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Law Zone Nr. 2/2008 Law Zeitschrift für rechtswissenschaftliche Fakultäten in Deutschland - Nr. 2/2008 Herausgeber Fachschaft des Fachbereichs Rechtswissenschaft der Goethe-Universität Frankfurt am Main TITEL Wege zur Schiedsgerichtsbarkeit JENS BREDOW, THOMAS KLICH, STEFAN KRÖLL, JAN SCHÄFER, MATHIAS WITTINGHOFER Private Equity PETER C. FISCHER Mergers & Acquisitions DANIEL SCHNELL Mündliches Staatsexamen REGINA OGOREK Schwerpunktbereichsstudium MICHAEL HETTINGER, KATJA LANGENBUCHER, MICHAEL STOLLEIS Verbot der aktiven Sterbehilfe AMER ISSA TITEL Wege zur Schiedsgerichtsbarkeit JENS BREDOW, THOMAS KLICH, STEFAN KRÖLL, JAN SCHÄFER, MATHIAS WITTINGHOFER Private Equity PETER C. FISCHER Mergers & Acquisitions DANIEL SCHNELL Mündliches Staatsexamen REGINA OGOREK Schwerpunktbereichsstudium MICHAEL HETTINGER, KATJA LANGENBUCHER, MICHAEL STOLLEIS Verbot der aktiven Sterbehilfe AMER ISSA

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LawZone 2/2008 / Zeitschrift für Rechtswissenschaft / Goethe-Universität Frankfurt am Main

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Law Zone Nr. 2/2008

LawZeitschrift für rechtswissenschaftliche Fakultäten in Deutschland - Nr. 2/2008

Herausgeber Fachschaft des Fachbereichs Rechtswissenschaft der Goethe-Universität Frankfurt am Main

TITEL

Wege zurSchiedsgerichtsbarkeitJENS BREDOW,THOMAS KLICH,STEFAN KRÖLL,JAN SCHÄFER,MATHIAS WITTINGHOFER

Private EquityPETER C. FISCHER

Mergers & AcquisitionsDANIEL SCHNELL

Mündliches StaatsexamenREGINA OGOREK

SchwerpunktbereichsstudiumMICHAEL HETTINGER,KATJA LANGENBUCHER,MICHAEL STOLLEIS

Verbot der aktiven SterbehilfeAMER ISSA

TITEL

Wege zurSchiedsgerichtsbarkeitJENS BREDOW,THOMAS KLICH,STEFAN KRÖLL,JAN SCHÄFER,MATHIAS WITTINGHOFER

Private EquityPETER C. FISCHER

Mergers & AcquisitionsDANIEL SCHNELL

Mündliches StaatsexamenREGINA OGOREK

SchwerpunktbereichsstudiumMICHAEL HETTINGER,KATJA LANGENBUCHER,MICHAEL STOLLEIS

Verbot der aktiven SterbehilfeAMER ISSA

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Law Zone Nr. 2/2008

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Editorial

In eigener Sache

Liebe Leserinnen und Leser,

zwar waren die diesjährigen Olympischen Spiele in Peking insgesamt nicht so sehr von Doping-Fällen heimgesucht worden, wie die letzten Radsportereignisse Tour de France und der Giro d‘Italia, dennoch gab es genug einzelne Doping-Fälle, die mittlerweile schon wie eine Selbstverständlichkeit hingenommen werden können. Aber die Hoffnung in diesem langwierigen Kampf ist nicht aufgegeben, vor allem nicht die von diversen Anti-Doping Organisationen wie die Nationale Anti-Doping Agentur (NADA) in Deutschland. Dass sich dieser Kampf jedoch als umständlicher Versuch zur Konfliktbewältigung in diversen Doping-Affären entpuppt, zeigt insbesondere der Fall um den Berliner Eishockeyspieler Florian Busch: Während der Eisbären Berlin-Spieler nach seiner verweigerten Doping-Kontrolle am 6. März 2008, die er schließlich nachgeholt hat, für sein Teilnahmerecht an der WM stand, sah die NADA schon in der Verweigerung einen positiven Test, folglich eine Teilnahmesperre. Die Frage ist, wie nun solche Streitigkeiten geklärt werden können. Eine Antwort gibt uns das Titelthema dieser Ausgabe der Law Zone: Das Schiedsgericht!Der Fall Florian Busch kam schließlich vor ein Schiedsgericht des Deutschen Olympischen Sport-bundes (DOSB). Wie aber funktioniert solch ein Schiedsverfahren? In einem Beitragskomplex be-richten erfahrene Schiedsrechtsexperten über die Grundlagen des Schiedsverfahrens als Streiterledi-gungsmechanismus (siehe Beitrag Dr. Stefan Kröll, Seite 23), die Investitionsschiedsgerichtsbarkeit (siehe Beitrag Jan K. Schäfer, Seite 29), die inter-nationale Wirtschaftsschiedsgerichtsbarkeit (siehe Beitrag Dr. Mathias Wittinghofer, Seite 31) sowie − wobei wir beim ursprünglichen Thema wären − über das Deutsche Sportschiedsgericht (siehe Bei-trag Jens Bredow und Thomas Klich, Seite 36).

Weiterer Beitrag dieser Ausgabe ist das aktuelle Verbot der aktiven Sterbehilfe von Amer Issa (siehe Seite 44) anlässlich des Medientumults um Roger Kusch. Den wirtschaftsrechtlichen Bereich ergänzt Dr. Peter C. Fischer um ein weiteres Mal mit einem Beitrag zum Thema Private Equity (siehe Seite 6) sowie ein Beitrag zu den Grundlagen von Mergers & Acquisitions von Dr. Daniel Schnell (siehe Seite 10). Lehrreich zum Thema mündliches Staatsexamen weist Prof. Dr. Regina Ogorek auf die typischen Fehler von Prüfungsteilnehmern hin und erklärt alles, was man wissen muss, um „beim Adressaten ein mildes Kopfschütteln oder gar ein gereiztes Stirnrunzeln“ nicht hervorzurufen (siehe Seite 17). Schließlich runden die Beiträge von Prof. Dr. Michael Hettinger, Prof. Dr. Katja Langenbucher sowie Prof. Dr. Dr. Michael Stolleis zum Schwerpunktbereichsstudium in Kriminalwissenschaften, Wirtschaftsrecht und Grundlagen des Rechts den Inhalt dieser Ausgabe ab (siehe ab Seite 39).

Ich wünsche eine interessante und ertragreiche Lektüre,

Ihr Alexander Junkov Chefredakteur

Frankfurt am Main im August 2008

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In eigener Sache Editorial 3

Impressum 50

Ausbildung PrivateEquityausderPerspektiveeinesRechtsanwalts VonPeter C. Fischer 6

Mergers&Acquisitions-EinÜberblick VonDaniel Schnell 10

KlausurinRechtsphilosophie VonJochen Zenthöfer 14

KleineGebrauchsanweisungfürdasmündliche Staatsexamen VonRegina Ogorek 17 Titelthema WegezurSchiedsgerichtsbarkeit VonFederico Parise-Kuhnle 22

DasSchiedsverfahrenalsStreiterledigungs- mechanismusdesWirtschaftsverkehrs VonStefan Kröll 23

Investitionsschiedsgerichtsbarkeit- VölkerrechtlicherSchutzvonAuslandsinvestitionen VonJan K. Schäfer 29

InternationaleWirtschaftsschiedsgerichtsbarkeit VonMathias Wittinghofer 31

DasDeutscheSportschiedsgericht VonJens Bredow & Thomas Klich 36

Kommentar DerstrafrechtlicheSchwerpunktbereich VonMichael Hettinger 39

GibteseineTypologiederAktionäre? VonKatja Langenbucher 41

ProRechtsgeschichte! VonMichael Stolleis 43

DasVerbotderaktivenSterbehilfe VonAmer Issa 44

Buchrezensionen 48

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In eigener Sache

Inhaltsverzeichnis

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Private Equity aus der Perspektive eines Rechtsanwalts

Von Rechtsanwalt Dr. Peter C. Fischer, M.C.J., Attorney at Law (New York), Frankfurt a.M.*

Im Rahmen unserer Reihe „Unternehmenskäufe in Deutschland“ soll in dieser Ausgabe der Law Zone ein wirtschaftlich wie juristisch besonders wichtiger Unterfall aus dem Sektor Mergers & Acquisitions (M&A) dargestellt werden: Private Equity (PE).

1. Begriff und angloamerikanischer UrsprungUnter Private Equity (wörtlich „nicht-börsliches Eigen-kapital“) versteht man typischerweise den Erwerb und die Finanzierung von Unternehmen durch Finanzinvestoren außerhalb der Börse. Bei Private Equity werden regel-mäßig Mehrheitsbeteiligungen oder sämtliche Anteile an bereits gut entwickelten, reifen Zielgesellschaften (sog. Targets) erworben, um diese Beteiligungen mittelfristig wieder zu veräußern. Hierdurch unterscheidet Private Equity sich vom Venture Capital (VC): Beim Venture Capital erwirbt ein Investor typischerweise eine Minder-heitsbeteiligung in einer sehr frühen Entwicklungsphase eines (meist innovativen) Unternehmens, um diese kurz- bis mittelfristig wieder zu veräußern.Wie der gesamte M&A-Bereich so hat sich auch das Private Equity Geschäft in den Common Law Jurisdiktionen USA und Großbritannien entwickelt, bevor Private Equity Gesellschaften auch in Deutschland zu einem sehr wichtigen Player im Transaktionsgeschäft geworden sind. Einer breiteren Öffentlichkeit ist Private Equity erst unter der Bezeichnung „Heuschrecken“ bekannt geworden. Die nachfolgenden Ausführungen sollen auch deutlich machen, worin die juristischen Besonderheiten bei Private Equity Erwerbungen bestehen, um hierdurch vielleicht auch einen kleinen Beitrag zur stärkeren Versachlichung der Diskussion zu leisten.

2. Finanzinvestoren v. StrategenAuf der Erwerberseite besteht die Besonderheit von Private Equity darin, dass der Erwerb typischerweise durch einen sogenannten Finanzinvestor (oft in Form eines Fonds), dessen operatives Geschäft gerade in dem Kaufen, Verwalten (besser: Umstrukturieren und Entwickeln) und dem Verkaufen von Unternehmen besteht, erfolgt. Durch diesen Geschäftszweck unterscheidet sich ein Finanzinvestor von einem strategischen Investor, der Unternehmen erwirbt, die typischerweise in demselben Marktsegment wie er selbst tätig sind und die er langfristig in seinen eigenen Konzern integrieren will.Diese Unterschiede führen naturgemäß auch zu wichtigen kulturellen Unterschieden zwischen beiden Arten von

Investoren: Ein Finanzinvestor, der permanent Transaktionen durchführt, hat naturgemäß eine extrem hohe Transaktionserfahrung und somit aus anwaltlicher Sicht einen ganz anderen Bera-tungsbedarf und Beratungshorizont als mancher strategischer Investor, der möglicherweise bis-lang (in Deutschland) noch keine Transaktionen

durchgeführt hat, dafür aber das operative Geschäft der Zielgesellschaft (incl. der damit verbunden juristischen Themen) besser verstehen wird als ein Finanzinvestor.An dieser Stelle sei angemerkt, dass es für den mit theo-retischem Wissen überfrachteten anwaltlichen Berufsein-steiger - in diesem wie in allen anderen Tätigkeitsberei-chen eines Anwalts - von entscheidender Bedeutung ist, derartige Unterschiede in der Erwartungshaltung und im Kenntnisstand von Mandanten rechtzeitig zu erkennen und sich entsprechend darauf einzustellen. So trivial dies klingen mag, so oft wird dieser Aspekt gerade von Be-rufsanfängern unterschätzt.

3. Besonderheiten bei Due Diligence und im Un-ternehmenskaufvertragDie Unterschiede zwischen einem Finanzinvestor und einem strategischen Investor sind bei Abfassung sämt-licher Dokumente und dem gesamten Transaktionsablauf zu berücksichtigen:So wird z.B. eine Due Diligence (also die Prüfung der Zielgesellschaft mit der „gebotenen Sorgfalt“) durch eine Private Equity Gesellschaft, welches das operative Geschäft der Zielgesellschaft nicht so gut kennt wie ein Stratege, erfahrungsgemäß sehr viel ausführlicher und regelmäßig auch strukturierter erfolgen als durch einen Strategen.Was den Unternehmenskaufvertrag (sog. SPA für Sale and Purchase Agreement oder Share Purchase Agreement) anbelangt, ist zu beobachten, dass Private Equity Unternehmen bei einer etwaigen Weiterveräußerung der Zielgesellschaft typischerweise nur sehr eingeschränkte Garantien betreffend den Zustand der Zielgesellschaft abgeben, was insbesondere damit zusammenhängt, dass Private Equity Gesellschaften typischerweise die Zielgesellschaften nicht so gut kennen wie ein strategischer Eigentümer und im übrigen lang laufende Garantien mit dem eher kurzlebigen Private Equity Geschäft nur schwer zu vereinbaren sind. Des Weiteren finden sich in SPAs von Private Equity Transaktionen häufig umfangreiche Exit-Regelungen zwischen den (künftigen) Gesellschaftern, wenn der Finanzinvestor

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nicht sämtliche Anteile an der Zielgesellschaft erwirbt. Als Exitvereinbarungen kommen z.B. wechselseitige Kauf- bzw. Verkaufsoptionen, sog. call options bzw. put options, sowie eventuell Mitverkaufsrechte, sog. tag-along, und Mitverkaufspflichten, sog. drag-along, gegebenenfalls aber auch Regelungen zu einem gemeinsam angestrebten Börsengang in Betracht.Gerade Private Equity Transaktionen erfolgen typischer-weise im Rahmen von Auktionsverfahren, d.h. einem z.B. von einer Investmentbank oder einem anderen pro-fessionellen M&A-Berater strukturiertem Verkaufspro-zess, an dem verschiedene, miteinander konkurrierende Bieter beteiligt (und oft auch gegeneinander ausgespielt) werden.

4. Beteiligung des Managements der Zielgesell-schaftPrivate Equity Investoren legen bei Transaktionen immer sehr großen Wert darauf, dass sich das Management der Zielgesellschaft an dem Erwerb der Gesellschaft beteili-gt (in diesem Zusammenhang wird oft von einem MBO für Management Buy-Out gesprochen). Typischerweise erfolgt die Beteiligung des Managements dadurch, dass eine Erwerbsgesellschaft (sog. SPV für Special Purpose Vehicle oder auch NewCo) von dem Finanzinvestor für den Zweck des Erwerbs der Zielgesellschaft gegründet wird (oder als Vorratsgesellschaft erworben wird) und das Management die Möglichkeit erhält, sich an diesem Erwerbsvehikel zu recht günstigen Konditionen zu be-teiligen (das Management der Zielgesellschaft beteiligt sich also nicht an dem Target selbst, sondern eine Ebe-ne darüber an der – künftigen – (Allein)Gesellschafterin des Targets). In den Management-Beteiligungsverträgen finden sich daher sehr komplexe Vereinbarungen wer, wann, zu welchen Konditionen und – ganz wichtig – ge-mäß welcher Kaufpreisformel Anteile an dem SPV ver-kaufen oder erwerben kann oder muss. Zu nennen sind hier vor allem die sogenannten good leaver- und bad lea-ver-Regelungen, die dienstvertragliche Fragen der Been-digung von Anstellungsverhältnissen mit Fragen der ge-sellschaftsrechtlichen Beteiligung verknüpfen (es dürfte auf der Hand liegen, dass sich hier zahlreiche schwierige juristische Fragen stellen).Hauptgrund für die Beteiligung des Managements ist nicht nur die mögliche zusätzliche Motivation des Managements, vielmehr ist für den Finanzinvestor mindestens genauso wichtig, dass durch eine Beteiligung des Managements an der Zielgesellschaft deutlich wird, dass das Management selbst von dem zukünftigen Erfolg der Zielgesellschaft überzeugt ist. Da niemand die Zukunftsaussichten, Risiken und Probleme einer Gesellschaft besser kennt als das Management eben dieser Gesellschaft, misst der Markt einer Beteiligung des Managements an der Zielgesellschaft mit eigenem Geld große Bedeutung zu. Weiterer wichtiger Vorteil

einer Beteiligung des Managements ist, dass hierdurch ein Gleichlauf der Interessen von Management und Finanzinvestor hergestellt wird, denn auch das Management wird nur im Falle einer erfolgreichen Entwicklung des Geschäfts, welches in einem erfolgreichen Exit mündet, eine attraktive Rendite für die (mittelbare) Beteiligung an dem Target erhalten.

5. Hoher Grad an FremdfinanzierungEin weiteres Kennzeichen von Private Equity Transak-tionen (auch im Unterschied zu Venture Capital Beteili-gungen) ist, dass die Finanzierung der Transaktion typi-scherweise nur zu einem kleineren Teil mit Eigenkapital des Finanzinvestors erfolgt und ein wesentlicher Teil der Finanzierung über Darlehen von Finanzinstituten abge-wickelt wird (sog. LBO für Leveraged Buy-Out).Wegen der Fremdfinanzierung müssen parallel zu den Transaktionsdokumenten umfangreiche Finanzierungs-dokumente aufgesetzt werden. Hierbei spielt unter an-derem die Stellung von Sicherheiten durch die Zielge-sellschaft eine entscheidende Rolle (international spricht man in diesem Zusammenhang oft von upstream guaran-tees oder auch von financial assistance). Die deutschen Kapitalerhaltungsbestimmungen setzen hier enge Gren-zen: bei einer deutschen Aktiengesellschaft als Zielge-sellschaft ist die Bestellung von Sicherheiten durch eben diese AG zum Zwecke der Finanzierung des Erwerbs der Aktiengesellschaft generell nicht zulässig, bei einer deutschen GmbH ist die Bereitstellung von Sicherheiten nur bis an die Grenzen des § 30 GmbH-Gesetz zulässig (hier müssen in die Sicherheitenverträge unbedingt ent-sprechende Begrenzungen aufgenommen werden, sog. limitation language). Insbesondere die Vorstände und Geschäftsführer von deutschen Zielgesellschaften, die ja die Sicherheiten im Namen der Gesellschaft bereitstel-len sollen, müssen hierbei sorgfältig vorgehen, um die zulässigen Grenzen nicht zu überschreiten. Sollte für die Bestellung der Sicherheiten im Einzelfall die Beteiligung eines mitbestimmten Aufsichtsrates notwendig machen, treten unter Umständen die Interessenkonflikte zwischen der Belegschaft der Zielgesellschaft und dem neuen Ge-sellschafter deutlich zu Tage.Eine praktische Konsequenz eines LBO ist aus anwalt-licher Sicht, dass regelmäßig der von dem Anwalt erstell-te Legal Due Diligence Report auch den finanzierenden Banken zur Verfügung gestellt werden soll. Dies ge-schieht oft auf Basis sogenannter Reliance oder Non-Re-liance Letter, welche das Rechtsverhältnis zwischen der Kanzlei, die den Due Diligence Report erstellt hat, und den finanzierenden Banken regeln und insbesondere die Haftung der Kanzlei beschränken sollen. Da die aktuelle Finanzmarktkrise zu Liquiditätsengpässen geführt hat, ist das in erheblichem Umfang auf Fremdfinanzierung auf-bauende Private Equity Geschäft in den ersten Monaten des Jahres 2008 deutlich zurückgegangen.

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6. Exit als ZielDer Finanzinvestor strebt typischerweise nach etwa drei bis sieben Jahren einen sogenannten Exit an, d.h. die Ver-äußerung der Zielgesellschaft. Diese Veräußerung erfolgt idealerweise durch einen Börsengang (sog. IPO für Initi-al Public Offering oder auch Going Public im Gegensatz zum Delisting oder auch Going Private), gegebenenfalls aber auch durch die außerbörsliche Weiterveräußerung im Rahmen eines Auktionsverfahrens an einen Strategen (sog. Trade Sale) oder unter Umständen auch an einen anderen Finanzinvestor (sog. Secondary Buy Out).Voraussetzung für einen erfolgreichen Exit ist, dass zwi-schen Erwerb und Verkauf des Unternehmens eine er-hebliche Wertsteigerung des erworbenen Unternehmens stattgefunden hat. Dies geschieht typischerweise durch Unterstützung (ggf. aber auch Austausch) des Manage-ments, Ausstattung der Gesellschaft mit dem notwen-digen Kapital für Investitionen (vereinzelt kommt es auch durch „schwarze Schafe“ zu dem umgekehrten Fall, der missbräuchlichen Abführung von Eigenkapital der Zielgesellschaft, was leider die gesamte Private Equity Branche in der Öffentlichkeit in Misskredit gebracht hat), unternehmensfördernde Umstrukturierungen (z.B. durch die Veräußerung von Unternehmensteilen, die nicht zum Kerngeschäft der Gesellschaft gehören), unter Umstän-den auch den Abbau von Arbeitsplätzen (wobei es nach Erfahrung des Verfassers bei praktisch allen Private Equi-ty Transaktionen dem Finanzinvestor ganz im Gegenteil gerade auf die langfristige Bindung der Mitarbeiter an-kam) oder der Nutzung möglicher Synergieeffekte mit anderen Unternehmungen, an denen der erwerbende Fi-nanzinvestor bereits beteiligt ist. Im Ergebnis wirkt sich daher die ganz überwiegende Zahl der Private Equity Transaktionen außerordentlich positiv auf die Zielgesell-schaft und deren Belegschaft aus.

7. Überlegungen zur AusbildungEin Student/eine Studentin, der/die sich für die Bereiche Mergers & Acquisitions und Private Equity interessiert (in der Praxis ist dies nach wie vor noch eine extreme Männerdomäne) und der/die bereit ist, die mit diesem Bereich verbundene besonders hohe Arbeitsbelastung in Kauf zu nehmen, sollte – soweit möglich - in der Ausbildung darauf achten, dass neben zumindest soliden Kenntnissen im Gesellschaftsrecht unbedingt auch die (Rechts-)Englischkenntnisse (etwa durch ein Masterstudium im angelsächsischen Ausland) entwickelt werden (für einen Wirtschaftsanwalt ist es grundsätzlich wichtiger die vorhandenen Englischkenntnisse auf ein verhandlungssicheres Niveau zu bringen, als eine zweite oder dritte Fremdsprache auszubauen oder neu zu erlernen). Idealerweise kämen noch betriebswirtschaftliche Grundkenntnisse oder Erfahrungen durch Praktika (vielleicht auch einmal außerhalb des rein juristischen Bereichs bei einer Private Equity Gesellschaft oder Investmentbank) hinzu. Dies alles sollte jedoch nicht zu Lasten der beiden juristischen Staatsexamina gehen, denn (auch) die Kanzleien, die im M&A/PE-Geschäft beraten, achten bei der Einstellung neben den erforderlichen Englischkenntnissen in erster Linie auf die Examensnoten.1

* Der Autor dieses Artikels, Rechtsanwalt und Attorney at Law (New York) Dr. Peter C. Fischer, M.C.J. (NYU), ist Partner der Raupach & Wollert-Elmendorff Rechtsanwaltsgesellschaft mbH in Frankfurt a.M. und auf die Bereiche M&A, Private Equity sowie Gesellschaftsrecht spezialisiert. Raupach & Wollert-Elmendorff ist eine überörtliche Wirtschaftskanzlei mit ca. 80 Rechtsanwälten und Rechtsanwältinnen an den Standorten Ber-lin, Düsseldorf, Frankfurt a.M., Hamburg, Hannover, München und Stutt-gart. Die Kanzlei berät in allen Fragen des nationalen und internationalen Wirtschaftsrechts, kooperiert mit der „Big Four“-Wirtschaftsprüfungsge-sellschaft Deloitte & Touche und ist Mitglied eines internationalen Kanz-leinetzwerkes mit über 1.500 Anwälten und Anwältinnen. Raupach & Wol-lert-Elmendorff ist grundsätzlich an Bewerbungen von wirtschaftsrechtlich interessierten Praktikanten/Innen und Referendaren/Innen interessiert.E-Mail: [email protected] Homepage: www.raupach-we.de

Die Hausarbeiten- und KlausurensammlungLiebe Kommilitoninnen und Kommilitonen,Seit 1988 sammeln die GIRAFFEN Jura-Arbeiten für Euch. Was damals mit zwei Aktenordnern anfing, umfasst heute mehr als 4.500 korrigierte und benotete Arbeiten aus fast allen juristischen Fakultäten Deutschlands. Seit der Eröffnung des neuen Rechts- und Wirtschaftswissenschaften-Gebäudes auf dem Westend-Campus hat die Sammlung dort Quartier bezogen. Man findet die Samm-lung seit September 2008 in Raum 1.113 des RuW- Gebäudes.Dort kann man in Ruhe die geordneten Arbeiten ansehen. Diese sind nach Themen geordnet, so dass man schnell fündig wird. Neben Strafrecht, Zivilrecht und Öffentliches Recht haben die GIRAFFEN auch viele Arbeiten aus den Grundlagenfächern im Angebot. Wer die passende Arbeit gefunden hat, erhält eine Kopie zum Mitnehmen. Kaum eine Kopie kostet mehr als 2,50 Euro. Der Betrag richtet sich nach der Seitenzahl der Arbeit, nicht nach der Benotung. Die Sammlung ist nicht kommerziell. Durch den geringen Betrag, der für eine Arbeit zu zahlen ist, wird kein Gewinn erzielt. Es werden lediglich die Papier- und Bürokosten finanziert. Das Engagement der GIRAFFEN nützt nicht alleine den Frankfurter Studierenden. Die Sammlung ist auch bei Studierenden anderer

Universitäten beliebt. Studierende aus ganz Deutschland kommen nach Frankfurt, um bei den GIRAFFEN nach der passenden Arbeit zu suchen, denn die Sammlung ist deutschlandweit einzigartig.

Die Öffnungszeiten der Sammlung sind (auch in den Semesterfe-rien):Montag 14.30 - 17.00 Uhr,Donnerstag 13.30 - 16.00 Uhr undDonnerstag 20.00 - 22.30 Uhr

Da wir das Projekt ehrenamtlich betreuen, können wir leider nicht öfter für Euch da sein.In jedem Semester bereichern etwa 400 neue Arbeiten die Samm-lung. Jeder kann korrigierte Arbeiten mitbringen und erhält dafür eine finanzielle Anerkennung.Also kommt doch mal vorbei. Die GIRAFFEN freuen sich auf Eu-ren Besuch!

Euer GIRAFFEN-TeamMehr Infos unter: www.giraffen-uni.frankfurt.de

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Mergers & Acquisitions - Ein Überblick

Von Rechtsanwalt Dr. Daniel Schnell, Frankfurt a.M.*

In die wirtschaftsrechtliche Alltagssprache haben viele Anglizismen Eingang gefunden. Die Abkürzung M&A steht für einen solchen: Mergers & Acquisitions. Dieses Begriffspaar umreißt ein vielseitiges Tätigkeitsfeld von Wirtschaftsrechtskanzleien und anderen Beratern wie etwa Investmentbanken. Staatliche Gerichte sind in diesem Kontext seltener als Organe der streitentscheidenden Rechtspflege involviert, die beispielsweise über Garantie-, Kaufpreisanpassungs- oder sonstige Ansprüche aus einem Unternehmenskauf-vertrag zu entscheiden haben könnten, zumal sich in der-artigen Verträgen häufig Schiedsgerichtsklauseln finden. Häufiger sind die Amtsgerichte vielmehr als Register-gerichte beteiligt, die nach §§ 8 ff. HGB, 125 ff. FGG die Handelsregister führen, in die etwa Umwandlungen und Kapitalerhöhungen eingetragen werden müssen, um wirksam zu werden, und zu denen etwa aktualisierte Ge-sellschafterlisten nach Übertragung von GmbH-Anteilen einzureichen sind. In diesen Kontext der sog. vorsor-genden Rechtspflege gehört auch die bei M&A vielfach erforderliche Mitwirkung von Notaren, vgl. § 1 BNotO.Übersetzt man merger mit Verschmelzung, so ist eine Brücke zum Umwandlungsgesetz geschlagen (Nr. 52a im Schönfelder, kurz: UmwG). Das Umwandlungsgesetz regelt vier Arten d.h. Unterfälle der Umwandlung von Rechtsträgern (v.a. Gesellschaften). Neben der genann-ten Verschmelzung sind dies Spaltung, Vermögensüber-tragung und Formwechsel, vgl. § 1 Abs. 1 UmwG. Das Umwandlungsgesetz eröffnet diverse, im Verlauf des folgenden Überblicks aufzuzeigende Erleichterungen, die häufig vor, bei oder nach Erwerb (acquisition) von Unternehmen genutzt werden.Nachfolgend werden einige der vielen umwandlungsge-setzlichen und sonstigen Gestaltungsalternativen aufge-zeigt, die bei M&A in Betracht kommen (und einige wei-tere der vielen in diesem Zusammenhang begegnenden Anglizismen verwendet). Der Akzent liegt dabei auf rechtstechnischen Unterschieden der Gestaltungsalterna-tiven asset deal, share deal, Abspaltung, Ausgliederung, Sacheinlage gegen neue Anteile, Verschmelzung, Auf-spaltung und Formwechsel. In die jeweilige Gestaltungs-entscheidung fließen diverse Kriterien einschließlich steuerlicher Zielsetzungen ein, deren Darstellung den vorliegenden Rahmen sprengen würde.Die Darstellung erfolgt am praktisch wichtigsten Beispiel einer GmbH – nachfolgend: A-GmbH – als potentiellem Erwerbgsgegenstand bzw. Ziel (target) einer acquisition.

Die GmbH „als solche hat selbständig ihre Rechte und Pflichten“, § 13 Abs. 1 Halbs. 1 GmbHG. Sie ist insoweit „Rechtsträger“ im Sinne des Umwandlungsgesetzes, der den genannten Umwandlungsarten unterworfen werden kann, vgl. §§ 3 Abs. 1 Nr. 2, 124, 175 Nr. 1, 191 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 Nr. 3 UmwG.

Ausgangskonstellation: Die A-GmbH, deren sämtliche Anteile Alleingesellschafter A hält, stellt Holzmöbel auf einem in ihrem Eigentum stehenden Betriebsgrundstück 1 und Holzspielzeug auf einem von V gemieteten Betriebsgrundstück 2 her. Holz wird im Rahmen zweier Lieferverträge von den Lieferanten L1 und L2 bezogen. Aus einem Bankdarlehen für die Anschaffung der auf dem Betriebsgrundstück 1 befindlichen Maschinen schuldet die A-GmbH der B1 noch 500.000 Euro. Ein weiteres Bankdarlehen zur Anschaffung der in der Holzspielzeugproduktion eingesetzten Maschinen steht noch in Höhe von 750.000 Euro zur Rückzahlung an B2 aus. Gegen den Spielzeuggroßhändler S2 hat die A-GmbH aus unbezahlten Lieferungen eine Forderung in Höhe von 100.000 Euro, gegen den Möbelgroßhändler S1 in Höhe von 150.000 Euro.

1. Asset dealDas Vermögen der A-GmbH setzt sich aus sog. Aktiva (z.B. Grundeigentum, Forderung gegen Lieferanten) und Passiva (z.B. Schulden aus Darlehens- und Mietvertrag) zusammen, vgl. § 266 HGB.Die A-GmbH, und zwar nur die A-GmbH als deren Inhaber und nicht ihr Alleingesellschafter A, kann grundsätzlich einzelne, mehrere oder alle dieser Vermögenspositionen (assets) - und auch Passiva - auf einen Dritten übertragen (Verfügungsgeschäftsebene). Dies kann beispielsweise in Erfüllung eines Kaufvertrages über mehrere oder alle ihrer Aktiva geschehen (Verpflichtungsgeschäftsebene), in dem der Käufer auch zur Schuldübernahme verpflichtet wird. Je umfänglicher das Vermögen der A-GmbH veräußert wird, desto eher kann der Verkäufer Aufschläge auf die Summe der Einzelwerte der verkauften Gegenstände realisieren (good will etc.). Der Gesamtkaufpreis ergibt sich vereinfacht dargestellt dann durch Abzug der zu übernehmenden Schulden hiervon. Hier kann als Verpflichtungsvertrag über das Vermögen nach § 311b Abs. 3 BGB der Gang zum Notar erforderlich werden, andernfalls ein nur mündlich oder schriftlich vorgenommenes Verpflichtungsgeschäft nichtig bleibt.So kann das Betriebsgrundstück 1 an den Dritten

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übereignet werden (§§ 925 Abs. 1, 873 Abs. 1 BGB) wie auch die Produktionsmaschinen und sonstige Produktionsmittel sowie Erzeugnisse (§§ 929 ff. BGB). Der Mietvertrag mit V kann mit allen vertraglichen Rechten (z.B. Anspruch gegen V auf mietvertragliche Gebrauchsgewährung) und Pflichten (z.B. Zahlung der Miete an V) auf einen Dritten übertragen werden, sog. Vertragsübernahme. Die Darlehensrückzahlungsschulden und ggf. Zinsverbindlichkeiten gegenüber B1 und B2 können ebenfalls auf einen Dritten als neuen Rückzahlungsschuldner übertragen werden, sog. Schuldübernahme gem. §§ 414 BGB. Die Forderungen gegen S1 und S2 können an einen Dritten abgetreten werden, § 398 BGB.Allerdings kann ein Teil der vorgenannten Verfügungsgeschäfte nicht allein zwischen der A-GmbH und dem Dritten wirksam vereinbart werden. So müssen die Gläubiger B1 und B2 an der Schuldübernahme gemäß § 414 BGB oder gemäß § 415 Abs. 1 BGB mitwirken. Ein entsprechendes Zustimmungserfordernis greift analog für den Vertragspartner V im Falle einer Mietvertragsübernahme. Wäre für eine Forderung gemäß § 399 Alt. 2 BGB ein (in Ausnahme zu § 137 Satz 1 BGB ausnahmsweise dinglich wirkendes) Abtretungsverbot vereinbart worden, so müsste diese sog. Vinkulierung durch weitere Vereinbarung mit dem Forderungsschuldner wieder aufgehoben werden, damit eine Forderungsabtretung wirksam erfolgen könnte. Darüber hinaus müssen für jeden zu übertragenden Vermögensgegenstand die für ihn jeweils greifenden verfügungs- und insbesondere sachenrechtlichen Anforderungen gewahrt werden (z.B. Auflassung und Grundbucheintragung gem. §§ 873 Abs. 1, 925 Abs. 1 BGB, Besitzwechsel gem. §§ 929 ff. BGB). Der asset deal besteht daher jedenfalls auf Verfügungsgeschäftsebene aus einer Vielzahl von Einzelgeschäften, was ihn sehr aufwändig machen kann.In dem Maße, in dem Vermögen der A-GmbH übertragen wird und ggf. Gegenleistungen wie Geld oder Anteile an anderen Gesellschaften (siehe unten) im Gegenzug von ihr erworben werden, wird die Gesellschaft gemessen an ihrem bislang operativen Unternehmensgegenstand (vgl. §§ 3 Abs. 1 Nr. 2, 10 Abs. 1 GmbHG), hier der Holzmöbel- und Holzspielzeugproduktion, zunehmend zu einem unzutreffenden bzw. leeren rechtlichen Mantel. Sie kann dann letztlich als inoperative Mantelgesellschaft mit zu änderndem Unternehmensgegenstand (der Verwaltung eigenen Vermögens) fortbestehen oder aber aufgelöst und abgewickelt werden, vgl. §§ 60 Abs. 1 Nr. 2, 72 GmbHG. Letzteres bringt zusätzlichen Aufwand (z.B. dreimaliger Aufruf der Gesellschaftsgläubiger in den Gesellschaftsblättern, § 65 Abs. 2 GmbHG, zusätzliche Rechnungslegung, §§ 71, 74 Abs. 1 GmbHG) mit sich und nimmt einen längeren Zeitraum in Anspruch (Sperrjahr ab drittem Gläubigeraufruf, nach dem erst das verbleibende

Gesellschaftsvermögen an die Gesellschafter verteilt werden darf, § 73 GmbHG).

2. Share dealIst der Dritte am Erwerb des Unternehmens der A-GmbH als operativem Organismus interessiert, so will er deren Vermögen möglichst umfänglich erwerben. Eine Vielzahl von Einzelübertragungen und teilweise erforderliche Zustimmungen (siehe oben 1.) bleibt entbehrlich, wenn Anteile (shares) oder gar die Anteilsgesamtheit des A an der A-GmbH vom Dritten erworben werden. Hier wird dann mit den Anteilen sozusagen der rechtliche Mantel erworben, in den die assets eingekleidet sind und – vom Gesellschafterwechsel unverändert – eingekleidet bleiben.Verpflichtungsgeschäft (SPA = share purchase agreement) wie auch Verfügungsgeschäft bedürfen gemäß § 15 Abs. 3 und 4 GmbHG der notariellen Beurkundung. Häufig erfolgt beides in einer Notarsurkunde unter aufschiebender Bedingung des Anteilsübergangs erst mit kartellbehördlicher Freigabe, Kaufpreiszahlung etc.Allerdings können Verträge mit der A-GmbH Klauseln enthalten, die beispielsweise außerordentliche Kündigungsrechte des Vertragspartners im Falle jeglicher Gesellschafterwechsel oder zumindest im Falle des Anteilserwerbs durch einen Wettbewerber des Vertragspartners vorsehen (sog. change of control-Klauseln).Der Gewerbemietvertrag mit V sieht ein außerordentliches Kündigungsrecht zu dessen Gunsten bei Mehrheitserwerb eines Dritten an der A-GmbH vor.Die juristische Prüfung des targets (sog. Legal Due Diligence), die ein am Unternehmenserwerb interessierter Dritter typischerweise im Vorfeld durchführen lässt, umfasst daher auch die Sichtung von wichtigen Vertragsverhältnissen der A-GmbH auf solche Klauseln hin. Ist ein Vertrag mit der A-GmbH für deren Tätigkeit essentiell, enthält er jedoch eine change of control-Klausel, so kann ein deal hieran letztlich scheitern (deal breaker), wenn dieser Situation absehbar nicht effektiv begegnet werde kann. Abhilfe ist etwa denkbar durch Neuabschluss eines vergleichbaren Vertrages mit einer anderen Vertragspartei oder durch Erklärung des Vertragspartners zugunsten des Erwerbsinteressenten, die Klausel nicht auszuüben.

3. Abspaltung und AusgliederungWill Alleingesellschafter A mittels der A-GmbH nur das Geschäftsfeld Holzmöbel fortführen, so kann er zum einen alle Vermögenspositionen der A-GmbH, die das andere Geschäftsfeld Holzspielzeug betreffen, in einem asset deal an einen Dritten verkaufen und übertragen.Zum anderen kann ein share deal über das Geschäftsfeld Holzspielzeug mit den vorgenannten Erleichterungen – Entbehrlichkeit einer Vielzahl von Einzelübertragungen,

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Entbehrlichkeit von Drittzustimmungen etc. – nach Abspaltung oder Ausgliederung der dazu gehörigen Vermögensteile der A-GmbH in eine weitere, ggf. neue Gesellschaft als sog. „übernehmenden Rechtsträger“ vorgenommen werden, vgl. § 123 Abs. 2 und 3 UmwG. Die abgespaltenen bzw. ausgegliederten Vermögensteile (hier alle zum Geschäftsfeld Holzspielzeug gehörigen Aktiva und Passiva) des „übertragenden Rechtsträgers“ (hier der A-GmbH) gehen mit Wirksamwerden dieser Umwandlung ohne erforderliche Einzelübertragung und ohne erforderliche Drittzustimmung auf den übernehmenden Rechtsträger über, sog. partielle Gesamtrechtsnachfolge (vgl. § 131 Abs. 1 Nr. 1 UmwG). Abspaltung und Ausgliederung ermöglichen also sozusagen, das Geschäftsfeld Holzspielzeug erleichtert in einen eigenen rechtlichen Mantel einzukleiden und dann nur diesen Mantel, d.h. shares am übernehmenden Rechtsträger, zu verkaufen und zu übertragen.Abspaltung und Ausgliederung sind Unterfälle der umwandlungsgesetzlichen Spaltung und unterscheiden sich dadurch, wer Anteile am übernehmenden Rechtsträger erwirbt, die dann mittels share deal weiter verkauft und übertragen werden können. Im Falle der Abspaltung ist dies der Gesellschafter A des übertragenden Rechtsträgers A-GmbH. Im Falle der Ausgliederung ist dies der übertragende Rechtsträger, d.h. die A-GmbH selbst.Werden also die zum Geschäftsfeld Holzspielzeug gehörigen Vermögenspositionen der A-GmbH z.B. auf die B-GmbH abgespalten, so bleibt A Gesellschafter der A-GmbH und wird zugleich unmittelbarer Gesellschafter der B-GmbH. Wird das Geschäftsfeld demgegenüber aus der A-GmbH ausgegliedert, so bleibt A Gesellschafter der A-GmbH, wird die A-GmbH ihrerseits unmittelbare Gesellschafterin der B-GmbH und ist A dann nur deren mittelbarer Gesellschafter. Ein share deal wäre vom Dritten nach Abspaltung also mit A, nach Ausgliederung demgegenüber mit der A-GmbH zu schließen.

4. Sacheinlage gegen neue AnteileIst der Erwerber keine natürliche Person, sondern eine Gesellschaft (z.B. eine C-GmbH), so kann statt einer Gegenleistung in Geld für die zu übertragenden assets oder shares eine Beteiligung des Veräußerers an der erwerbenden C-GmbH erwünscht sein.Dieses Ergebnis kann unter anderem mittels einer Kapitalerhöhung bei der C-GmbH unter Sacheinlage der vorgenannten assets oder shares und durch Zeichnung der neuen Geschäftsanteile durch den Veräußerer der assets oder shares erreicht werden, vgl. §§ 55 ff. GmbHG. Hier erfolgt dann vereinfacht dargestellt im Kern ein in gesellschaftsrechtliche Strukturen eingekleideter Austausch der assets oder shares des Veräußerers gegen shares am Erwerber.Soweit der Wert der eingebrachten assets oder shares den Nennbetrag der neuen Geschäftsanteile an der C-GmbH

übersteigt, kann diese dem Veräußerer zugleich Geld lei-sten (sog. gemischte Sacheinlage).Der Alleingesellschafter C der C-GmbH beschließt eine Kapitalerhöhung gegen Sacheinlage der Anteile an der A-GmbH durch deren Alleingesellschafter A, der zum Alleinbezug der neuen Anteile an der C-GmbH zugelassen wird. Nach Eintragung der Kapitalerhöhung ist dann A neben C an der C-GmbH beteiligt, die nunmehr Alleingesellschafterin der A-GmbH ist.

5. Verschmelzung a) Wie bei der Sacheinlage von shares an der A-GmbH in die C-GmbH würden im Zuge einer Verschmelzung der A-GmbH auf die C-GmbH der oder die Gesellschafter des „übertragenden Rechtsträgers“ A-GmbH, hier Alleingesellschafter A, am „übernehmenden Rechtsträger“ C-GmbH beteiligt. Jedoch würde im Zuge der Verschmelzung der übertragende Rechtsträger erlöschen, vgl. § 20 Abs. 1 Nr. 2 UmwG, und sein Vermögen einschließlich Verbindlichkeiten auf den übernehmenden Rechtsträger übergehen, vgl. § 20 Abs. 1 Nr. 1 UmwG. Eine Erleichterung liegt hier zum einen darin, dass die A-GmbH kraft Gesetzes erlischt und nicht mehr abgewickelt werden muss (vgl. oben 1.). Zum anderen erfolgt der Vermögensübergang kraft gesetzlicher Gesamtrechtsnachfolge ähnlich der erbrechtlichen Universalsukzession nach § 1922 Abs. 1 BGB, was wiederum eine Vielzahl von Einzelübertragungen und eventuelle Zustimmungen entbehrlich macht.Nach Verschmelzung der A-GmbH auf die C-GmbH wäre dann A neben C an der C-GmbH beteiligt. Infolge der gesetzlichen Gesamtrechtsfolge ist nun die C-GmbH Inhaberin aller Vermögenspositionen der erloschenen A-GmbH: sie ist Eigentümerin des Betriebsgrundstücks 1, Partei des Mietvertrages mit V, Schuldnerin der Darlehen von B1 und B2 und Gläubigerin der Forderungen gegen S1 und S2 etc.

b) Häufig erwirbt der an einem Unternehmen interessierte Dritte, z.B. ein Finanzinvestor, die shares an der Zielgesellschaft (hier der A-GmbH) nicht unmittelbar, sondern mittels einer Zweckgesellschaft (SPV = special purpose vehicle), die er zuvor gegründet oder – so die praktische Regel, da schneller – als Mantel- bzw. Vorratsgesellschaft von einem Drittgründer erworben hat. D gründet und verkauft Vorratsgesellschaften. Dies ist keine dubiose Praxis, sondern ein Geschäftsmodell, das infolge der bisherigen Dauer der Gründungseintragung einer Kapitalgesellschaft eröffnet wurde. Eine von D gegründete GmbH mit einem Stammkapital von 25.000 Euro kostet 27.500 Euro. B kauft zum vorgenannten Preis die „245. Beteiligungs GmbH“ von D und wird damit deren Alleingesellschafter, setzt eine eigene Geschäftsführung ein und ändert die Firma der Vorratsgesellschaft in „B Holding GmbH“.

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Nach Erwerb der Anteile an der operativen Zielgesellschaft (A-GmbH) durch die Zweckgesellschaft (B Holding GmbH) – und nicht durch deren Gesellschafter (hier B) - wird erstere häufig auf letztere verschmolzen. Da alle Anteile am übertragenden Rechtsträger (A-GmbH) vom übernehmenden Rechtsträger (B Holding GmbH) gehalten werden, wird dies auch als up-stream-merger bezeichnet, für die das Umwandlungsgesetz wiederum gewisse Erleichterungen vorsieht.B ist Alleingesellschafter der B Holding GmbH, auf die im Zuge der Verschmelzung das gesamte Vermögen einschließlich Passiva der A-GmbH übergegangen ist.

6. AufspaltungBei der Abspaltung und Ausgliederung erfolgt eine partielle Gesamtrechtsnachfolge seitens des übernehmenden Rechtsträgers unter Fortbestand des übertragenden Rechtsträgers, der Inhaber des nicht abgespaltenen bzw. nicht ausgegliederten Vermögens bleibt.Nach den oben 3. skizzierten Umwandlungen besteht die A-GmbH fort mit den zum Geschäftsfeld Holzmöbel gehörigen Vermögenspositionen: ihr gehört noch das Betriebsgrundstück 1, sie ist noch Darlehensschuldnerin gegenüber B1 und Forderungsgläubigerin gegenüber S1 etc. Bei der Verschmelzung erfolgt eine universelle d.h. gänzliche Gesamtrechtsnachfolge durch einen übernehmenden Rechtsträger unter Erlöschen des übertragenden Rechtsträgers ohne Abwicklung (siehe oben 5.).Bei der Aufspaltung als drittem Unterfall des umwandlungsgesetzlichen Instruments der Spaltung wird das gesamte Gesellschaftsvermögen – sozusagen mittels mehrerer partieller Gesamtrechtsnachfolgen – auf zwei oder mehr übernehmende Rechtsträger übertragen, wobei der übertragende Rechtsträger ohne Abwicklung erlischt. Einzelübertragungen und eventuelle Zustimmungen sind auch hier wiederum entbehrlich.Am Erwerb der beiden Geschäftsfelder der A-GmbH sind zwei verschiedene Personen interessiert. Dann könnte das eine Geschäftsfeld Holzmöbel auf eine neue D-GmbH (Betriebsgründstück 1, zur Holzmöbelherstellung gehörige Maschinen, Teil der bereits erworbenen Holzvorräte, bereits hergestellte Holzmöbel, Holzliefervertrag mit L1, Bankdarlehen von B1, Lieferforderung gegen S1) und das andere Geschäftsfeld Holzspielzeug auf eine weitere neue E-GmbH (Gewerbemietvertrag mit V, zur Holzspielzeugherstellung gehörige Maschinen, Teil der Holzvorräte, Liefervertrag mit L2, Bankdarlehen von B2, Lieferforderung gegen S2) aufgespalten werden. Seine im Zuge der Aufspaltung erworbenen Anteile an der D- und E-GmbH könnte A jeweils mittels share deals an die beiden Erwerbsinteressenten veräußern, wodurch wiederum Einzelübertragungen der im jeweiligen rechtlichen Mantel befindlichen assets wie auch Zustimmungen entbehrlich werden.

7. Formwechsel Die von § 15 Abs. 3 und 4 GmbHG vorgeschriebene notarielle Mitwirkung an der Übertragung von GmbH-Anteilen auf Verpflichtungs- und Verfügungsebene soll einerseits eine Nachweisgrundlage für den Gesellschafterstand schaffen (vgl. §§ 16 Abs. 1, 40 GmbHG) und die Gefahr der Unwirksamkeit von Anteilsübertragungen minimieren. Andererseits soll sie nach GmbH-gesetzgeberischer Vorstellung den Verkehr mit GmbH-Anteilen erschweren. Demgemäß gibt es keinen nennenswerten öffentlichen und insbesondere keinen börslichen Handel mit GmbH-Anteilen. Soll die A-GmbH Zugang zum öffentlichen Eigenkapitalmarkt erhalten (going public), sollen also ihre Anteile über eine Börse gehandelt und – wichtiger für die Gesellschaft – durch Kapitalerhöhungen geschaffene neue Anteile über eine Börse platziert werden können, so muss ihr zuerst eine börsenfähige Rechtsform gegeben werden. Einen Umwandlung in eine Aktiengesellschaft (oder seltener: in eine Kommanditgesellschaft auf Aktien) ermöglicht das Umwandlungsgesetz mittels Formwechsels, vgl. §§ 190 ff. UmwG. Diese Umwandlungsart ist wiederum eine Erleichterung insofern, als das Vermögen der A-GmbH nicht mittels Einzelübertragungen und ggf. unter Drittzustimmung auf eine andere schon bestehende oder neu zu gründende AG übertragen und die A-GmbH dann aufgelöst und abgewickelt werden muss. Vielmehr wird nur der rechtliche Mantel derselben juristischen Person geändert: die A-GmbH besteht als A-AG mit allen für und gegen die A-GmbH begründeten Rechten und Pflichten fort, unterliegt gesellschaftsrechtlich aber nunmehr dem strengeren Aktiengesetz und nicht mehr dem GmbH-Gesetz.

8. ZusammenfassungDer vorstehende Überblick erhebt weder Anspruch auf Vollständigkeit, noch vermag er in der gebotenen Kürze in juristische Tiefe und Details eines breiten, vielseitigen und spannenden wirtschaftsrechtlichen Praxisgebietes zu gehen, das sich um Unternehmen als Gegenstände des rechtsgeschäftlichen Verkehrs dreht und häufig auch als M&A kurzbezeichnet wird. Die vorstehend skizzierten Gestaltungen, die hinter vielen Meldungen auf den Wirtschaftsseiten der Presse stehen, dürften im zivilrechtlichen Studium in der Regel nur angerissen werden. Wer sich näher und nicht nur theoretisch damit beschäftigen möchte, dem ist ein Praktikum bzw. im fortgeschnittenen Ausbildungsstadium eine Referendariatsstation bei einer auf dieses Tätigkeitsfeld ausgerichteten Kanzlei zu empfehlen.1

* Der Verfasser ist als Rechtsanwalt bei SJ Berwin LLP in Frankfurt a.M. tätig.

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Klausur in Rechtsphilosophie

Von Assessor Dr. Jochen Zenthöfer, Freiburg*

a) „Handle nur nach derjenigen Maxime, durch die du zugleich wollen kannst, dass sie ein allgemeines Gesetz werde.“

b) „Handle äußerlich so, dass der freie Gebrauch deiner Willkür mit der Freiheit von jedermann nach einem all-gemeinen Gesetz zusammen bestehen kann.“

1. Worauf beziehen sich die beiden von Immanuel Kant formulierten Handlungsanleitungen und weshalb sind sie strikt zu trennen?

2. Was ist der Sinn der Trennung von Recht und Moral?

3. Nennen Sie Beispiele, wie Konflikte zwischen mo-ralischen Vorstellungen und tatsächlichem Recht gelöst werden!

Lösung:Frage 1a) Das erste Zitat ist eine Formel des „Kategorischen Im-peratives“ von Kant. Es handelt sich um ein moralisches Gesetz und gebietet, nach solchen Maximen des Willens zu handeln, die als Prinzip einer allgemeinen Gesetzge-bung gelten können. Dabei soll das moralische Gesetz selbst das Verhaltensmotiv, die „Triebfeder der Hand-lung“ sein. Es kommt also auf die Qualität der Maxime des Willens als Motiv des Handelns an.

b) Das zweite Zitat ist das „Allgemeine Rechtsgesetz“. Für Kant besteht erst durch das Recht eine allgemeine Freiheit in dem Sinn, dass jedem Freiheitsrechte garan-tiert werden. Durch Rechtsverhältnisse wird die Freiheit eines jeden mit der Freiheit aller in Einklang gebracht. Das Recht ist der „Inbegriff der Bedingungen, unter de-nen die Willkür des einen mit der Willkür des anderen nach einem allgemeinen Gesetz der Freiheit zusammen vereinigt werden kann.“ Willkür meint hier „Wahlfrei-heit“.

c) Kant trennt hier zwischen der moralischen Handlungs-anleitung – dem kategorischen, also unbedingten, Impe-rativ – und Rechtsgesetzen. Das hat seinen Grund. Denn für Kant gibt es nur ein angeborenes Recht des Menschen: die Freiheit. Diese Freiheit ermöglicht Selbstbestimmung und einen freien Willen – und damit autonome Selbstge-setzgebung beim Menschen. Der Mensch ist also nicht fremdbestimmt (heteronom), sondern besitzt eine eigene Vernunft. Dies unterscheidet ihn vom Tier und verleiht

dem Menschen Würde. Er ist das einzige Lebewesen, das so handeln kann, dass der Beweggrund seines Handelns auch das Prinzip einer allgemeinen Gesetzgebung sein könnte. Anders ausgedrückt: Der Mensch ist fähig, nach dem kategorischen Imperativ zu handeln.

Um moralisch Handeln zu können, darf der Freiheits-raum des Menschen aber nicht gefährdet sein. Deshalb sichert das Recht, dass die Freiheitsräume aller mitei-nander vereinigt werden können. Das Recht ermöglicht es also erst, dass der Mensch nach seinen moralischen Prinzipien handelt.Gleichzeitig darf das Recht die Freiheitsräume nicht wie-der begrenzen, in dem es eine gewisse Moral vorschreibt. Würden Moral und Recht nicht getrennt, würde also das Recht moralische Ziele verfolgen, gerät die Freiheit des Menschen wieder in Gefahr. Die Freiheit aber ist das ein-zig angeborene Recht des Menschen.

d) Nun könnte man einwenden, dass das Recht eine „gute Moral“ verfolgen könnte. Man könnte auch sagen, dies sei begrüßenswert. Kant aber glaubt nicht, dass es eine „gute Moral“ gibt. Vielmehr existierten eine Vielzahl von Meinungen und Anschauungen. In seiner „Kritik der reinen Vernunft“ beweist Kant zudem, dass es die eine richtige Moral nicht geben kann. Die Vernunft als „Ding an sich“ kann der Mensch nicht erkennen.

Weshalb? Der Mensch mischt immer Empfindungen bei, wenn er etwas mit seinen Sinnen aufnimmt. Dies ge-schieht in drei Stufen:

Einzig angeborenes Recht: FREIHEIT

↓ermöglicht Autonomie (Selbstbestimmung)

↓dies verleiht dem Menschen Würde

↓der Mensch kann moralisch handeln,

dem kategorischen (= unbedingten) Imperativ folgen

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1. Stufe: Synthesis (= Verbindungen) der Empfindungen (z.B. auf der Netzhaut, Töne im Ohr) zu Anschauungen. Die Bedingungen der Möglichkeit dieser Synthesis sind Raum und Zeit. Ohne die sinnliche Empfindung von Raum und Zeit können wir Empfindungen nicht zu An-schauungen verknüpfen.

2. Stufe: Synthesis der Anschauungen zu Erfahrungen. Die Bedingungen der Möglichkeit dieser Synthesis sind Kategorien wie Kausalität. Ohne die sinnliche Empfin-dung von Kategorien wie Kausalität können wir die An-schauungen nicht zu Erfahrungen verknüpfen.

3. Stufe: Synthesis der Erfahrungen zur Totalität der Er-fahrung. Die Bedingung der Möglichkeit dieser Synthe-sis ist die sog. „transzendentale Apperzeption“ (= über-schiebende Wahrnehmung einzelner Sinneseindrücke). Damit können einzelne Erfahrungen in eine umfassende Totalität der Erfahrung verknüpft werden. Diese Totalität besteht aus Welt, Seele und Gott.

Folglich weiß niemand, was die „Vernunft an sich“ ist, auch der Staat weiß es nicht. Kant ist also Subjektivist. Damit wendet er sich gegen die objektive Seins- und Wahrheitsauffassung des Aristoteles, er „zermalmt“ sie. Kant wird deshalb als „Alleszermalmer“ bezeichnet.

Ergebnis: Das moderne Recht verwirft nicht moralisch bedenkliches Verhalten, so lange es keinem anderen scha-det. Der moderne Staat versteht sich nicht als moralischer Erzieher. Er will einzig und allein die Freiheitsräume des einzelnen sichern. Ziel ist das effektiv gedeihliche Zu-sammenleben, der innere Frieden, nicht die Gesinnung der Beteiligten.

Weil es keine objektive Wahrheit, keine objektive Ver-nunft geben kann, trennt Kant seine Tugendlehre von seiner Rechtslehre. Der kategorische Imperativ (das er-ste Zitat) findet sich in der Tugendlehre, das allgemeine Rechtsgesetz in der Rechtslehre.

Frage 2a) Zuerst ist zu klären, welche inneren Haltungen über-haupt beanspruchen können, moralisch zu sein. Zuerst müssen die Grundsätze autonom entwickelt sein. Mo-ral kann also nicht von anderen einfach übernommen werden. Weiterhin besteht das Erfordernis der „Univer-salisierbarkeit“ – die Norm muss folglich allgemein an-nehmbar sein.

Nach der Formulierung von Habermas verlangt dieser Grundsatz, nach Normen zu handeln, die der Bedingung genügen, „dass die Folgen und Nebenwirkungen, die sich jeweils aus ihrer allgemeinen Befolgung für die Befriedi-gung von Interessen eines jeden Einzelnen voraussicht-

lich ergeben, von allen Betroffenen akzeptiert werden können“.

Zuletzt muss die innere Haltung auch universell zustim-mungsfähig, also rational begründbar sein. Dies bedeu-tet, dass wenigstens der Anspruch erhoben werden kann, dass sich die Normen rational begründen lassen. Rational begründet sind moralische Richtlinien dann, wenn hin-reichende Gründe dafür sprechen, dass sie von jeder Per-son rationalerweise angenommen werden sollten.

b) Das Recht soll sich auf den Schutz äußerer Freiheit beschränken und soweit wie möglich auf die Verwirkli-chung sonstiger inhaltlicher – also moralischer – Richtig-keitsvorstellungen verzichten. Gründe dafür sind:

Freiheitsargument: Ein Recht, dass sich an inhaltlichen Richtigkeitskriterien orientiert, schränkt die Freiheit des Menschen unnötig ein (dazu ausführlich unter Frage 1).

Rechtssicherheitsargument: Ein Recht, das in Ori-entierung an inhaltlichen Richtigkeitskriterien Pflichten auferlegen wollte, müsste vielfach mit Geboten statt Ver-boten arbeiten. Es ist sehr schwer, den Pflichtverstoß bei Geboten festzustellen. Zudem können Gebote immer nur sehr vage, Verbote dagegen scharf und deutlich formu-liert werden.

Pluralismusargument: Die Durchsetzung eines Werte-systems in einer pluralistischen Gesellschaft ist nicht nur freiheitsgefährdend, sondern auch friedensgefährdend (siehe Iran, Irak, Kuba). Ein friedliches Nebeneinander der Anhänger verschiedener Weltanschauungen ist nur gewährleistet, wenn das Recht sich darauf beschränkt, das friedliche Miteinander zu sichern und sich einer Stel-lungnahme zu deren Richtigkeitskriterien enthält. Recht darf folglich auf keine anderen Werte bezogen werden als die seiner eigenen Existenzmöglichkeit.

Demokratieargument: Bei moralischen Geboten wird dem Rechtsanwender ein großer Ermessensspielraum überlassen. Er kann zum Beispiel entscheiden, ob er ein-schreitet oder nicht. Damit kann er seine eigenen mora-lischen Prinzipien an die Stelle des Gesetzgebers setzen. Es besteht also die Gefahr, dass demokratisch legitimierte Entscheidungen des Gesetzgebers unterlaufen werden.

Frage 3Viele Konflikte zwischen Recht und Moral sind heute ge-genstandslos, da das Recht – zumindest in der EU – viele moralische Forderungen aufgenommen hat. Zudem ver-weisen viele Gesetze auf außerrechtliche Moralvorstel-lungen. Beispiel: §§ 157, 242, 826 BGB (Verkehrssitte, Treu und Glauben, sittenwidrige Schädigung). Schließ-lich hat das Richterrecht moralische Vorstellungen zu

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einem Teil der Rechtsordnung gemacht, insbesondere im Arbeitsrecht.Treten ansonsten Konflikte zwischen Recht und Mo-ral auf, können rechtliche Normen faktisch unwirksam werden im Laufe der Zeit. Soll das Recht aber weiter-hin durchgesetzt werden, kommt es zu Auseinanderset-

zungen bis hin zur Revolution (deutsche Bauernkriege, französische Revolution, amerikanischer Unabhängig-keitskrieg).1

* Der Autor ist promovierter Prädikatsjurist und Autor des Werkes „Juri-stischer Grundkurs: Rechtsphilosophie“, 6,80 Euro, ISBN 978-3935150-24-8.

Kleine Gebrauchsanweisung für das mündliche Staatsexamen

Von Univ.-Prof. Dr. Regina Ogorek, Frankfurt a.M.

Gehen wir ruhig einmal davon aus, Sie treffen in der mündlichen Prüfung auf die Normalsituation: Drei – nach altem Recht vier – Prüfer, nicht jeder erfahren, aber jeder durch den erfahrenen Vorsitzenden und wachsame Kollegen vor exzentrischen Volten bewahrt, keiner ein Sadist, sondern alle mit einem Basis-Wohlwollen und dem empathischen Wissen darum ausgestattet, dass es nur wenige Kandidaten gibt, die sich in ihrer Haut wohl fühlen. Sie Ihrerseits haben den schriftlichen Staatsexamensteil erfolgreich hinter sich gebracht, und nun geht es zumindest darum, das Erreichte bestätigt zu bekommen, oft aber darum, die Prüfer davon zu überzeugen, dass die bisher erzielten Ergebnisse Ihren Wissensstand nur unvollkommen wiedergeben, und dass Sie eigentlich deutlich klüger sind, als es die Noten im Schriftlichen vermuten lassen. Zuweilen geht es auch um Sein oder Nichtsein (staatsexamensmäßig betrachtet), und immer geht es darum, sich von der allerbesten Seite zu präsentieren. Wie macht man das?

Die Autorin dieser Zeilen ist weit davon entfernt, über ein Patentrezept zu verfügen, das allen Mentalitäten und Wissensständen gerecht wird, aber als langjährige Prüferin weiß sie, welches Verhalten dem Prüfling frommt und welches eher geeignet ist, beim Adressaten ein mildes Kopfschütteln oder gar ein gereiztes Stirnrunzeln hervorzurufen. Dabei stellt dieses kleine Vademekum nicht etwa den Versuch dar, einen Weg zu richtigen oder falschen Antworten aufzuzeigen, und es ist ihm auch nicht an dem Nachweis gelegen, dass gedankliche Tiefe in der Regel besser ankommt als inhaltloses Wortgeklingel. Wie derartiges zu bewerten ist, liegt auf der Hand und braucht nicht kommentiert zu werden. Aber es gibt einiges, was jenseits von materieller Substanz und argumentativer Kraft in der Prüfungssituation zählt, was den Eindruck, den die Präsentation des Kandidaten hinterlässt, mitformt und sich auf geheimnisvolle, zuweilen unbewusste und kaum einmal kommunizierte Weise auf die Gesamteinschätzung auswirkt. Die mündliche Prüfung ist

nämlich – mehr, bzw. anders als die schriftliche – eine ergebnisorientierte, auf Überzeugung des Gegenübers angelegte Redesituation, und es ist banal, darauf hinzuweisen, dass die rhetorischen Mittel der Überzeugungsbildung über das Kriterium von richtig oder falsch hinausreichen. Vielmehr kommt es darauf an, sich bewusst und

gezielt auf die spezifische Situation einzustellen, in der man sich befindet – eben auf den Umstand, dass man als Prüfling in einer mündlichen Prüfung sitzt.

Was also ist das Spezifische an dieser Prüfungssituation? Ins Auge sticht zunächst, dass es sich um ein Arrangement mit Starken und Schwachen handelt. Schwach die Prüflinge, stark die Prüfer, und zwar vor allem institutionell, zuweilen, wenngleich keineswegs zwingend, auch intellektuell. Eine Situation, die Angst und Nervosität kennt (übrigens auch auf Seiten der Prüfer, was die Sache für den Prüfling keineswegs besser macht). Jedenfalls aber ist es eine Situation mit klarer Rollenverteilung, und auch wenn es schwer fallen dürfte, generelle Regeln für ein angemessenes Verhalten in mündlichen Prüfungen aufzustellen, die über das absolut Selbstverständliche hinausgehen, so lässt sich doch ganz gut zeigen, welche Reaktionen, Wendungen und Verhaltensweisen nicht angemessen sind. Im Folgenden sollen einige Fundstücke aus mündlichen Prüfungen wiedergegeben werden – kleinere oder größere Verstöße gegen das rhetorische Aptum, also gegen das, was der Prüfungssituation adäquat ist. Die Auswahl ist zufällig. Eine Systematisierung wurde bestenfalls in den Zwischenüberschriften angedeutet. Die Beispiele stammen aus einigen wenigen mündlichen Prüfungen, bei denen sich die Autorin dieser Zeilen – meist durch einen konkreten Beitrag stimuliert – ein paar Notizen gemacht hat. Vollständigkeit wurde also nicht angestrebt. Vielmehr ist mit dem Textchen die Hoffnung verbunden, dass der Leser (und künftige Prüfungskandidat) ein Gespür – nicht mehr und nicht weniger – dafür entwickelt, was er in der Prüfung tunlichst unterlassen sollte.

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Äußeres ErscheinungsbildNiemand verlangt heute mehr von Frau Kandidatin das kleine Kostüm mit der weißen Bluse, und auch Herr Kandidat muss nicht notwendig mit frischem Haarschnitt sowie Anzug und Krawatte erscheinen. Wer allerdings in ausgebeulten Jeans, leicht fleckigem T-Shirt und ausgetretenen Sandalen mit gelangweiltem Gesicht hereinschlurft, hat die Beweislast dafür, dass er die Prüfung ernst nimmt, zu seinen Lasten umgedreht. Umgekehrt ist es nicht völlig auszuschließen, dass sich ein Prüfer, der seinerseits ein Outfit präsentiert, von dem man meinte, es sei vor 30 Jahren in der Mottenkiste versunken, von einem gegelten Dressman-Typen dazu herausgefordert fühlt, ihm zu zeigen, dass es kompliziertere Fragen gibt als die nach dem Farbenspiel der Missoni-Krawatte. Fazit: Mit appetitlicher Korrektheit ohne Übertreibungen nach oben oder unten macht man nichts falsch und eröffnet keine Kriegsschauplätze, auf denen zu kämpfen es sich nicht lohnt.

RollentauschDer Prüfer ist froh darüber, dass er der Prüfer und nicht der Prüfling ist. Er liebt es in der Regel gar nicht, wenn letzterer versucht, sich zum Herrn des Verfahrens aufzuschwingen. Selbst äußerst gutmütige Exemplare reagieren daher selten erfreut, wenn ihnen der Kandidat bei der Prüfungsregie ,hilfreich‘ unter die Arme greift. Meist wird der Prüfer es als Folge der Aufregung und nicht der Hybris des Prüflings verbuchen, aber wo sich der Eindruck verfestigt, der zu Prüfende verkenne dauerhaft seine Rolle, könnte der Prüfer versucht sein, ihm das Besondere an dieser Rolle, das letztendliche Ausgeliefertsein, klar zu machen. Kleine Beispiele – alle harmlos, aber bei hartnäckiger Kumulierung doch ein mögliches Ärgernis – sollen das zeigen:

Der Prüfling beginnt die Prüfung mit den Worten: „Na, dann wollen wir mal anfangen.“Oder: „Wir müssen doch noch die Ausweise zeigen.“Oder: „Könnten Sie vielleicht mit einer leichteren Frage beginnen, ich bin noch nicht richtig angekommen?“ Der Prüfling versucht, den Prüfungsablauf zu strukturieren:„… das ist sicher eine zentrale Frage, ich kann später genauer darauf eingehen“.Ähnlich: „Dazu möchte ich im Moment eigentlich nichts sagen, kann aber, wenn Sie wollen, noch darauf zurückkommen.“Oder (in Reaktion auf eine Wortmeldung des Nachbarn): „Das möchte mein Kollege beantworten, er ist noch gar nicht drangekommen.“Ein gewisser Höhepunkt schließlich: „Ich werde jetzt nur über den ersten Komplex sprechen; Sie können

mich aber unterbrechen, wenn’s zu ausführlich wird, dann gehe ich gern zum zweiten Teil über.“Der Kandidat bewertet (bevor es der Prüfer getan hat) seine eigene Leistung: „Das ist ja wirklich glatt gelaufen!“ Oder: „Ich wusste gar nicht, dass ich soviel weiß.“Der Prüfling bewertet die Leistung der Mitprüflinge: „… das hat mein Vorredner ja schon überzeugend ausgeführt“.Oder: „Wie die Kollegin gerade so richtig sagte …“. Oder: „Das meiste hierzu ist ja schon zutreffend beantwortet worden. Ich möchte daher lieber auf den nächsten Punkt eingehen.“ Auch das bescheiden-wissende Insichhineinlächeln bei erkennbar falschen Antworten eines Mitprüflings, das Stirnrunzeln und Augenrollen sollte man sich verkneifen und sicher das Melden, wenn man meint, es besser zu können.

Kommentierung der vom Prüfer gestellten Fragen und seiner VorgehensweisenMit dem Verfehlen der Rolle (s. o.) eng verwandt ist die Prüflings-Attitüde, den Prüfer zu kommentieren oder zu interpretieren, nicht selten, um eine durch die Prüfungssi-tuation scheinbar untangierte ,Coolness‘ zu demonstrie-ren. Auch hier gilt: Einzelfälle zählen nicht; Häufungen werden unfroh vermerkt.

Prüfer gibt den Fall aus. Prüfling: „Das fängt ja gut an.“Prüfer: „Letzte Frage.“ Prüfling: „Sehr schön!“Prüfer: „Das wollen wir jetzt nicht vertiefen.“ Prüfling: „Gott sei Dank!“Prüfling: „… gute Frage!“ Prüfling: „… ich weiß, worauf Sie hinauswollen“.Prüfling: „… das würde ich auch gern wissen“.Prüfling: „… Ihr Gesichtsausdruck sagt mir, ich liege falsch“.Prüfling: „… das ist nicht die Antwort, die Sie hören wollen, ich weiß“.Prüfling: „… ich dachte, das wollten Sie jetzt von mir hören“.Prüfling: „… worauf wollen Sie denn dann hinaus?“

Kommentierung des eigenen Verhaltens durch den Prüfling und exzessives Bekunden von Befind-lichkeitenDie Vorgehensweise bei der Lösung einer Aufgabe sollte selbsterklärend sein.Nicht sehr souverän klingen daher Kommentare auf der Metaebene wie:

„… ich beginne nicht mit …, denn das soll man ja tunlichst vermeiden“. Oder: „… nicht, dass ich jetzt was übersehe“.

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Auch ein fröhliches: „Da schau ich doch gleich mal ins Gesetz“ oder: „Ein Blick ins Gesetz erleichtert ja bekanntlich die Rechtsfindung“ beschreibt auf eher inadäquate Wei-se ein adäquates Prozedere.Verständlich, aber doch auch befremdlich wirkt es, wenn der Kandidat sein prüfungsbedingtes Unwohl-sein durch lautes Seufzen, Stöhnen, Haareraufen zum Ausdruck bringt. Auch der Ausruf „Mann, bin ich blöd!“ oder der – mehrfach hervorgestoßene – Satz: „Ich bin so aufgeregt“ wird sofort verziehen, aber doch nicht wirklich gern gehört. Schließlich gewinnt auch derjenige nicht automatisch die Prüfersympa-thien, der es nicht aushält, nicht gefragt zu werden, und mit nachdrücklichem Fingerknipsen auf sich aufmerksam zu machen sucht.

Unterwürfigkeit gegenüber dem PrüferNicht zielführender als aufgesetzte Lässigkeit oder exaltiertes Gehabe ist übrigens das gegenteilige Verhalten, die demonstrative Demut. Wenn ein BGB-Fall zur Lösung ansteht und der Kandidat mit gefalteten Händen und Mitleid erregendem Augenaufschlag fragt: „Darf ich bitte in das Gesetz schauen?“, so werden nur wenige Prüfer diese Geste der Devotion – eine ernst gemeinte Nachfrage kann es ja wohl nicht sein – zu schätzen wissen. Auch das kokett-ergebene: „Ich muss Ihnen leider das Geständnis machen: Ich weiß es nicht“ gehört nicht unbedingt zu den Einlassungen, mit denen man punktet. Schließlich fühlt sich der (selbst-)kritische Prüfer unterschätzt, wenn der Kandidat wiederholt darauf verweist, dass er das meiste seines Wissens den hervorragenden Publikationen des gerade vor ihm sitzenden Prüfers verdanke. Wenn hingegen der gar nicht so seltene Fall eintritt, dass der Prüfer eine Frage stellt, um sie anschließend – von der eigenen Fragestellung mitgerissen – selbst ausführlich zu beantworten, ist es seitens des Kandidaten legitim, sein Gegenüber durch ein zustimmendes „so ist es“, ein aufmerksames „ja, in der Tat“ und knappes, aber entschlossenes Nicken davon zu überzeugen, dass er genau das alles auch hätte sagen wollen, ja, dass er es – genau genommen – eigentlich auch gesagt habe.

SpracheEs ist kaum zu hoch gegriffen, wenn die Behauptung aufgestellt wird, dass sprachliche Kompetenz die Schlüsselqualifikation des Juristen schlechthin ist. Es ist schon nicht übertrieben, wenn man feststellt, dass die juristische Ausbildung diesem Umstand viel zu wenig Rechnung trägt, was sich, da sprachliche Form und inhaltliche Aussage nicht voneinander zu trennen sind, unweigerlich im Leistungsniveau niederschlägt. Im mündlichen Staatsexamen sind vorhandene Defizite allerdings nur im glücklichen Einzelfall zu korrigieren.

Was vorher nur wirr erahnt wurde, wird in der Prüfungssituation nicht zu einer präzisen Aussage reifen. Aber jenseits einer fundierten Fähigkeit zur sprachlichen Genauigkeit lassen sich ein paar Regeln beachten, die dem sprachlichen Auftritt nützlich sind. Vermeiden sollte man etwa die Anhäufung von Relativierungen (oft in konjunktivischer Form):

„… ich könnte mir eventuell vorstellen, dass man vielleicht eine Alternative zumindest einmal anden-ken sollte“„… hier wäre es wohl so“„... die außerordentliche Kündigung setzt möglicher-weise mehr voraus als die ordentliche Kündigung, würde ich mal als erste Einsicht wagen“„… ich würde annehmen wollen“„… ich dächte“„… man möchte vermuten“.

Auch der nur scheinbar befreiende Rückfall in den Slang ist untunlich.

Prüfer: „Was verstehen Sie denn unter Gewalt?“ Prüfling: „Na, wenn er ihm eins auf die Nuss gibt.“Prüfer: „Was ist das Abstraktionsprinzip?“ Prüfling: „Was ziemlich Beklopptes.“Prüfer: „Wissen Sie, wer Robert Schumann war?“ Prüfling: „Ach, ich bin mit Sicherheit schon darüber gestolpert.“

Sicher unschädlich, aber nicht gerade souverän sind Satz-anfänge wie:

„Und zwar …“„Also gut …“„Na ja, also …“„Nun denn …“.

Richtig falsch ist es hingegen, wenn man eine Frage be-antwortet, die gar nicht gestellt wurde:

Prüfer: „Ab welchem Zeitpunkt kann Beihilfe gelei-stet werden?“Prüfling: „Bis zum Ende der Tatbegehung.“Prüfer: „Wodurch erreicht man Generalprävention?“Prüfling: „Es gibt positive und negative.“Prüfer: „Wie unterscheiden sich Auslegung und Ana-logie?“Prüfling: „Im Strafrecht gibt es ein Analogieverbot; Auslegung hingegen ist erlaubt.“

Und jedenfalls sollte der Prüfling darauf verzichten, so zu tun, als wäre das, was er sich vorgestern angeeignet hat, so selbstverständlich, dass abweichende Meinungen bestenfalls mitleidiger Erwähnung verdienen:

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„… wie der BGH immer noch glaubt annehmen zu müssen …“„… dabei geht er natürlich fälschlich davon aus …“„… Flume hat dazu eine eher abwegige Theorie vertreten ...“.

Naivität? Ironie? Oder einfach nur Unfähigkeit, die Zielrichtung der Fragestellung aufzunehmen?Eingangs war davon die Rede, dass es in der mündlichen Prüfung für den Kandidaten nicht nur um die Präsentation seines Wissens, sondern auch darum geht, die situationsangemessene Verhaltensweise nicht zu verfehlen. Zur Situation eines Prüfungskandidaten gehört es, dass ihm unterstellt wird, dass er die Antwort, die er gibt, auch tatsächlich so meint, und dass es die beste Antwort ist, die ihm auf die Frage einfällt. Schlagfertigkeit um des Wortwitzes willen oder Ironie – im Alltag willkommene und erfolgreich eingesetzte Stilmittel – sind daher in der Prüfung selten opportun und beinhalten für den Kandidaten das Risiko, dass der Prüfer die Antwort auch dann als ernst gemeint verbucht, wenn sie eventuell nur hintergründig witzig sein sollte. Die folgenden Beispiele stehen für diesen gar nicht so seltenen Typus von Antworten, und man weiß als Prüfer oft nicht, ob man es mit einer spezifischen Form von

Galgenhumor oder aber einfach damit zu tun hat, dass der Kandidat Zielrichtung und Problemumfang der Frage nicht richtig zu deuten wusste.

Prüfer: „Was passiert, wenn EG-Richtlinien nicht umgesetzt werden?“Prüfling: „Das wird in jedem Fall Konsequenzen haben.“Prüfer: „Wie wird der Richter sich verhalten, wenn er ein Beweisverbot beachten muss?“Prüfling: „Er wird bestimmt richtig wütend sein.“Prüfer: „Was versteht man unter Drittschadensliqui-dation?“Prüfling: „Das ist eines der schwersten Probleme überhaupt. Ich weiß, dass darüber Bücher geschrie-ben worden sind.“Prüfer: „Gibt es Beweisregeln?“Prüfling: „Bestimmt!“

Nehmen wir einmal an (sicher ist das nicht), diese Ant-worten waren kein Ausdruck von erbarmungsloser Un-terkomplexität, sondern witzig gemeint, dann unterstel-len Sie bitte, dass der Prüfer in der Prüfung nur über seine eigenen Witze lachen will. Also lassen Sie ihm das Ver-gnügen.

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Titelthema

Wege zur Schiedsgerichtsbarkeit

Von Federico Parise-Kuhnle, Frankfurt a.M.*

Die Schiedsgerichtsbarkeit gehört zu den Rechtsgebieten, die von Praxis und Studium völlig unterschiedlich wahrgenommen werden. Während für viele Anwälte Schiedsverfahren einen Schwerpunkt ihrer Tätigkeit darstellen, sind viele Jurastudenten nicht einmal mit dem Begriff vertraut. In der Tat sind Schiedsge-richtsbarkeit und Jurastudium zwei Wörter, die selten nebeneinander auftreten. Üblicherweise wird in den ers-ten Vorlesungen der Zivilprozessveranstaltung erwähnt, dass die Schiedsgerichtsbarkeit im 10. Buch der ZPO geregelt ist mit dem Hinweis, es sei „ein sehr praxisre-levantes Thema“.

Bedauerlicherweise bleibt es aber für die meisten Stu-denten dabei. Lediglich einzelne Veranstaltungen des Schwerpunktpunktbereichsstudiums oder die Teilnahme an einem Studentenwettbewerb, wie der Willem C. Vis Internation Commercial Arbitration Moot1, bieten dem strebsamen Studenten die Möglichkeit, sich mit schieds-rechtlichen Fragen auseinanderzusetzen. Die meisten werden dagegen das Wort „Schiedsgerichtsbarkeit“ eher in einen fußballerischen Kontext einordnen. Aber warum nur?

Dies erscheint umso widersinniger, wenn man bedenkt, wie sehr die Schiedsgerichtsbarkeit im anwaltlichen und wirtschaftlichen Alltag präsent ist. Die meisten Wirt-schaftskanzleien sind, sowohl auf nationaler wie auf internationaler Ebene, in der schiedsrechtlichen Betreu-ung tätig. Viele Handelskammern haben eigene Schieds-regeln und es finden durchaus Schiedsverfahren mit Streitwerten im achtstelligen Zahlenbereich statt. Ein Einblick in die Materie lohnt sich deshalb nicht nur aus purem wissenschaftlichem Interesse, sondern auch in Bezug auf den Arbeitsmarkt. Aus diesen Gründen ist es äußerst erfreulich, dass die Law Zone ihrem Leserkreis einen kurzen Einblick in die Materie anhand von Bei-trägen prominenter Schiedsrechtler anbietet. Zunächst

� Der Willem C. Vis International Commercial Arbitration Moot ist mit mehr als 200 teilnehmenden Teams der wichtigste internationale Studen-tenwettbewerb auf dem Gebiet.

werden die Grundrisse der Schiedsgerichts-barkeit im Artikel von Dr. Stefan Kröll darge-stellt. Darin werden der Anwendungsbereich, die gesetzlichen Grundlagen und die Vorteile des Schiedsverfahrens ausführlich und leicht erfassbar beschrieben. Die Beiträge von Jan K. Schäfer, Thomas Klich, Jens Bredow und Dr.

Mathias Wittinghofer behandeln dann speziellere The-men und schildern die Vorteile eines Schiedsverfahrens für Streitigkeiten im Bereich des Investitionsschutzes und des Sports. Dabei sind die komplexen Fragen, die aufgeworfen werden, einfach dargestellt, so dass der Le-ser den Überblick nicht verliert. Diese Zusammensetzung von Artikeln soll einerseits dem Verständnis der Grund-lagen des Schiedsrechts dienen, andererseits die Vielfalt der Themen, die Gegenstand von Schiedsverfahren sein können, deutlich machen.

In diesem Sinne geht mein persönlicher Dank an den Chefredakteur der Law Zone, Alexander Junkov, der dieses Projekt gestaltet hat, an die Deutsche Institution für Schiedsgerichtsbarkeit und an ihre Mitglieder, die hier mitgewirkt haben. Den Leserinnen und Lesern der Law Zone werden dadurch Wege zu einem dynamischen, spannenden und faszinierenden Rechtsgebiet eröffnet.2

* Federico M. Parise-Kuhnle ist Jurastudent an der Goethe-Universität Frankfurt am Main und Mitglied der DIS40 – Deutsche Initiative Junger Schiedsrechtler.

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Titelthema

Das Schiedsverfahren als Streiterledigungsmechanismus des Wirtschaftsverkehrs - Grundlagen und Grundsätzliches

Von Rechtsanwalt Dr. Stefan Kröll, LL.M., Köln*

I. EinleitungSeit Beginn der tradierten Rechtsentwicklung hat neben der staatlichen Gerichtsbarkeit das Schiedsverfahren als privater Streiterledigungs-mechanismus eine wichtige Rolle gespielt1. Insbesondere im Wirtschaftsverkehr werden Streitigkeiten zwischen den einzelnen Beteili-gten häufig vor Schiedsgerichten ausgetragen. Bei diesen handelt es sich um private Gerichte, die auf der Basis der ihnen von den Parteien übertragenen Be-fugnisse Streitigkeiten an Stelle der staatlichen Gerichte mit bindender Wirkung entscheiden und deren Schieds-spruch ähnliche Wirkungen hat wie ein staatliches Ur-teil2. Das beinhaltet insbesondere die Möglichkeit, den Schiedsspruch im Wege der Zwangsvollstreckung zwangsweise durchzusetzen, sollte die unterlegene Partei ihn nicht freiwillig erfüllen. Letztlich manifestiert sich im Schiedsverfahren die prozessuale Parteiautonomie bei zivilrechtlichen Streitigkeiten, die – wenn auch in unter-schiedlichem Maße – in den meisten Rechtsordnungen anerkannt ist.

II. Vorteile und Anwendungsgebiete des Schieds-verfahrensDie Gründe für diese Entwicklung und die Entscheidung zugunsten einer Übertragung der Streiterledigung auf Schiedsgerichte sind manigfaltig und variieren von Fall zu Fall. Zu den zentralen Vorteilen des Schiedsverfahrens gerade für Streitigkeiten mit ausländischen Vertragspart-nern gehören in der Praxis unter anderem die Fairness und Flexibilität des Verfahrens und die erleichterte in-ternationale Vollstreckbarkeit der Schiedssprüche. Denn während die Vollstreckbarkeit von ausländischen Schiedssprüchen durch das New Yorker Übereinkommen über die Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Schiedssprüche von 1958 mit seinen 142 Mitgliedstaaten gesichert ist, fehlt es in Bezug auf ausländische Gerichts-urteile einem solchen multilateralen Rechtsinstrument.Hinzu kommt die Möglichkeit, sich das Schiedsgericht nach den konkreten Bedürfnissen des Falles (z.B. Sprach-kenntnisse, besonderes Fachwissen) zusammenzustellen und zugleich die Heimatgerichte einer der Parteien zu vermeiden, denen es zudem in vielen Ländern an der

� Zur historischen Entwicklung der Schiedsgerichtsbarkeit siehe Schütze, Schiedsgericht und Schiedsverfahren, 4. Aufl. 2007, Rdn 1 ff. m.w.N.� Zur Definition der Schiedsgerichtsgerichtsbarkeit siehe: Lachmann, Handbuch für die Schiedsgerichtspraxis, 3. Aufl. 2008, Rdn 2; internati-onal Lew/Mistelis/Kröll, Comparative International Commercial Arbitrati-on, 2003, paras 1-5 et seq.

erforderlichen Effizienz und Unabhängigkeit mangelt. Als weitere Gründe werden die Ver-traulichkeit des Verfahrens sowie die zügige Erledigung der Streitigkeit durch den Wegfall eines Instanzenzuges genannt3. Da einzelne Punkte, wie z.B. die Sachkunde der Schiedsrich-ter oder die Vertraulichkeit des Verfahrens auch für rein nationale Streitigkeiten von Bedeutung

sein können, wird auch im nationalen Rechtsverkehr die Streiterledigung häufig Schiedsgerichten übertragen. Das gilt insbesondere für Post M/A Streitigkeiten aber auch für das Bau- und Werkvertragsrecht, die Ausein-andersetzung von Praxen und Sozietäten von Freiberuf-lern wie Anwälten, Wirtschaftsprüfern oder Ärzten4 oder aber den Bereich des Sports5. In Anbetracht der Effizienz des deutschen Gerichtssystems findet aber zumindest im nationalen Geschäftsverkehr keine zum Teil behauptete Flucht in die Schiedsgerichtsbarkeit statt6.

III. Gesetzliche GrundlagenDie gesetzlichen Grundlagen für Schiedsverfahren fin-den sich für das deutsche Recht primär im 10. Buch der ZPO (§§ 1025-1066 ZPO)7. Dieses ist zum 1.1.1998 völlig neu formuliert worden und stellt eine weitgehend wörtliche Übernahme des von der United Nations Com-mission for International Trade Law (UNCITRAL) er-arbeiteten Modellgesetzes über die internationale Han-delsschiedsgerichtsbarkeit8 dar. Das Modellgesetz ist 1985 als Best-Practice-Modell für die Neuregelung der nationalen Schiedsrechte verabschiedet worden und bil-det inzwischen die gesetzliche Grundlage für die inter-nationale oder auch nationale Schiedsgerichtsbarkeit in über 50 Staaten9. Das Grundprinzip des Modell-Gesetzes und damit auch des deutschen Schiedsrechts ist die Aner-kennung der prozessualen Parteiautonomie. Bis auf we-

� Vgl. dazu Mistelis, International Arbitration – Corporate Attitudes and Practices – 12 Perceptions tested: Myth, Data and Analysis, Am.Rev.Int.Arb. 2004, 525, 538 ff.� Zu den verschiedenen Anwendungsgebieten des Schiedsverfahrens siehe in diesem Heft Wittinghofer, S. 31.� Zum Deutschen Sportschiedsgericht in diesem Heft Bredow/Klich, S. 36.� Ähnlich auch Lachmann, a.a.O. (Fn. 2), Rdn. 93.� Alle relevanten Grundlagen für Schiedsverfahren in Deutschland fin-den sich zum Download auf der Hompage der Deutschen Institution für Schiedsgerichtsbarkeit unter www.dis-arb.de.� Abrufbar im Internet unter www.uncitral.org/pdf/english/texts/arbitration/ml-arb/06-54671_Ebook.pdf; für die spätere Ergänzung siehe http://www.uncitral.org/pdf/english/texts/arbitration/ml-arb/07-86998_Ebook.pdf.� Die Liste der Staaten, die das Modellgesetz in der einen oder anderen Form übernommen haben ist im Internet abrufbar unter http://www.unci-tral.org/uncitral/en/uncitral_texts/arbitration/1985Model_arbitration_sta-tus.html.

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Titelthema

nige zwingende Regeln, die der Sicherung eines fairen Verfahrens dienen, sind die Parteien in der Ausgestal-tung des Schiedsverfahrens und der Zusammensetzung des Schiedsgerichts völlig frei. Die entsprechenden Re-gelungen können die Parteien entweder in der zwischen ihnen abzuschließenden Schiedsvereinbarung selber tref-fen oder durch Verweis auf die Verfahrensordnung einer Schiedsinstitution. Die deutschen Vorschriften sind in ih-rer Gänze nur auf Schiedsverfahren anwendbar, die ihren Schiedsort in Deutschland haben. Bei Verfahren mit aus-ländischem Schiedsort finden nur einzelne Vorschriften Anwendung, die primär die gerichtliche Unterstützung solcher Verfahren vorsehen. Damit folgt das deutsche Recht dem international vorherrschenden Territorialprin-zip, wonach für das Schiedsverfahren primär das Recht des Schiedsorts maßgeblich ist. Der Schiedsort kann gem. § 1043 ZPO von den Parteien frei bestimmt werden und muss keineswegs mit dem Ort identisch sein, an dem das Schiedsgericht das Verfahren durchführt.

IV. Arten von Schiedsverfahren: Institutionelle Schiedsverfahren – ad-hoc VerfahrenIm Bereich der Wirtschaftsschiedsgerichtsbarkeit un-terscheidet man grundsätzlich zwischen institutionellen Schiedsverfahren und ad-hoc Verfahren. Erstere sind da-durch gekennzeichnet, dass die Parteien die Verfahrens-ordnung einer bestimmten Institution für anwendbar er-klärt, die dann ihrerseits das Verfahren administriert bzw. die notwendigen Hilfestellungen leistet. Letzteres kann insbesondere bei der Konstituierung des Schiedsgerichts erforderlich sein, wenn sich die erforderliche Einigung auf einen Schiedsrichter nicht erreichen lässt oder eine Partei ihren Ernennungspflichten nicht nachkommt. Einzelne Institutionen nehmen darüber hinaus auch noch weitere Aufgaben war, bis hin zu einer gewissen Qualitätskon-trolle hinsichtlich des vom Schiedsgericht vorgelegten Schiedsspruchs. Der Umfang der wahrgenommenen Auf-gaben ist dabei auch ein wichtiger Faktor für das an die Institution zu zahlende Entgelt, das für die Gesamtkosten des Schiedsverfahrens in der Regel aber nur eine unter-geordnete Rolle spielt. Die führende Schiedsinstitution in Deutschland ist die Deutsche Institution für Schiedsge-richtsbarkeit (DIS) mit Sitz in Köln10. International dürfte die ICC (International Chamber of Commerce) in Paris die wohl bekannteste Institution sein. Im Gegensatz dazu fehlt es bei ad-hoc Verfahren an einer administrierenden Institution und an einer entsprechenden Verfahrensordnung. Vielmehr müssen die Parteien das Verfahren selber regeln oder aber auf die gesetzlichen Regeln vertrauen. Allerdings stellen sowohl UNCITRAL als auch einige andere Institutionen Schiedsregeln für ad-hoc Verfahren zur Verfügung. Die unter Umständen notwendigen Hilfestellungen bei der Konstituierung des

�0 Für weitere Informationen siehe die Homepage der DIS unter www.dis-arb.de.

Schiedsgerichts sind dann bei den staatlichen Gerichten zu beantragen, die zumindest nach deutschem Recht zu entsprechenden Maßnahmen befugt sind.

V. Schiedsvereinbarung1. Rechtliche BedeutungGrundlage und damit zugleich auch Voraussetzung für jedes Schiedsverfahren ist die Existenz einer wirksamen Schiedsvereinbarung zwischen den Parteien. Im Gegensatz zu den staatlichen Gerichten, deren Zuständigkeit sich in der Regel bereits aus dem Gesetz ergibt, beruht die Zuständigkeit des Schiedsgerichts allein auf der entsprechenden Kompetenzübertragung in der Schiedsvereinbarung. Die zweite wichtige Wirkung der Schiedsvereinbarung ist der durch sie begründete Ausschluss der Zuständigkeit der staatlichen Gerichte. Gem. § 1032 Abs. 1 ZPO ist jedes staatliche Gericht verpflichtet, sich bei einer Berufung auf die Schiedsvereinbarung für unzuständig zu erklären, sollte der Rechtsstreit in der Hauptsache bei ihm anhängig gemacht worden sein. Eine Ausnahme von dieser Pflicht besteht nur dann, wenn festgestellt werden kann, dass die Schiedsvereinbarung „nichtig, unwirksam oder undurchführbar ist.“Zusätzlich zu diesen zuständigkeitsrelevanten Wirkungen ergibt sich für die Parteien aus der Schiedsvereinbarung nach h.M. auch noch die generelle Pflicht, Streitigkeiten nur einem Schiedsgericht zu unterbreiten und das Schiedsverfahren zu fördern. Letzteres umfasst insbesondere die Verpflichtung für alle Parteien, ihren Anteil am Kostenvorschuss für das Schiedsverfahren zu bezahlen.

2. Abschluss und WirksamkeitsvoraussetzungenSchiedsvereinbarungen können gem. § 1029 Abs. 2 ZPO grundsätzlich in zwei verschiedenen Formen geschlossen werden. Rechtstechnisch können sie entweder der einzige Inhalt einer selbständigen Vereinbarung sein (Schiedsabrede) oder aber auch als Klausel in einen anderen Vertrag inkorporiert werden (Schiedsklausel). Letzteres kommt in der Praxis deutlich häufiger vor, da Schiedsvereinbarungen in der Regel bereits bei Vertragsschluss geschlossen werden. Ist eine Streitigkeit erst einmal entstanden, ist es für die Parteien erfahrungsgemäß deutlich schwieriger, sich darauf zu einigen, ihre Streitigkeiten einem Schiedsgericht zu unterbreiten. Allerdings wird auch die in einen anderen Vertrag inkorporierte Schiedsklausel rechtlich gem. § 1040 Abs. 1 Satz 2 ZPO als eigenständiger Vertrag gewertet. Ihr rechtliches Schicksal ist damit nicht unbedingt mit dem des Hauptvertrages verknüpft. Abweichend von § 139 BGB führt die Beendigung des Hauptvertrages oder aber seine Unwirksamkeit keineswegs zwangsläufig zum Wegfall der Schiedsvereinbarung. Vielmehr wird es den Parteien häufig gerade darum gehen, dass entsprechende

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Streitigkeiten über die Wirksamkeit des Hauptvertrages oder im Zusammenhang mit seiner Beendigung vom Schiedsgericht entschieden werden. Ob die Schiedsvereinbarung rechtlich als materiell-rechtlicher Vertrag über prozessuale Beziehungen oder als reiner Prozessvertrag zu werten ist, ist umstritten11. Unabhängig davon besteht Einigkeit darüber, dass sich ihr Zustandekommen und ihre Wirksamkeit nach den allgemeinen vertragsrechtlichen Regeln richten, sofern nicht das Schiedsrecht spezielle prozessuale Wirksam-keitsanforderungen aufstellt. Entsprechend müssen sich die Parteien im Wege von Angebot und Annahme auf die Übertragung der Streiterledigung an das Schiedsgericht geeinigt haben. Um sicherzustellen, dass tatsächlich eine Einigung stattgefunden hat und für deren Nachweis sieht § 1031 Abs. 1 ZPO vor, dass die Schiedsvereinbarung entweder „in einem von den Parteien unterzeichneten Schriftstück“ enthalten sein muss oder aber in zwischen Parteien gewechselten Schreiben oder „anderen Formen der Nachrichtenübermittlung, die einen Nachweis der Vereinbarung sicherstellen“. Allerdings ist gem. § 1031 Abs. 2 ZPO ein Austausch von Schreiben zwischen den Parteien nicht unbedingt notwendig, wenn aufgrund der Verkehrssitte der mangelnde Widerspruch gegen ein Schreiben einer Partei die dort enthaltene Schiedsabrede zum Vertragbestandteil wird. Entsprechend können auf-grund dieser sogenannten halben Schriftlichkeit (Schrei-ben nur einer Partei) Schiedsvereinbarungen auch durch kaufmännische Bestätigungsschreiben geschlossen wer-den. Gem. § 1031 Abs. 3 ZPO kann auch ein der Form des Abs. 1 entsprechender Verweis auf AGB die dort ent-haltene Schiedsklausel zum Vertragsbestandteil machen. Ein ausdrücklicher Hinweis auf die Schiedsabrede ist in-sofern grundsätzlich nicht erforderlich12.

VI. SchiedsfähigkeitWie im materiellen Recht gilt auch im Prozessrecht die Parteiautonomie keineswegs uneingeschränkt. Bei einzelnen Streitigkeiten besteht ein so starkes öffentliches Interesse an einer Entscheidung durch die Gerichte, dass sie von den Parteien nicht auf die Schiedsgerichte übertragen werden können, d.h. es ihnen an der objektiven Schiedsfähigkeit fehlt. Dabei geht es entweder um den Schutz schwächerer Parteien, Streitigkeiten die erhebliche Auswirkungen auf an dem Schiedsverfahren nicht beteiligte Dritte haben können oder aus sonstigen Gründen den staatlichen Gerichten vorbehalten werden. So können dem Schiedsgericht beispielsweise keine familienrechtlichen Statussachen wie Ehescheidung oder Adoption übertragen werden

�� Zur umstrittenen Rechtsnatur der Schiedsvereinbarung und ihren Wir-kungen siehe: Kreindler/Schäfer/Wolff, Schiedsgerichtsbarkeit – Kompen-dium für die Praxis, 2006, Rdn 85 ff.�� Zu Einzelheiten siehe Trittmann/Hanefeld, in: Böckstiegel/Kröll/Naci-miento (ed), Arbitration in Germany – The Model Law in Practice, 2007, § 1031 Rdn. 16 ff.

oder aber Strafgewalt. Allerdings ist der Kreis der objektiv nicht schiedsfähigen Streitigkeiten gering. Grundsätzlich können die Parteien gem. § 1030 Abs. 1 Satz 1 ZPO alle Streitigkeiten über vermögensrechtliche Ansprüche Schiedsgerichten übertragen, d.h. alle Ansprüche die einen quantifizierbaren Geldwert haben, Schiedsgerichten übertragen. Alle anderen Streitigkeiten können dann einem Schiedsgericht übertragen werden, wenn die Parteien berechtigt sind, über den Gegenstand des Streits einen Vergleich zu schließen13.

VII. SchiedsgerichtIm Gegensatz zu staatlichen Gerichten ist es ein Charakteristikum des Schiedsverfahrens, dass das Schiedsgericht, d.h. der letztlich entscheidende Spruchkörper, von den Parteien für den konkreten Rechtsstreit gebildet wird. Dabei sind die Parteien nach deutschem Recht sowohl hinsichtlich der Zahl der Schiedsrichter als auch ihrer Auswahl völlig frei und können sich an den Gegebenheiten des konkreten Falls orientieren. In der Praxis wird meistens entweder ein Einzelschiedsrichter oder ein Dreierschiedsgericht gewählt. Die Präferenzen für die eine oder die andere Alternative divergieren dabei zwischen den einzelnen nationalen Rechten und Schiedsinstitutionen.Das deutsche Schiedsrecht, wie auch die DIS-Schiedsordnung, sehen für die Fälle, in denen die Parteien keine abweichenden Regelungen getroffen haben, ein Dreierschiedsgericht vor14. Bei einem Verfahren mit zwei Parteien hat insofern dann jede Partei die Möglichkeit einen Schiedsrichter zu ernennen, die sich dann auf einen Vorsitzenden zu einigen haben. Kommt eine Partei ihren Ernennungsverpflichtungen nicht nach, kann die andere Partei eine Ersatzbenennung beantragen. Diese wird je nach Art des Schiedsverfahrens entweder von der jeweils gewählten Institution vorgenommen oder von den staatlichen Gerichten. Ein solches Dreierschiedsgericht ist insbesondere für Parteien aus unterschiedlichen Rechtskreisen besonders geeignet. Jede Partei kann ihren eigenen Schiedsrichter ernennen, der häufig mit den Besonderheiten des jeweiligen Rechtskreises zumindest vertraut ist. Damit lässt sich sicherstellen, dass die unter Umständen unterschiedlichen Erwartungshaltungen an den Ablauf des Schiedsverfahrens im Schiedsgericht zur Sprache kommen und mit den Parteien besprochen werden können. Der Nachteil des Dreierschiedsgerichts sind die damit verbundenen Kosten. Entsprechend sehen einige institutionellen Schiedsordnungen auch vor, dass die Zahl der Schiedsrichter von dem Streitwert abhängt.

VIII. SchiedsrichterDie Schiedsrichter, inklusive der parteibenannten Schiedsrichter, sind zur Neutralität und zur Unabhängigkeit

�� Siehe dazu Kreindler/Schäfer/Wolff, a.a.O. (Fn. 11), Rdn 124 ff.�� Vgl. § 1034 Abs. 1 Satz 2 ZPO; § 3 DIS-SchiedsO.

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von den Parteien verpflichtet. Entsprechend haben sie bei ihrer Benennung alle Umstände offen zu legen, die objektiv geeignet sind, Zweifel an ihrer Unabhängigkeit zu begründen. Bestehen solche Verbindungen, kann ein Schiedsrichter abgelehnt werden und bei seiner Weigerung vom Schiedsrichteramt zurückzutreten in dem dafür vorgesehenen Ablehnungsverfahren von seinem Amt entbunden werden. Gewisse Richtlinien, welche Beziehungen zu den Parteien oder ihren rechtlichen Vertretern in internationalen Verfahren mitzuteilen sind bzw. eine Ablehnung rechtfertigen können, ergeben sich aus den IBA-Guidelines on Conflict of Interest in International Arbitration, die 2004 von der International Bar Association, verabschiedet worden sind.Die Auswahl der Schiedsrichter wird von vielen erfahrenen Praktikern als die wohl wichtigste einzelne Entscheidung während des Schiedsverfahrens angesehen. Zum einen hängt die generelle Qualität des Schiedsverfahrens und seine Dauer in erheblichem Maße von der Qualität des Schiedsgerichts ab. Zum anderen kann gerade bei internationalen Verfahren in Grenzfällen die Auswahl des richtigen Schiedsrichters den Ausschlag zugunsten einer Partei geben. Entsprechend versuchen versierte Parteien daher regelmäßig einen Schiedsrichter zu finden, der ihrer Rechtsposition von seinem kulturellen Hintergrund, seiner Ausbildung und seinen Ansichten möglichst nahe steht, ohne jedoch parteiisch zu sein. Letzteres würde nicht nur ein Ablehnungsverfahren rechtfertigen, sondern in der Regel auch jeden Einfluss des Schiedsrichters auf die Entscheidungsfindung in einem Dreierschiedsgericht verhindert, sobald die fehlende Neutralität des Schiedsrichters offensichtlich wird.

IX. SchiedsverfahrenDie konkrete Ausgestaltung des Schiedsverfahrens ist im Wesentlichen den Parteien überlassen. Fehlt es an einer entsprechenden Regelung entweder in der Schiedsvereinbarung oder in der gewählten Schiedsordnung so kann das Schiedsgericht gem. § 1042 Abs. 3 ZPO das Verfahren nach seinem Ermessen gestalten – eine Regelung die sich auch in den meisten institutionellen Schiedsordnungen findet, wie z.B. der DIS-Schiedsordnung15. Die einzigen Vorgaben sind insoweit, dass das Schiedsgericht den Parteien hinreichendes rechtliches Gehör gewährt und beide Parteien gleich behandelt. Abgesehen davon ist das Schiedsgericht aber keineswegs an die Vorschriften über das Verfahren vor den staatlichen Gerichten gebunden. Das gilt insbesondere hinsichtlich von Zustellungen, der Beweiserhebung, der Zulässigkeit von Beweismitteln oder der Vorlage von Übersetzungen. Vielmehr kann es, in der Regel in Absprache mit den Parteien das Verfahren in einer dem Streit angemessenen Form führen. In der Praxis orientieren sich aber gerade unerfahrene

�� Vgl. § 24 DIS-SchiedsO.

Parteien und Schiedsrichter häufig an dem jeweiligen Verfahren vor den staatlichen Gerichten und machen nicht hinreichend Gebrauch von den ihnen eingeräumten Gestaltungsbefugnissen.

X. Vergleich und SchiedsspruchIn der Praxis endet nur ein kleiner Teil der Schiedsverfahren mit einem Schiedsspruch16. Vielmehr kommt es häufig während des Schiedsverfahrens zu einer Einigung der Parteien. Ein entsprechender Vergleich kann dann gem. § 1053 ZPO auf Antrag der Parteien durch einen Schiedsspruch mit vereinbartem Wortlaut in einen „Vollstreckungstitel“ umgewandelt werden.Einigen sich die Parteien nicht und wird das Schiedsverfahren auch nicht aus anderen Gründen vorzeitig beendet, hat das Schiedsgericht den Streit durch einen bindenden Schiedsspruch zu entscheiden. Die Entscheidung hat dabei gem. § 1051 ZPO auf der Basis der von den Parteien gewählten „Rechtsnormen“ zu erfolgen. Der Verweis auf „Rechtsnormen“ wird gemeinhin so verstanden, dass die Parteien bei ihrer Rechtswahl, anders als vor staatlichen Gerichten, nicht auf staatliches Recht beschränkt sind. Sie können vielmehr auch die Geltung nichtstaatlicher Regelwerke wie z.B. der UNIDROIT Principles for International Contracts vereinbaren. Fehlt es an einer Rechtswahl der Parteien, hat das Schiedsgericht den Streit nach dem Recht zu entscheiden, mit dem der Rechtsstreit die engste Verbindung hat (§ 1051 Abs. 2 ZPO).Die Entscheidung muss dabei auch bei einem Dreierschiedsgericht nicht einstimmig ergehen, sondern kann auch als Mehrheitsentscheidung gefällt werden. Allerdings besteht in der Praxis eine gewisse Tendenz dahingehend, wenn möglich Einstimmigkeit herzustellen, unter anderem um sogenannte „dissenting opinions“ des überstimmten Schiedsrichters zu vermeiden. Ergeht am Ende ein Schiedsspruch hat dieser gem. § 1055 ZPO zwischen den Parteien die Wirkungen eines staatlichen Urteils hat. Das bezieht sich insbesondere auf die res iudicata Wirkung, die grundsätzlich jedes erneute Verfahren über den Rechtsstreit ausschließt.

XI. VollstreckbarerkerklärungAusgenommen von dieser weitgehenden Gleichstellung des Schiedsspruchs mit dem staatlichen Urteil ist hingegen die Wirkung als Vollstreckungstitel. Eine Vollstreckung ist nur möglich, wenn der Schiedsspruch zuvor durch ein staatliches Gericht für vollstreckbar erklärt worden ist17. Das soll ein Mindestmaß an Kontrolle gewährleisten, bevor die staatlichen Vollstreckungsorgane tätig

�� Siehe dazu PriceWaterhouseCoopers/School of International Arbitration, International Arbitration: Corporate attitudes and practices, 2008, S. 6 ff.�� Diese Vollstreckbarerklärung nach §§ 1060, 1061 ist von der vollstre-ckungsrechtlichen Klauselerteilung zu unterscheiden, die zusätzlich zu erfolgen hat.

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werden18. In dem von der vollstreckungswilligen Partei einzuleitenden Verfahren zur Vollstreckbarerklärung kann sich der Antragsgegner allein auf eng umrissene und enumerativ geregelte Versagungsgründe berufen. Diese ermöglichen primär eine Kontrolle der Zuständigkeit des Schiedsgerichts sowie der Ordnungsmäßigkeit der Verfahrensdurchführung. Eine inhaltliche Kontrolle der Richtigkeit des Schiedsspruchs erfolgt hingegen grundsätzlich nicht. Eine gewisse Ausnahme besteht allein insofern, als die Vollstreckung des Schiedsspruchs nicht gegen den materiellen oder prozessualen ordre public verstoßen darf, d.h. gegen die absolut grundlegenden Normen der deutschen Rechtsordnung. Das deutsche Recht unterscheidet hinsichtlich der Vollstreckbarerklärung inhaltlich kaum zwischen inländischen und ausländischen Schiedssprüchen. In der Praxis bedarf es ohnehin nur selten einer Vollstreckbarerklärung, da die meisten Schiedssprüche freiwillig erfüllt werden19.

XII. AufhebungsverfahrenSofern nicht ausdrücklich zwischen den Parteien vereinbart, bestehen grundsätzliche keine Rechtsmittel gegen den Schiedsspruch. Insbesondere ist keine Berufung möglich, in dem seine inhaltliche Richtigkeit überprüft werden könnte. Allerdings sieht § 1059 ZPO für in Schiedsverfahren mit Sitz in Deutschland ein besonderes Aufhebungsverfahren vor. In diesem kann eine Partei, die mit dem Schiedsverfahren oder dem Schiedsspruch unzufrieden ist, innerhalb von drei Monaten die Aufhebung des Schiedsspruchs aus denselben Gründen beantragen, die auch die Versagung der Vollstreckbarerklärung rechtfertigen würden.In der Praxis haben die Gerichte jedoch vergleichsweise hohe Anforderungen an die Geltendmachung und Existenz entsprechender Aufhebungsgründe gestellt. Insbesondere hinsichtlich der immer wieder gerügten Verletzung rechtlichen Gehörs haben sie den Schiedsgerichten eine weitgehende Einschätzungsprärogative eingeräumt, sowohl bezüglich der Beweiserhebung als auch hinsichtlich der Beweiswürdigung20.

�� Zur Funktion des Vollstreckbarerklärungsverfahrens Kröll, in: Böckstie-gel/Kröll/Nacimiento (ed), Arbitration in Germany – The Model Law in Practice, 2007, Introduction to §§ 1060, 1061, Rdn 7 ff.�� Vgl. die oben erwähnte Studie von PriceWaterhouseCoopers/School of International Arbitration, a.a.O. (Fn 16), S. 7.�0 Siehe dazu Kröll/Kraft, in: Böckstiegel/Kröll/Nacimiento (ed), Arbitrati-on in Germany – The Model Law in Practice, 2007, § 1059, Rdn. 51 ff.

XIII. FazitAufgrund des zuletzt genannten Charakteristikums, der abschließenden Entscheidung des Rechtsstreits in einer Instanz, kommt das Schiedsverfahren dem Bedürfnis der Unternehmen nach schneller Streiterledigung entgegen. In Kombination mit der sehr schiedsfreundlichen Haltung der Gerichte in Deutschland und den meisten anderen Industrienationen kann man davon ausgehen, dass auch in Zukunft das Schiedsverfahren als Alternative zum staatlichen Gerichtsverfahren eine große Rolle im Wirtschaftsrecht spielen wird. Dazu tragen unter anderem auch Großverfahren wie das Toll-Collect Verfahren bei. Die umfassende Berichterstattung in der Tagespresse erweitert den Kreis derer, denen das Schiedsverfahren als Alternative zum Gerichtsverfahren ein Begriff ist. Für Studenten bietet der von der Pace-University New York und UNCITRAL jedes Jahr veranstaltete Willem C VIS Moot Court21 eine hervorragende Möglichkeit, sich bereits während des Studiums intensiv mit diesem wirtschaftlich wichtigen Streiterledigungsmechanismus auseinanderzusetzen.22

�� Für weitere Informationen siehe die Homepage unter http://www.cisg.law.pace.edu/vis.html.

* Der Autor ist Rechtsanwalt in Köln und Nationaler Berichterstatter zum Schiedsrecht für Deutschland bei UNCITRAL; www.rechtsanwalt-kroell.de.

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Investitionsschiedsgerichtsbarkeit – völkerrechtlicher Schutz von Auslandsinvestitionen

Von Rechtsanwalt Jan K. Schäfer, LL.M. (Singapur), Frankfurt a.M.*

Es wurde und wird oft unterschätzt, wie wichtig das Völkerrecht für Unternehmen ist, das viele noch allein mit der Diplomatie in Verbindung bringen. Diese Sicht hat sich jedoch grundle-gend mit der Investitionsschiedsgerichtsbar-keit geändert, worunter wir Schiedsverfahren (Streitbeilegung durch private Dritte) verstehen, die aufgrund eines völkerrechtlichen Investitionsför-derungsabkommens angestrengt werden. Durch die In-vestitionsschiedsgerichtsbarkeit hat sich gleichfalls das materielle völkerrechtliche Investitionsschutzrecht als Entscheidungsgrundlage der Schiedsgerichte dynamisch entwickelt und entwickelt sich weiter. Da viele Schieds-sprüche veröffentlicht werden, finden auch Studenten leichten Zugang zu der Materie. Um das studentische In-teresse an diesem spannenden Rechtsgebiet zu fördern, gibt es mittlerweile zwei Moot Court-Wettbewerbe zur Investitionsschiedsgerichtsbarkeit1. Der Beitrag soll ei-nen ersten Eindruck der Praxisrelevanz vermitteln. Die Schiedsrechtsgruppe von Allen & Overy LLP gehört zu den Pionieren im Bereich der Investitionsschieds-gerichtsbarkeit. Wir vertreten Auslandsinvestoren und Gaststaaten in Schiedsverfahren.

I. Rechtssicherheit in Schwellenländern mit Investi-tionsförderabkommenAuslandsinvestitionen bewegen sich regelmäßig in einem stark regulierten Umfeld. Projekte im Infrastruktur- oder Energiebereich, wie Straßen- oder Kraftwerksbau, betref-fen öffentliche Interessen und bedürfen daher vielfältiger Genehmigungen. In so genannten Schwellenländern fehlt es oft an einem entwickelten Verwaltungsrecht. Dort wer-den Investitionsvorhaben von oberster politischer Ebene durch Sonderbehandlung per Dekret gefördert. Entspre-chend anfällig sind die Projekte für politische Risiken, wie diskriminierende Gesetzesänderungen nach einem Regierungswechsel, die willkürliche Behandlung durch die Verwaltung auf lokaler Ebene, die Verweigerung von effektivem Rechtsschutz durch die Gerichte im Gaststaat oder sogar die direkte oder indirekte Enteignung.Um diese Risiken zu minimieren, wurden inzwischen weltweit mehr als 2.000 bilaterale Investitionsförde-rungsabkommen abgeschlossen. In diesen völkerrecht-lichen Verträgen werden Investoren des einen Vertrags-

� Frankfurt Investment Arbitration Moot, siehe unter http://www.merton-zentrum.uni-frankfurt.de/Startseite/FIAC_International_Student_Moot_Court/index.html und Foreign Direct Investment Moot unter www.fdi-moot.org.

staates Rechte bei Auslandsinvestitionen im jeweils anderen Vertragsstaat eingeräumt. Di-ese Rechte gehen meist über den Standard hin-aus, der als Völkergewohnheitsrecht anerkannt ist. So werden beispielsweise klare und investo-renfreundliche Regelungen zur Entschädigung bei Enteignung festgelegt. Entscheidend ist je-

doch, dass die Rechte aus den Abkommen keine bloßen Lippenbekenntnisse sind, sondern von den Investoren selbst vor Schiedsgerichten eingeklagt werden können. Der Investor erhält damit ein probates Druckmittel bei Problemen im Gaststaat.

II. Die Entdeckung eines Rechtsgebiets Bei der Investitionsschiedsgerichtsbarkeit handelt es sich um ein relativ junges Phänomen, das erst 1996 entdeckt wurde, als ein Investor ein Schiedsverfahren gegen Sri Lanka auf Grundlage eines Investitionsförderungsab-kommens anstrengte. Dies war damals ein völlig neuer Ansatz, denn üblicher Weise wurde eine vertragliche Schiedsvereinbarung zwischen den Streitparteien ver-langt. Das Investitionsförderungsabkommen war jedoch allein vom Heimatstaat des Investors und Sri Lanka ab-geschlossen worden. Der Investor selbst war daran nicht beteiligt. Es gab auch keinen Investitionsvertrag zwi-schen dem Investor und Sri Lanka. Dementsprechend wurde die Regelung des Abkommens, nach der mögliche Streitigkeiten zwischen Investor und Gaststaat in einem internationalen Schiedsverfahren beizulegen sind, dahin-gehend ausgelegt, dass Sri Lanka mit dieser Regelung ein bindendes Angebot zur Durchführung eines Schieds-verfahrens abgegeben habe, das von dem Investor durch Einleitung des Verfahrens nur angenommen werden müsste. Mit dieser Dogmatik, die anfangs hoch umstrit-ten war, mittlerweile aber in hunderten von Schiedsver-fahren bestätigt wurde, konnte eine Schiedsvereinbarung zwischen den Streitparteien konstruiert werden. Wurde so 1996 die Grundlage für die Investitionsschieds-gerichtsbarkeit geschaffen, standen die letzten Jahre im Zeichen des Austestens ihrer Grenzen. Welche Strei-tigkeiten werden erfasst? Wie sind die Investorenrechte auszulegen? Welche Reichweite haben Bestimmungen, nach denen sich der Gaststaat verpflichtet, alle seine Ver-pflichtungen gegenüber dem Investor einzuhalten? Wie weit reicht die Meistbegünstigungsklausel?

III. Ein Beispiel aus der PraxisDiese Streitpunkte sollen anhand eines fiktiven Praxis-

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beispiels verdeutlicht werden: Ein deutsches Unternehmen investiert in Usbekistan im Bereich der Erdölerkundung. Hierfür schließen das Un-ternehmen und Usbekistan einen Investitionsvertrag, der usbekischem Recht unterliegt und die Rechte und Pflich-ten des Investors regelt. Danach sind Streitigkeiten vor den staatlichen Gerichten in Usbekistan beizulegen. Das deutsche Unternehmen verpflichtet sich, ein teures Er-kundungsprogramm abzuarbeiten und dabei – so sieht es der Vertrag vor – bestimmte Bohrungen innerhalb von zwei Jahren vorzunehmen. Sollte es Funde machen, die eine Erdölförderung ermöglichen, wird dem deutschen Unternehmen eine exklusive Förderlizenz für 30 Jahre eingeräumt. Der Vertrag legt die Höhe der Lizenzgebühr pro Barrel Rohöl fest, die an den Staat abzuführen ist. Innerhalb der ersten zwei Jahre wird das Unternehmen fündig; allerdings sind teure Tiefbohrungen aufgrund der Geologie nicht wie geplant durchführbar. Das deutsche Unternehmen beantragt die Ausstellung der vereinbarten Förderlizenz. Aufgrund des gestiegenen Ölpreises hält die usbekische Regierung die vereinbarten Lizenzge-bühren für zu gering und will die Förderung lieber selbst durchführen. Daher kündigt sie den Vertrag mit dem Ar-gument, dass das deutsche Unternehmen aufgrund der nicht durchgeführten Tiefenbohrungen das Erkundungs-programm nicht erfüllt habe. Das deutsche Unternehmen widerspricht der Kündigung. Die usbekische Steuerfahn-dung nimmt daraufhin Untersuchungen auf. Dazu wer-den alle Geschäftsunterlagen des deutschen Unterneh-mens beschlagnahmt und Mitarbeiter vom Geheimdienst nachts zu Verhören abgeführt. Die usbekische Polizei besetzt das Gelände, auf dem das deutsche Unterneh-men die Funde gemacht hat. Die staatlichen Stellen zei-gen weder Kooperations- noch Kompromissbereitschaft. Diplomatische Bemühungen des deutschen Botschafters fruchten ebenfalls nicht.

IV. Die rechtlichen GrundlagenDas deutsche Unternehmen will nun so schnell wie mög-lich ein Schiedsverfahren gegen Usbekistan auf Grund-lage des deutsch-usbekischen Investitionsförderungsab-kommens (BGBl. 1997 II, S. 2106) einleiten. Art. 12 des Abkommens sieht die Beilegung von Streitigkeiten zwischen Investor und Gaststaat in einem ICSID-Schiedsverfahren vor. ICSID ist die englischen Abkürzung für das Zentrum zur Beilegung von Investitionsstreitigkeiten bei der Weltbank in Washington. Die ICSID-Schiedsgerichtsbarkeit beruht auf einem multilateralen völkerrechtlichen Abkommen, der Washingtoner Konvention vom 18.3.1965. Sowohl Deutschland als auch Usbekistan haben die Washingtoner Konvention ratifiziert. Art. 12 Abs. 2 sieht allerdings vor, dass die Parteien vor Einleitung des Schiedsverfahrens zunächst innerhalb von sechs Monaten ab Geltendmachung der Meinungsverschiedenheit eine

gütliche Beilegung versuchen sollen.

V. Die Rechte des InvestorsWelche Investorenrechte sieht das Abkommen vor? In dem Abkommen hat sich Usbekistan u.a. verpflichtet:(1) den deutschen Investor gerecht und billig zu behan-deln – Art. 2 Abs. 1 Satz 2;(2) eine willkürliche und diskriminierende Behandlung des deutschen Investors durch staatliche Stellen zu unter-lassen – Art. 2 Abs. 2;(3) den deutschen Investor wie einen Inländer zu behan-deln – Art. 3 Abs. 1 und 2;(4) den deutschen Investor meist zu begünstigen – Art. 3 Abs. 1 und 2;(5) der Investition vollen Schutz und Sicherheit zu ge-währen – Art. 4 Abs. 1;(6) entschädigungslose Enteignungen zu unterlassen – Art. 4 Abs. 2;(7) den freien Transfer von Kapital und Erträgen zu ga-rantieren – Art. 5; und(8) alle seine Verpflichtungen gegenüber dem Investor einzuhalten – Art. 9 Abs. 2. Das Verhalten der staatlichen Stellen Usbekistans ver-letzt zumindest das Recht des deutschen Unternehmens auf gerechte und billige Behandlung. Der Gaststaat kann sich seiner vertraglichen Pflichten nicht durch staatliche Einschüchterungsmaßnahmen entziehen. Was auf den er-sten Blick wie ein wenig greifbares Recht klingt, hat sich in der jüngeren Schiedsrechtsprechung jedoch als wah-rer Joker für Investoren erwiesen. Wenn man auch kei-ne Enteignung nachweisen kann, hat der Gaststaat dem Investor jedoch meist auf die ein oder andere Weise übel mitgespielt, was Schiedsgerichte dazu veranlasst hat, eine Verletzung des Gebots der gerechten und billigen Behandlung anzunehmen.

VI. Zu Recht gekündigt?Vorliegend dreht sich der Streit aber hauptsächlich da-rum, ob Usbekistan den Vertrag mit dem deutschen Un-ternehmen zu Recht kündigen dürfte, was eine Frage des anwendbaren usbekischen Vertragsrechts ist. Steht auch für diesen Fall die Investitionsschiedsgerichtsbarkeit zur Verfügung? Über diese Frage haben sich Parteien vor verschiedenen Schiedsgerichten erbittert gestritten. An-knüpfungspunkt für die Einbeziehung von vertraglichen Ansprüchen ist die Regelung in dem Abkommen, dass Usbekistan alle Verpflichtungen gegenüber dem Investor einzuhalten hat (sog. „Umbrella Clause“). Nach dem Wortlaut fallen hierunter auch vertragliche Pflichten. Investoren argumentierten erfolgreich, dass vertragliche Pflichten über die „Umbrella Clause“ zu Verpflichtungen aus dem Abkommen transformiert wurden, die von der Streitschlichtungsklausel erfasst werden. Ließe sich ein Schiedsgericht von dieser Rechtsauffassung im vorlie-genden Fall überzeugen, könnte der deutsche Investor

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auch die Frage der Rechtmäßigkeit der Kündigung im Investitionsschiedsverfahren klären lassen. Er muss sich dafür nicht an die staatlichen usbekischen Gerichte ver-weisen lassen. Diese Option ist für den deutschen Inve-stor natürlich interessanter.

VII. Und Wartezeiten?Es bleibt die Frage, ob der Investor tatsächlich sechs Monate aussitzen muss, bevor er seine Schiedsklage einreichen kann, wie es Art. 12 Abs. 2 des deutsch-usbe-kischen Investitionsförderungsabkommens vorsieht. Vor dem Hintergrund, dass Usbekistan sämtliche Versuche abgeblockt hat, über die Streitigkeit überhaupt nur zu sprechen, könnte man argumentieren, dass die Wartezeit entbehrlich ist. Man kann sich aber auch die Meistbe-günstigungsklausel zu nutze machen. Danach kommt der deutsche Investor in den Genuss von günstigeren Rech-ten, die Usbekistan anderen ausländischen Investoren ge-währt. In einigen Investitionsförderungsabkommen, die Usbekistan abgeschlossen hat, gibt es keine Wartezeit.

Ein Schiedsgericht kann danach sogleich angerufen wer-den. Investoren haben in der Vergangenheit auf diesem Wege erfolgreich Wartezeiten umgangen.

VIII. Es bleibt spannendIn den letzten Jahren waren Investoren sehr erfolgreich mit Klagen vor Investitionsschiedsgerichten. Die Über-prüfung von staatlichen Entscheidungen anhand des Völ-kerrechts missfällt indes zunehmend den Gaststaaten, was zu Versuchen führt, die Abkommen restriktiver auszulegen bzw. sich ganz aus dem System des völker-vertraglichen Investitionsschutzrechts zu verabschieden. Das Spannungsfeld von Investorenrechten und Souve-ränitätsansprüchen der Gaststaaten verspricht auch in den kommenden Jahren aufregende und intensive aka-demische Debatten und Argumentationsgefechte vor Schiedsgerichten.2

* Der Verfasser ist als Rechtsanwalt bei Allen & Overy LLP in Frankfurt a.M. tätig.

Internationale Wirtschaftsschiedsgerichtsbarkeit: Was soll das, wie geht das und klappt das?

Von Rechtsanwalt Dr. Mathias Wittinghofer*

Internationale Wirtschaftsschiedsgerichts-barkeit – das ist der klassische, sicherlich der prominenteste Anwendungsfall der Schieds-gerichtsbarkeit. Mag die nach wie vor kräftige Pflanze Schiedsgerichtsbarkeit auch wunderbare Blüten treiben oder veritable Äste ausgebildet haben1, so bildet der Streit zwischen Kaufleu-ten und Unternehmen aus unterschiedlichen Ländern um und anlässlich ihrer kaufmännischen Vertragsbeziehung den Stamm. Das Spektrum, das die moderne Wirtschafts-schiedsgerichtsbarkeit dabei abdeckt, ist heute schier grenzenlos. War ursprünglich der internationale Waren-kauf, bei dem Waren von Land A nach Land B verkauft und geliefert werden, ihr Hauptanwendungsfeld, so fin-den sich Schiedsklauseln2 heute in den unterschiedlichs-ten Verträgen. Unternehmenskauf und Großanlagenbau, Joint Ventures und Projektfinanzierungen, Lohnherstel-lungs- und Konsortialdarlehensverträge, gewerbliche Großraummiete, Forschungs- und Entwicklungskoopera-

� Wie die Sport-, die Investitionsschutz- oder die Verbandschiedsgerichts-barkeit. Zu den ersten beiden siehe die jeweiligen Beiträge von Klich und Schäfer in diesem Heft.� Zur Schiedsklausel als Unterfall der Schiedsvereinbarung und zu der Bedeutung der Schiedsvereinbarung der Parteien als Grundlage für die Abwahl der staatlichen Gerichtsbarkeit und Entscheidung für die Schiedsgerichtsbarkeit vgl. den Beitrag von Kröll in diesem Heft.

tionen, Vertriebsnetzstrukturen, neuerdings auch Verträge über den Ankauf von CO2-Emis-sionszertifikaten und natürlich auch gesell-schaftsrechtliche Streitigkeiten – es gibt (fast) keinen Aspekt des Wirtschaftslebens, der nicht Gegenstand eines Schiedsverfahrens sein kann. Und so vielfältig der Gegenstand ist, so groß

sind die Anforderungen an den Juristen, der Wirtschaft-schiedsgerichtsbarkeit betreibt.

I. Warum Schiedsverfahren im internationalen Wirt-schaftsverkehr?Die Gründe dafür, dass die Schiedsgerichtsbarkeit gera-de im Bereich des Wirtschaftsverkehrs ihr größtes An-wendungsgebiet findet, sind vielfach. Ein Grund ist, dass Schiedsgerichtsbarkeit Neutralität verspricht. Niemand will sich vor Gerichte zerren lassen, deren Rechtspre-chung und Verfahrensordnung er nicht kennt, deren Spra-che er womöglich nicht versteht, denen er nicht vertraut oder die weit weg sind. Vorbehalte gegenüber fremden Ländern und fremden Rechtsordnungen, so unbegründet sie meist sind, lassen die Beteiligten nach einem Ausweg suchen. Die Schiedsgerichtsbarkeit bietet diesen Ausweg. Denn sie erlaubt die Wahl des Verfahrensortes, des an-wendbaren Rechts, der Verfahrenssprache, der prozessu-

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alen Spielregeln und, last but not least, die Auswahl der (Schieds-)Richter. Das erleichtert vieles: Natürlich wird man mit dem Geschäftspartner aus dem fremden exo-tischen Land lieber zusammenarbeiten, wenn man weiß, dass im Streitfalle ein Schiedsgericht mit Sitz in einer europäischen Großstadt entscheidet, dessen Besetzung man jedenfalls zum Teil mit ausgewählt hat und das auf den Streit eine wohlbekannte, einem Drittstaat entnom-mene und deshalb neutrale Rechts- und eine vor Überra-schungen schützende Verfahrensordnung anwendet. Der Partner wird ähnlich denken und lässt sich ebenfalls auf den Vertragsschluss schneller ein. Wählt man Schiedsge-richtsbarkeit, sind also schon eine ganze Menge Hürden für den internationalen Handel abgebaut.Noch ein weiterer wesentlicher Aspekt kommt hinzu: Internationale Schiedssprüche werden weltweit anerkannt und vollstreckt. Internationale Übereinkommen wie die United Nations Convention on the Recognition and Enforcement of Foreign Arbitral Awards (UN Convention) von 1958, die immerhin von über 140 Staaten ratifiziert wurde und damit fast auf der ganzen Welt gilt, sorgen dafür, dass staatliche Gerichte Schiedsurteile aus anderen Vertragsstaaten für vollstreckbar erklären. Etwas Vergleichbares gibt es für staatliche Gerichtsurteile nicht. Ein in Deutschland gefälltes Schiedsurteil wird man deshalb bspw. in den USA leichter vollstrecken können als ein deutsches Gerichtsurteil. Wenn man diesen Unterschied kennt, dann liegt der Vorteil des Schiedsurteils auf der Hand. Dass es andererseits selten zur Vollstreckung von Schiedsurteilen kommt und Schuldner von sich aus zahlen, schmälert diesen Vorteil nicht. Vielleicht wäre es ja anders, wenn die Vollstreckbarkeit nicht so einfach zu erreichen wäre. Es ist ein bisschen wie mit der Henne und dem Ei.

II. Es gibt zwei unterschiedliche Typen von Wirt-schaftsschiedsgerichtsbarkeit Wie läuft nun so ein internationales Schiedsverfahren ab? Das hängt schon im ersten Schritt davon ab, ob sich die Parteien für ein „administriertes“ oder für ein „ad hoc“-Schiedsverfahren entschieden haben3.Von „administrierten Schiedsverfahren“ oder „admini-strierter Schiedsgerichtsbarkeit“ spricht man, wenn die Parteien in ihrer Schiedsvereinbarung vorsehen, dass das Schiedsverfahren nach den Regeln einer bestimmten Schiedsinstitution ablaufen soll. Deren Aufgabe liegt da-rin, einerseits den Ablauf des Schiedsverfahrens in ge-wisser Hinsicht zu überwachen, andererseits den Parteien, aber auch dem Schiedsgericht in Zweifelsfragen als An-sprechpartner zur Verfügung zu stehen. Vor allem in der Frühphase eines Schiedsverfahrens, bevor das Schieds-gericht erstmals zusammengetreten ist, ist die Bedeutung der Institution am größten. In dieser Phase fällt ihr ins-

� Zu diesen beiden unterschiedlichen Formen der Schiedsgerichtsbarkeit siehe auch den Beitrag von Kröll in diesem Heft, S. 23.

besondere die Aufgabe zu, das Verfahren in geordnete Bahnen zu lenken. Ungeachtet dessen ist die eigentliche Verfahrensleitung das Privileg des Schiedsgerichts. Die Schiedsinstitution stellt – von den Besonderheiten der Verfahrensordnungen einzelner Institutionen in Rand-bereichen einmal abgesehen – nur den administrativen Rahmen. Darüber hinaus leistet sie Verwaltungsdienste – natürlich gegen Gebühren.Wer sich für ein ad hoc-Verfahren entscheidet, der ver-zichtet auf die Vorteile eines administrierten Verfahrens. Bei ad hoc-(lateinisch für „hier und jetzt“ oder „ohne Vorbereitung“)Verfahren fällt damit den Parteien und den Schiedsrichtern mehr Arbeit und mehr Verantwor-tung zu. Aber man spart auch Kosten. Das ist für die Parteien nicht ohne Bedeutung. Man sollte aber das Er-sparnis ebenso wenig überschätzen wie man die Dienst-leistung der Institutionen und deren Wert unterschätzen sollte. Ein schlecht – weil ohne Anleitung – geführtes ad hoc-Verfahren kann mehr kosten als ein straff geführtes administriertes Verfahren. Wie auch immer die Vor- und Nachteile aussehen mögen: Fakt ist, dass sich laut einer internationalen Studie aus dem Jahre 2006 etwa 3/4 der Unternehmen, die Schiedsverfahren führen, für admini-strierte Schiedsverfahren entscheiden4.

III. Der Verfahrensablauf: Alles beginnt mit der Notice of ArbitrationAber zurück zum Anfang: Der erste Schritt in einem Schiedsverfahren liegt in seiner Einleitung. Das geschieht durch die „Schiedsklage“, die im internationalen Kontext häufig als „Notice of Arbitration“ bezeichnet wird. Haben sich die Parteien für ein administriertes Schiedsverfahren entschieden und sich den Regeln einer bestimmten Schiedsinstitution unterworfen, dann bestimmen diese Regeln den Mindestinhalt der Notice of Arbitration. Dieser Mindestinhalt ist sehr spärlich, und auch wenn die Notices of Arbitration erfahrener Schiedspraktiker über den Mindestinhalt hinausgehen und regelmäßig eine schon recht umfassende Darstellung der Sach- und Rechtslage enthalten, so begegnet man gerade in internationalen Schiedsverfahren doch immer wieder Schiedsklagen, die wirklich nur das Allernötigste angeben: Schiedskläger und -beklagten, die Schiedsklausel sowie eine sehr grobe Zusammenfassung des dem Streit zugrundeliegenden Sachverhalts. Außerdem benennt der Kläger in der Notice of Arbitration (s)einen „Parteischiedsrichter“ – so genannt, weil er von einer Partei benannt wird (nicht, weil er parteiisch ist; das darf ein Schiedsrichter niemals sein!) – und hat damit bereits einen ganz wichtigen Schritt getan. Denn die Auswahl der Schiedsrichter kann für den Fort- und Ausgang eines Verfahrens entscheidend sein. Die Notice of Arbitration reicht der Kläger bei der Schiedsinstitution ein, die ihrerseits die Notice an den � Siehe PriceWaterhouseCoopers/School of International Arbitration at Queen Mary College, University of London, International Arbitration: Corporate attitudes and practices, 2006.

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Schiedsbeklagten übermittelt. Diese Übermittlung ver-bindet sie mit der Aufforderung, auf den Vortrag des Schiedsklägers binnen einer bestimmten Frist (meist 30 Tage) zu erwidern und ebenfalls einen Parteischiedsrich-ter zu benennen. Haben sich die Parteien demgegenüber für ein ad hoc-Verfahren entschieden, dann schickt der Schiedskläger die Notice unmittelbar an den Schiedsbe-klagten, ebenfalls verbunden mit der Aufforderung, Stel-lung zu nehmen und einen Schiedsrichter auszuwählen.

IV. Der weitere Verfahrensgang: Konstituierung des Schiedsgerichts, Schriftsatzrunden und Beweisauf-nahmeDer weitere Fortgang des Verfahrens hängt weitestgehend von den Regeln ab, die die Parteien für ihr Verfahren gewählt haben; handelt es sich um ein administriertes Verfahren, entscheidet die Schiedsgerichtsordnung der gewählten Schiedsinstitution. Üblich ist der folgende Ablauf: Sofern die Parteien keine Einwände gegen den vom Gegner benannten Schiedsrichter haben, einigen sich die beiden Parteischiedsrichter auf einen dritten Schiedsrichter als Vorsitzenden des Schiedsgerichts. Ist das Schiedsgericht konstituiert, kommen die Parteien und das Schiedsgericht zu einem ersten „Hearing“, manchmal auch „Procedural Hearing“, „Procedural Conference“ oder „Pre-Trial Conference“ genannt, zusammen. Bei diesem Hearing erörtert das Schiedsgericht mit den Parteien den weiteren Ablauf des Schiedsverfahrens. Gleichzeitig einigt man sich auf detaillierte prozessuale Regeln. Denn die Schiedsgerichtsordnungen der Schiedsinstitutionen treffen zu einer Vielzahl von Einzelfragen keine Regelungen5. Hier sind dann das Schiedsgericht und die Parteien gefragt.Am Ende dieses ersten Hearings haben die Beteiligten meist einen Verfahrenskalender erarbeitet, der genau vorgibt, wer bis wann welchen Schriftsatz und welche Beweismittel vorzulegen hat. Denn mit der Notice of Arbitration und der Erwiderung darauf ist es nicht getan. Häufig beginnt das Verfahren jetzt erst richtig, und weitere „Runden“ von Schriftsätzen folgen, in denen die Parteien ihren Vortrag vertiefen und präzisieren und zu dem Vortrag der Gegenseite Stellung nehmen. Für den Anwalt beginnt spätestens (!) jetzt die detaillierte Auseinandersetzung mit dem Sachverhalt und dem auf den Streitfall anzuwendenden Recht. Nach meist zwei weiteren Schriftsatzrunden, in deren Zuge die Parteien nicht nur die aus dem deutschen Prozessrecht bekannten Beweismittel anbieten können, sondern auch schriftliche Zeugenaussagen, sog. „witness statements“ einreichen, folgt ein Termin zur Beweisaufnahme. Bei diesem Termin werden die Zeugen und Sachverständigen vernommen. Je nach Komplexität der Materie und Anzahl der benannten Zeugen kann sich so ein Termin über mehrere Tage erstrecken. Beweisaufnahmen von über

� Siehe hierzu auch den Beitrag von Kröll in diesem Heft.

einer Woche sind keine Seltenheit. Aber nicht nur die Dauer, auch der Ablauf der Beweisaufnahme ist zunächst ungewohnt. Anders als im deutschen Zivilprozess liegt die Befragung der Zeugen und Sachverständigen in internationalen Schiedsverfahren meist bei den Anwälten, nicht beim Schiedsgericht. In dieser Hinsicht folgt die internationale Praxis mehr den Gepflogenheiten des anglo-amerikanischen Rechtskreises, in dem der „counsel“ (also der Anwalt) die „examination“ und „cross-examination“ der Zeugen und Sachverständigen vornimmt.Im Anschluss an die Beweisaufnahme erhalten die Parteien Gelegenheit, sich zum Verlauf der Beweisaufnahme durch einen weiteren Schriftsatz zu äußern. Gibt es mehrere Termine zur Beweisaufnahme, etwa weil einzelne Sachkomplexe voneinander getrennt wurden, um die Übersichtlichkeit zu erleichtern, können sich die Parteien zu jeder Beweisaufnahme äußern. Nicht unüblich ist auch, dass das Schiedsgericht das Verfahren aufteilt, etwa zuerst die Ansprüche des Schiedsklägers, danach die zur Aufrechnung gestellten Ansprüche des Schiedsbeklagten behandelt. Dann verläuft der oben beschriebene Prozess in mehreren Durchgängen. Das Schiedsverfahren endet mit dem Urteil des Schiedsgerichts, dem sog. Schiedsspruch oder „Award“. Die Streitigkeit ist damit häufig genug aber nicht beendet: Nicht selten versucht die unterlegene Partei den Schiedsspruch anzufechten oder sich gegen die Vollstreckbarkeit des Schiedsspruchs zu wehren. Diese Auseinandersetzungen werden dann vor den zuständigen staatlichen Gerichten geführt.

V. Das dauert lang und kostet Geld: Kritik am Schiedsverfahren und LösungsansätzeWie man sich leicht vorstellen kann, können Verfahren nach obigem Muster langwierig sein. Zwar ist über durchschnittliche Verfahrensdauern wenig bekannt. Aber für ein internationales Schiedsverfahren mittlerer Größenordnung (Streitwert 10 bis 30 Millionen Euro) muss man mit Verfahrensdauern zwischen zwei bis vier Jahren rechnen. Ist die Materie komplexer und wird die Auseinandersetzung – wie etwa in Anlagenbaustreitigkeiten – um eine Vielzahl von Einzelpunkten geführt, können bis zum Endschiedsspruch im Einzelfall fünf bis sechs Jahre vergehen. Und etwaige Folgeverfahren vor staatlichen Gerichten um die Anerkennung oder Vollstreckung des Schiedsspruchs sind dabei nicht einmal mitgerechnet. Ganz ähnlich laufen auch schnell gehörige Kosten auf. Zu den Gebühren der Schiedsinstitution treten die der Schiedsrichter und der Rechtsanwälte sowie Auslagen für Sachverständige, Zeugen und von den Parteien hinzugezogene weitere externe Berater, ganz zu schweigen von den Opportunitätskosten, die einem Unternehmen dadurch entstehen, dass es über Jahre hinweg Kräfte für ein Schiedsverfahren binden muss.

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In den letzten Jahren sind die bisweilen überlange Verfahrensdauer und die für viele Parteien unerwartet hohen Kosten mehr und mehr zum Stein des Anstoßes geworden. Mittlerweile nimmt man sie sogar zum Anlass zur strukturellen Kritik an der Schiedsgerichtsbarkeit. Die einst als Vorteile der Schiedsgerichtsbarkeit gepriesenen (geringen) Verfahrenskosten und (kurze) Verfahrensdauer werden heute als gravierende Nachteile empfunden. Das geht so weit, dass international operierende Großunternehmen offen die Frage stellen, ob die Schiedsgerichtsbarkeit für bestimmte Streitfälle nicht „ein Auslaufmodell“ sei6. Diese Kritik ist nicht nur deswegen ernst zu nehmen, weil sie von denen kommt, für die die Schiedsgerichtsbarkeit gedacht ist. Sie ist vor allem auch – jedenfalls in weiten Teilen – berechtigt. Entsprechend vielfältig sind die Bemühungen, Schiedsverfahren wieder schneller, kostengünstiger, kurz: „user-friendly“ zu machen. Ein guter Ansatz dafür geht dahin, von den Schiedsrichtern mehr Engagement und eine zeitige zielgerichtete Steuerung des Verfahrens zu verlangen, nicht nur in administrativ-prozessualer, sondern auch in materiell-inhaltlicher Hinsicht. Ähnlich wie der deutsche staatliche Richter soll der Schiedsrichter die Parteien früh im Verfahren wissen lassen, wo er die Probleme des Falls sieht, wie er Rechtspositionen einschätzt und wozu er mehr bzw. weniger Vortrag hören möchte. Zusammengefasst wird dieses Konzept in dem Schlagwort vom „pro-active arbitrator“. Dieses Konzept liegt auch den kürzlich von der Deutschen Institution für Schiedsgerichtsbarkeit („DIS“) verabschiedeten „Ergänzenden Regeln für Beschleu-nigte Verfahren“ zugrunde, mit denen Parteien, die die rasche Durchführung ihres Schiedsverfahrens wollen, ein echtes Mittel zur Beschleunigung angeboten wird7. Nutzt man diese Mittel und nehmen Schiedsrichter den Appell ernst, Verfahren pro-aktiv zu führen, dann spricht nichts dagegen, dass auch Dauer und Kosten des Verfahrens – neben der Vollstreckbarkeit des Schiedsspruchs, der Neutralität, der Vertraulichkeit oder der Sachkunde der Schiedsrichter – wieder als Vorteile von Schiedsverfahren genannt werden können.

� Siehe Hobeck/Mahnken/Koebke, SchiedsVZ 2007, Heft 5.� Siehe hierzu Berger, SchiedsVZ 2008, Heft 3.

VI. Wie kommt man zur Wirtschaftsschiedsgerichts-barkeit?Zuletzt mag mancher fragen, wie man zur Schiedsge-richtsbarkeit kommt und welche Anforderungen man erfüllen muss. Unerlässliche Voraussetzung ist die Be-geisterung dafür, als Anwalt vor Gericht aufzutreten und Prozesse zu führen. Dazu gehört auch der Spaß daran, zusammen mit dem Mandanten die Fakten eines Falls zu ermitteln und ihnen auf den Grund zu gehen, egal ob der Gegenstand des Rechtsstreits ein Kohlekraftwerk, eine Papierdruckanlage oder die Mechanik einer Magnetbahn ist. Wichtig sind darüber hinaus fundierte Kenntnisse der englischen Sprache, am besten belegt durch einen fachbe-zogenen Auslandsaufenthalt. Man muss auch bereit sein, sich nicht nur in fremde Rechtsmaterien, sondern auch in fremde Rechtsordnungen einzuarbeiten. Kenntnisse im Internationalen Privatrecht und im Internationalen Zivil-prozessrecht erleichtern darüber hinaus den Einstieg.Ob einem all das im praktischen Leben liegt, kann man auch als Student oder Referendar auf vielfältige Weise ausprobieren. Ein Weg sind Praktika oder Stagen in Kanzleien, in denen es echte Spezialisten für internationale Schiedsgerichtsbarkeit gibt. Ein anderer ist die Teilnahme an studentischen Wettbewerben wie etwa dem Willem C. Vis Arbitration Moot8. Wertvolle Erfahrungen für Leben und Beruf sammelt man durch beides.9

� Siehe www.cisg.law.pace.edu/vis.html.* Der Autor ist Rechtsanwalt im Frankfurter Büro der internationalen Sozi-etät Baker & McKenzie. Der Autor dankt Herrn Christoph Mikuschek für seine Unterstützung beim Verfassen des Beitrags.

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Das Deutsche Sportschiedsgericht – ein Beitrag zur Stärkung des Sportrechts in Deutschland

Von Rechtsanwälten Jens Bredow und Thomas Klich, Köln*

Die Deutsche Institution für Schieds-gerichtsbarkeit e.V. (DIS) hat zum 1. Januar 2008 in Köln das Deutsche Sportschiedsgericht eingerichtet.

I. Die Deutsche Institution für SchiedsgerichtsbarkeitDie DIS, ein rechtlich selbständiger eingetragener Verein mit Sitz in Berlin, ist im Bereich der Wirtschaftsschieds-gerichtsbarkeit die in Deutschland führende Schiedsge-richtsinstitution. Zu den mehr als 950 in- und auslän-dischen Mitgliedern zählen zahlreiche Spitzenverbände der deutschen Wirtschaft, wie z.B. der DIHK, der BDI oder der VDMA, sowie führende deutsche Unternehmen, Richter, Rechtsanwälte und Wissenschaftler. Organe der DIS sind der Vorstand unter Vorsitz von Prof. Dr. Karl-Heinz Böckstiegel1, der Beirat unter Vorsitz von Michael Swoboda2, sowie die Geschäftsführung unter Leitung des Generalsekretärs Rechtsanwalt Jens Bredow.Zentrales Tätigkeitsfeld der DIS ist zunächst die Administrierung von Schiedsverfahren nach der DIS-Schiedsgerichtsordnung. Der Gesamtwert der Wirtschaftsschiedsverfahren, die bei der DIS jährlich eingeleitet werden, beträgt regelmäßig mehr als eine halbe Milliarde Euro. Die DIS bietet ferner eine Schlichtungsordnung an und ist u.a. Appointing Authority für Verfahren nach der UNCITRAL-SchO. Schließlich nimmt sie die Aufgaben der ICC Deutschland im Rahmen der ICC-Schiedsgerichtsbarkeit wahr. Führende ausländische Schiedsgerichtsinstitutionen, wie etwa der Schiedsgerichtshof der Internationalen Handels-kammer in Paris, der London Court of International Ar-bitration, die Swiss Arbitration Asscociation (ASA) und die Österreichische Vereinigung für Schiedsgerichtsbar-keit (ArbAut) zählen zu den Kooperationspartnern der DIS. Zu ihrem Satzungszweck gehört schließlich die Förde-rung der schiedsrechtlichen Wissenschaft und Lehre. Neben mehreren Vortragsveranstaltungen, wie z.B. den Petersberger Schiedstagen, gibt sie eine eigene Schrif-tenreihe für wissenschaftliche Publikationen heraus und ist Mitherausgeberin der im Verlag C.H. Beck erschei-nenden SchiedsVZ. Sie vergibt einen Förderpreis für

� Em. ordentlicher Professor der Universität Köln; u.a. ehemaliger Präsi-dent des London Court of International Arbitration (LCIA), Präsident der International Law Association (ILA) und Präsident des Iran-United States Claims. Tribunal in Den Haag; seit 2008 Patron des Chartered Institute of Arbitrators.� Hauptgeschäftsführer der IHK Bonn/Rhein-Sieg-Kreis.

herausragende wissenschaftliche Pu-blikationen und über das von ihr un-terhaltene Arbitration Documentation and Information Center (ADIC) bietet sie den in Deutschland umfassendsten Zugang zu schiedsrechtlichen Publi-kationen.

II. Das Deutsche SportschiedsgerichtDas Anfang des von der DIS eingerichtete Deutsche Sportschiedsgericht geht auf eine Initiative der Stiftung Nationale Anti-Doping-Agentur (NADA) aus dem Jahre 2004 zurück. Die NADA hatte im Rahmen ihres satzungsmäßigen Auftrags, der Verfolgung und Ahndung von Verstößen gegen Anti-Doping-Verstößen, auch ein Sportschiedsgericht zu etablieren. Aus Gründen der Unabhängigkeit wurde für diese Aufgabe die DIS als eine von den Sportverbänden und -organisationen unabhängige Institution ausgewählt. Gemeinsam wurde eine Sportschiedsgerichtsordnung erarbeitet, die sowohl den Vorgaben des WADA- bzw. NADA-Codes entspricht, als auch darüber hinaus eine effektive Erledigung aller sonstigen in Betracht kommenden Streitigkeiten mit Bezug zum Sport anbietet.

III. Die DIS-Sportschiedsgerichtsordnung1. AllgemeinesDie DIS-Sportschiedsgerichtsordnung (DIS-SportSchO) ist auf die Bedürfnisse des Sports zugeschnitten und kann für unterschiedlichste Arten von Streitigkeiten aus dem Bereich des Sports vereinbart werden. Sie orientiert sich im Wesentlichen an der in Wirtschaftsstreitigkeiten bewährten und erprobten, aktuellen DIS-SchO und basiert auf den Erfahrungen, die die DIS seit 1998 bei der Administrierung von Schiedsverfahren gemacht hat.

Der Anwendungsbereich der DIS-SportSchO umfasst: - vertrags- und handelsrechtliche Streitigkeiten mit Bezug zum Sport, z.B. Transferstreitigkeiten, Streitigkeiten im Zusammenhang mit Veranstalter-, Ausrüster, Sponsoring- oder Spielervermittlungsverträgen;- vereins- und gesellschaftsrechtliche Streitigkeiten, z.B. Streitigkeiten im Zusammenhang mit der Erteilung oder dem Entzug von Lizenzen, Teilhaberechten an Ligen oder dem Ausschluss eines Sportlers aus einem Verein sowie Beschlussmängelstreitigkeiten der Vereine und Verbände;- verbandsrechtliche Disziplinarstreitigkeiten, worunter

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unter anderem Streitigkeiten im Zusammenhang mit Verstößen gegen Anti-Doping-Bestimmungen fallen.

2. SchiedsvereinbarungVoraussetzung für die Durchführung eines Schiedsver-fahrens vor dem Deutschen Sportschiedsgericht ist das Vorliegen einer wirksamen Schiedsvereinbarung, entwe-der auf vertraglicher Basis durch eine Schiedsvereinba-rung i.S.v. § 1029 ZPO oder durch in Bezugnahme in einer Satzung oder einem Statut (vgl. § 1066 ZPO). In letzterem Fall ist es aus Gründen der Rechtssicherheit und vor dem Hintergrund der Rechtsprechung des BGH zu den Wirksamkeitsvoraussetzungen satzungsmäßiger Schiedsklauseln geboten, neben einer solchen Veranke-rung des Deutschen Sportschiedsgerichts auch individu-elle Schiedsvereinbarungen abzuschließen.Die DIS empfiehlt grundsätzlich folgende Schiedsverein-barung:„Alle Streitigkeiten, die sich im Zusammenhang mit dem Vertrag ( … Bezeichnung des Vertrags … ) oder über seine Gültigkeit ergeben, werden nach der Sportschiedsgerichtsordnung der Deutschen Institution für Schiedsgerichtsbarkeit e.V. (DIS) (DIS-SportSchO) unter Ausschluss des ordentlichen Rechtswegs endgültig entschieden.“Darüber hinaus können Ergänzungen bezüglich der Anzahl der Schiedsrichter, des anwendbaren Rechts und der Sprache des schiedsrichterlichen Verfahrens sinnvoll sein.Außerdem sind beim Abschluss einer individuellen Schiedsvereinbarung die Formvorschriften des § 1031 ZPO zu beachten. Ist ein Sportler als Verbraucher zu qualifizieren, gilt nach § 1031 Abs. 5 ZPO, dass die Schiedsvereinbarung in einer von den Parteien eigenhändig unterzeichneten Urkunde enthalten sein muss, die keine anderen Vereinbarungen als solche, die sich auf das schiedsrichterliche Verfahren beziehen, enthalten darf. Für die Verbrauchereigenschaft eines Sportlers maßgeblich ist, ob er bei dem Geschäft, das Gegenstand der Streitigkeit ist, zu einem Zweck handelt, der weder der gewerblichen noch selbständigen beruflichen Tätigkeit zugerechnet werden kann.

3. Einleitung des Schiedsverfahrens Die Einleitung des Verfahrens erfolgt durch Einreichung der Klageschrift bei der DIS-Hauptgeschäftsstelle in Köln. Das schiedsrichterliche Verfahren beginnt mit Zugang der Schiedsklage bei der DIS-Hauptgeschäftstelle. Die Klageschrift muss neben den üblichen Angaben zu Parteien, Anträgen und zum Sachverhalt auch eine Kopie der Schiedsvereinbarung oder satzungsmäßigen Schiedsklausel sowie ein in Bezug genommenes Regelwerk enthalten.Mit Einreichung der Schiedsklage hat der Schiedskläger die DIS-Bearbeitungsgebühr sowie einen vorläufigen

Vorschuss für die Schiedsrichter zu zahlen. Die Übersen-dung der Klage durch die DIS-Hauptgeschäftsstelle an den Beklagten erfolgt unverzüglich, kann aber von der Zahlung der DIS-Bearbeitungsgebühr des und Kosten-vorschusses für das Schiedsgericht ab-hängig gemacht werden.

4. Bildung des SchiedsgerichtsDas Schiedsgericht besteht grundsätzlich aus drei Schiedsrichtern, sofern die Parteien keine abweichende Vereinbarung treffen. Abweichend hiervon werden – auch hier vorbehaltlich einer anderen Vereinbarung der Parteien – Streitigkeiten, die ausschließlich einen Verstoß gegen Anti-Doping-Bestimmungen zum Gegenstand haben und deren Streitwert weniger als 25.000,00 Euro beträgt, durch einen Einzelschiedsrichter entschieden.Bei einem Dreierschiedsgericht benennt jede Partei ei-nen Schiedsrichter. Der Vorsitzende des Schiedsgerichts wird in Abweichung von der in der Wirtschaftsschieds-gerichtsbarkeit üblichen Praxis nicht von den partei-benannten Schiedsrichtern, sondern immer vom DIS-Er-nennungsausschuss für die Sportschiedsgerichtsbarkeit benannt. Er muss der Schiedsrichterliste des Deutschen Sportschiedsgerichts angehören und Jurist sein.Ist das Schiedsgericht mit einem Einzelschiedsrichter zu besetzten, haben die Parteien die Möglichkeit, bei Einlei-tung des Schiedsverfahrens eine Person, die der Schieds-richterliste des Deutschen Sportschiedsgerichts angehört, gemeinsam zu benennen. Fehlt eine solche Einigung bei Beginn des Verfahrens, ist der DIS-Ernennungsausschuss für die Sportschiedsgerichtsbarkeit für die Benennung zuständig. Jede Person, die als Schiedsrichter benannt wird, muss der DIS-Hauptgeschäftsstelle vor Bestellung zum Schiedsrichter die Annahme des Schiedsrichter-amtes erklären und alle Umstände offen legen, die Zwei-fel an ihrer Unparteilichkeit und Unabhängigkeit wecken könnten. Dieses Erfordernis dient der Sicherung der Unabhängigkeit der Schiedsrichter und der Vermeidung späterer Ablehnungs- bzw. Aufhebungsverfahren. Das Deutsche Sportschiedsgericht hält für die Auswahl der Schiedsrichter eine Liste von Schiedsrichtern für die Sportschiedsgerichtsbarkeit bereit. Voraussetzung für die Aufnahme auf diese Liste Expertise im Sportrecht und schiedsgerichtliche Erfahrung.

5. DIS-Ernennungsausschuss für die Sportschieds-gerichtsbarkeitDer DIS-Ernennungsausschuss für die Sportschiedsge-richtsbarkeit besteht aus drei Mitgliedern und drei stell-vertretenden Mitgliedern, die vom DIS-Vorstand für eine Amtszeit von zwei Jahren ernannt werden. Sie sind eh-renamtlich tätig und nicht an Weisungen gebunden. Zu den Aufgaben des DIS-Ernennungsausschusses für die Sportschiedsgerichtsbarkeit gehört die (Ersatz-)benen-nung von Schiedsrichtern auf Vorschlag der DIS-Ge-

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schäftsführung und die Bestellung von Schiedsrichtern in Zweifelsfällen.

6. Durchführung des SchiedsverfahrensMit Konstituierung des Schiedsgerichts, d.h. mit der Be-stellung aller Schiedsrichter, geht das Verfahren auf das Schiedsgericht über. Das Verfahren ist von größtmög-licher Parteiautonomie geprägt. Fehlen entsprechende Vorgaben, bestimmt das Schiedsgericht das Verfahren nach freiem Ermessen. Das schiedsrichterliche Verfahren endet mit einem endgültigen Schiedsspruch, mit einem Beendigungsbeschluss des Schiedsgerichts, wenn die Klage zurückgenommen wird oder sich auf andere Weise vor dem Erlass eines endgültigen Schiedsspruchs erledigt, oder wenn die DIS-Hauptgeschäftsstelle das Verfahren wegen unterbliebener Benennung eines Schiedsrichters beendet. Ein Schiedsspruch ist schriftlich zu erlassen, zu begründen und durch den oder die Schiedsrichter zu un-terschreiben.

7. Rechtsmittel zum CASEin Schiedsspruch nach der DIS-SportSchO ist grundsätzlich endgültig und hat unter den Parteien die Wirkung eines gerichtlichen Urteils. Nur in Streitigkeiten, die einen Verstoß gegen Anti-Doping-Bestimmungen zum Gegenstand haben, ist entsprechend den Vorgaben des WADA Codes die Möglichkeit einer Überprüfung durch den Court of Arbitration for Sport (CAS) vorgesehen.

8. KostenDie Kosten eines Schiedsverfahrens nach der DIS-SportSchO sind grundsätzlich streitwertabhängig und beinhalten die DIS-Bearbeitungsgebühr und die Schiedsrichterhonorare jeweils zzgl. Mehrwertsteuer. Eine hiervon abweichende Regelung sieht die DIS-SportSchO nur bei Streitigkeiten, die ausschließlich einen Verstoß gegen Anti-Doping-Bestimmungen zum Gegenstand haben, vor. Bei einem Streitwert von weniger als 25.000,00 Euro erhält der Einzelschiedsrichter ein Pauschalhonorar von 780,00 Euro zzgl. Mehrwertsteuer, das sich bei einer mehrtägigen mündlichen Verhandlung um 390,00 Euro pro weiteren Sitzungstag erhöht. Die DIS-Bearbeitungsgebühr beträgt in diesen Verfahren pauschal 350,00 Euro zzgl. Mehrwertsteuer. Entscheidet ein Dreierschiedsgericht oder liegt dem Verfahren ein Streitwert von mehr als 25.000,00 Euro zugrunde, bemisst sich das Honorar der Schiedsrichter nach einem Stundensatz, der dem Stundensatz nach dem Code of Sportsrelated Arbitration des CAS entspricht und derzeit

150,00 Euro beträgt. Die DIS-Bearbeitungsgebühr richtet sich in diesem Fall nach dem Streitwert des Verfahrens.

9. Einstweiliger RechtsschutzNach Bildung des Schiedsgerichts ist der einstweilige Rechtsschutz durch die staatlichen Gerichte nach § 20.1 DIS-SportSchO ausgeschlossen. Anträge auf einstweiligen Rechtsschutz können direkt an den Vorsitzenden des Schiedsgerichts bzw. den Einzelschiedsrichter gerichtet werden. Eine Besonderheit der DIS-SportSchO ist, dass Maßnahmen des einstweiligen Rechtsschutzes bereits vor Bildung eines Schiedsgerichts beantragt werden können. Diese Möglichkeit besteht aber nur, wenn zwischen der DIS und dem beteiligten Sportverband eine Kooperationsvereinbarung besteht, in der sich dieser verpflichtet, der DIS zur ordnungsgemäßen Durchführung von Verfahren seine Regelwerke und die Regelwerke anderer Organisationen, die in Bezug genommen werden, in der jeweils aktuellen Fassung zur Veröffentlichung auf der DIS-Homepage in elektronischer Form zur Verfügung zu stellen. Die DIS-Geschäftsführung veröffentlicht für solche Verfahren auf der DIS-Website einen Geschäftsverteilungsplan, der die permanente Eilzuständigkeit eines Schiedsrichters gewährleistet.

IV. AusblickDie DIS-SportSchO bietet einen zuverlässigen und er-probten Rahmen für eine effiziente, schnelle, unabhängige und vertrauliche Erledigung von Auseinandersetzungen mit Bezug zum Sport. Der Erfolg des Deutschen Sport-schiedsgerichts und sein Einfluss auf die Entwicklung des Sportrechts in Deutschland werden aber letztlich von der Akzeptanz aller am Sport Beteiligten abhängen. Vor diesem Hintergrund ist es erfreulich, dass bereits mehr als 25 nationale Fachsportverbände nicht nur Interesse an dem Projekt bekundet, sondern bereits mit dessen konkreter Umsetzung im Verhältnis zu den Sponsoren, Sportlern und Mitgliedern begonnen haben.3

* Jens Bredow ist Rechtsanwalt und Generalsekretär der DIS, Thomas Klich ist Rechtsanwalt und Mitarbeiter der DIS.

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Der strafrechtliche Schwerpunktbereich - Ein Überblick

Von Univ.-Prof. Dr. Michael Hettinger, Mainz

Erfahrungsgemäß erscheint das Strafrecht vie-len Studierenden zunächst als eine überschau-bare Materie. Verglichen mit dem Zivilrecht oder dem Öffentlichen Recht dreht sich das Pro-gramm des strafrechtlichen Pflichtbereichs um eine „relativ“ geringe Anzahl von Rechtsvor-schriften. Das verleitet manch einen dazu, das vermeint-lich leichtere Strafrecht auch als Schwerpunktbereich auszuwählen. In einem solchen Fall sind unliebsame „Überraschungen“ allerdings programmiert. Der straf-rechtliche Schwerpunktbereich soll grundsätzlich eine Spezialisierung in möglichst vielen Bereichen der Straf-rechtspflege bieten; Adressaten sind solche Studierende, die sich besonders für das Berufsfeld des Strafrichters bzw. Staatsanwalts interessieren, sich als Strafverteidiger niederlassen wollen oder eine Tätigkeit im Strafvollzug, bei der Polizei oder in sonstigen Behörden mit entspre-chenden Aufgaben (z.B. Fachreferate von Bundes- und Landesministerien, Jugendämter, Finanzämter, Bundes-wehr, Zoll) anstreben. Deshalb wird „im Schwerpunkt“ nicht nur der Stoff aus dem strafrechtlichen Pflichtbereich vertieft. Es erfolgt vor allem eine eingehende Behand-lung von strafrechtlichen Wissensgebieten und Frage-stellungen, die in der juristischen Universitätsausbildung sonst nur am Rande eine Rolle spielen oder gar keine Erwähnung finden, gleichwohl aber für eine berufliche Tätigkeit im Bereich der Strafrechtspflege von großer Bedeutung sind. Kenntnisse des StGB und der StPO sind zwar die notwendige Basis, reichen hierfür aber nicht aus. Das hat gleich mehrere Gründe. Zunächst ist eine Vielzahl der in der Rechtspraxis wichtigen Delikte nicht im StGB, sondern in sog. strafrechtlichen Nebengesetzen geregelt. Ferner wird das Strafrecht immer stärker durch europarechtliche (und auch völkerrechtliche) Vorgaben geprägt. Zu erinnern ist in diesem Zusammenhang etwa an die Rechtsprechung des EGMR, die nach Maßgabe des BVerfG auch von der nationalen Rechtsprechung beachtet werden muss. Schließlich bedarf es eines ge-naueren Verständnisses der Entstehungsgründe von Ver-brechen und der Wirkungsweise von Rechtsfolgen, um angemessen auf die verschiedenen Erscheinungsformen der Kriminalität reagieren zu können.

Im Einzelnen: Für eine Tätigkeit als Strafjurist sind ver-tiefte prozessrechtliche Kenntnisse unverzichtbar. An-ders als im strafrechtlichen Pflichtbereich, in dem das materielle Recht im Mittelpunkt steht, nimmt das Straf-prozessrecht im strafrechtlichen Schwerpunkt daher eine gleichberechtigte Position ein. Dabei werden üblicher-

weise nicht nur die rechtlichen Grundlagen des Strafverfahrens eingehend behandelt, sondern durch die Einbindung von Richtern, Staatsan-wälten oder Verteidigern werden auch seine praktischen Aspekte eingehend beleuchtet. Ziel ist es, dem Schwerpunktstudierenden auch einen

Eindruck von der forensischen Praxis und ihren Proble-men zu vermitteln. Dem Dialog und Erfahrungsaustausch von Wissenschaftlern und Praktikern kommt gerade hier große Bedeutung zu. Ein weiteres Gebiet, das im straf-rechtlichen Pflichtbereich häufig zu kurz kommt, ist das Sanktionenrecht. In der Regel verfügen Studierende al-lenfalls über rudimentäre Kenntnisse darüber, nach wel-chen Prinzipien die Strafzumessung erfolgt und welche Rechtsfolgen abgesehen von Geld- oder Freiheitsstrafe noch an die Begehung einer Straftat geknüpft werden. Ohne umfassende Kenntnisse über die Rechtsfolgensei-te ist eine erfolgreiche Tätigkeit im Bereich der Straf-rechtspflege indes nicht vorstellbar. Der strafrechtliche Schwerpunkt soll daher, wiederum unter Berücksichti-gung der Praxis, die erforderlichen Grundlagen schaf-fen und die entsprechenden Wissenslücken schließen. Schließlich muss man in diesem Zusammenhang noch das Jugendstrafrecht anführen, dessen Maxime weniger Bestrafung ist als Erziehung und das deswegen, neben Bezügen zur Pädagogik, zahlreiche Besonderheiten auf-weist – etwa im Hinblick auf die Durchführung des Straf-prozesses (z.B. Absehen von der Verfolgung, § 45 JGG, Einstellung des Verfahrens durch den Richter, § 47 JGG, keine öffentliche Hauptverhandlung gegen Jugendliche, § 48 JGG) –, aufgrund eines eigenständigen Rechtsfol-gensystems aber auch hinsichtlich der sanktionenrecht-lichen Aspekte.

Die Internationalisierung macht auch vor dem Straf-recht nicht halt. Dem Völkerstrafrecht (noch eher sym-bolisch), insbesondere aber dem EU-Strafrecht kommt eine stetig weiter wachsende Bedeutung zu. Dem trägt die strafrechtliche Schwerpunktausbildung Rechnung, wenn sie die europäischen und internationalen Rahmen-bedingungen des Strafrechts thematisiert und die Tätig-keiten der europäischen (Europol, Eurojust, OLAF, EJN) und internationalen (IStGH; UN-Tribunale) Strafverfol-gungsorgane behandelt. Zu den erwähnten Rahmenbe-dingungen gehören auch die menschenrechtlichen Re-gelungen (EMRK, IPbürgR, UN-Antifolterkonvention), die auch auf der Ebene der nationalen Rechtsanwendung stets zu beachten sind.

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Kommentar

Des Weiteren werden, wie bereits erwähnt, im strafrecht-lichen Schwerpunkt solche materiell-rechtlichen Fra-gen eingehend erörtert, die zwar keinen Gegenstand des Pflichtbereichs bilden – etwa weil sie lediglich in Neben-gesetzen geregelt sind –, für die Praxis aber gleichwohl große Bedeutung haben. Besonderer Beliebtheit erfreut sich hier augenblicklich das Wirtschaftsstrafrecht. Fälle der Untreue, der Korruption, der Insolvenzverschleppung, des Kapitalanlegerbetrugs oder des Insiderhandels haben zur Zeit Konjunktur und sind verstärkt in das Blickfeld der Öffentlichkeit geraten. Die Bedürfnisse der Praxis aufgreifend verzichtet daher derzeit kaum eine rechts-wissenschaftliche Fakultät, die einen strafrechtlichen Schwerpunkt anbietet, darauf, zu diesem durchaus hete-rogenen Gebiet, das Delikte quer durch sämtliche wirt-schaftsrechtlichen Gesetze umfasst, eine eigenständige Veranstaltung anzubieten. Abgesehen vom Wirtschafts-strafrecht gibt es aber auch noch andere strafrechtliche Spezialbereiche, die häufig im Schwerpunkt behandelt werden. Zu nennen sind etwa das Verkehrsstrafrecht, dem gerade in der anwaltlichen Praxis eine große Bedeu-tung zukommt, das Arzneimittel- und Betäubungsmit-telstrafrecht, das in der anwaltlichen Praxis gleichfalls großen Raum einnimmt, das Medizinstrafrecht, das an-gesichts der Entwicklungen im Gesundheitssektor ge-rade auf neue Herausforderungen zu antworten hat, das Informations- und Computerstrafrecht, das sich aufgrund des raschen technologischen Fortschritts im permanenten Wandel befindet, das Umweltstrafrecht, das Steuerstraf-recht sowie das gesamte Ordnungswidrigkeitenrecht, das manche vielleicht nicht gerade als die spannendste Ma-terie ansehen, dessen Kenntnis für die anwaltliche Praxis aber wiederum unverzichtbar ist.

Der strafrechtliche Schwerpunkt befasst sich allerdings nicht nur mit Rechtsfragen. Zwar nimmt der Strafrechts-wissenschaftler üblicherweise eine normative Perspekti-ve ein, bei der primär das Verständnis und die Anwen-dung von Rechtsvorschriften im Mittelpunkt stehen. Seine Überlegungen kreisen also um die Frage, welches Verhalten als Straftat gilt, wie eine solche Straftat sank-

tioniert wird und auf welche Weise das Vorliegen einer Straftat prozessordnungsgemäß festzustellen ist. In Er-gänzung zu dieser normativen Betrachtungsweise rücken im Schwerpunkt aber mit der Kriminologie als selbstän-diger empirischer Wissenschaft das Verbrechen und die Verbrechenskontrolle aus erfahrungswissenschaftlicher Perspektive diejenigen persönlichen und gesellschaft-lichen Umstände ins Blickfeld, die mit der Begehung, den Folgen und der Verhinderung von Straftaten sowie der Behandlung von Straffälligen zusammenhängen. Das umfasst sowohl grundsätzlichere Fragestellungen, wie etwa jene nach einer generellen sozialwissenschaftlichen Erklärbarkeit der Phänomene „Kriminalität und Strafe“, als auch konkretere Probleme, wie beispielsweise die Einschätzung krimineller Gefährdung und die Planung wirksamer Intervention im Einzelfall oder die Analyse struktureller Charakteristika der Organisierten Krimina-lität. Verlangt wird dabei die Bereitschaft des Schwer-punktstudierenden, sich auch mit dem methodischen Instrumentarium der empirischen Sozialforschung in seinen Grundzügen zu befassen und sich mit den Nach-barwissenschaften wie etwa der forensischen Psychiatrie vertraut zu machen.

Insgesamt bietet der strafrechtliche Schwerpunkt also ein anspruchsvolles und facettenreiches Programm, das in einer ausgewogenen Mischung sowohl wissenschaftlich-theoretische als auch praxisbezogene Elemente beinhal-tet. Strafrechtlich orientierten Juristinnen und Juristen vermittelt es ein solides Fundament für eine spätere be-rufliche Tätigkeit in diesem Bereich, schärft aber zugleich auch das kritische Bewusstsein für Probleme, Defizite und Unzulänglichkeiten des geltenden Strafrechts bzw. der derzeitigen strafrechtlichen Praxis. Diejenigen, die sich, wie eingangs geschildert, für den strafrechtlichen Schwerpunkt nur deshalb entscheiden, weil sie es sich möglichst „einfach“ machen möchten, mögen die Viel-falt des Programms als abschreckend empfinden. Wer sich hingegen tatsächlich für das Strafrecht interessiert, wird bei entsprechendem Engagement nicht nur viel Neues lernen, sondern an seinem Schwerpunktstudium Freude haben.

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Kommentar

Gibt es eine Typologie der Aktionäre?

Von Univ.-Prof. Dr. Katja Langenbucher, Frankfurt a.M.*

Gegenstand des Schwerpunktbereichs „Unter-nehmen und Finanzen“ ist unter anderem das Aktien- und Kapitalmarktrecht. Ein großer Teil des Aktienrechts ist Innen- oder Verbandsrecht und betrifft die Struktur der Gesellschaft sowie Verhaltensgebote für die Verbandsmitglieder. Außenrecht tritt hinzu, soweit es um die rechtliche Exis-tenz der Gesellschaft, der für sie vorgenommenen Hand-lungen und um verbundene Unternehmen geht.Die Gesellschafter der Aktiengesellschaft sind die Ak-tionäre. Sie partizipieren am Erfolg des Unternehmens durch Dividendenausschüttungen, vor allem aber durch die Möglichkeit einer Wertsteigerung ihrer Anteile. Iso-liert man einzelne Ziele, die mit der Beteiligung an einer Aktiengesellschaft verfolgt werden, lassen sich zumin-dest auf den ersten Blick unterschiedliche Aktionärs-typen differenzieren.

1. Unternehmerisch-strategische AktionäreUnternehmerisch-strategische Aktionäre sind natürliche Personen, die ihr Unternehmen in der Rechtsform einer Aktiengesellschaft betreiben. Sie sind die Eigentümer der juristischen Person und genießen die Vorteile einer unternehmerischen Betätigung in der Rechtsform einer juristischen Person. Die unternehmerische Leitungs-macht üben sie persönlich als Gesellschaftsorgan aus oder sie bedienen sich externer Manager. Erweitert man den Gesichtskreis und nimmt noch die typische Fami-lien-Aktiengesellschaft in den Blick, treten zu den selbst unternehmerisch engagierten Aktionären weitere Gesell-schafter hinzu, die an der Einwirkung auf das Geschäfts-feld der Gesellschaft weniger, bisweilen auch gar nicht interessiert sind.

2. Strategisch motivierte AktionäreDen unternehmerisch ausgerichteten Aktionären sind strategisch motivierte Aktionäre verwandt, die Aktien wegen der dadurch eröffneten Einflussnahme auf das Geschäftsfeld der Aktiengesellschaft erwerben, bei-spielsweise weil es mit ihrem eigenen übereinstimmt oder es ergänzt. Bei diesen kann es sich um natürliche oder juristische Personen handeln, es kann um eine klei-ne Beteiligung an einer Aktiengesellschaft in Familien-hand ebenso gehen wie um die Übernahme einer großen börsennotierten Gesellschaft.

3. AnlegeraktionäreEinen anderen Zweck verfolgen die Anlegeraktionäre. Sie sind nicht an der unternehmerischen Betätigung

der Gesellschaft interessiert, sondern erhoffen sich vom Kauf einer Aktie eine lohnende Ver-mögensanlage. Anlegeraktionäre treffen ihre Investitionsentscheidung mit Blick auf Divi-dendenzahlungen, primär aber auf potentielle Wertsteigerungen der Aktie, die sich bei bör-

sennotierten Gesellschaften in einem Kursanstieg nieder-schlagen.

a) KleinaktionäreDie Gruppe der Anlegeraktionäre lässt sich mit Blick auf die Person des Investors in Kleinaktionäre und instituti-onelle Investoren aufteilen. Von Kleinaktionären spricht man, wenn es um natürliche Personen geht, die nur einen geringen Bruchteil im Streubesitz befindlicher Anteile erwerben, um damit ihr privates Vermögen zu mehren.

b) Institutionelle AktionäreInstitutionelle Investoren sind Unternehmen, die Kapi-tal von privaten Anlegern oder anderen Unternehmen sammeln und gebündelt anlegen. Nimmt man die typi-scherweise verfolgte Anlagestrategie in den Blick, kann innerhalb der Gruppe institutioneller Investoren weiter differenziert werden. Die Terminologie in diesem Be-reich ist allerdings uneinheitlich, nicht zuletzt, weil sich Investoren nicht einmal für definitorische Zwecke auf eine Anlagestrategie festlegen lassen. Während sich für „konservativ“ und langfristig orientierte institutionelle Investoren, beispielsweise Versicherungen, Investment-gesellschaften oder Pensionsfonds, kein eigener Begriff eingebürgert hat, bezeichnet man kurz- oder mittelfristig und bisweilen spekulativ arbeitende institutionelle Inves-toren häufig als Finanzinvestoren. Bei ihnen handelt es sich um natürliche oder juristische Personen, die mit ho-hem, regelmäßig in beträchtlichem Umfang fremdfinan-ziertem Kapitaleinsatz eine Anlagestrategie verfolgen.Zu solchen Finanzinvestoren zählt man beispielsweise Private Equity Gesellschaften und Hedge Fonds. Ers-tere streben typischerweise eine mittelfristig orientierte Mehrheitsbeteiligung an, um von Wertsteigerungen jun-ger Unternehmen (Wagniskapital, venture capital), Ex-pansionen (Wachstumskapital) oder Restrukturierungen (buy out fonds) zu profitieren. Der Anlagehorizont von Hedge Fonds ist typischerweise kurzfristig.Wann sich der Einsatz fremdfinanzierten statt eigenen Kapitals rechnet, zeigt sich bei einem Blick auf einige Grundannahmen der ökonomischen Finanzierungstheo-rie. Investoren sind an einer möglichst hohen, sicheren Rendite interessiert. Die Rendite, die auf eine Anlage von

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Kommentar

Kapital in Aktien erwartet werden darf (Erwartungswert einer Investition in Eigenkapital), hängt von den denk-baren Umweltszenarien, welche die Gewinnerwirtschaf-tung beeinflussen, und deren Eintrittswahrscheinlichkeit ab. Ist der Erwartungswert höher als die Kosten der Be-schaffung von Fremdkapital, lohnt es sich, Fremdkapital aufzunehmen und in die Unternehmung zu investieren. Berechnet man die Gesamtkapitalrendite, zeigt sich, dass mit ansteigendem Verschuldungsgrad auch die Eigenka-pitalrendite ansteigt; steuerliche Vorteile der Absetzbar-keit von Fremdkapitalzinsen verstärken diese Wirkung (Hebeleffekt = leverage effect). Dem korrespondieren Risiken des Hebeleffekts, wenn sich das Verhältnis der Aktienrendite zu den Zinskosten umkehrt.Die Art und Weise, in der Finanzinvestoren eine attraktive Rendite des eingesetzten Kapitals erzielen, hängt natur-gemäß von vielfältigen Faktoren ab. Ein Finanzinvestor kann sich die Wertsteigerung seines Investments von den Erfolgsaussichten der Gesellschaft, der Branche oder des Marktumfelds versprechen. Denkbar ist auch, dass sich ein Finanzinvestor gerade von der Einflussnahme auf das Management der Aktiengesellschaft eine Werterhöhung seiner Anteile erhofft. Eine solche Einflussnahme kann für Unternehmen wie Investor rein kurzfristig wirken, wenn primär kostensenkende Effekte verfolgt oder das Unternehmen zerschlagen und veräußert werden soll. Beispiele für langfristig wirkende positive Effekte sind die Durchsetzung einer am Markt höher bewerteten Un-ternehmensstrategie durch den Finanzinvestor oder die Ablösung eines ineffizient wirtschaftenden Manage-ments. Der Gesetzgeber hat den Blick auf die zum Teil erheb-lich divergierenden Interessen der verschiedenen Aktio-närstypen zum Anlass für Regelungen genommen, welche auf die Zurückdrängung rein kurzfristig ausgerichteter Interessen abzielen (RegE-Risikobegrenzungsgesetz). Die Separierung verschiedener Aktionärsgruppen und die Zuordnung von Aktionären zu einer Gruppe ist frei-lich phänomenologisch kaum trennscharf durchführbar.Das zeigt sich am Beispiel des Gesellschafters einer Fa-milien-Aktiengesellschaft. Dessen Motive für das Halten seiner Beteiligung können ausgeprägt unternehmerisch sein, aber auch im Wesentlichen anlageorientiert, au-ßerdem mögen sie sich von Zeit zu Zeit verändern. Ent-sprechend wird der strategische Großaktionär zwar seine Investitionsentscheidung mit Blick auf das Geschäftsfeld treffen, sodass er sich auf den ersten Blick der Gruppe „unternehmerisch-strategischer Aktionäre“ zuordnen lässt. Auch dieser Aktionär wird freilich die Beteili-gung abstoßen, wenn er mit dem hier gebundenen Ka-pital langfristig keine Rendite erwirtschaften kann, und verfolgt jedenfalls unter diesem Blickwinkel zusätzlich Anlageinteressen. Umgekehrt erwirbt der Finanzinves-

tor eine Beteiligung zwar per definitionem mit Blick auf eine erhoffte Wertsteigerung seines Investments. Unter-nehmerische Erwägungen fließen aber auch in dessen Strategie ein, etwa bei der Entscheidung über ein lukra-tives Geschäftsfeld der Aktiengesellschaft oder über die gebotene Zeitspanne, während derer das Investment ge-halten wird.1

Weil die Abschichtung der unterschiedlichen Aktionärsgruppen schon heuristisch nur von begrenztem Wert ist, muss bei der Ableitung normativer Konsequenzen aus der Differenzierung verschiedener Aktionärsgruppen besonders behutsam vorgegangen werden. Gesetzgeberisches Eingreifen ist auch vom Standpunkt der ökonomischen Folgenbeurteilung rechtlicher Regeln her nicht unproblematisch. Zum einen ist nicht ausgeschlossen, dass Finanzinvestoren mit Blick auf die Disziplinierung der Verwaltung zur Wertschöpfung beitragen können. Manche Stimmen in der Literatur erhoffen sich zum anderen schon von der Funktionsweise des Kapitalmarktes die Aussonderung rein kurzfristiger, wertvernichtender Strategien, sodass gesetzgeberische Aktivität nicht veranlasst wäre1. Letzteres ist der Fall, wenn eine (nur) auf kurzfristige Kurssteigerungen angelegte Strategie eines Finanzinvestors nicht zu einer Kurssteigerung führen kann, weil der Kapitalmarkt die langfristig zu erwartenden negativen Wirkungen bereits einpreist.2

* Lehrstuhl für Bürgerlicher Recht, Wirtschaftsrecht und Bankrecht. Der Beitrag entstammt der Einführung zu meinem Lehrbuch „Aktien- und Ka-pitalmarktrecht“. Es erscheint im September 2008 bei C.H. Beck.� Ob die Effizienz des Kapitalmarkts wertvernichtendem Verhalten von Fi-nanzinvestoren stets entgegenwirkt, ist empirisch noch nicht belegt. Posi-tive Einschätzung etwa bei Clifford, Value Creation or Destruction? Hedge Funds as Shareholder Activists, June 2007; Eidenmüller, DStR 2007, 2116, 2118; diff. Fleischer, ZGR 2008, erscheint demnächst; Kahan/Rock, Uni-versity of Pennsylvania, Institute for Law & Economics Research Paper No. 06-16; Spindler/Bednarz, WM 2006, 601, 607.

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Kommentar

Pro Rechtsgeschichte!

Von Prof. em. Dr. Dr. Michael Stolleis, Frankfurt a.M.

Unzählige Male bekommt man zu hören, ein Jurastudium ohne historische Vertiefung sei zu „flach“, Rechtsgeschichte gehöre zu den unver-zichtbaren Grundlagenfächern und es sei eine Schande, dass die traditionellen Lehrstühle für Rechtsgeschichte zugunsten „modernerer“ Fä-cher eingestellt würden. Entsprechend häufen sich die Klagen, die heutigen Absolventen der Juristenausbildung seien ahnungslos, was die geschichtlichen Grundlagen unserer Rechtsordnung angehe. Erschreckende Beispiele aus den mündlichen Prüfungen des Ersten Staatsexamens werden berichtet. Diese Klagen sind billig zu haben, wie aller Kulturpessimismus. Ebenso gibt es Kollegen, die mit Robustheit die Meinung vertreten, sie seien auch et-was geworden, ohne Rechtsgeschichte zu kennen – also könne man auf dieses Fach verzichten.Niemand bestreitet, dass es in der Massenuniversität und unter dem Druck des vielfach vermehrten geltenden Rechts schwieriger geworden ist, die Notwendigkeit ei-ner „historischen Vertiefung“ plausibel zu machen. Bei den Studierenden gibt es Sorgen, vom Pfad der Tugend abzukommen, der da heißt: schnelles und gutes Exa-men durch Konzentration auf das geltende Recht. Man fürchtet, sich in dem undurchschaubaren Dschungel der zweitausendjährigen Rechtsgeschichte zu verlieren. Schwindende Lateinkenntnisse versperren den Zugang zum römischen Recht. Im Seminar zur mittelalterlichen Rechtsgeschichte müsste man den Sachsenspiegel auf Mittelhochdeutsch lesen können, in der Frühen Neuzeit sich durch ein Kauderwelsch von Latein und Barock-deutsch kämpfen. In der Neuzeit droht man, im Meer der gedruckten Quellen zu ertrinken. Wer sich von diesen Gespenstern auf der Geisterbahn nicht erschrecken lässt, sondern einfach einmal aus Neu-gier anfängt, mit einer Arbeitsgemeinschaft oder einem Seminar, mit einem guten Buch oder einer interessanten Vorlesung, wird reich belohnt werden. Inwiefern? Schritt für Schritt erscheint die gesamte Rechtsordnung, wenn man sie erst einmal historisch beleuchtet, anders und viel verständlicher. Sie ist so, weil sie „geworden“ ist. Recht fällt bekanntlich nicht vom Himmel, sondern wird in lan-gen mühseligen Abstimmungsprozessen gemacht, stän-dig verändert, sei es im Parlament, sei es vor Gericht, sei es einfach durch Praxis. Recht ist in allen vergangenen Gesellschaften vorhanden, man kann es fixieren und befragen, wie frühere Gesellschaften rechtlich „funktio-niert“ haben. Und dann kann man vergleichen, horizontal und vertikal, vor allem mit der Gegenwart. Mit anderen Worten: Das scheinbar so geschlossene Rechtssystem

wird – von der Rechtsgeschichte angeleuchtet – transparent. Man sieht die inneren Brüche, die Kämpfe um die Schaffung oder Abschaf-fung bestimmter Regelungen, man sieht die ungleiche Rollenverteilung der Geschlechter, die Unrechtsverhältnisse zwischen Herren und

Sklaven, die Kämpfe gegen politische Bevormundung und Zensur, die langsame Ausformung der entlastenden Rechtsdogmatik, die Entstehung der Grundrechte, die mühsame Herstellung des Rechtsstaats, das gesetzge-berische Geflecht des Sozialstaats. Ich wage also zu behaupten: Wer die Rechtsordnung historisch versteht, wird aufgeklärter und kritischer. Das Transparentwerden der Rechtsordnung hilft zudem, bei der Vorbereitung auf das Examen die Grundlinien des Ganzen zu erkennen. Wer diese Grundlinien nicht sieht, bleibt im Irrgarten des angepaukten Wissens von „herrschenden Meinungen“ gefangen. Wie wollen diejenigen, denen man andressiert hat, stets der „h.M.“ zu folgen, noch selbständig und kri-tisch denken?Konkretere Beispiele: Das Grundgesetz, wie es 1948/49 geschaffen wurde, ruht auf zwei wichtigen Vorläufern, der Verfassung der Frankfurter Paulskirche von 1848/49 oder der Weimarer Verfassung von 1919. Wesentliche Teile sind von dort übernommen und unter dem Eindruck des Nationalsozialismus umgestellt und verändert worden. Art. 1 GG mit seinen drei Absätzen, um nur ein einziges Beispiel zu nennen, ist ohne diesen Rückblick gar nicht zu verstehen. Das BGB ist kein perfekter Kunstbau, kein geschlossenes System, sondern ein langsam fließender Gletscher, der den Veränderungen der Gesellschaft folgt, etwa im Ehe- und Familienrecht, im Arbeitsrecht, Mietrecht, Verbraucherschutzrecht und im allgemeinen Schuldrecht. Es reguliert das „zivile“ Leben einer Gesellschaft, die immer häufiger von den Vorgaben des Europarechts durchdrungen wird. Die historischen Veränderungen des Strafrechts, des wuchernden Nebenstrafrechts und des Ordnungswidrigkeitenrechts sind Musterkarten gesellschaftspolitischer Reflexe auf ein höchst politisches Rechtsgebiet. Alles, was geschichtlich passiert, findet dort seinen Niederschlag, die neue Computer- und Kommunikationswelt, die Wirtschafts- und die Bandenkriminalität, der Terrorismus und das Drogenproblem. Nur aus historischer Distanz erkennen wir die Grundlinien. Erst recht gilt dies für die gesamte Geschichte des öffentlichen Rechts und der Verwaltung unterhalb der Verfassungsordnung. Es ist eine Fülle, die nur notdürftig durch zwei Klammern zusammengehalten wird, durch das vom Bundesverfassungsgericht

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Kommentar

Das Verbot der aktiven Sterbehilfe − ein Reformbedürfnis im Strafrecht

Von Amer Issa, Frankfurt a.M.

I. EinleitungDie Diskussion zur Frage über Grenzen und Zu-lässigkeit der Sterbehilfe gehört zu den schwie-rigsten Problemen des Strafrechts – insbeson-dere hinsichtlich der möglichen Legalisierung von aktiver Sterbehilfe. Einer der Gründe dafür ist, dass es keine die Sterbehilfe ausdrücklich behandelnde gesetzliche Regelung gibt. Die Mord- und Totschlagsparagraphen des StGB sind ersichtlich nicht auf die Sterbehilfe zugeschnitten, oder sie erfassen, wie in § 216 StGB, nur einen kleinen Ausschnitt der Proble-matik in einer Weise, die viele komplizierte Fragen offen lässt. Des Weiteren ist es schwierig sich aus deutscher Sicht wirklich unbefangen mit dem Thema Sterbehilfe zu befassen1. Oft spielt, wenn auch nur unterbewusst, die Tatsache eine Rolle, dass skrupellose Nationalsozialisten früher entschieden haben, was „lebensunwertes Leben“ ist und wann bzw. wie man es beenden kann2. Die Ge-fahr auch nur ansatzweise eine Entwicklung in dieselbe Richtung beginnen zu lassen, hemmt oftmals den Aus-bau des vielschichtigen Diskussionsprozesses. Nicht zu-� Kutzer spricht von einem „spezifischen Problem der Deutschen“: Kutzer, ZRP 2003, 209 ff.� Die Vorbereitungen für die planmäßige „Vernichtung lebensunwerten Lebens“ liefen unter dem Decknamen „Aktion-T4“, welcher für Tiergartenstraße 4 stand, in der die Berliner Euthanasiezentrale ihren Sitz hatte.

letzt gestaltet sich eine Verständigung über das Erlaubte und Verbotene zum Thema Sterbehil-fe auch dadurch als schwierig, weil die Ster-behilfe keine Domäne der Strafrechtler ist. In diesem Bereich beanspruchen Mediziner3, Phi-losophen4 und Theologen5 ein Mitspracherecht, dessen Ausübung zwar einerseits die Debatte

bereichert, eine Einigung über die strafrechtliche Beur-teilung aber durch viele außerrechtliche und auch wi-derstreitende ideologische Ansichten erschwert. Gerade in den letzten Wochen und Monaten wurde durch Ham-burgs ehemaligen Justizsenator Roger Kusch das Me-dieninteresse zum Thema Sterbehilfe enorm verstärkt. Dass dabei viele rechtliche Vorgaben nur unpräzise oder gar falsch dargestellt wurden, darf nicht erstaunen. Im Folgenden wird daher versucht, sich weitestgehend auf den (straf)rechtlichen Aspekt und einen juristischen Lö-sungsansatz zu konzentrieren.

II. Arten der SterbehilfeZunächst ist der Begriff der Sterbehilfe aus juristischer Sicht zu allgemein gehalten. Man muss dabei differen-

� Vgl. beispielsweise Grundsätze der Bundesärztekammer NJW 1998, 3406.� Vgl. Hoerster, NJW 1986, 1786 ff.; Landau, ZRP 2005, 51.� Vgl. z.B. Ratschow, Wenn Sterbehilfe töten darf, 1992.

praktikabel gemachte Verfassungsrecht sowie durch das Verwaltungsverfahrensgesetz, das wenigstens einen Teil des „Allgemeinen Teils“ kodifiziert. Wer sich die Details nur über das Gedächtnis merken will, sieht vor lauter Bäumen den Wald nicht. Wer sich das Ganze historisch erschließt, erkennt plötzlich Strukturen.So könnte man mit Beispielen fortfahren, bis das Gelände erneut unübersichtlich wird und der Ruf nach praktikablen Hilfsmitteln ertönt. Dieser Ruf soll nicht unerhört bleiben. Eine kleine Auswahl mag beim Einstieg helfen1. Diese Bücher stehen in jeder Seminarbibliothek oder sind preiswert zu erwerben. Aber wichtiger ist die Einsicht, dass man im Jurastudium einen Kompass braucht, um nicht als „Fachidiot“ die Universität zu verlassen. Dieser Kompass kann – je nach Neigung – auch in der Rechtsphilosophie oder bei der Rechtsvergleichung mit anderen Rechtskulturen gefunden werden. Aber ohne eine solche Grundlagenorientierung geht es nicht. Auch Rechtsphilosophie und Rechtsvergleichung greifen wieder auf die historischen Fundamente zurück. In diesem Sinne

schließe ich mit einer Ermunterung: Rechtsgeschichte ersetzt nicht die Arbeit am geltenden Recht, natürlich nicht! Aber sie schafft einen Referenzrahmen, in den die verwirrende Fülle des geltenden Rechts eingeordnet und aus einer gewissen Distanz betrachtet werden kann. Das ist an sich schon genug. Aber es kommt hinzu, dass Rechtsgeschichte auch ein ausgesprochenes intellektuelles Vergnügen bereitet, sie kann bereichern und beflügeln. Probieren Sie es aus!1

� Kroeschell, Deutsche Rechtsgeschichte, Bd. 1 (bis 1250), 10. Aufl. 1992; Kroeschell/Cordes/Nehlsen-v.Stryk, Deutsche Rechtsgeschichte, Bd. 2 (1250 – 1650), 9. Aufl. 2008; Kroeschell, Deutsche Rechtsgeschichte, 3. Bd. (seit 1650), 3. Aufl. 2001; Wieacker, Privatrechtsgeschichte der Neuzeit, 2. Aufl. 1967; Schlosser, Grundzüge der Neueren Privatrechtsgeschichte, 10. Aufl. 2005; Willoweit, Deutsche Verfassungsgeschichte, 5. Aufl.; Frot-scher/Pieroth, Verfassungsgeschichte, 5. Aufl. 2005; Rüping/Jerouschek, Grundriß der Strafrechtsgeschichte, 4. Aufl. 2002; Stolleis, Geschichte des Sozialrechts in Deutschland – Ein Grundriß, 2003; Stolleis, Geschichte des öffentlichen Rechts in Deutschland, 3 Bde. 1988, 1992, 1999 (mit Studien-ausgabe von Bd. 3); Wesel, Geschichte des Rechts – Von den Frühformen bis zur Gegenwart, 2. Aufl. 2001.

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Kommentar

zieren zwischen aktiver, passiver und indirekter Sterbe-hilfe sowie der Beihilfe zur Selbsttötung.

1. Aktive SterbehilfeUnter aktiver Sterbehilfe versteht man eine Handlung mit der Absicht, eine Person auf deren freiwilliges und ernsthaftes Verlangen hin zu töten. Die aktive Sterbehil-fe ist nach geltendem Recht in der BRD unzulässig und strafbar6. Wird sie auf ausdrückliches und ernstliches Verlangen des Kranken hin geleistet, so ist sie nach § 216 StGB, sonst als Totschlag nach § 212 StGB oder even-tuell als Mord nach § 211 StGB strafbar. Die von § 216 StGB umfasste Tötung auf Verlangen, der die Tötungs-handlung unter – eine freilich gemilderte und damit auch privilegierende – Strafe stellt, schränkt das Selbstbestim-mungsrecht des nach dem Tod verlangenden lebensmü-den Menschen sichtlich ein7. Fleht der Patient also wegen unerträglicher Schmerzen und Qualen auch noch so sehr nach der ihn erlösenden Spritze, so ist ein aktives Injizie-ren trotzdem nach § 216 StGB zu bestrafen. Die § 211 ff. StGB untersagen nämlich jede aktiv ins Werk gesetzte Maßnahme, welche eine Verkürzung des Lebens bezwe-cken bzw. den Eintritt des Todes beschleunigen soll8. 2. Passive SterbehilfePassive Sterbehilfe liegt dann vor, wenn eine Betreu-ungsperson, sei es der behandelnde Arzt oder ein An-gehöriger, es unterlässt, ein dem Ende sich zuneigendes Leben zu verlängern, also eine durch Unterlassen ge-leisteten Sterbehilfe. Diese Form der Sterbehilfe ist ge-setzlich nicht ausdrücklich geregelt, wird aber unter be-stimmten Bedingungen beim todkranken Patienten als erlaubt und auf Verlangen eines einwilligungsfähigen Patienten als geboten angesehen9. Bei nicht einwilli-gungsfähigen Patienten gelten Patientenverfügungen als wichtige Informationsquelle für den dann Ausschlag gebenden „mutmaßlichen Willen“ des Patienten10. Die Zulässigkeit der passiven Sterbehilfe folgt aus der An-erkennung des Selbstbestimmungsrechts des Patienten bei der Entscheidung, ob, wie und wie lange er ärztlich behandelt werden soll11. Der BGH hat schon früh darauf hingewiesen, dass Ärzte das Selbstbestimmungsrecht des Patienten auch dann zu beachten haben, wenn der Wille des Patienten darauf gerichtet ist, eine aus medizinischen Gründen dringend erforderliche Behandlung zu verwei-gern. In dem Urteil vom 28.11.1957 heißt es: „Es wäre ein rechtswidriger Eingriff in die Freiheit und Würde der

� Wessels/Hettinger, Strafrecht Besonderer Teil/1, 31. Aufl. 2007, Rdn. 28; Kutzer, ZRP 2003, 684.� Kutzer, NStZ 1994, 110; Wessels/Hettinger, a.a.O. (Fn. 6), Rdn. 28.� BGHSt 37, 376; 40, 257; Wessels/Hettinger, a.a.O. (Fn. 6), Rdn. 28.� BGH NJW 1995, 204, 205; BGHZ 102, 17, 22; 106, 391, 394; Kutzer, NStZ 1994, 113.�0 BGHSt 40, 257, 263; Koch, Aktuelle Sterbehilfe im deutschen Recht, in: Bert Gordijn/Hewnk ten Have (Hrsg.), Medizinethik und Kultur, 2000, S. 226.�� BGHZ 102, 17, 22; 106, 391, 394; Kutzer, NStZ 1994, 113.

menschlichen Persönlichkeit, wenn ein Arzt - und sei es auch aus medizinisch berechtigten Gründen - eigen-mächtig und selbstherrlich eine folgenschwere Operation bei einem Kranken, dessen Meinung rechtzeitig einge-holt werden kann, ohne dessen vorherige Billigung vorn-ähme. Denn ein selbst lebensgefährlich Kranker kann triftige und sowohl menschlich wie sittlich achtenswerte Gründe haben, eine Operation abzulehnen, auch wenn er durch sie und nur durch sie von seinem Leiden befreit werden könnte.“12 In dem neueren Urteil vom 8.5.1991 erkennt der BGH die Zulässigkeit der passiven Sterbehil-fe „entsprechend dem erklärten oder mutmaßlichen Pati-entenwillen durch die Nichteinleitung oder den Abbruch lebensverlängernder Maßnahmen“ ausdrücklich an, „um dem Sterben - ggf. unter wirksamer Schmerzmedikation - seinen natürlichen, der Würde des Menschen gemäßen Verlauf zu lassen.“13

3. Indirekte SterbehilfeVon indirekter Sterbehilfe spricht man, wenn bei einem todkranken Menschen schmerzlindernde Maßnahmen vorgenommen werden, obwohl sie den Eintritt des Todes beschleunigen können14. Während Literatur und auch ärztliche Praxis schon lange die Zulässigkeit von indi-rekter Sterbehilfe annahmen, hat der Bundesgerichtshof erstmals im November 1996 in diesem Sinne entschie-den: „Eine ärztlich gebotene schmerzlindernde Medika-tion entsprechend dem erklärten oder mutmaßlichen Pa-tientenwillen wird bei einem Sterbenden nicht dadurch unzulässig, dass sie als unbeabsichtigte, aber in Kauf ge-nommene unvermeidbare Nebenfolge den Todeseintritt beschleunigen kann“15. Die Ermöglichung eines Sterbens in Würde und Schmerzfreiheit ist dabei als höherrangiges Rechtsgut anzusehen als die Aussicht, unter schwersten Schmerzen noch einige Tage länger leben zu müssen16.

4. Beihilfe zur Selbsttötung (assistierter Suizid)Nach deutschem Recht ist, anders als nach vielen anderen Rechtsordnungen, die Beihilfe zum Selbstmord straflos. Jede Beihilfe setzt eine rechtswidrige Haupttat im Sinne der §§ 26, 27 StGB eines Täters voraus. Da der Selbst-mord nicht unter den Tatbestand der Tötungsdelikte fällt, die die Tötung eines anderen voraussetzen, gibt es auch keine Beihilfe zu diesem nicht existierenden Delikt17.

III. Legalisierung von aktiver Sterbehilfe?Nachdem unsere Nachbarstaaten die Niederlande und Belgien 2002 eine aktive Sterbehilfe unter bestimmten

�� BGHSt 11, 111, 114.�� BGHSt 37, 376, 379.�� BGH NJW 1997, 807; Schöch, NStZ 1997, 409 ff.�� BGHSt 42, 301.�� BGH NJW 2001, 1802; Tröndle/Fischer, 53. Aufl. 2006, Vor § 211 Rdn. 18; Kutzer, NStZ 1994, 115; Herzberg, NJW 1996, 3049.�� Vgl. ausführlicher: BGHSt 2, 150, 152; 13, 162, 167; Kutzer, FPR 2004, 689; Gropp, NStZ 1985, 98.

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Vorrausetzungen legalisiert haben18, mehren sich auch hier die Stimmen aktive Sterbehilfe unter bestimmten Vo-raussetzungen für zulässig erklären zu lassen. Hamburgs ehemaliger Justizsenator Kusch forderte ein Einfügen eines neuen § 217 StGB, der § 216 StGB dann unange-wendet lässt, wenn „die Tötung durch einen Arzt erfolgt, und die Beendigung schwerster, vom Betroffenen nicht mehr zu ertragender Leiden zum Ziel hat, welche nicht durch andere Maßnahmen behoben oder auf ein für den Betroffenen erträgliches Maß gelindert werden können.“ Dabei muss der Sterbenswillige mindestens 18 Jahre alt sein und sein Verlangen schriftlich nach einem ausführ-lichen Bratungsgespräch mit einem Arzt notariell beur-kunden lassen19.Norbert Hoersters Reformvorschlag geht in eine ähnliche Richtung. Er plädiert für eine Reform des § 216 StGB dahingehend, dass die Einwilligung des Getöteten die Rechtswidrigkeit der Tötung grundsätzlich nicht aus-schließen solle, es sei denn, er leide an einer Krankheit, die nach ärztlicher Erkenntnis unheilbar ist und sein wei-teres Leben derart beeinträchtigen werde, dass es nach gewöhnlichen Maßstäben nicht mehr als lebenswert er-schiene20.Hiergegen wendet sich vor allem die ehemalige nieder-sächsische Justizministerin Heister-Neumann, welche fordert, selbst eine organisierte Beihilfe zur Selbsttötung unter Strafe zu stellen, nachdem der Schweizer Verein Dignitas, der „für Sterbevorbereitung, Sterbebegleitung und Freitodhilfe zur Verfügung stehe“, in Hannover eine Dependance eröffnete21. Zwar hat sich selbst der 66. DJT 2006 in Stuttgart unter dem Thema „die Rückkehr der Sterbehilfe in das Strafrecht“ mit einem „Alternativ-Ent-wurf-Sterbebegleitung“ zum Thema „Patientenautono-mie und Strafrecht bei der Sterbebegleitung“22 befasst, der Neuerungen hinsichtlich Regelungen zu passiver und indirekter Sterbehilfe beinhaltet, jedoch wurde ge-rade eine Reform des § 216 StGB dort abgelehnt. Man hält vielmehr an der ausnahmslosen Strafbarkeit von Maßnahmen der aktiven Sterbehilfe mit der Begründung der „Unantastbarkeit fremden Lebens“, der „Gefahr des Dammbruchs beim Lebensschutz“ und der „Sorge vor Missbrauch“23 fest. Im Sinne der herrschenden Meinung wird im Gutachten auch nicht forciert, bei Extremfällen von qualvollen und nicht beherrschbaren Leiden eines Patienten über die Regelung des rechtfertigenden Not-

�� Vgl. Janssen, ZRP 2001, 180 ff.; Kutzer, ZRP 2003, 210; Hufen, NJW 2001, 849.�� Vgl. Kusch, NJW 2006, 261 ff.�0 Vgl Hoerster, NJW 1986, 1786 ff.�� Pressemitteilung NR. 51/05 des Niedersächsischen Justizministeriums vom 27.9.2005.�� Vgl. Gutachten von Torsten Verrel, Gian Domenico Borasio, Klaus Kutzer und Wolfgang Putz zum Thema „Patientenautonomie und Strafrecht bei der Sterbebegleitung“, 66. DJT, Verrel, C 9.�� Schöch/Verrel, Alternativ-Entwurf-Sterbebegleitung, GA 2005, 553. Die-ser Entwurf diente als Grundlage für das spätere Gutachten, vgl. Kutzer, FPR 2007, 60, 61.

stands nach § 34 StGB nachzudenken24.

IV. „Gewerblich und organisierte Suizidbeihilfe“Davon abzugrenzen ist der aktuelle Vorschlag aus dem Bundesrat, zukünftig auch „gewerblich und organisierte Suizidbeihilfe“ durch einen geplanten § 217 StGB unter Strafe zu stellen25. Hier soll eine Profitsucht bekämpft werden, bei dem sich Einzelne in Form der „Sterbebe-gleitung“ einen profitablen Gewinn ausrechnen. Nach noch geltendem Recht dürfte dies in den meisten Fällen unter die straffreie Beihilfe zur Selbsttötung zu fassen sein. Man sollte jedenfalls bei einer strafrechtlichen Nor-mierung vorsichtig sein, um sich nicht erneut, wie schon bei § 238 StGB26, den Vorwurf der Unbestimmtheit im Sinne von Art. 103 Abs. 2 GG auszusetzen, wenn man darauf bedacht ist, denjenigen zu bestrafen, der eine „gei-stig oder wirtschaftlich maßgebende Rolle“ in einer Ver-einigung übernimmt, „deren Zweck darauf gerichtet ist, anderen die Gelegenheit zur Selbsttötung zu gewähren oder zu verschaffen“27. Zwar wurde in der Empfehlung auch erkannt, dass hiernach „ein Verhalten mit Strafe be-droht wird, das weit im Vorfeld denkbarer Rechtsguts-verletzungen angesiedelt ist“28, als Konsequenz daraus folgerte man aber lediglich eine Berücksichtigung bei der Bemessung der Strafandrohung. Solch eine exzessive Vorfeldkriminalisierung ist zum einen an sich schon be-denklich, zum anderen in diesem Fall unter Umständen gar nicht notwendig: Einem kommerziell ausgerichteten Gewerbe wäre nach Ansicht des Autors am effektivsten zu begegnen, wenn man klare Regelungen hinsichtlich aktiver Sterbehilfe in streng abgrenzbaren Situationen schaffen würde, um so fragwürdigen Geschäftemachern den Nährboden zu entziehen.

V. AbwägungAlso auch im Hinblick auf die Bekämpfung einer ge-werbsmäßigen Beihilfe zum Suizid, sollte der Diskus-sionsprozess zur aktiven Sterbehilfe nicht tabuisiert werden. Im Ergebnis läuft die Beurteilung einer dies-bezüglichen Legalisierung letztlich auf die Abwägung zweier wichtiger Prinzipien hinaus: Dem staatlichen Lebensschutz als objektivem Prinzip auf der einen Seite und dem Selbstbestimmungsrecht des betroffenen Indivi-duums auf der anderen Seite.

1. SelbstbestimmungsrechtBei dieser Abwägung könnte zunächst das verfassungs-rechtlich geschützte Selbstbestimmungsrecht des Pati-

�� Schöne Argumentation hingegen bei Merkel, in: Festschr. Schroeder, 2006, S. 321 und Gesetzesvorschlag von Lüderssen, JZ 2006, 689, 694; vgl. Kutzer, FPR 2007, 61.�� Vgl. BR-Drucks. 436/08.�� Vgl. Issa, Law Zone 2/2007, S. 37 ff.; ders., Law Zone 1/2008, S. 45 f.�� BR-Drucks. 436/08, S. 4.�� Vgl. BR-Drucks 436/08, S. 8, 9.

Kommentar

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enten eine maßgebende Rolle spielen29. Das Recht zur Selbstbestimmung über den eigenen Körper gehört in den Kernbereich der durch Art. 1 und 2 GG insgesamt geschützten menschlichen Würde und Freiheit. Dieses Recht auf Selbstbestimmung enthält auch ein Recht zur Selbstgefährdung bis hin zur Selbstaufgabe30. Fraglich ist allerdings, ob die Zulassung der Sterbehilfe schon allein durch das ernsthafte Todesverlangen des Schwerkranken begründet wird. Denn ein unbegrenztes Verfügungsrecht des Einzelnen über sein Leben könnte den generellen Le-bensschutz relativieren und somit die Achtung vor dem Leben untergraben. Auch die Gefahr eines Missbrauchs würde eventuell ermöglicht: Eine vorgeschützte Behaup-tung des Täters, das getötete Opfer habe von ihm seinen Tod erbeten, könnte sich eventuell nur schwer widerlegen lassen, ebenso wie die irrige Annahme, das Todesverlan-gen sei nicht von fremdnützigen Interessen Dritter beein-flusst oder gesteuert worden. Die freie Selbstbestimmung ist für den Menschen nämlich nicht der einzige, absolute Wert und muss im Verhältnis zu anderen Werten betrach-tet werden31.Dennoch ist der freie Wille, in Kenntnis einer tödlichen Krankheit aus dem Leben zu scheiden, ein besonderer Wille, der respektiert werden muss32, da ja gerade das menschliche Leben als zentrales Rechtsgut gilt33. Schließ-lich definiert der Wille des Patienten in allen Fällen die Zulässigkeit einer medizinischen Maßnahme. Ausge-rechnet aber in der Frage, wie und wann man stirbt, soll einem dann die Entscheidungshoheit wieder genommen werden. Diese Differenzierung ist nur schwer nachvoll-ziehbar.Den Beweisschwierigkeiten könnte man zudem mit ge-setzlich vorgeschriebenen Nachweiserfordernissen und vorherigen ärztlichen Beratungsgesprächen entgegenwir-ken34. Nicht zuletzt mit Blick auf schwere und schmerz-hafte Erkrankungen ist auch die als unmenschlich und sinnlos empfundene Sterbephase hervorzuheben, der die Erkrankten dann oftmals hilflos ausgeliefert sind. Bei einem Leben, welches letztlich seinem Träger teilweise mehr Schmerz und Frustration als Freude und Erfüllung bringt, handelt der Betroffene im Sinne seiner eigenen beachtenswerten Interessen durchaus nachvollziehbar, wenn er es beenden will. Die letzte Entscheidung darü-ber, ob ein individuelles Leben in einer bestimmten Pha-se für seinen Träger überhaupt noch lebenswert ist oder nicht, darf allein nur dem überlassen bleiben, der diese Frage auf der Basis seiner höchstpersönlichen Werte-ordnung allein zuverlässig beurteilen kann: Dem Träger

�� Umstritten ob aus Art. 2 Abs. 2 GG nach BVerfGE 52, 131, 171.oder Art. 2 Abs. 1 GG, vgl. Hufen, NJW 2001, 851.�0 BVerwG NJW 1989, 2960; Jarass/Pieroth, 8. Aufl. 2006, Art. 2 Rdn. 28.�� Vgl. Kutzer, ZRP 2003, 211.�� Birkner, ZRP 2006, 53.�� Hoerster, NJW 1986, 1789.�� So auch Kusch, der eine notarielle Beurkundung des Willens und Konsul-tation des Arztes verlangt, siehe Fn. 19.

dieses Lebens selbst im Hinblick auf sein Recht in Wür-de zu sterben35. Wer hierin bereits Ansätze zum gesell-schaftsnützlichen Untergang sieht, der missversteht den wechselseitigen Zusammenhang von Lebensschutz und Selbstbestimmung und der interpretiert das Freiheits-recht des Art. 2 Abs. 2 GG um in eine Pflicht zum Leben, und zwar in eine Pflicht zu einem Leben unter entwürdi-genden Schmerzen36.

2. Staatlicher LebensschutzDer staatliche Lebensschutz ist in Art. 2 Abs. 2 in Verbin-dung mit Art. 1 Abs. 1 GG verankert. Die Grenzen des Lebensschutzes sind jedoch umstritten. Eine Ansicht geht davon aus, dass ein staatliches Gebot der Unterbindung von aktiver Sterbehilfe nicht bestehe. Der Staat sei nicht verpflichtet, den Einzelnen vor sich selbst zu schützen. Vielmehr sei der Entscheidungsfreiheit des betroffenen Sterbenswilligen ein großes Gewicht zuzuerkennen37. Anderer Ansicht nach sei jede Lockerung des Tötungs-verbotes in dieser Hinsicht inakzeptabel, da sie zur „Re-lativierung des Lebensschutzes führe, die Achtung vor dem Leben untergrabe, reinen Nützlichkeitserwägungen Raum gebe und den Gefahren des Missbrauchs nicht zu begegnen vermag“38. Dagegen lässt sich aber anführen, dass der Lebensschutz durch eine gesetzliche Regelung bereits in der Vergangenheit relativiert wurde. So ist der Tatbestand des § 218 StGB nicht verwirklicht, wenn gemäß § 218a Abs. 1 StGB der Schwangerschaftsab-bruch nach einer ärztlichen Beratung und noch vor der dreizehnten Woche der Empfängnis statt gefunden hat. Folglich ist vom Gesetzgeber eine Tötung menschlichen Lebens durch einen anderen bereits unter bestimmten Voraussetzungen hingenommen39. Im Übrigen darf die objektive Schutzpflicht des Staates nicht dazu führen, dass der verfassungsrechtliche Auftrag zur praktischen Konkordanz und die Selbstbestimmung des Patienten un-terlaufen werden. Ein Grundsatz wie „im Zweifel für das Leben“ darf weder die Selbstbestimmung noch die Würde des Patienten übergehen oder missachten. Immerhin sind es nicht bloß allgemein zu beachtende Werte. Sie haben in der Regel Vorrang zu genießen. Mit dem Rechtsgut Leben lässt sich also kein Übergehen des Grundrechts der Selbstbestimmung oder gar der Menschenwürde rechtfertigen40. Würde man nun aber anführen, dass ein „Dammbruch“ dann vorprogrammiert sei, wenn in der Praxis Regelungen getroffen würden, die zum Türöffner für „Anwendungen der Tötung auf Verlangen werden könnten, indem in immer größerer Zahl nicht mehr nach Sinn und Zweck und nach dem Wortlaut des Gesetzes

�� Hoerster, NJW 1986, 1790.�� Vgl. Hufen, NJW 2001, 852.�� Jarass/Pieroth, a.a.O. (Fn. 29), Art. 2 Rdn. 78.�� Wessels/Hettinger, a.a.O. (Fn. 6), Rdn. 28.�� Vgl. Birkner, ZRP 2006, 53, 54.�0 Hufen, NJW 2001, 855.

Kommentar

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Buchrezensionen

verfahren werde“41, muss dem entgegnet werden, dass das Dammbruch-Argument äußerst spekulativ ist42. Es hat lediglich den Status eines sog. Diskussionsstoppers und könnte in der Regel immer angeführt werden43. Viel-mehr sind solche Dammbruch-Argumente nichts anderes als rational unausgewiesene und spontane Annahmen, die bewusst oder unbewusst der Scheinbegründung welt-anschaulicher Vorstellungen dienen44.

VI. FazitDer befürchteten Relativierung des Lebensschutzes wird am ehesten begegnet, indem der Gesetzgeber Regelungen schafft, die eine aktive Sterbehilfe nur in klaren und eng begrenzten Situationen zulässt. Dass dies funktionieren kann, zeigt sich anhand des Beispiels des Schwangerschaftsabbruchs. Zu bedenken sind insbesondere die Fälle, in denen medizinische,

�� Landau, ZRP 2005, 51.�� Vgl. Herzberg, NJW 1996, 3045; Merkel, in: Festschr. Schroeder, a.a.O. (Fn. 24), S. 321.�� Herzberg, NJW 1987, 1642.�� Hoerster, NJW 1986, 1791.

einschließlich palliativer Maßnahmen ein von der Patientin oder dem Patienten als unerträglich empfundenes Leiden nicht mindern können. In solchen Fällen muss auf Grund des Selbstbestimmungsrechts Sterbenskranker eine aktive Sterbehilfe ethisch und vor allem rechtlich toleriert werden. Der Gesetzgeber sollte folglich die Möglichkeit einräumen, in solchen Fällen von Strafe abzusehen. Der Wille, nicht qualvoll zu sterben, ist, nach entsprechender fachkundiger Beratung, unbedingt zu akzeptieren. Und dies muss unabhängig davon gelten, ob der eigentliche Sterbeprozess schon eingesetzt hat oder nicht. Nicht zuletzt durch den demographischen Wandel wird sich die konkrete Auseinandersetzung mit diesem Problem mittel- oder langfristig nicht vermeiden lassen, eine „Flucht“ von Sterbenswilligen ins Ausland45 ist kein Lösungsansatz. Mithin wäre eine Reform im Sinne Hoersters oder Kuschs zu begrüßen – erwarten darf man sie allerdings in naher Zukunft nicht.

�� Vgl. Wolfgang van den Daele, Die Zeit, 27.10.2005, http://www.zeit.de/2005/44/Sterbehilfe.

Gesamtes Strafrecht, Dölling/Duttge/Rössner, 1. Aufl. 2008, 3290 Seiten, Nomos Verlag: 118 Euro

Der neu im Nomos Ver-lag erschienen Hand-kommentar zum ge-samten Strafrecht, der an Praktiker und Stu-

denten gleichermaßen gerichtet ist, stellt eine gelungene Vernetzung von Kern- und Nebenstrafrecht auf der einen und Verfahrensrecht auf der anderen Seite dar. So sind zum Beispiel die relevanten Bereiche des JGG ebenso enthalten wie die des GVG und OWiG. Dabei ist eine inhaltlich klare Struktur gege-ben: Wird zunächst der strafrecht-liche Standardfall thematisiert, fin-det sodann eine umfangreiche und gleichzeitig sehr präzise Auseinan-dersetzung mit den bekanntesten Sonderfällen unter Hinzuziehung aktueller Streitstände in Literatur und Rechtsprechung statt.Dabei werden eindrucksvoll die verstreuten Vorschriften des Straf-rechts für die Lösung eines Falles von der Problemfassung bis zur Entscheidung verständlich zusam-mengefasst. Positiv hervorzuheben ist zudem die Berücksichtigung der aktuellen Änderungen durch das Gesetz zur Neuregelung der Tele-kommunikationsüberwachung und anderer verdeckter Ermittlungs-maßnahmen.

Fazit: Dieser Kommentar ist nicht nur für die spätere Praxis geeignet, sondern dient bereits im Studium

Kriminologie, Hans Göppinger, 6. Aufl. 2008, 781 Seiten, C.H.

Beck: 98 Euro

Das Buch von Hans Göppinger gehört zu den bekannten Stan-dardwerken in der

Kriminologie. Es richtet sich an alle, die in Ausbildung und Praxis mit straffälligen Menschen zu tun haben (Strafrichter, Verteidiger, Staatsanwälte etc.), aber auch an Studenten, denen das Werk vor allem für das Schwerpunktbe-reichsstudium einen verlässlichen Gesamtüberblick verschafft. Das Werk untergliedert sich in sechs Teile. Der erste Teil beschäftigt sich vor allem mit den Grund-lagen, sowie der Geschichte der Kriminologie, während der zweite Teil Zusammenhänge zum me-dizinisch-psychatrischen Bereich herstellt. Die Teile drei und vier widmen sich den kriminologischen Theorien aus wissenschaftlicher Sicht, sowie der angewandten Kriminologie. Für Studenten sind vor allem der fünfte und sechste Teil sehr interessant – hier wer-den sehr umfassend Grundsätze, Funktionsweisen, Probleme sowie die aktuellen Entwicklungen der Strafrechtspflege dargestellt. Der Autor geht dabei sehr ausführlich auf Kriminalität in ausgewählten Bereichen ein, so z.B. Drogen-kriminalität, Gewaltkriminalität, Wirtschaftskriminalität u.W. Zu Beginn eines jeden Teils findet der Leser sehr umfassende Literatu-rangaben zur Vertiefung. Ebenfalls

Sachenrecht 2, Christian Rau-da, 1. Aufl. 2008, 117 Seiten, Richter Verlag: 6,80 Euro

Das Skript von Chris-tian Rauda bietet einen schnellen Überblick über das Grundstücks-recht.

In der Einführung werden zunächst die sachenrechtlichen Grundla-gen und das System des Grund-stücksrechts erläutert. Das zweite Kapitel beschäftigt sich mit dem Grundbuch. Die Verfügungen über Rechte am Grundstück wer-

zu erwähnen seien die zahlreichen Übersichten, die in jedem Kapitel zu finden sind: der Leser erhält u.a. Kriminalstatistiken (auch polizei-liche), sowie die wichtigsten kri-minologischen Daten und Fakten, die statistisch erfasst und wissen-schaftlich aufbereitet sind.

Fazit: Das Lehr- und Handbuch vermittelt in bewährter Weise ein aktuelles und detailliertes Ge-samtbild der kriminologischen Forschung und Praxis. Zahlreiche Tabellen und Übersichten veran-schaulichen den Text. Für Stu-denten des Schwerpunktbereiches ist das Lehrbuch bei Hausarbeiten oder Seminararbeiten nahezu unverzichtbar. Wer tiefer in das Fach der Kriminologie eintauchen möchte, kommt an „dem Göppin-ger“ nicht vorbei: das Werk kann uneingeschränkt empfohlen wer-den.

Verena Lerch

den im dritten Kapitel behandelt und anhand von Übungsfällen be-kommt der Leser den abstrakten Stoff klausurrelevant präsentiert. Das vierte Kapitel beschäftigt sich mit der Vormerkung und am Ende kann der Leser sein Wissen anhand von Übungsfällen und Wieder-holungsfragen zum gutgläubigen Ersterwerb und zum gutgläubigen Zweiterwerb prüfen. Kapitel fünf thematisiert den Rang der Grund-stücksrechte.Das sechste Kapitel behandelt die Begründung, Aufhebung und die Inhaltsänderung beschränkter dinglicher Rechte. Im siebten Ka-pitel bekommt der Leser einen Kurzüberblick über das formelle Grundstücksrecht und im achten Kapitel wird die Einführung zu den Grundpfandrechten thematisiert. Im neunten Kapitel wird die Hy-pothek und z.B. ihre Entstehung, Übertragung, etc. behandelt. Das zehnte Kapitel beschäftigt sich mit dem Recht an der Grundschuld und letztlich werden im elften Kapitel die Dienstbarkeiten und der Nieß-brauch erläutert.

Fazit: Das Skript aus dem Rich-ter Verlag ist sowohl als Einstieg für Anfänger, als auch für Fort-geschrittene zum Wiederholen geeignet. Übungsfälle, Wiederho-lungsfragen und die Konzentration auf das Wesentliche helfen dem Studenten seine Angst vor dem Sachenrecht abzubauen. Der Preis von 6,80 Euro ist daher durchaus angemessen.

Elisa Meyer

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Law Zone Nr. 2/2008 49

Buchrezensionen

Klausurenkurs im Strafrecht I, Werner Beulke, 4. Aufl. 2008, 277 Seiten, C.F. Müller Verlag:

18,00 Euro

Werner Beulkes Klau-surenkurs im Strafrecht ist als Kombination aus Fallbuch und Re-

petitionskurs anfängerorientiert in den Bereichen des Strafrechts mit gezielten Arbeitsanweisungen zum Schreiben von Klausuren und zur Falllösungstechnik zu verstehen. Die Fälle werden exemplarisch gelöst, weshalb sie sich auch für die Wiederholung des unverzicht-baren Basiswissens Fortgeschrit-tener eignen. Ist dabei am Anfang eine Einführung in die Technik des Klausurenschreibens vorangestellt, finden sich nach den ausführlich dargestellten Lösungen die zum Fall relevanten Definitionen noch einmal hinten angestellt. Dabei wird ein Fall nach einer kurzen Vorüberlegung mit einer Grobglie-derung als Lösungsübersicht im Gutachtenstil anschaulich gelöst. Vertiefungshinweise zur jeweils behandelten Problematik sind am Ende zu finden. Aufbauschemata runden die Darstellung ab.

Fazit: Der Klausurenkurs eignet sich insbesondere für Anfänger, um den erlernten Stoff für die ersten Strafrechtsklausuren fall-orientiert anzuwenden. Dringend empfohlen wird dabei aber ein zu-

Kriminologie, Hans-Dieter Schwind, 18. Aufl. 2008, 732 Seiten, Kriminalistik Verlag: 28 Euro

Das Werk von Schwind führt in klarer, ver-ständlicher Sprache in das umfangreiche Ge-biet der Kriminologie

ein. Es wendet sich in erster Linie an Studierende der Rechtswissen-schaft sowie an Polizeibeamte in Ausbildung und Praxis. Sein In-halt erschließt sich aber auch dem Laien, der sich aus Interesse in die Materie einarbeiten möchte. Auf der Basis theoretischer Grund-kenntnisse über Aufgabe und Geschichte der Kriminologie so-wie über Kriminalitätstheorien behandelt er wichtige Fragen wie soziale Einflüsse, Opferverhalten, neue Kriminalitätsarten, Täter-gruppen und Tätergemeinschaften. Zahlreiche Grafiken und aktuelle Zeitungsausschnitte lockern das Erscheinungsbild auf. Der Autor möchte dem Leser die Materie so auf interessant gestaltete Weise nahe bringen und verzichtet auf eine lehrbuchartige, spröde Darstel-lung des Stoffes. Die verständliche Ausdrucksweise führt (auch den Anfänger) langsam in die Materie ein und motiviert zum Weiterlesen. Schwind berücksichtigt dabei auch die universitären Ausbildungsan-forderungen und bleibt durch Ver-wendung von Fachbegriffen und literarischen Verweisen trotzdem noch auf wissenschaftlichem Ni-veau. Das umfangreiche Register mit über 2.200 Stichwörtern er-gänzt das Buch zu einem kleinen Nachschlagewerk.

Fazit: Das Werk ist praxisnah, bildhaft und sehr verständlich ge-schrieben, sodass es keines großen Vorwissens, sondern einfach nur des Interesses an der Materie be-darf, um sich in Schwinds Werk zurecht zu finden. Denn das Werk deckt die wichtigsten und interes-santesten Bereiche der Kriminolo-gie ab, wird aber an keiner Stelle zu ausschweifend. Selten findet man ein Lehrbuch, das wissen-schaftlich so wertvoll ist und den Leser dennoch von Anfang bis Ende zu fesseln vermag.

Verena Lerch

Schuldrecht, Kurt Schellham-mer, 7. Aufl. 2008, 1182 Seiten, C.F. Müller Verlag: 108 Euro

„Wenn ein Kopf und ein Buch zusammen-stoßen und es klingt hohl, ist das allemal das Buch?“ Mit die-

sem Lichtenberg-Zitat versucht der Verfasser Kurt Schellhammer auf ein ganz bestimmtes Rechtsge-biet anzuspielen: Das Schuldrecht. Im C.F. Müller Verlag erschienen bildet das Werk eine gelungene Melange aus Kommentar und Lehrbuch. Ausgeschildet als Nach-schlagewerk für die Praxis ergibt sich das Buch als ein wertvoller Begleiter von Anfang des Studi-ums bis zum Examen und darüber hinaus: Eine Investition, die sich lohnt! Während es sich als reines Schuldrechtsbuch ausgibt, wird in einem der drei Kapitel der All-gemeine Teil des BGB ausgiebig behandelt. Die anderen beiden Kapitel setzen sich intensivst mit dem Allgemeinen und dem Beson-deren Teil des Schuldrechts aus-einander. Positiv zu bewerten ist, dass das 1182 Seiten starke Werk inhaltlich klar strukturiert ist. Un-komplizierte Themenaufarbeitung im Skriptenstil und Veranschauli-chung anhand zahlreicher Grafiken und Schemata erleichtert und er-möglicht den schnellen Einblick in die Materie. Als Nachschlagewerk und zur Wiederholung des Erlern-ten ist das Buch so geeignet wie kein anderes.

Fazit: Dieser Kommentar eignet sich für jeden Juristen - ob in Pra-xis oder Studium. Es erleichtert das Erlernen der Gesamtstruktur des Schuldrechts. Verständlich ge-schrieben, anschaulich aufgebaut, praxisorientiert sind nur einige der Kriterien, die dafür sprechen, dass es sich hierbei um ein Standard-lehrwerk handelt. Angesichts der umfangreichen Aufarbeitung der Materie ist der Preis durchaus an-gemessen.

Polizeirecht, Matthias Wehr, 1. Aufl. 2008, 158 Seiten, C.F. Müller Verlag: 16 Euro

Das von Matthias Wehr verfasste Skriptum ver-mittelt dem Studenten die polizeirechtlichen Grundlagen, sowie den

examensrelevanten Prüfungsstoff. Das Skriptum ist in drei Teile ge-gliedert. Im ersten Teil werden die Grundlagen und Grundbegriffe des Polizeirechts erläutert. Teil zwei befasst sich ausführlich mit der Rechtmäßigkeit gefahrenabwehr-

Die Schuldrechtsklausur, Bal-zer/Kröll/Scholl, 2. Aufl. 2008, 345 Seiten, Springer Verlag: 19,95 Euro

Die aktualisierte und erweiterte zweite Auf-lage dieses Fallbu-ches stammt aus der Reihe Tutorium Jura

des Springer Verlages. Anhand von Fällen auf Klausurniveau wird die Materie des Schuldrech-ts anfängerorientiert aufgearbei-tet. Von Fall zu Fall hangeln sich die Autoren insbesondere zu den Kernproblemen der vertraglichen Schuldverhältnisse. Während das Kaufrecht den Schwerpunkt des Buches bildet, werden auch das Schenkungsrecht, Mietrecht, Lea-sing, Darlehensrecht, Pachtrecht, Werkvertragsrecht, Reiserecht sowei das Bürgschaftsrecht fall-bezogen behandelt. Die Musterlö-sungen werden in einem Gutachten vollständig ausformuliert, dem Leser somit Schritt für Schritt die Herangehensweise an die Bearbei-tung schuldrechtlicher Probleme näher gebracht. Dies erleichtert vor allem Anfängern das Erlernen der Technik des Klausurenschreibens. Hilfsweise und zur Veranschauli-chung finden sich im Anhang des Buches zahlreiche Prüfungssche-mata.

Fazit: Dieses Fallbuch eignet sich mit seinen anspruchsvollen Fällen für Anfänger sehr gut zur Vorbe-reitung auf Klausuren. Der Preis ist hinsichtlich der ausführlichen Fallbearbeitung und des Übungsef-fekts vollkommen angemessen, das Buch selbst sehr empfehlenswert.

der Vertiefung der wichtigsten Themen und dem Verständnis der Gesamtstruktur des Strafrechtssys-tems. Zwar ist der Preis durchaus im oberen Bereich angesiedelt, ist aber in Anbetracht des Umfangs von über 3000 Seiten durchaus an-gemessen.

Amer Issa

rechtlicher Maßnahmen. Dieser Teil ist in gelungener Weise auf die Fallbearbeitung ausgerichtet, denn es wird auf die Rechtmäßigkeit polizeilicher und ordnungsbehörd-licher Maßnahmen eingegangen. Teil drei behandelt den Koste-nersatz und die Entschädigungs-ansprüche des Gefahrenabwehr-rechts. Positiv hervorzuheben ist, dass dieses Skriptum auf die Me-thodik der Fallbearbeitung eingeht und dem Studenten die Eigenart des Polizeirechts mit seinen Be-zügen zu anderen Rechtsmaterien vermittelt. Dabei werden allerdings Grundkenntnisse im gesamten Pflichtfachstoff des Öffentlichen Rechts vorausgesetzt.

Fazit: Das Skriptum zum Polizei-recht legt mehr Wert auf Argumen-tations- und Lösungsstrukturen als auf die vollständige Erörterung jedes Detailproblems. Es vermittelt eine solide Basis von Grundkennt-nissen und hilft dem Studenten ein Problembewusstsein zu entwi-ckeln. Der studentenfreundliche Preis von 16 Euro ist absolut an-gemessen.

Elisa Meyer

sätzliches Lehrbuch. Im Hinblick auf die einzelnen Verweise, sind daher die Grundlagenbänder aus den Wessels-Reihen als weitere Lektüre zu empfehlen. Der Preis ist im Hinblick auf die Ausführ-lichkeit durchaus vertretbar.

Amer Issa

Handelsrecht, Rainer Wörlen, 9. Aufl. 2008, 181 Seiten, Carl Heymanns Verlag: 18,90 Euro

Das Buch von Rainer Wörlen behandelt die Grundlagen des Han-dels- sowie des Ge-sellschaftsrechts. Die

Kapitel sind gut strukturiert und verständlich formuliert. Bei der Präsentation des Stoffes legt Wör-len Wert darauf, den Stoff nicht in einem vortragsähnlichen Monolog zu präsentieren, sondern in Form eines Lehrgesprächs, was die zahl-reichen Übungs- und Kontrollfra-

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Law Zone Nr. 2/200850

RedaktionElisa Meyer, Federico Parise-Kuhnle

Stellv. RedaktionsleitungAmer Issa, Verena Lerch

ChefredakteurAlexander Junkov

Verantwortliche des AnzeigenteilsAmer Issa, Alexander Junkov

Layout / CoverAlexander Junkov

Auflage 10.000 Exemplare

Herausgeberin / V.i.S.d.P.Fachschaft Rechtswissenschaft

AnschriftRedaktion Law Zone / FachschaftGoethe-Universität FrankfurtHauspostfach 270 / Raum 1.117Grüneburgplatz 160629 Frankfurt am Main

Telefon069 / 51701873

[email protected]

BildnachweiseTitelfoto: © Yuri Arcurs - Fotolia.comSeite 38: Jo Henker

DruckHornberger Druck GmbH79689 Maulburg

Meinungsbeiträge geben die Auffassung der einzelnen Autoren wieder. Ein großer Dank geht an unsere Partner und Sponsoren, die diese Ausgabe der Law Zone ermöglicht haben.

I M P R E S S U M

Buchrezensionen

gen zeigen. Ergänzt werden seine Ausführungen durch Fallbeispiele und zahlreiche Übersichten, die das Gesagte noch einmal anschaulich zusammenfassen bzw. darstellen. Ebenfalls hervorzuheben sind auch die Empfehlungen für die weiter-führende und vertiefende Litera-tur, die sich am Ende eines jeden Kapitels befinden. Anzumerken ist jedoch, dass die, gerade für Juris-ten wichtige Darstellung verschie-dener Meinungen bzw. Theorien manchmal zu kurz kommt. Daher empfiehlt es sich, beim Lernen noch ein anderes Lehrbuch ergän-zend hinzuzuziehen.

Fazit: Dieses Lehrbuch überzeugt durch eine klare Struktur und eine verständliche, anschauliche Darstellung des Stoffs. Ergänzt durch zahlreiche Fallbeispiele und Übersichten ermöglicht es einen leichten Einstieg in die Materie des Handels- und Gesellschaftsrechts.

Verena Heerde

Familienrecht, Rainer Wörlen, 1. Aufl. 2008, 244 Seiten, Carl Heymanns Verlag: 20 Euro

Das vorliegende Lehrbuch zum Fami-lienrecht richtet sich an Studierende der Rechtswissenschaft an

Universitäten und an Studierende des Wirtschaftsrechts an Fach-hochschulen. Während manch ein Klassiker der juristischen Literatur wie ein niedergeschriebener Vor-trag anmutet, so wird der Leser der „Lernen im Dialog“- Reihe immer wieder zum Mitdenken gezwun-gen. Der Text wird immer wieder durch Verständnisfragen ergänzt, die dem Leser die Gelegenheit

geben, das Gelernte zu wiederho-len. Bevor das Buch in die Materie einsteigt, erfolgt eine kurze Ein-leitung zu den Rechtsquellen des Familienrechts jenseits des BGB (Verfassungsrecht, Lebenspartner-schaftsgesetz usw.). Teil 1 behan-delt das Eherecht, Teil 2 Verwand-schafts- und Kindschaftsrecht, Teil 3 Vormundschaft und Pflegschaft und schließlich Teil 4 Außerehe-liche Lebensgemeinschaften. Ab-gerundet wird die Darstellung mit einem weiterführenden Anhang, der u.a. die sog. „Düsseldorfer Ta-belle“ zum Kindesunterhalt enthält und eine Übersicht des Unterhalts-rechts vor und nach der Reform zum 1.1.2008. Ingesamt vermag der klare und präzise Stil die an-spruchsvolle Materie verständlich zu vermitteln.

Fazit: Wörlens Lehrbuch deckt das Grundlagenwissen zum Fami-lienrecht ab. Den Studierenden der Fachhochschulen, an die es sich hauptsächlich richtet, vermittelt es gute Kenntnisse der Materie. Für Studierende an Universitäten ver-mittelt es lediglich die „Basics“. Als Examensvorbereitung ist es nicht zu empfehlen. Universitäts-studierenden ist zu empfehlen, das Werk allenfalls als Ergänzung zu ausführlicheren Lehrbüchern zu nutzen.

Nils Zimmermann

Europarecht, Hans Georg Fi-scher, 2. Aufl. 2008, 298 Sei-ten, Carl Heymanns Verlag: 25 Euro

Dieses Lehrbuch mitt-leren Umfanges zum Europarecht wendet sich an Studierende sowie an alle, die sich

aus beruflichen Gründen mit dieser Rechtsmaterie befassen. Die ersten beiden – sehr kurzen – Kapitel stel-len Grundbegriffe und Daten der europäischen Integration dar. Der Leser erhält allerdings vertiefende Erklärungen in den folgenden Ka-piteln, die sich ausführlich mit der Europäischen Union (EU) und der Europäischen Gemeinschaft (EG) befassen. Jedes Kapitel wird durch Schaubilder ergänzt. Nach einem folgenden Kapitel, welches die Organe und Einrichtungen der EG behandelt, folgen mehrere Kapitel über das Gemeinschafsrecht und dessen innerstaatliche Wirkung. In Kapitel 8 werden die Rechtsspre-chung des BVerfG („Solange“-Rechtssprechung) und des EuGH gegenüber gestellt. Darauf folgt ein Kapitel über die Durchführung des Gemeinschaftsrechtes. Das gesamte Buch bewegt sich größ-tenteils auf einer rein abstrakten Ebene. Es werden lediglich sehr einfache Fälle mit kurzen Erläute-rungen an passender Stelle einge-bracht. Vor allem in den folgenden Kapiteln über die Grundfreiheiten wäre eine ausführlichere Fallbe-handlung hilfreich. Das Schluss-kapitel enthält Erläuterungen zur polizeilichen und justiziellen Zu-sammenarbeit in Strafsachen.

Fazit: Der Text ist durchgängig kurz und einprägsam formuliert. Zur Vorbereitung auf Klausuren ist für Studierende allerdings die bege-leitende Nutzung eines Fallbuches anzuraten, weil das vorliegende Buch die Technik der Fallbear-beitung nur rudimentär vermittelt. Ingesamt legt der Autor aber ein Werk vor, dass den Ansprüchen von Fortgeschrittenen und Exa-menskandidaten gerecht wird.

Nils Zimmermann

Referendarstation bei der Staatsanwaltschaft, Martin So-yka, 2. Aufl. 2008, 123 Seiten, Luchterhand Verlag: 18 Euro

Theorie und Praxis liegen oft weit ausein-ander. Daher möchte Martin Soyka Ab-solventen des Ersten

Staatsexamens mit diesem Buch einen Leitfaden an die Hand geben, der ihnen helfen soll, sich in der Station bei der Staatsanwaltschaft besser zu recht zu finden. Im ersten von vier Kapiteln geht der Autor zunächst auf den Ablauf und die Struktur der Referendarsphase ein. In den nächsten Kapiteln werden die Aufgaben und Funktionen der Staatsanwaltschaft, das Erkennt-nisverfahren sowie die Aufgaben des Staatsanwalts erläutert, wobei der Schwerpunkt dieses Buches auf dessen Tätigkeit liegt. Nach einer Einführung in die jeweiligen Themenfelder und Problemge-biete erläutert der Autor anhand von Beispielen, Übersichten und Musterschriftstücken anschaulich die Umsetzung, wobei er auch die häufigsten Fehler der Referendare nicht unerwähnt lässt. Anzumer-ken ist, dass das Kapitel hinsicht-lich des Aufbaus der Staatsanwalt-schaft sowie das Kapitel über das Erkenntnisverfahren sehr kurz ge-halten sind.

Fazit: Abschließend ist festzu-halten, dass sich dieser Leitfaden durch seine übersichtliche Struktur sowie eine verständliche Sprache auszeichnet. Er gibt einen gu-ten Überblick über Aufgaben der Staatsanwaltschaft wobei jedoch die Ergänzung durch Lehrbücher empfehlenswert ist.

Verena Heerde

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Law Zone Nr. 2/2008

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Law Zone Nr. 2/2008SJ Berwin LLP is a limited liability partnership registered in England no OC313176.

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