewählt, wobei eine Komponente stets gegen den Mottenfraß eingesetzt
wurde. Für Militärtuche und Militärdecken wurden nahezu alle denkbaren Imprägnie-
rungen ausprobiert. Die Tuche sollten sowohl dem Mottenfraß, Pilzen, der Feuchtig-
keit als auch dem Feuer widerstehen. Da Soldaten sich in der Regel nicht wie nor-
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Altlasten-Leitfaden Schleswig-Holstein: Erfassung Anhang 11
male Kunden verhalten und z.B. bei allergischen oder anderen Reaktionen rekla-
mieren konnten, wurde die Militärtuchproduktion zum Experimentierfeld der Appre-
turchemiker.
Weitere eingesetzte Ausrüstungsmittel bei der chemischen Appretur können je nach
angestrebter Funktion der Gewebe u.a. folgende Stoffe sein:
Hochveredelungsmittel wie Cellulosevernetzer (historisch u.a. Formaldehyd
und Epichlorhydrin) für Bügelfreiheit und Knitterfestigkeit,
Optikverbesserer (z.B. Silikondispersionen),
Versteifungs- und Füllmittel (z.B. Stärkederivate),
Weichmacher,
Hydrophobiermittel auf Silikonbasis oder z.B. aluminiumhaltige Paraffinemul-
sionen,
Verrottungs- und Fäulnisschutzmittel wie Kupfernaphthenat oder PCP,
Hygieneausstattungsmittel wie TBTO, Kaliumbichromat, chlorierte Phenole
usw..
4 Umweltrelevante Verfahrens- und Produktionsschritte sowie Verunreinigungspotentiale
Das Waschen der Wolle ist mit einem hohen Anteil an organischen Stoffen im Spül-
wasser verbunden, welches gewöhnlich in die Kläranlage oder die Vorfluter abge-
lassen wurde. Hauptsächlich ist jedoch die Entfettung mit Benzin (bzw. später CKW)
für das Gefährdungspotential dieses Arbeitsschrittes relevant. Das Waschen und die
Entfettung wurden nach dem Ersten Weltkrieg allerdings nur noch von zentralen
Wollwäschereien des Großhandels durchgeführt. Nur wenige, sehr große Tuchfabri-
ken bezogen die Wolle noch direkt aus dem Herkunftsland und bereiteten sie selbst
vor.
Der Färberei wird gewöhnlich ein großes Gefährdungspotential unterstellt. Die Fär-
berei einer Tuchfabrik unterscheidet sich jedoch gravierend von einer selbständigen
Färberei oder einer Färberei, die einer gewerblichen Wäscherei angeschlossen ist.
Unabhängig davon, ob Pflanzen-, Erd- oder Teerfarbstoffe eingesetzt wurden, wur-
de die Farbflotte in den Bädern fast vollständig ausgenutzt und nicht abgelassen,
um Platz für einen anderen Farbstoff zu machen. Der Anfall an Farbschlämmen ist
daher weitaus geringer. Auch Lösungsmittel oder starke Säuren wurden kaum ein-
gesetzt, so dass Schwermetallfarben oder Fette nicht in dem Ausmaß in die Kläran-
lagen gelangten, wie es bei selbständigen Färbereien der Fall war.
Umweltrelevante Verfahrensschritte der chemischen Appretur sind insbesondere die
Imprägnierungen gegen Fäulnis, Insektenfraß und Feuer. Durch die eingesetzten
Stoffe (Schwermetalle, organische Gifte, Teerdestillate oder Nebenprodukte der
Mineralölraffination) kann das Grundwasser bzw. der Boden im Bereich der Impräg-
nieranlagen nachhaltig verunreinigt worden sein. Der Bereich der Imprägnierung ist
immer uneingeschränkt altlastrelevant. Die Applizierung der Imprägniermittel erfolgt
sowohl durch Besprühen als auch durch Kesselanlagen.
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Altlasten-Leitfaden Schleswig-Holstein: Erfassung Anhang 11
Seit Mitte des 19. Jahrhunderts wurde die Stoffgruppe der Phenole mehr und mehr
genutzt. Nachdem sich im Hygienebereich bereits die Nutzung der Carbolsäure
(wässrige Lösung mit ca. 5 % Phenol) durchgesetzt hatte, wurde sie auch für den
Textilschutz eingesetzt. Darauf basierend wurde Phenol sowohl in Verbindung mit
Teerölen als auch in Lösung mit Formaldehyd eingesetzt. Es ist besonders als Fun-
gizid wirksam, aber nicht anhaltend. Als Ersatz wurde das Pentachlorphenol (PCP)
in einer Lösung mit Ethanol oder Benzol eingesetzt, bei Militärdecken sogar bis in
die 1990er Jahre.
Die insektizide Wirkung des DDT wurde 1939 entdeckt. Es wurde nach Lösung in
Aceton oder Benzol vielen bereits bekannten Imprägnierungsmitteln als weiterer
Wirkstoff hinzugefügt. Die Nutzung und Herstellung von DDT ist in der Bundesre-
publik wegen seiner toxischen Wirkung und seiner Anreicherung im Gewebe seit
1972/76 verboten. Wegen ähnlicher Auswirkungen wurde zu Beginn der 1980er
Jahre das Mittel Lindan, Kurzbezeichnung HCH, vom Markt genommen.
Potentielle Schadstoffe sind somit unter anderem: Metall- und Schwermetallverbin-
dungen, Aschen und Schlacken (u.a. Kupfer, Zink, Zinn, Chrom); BTEX und CKW
als Lösungsmittel diverser Textilschutzmittel sowie CKW in Form von Dichlorbenzol
(PDB), DDT, Lindan (HCH); PAK aus Teerfarben (u.a. Anilin) und Teerdestillaten
(Naphthalin etc.); Phenole von Carbolsäure bis zu Pentachlorphenol (PCP).
Detaillierte Auflistungen von Verunreinigungspotentialen für die Tuchindustrie lassen
sich in der Regel erst dann erstellen, wenn die Art der Färbung und besonders der
Appretur sowie der genaue Nutzungszeitraum bekannt sind.
5 Gesetzliche Ausführungsvorschriften für verwendete Stoffe/Stoffgruppen
Für Tuchfabriken liegen keine speziellen Ausführungsvorschriften vor. Ansonsten
gilt primär das Verbot von DDT, PCP und Lindan.
Tabelle 1 Altlastrelevante Stoffe und ihr zeitlicher Einsatz
Stoff Nutzung Verstärkte An-wendung ab
Verwendungsbe-schränkung/ Ver-
bot
PCB (Polychlorierte Biphenyle).
1
Einsatz in Imprägnierungs-mitteln
ca. 1929 1978/1989
PCP (Pentachlor- phenol).
2
Einsatz in Imprägnierungs-mitteln.
Ende 1920er Jahre 1986/1989
LCKW.3 Lösungsmittel für Fette und
diverse Imprägnierungsmit-tel; Fleckentferner.
ca. 1940 1981/1986 (zum Teil)
BTEX.4 Lösungsmittel diverser Im-
prägnierungsmittel. ca. 1920 1986 (zum Teil)
DDT5 Einsatz als Imprägnie-
rungsmitteln ca. 1940 1972/1986
Lindan/HCH6 Einsatz als Imprägnie-
rungsmitteln Ende der 1930er Jahre/Lindan ca. 1950
sukzessive seit 1974 beschränkt
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Altlasten-Leitfaden Schleswig-Holstein: Erfassung Anhang 11
1 26.7.1978 10.BImSchV: Verwendungsbeschränkung auf geschlossene Systeme;
18.7.1989, PCB-Verbotsverordnung: Herstellungs-, Inverkehrsbringungs- und Verwen- dungsverbot, 1993 durch ChemVerbotsV abgelöst. 2
26.8.1986 GefStoffV: Verwendungsbeschränkung für PCP, z.B. nicht in Aufenthaltsräumen einzusetzen; 12.12.1989 PCP-Verbotsverordnung: Herstellungs-, Inverkehrsbringungs- und Verwen- dungsverbot, 1993 abgelöst durch ChemVerbotsV. 3 9/1981 Technische Regel für gefährliche Arbeitsstoffe TrgA 502: Verwendungsbeschrän-
kung für Tetrachlorkohlenstoff; 21.4.1986 2.BImSchV: Verordnung zur Emissionsbeschränkung von leichtflüchtigen Halogenwasserstoffen, Anwendungsbeschränkungen 1990 in der Neufassung verschärft. 4 26.8.1986 GefStoffV: Verwendungsbeschränkung für Benzol auf geschlossene Systeme.
5 07.08.1972 DDT-Gesetz: Anwendungsverbot, 1978 auch Herstellungsverbot
15.09.1986 DDT-Gesetz: Totalverbot 14.10.1993 ChemVerbotsV 6
21.03.1986 2. Verordnung zur Änderung der Pflanzenschutzanwendungsverordnung: Ver- bot der Verwendung von techn. HCH, beschränktes Anwendungsverbot für Lindan; zuvor von 1974-78 HCH-Verwendung u.a. im Pflanzenschutz schrittweise beschränkt;
6 Altlastrelevante/altlastirrelevante Nutzungszeiträume
Bis zum letzten Drittel des 19. Jahrhunderts sind keine wesentlichen Veränderungen
in der Arbeitsweise oder in der Zusammensetzung der Hilfsstoffe für die Tuchindust-
rie bekannt. Es handelte sich lediglich um eine beschleunigte Maschinisierung und
Mechanisierung der bisherigen Handarbeit, wobei auch die Dimensionen der Tuche
und Maschinen langsam anstiegen.
Die Entwicklung der Teerfarbenindustrie seit 1865 veränderte den vormals auf
Pflanzen- und Erdfarbstoffen basierenden Charakter der Färberei sehr rasch zu
einem Fabrikbetrieb mit großem Energiebedarf und hohem Einsatz von Säuren,
Laugen, Lösungsmitteln, wasserlöslichen Teerfarbstoffen und Metallsalzen usw..
In der Wäscherei (Entfettung) spielten Benzin und ähnliche organische Lösungsmit-
tel seit dem Ende der 1930er Jahre keine Rolle mehr, da zunehmend CKW einge-
setzt wurden. Außerdem wurden die meisten Tuchfabriken aber schon seit dem
Ersten Weltkrieg mit vorbehandelter Wolle durch den Großhandel versorgt.
Eine Steigerung der Altlastenrelevanz erfuhr die Branche durch die starke und häu-
fig experimentelle Einführung diverser Imprägnierungsmittel gegen Fraßschädlinge,
Fäulnis, Wasser und Feuer seit Beginn der 1930er Jahre. Trotz der seit den 1970er
Jahren zunehmenden Anwendungsverbote vieler Stoffe in der Bundesrepublik ge-
langen immer neue Imprägnierungsmittel in den Handel, die sich vor allem dadurch
auszeichnen, dass der Verbraucher sie sinnlich nicht wahrnehmen kann, sie aber
z.B. zu allergischen Reaktionen führen können.
Branchenblatt Tuchfabriken Seite 13
Altlasten-Leitfaden Schleswig-Holstein: Erfassung Anhang 11
Tabelle 2 Zusammenfassung aller altlastrelevanten Aspekte und Zuordnung zu
den Branchenklassen SH.
Zeitspanne Hilfsstoffe Nebenprodukte Altlastrelevante
Aspekte Branchen-klasse SH
bis 1900 Seifen, Wasser, Pflan-
zenfarbstoffe, Säuren,
Laugen, Metallsalze
Farbschlämme keine Abwasser-
anlagen
0
1901 – 1920 Seifen, Wasser, Teer-
farbstoffe, Benzin, Ben-
zol, Säuren, Laugen,
Metallsalze, Naphthalin.
Farbschlämme,
Lanolin.
Infolge der
Kriegswirtschaft
zeitweise ohne
Überwachung;
mangelnde Ab-
wasseranlagen
2
1921 – 1980 Seifen, Wasser, Säu-
ren, Laugen, Metallsal-
ze, Teerfarbstoffe,
Naphthalin und diverse
Imprägnierungsmittel;
CKW.
Farbschlämme. Infolge der
Kriegswirtschaft
zeitweise ohne
Überwachung
4
1981 – Ge-
genwart
Seifen, Wasser, Säu-
ren, Laugen, Detergen-
tien, Naphthalin, Teer-
farbstoffe, Pflanzen-
farbstoffe, Metallsalze
etc.
Farbschlämme Abkapselung der
Verfahren gegen
die Umwelt; Ver-
bot einiger Stof-
fe/Stoffgruppen
3
Branchenklasse 0: kein Gefährdungspotential Branchenklasse 1: Gefährdungspotential sehr gering Branchenklasse 2: Gefährdungspotential gering Branchenklasse 3: Gefährdungspotential mäßig Branchenklasse 4: Gefährdungspotential hoch Branchenklasse 5: Gefährdungspotential sehr hoch
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Branchenblatt Tuchfabriken Seite 14
Altlasten-Leitfaden Schleswig-Holstein: Erfassung Anhang 11
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Branchenblatt Tuchfabriken Seite 15
Altlasten-Leitfaden Schleswig-Holstein: Erfassung Anhang 11
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Altlasten-Leitfaden Schleswig-Holstein: Erfassung Anhang 11 Histinvest - Dr. Klaus Schlottau, Bremen
Branchenblatt Werkzeugfabriken
Inhaltsverzeichnis Seite 1 Bezeichnung der Branche 2 2 Historischer Überblick 2 3 Allgemeiner Verfahrensablauf 4 4 Umweltrelevante Verfahrens- und Produktionsschritte sowie Ver-
unreinigungspotentiale 4 5 Gesetzliche Ausführungsvorschriften für verwendete Stoffe/
Stoffgruppen 6 6 Altlastrelevante/altlastirrelevante Nutzungszeiträume 6 7 Literaturhinweise 9 Abb. 1: Werkzeugfabrik aus dem Jahr 1910 (Quelle: SPRINGER).
Branchenblatt Werkzeugfabriken Seite 2
Altlasten-Leitfaden Schleswig-Holstein: Erfassung Anhang 11
1 Bezeichnung der Branche
Als Werkzeugfabriken werden Spezialunternehmen des Maschinenbaus bezeichnet,
deren Aufgabe darin besteht, Hand- oder Maschinenwerkzeuge herzustellen. Ein
typisches und wichtiges Handwerkzeug ist die Feile in ihren verschiedenen Ausfüh-
rungen. Auch der Bohrer in einer Bohrmaschine ist ein Werkzeug. Handgeräte, wie
z.B. eine übliche Bohrmaschine, sind hingegen keine Werkzeuge, sondern Werk-
zeug„maschinen“, die von Apparatebaubetrieben hergestellt werden. Im Gegensatz
zur sprachlichen Unschärfe im Gemeingebrauch zwischen Werkzeugen und Werk-
zeug„maschinen“ werden die Unternehmen relativ strikt unterschieden. Merkmale
der Werkzeugfabriken sind im Wesentlichen eine Produktion von Investitionsgütern
sowie der fehlende Kontakt zum Endkonsumenten, der z.B. bei den Herstellern von
Bohrmaschinen und anderen gängigen Handgeräten vorhanden ist.
2 Historischer Überblick
Das Bestehen von Werkzeugmachereien, insbesondere Feilenhauereien, war eine
Voraussetzung für die Entstehung der Maschinenfabriken sowie die Entwicklung der
industriellen Revolution des 19. Jahrhunderts. Werkzeug- und Maschinenfabriken
haben sich in gegenseitiger Abhängigkeit entwickelt, als es möglich wurde, Präzisi-
onswerkzeuge wie Bohrer, Fräsköpfe, Sägeblätter etc. so herzustellen und zu här-
ten, dass damit andere Metalle, insbesondere Gusseisen und Stahl, bearbeitet wer-
den konnten.
Die Werkzeugfabriken sind historisch aus Feilenhauereien, Schmieden oder
Schlossereien hervorgegangen. Oftmals handelte es sich zunächst um die Anferti-
gung von Einzelstücken für defekte Werkzeuge einzelner Kunden, bevor der Wan-
del zur Fabrikation von Serienstücken einsetzte. Werkzeugfabriken sind in der Re-
gel mittelständische Unternehmen mit einem Arbeitskräftepotential von 10 bis 100
Personen.
Entscheidenden Einfluss auf die Qualität eines Werkzeuges hat die Oberflächenhär-
te. Je härter und zäher das eingesetzte Werkzeugmaterial ist, desto größer ist die
Arbeitsgeschwindigkeit oder die Arbeitstiefe des Werkzeuges. Moderne Werkzeuge
müssen daher immer aus Stahl hergestellt werden. Dieser wurde von den frühen
Werkzeugmachern zumeist von Messerschmieden oder Hammerwerken bezogen.
Am Ende des 18. Jahrhunderts war in England das Tiegelstahlgussverfahren entwi-
ckelt worden. Kleine Chargen von im „Puddel-Verfahren“ erzeugtem Gussstahl,
wurden in Tiegeln eingeschmolzen und dann in Formen, die aus Graphit und Form-
sand bestanden, abgelassen. Das Ergebnis war ein Stahl, der im Kern zäh und
elastisch, an der Oberfläche aber durch den eingelagerten Kohlenstoff der Form
hart und spröde war.
Ein derartiger Werkzeug- oder Messerstahl war geeignet ohne weitere Formgebung
oder Härtung Gusseisen oder gewöhnlichen Stahl zu schneiden. Mit einem Meißel
oder einem Feilenhammer aus diesem Material konnte ein gewöhnlicher Flachstahl
dann z.B. zu einer Feile behauen oder aus einem Bandeisen ein Sägeblatt geschnit-
Branchenblatt Werkzeugfabriken Seite 3
Altlasten-Leitfaden Schleswig-Holstein: Erfassung Anhang 11
ten werden. Da die entstehende Feile oder das Sägeblatt jedoch nicht aus Tiegel-
stahl bestanden, mussten ihre schneidenden Flächen einer Oberflächenhärtung
unterzogen werden.
Abb. 2: Senkrechtbohrerei in einer Werkzeugfabrik um 1940 (Quelle: SPRIN-
GER).
Diese Härtung erfolgte anfänglich durch Erwärmung in einem Glühofen mit einer
abschließenden Härtung in Ölen oder Fetten (siehe Branchenblatt Schmiede). Zwi-
schen 1870 und 1910 wurden nach und nach Bäder aus kochendem Mineralöl ein-
gesetzt sowie Härtepasten, die aus Talg, Fetten, Ölen und Metallsalzen bestanden,
entwickelt. Noch vor dem Ersten Weltkrieg wurden die Ölbäder zügig durch Bleibä-
der ersetzt. Diese hatten den Vorteil, dass die Temperatur bis auf 1.000°C gestei-
gert werden konnte und die Werkzeuge unter Abschluss von Luft und Kohlenstoff
kontrolliert und reproduzierbar gehärtet wurden. Die Härtung im Bleibad gehört bis
heute zum Standard einer Werkzeugfabrik.
In den 1930er Jahren wurden neue, synthetische Öle mit verbesserten Eigenschaf-
ten für das Abschrecken der geglühten oder ofengehärteten Werkzeuge eingesetzt.
Hierzu gehört auch das sogenannte „Torpedoöl“, das, wie der Name andeutet, ei-
gentlich für den Bedarf der Kriegsmarine entwickelt wurde. Hauptbestandteil dieses
Öls ist Tricresylphosphat (TCP). Mit Hilfe dieses und anderer Härteöle gelang es,
nicht nur eine bestimmte Menge Kohlenstoff in die Oberfläche der Werkzeuge zu
transportieren, sondern auch den Anteil an Phosphaten und Sulfaten in der Oberflä-
Branchenblatt Werkzeugfabriken Seite 4
Altlasten-Leitfaden Schleswig-Holstein: Erfassung Anhang 11
che zu verändern. Gleichen Zweck haben cyanidhaltige Sulfidbäder, die in der Neu-
zeit vermehrt eingesetzt werden.
Mit der Verbesserung der Stahlerzeugung in den Bessemer- oder Thomasbirnen
sowie der Nachbehandlung in Siemens-Martin-Öfen oder Induktionsöfen wurden
zunehmend bessere Stahlsorten in den Handel gebracht, so dass sich die Eigen-
produktion von Tiegelstahl etwa seit dem Ersten Weltkrieg nicht mehr rentierte. Die
Werkzeugfabriken stellten den eigenen Gießereibetrieb ein und bezogen den Werk-
zeugstahl in der benötigten Form von den großen Konzernen der Montanindustrie.
3 Allgemeiner Verfahrensablauf
Eine typische Werkzeugfabrik des 20. Jahrhunderts integriert folgende wesentliche
Arbeitsprozesse, die sowohl früher, als auch gegenwärtig noch als selbständige
Gewerbebetriebe bestehen können:
- Tiegelstahlgießerei bis zum Ersten Weltkrieg (siehe Branchenblatt Gießerei),
- Dreherei, Fräserei, Schleiferei (siehe Branchenblatt Dreherei bzw. Metall-
schleiferei),
- Schmiede mit Härterei (siehe Branchenblatt Schmiede).
Die größeren Werkzeugfabriken waren bereits seit dem letzten Drittel des 19. Jahr-
hunderts nach dem obigen Schema aufgebaut. Um eine möglichst hohe Serien-
stückzahl zu erreichen, wurden auch Unteraufträge an Drehereien, Fräsereien,
Stanzereien oder Polierereien vergeben. Der Kernbereich der Unternehmung je-
doch, die Härtung der Werkzeuge, blieb in der Regel in dem Werk.
4 Umweltrelevante Verfahrens- und Produktionsschritte sowie Verunreinigungspotentiale
Eine Werkzeugfabrik entspricht hinsichtlich des Gefährdungspotentials und der
Schadstoffe, die im Laufe der Entwicklung verfahrensbedingt eingesetzt worden
sind, in vielen Bereichen einer Maschinenfabrik (siehe Branchenblatt Maschinenfab-
rik). Unterschiede bestehen jedoch hinsichtlich der Gießerei, die in einer Werkzeug-
fabrik sehr viel kleiner war. Dafür wurde aber mit einer großen Vielfalt an Legierun-
gen umgegangen. Eine Werkzeugfabrik benötigt außerdem keine elektro-techni-
sche Abteilung oder Lackiererei.
Deutlich größer als in einer Maschinenfabrik ist die Härterei einer Werkzeugfabrik,
die über die Qualität der erzeugten Werkzeuge entscheidet. Kurz vor dem Ersten
Weltkrieg wurde die Härtung im Bleibad eingeführt, die der Härtung im Koksofen
oder Ölbad deutlich überlegen ist, weil das Blei eine kontinuierliche Erwärmung bis
auf 1.000°C und eine langsame Abkühlung unter Luftabschluss erlaubt. Härtesalze
und Kohlenstoffträger wie Graphit oder spezielle Öle wurden pastös auf die Oberflä-
che der Werkzeuge aufgetragen und mit im Bad erwärmt, so dass sie gleichmäßig
in die zu härtende Oberfläche eindrangen (siehe Branchenblatt Arbeitstechniken
Branchenblatt Werkzeugfabriken Seite 5
Altlasten-Leitfaden Schleswig-Holstein: Erfassung Anhang 11
und Verfahren der Metallbearbeitung). Durch den Einsatz von cyanidhaltigen Metall-
salzen in den Bädern der Härterei können bei Handhabungsverlusten und Leckagen
Schwermetalle und Cyanide in den Untergrund einer Werkzeugfabrik gelangt sein.
Abb. 3: Automatisierte Härterei in den 1950er Jahren (Quelle: VEREIN DEUT-
SCHER MASCHINENBAU-ANSTALTEN).
Im Gegensatz zur Maschinenfabrik benötigte eine Werkzeugfabrik einen deutlich
geringeren Energieeinsatz, weil die zu bearbeitenden Werkstücke viel kleiner sind.
Daher gab es nur kleine Kraftzentralen und schon früh einen Fremdbezug von
Energie. Dies hatte zur Folge, dass weit weniger Aschen und Schlacken als in einer
Maschinenfabrik angefallen sind.
Im Bereich der meist kleinen Tiegelstahlgießerei sind Verunreinigungen, die aus der
Graphit- und Formsandaufbereitung resultieren (z.B. Feineisenteile) möglich (siehe
Branchenblatt Gießerei). Aufgrund der geringen Dimensionierung und einem niedri-
gem Stoffumsatz fielen jedoch wenig Abfallstoffe (Formsande, Sandstrahlrückstän-
de usw.) an. Aus diesem Grund wurde der Aspekt der Tiegelstahlgießerei bei der
Festlegung der Branchenklassen nicht berücksichtigt.
In der Dreherei können neben den üblichen Verlusten an Mineralölen aus den Ma-
schinen insbesondere die Kühlöle im Zeitraum von etwa Anfang der 1930er Jahre
bis in die 1980er/1990er Jahre zu Verunreinigungen geführt haben, da sie z.T. PCB
und andere Schadstoffe enthielten. Die Reinigung von Maschinen, Werkzeugen,
Werkstücken und Drehspänen wurde unter Einsatz von Lösungsmitteln vollzogen,
so dass dementsprechend die Werkstattbereiche und auch die Lagerplätze verun-
reinigt sein können (siehe Branchenblatt Dreherei).
Da die Maschinen und Werkstoffe fast durchgängig verölt waren, wurden sie regel-
mäßig mit aliphatischen, aromatischen oder chlorierten Lösungsmittel gereinigt.
Branchenblatt Werkzeugfabriken Seite 6
Altlasten-Leitfaden Schleswig-Holstein: Erfassung Anhang 11
Diese können zu Kontaminationen geführt und zusätzlich die Mobilisierung von Mi-
neralölen im Boden bewirkt haben.
Abschließend werden die Werkzeuge meistens noch sandgestrahlt und, um sie vor
Rost zu schützen, in Öl getränkt. Sofern Hinweise auf eine weitere Oberflächenbe-
handlung (z.B. Verzinkung) vorliegen, sind diese bei der Bewertung zu berücksichti-
gen (siehe Branchenblatt Galvanische und Feuermetall-Industrie).
5 Gesetzliche Ausführungsvorschriften für verwendete Stoffe/Stoffgruppen
Tabelle 1 Altlastrelevante Stoffe und ihr zeitlicher Einsatz
Stoff Nutzung Verstärkte An-wendung ab
Verwendungsbe-schränkung/ Ver-
bot
PCB (Polychlo-rierte Biphenyle).
1
Einsatz in Kühlölen, um die Entzündungstemperatur zu erhöhen.
ca. 1930 1978/1989
Wassermischbare Kühlschmierstoffe (N-Nitrosamin-Bildung).
2
Schmier- und Kühlmittelersatz für Öle mit Flammschutzmitteln.
ca. 1955 1997
PCP (Pentachlor-phenol).³
Einsatz in Emulsionen zur Halt-barmachung.
ca. 1930 1986/1989
LCKW.4 Lösungs- und Reinigungsmittel
(Kaltreiniger) im Werkstattbe-trieb
ca. 1925 1981/1986 (zum Teil)
BTEX.5 Lösungs- und Reinigungsmittel
im Werkstattbetrieb. ca. 1925 1986 (zum Teil)
1 26.7.1978 10.BImSchV: Verwendungsbeschränkung auf geschlossene Systeme;
18.7.1989, PCB-Verbotsverordnung: Herstellungs-, Inverkehrsbringungs- und Verwen- dungsverbot, 1993 durch ChemVerbotsV abgelöst. 2 4/1997 Technische Regel für Gefahrstoffe TRGS 611, Verwendungsbeschränkungen für
wassermischbare bzw. wassergemischte Kühlschmierstoffe, bei deren Einsatz N-Nitrosamine auftreten können (Verbot von Nitrit im KSS) 3
26.8.1986 GefStoffV: Verwendungsbeschränkung für PCP, z.B. nicht in Aufenthaltsräumen einzusetzen; 12.12.1989 PCP-Verbotsverordnung: Herstellungs-, Inverkehrsbringungs- und Verwen- dungsverbot, 1993 abgelöst durch ChemVerbotsV. 4 9/1981 Technische Regel für gefährliche Arbeitsstoffe TrgA 502: Verwendungsbeschrän-
kung für Tetrachlorkohlenstoff; 21.4.1986 2.BImSchV: Verordnung zur Emissionsbeschränkung von leichtflüchtigen Halogenwasserstoffen, Anwendungsbeschränkungen 1990 in der Neufassung verschärft. 5 26.8.1986 GefStoffV: Verwendungsbeschränkung für Benzol auf geschlossene Systeme.
6 Altlastrelevante/altlastirrelevante Nutzungszeiträume
Bis zum Ende des 19. Jahrhunderts sind keine wesentlichen Veränderungen in der
stofflichen Bearbeitung oder in der Zusammensetzung der Hilfsstoffe für die Metall-
industrie bekannt. Die Entwicklungen der chemischen Industrie und Metallurgie seit
Branchenblatt Werkzeugfabriken Seite 7
Altlasten-Leitfaden Schleswig-Holstein: Erfassung Anhang 11
Beginn des 20. Jahrhunderts veränderten jedoch nach und nach die Zusammenset-
zung der Werk- und Hilfsstoffe. Diese Veränderungen betrafen insbesondere die
Arbeitsbereiche der Dreherei und Härterei.
Die Entwicklungen in der spanabhebenden Metallverarbeitung seit Anfang des 20.
Jahrhunderts stellten erhöhte Anforderungen an die Maschinen, die Handhabung
der Werkzeuge und der zu bearbeitenden Materialien. Durch die verbesserten
Schneidstähle ergaben sich zunehmend höhere Schnittgeschwindigkeiten, die eine
Schmierung und Kühlung der Werkstücke und -zeuge erforderlich machten. Wäh-
rend anfänglich noch Seifenwasser, das auf die Grenzflächen gespritzt wurde, zur
Werkzeug/-stückkühlung ausreichte, musste seit der Einführung der Schnellschnitt-
stähle zunehmend auf wärmeleitende, hochsiedende Öle und Emulsionen zurück-
gegriffen werden. Diese Öle benötigen seit dem Ende der 1920er Jahre Chlororga-
nika (z.B. PCB) als Flammschutz, Emulsionen mussten mit Emulgatoren, Fungizi-
den und Bakteriziden (z.B. PCP) hergestellt und haltbar gemacht werden. Ebenfalls
etwa seit Anfang der 1930er Jahre ist in Schleswig-Holstein mit der verstärkten An-
wendung chlorierter Kohlenwasserstoffe als Lösungsmittel (Per, Tri) zu rechnen.
Steigende Metallpreise in den Jahren zwischen 1960 und 1980, besonders nach der
Einführung des Abfallwirtschaftsgesetzes, führten zudem dazu, Drehspäne in mög-
lichst sauberer Form wiederzuverwenden, so dass diese häufig schon beim Erzeu-
ger mit Kaltreinigern oder anderen Lösungsmitteln entölt wurden.
Bei der Härtung entstehen umweltgefährdende Abfallstoffe und Verunreinigungen,
insbesondere Mineralöle, Säuren, Schwermetallsalze sowie Alkalicyanide und
–cyanate, die in nicht mehr brauchbaren Härtereibädern gelöst vorliegen können.
Ferner können verbrauchte Härtereibäder auch aus verunreinigtem Blei bestehen.
Die Entsorgung dieser Bäder ist für den Zeitraum vor 1970 selten belegbar. Seit den
1970er Jahren werden verbrauchte schwermetallhaltige Härtereibäder und auch
Ölbäder von Spezialfirmen wieder aufbereitet. Die Verfahren waren jedoch in den
ersten Jahren vielfach nicht ausgereift, so dass die Altbäder über längere Zeiträume
in Containern auf dem Betriebshof lagerten.
Veränderungen in der Bewertung der Umweltrelevanz ergeben sich für die beiden
Weltkriege, da alle rüstungswirtschaftlich bedeutenden Betriebe der Kontrolle ziviler
Aufsichtsbehörden weitgehend entzogen waren, und daher häufig in baulichen An-
lagen arbeiteten, die für Gewerbebetriebe auch nach damaligem Stand der Technik
nicht geeignet waren. Es fehlte zumeist an einer Befestigung des Fußbodens sowie
an geeigneten Abwasseranlagen. Ähnlich sind die Nachkriegszeiten zu beurteilen,
da behördliche Kontrollen zu diesem Zeitpunkt nur eingeschränkt durchgeführt wur-
den.
Branchenblatt Werkzeugfabriken Seite 8
Altlasten-Leitfaden Schleswig-Holstein: Erfassung Anhang 11
Tabelle 2 Zusammenfassung aller altlastrelevanten Aspekte und Zuordnung zu
den Branchenklassen SH.
Zeitspanne Hilfsstoffe Nebenprodukte Altlastrelevante
Aspekte Branchen-klasse SH
bis 1900 Seifen, Wasser, Lein-
öle, Rüböle, Mineral-
öle
Metallspäne Keine Abwasser-
anlagen, keine
Bodenbefesti-
gung
0
1900 – 1930 Bohröle ohne PCB;
Mineralöle, Blei,
Schwermetallsalze,
erste Lösungsmittel-
einsätze
gering verölte
Metallspäne,
Schwermetalle,
Härtereiabfälle
keine Abwasser-
anlagen, keine
Bodenbefesti-
gung, keine ge-
regelte Entsor-
gung der Abfälle,
infolge der
Kriegswirtschaft
unzureichende
Überwachung
2
1931 – 1960 Bohr- und Schneid-
öle, TCP, PCB, Emul-
sionen, Fungizide,
Bakterizide; Blei,
Schwermetallsalze,
Lösungsmittel aller
Art, Cyanide
ölige Metallspä-
ne, Ölschlämme
mit PCB,
Schwermetalle;
Lösungsmittel-
rückstände; cya-
nidhaltige Härte-
reiabfälle
mangelnde Ab-
wasseranlagen;
keine geregelte
Entsorgung der
Abfälle, infolge
der Kriegswirt-
schaft unzu-
reichende Über-
wachung
4
1961 – 1980 Bohr- und Schneid-
öle, TCP, PCB, Emul-
sionen, Blei, Schwer-
metallsalze, Fungizi-
de, Bakterizide; Cya-
nide, Detergentien;
Lösungsmittel aller Art
ölige Metallspä-
ne, Ölschlämme
mit PCB,
Schwermetalle;
Lösungsmittel-
rückstände; cya-
nidhaltige Abfälle
aus der Härterei
Entölen der Spä-
ne mit CKW,
Einführung der
Entgiftung und
Neutralisation
von Abwässern
4
1981 – Ge-
genwart
Bohr- und Schneid-
öle, Emulsionen,
Fungizide, Bakterizi-
de; Blei, Schwer-
metallsalze, BTEX,
Cyanide, Detergen-
tien.
ölige Metallspä-
ne, Ölschlämme,
Schwermetalle;
Lösungsmittel-
rückstände; cya-
nidhaltige Abfälle
aus der Härterei.
Verbot von ver-
schiedenen alt-
lastrelevanten
Stoffen, geregel-
te Abfallentsor-
gung
3
Branchenklasse 0: kein Gefährdungspotential Branchenklasse 1: Gefährdungspotential sehr gering Branchenklasse 2: Gefährdungspotential gering Branchenklasse 3: Gefährdungspotential mäßig Branchenklasse 4: Gefährdungspotential hoch Branchenklasse 5: Gefährdungspotential sehr hoch
Branchenblatt Werkzeugfabriken Seite 9
Altlasten-Leitfaden Schleswig-Holstein: Erfassung Anhang 11
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Altlasten-Leitfaden Schleswig-Holstein: Erfassung Anhang 11 Histinvest – Dr. Klaus Schlottau, Bremen
Branchenblatt Wollwäschereien und Hautwollfabriken
Inhaltsverzeichnis Seite 1 Bezeichnung der Branche 2 2 Historischer Überblick 2 3 Allgemeiner Verfahrensablauf 4 3.1 Wollwäscherei 4 3.2 Hautwollfabrik 6 4 Umweltrelevante Verfahrens- und Produktionsschritte sowie Ver-
unreinigungspotentiale 7 5 Gesetzliche Ausführungsvorschriften für verwendete Stoffe/
Stoffgruppen 8 6 Altlastrelevante/altlastirrelevante Nutzungszeiträume 8 7 Literaturhinweise 9 Abb. 1: Waschmaschine für Wolle und kurze Haare um 1925 (Quelle: BORG-
MANN; KRAHNER; FRIEDENTHAL).
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1 Bezeichnung der Branche
Wollwäschereien und auch Hautwollfabriken sind Vorstufen der Spinnerei einer
Tuchfabrik. Während der Industrialisierung im 19. Jahrhundert entstanden vollstufi-
ge Tuchfabriken, die die Spinnerei, Weberei, Färberei und Appretur unter einem
Dach vereinigten (vgl. Branchenblatt Tuchfabriken).
Die Wollwäscherei war Bestandteil der Spinnerei und diente der Reinigung der ro-
hen Wolle, die mit Stroh, Heu, Kot, Urin und Erde verunreinigt war. In der Wäscherei
wurde die in Ballen gepresste Importwolle von Reißmaschinen aufgerissen, gelo-
ckert und dann mit Hilfe von warmem Wasser, Laugen und Lösungsmitteln gerei-
nigt. Cellulose, z.B. Heu und Stroh oder Holzstückchen wurden durch den Einsatz
von Chlordämpfen entfernt. Das Wollfett wurde mit Hilfe von Benzin aufgelöst und
durch Redestillation des Lösungsmittels zurückgewonnen. Im Anschluss wurden
verschiedene Wollqualitäten sortiert und Chargen je nach Faserqualität, Faserlänge
und Faserfarbe sortiert oder in Reiß- und Mischwölfen zu Partien zusammenge-
mischt. Selbständige Wollwäschereien wurden in der Regel als Lohnbetriebe ge-
führt. Die Wolle wird vom Kunden angeliefert und nach der Reinigung als Flocken-
ware wieder zurückgenommen. Gegebenenfalls wurden auch Sortierungen oder
Mischungen vorgenommen, ohne jedoch bereits die Wolle zu krempeln, also eine
Spinnvorstufe herzustellen.
In der Hautwollfabrik wird Wolle gewaschen, die durch Einsatz von Chemikalien von
der Haut geschlachteter Tiere gelöst wurde. Gegenüber der Schurwolle war die
Qualität dieser Wollen meist schlechter, weil die Faser kürzer und ihre Struktur
durch den Einsatz sehr starker Laugen in der „Schwöde“ bzw. „Anschwöde“ be-
schädigt war. Die Wäsche der Wolle wurde auf die bereits zuvor beschriebene Wei-
se ausgeführt. Hautwollfabriken sind häufig in räumlicher Nähe zu Schaflederfabri-
ken entstanden, von denen sie den Rohstoff bezogen.
Wollkämmereien sind als Veredelungsbetriebe des Wollgroßhandels in der Nähe
von zentralen Wollimporthäfen entstanden. Sie umfassen neben der Wäsche der
Schurwolle die Zusammenstellung von aussortierten Wollqualitäten unterschiedli-
cher Provenienz, das Mischen der Wollen zu gleichmäßigen Partien sowie die Vor-
stufen der Spinnerei, gegebenenfalls auch die Spinnerei und Färberei.
Wollwäschereien, Hautwollfabriken und Wollkämmereien sind seit dem Ersten Welt-
krieg fast immer selbständige Einrichtungen. Nur in Ausnahmefällen und bei Groß-
betrieben der Tuchindustrie existieren sie weiter als Abteilung einer Fabrik. Sie ha-
ben in der Regel eine Belegschaftsstärke von 100 bis 500 Personen, Wollkämme-
reien in Einzelfällen bis zu 5.000 Personen.
2 Historischer Überblick
Wollwäschereien sind historisch eine Voraussetzung für die Spinnerei und damit
auch für das Tuchgewerbe gewesen. Städtische Zünfte besaßen zentralisierte Wä-
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schereien, in denen die Wolle für die selbständigen oder „verlegten“ Spinner gewa-
schen wurde. Tuchmanufakturen besaßen grundsätzlich eigene Wäschereien.
Die Wolle wurde zumeist in stehenden Gewässern eingeweicht oder mit Stangen in
gemauerten Gräben bewegt (siehe Abb. 2). In vielen Fällen wurde dann die Kraft
und Mechanik einer Walkmühle genutzt, um die Wolle nach dem Einweichen zu
waschen. Waschmaschinen im heutigen Sinne entstanden für diesen Gewerbe-
zweck am Ende des 18. Jahrhunderts in vielerlei Form. Wollwaschmaschinen sind
allerdings anders konstruiert als Waschmaschinen für Tuche.
Abb. 2: Luftbildaufnahme von einer Hautwollfabrik aus den 1950er Jahren, der
Pfeil weist auf die Grubenanlage (Quelle: STADTPLANUNG NEUMÜN-
STER).
Die Maschinenausstattung einer modernen Wollwäscherei des 20. Jahrhunderts
umfasste neben der Waschmaschine Reißwölfe, Karbonisieranlagen für die Entfer-
nung von Heu und Stroh sowie Entfettungs-, Destillier- und Trockenanlagen. Trotz
des scheinbar hohen Anteils maschineller Arbeit hatten die Wollwäschereien einen
großen Arbeitskräftebedarf, weil die Rohwolle häufig sortiert und nach Qualitäten
gepackt werden musste.
Mittelgroße und große Tuchfabriken des 19. und des beginnenden 20. Jahrhunderts
hatten in der Regel eine eigene Wollwäscherei. Sie bezogen die importierte Wolle in
gepressten Ballen, sortierten die Ware, stellten Farb- und Faserpartien zusammen
und verarbeiteten diese dann jeweils gesondert.
Neben diesen Abteilungen in Tuchfabriken gab es weiterhin kleinere und mittlere
Lohnwäschereien, die für kleine Tuchfabriken tätig waren. Am Ende des 19. Jahr-
hunderts gründeten die führenden Großhändler der Branche eigene Wollwäscherei-
en, in denen die rohe Wolle in großem Umfang und mit Qualitätsmischungen, die
auch für große Tuchfabriken mit einem zu hohen Einkaufsaufwand verbunden ge-
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wesen wären, veredelt wurde. Diese Wäschereien bestanden nicht nur aus den bis-
her genannten Abteilungen für das Sortieren, Reinigen, Reißen und Mischen, son-
dern hatten auch eigene Krempeleien, teils sogar Spinnereien. Es handelte sich
hierbei zumeist um Großbetriebe, die sich zum Teil als „Wollkämmereien“ bezeich-
neten.
Zur gleichen Zeit, als sich die großen Kämmereien entwickelten, dehnte sich auch
die Lederindustrie stark aus. Es entstanden Lederfabriken, die täglich bis zu 30.000
Schafshäute verarbeiteten. Die Häute waren bei der Anlieferung noch behaart, so
dass eine Abteilung der Lederfabriken, die Wasserwerkstatt, nur damit beschäftigt
war, die Haare mit einem speziellen Verfahren („Anschwöde“) zu entfernen. Das
Produkt dieser Tätigkeit ist die sogenannte „Hautwolle“.
Hautwolle ist, wie bereits erwähnt, kürzer als Schurwolle und hat, da die Wurzel
ebenfalls aufgelöst wird, einen höheren Anteil an Wollfett. Die Reinigung dieses
Nebenproduktes der Lederindustrie wurde von Hautwollfabriken, die in der Regel
selbständig waren und sich in der Nähe der Lederindustrie ansiedelten, übernom-
men. Im Zuge des Niedergangs der Lederindustrie in Schleswig-Holstein bis zum
Anfang der 1970er Jahre stellten auch die Hautwollfabriken ihren Betrieb ein.
Während des Ersten Weltkrieges wurde die gesamte Textilindustrie der Leitung der
damaligen „Kriegs-Woll AG“ unterstellt, um eine gleichmäßige Versorgung für die
Militäreinheiten sicherzustellen. Dies bedeutete, dass insbesondere die Woll-
wäschereien und -kämmereien des Großhandels, die ohnehin bereits den größten
Teil des Handels und der Vorarbeiten dominierten, die Verteilung anführten. Diese
Zentralisierung wirkte sich auch nach dem Krieg noch aus: kleinere Wollwäscherei-
en hatten ihren Betrieb aus Arbeitsmangel einstellen müssen, Tuchfabriken den
Wäschereibetrieb aufgegeben, weil die Zwangsbewirtschaftung zu einer Belieferung
mit bereits vorgewaschener Wolle geführt hatte. Während der 1920er Jahre und der
folgenden Jahrzehnte bauten die Wollkämmereien ihre Position durch weitere Ver-
edelungen aus. Daneben konnten sich die Hautwollfabriken behaupten, weil der von
ihnen benötigte Rohstoff nicht durch den Wollgroßhandel monopolisiert worden war.
In der Gegenwart sind Wollwäschereien, Hautwollfabriken und Kämmereien mit ei-
ner Ausnahme in Deutschland nicht mehr vertreten. In den Herkunftsländern der
Wolle (Australien oder Asien) wird die Wolle kostengünstiger gewaschen, gekrem-
pelt und vorgesponnen.
3 Allgemeiner Verfahrensablauf
3.1 Wollwäscherei
In der Wollwäscherei werden alle Tätigkeiten ausgeführt, die dazu dienen, aus der
rohen, fettigen und schmutzigen Schurwolle eine saubere, fettfreie und lockere Woll-
flocke für den Einsatz in der Spinnerei herzustellen.
In der Wollwäscherei hatte sich für die Wollreinigung der sogenannte „Holländer“
bewährt. Er bestand aus einer langovalen Wanne, die in der Mitte mit einer Trenn-
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wand versehen war. Zwischen der Außenwandung und der Trennwand waren ein
oder zwei Reißmaschinen installiert, die als gegenläufiges Walzenpaar arbeiteten.
Durch kontinuierliche Bewegung wurde nach und nach der gesamte Inhalt des Hol-
länders immer wieder im Kreis bewegt und von den Walzen bearbeitet. Die Maschi-
nen wurden mit der Zeit immer größer und hatten einen ständig wachsenden Kraft-
bedarf. In den 1920er Jahren waren sie unter der Bezeichnung „Leviathan“ bekannt.
Abb. 3: Wollwäscherei um 1929 (Quelle: RUPPERT).
Cellulosefasern (Holz, Stroh etc.), die sich häufig in der Wolle der Tiere verfingen,
wurden seit dem zweiten Drittel des 19. Jahrhunderts, nachdem das Soda-
Verfahren genügend Chlor und Salzsäure für industrielle Zwecke zur Verfügung
stellte, in einer Karbonisieranlage mit Chlordampf aus kochender Salzsäure aufge-
löst. Mit dem freien Chlor wurde zugleich eine Bleichung der Wolle erreicht.
Im Anschluss wird das Wollfett (Lanolin) entfernt. Zu diesem Zweck werden fettlö-
sende Zusätze, Seifen oder organische Lösungsmittel, in der Gegenwart zuneh-
mend Tenside, eingesetzt. Sofern das Fett an die pharmazeutische Industrie ver-
kauft werden sollte, wurde es häufig mit Benzin ausgewaschen, das später durch
feuersichere Lösungsmittel (Tri- und Tetrachlorethylen) ersetzt wurde. Das im Ben-
zin gelöste Fett wurde durch Redestillation des Waschbenzins gewonnen und ver-
kauft. Der Übergang zur weniger feuergefährlichen Wäsche mit halogenierten Koh-
lenwasserstoffen Ende der 1930er Jahre wurde nur von wenigen, großen Tuchfabri-
ken oder Wollwäschereien vollzogen, da durch den nachwirkenden Einfluss der
„Kriegs-Woll AG“ die Wollimporteure die Wolle zentral waschen, entfetten und mi-
schen ließen.
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3.2 Hautwollfabrik
Mit dem Beginn des 20. Jahrhunderts setzte die Industrialisierung der Lederherstel-
lung ein und die Lederindustrie dehnte sich stark aus. Neben den Rinds- und
Schweinslederfabriken entstanden Schafslederfabriken, die täglich bis zu 30.000
Häute verarbeiteten. Lederfabriken dieser Größe waren auf den Import angewiesen,
um ihren Häutebedarf zu decken. Sofern es sich bei der Importware der Lederfabri-
ken um getrocknete Häute aus unkontrollierten Schlachtungen insbesondere des
südamerikanischen und ostasiatischen Raumes handelte, ist ebenso wie in den
Lederfabriken das Auftreten von Milzbrandsporen auch in den Hautwollfabriken
möglich, da nicht auszuschließen ist, dass noch Sporen an der Rohwolle hafteten.
In der Wasserwerkstatt dieser Lederfabriken wurde das sogenannte „Anschwöde-
verfahren“ durchgeführt, das den Haarerhalt gewährleistete. Durch das Auftragen
einer ätzenden Mischung aus Kalk und Schwefelnatrium auf der Fleischseite wur-
den nach kurzer Einwirkzeit die Haarwurzeln aufgelöst, und die „Hautwolle“ konnte
manuell mit einem Schabeisen oder maschinell entfernt werden. Neben dem zuvor
beschriebenen Anschwödeverfahren gab es auch die sogenannte „Arsenikschwöde“
mit Schwefelarsen.
Abb. 4: Entfernen der Hautwolle mit dem Schabeisen um 1915 (Quelle:
STADTARCHIV NEUMÜNSTER).
Die Wäsche der Haarwolle wurde auf die gleiche Weise wie in der Wollwäscherei
mit Hilfe großer Reißwölfe und Waschmaschinen, „Leviathanen“, durchgeführt. Dies
gilt auch für das Entfernen des Wollfettes (Lanolin) mit organischen Lösungsmitteln
(heute Tenside). Auch hier wurde das Fett, sofern es an die pharmazeutische In-
dustrie verkauft werden sollte, häufig mit Benzin raffiniert, das später durch feuersi-
chere Lösungsmittel (Tri- und Tetrachlorethylen) ersetzt wurde. Das gelöste Fett
wurde durch Redestillation des Waschbenzins gewonnen und verkauft, das Benzin
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erneut eingesetzt. Der Übergang zur Wäsche mit halogenierten Kohlenwasserstof-
fen Ende der 1930er Jahre wurde von den Hautwollwäschereien vollzogen, da sich
die Benzinbrände in Trockenkammern und Schleudern zu einem erheblichen Kos-
tenfaktor entwickelt hatten.
4 Umweltrelevante Verfahrens- und Produktionsschritte sowie Verunreinigungspotentiale
Das Waschen der Wolle ist mit einem hohen Anteil an organischen Stoffen im Spül-
wasser verbunden, welches zusammen mit der großen Menge benötigten Wassers
in die Kläranlage oder in die Vorfluter abgelassen wurde. Hauptsächlich ist jedoch
die Entfettung mit Benzin und später CKW für das Gefährdungspotential dieses Ar-
beitsschrittes verantwortlich. Die Lösungsmittel wurden grundsätzlich redestilliert,
um das Wollfett zu erhalten.
Vor dem Ersten Weltkrieg hatte vermutlich jede größere Tuchfabrik eine eigene
Wollwäscherei. Zusätzlich gab es in den Textilzentren weitere selbständige Wollwä-
schereien. Für die kleineren und mittleren Betriebe war jedoch der apparative Auf-
wand zu groß und das Brandrisiko zu hoch, um mit dem Leichtbenzin, das erst seit
wenigen Jahrzehnten verfügbar und zudem teuer war, die Wolle zu entfetten. Die
traditionell eingesetzten Seifen waren risikolos, billig und leicht zu beschaffen. Das
branchentypische Schadstoffpotential war daher gering.
Die Wollwäschereien, die nach dem Ersten Weltkrieg noch existierten, waren so
groß, dass der apparative Aufwand und die erhöhte Versicherungsprämie gegen-
über dem Ertrag des Wollfettes vernachlässigbar wurden. Wollwäschereien, Woll-
kämmereien und Hautwollfabriken, die zwischen den 1920er und den 1970er Jahren
existierten, haben mit Sicherheit eine Entfettung mit Lösungsmitteln betrieben. In
Analogie zu den Chemischen Reinigungen wurden dafür spätestens seit dem Ende
der 1930er Jahre schwer entflammbare halogenierte Kohlenwasserstoffe (CKW) für
die Entfettung benutzt.
Hautwollfabriken gibt es seit dem Ende der Lederindustrie in Schleswig-Holstein
Ende der 1960er Jahre nicht mehr. Die großen Wollkämmereien haben bundesweit
ebenfalls seit den 1970er Jahren bis auf eine letzte im Bundesland Bremen ihre
Produktion eingestellt.
Das Entfettungsverfahren wurde wegen des großen Umweltgefährdungspotentials
und des teilweisen Verbotes der oben genannten Lösungsmittel wieder auf Deter-
gentien umgestellt, denen das Fett durch Desemulgatoren entzogen wird.
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5 Gesetzliche Ausführungsvorschriften für verwendete Stoffe/Stoffgruppen
Für Wollwäschereien und Hautwollfabriken liegen keine speziellen Ausführungsvor-
schriften vor.
Tabelle 1 Altlastrelevante Stoffe und ihr zeitlicher Einsatz
Stoff Nutzung Verstärkte An-
wendung ab Verwendungsbe-
schränkung/ Verbot
CKW/LCKW.1 Lösungsmittel für Fette. ca. 1940 1981/1986 (zum Teil)
1 9/1981 Technische Regel für gefährliche Arbeitsstoffe TrgA 502: Verwendungsbeschrän-
kung für Tetrachlorkohlenstoff; 21.4.1986 2.BImSchV: Verordnung zur Emissionsbeschränkung von leichtflüchtigen Halogenwasserstoffen, Anwendungsbeschränkungen 1990 in der Neufassung verschärft.
6 Altlastrelevante/altlastirrelevante Nutzungszeiträume
Gewerbliche Wollwäschereien nutzten bei entsprechendem Umsatz schon vor dem
Ersten Weltkrieg Leichtbenzin als Lösungsmittel, mit Äther wurde experimentiert.
Ein nachhaltiges Gefährdungspotential ist Betrieben aus dieser Zeit nicht zuzuord-
nen.
Während des Ersten Weltkrieges wurden fast alle Wollwäschereien und Haut-
wollfabriken stillgelegt. Nur die Großbetriebe produzierten weiter. Aus Mangel an
Waschbenzin oder Ersatzstoffen wurde die Entfettung mit Laugen durchgeführt.
Nach dem Krieg und während der Weimarer Republik nutzten die Betriebe weiterhin
überwiegend Leichtbenzin und gelegentlich Chlorkohlenwasserstoffe.
In der Vor- und Nachkriegszeit des Zweiten Weltkrieges bis zum Ende der 1960er
Jahre als das Ende der westdeutschen Lederindustrie besiegelt war und auch die
Textilindustrie langsam niederging, wurden fast ausschließlich CKW zur Entfettung
herangezogen.
Gegenwärtig gibt es nur noch sehr wenige Betriebe dieser Branche. Sie haben die
Entfettung der Wolle wieder auf Detergentien umgestellt und sehr große Investitio-
nen hinsichtlich der Abwasserbehandlungsanlagen getätigt.
Bei der Bewertung der Hautwollfabriken ist zusätzlich auf die Herkunft der Rohwolle
zu achten. Sofern getrocknete Häute aus unkontrollierten Schlachtungen insbeson-
dere des südamerikanischen oder ostasiatischen Raumes verarbeitet wurden, ist
das mögliche Auftreten von Milzbrandsporen zu beachten. Dies betrifft insbesonde-
re den Zeitraum von ca. 1910 bis zum Ende der 1930er Jahre. Während des Zwei-
ten Weltkrieges ging der Import von Rohhäuten fast vollständig zurück, so dass nur
inländische Wolle verarbeitet wurde, für die kein Verdacht einer mikrobiologischen
Verunreinigung besteht.
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Tabelle 2 Zusammenfassung aller altlastrelevanten Aspekte und Zuordnung zu
den Branchenklassen SH
Zeitspanne Hilfsstoffe Nebenprodukte Altlastrelevante
Aspekte Branchenklasse
SH
Wollwä-
scherei-
en
Haut-
wollfab-
riken
bis 1918 Hauptsächlich
Seifen, Was-
ser, Laugen,
z.T. Benzin
Schlämme, ge-
ringe Mengen
Lanolin
keine Abwasser-
anlagen; mögli-
che Milzbrand-
sporen in Haut-
wollfabriken
0 2
1919 – 1940 z.T. Seifen,
Wasser,
hauptsächlich
Benzin, Lau-
gen
Schlämme, La-
nolin
mangelnde Ab-
wasseranlagen,
geschlossene
Entfettungsanla-
gen, mögliche
Milzbrandsporen
in Hautwollfabri-
ken
0 2
1941 – ca.
1970
Seifen, Was-
ser, Säuren,
Laugen,
hauptsächlich
CKW, Benzin
Schlämme, La-
nolin
Infolge der
Kriegswirtschaft
zeitweise ohne
Überwachung;
Handhabungs-
verluste bei der
Redestillation
4 4
Branchenklasse 0: kein Gefährdungspotential Branchenklasse 1: Gefährdungspotential sehr gering Branchenklasse 2: Gefährdungspotential gering Branchenklasse 3: Gefährdungspotential mäßig Branchenklasse 4: Gefährdungspotential hoch Branchenklasse 5: Gefährdungspotential sehr hoch
7 Literaturhinweise
BACHMANN, A: Das deutsche Wäscherei- und Plättereigewerbe seit 1914. o.O,
1931.
BECKER, E.: Die gewerblichen Wäschereien. Mänicke & Jahn, Rudolstadt, 1915.
BETHMANN, H.: Kurzer Abriß der Spinnerei, Weberei und Appretur: Für Studieren-
de an technischen Anstalten, Techniker und Industrielle, 2. Auflage. Leiner, Leipzig,
1911.
BORGMANN, J.; KRAHNER, O.; FRIEDENTHAL, H. (HRSG.): Die Lederfabrikation,
Praktische Handbücher für die gesamte Lederindustrie. Band V: Die Mineralger-
bung. Verlag M. Krayn, Berlin, 1925.
DIX, A.: Industrialisierung und Wassernutzung: eine historisch-geographische Um-
weltgeschichte der Tuchfabrik Ludwig Müller in Kuchenheim. Rheinland-Verlag,
Köln, 1997.
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GANSWINDT, A.: Die Wolle und ihre Verarbeitung: enthaltend die gesamte Wollwä-
scherei und Karbonisation, das Chloren der Wolle und die mechanische und chemi-
sche Technologie der Woll-Bleicherei und –Färberei. Chemisch-technische Biblio-
thek, Band 361. Hartleben, Wien, 1919.
JERCHOW, F.: Die Geschichte der Bremer Woll-Kämmerei zu Blumenthal (1883 –
1983). Ein Jahrhundert im Dienste der Textilwirtschaft. Pörtner, Bremen, 1983.
KOCH, D.: Lexikon für Textilreiniger: Zusammenstellung aller stoffkundlichen, che-
mischen, technischen und Praxis-Begriffe für Wäscherei, Chemischreinigung, Fär-
berei, Teppichreinigung, Lederpflege und verwandte Gebiete. Neuer Merkur, Mün-
chen, 1973.
RUPPERT, W.: Die Fabrik. Geschichte von Arbeit und Industrialisierung in Deutsch-
land. C.H. Beck, München, 1983.
ULLMANN, FRITZ (HRSG.): Enzyklopädie der technischen Chemie, 2., völlig neu
bearbeitete Auflage. Urban & Schwarzenberg, Berlin und Wien, 1930.
Altlasten-Leitfaden Schleswig-Holstein: Erfassung Anhang 11 Histinvest - Dr. Klaus Schlottau, Bremen
Branchenblatt Zimmerei
Inhaltsverzeichnis Seite 1 Bezeichnung der Branche 2
2 Historischer Überblick 2
3 Allgemeiner Verfahrensablauf 3
4 Umweltrelevante Verfahrens- und Produktionsschritte sowie Verun-
reinigungspotentiale 4
4.1 Schwermetallhaltige Universalimprägnierungen 4
4.2 Organische Imprägnierungen 5
4.3 Organische Säuren 5
4.4 Chlorierte Kohlenwasserstoffe, Chlornaphthalin 6
4.5 Organometalle 6
4.6 Sonstige 7
5 Gesetzliche Ausführungsvorschriften für verwendete Stoffe/Stoffgruppen 7
6 Altlastrelevante/altlastirrelevante Nutzungszeiträume 9
7 Literaturhinweise 11 Abb. 1: Windmühlen- bau als Spezial- gebiet der Zim- merei um 1900 (Quelle: GESELL- SCHAFT FÜR VOLKSKUNDE SH).
Branchenblatt Zimmerei Seite 2
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1 Bezeichnung der Branche
Die Tätigkeit einer Zimmerei besteht hauptsächlich in der Bearbeitung von Stamm-
und Profilhölzern mit dem Ziel, konstruktive Elemente des Haus- und Gebäudebaus,
Gerüstbauten sowie einfache Innenausbauten anzufertigen. Zu den Arbeitsschwer-
punkten gehören insbesondere der tragende Fachwerksbau traditioneller Ständer-
gebäude, Blockbauten, die Holzrahmenbauweise moderner (Fertig-)Häuser sowie
die Konstruktion und der Bau von Dachstühlen.
Gegenwärtig übernehmen viele Zimmereibetriebe als Subunternehmen auch den
Gerüstbau sowie den Verschalungsbau bei Betonbauten.
Die Zimmerei unterscheidet sich hinsichtlich der Produktionsweise und der Produkte
grundsätzlich von der Tischlerei. Zimmereien haben deutlich mehr Personal und
erstellen zumeist vor Ort Konstruktionsteile von Gebäuden, während Tischlereien
immer über Werkstätten verfügen und hauptsächlich für die Inneneinrichtung sowie
den Trockenausbau zuständig sind.
2 Historischer Überblick
Für den traditionellen Hauptarbeitsbereich der Zimmerer, den Haus- und Dachstuhl-
bau, waren lange Zeit im Prinzip nur Sägen, Breitbeile, Queräxte, Beitel und einfa-
che Bohrer erforderlich. Solange die Bauten nicht mit tragenden Steinwänden im
Außen- und Innenbereich ausgestattet waren, wurden auch Decken und Fußböden
von den Zimmerleuten eingebaut.
Die Bearbeitung der Stämme zu Balken, Brettern und Bohlen sowie die Herstellung
der Konstruktionshölzer erforderte eine große Belegschaft, insbesondere um die
schweren Balken und Gebinde ohne Hilfe von Kränen zu bewegen bzw. aufzurich-
ten. Städtische Zimmereien hatten daher bereits am Ende des 19. Jahrhunderts
durchschnittlich mehr als 50 Belegschaftsmitglieder. Sie entwickelten sich im 20.
Jahrhundert häufig zu Bauunternehmen weiter. Zimmereien auf dem Lande hinge-
gen beschäftigten zur gleichen Zeit nur durchschnittlich 10 – 15 Betriebsangehörige.
Zimmereien gehören zu den witterungsabhängigen Baubetrieben. Sie sind insbe-
sondere von den Vorarbeiten der Maurer abhängig, die bei Frost nicht arbeiten kön-
nen. Daher wurde ein Teil der Mitarbeiter regelmäßig entlassen oder im Winter mit
dem Einschlag des benötigten Bauholzes sowie dessen Grobbearbeitung beschäf-
tigt. Hierfür war ein ausreichend großer Lagerplatz sowie ein Schuppen zum Aufbe-
wahren der Werkzeuge erforderlich.
Im Zuge der Urbanisierung am Ende des 19. Jahrhunderts stellten viele größere
Zimmereien Dampfmaschinen auf, um eine Gattersäge und verschiedene andere
Holzbearbeitungsmaschinen anzutreiben. Eine weitere Folge der Landflucht zu die-
ser Zeit war auch der Bau standardisierter Siedlungshäuser in den Neubaugebieten
der Städte. Hierdurch verlagerte sich ein großer Teil der Holzbearbeitung auf den
Werkhof der Zimmerei: gleichartige Wand- und Dachkonstruktionen (Gebinde) wur-
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den serienweise auf dem sogenannten „Abbindeplatz“ zusammengefügt, impräg-
niert und nach Bedarf zur Baustelle transportiert, um dort miteinander verbunden zu
werden.
Die Zimmerei hat sich somit im vergangenen Jahrhundert immer weiter zu einem
standortfesten Gewerbe entwickelt. Gegenwärtig werden die benötigten Hölzer be-
reits fertig imprägniert von den Sägewerken angeliefert und auf den Abbindeplätzen
weiterverarbeitet. Nur die neu entstehenden Schnittflächen werden dort noch im-
prägniert.
3 Allgemeiner Verfahrensablauf
Das benötigte Material wurde bis zum Ende des 19. Jahrhunderts von den Zimme-
reien entweder direkt aus den Sägewerken bezogen oder auf dem Werkhof von
Hand mit der Säge oder der Axt bearbeitet, um dann auf dem Bauplatz seine end-
gültige Form und Länge zu erhalten. Größere Zimmereien beschafften sich wie
oben angeführt Ende des 19. Jahrhunderts eigene Gatter- und Kreissägen, die zu-
nächst von Dampfmaschinen, später auch von Elektromotoren, angetrieben wurden.
Nach der Grobbearbeitung wird das Material auf der Baustelle oder auf dem Werk-
hof im Bereich des Abbindeplatzes weiterverarbeitet. Ist das erste Gebinde eines
Gebäudes auf dem Abbindeplatz liegend fertiggestellt, werden nach diesem Muster
weitere Gebinde darüberliegend hergestellt. Abweichungen oder Fehler sind auf
diese Weise sofort sichtbar.
Vor dem Verbau wurden die Gebinde früher zumeist noch gegen Feuchtigkeits-
schäden und Schädlingsbefall imprägniert, indem mit Pinseln oder Sprühgeräten
wasserlösliche Schwermetallsalze, Teere, Holzteere oder chlororganische Schäd-
lingsbekämpfungsmittel aufgetragen wurden. Imprägnierungsmittel auf Basis von
Schwermetallen oder organischen Verbindungen sind zwar bereits mindestens seit
dem 17. Jahrhundert bekannt, wurden aber bis zum Ende des 19. Jahrhunderts fast
ausschließlich nur auf dem Bauplatz eingesetzt. Erst die Konzentration der Anwen-
dung auf einen immer wieder für diese Zwecke genutzten Platz auf dem Betriebsge-
lände (Abbindeplatz) Anfang des 20. Jahrhunderts schuf ein nachhaltiges Gefähr-
dungspotential.
Seit Beginn des 20. Jahrhundert werden von großen Sägewerken sowie Holzgroß-
händlern auch fertig imprägnierte Balken, Latten und Bohlen angeboten. Diese Pro-
dukte setzten sich jedoch erst Ende der 1960er Jahre als Standard durch. Heute
werden die Balken und andere Zuschnitte bereits fertig gesägt und imprägniert bei
den Zimmereien bzw. den Baustellen angeliefert.
Diese oftmals gefärbten Hölzer sind mit Schwermetallsalzen gegen Pilze und Insek-
tenfraß geschützt und zugleich feuerhemmend ausgestattet. Die Salze werden
durch Über- oder Unterdruck in die Holzstruktur eingebracht und sind geruchsneut-
ral. Imprägnierungen mit organischen Lösungsmitteln, die zum Einen nur langsam
verdunsten und zum Anderen fast immer auch brennbar bzw. brandfördernd sind,
werden für die Verarbeitung in Wohn- oder Geschäftsgebäuden grundsätzlich nicht
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eingesetzt. Insbesondere Imprägniermittel auf Basis von Teer, Holzteer, Kreosot
oder Phenol sind brandfördernd und geruchsintensiv; da diese Mittel aber zugleich
wasserabweisend sind, werden sie allerdings gerne für Konstruktionen eingesetzt,
die dem Grundwasser, dem Regen- oder dem Spritzwasser ausgesetzt sind, wie
z.B. Gerüste, Brückenbauwerke, Schwellen, Grundbalken oder hölzerne Gittermas-
ten für Stromleitungen.
4 Umweltrelevante Verfahrens- und Produktionsschritte sowie Verunreinigungspotentiale
Als umweltrelevante Verfahrensschritte sind insbesondere die o.g. Imprägnierungen
gegen Pilze, Insektenfraß und Feuer anzusehen. Durch die verwendeten Stoffe
können das Grundwasser und der Boden im Bereich der Abbindeplätze und der
Imprägnieranlagen verunreinigt worden sein. Aufgrund der Verlagerung der Haupti-
mprägnierarbeiten in die Sägewerke hat die Bedeutung dieses Eintragspfades er-
heblich abgenommen, da nur noch geringe Mengen dieser Stoffe in den Zimmereien
beim Nachbehandeln von Schnittflächen zum Einsatz kommen.
Das Verbrennen von Holzresten und Spänen des imprägnierten Holzes in Kesselan-
lagen führte zu schwermetallbelasteten Aschen und Schlacken, die häufig auf dem
Betriebsgelände verteilt wurden. Verunreinigungen durch Mineralöle im Bereich der
Maschinenanlagen, insbesondere der Gattersägen, wurden zumeist durch Späne
aufgefangen, die wiederum in die Verbrennung gelangten.
Des Weiteren ist im Falle von neuzeitlichen Großbetrieben von einem umfangrei-
chen Fuhrpark mit entsprechender Betriebshofproblematik auszugehen.
4.1 Schwermetallhaltige Universalimprägnierungen
Universalimprägnierungen für alle o.a. Zwecke wurden früher sowohl durch Bestrei-
chen bzw. Besprühen im handwerklichen oder kleingewerblichen Bereich, als auch
durch Kesselanlagen in größeren Zimmereien, die mit Hitze, Über- und Unterdruck
arbeiteten, durchgeführt.
Imprägnierstoffe sind in der Regel wasserlösliche Schwermetallsalze (Kupfer, Zink,
Chrom, früher auch Quecksilber und Arsen). Zumeist handelt es sich um Chloride
oder Sulfate, seltener um Fluoride, Boride oder Silikate. Unter einer Reihe von Han-
delsnamen (z.B. Basilit, Borax etc.) sind Kombinationspräparate im Gebrauch.
Mittel dieser Art werden in der Regel in Wohn- und Geschäftsgebäuden, Lagern und
anderen Gebäuden, in denen sich Menschen dauerhaft aufhalten, verwendet.
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4.2 Organische Imprägnierungen
Organische Verbindungen, die gegen Pilze und Insektenfraß schützen, haben zu-
meist einen beißenden Geruch und sind nicht feuerhemmend, so dass eine Ver-
wendung für die oben genannten Nutzungen nicht erfolgen kann.
Es handelt sich überwiegend um Teere, Teerprodukte, Petroleum, Naphthalin und
ähnliche Stoffe, die alleine oder in Kombination miteinander oder mit den oben ge-
nannten Schwermetallsalzen eingesetzt werden.
Holzteer wurde bereits seit dem 17. Jahrhundert verwendet, Destillate von Holz- und
Steinkohlenteer (Kreosot, Creolin etc.) kamen im Laufe des 18. und 19. Jahrhun-
derts hinzu. Diese Mittel wurden aber ebenso wie Petroleum und Naphthalin seit
Beginn des 20. Jahrhunderts durch Teeröldestillate mit niedrigerer Viskosität (Han-
delsnamen: Carbolineum, Xylamon usw.) verdrängt.
Diese Imprägniermittel können neben dem dünnflüssigen Destillat mehr oder minder
große Anteile von Naphthalin, Diphenyl, Pyren, Fluoranthen, Phenol sowie
N-haltigen Heterocyclen (Pyridin, Chinolin) enthalten.
4.3 Organische Säuren
Bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts wurde Essig (Holzessig, Weinessig) im Gemisch
mit Teerölen gegen Wurmfraß eingesetzt, hatte jedoch allein verwendet keine aus-
reichend persistente Wirkung, so dass der Einsatz mit dem Beginn des 20. Jahr-
hunderts endete.
Seit Mitte des 19. Jahrhunderts wurde die Stoffgruppe der Phenole vermehrt ge-
nutzt. Nachdem im Hygienebereich die Wirkung der Carbolsäure (wässrige Lösung
mit ca. 5 % Phenol) bereits bekannt war, wurde sie nachfolgend auch für den Holz-
schutz eingesetzt. Phenol wurde sowohl in Verbindung mit den bekannten Teerölen
als auch in Lösung mit Formaldehyd verwendet. Es ist als Fungizid wirksam, hat
aber keine anhaltende Wirkung.
Mit Beginn des 20. Jahrhunderts wurden Dinitrophenole in Kombination mit den
oben genannten Schwermetallsalzen z.B. unter dem Handelsnamen Basilit ULL
eingesetzt. Diese Mittel reagieren allerdings auf Metall stark korrosiv, so dass sie im
Konstruktionsbereich nicht mehr genutzt werden.
Als Ersatz wurde etwa seit den 1940er Jahren Pentachlorphenol (PCP) bis zu sei-
nem Anwendungsverbot 1986/89 in einer Lösung mit Ethanol oder Benzol einge-
setzt. Handelsnamen waren z.B. Preventol P, Dowicide 7 oder Hylotox IP.
Unter ähnlichen Handelsnamen gelangten insbesondere Natriumphenolate und
Biphenylphenolate in den Handel (Preventol-o-Extra, Dowicide A).
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4.4 Chlorierte Kohlenwasserstoffe, Chlornaphthalin
Seit 1923 wurde das bekannteste und im Heimwerkerbereich früher weit verbreitete
Holzimprägnierungsmittel „Xylamone“ (1-Chlornaphtalin in Ethanol) vertrieben.
Nachdem dieses Mittel, dem häufig auch Holzfärbemittel in diversen Tönungen so-
wie geringe Bestandteile an DDT beigemengt waren, wegen verschiedener Vergif-
tungserscheinungen und langanhaltender Geruchsbelästigung aufgefallen war, wur-
de seine Produktion und Nutzung in der Bundesrepublik eingestellt.
Etwa zur gleichen Zeit wie „Xylamone“ in Deutschland wurde in den USA das 1,4-
Dichlorbenzol als Holzschutzmittel entdeckt und, in Lösung mit Tetrachlorkohlen-
stoff, Benzol oder Xylol sowie in Kombination mit anderen chlorierten Wirkstoffen
(PCP, DDT, HCH), unter Handelsnamen wie Paracide, Paradow oder Fumigant-1 in
den Handel gebracht.
Das DDT (Dichlordiphenyltrichlorethan) war zwar bereits im 19. Jahrhundert ent-
deckt worden, seine Wirkung auf Holz- und Getreideschädlinge wurde jedoch erst
1939 bekannt. Im Reinzustand kam es unter dem Namen „Gesarol“ in den Handel.
Zusätzlich wurde es nach Lösung in Aceton oder Benzol vielen bereits bekannten
Holzschutzmitteln als weiterer Wirkstoff hinzugefügt. Die Nutzung von DDT ist in der
Bundesrepublik wegen seiner toxischen Wirkung und der Anreicherung im Gewebe
seit 1972 verboten, seit 1986 existiert ein Totalverbot.
Wegen ähnlicher Auswirkungen wurde zu Beginn der 1980er Jahre das Mittel
„Lindan“, Kurzbezeichnung -HCH (Gamma-Hexachlorcyclohexan) vom Markt ge-
nommen. Es wurde in Reinform oder im Gemisch z.B. unter folgenden Markenna-
men verkauft: Hylotox 59 sowie Xylamon-Holzwurmtod, und als Holzfestigungsmittel
zusammen mit aushärtenden Kunststoffen beispielsweise unter den Namen: Xyla-
mon LX oder Basileum LX vertrieben. Die Anwendung des früher ebenfalls im Holz-
schutz verwendeten technischen HCH (Isomerengemisch) wurde bereits seit 1974
schrittweise verboten.
4.5 Organometalle
Besondere Bedeutung haben hier die Organozinnverbindungen wie z.B. das TBTO
(Tributylzinnoxid). TBTO wurde nach Entdeckung seine bioziden Wirkung zu Beginn
der 1960er Jahre zusammen mit anderen Mitteln in Kombination eingesetzt und in
Holzschutzmitteln z.B. unter folgenden Handelsnamen in den Verkehr gebracht:
Xylamon-Braun, Kombinal TO etc..
Nachdem Tributylzinn-Verbindungen 1990 in sogenannten Antifouling-Farben ver-
boten wurden, werden gegenwärtig auch im Holzschutz andere Organometalle, be-
sonders auf Kupferbasis, eingeführt.
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4.6 Sonstige
Neben den angeführten Hauptgruppen existieren viele weitere Holzschutzmittel, von
denen die meisten starke Giftstoffe enthalten. Einige weitere gängige Wirkstoffzu-
sätze dieser Mittel sind:
Endosulfan;
Metallnaphthenate z.B. in Cuprinol;
Phosphorsäureester:
- Parathion: Handelsname E 605;
- Diazinon: Handelsnamen Basudin;
- Phoxim: Handelsname Baythion;
Sulfamide:
- Dichlofluanid und Tolylfluanid: Handelsnamen Euparen, Preventol-4; Xyla-
mon-farblos;
Carbamate:
- Bassa: Handelsname Basileum;
- Propoxur: Handelsname Baygon;
- Carbendazim: Handelsname Consolan;
Pyrethroide:
- Permethrin: Handelsnamen Deltox IC; Xylamon-Holzwurmtod;
- Furmecyclox: Handelsnamen z.B. Xyladecor 200.
Viele der genannten Mittel lassen sich zudem nur in Stoffen lösen, die ihrerseits ein
Gefährdungspotential beinhalten (z.B. BTEX, LCKW).
Zusammenfassend läßt sich die mögliche Schadstoffpalette somit folgendermaßen
charakterisieren:
Metall- und Schwermetallverbindungen, schwermetallhaltige Aschen und
Schlacken (u.a. Quecksilber, Kupfer, Zink, Zinn, Chrom, Arsen);
BTEX und LCKW als Lösungsmittel diverser Holzschutzmittel sowie CKW in
Form von z.B. Dichlorbenzol, DDT, Lindan (HCH) oder Endosulfan;
PAK aus Teer und Teerölen sowie deren Destillaten (Carbolineum etc.);
Phenole von der Carbolsäure bis hin zum Pentachlorphenol (PCP) sowie
Phenolate.
5 Gesetzliche Ausführungsvorschriften für verwendete Stoffe/Stoffgruppen
Für Zimmereien liegen keine branchenspezifischen Ausführungsvorschriften vor.
Allgemeine Bundesvorschriften sind der Tabelle 1 zu entnehmen.
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Tabelle 1 Altlastrelevante Stoffe und ihr zeitlicher Einsatz
Stoff Nutzung Verstärkte An-
wendung ab Verwendungsbe-
schränkung/ Verbot
BTEX1 Lösungsmittel diverser Im-
prägnierungsmittel ca. 1920 1986 (zum Teil)
DDT2 Einsatz in Imprägnierungsmit-
teln ca. 1940 1972/1986
LCKW3 Lösungsmittel diverser Im-
prägnierungsmittel ca. 1940 1981/1986 (zum Teil)
Lindan/HCH4 Einsatz in Imprägnierungsmit-
teln Ende der 1930er Jahre/Lindan ca. 1950
sukzessive seit 1974 beschränkt
Organozinn-Verbindungen
5
Einsatz in Imprägnierungsmit-teln für den Außenbereich
ca. 1960 1990
PCB (Polychlo-rierte Biphenyle)
6
Einsatz in Imprägnierungsmit-teln
ca. 1930 1978/1989
PCP (Pentachlor-phenol)
7
Einsatz in Imprägnierungsmit-teln
ca. 1930 1986/1989
Schwermetall-Verbindungen
8
Einsatz in Imprägnierungsmit-teln
historisch 1974/1997 (zum Teil)
Teeröle9 Einsatz als Imprägnierungs-
mittel im Außenbereich historisch 1991
1 26.8.1986 GefStoffV: Verwendungsbeschränkung für Benzol auf geschlossene Systeme.
2 07.08.1972 DDT-Gesetz: Anwendungsverbot, 1978 auch Herstellungsverbot
15.09.1986 DDT-Gesetz: Totalverbot 14.10.1993 ChemVerbotsV 3 9/1981 Technische Regel für gefährliche Arbeitsstoffe TrgA 502: Verwendungsbeschrän-
kung für Tetrachlorkohlenstoff; 21.4.1986 2.BImSchV: Verordnung zur Emissionsbeschränkung von leichtflüchtigen Halogenwasserstoffen, Anwendungsbeschränkungen 1990 in der Neufassung verschärft. 4
21.03.1986 2. Verordnung zur Änderung der Pflanzenschutzanwendungsverordnung: Ver- bot der Verwendung von techn. HCH, beschränktes Anwendungsverbot für Lindan; zuvor von 1974-1978 HCH- Verwendung u.a. im Pflanzenschutz schrittweise beschränkt; 5
23.04.1990 GefahrstoffV: Verbot der Anwendung von zinnorganischen Anstrichen bei Schiffen <25m und für den privaten Gebrauch (ab 2003 tritt ein weltweites Verbot für Neuanstriche in Kraft); 26.10.1993 GefStoffV: Herstellungs- und Verwendungsverbot für Antifouling-Farben 6
26.7.1978 10.BImSchV: Verwendungsbeschränkung auf geschlossene Systeme; 18.7.1989, PCB-Verbotsverordnung: Herstellungs-, Inverkehrsbringungs- und Verwen- dungsverbot, 1993 durch ChemVerbotsV abgelöst. 7
26.8.1986 GefStoffV: Verwendungsbeschränkung für PCP, z.B. nicht in Aufenthaltsräumen einzusetzen; 12.12.1989 PCP-Verbotsverordnung: Herstellungs-, Inverkehrsbringungs- und Verwen- dungsverbot, 1993 abgelöst durch ChemVerbotsV. 8
02.03.1974 Verordnung über Schädlingsbekämpfung mit hochgiftigen Stoffen: Arsen-Ver- bot 27.07.1988 PflanzenschutzAnwVO: vollständiges Anwendungsverbot für As- u. Hg-Ver- bindungen 23.04.1990 GefahrstoffV: Verbot des Einsatzes von As- und Hg-Verbindungen u.a. im Holzschutz 14.10.1993 ChemVerbotsV 12/1997 TRGS 618: Verwendungsbeschränkung für CrVI-haltige Holzschutzmittel in Im- prägnieranlagen 9
27.05.1991 Teerölverordnung: Verwendung von Teerölen nur in geschlossenen Systemen und durch gewerbliche Verbraucher 14.10.1993 ChemVerbotsV regelt Inverkehrbringung
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6 Altlastrelevante/altlastirrelevante Nutzungszeiträume
Ende des 19. Jahrhunderts begann durch die starke Ausweitung der Bauaktivitäten
in den Städten sowie erste Typisierungen und Serienbauten die Ausdehnung des
Zimmereigewerbes und die Einrichtung von dauerhaften Abbindeplätzen oder tech-
nischen Apparaten zur Imprägnierung der Bauhölzer. Als Imprägnierungsmittel wur-
den zu dieser Zeit insbesondere Teeröle und Schwermetallsalze eingesetzt. Durch
den Gebrauch von Pinseln oder Handsprühgeräten gelangte ein großer Teil der
Wirkstoffe durch Handhabungsverluste auf den Boden. Imprägnierte Holzreste wur-
den in der Kesselfeuerung verbrannt, die Aschen und Schlacken dienten häufig zur
Befestigung des Betriebshofes.
Mit Beginn des 20. Jahrhunderts verlagerte sich die Verwendung von Teeren und
Teerölen auf den Schiffbau bzw. Masten und Schwellen, während die Schwerme-
tallsalze weiterhin in großem Umfang in den Zimmereien eingesetzt wurden. Hinzu
kamen nach und nach Phenole, Phenyle und Phenolate, deren Nutzung seit den
1930er Jahren ergänzt wurde durch Chlororganika und entsprechende Lösungsmit-
tel.
Nach dem Zweiten Weltkrieg vergrößerte sich die Palette der eingesetzten Stoffe
nochmals um die Organometalle sowie eine Reihe anderer synthetischer Stoffe, die
unter diversen Handelsnamen vertrieben wurden, und als Reinstoffe häufig von
großen Zimmereien genutzt wurden.
Wegen einer anhaltenden Krise im Baugewerbe Mitte der 1960er Jahre verringerte
sich die Zahl der großen Zimmereien, und nur wenige von ihnen betrieben weiterhin
einen eigenen Abbindeplatz oder ein Sägewerk. Zugleich ging die Betriebsgröße der
Zimmereien drastisch auf durchschnittlich 5 – 10 Mitarbeiter zurück. Die Zimmereien
übernahmen zusätzlich Tätigkeiten wie Gerüstbau, Fertighausaufbau oder Verscha-
lungsbau. Für Neubauten werden seither fast nur noch fertig imprägnierte Hölzer
eingekauft und auf dem Abbinde- oder Bauplatz zugeschnitten und verarbeitet. Die
Schnittflächen und Bohrlöcher müssen von Hand nachimprägniert werden, wobei
die Handhabungsverluste allerdings deutlich geringer sind, als bei der Imprägnie-
rung ganzer Gebinde.
In den 1970er bis 1980er Jahre wurden nacheinander DDT, PCP und PCB, die bis
dahin in vielen Holzschutzmitteln alleine oder im Gemisch vorkamen, verboten. In
den 1990er Jahren folgten Verbote für weitere Stoffe. Neben den weiterhin in deut-
lich geringerem Umfang genutzten Schwermetallsalzen werden gegenwärtig ver-
mehrt biologisch abbaubare Holzschutzmittel und solche mit vermindertem Wirk-
stoffanteil verwendet.
Bereits im 19. Jahrhundert bestand durch die Verwendung von Schwermetallsalzen,
besonders Quecksilber- und Arsenverbindungen, sowie von Teerölen ein hohes
Gefährdungspotential. Im 20. Jahrhundert wurden nach und nach andere Schwer-
metallsalze sowie PCB, PCP, HCH und DDT eingesetzt; die Verwendung von
Quecksilber, Arsen und Teerölen nahm kontinuierlich ab. Eine deutliche Verringe-
rung des Gefährdungspotentials des Zimmereigewerbes ergibt sich aber erst Mitte
der 1980er Jahre.
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Zu beachten ist allerdings, dass nie das ganze Areal, sondern nur der Abbindeplatz
und Flächen, auf denen Bodenbefestigungen durch Aschen und Schlacken vorge-
nommen wurden, sowie die Lagerplätze der fertig imprägnierten Hölzer von der
zimmereispezifischen Gefährdungsvermutung betroffen sind.
Tabelle 2 Zusammenfassung aller altlastrelevanten Aspekte und Zuordnung zu
den Branchenklassen SH.
Zeitspanne Hilfsstoffe Nebenprodukte Altlastrelevante
Aspekte Branchen-klasse SH
bis 1900 Imprägnierung mit
Schwermetallsalzen
und Teerölen.
imprägnierte
Späne
Schwermetalle und
PAK in unbefestig-
ten Böden; Impräg-
nierung wegen Mo-
bilität des Gewerbes
aber nicht auf dem
Gewerbestandort
0
1901 -
1925
Imprägnierung mit
Schwermetallsalzen
und Teerölen.
imprägnierte
Späne
Schwermetalle und
PAK in unbefestig-
ten Böden; Beginn
der Abbindeplätze
3
1926 –
1967
Imprägnierung mit
Schwermetallsalzen
und Teerölen sowie
chlorierten Kohlen-
wasserstoffen (u.a.
DDT, HCH), Pheno-
len, Phenylen und
TBT-Verbindungen.
imprägnierte
Späne
Schwermetalle,
PAK, PCP, DDT,
HCH, TBT und PCB
auf unbefestigten
Böden, Beginn der
Fahrzeughaltung
(verstärkt ab 1950).
4
1968 –
1986
Imprägnierung mit
Schwermetallsalzen
und chlorierten Koh-
lenwasserstoffen
(u.a. DDT, HCH),
Phenolen, Phenylen
und TBT-
Verbindungen.
imprägnierte
Späne
Schwermetalle,
PCP, PCB, DDT,
HCH, TBT auf z.T.
noch unbefestigten
Böden, Fahrzeug-
haltung, Verringe-
rung der Be-
triebsgröße, Verbot
einiger Wirkstoffe,
Bezug fertig im-
prägnierter Hölzer
aus Sägewerken.
3
1987 –
Gegenwart
Imprägnierung mit
Schwermetallsalzen
und chlorierten Koh-
lenwasserstoffen an
den entstehenden
Schnittstellen.
imprägnierte
Späne
Verbot weiterer
Wirkstoffe, Bezug
fertig imprägnierter
Hölzer aus den Sä-
gewerken, Fahr-
zeughaltung.
2
Branchenklasse 0: kein Gefährdungspotential Branchenklasse 1: Gefährdungspotential sehr gering Branchenklasse 2: Gefährdungspotential gering Branchenklasse 3: Gefährdungspotential mäßig Branchenklasse 4: Gefährdungspotential hoch Branchenklasse 5: Gefährdungspotential sehr hoch
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7 Literaturhinweise
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ISSEL, H.: Illustriertes Handlexikon der gebräuchlichen Baustoffe. Th. Thomas Ver-
lag. Leipzig, 1902.
KARMARSCH, K.: A. W. Hertel’s moderne Bautischlerei für Tischler und Zimmerleu-
te. Hannover, 1869.
MOELLER, J.: Die Rohstoffe des Tischler- und Drechslergewerbes. 1. Theil: Das
Holz. Verlag Fischer. Kassel, 1883.
RADKAU, J.; SCHÄFER, I.: Holz. Ein Naturstoff in der Technikgeschichte. Verlag
Rowohlt. Reinbek bei Hamburg, 1987.
REITH, R. (HRSG.): Lexikon des alten Handwerks. Vom Spätmittelalter bis ins 20.
Jahrhundert. Verlag C.H. Beck. München, 1990.
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Verlag. Leipzig, 1990.