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133 Rainer Meng Leit- und Orientierungssysteme: Wege zu mehr Transparenz im Krankenhaus Die Bedeutung von Leit- und Orientierungssystemen in der Gesellschaft Die visuelle Wahrnehmung Die täglich auf uns einwirkende Flut von Informationen und Impressionen nimmt weiterhin zu. Nicht nur in unserer Arbeitswelt, in der aktuelles Wissen vorausgesetzt und täg- lich abgefordert wird, auch in unserer Freizeit, im öffentlichen Raum und zu Hause wirken Zeichen, Farben und Formen als Signale auf uns ein. Dem bewussten oder unterbewussten Wahrnehmen können wir uns nicht entziehen. Eine nicht beachtete Geschwindigkeitsbeschränkung kann teuer werden, eine unbemerkte rote Ampel gefährdet gleich das eigene und das Leben Anderer. Weniger dramatisch, jedoch ärgerlich nimmt sich da der übersehene Wegweiser aus, er kostet Umwege, damit also Sprit und Zeit, Dinge die immer kostbarer für uns werden. Bei der Wahrnehmung sind wir also gezwungen, das Wichtige vom Unwesentlichen zu unterscheiden. Bei der Planung eines Leitsystems ist daher die Beschränkung auf die wesentlichen Informationen zwingend erforderlich. Dadurch erhöht man deutlich die Chance, dass sie wahrge- nommen werden.

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Rainer Meng

Leit- und Orientierungssysteme: Wege zu mehr Transparenz im Krankenhaus

Die Bedeutung von Leit- und Orientierungssystemen in der Gesellschaft

Die visuelle Wahrnehmung

Die täglich auf uns einwirkende Flut von Informationen und Impressionen nimmt weiterhin zu. Nicht nur in unserer Arbeitswelt, in der aktuelles Wissen vorausgesetzt und täg-lich abgefordert wird, auch in unserer Freizeit, im öffentlichen Raum und zu Hause wirken Zeichen, Farben und Formen als Signale auf uns ein. Dem bewussten oder unterbewussten Wahrnehmen können wir uns nicht entziehen.

Eine nicht beachtete Geschwindigkeitsbeschränkung kann teuer werden, eine unbemerkte rote Ampel gefährdet gleich das eigene und das Leben Anderer. Weniger dramatisch, jedoch ärgerlich nimmt sich da der übersehene Wegweiser aus, er kostet Umwege, damit also Sprit und Zeit, Dinge die immer kostbarer für uns werden.

Bei der Wahrnehmung sind wir also gezwungen, das Wichtige vom Unwesentlichen zu unterscheiden.

Bei der Planung eines Leitsystems ist daher die Beschränkung auf die wesentlichen Informationen zwingend erforderlich. Dadurch erhöht man deutlich die Chance, dass sie wahrge-nommen werden.

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Welche Aufgabe hat das Leitsystem, was versteht man unter einem Orientierungssystem und was gehört zum Informationssystem?

Während man vor 25 Jahren noch allgemein von der Ob-jektbeschilderung sprach, wird diese heute nach drei Funktionen unterschieden:

Leitsystem,Orientierungssystem und Informationssystem.

Den Begriff Leitsystem konnten die meisten Patienten und Besucher in einer Befragung zuordnen. Er umfasst die Wegeführung vom Eingang bis hin zum gesuchten Ziel und natürlich auch wieder zurück zum Ausgang. Wesentliche Merkmale sind Übersichtstafeln auf denen die Lage des Zieles definiert werden kann und Richtungspfeile auf den Wegweisern. Wird der gesuchte Zielbegriff schließlich ohne Pfeil angezeigt, hat man sein Ziel erreicht.

Ein Orientierungssystem ist den Menschen hingegen weit-aus weniger geläufig. Es mag daran liegen, dass wir uns überwiegend im Unterbewusstein orientieren. Ins Bewusstsein kommt uns die Orientierung erst dann, wenn wir sie verloren haben. Dieser Umstand erzeugt mehr Unbehagen, als wenn wir nur den Weg verloren haben, aber noch wissen wo wir sind.

Während in kleineren, übersichtlichen Strukturen in der Regel kein besonderes Orientierungssystem erforderlich ist, wird es in großen, komplexen Bereichen unverzichtbar. Dort können Situationen, die sich auf Etagen, Fluren, in Treppenhäusern und Aufzugsvorräumen wiederholen, zum Verlust der Orientierung führen. Ein gutes Orientierungssystem unter-stützt das Zurechtfinden nicht nur mit Orientierungsplänen,

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auf denen der aktuelle Standort markiert ist, sondern vor allem auch mit unverwechselbaren Merkmalen. Dies kann mit Bildern, Grafiken, Skulpturen, Farben und Licht recht gut erreicht werden.

Der Begriff Informationssystem umfasst alle Hinweisschilder und Informationselemente, die weder dem Auffinden von Zielen, noch der Orientierung dienen.

Seit die Informationsübermittlung zunehmend von digi-talen Medien übernommen wird, unterliegen die klas-sischen Elemente des Informationssystems, die Pinnwände und Aushangvitrinen einem Wandel. Sie werden heute durch Bildschirme ersetzt oder zumindest damit ergänzt.

Einen größeren Bildschirm im Eingangsbereich, auf dem ak-tuelle Veranstaltungen, Errungenschaften und Erkenntnisse

Abbildung 1: Wegweiser-Tafel (Fotograf: Rainer Meng, Birkenfeld)

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an die Besucher übermittelt werden, finden wir heute in fast jedem Krankenhaus.

Das meistgenutzte „Informationssystem“ ist in vielen Kran-kenhäusern aber noch immer der angeklebte Zettel. Wenn er dauerhaft bleiben soll, steckt er in einer Klarsichthülle oder ist vornehm eingesiegelt. Der Zettel übermittelt wich-tige Botschaften, zum Beispiel Sprechzeiten, Regeln und Verbote, das Angebot der Cafeteria, unterbewusst aber auch die Erkenntnis, dass in dieser Einrichtung Improvisation billi-gend in Kauf genommen wird. Beschränkt sich dies nur auf die Schilder? – Schließlich vertraut man dieser Einrichtung Leben und Gesundheit an.

Gute Gründe für ein funktionierendes Leitsystem

Wenn das Leitsystem nicht funktioniert, werden die Folgen oft unterschätzt. Fragen Sie doch einmal das Pflegepersonal eines Krankenhauses, ob und wie oft am Tag die Mitarbeiter nach einem Ziel gefragt werden. Wenn man den Schnitt auf

Abbildung 2: „Zettel-Kommunikation“ (Fotograf: Rainer Meng, Birkenfeld)

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die Beschäftigten und auf ein Jahr hochrechnet, wird schnell deutlich, dass es auch um Geld geht. Auf der einen Seite ent-stehen Beschaffungskosten für die Planung und Realisierung eines guten Leitsystems, die sich aber auf 15 bis 20 Jahre Nutzungsdauer amortisieren lassen. Demgegenüber be-trachten sie mal den Ausfall an Personalarbeitszeit ebenfalls auf 15 bis 20 Jahre.

Es stellt sich nicht die Frage, ob man Geld für ein Leitsystem hat, sondern, ob es auch deshalb irgendwann fehlen wird, weil kein durchgängiges Leitsystem vorhanden war.

Der weitaus wichtigere Grund ist für die Menschen jedoch das Zurechtfinden und damit das Vermeiden von Unbehagen in einer fremden Umgebung, welches durch die gesundheit-lichen Probleme oft schon Angstgefühle verursacht.

Ein gut geplantes Leitsystem fördert hingegen das Vertrauen, das sich dann ganzheitlich aufbauen lässt, wenn nicht nur die fachliche Kompetenz der Medizin und des Pflegepersonals positiv wahrgenommen wird, sondern die ganze Einrichtung.

Aufgaben und Dimensionen in einer gewachsenen Struktur

Krankenhäuser sind oft über Jahrzehnte gewachsen. Jeder Bauabschnitt ist dann ein Spiegelbild der jeweiligen Architektur, das sich auch in den Gestaltungs- und Beschriftungsvarianten der Schilder zeigt.

Ein kürzlich gesehenes Beispiel macht dies deutlich: Im Altbau gab es den Begriff „Röntgen“, im mittleren Bau, die „radiolo-gische Abteilung“ und im neueren Bauteil, die „Radiologie“. Auch die optische Gestaltung der Schilder entsprach keiner Übereinstimmung, während im Altbau Gummirillentafeln

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und Steckbuchstaben in grau-weiß von früheren Zeiten kün-den, waren die 80er Jahre regelrecht bunt, als man auf Farbleitsysteme setzte. Sachlich, metallisch kühl hingegen die Schilder nach der Jahrtausendwende. Jeder Abschnitt zeigte sich recht ordentlich, das Leitsystem insgesamt funk-tionierte jedoch nicht. Der Besucher ist in jedem Haus wie-der in einer anderen Welt. Im Neubau sucht er vergeblich das „Röntgen“. Die Farben im mittleren Haus kann er nicht einordnen und im Altbau fühlt er sich nicht wohl. Dort will er eigentlich gar nichts suchen.

Das sind sicher nur noch die extremen Fälle? Ja, aber es gibt noch zu viele hiervon. Schwierig wird es, wenn die Etagen halb versetzt gebaut wurden. Unserem Unterbewusstsein ist nicht beizubringen, dass man sich dann nach einer Treppe zwar auf einer anderen Ebene, aber noch immer in einem Erdgeschoss befindet.

Die Krankenhäuser, die nicht das Glück hatten, in den letz-ten 25 Jahren einen kompletten Neubau zu erhalten, müs-sen mit ihrer Substanz zurechtkommen. Am wichtigsten ist es dann, dass sich die Menschen darin zurechtfinden.

Aber gerade bei den Menschen setzt sich das Dilemma fort. Auch die Patienten und Besucher entstammen aus ver-schiedenen Generationen und heute zudem oft aus unter-schiedlichen Kulturkreisen. So kann schon die Sprache eine Barriere sein, die nachlassende Sehkraft älter werdender Menschen zu Problemen beim „Kleingedruckten“ führen und die Hemmungen der älteren Generationen vor einem inter-aktiven Leitsystem abschrecken.

Die Quintessenz ist – je klarer die Architektur, desto ein-facher das Leitsystem, je unterschiedlicher die Nutzer, desto wichtiger der Zwang zum Wesentlichen.

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Welche Rolle spielt das Leitsystem bei der Kommunikation im Krankenhaus?

Das Leitsystem ist nicht nur ein wesentlicher Bestandteil, es ist sogar das Erste und das Dauerhafteste an visueller Kommunikation, was ein Besucher, Patient oder neuer Mitarbeiter im Krankenhaus wahrnimmt.

Die attraktive, einheitliche Gestaltung aller Elemente des Leitsystems, integriert ins Corporate Design, gibt der Identität des Krankenhauses den ersten, wichtigen Eindruck, sie ist die erste Visitenkarte.

Im idealen Fall zeigt schon eine Fernkennzeichnung von weitem die Lage und den Namen des Ziels an. Das Außenleitsystem regelt die Zufahrten zum Krankenhaus, zu Parkplätzen, zeigt dem fremden Rettungswagen den Weg zur Notaufnahme und den Lieferanten die Warenannahme. Es geht keine wertvolle Zeit verloren, nicht autorisier-te Einfahrten ins Gelände werden unterbunden oder re-duziert. Das Leitsystem vermittelt Ordnung, Autorität und Zuverlässigkeit. Es ist alles geregelt.

Erkenntnisse für die Leitsystemplanung im medizinischen und pflegerischen Bereich

Für die Planung eines Leitsystems im Krankenhaus müssen weitaus mehr Aspekte berücksichtigt werden als bei jedem anderen Objekt mit öffentlichem Zugang.

Menschen, die als Notfall in die Klinik kommen und auch deren Angehörige sind besonderen Stressfaktoren aus-gesetzt, die eine logische Wahrnehmung erschweren. Die Sorge um die Gesundheit, die Angst vor möglichen

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Einschränkungen der Lebensperspektive trifft auf ein bisher fremdes Umfeld, in dem die medizinischen und hygie-nischen Abläufe Priorität haben.

Auch den Mitarbeitern der Klinik wird (nicht nur) in Notfallsituationen viel abverlangt. Nach der akuten Hilfe erfordert auch die weitere medizinische und pflegerische Versorgung eine Infrastruktur, die ein reibungsloses Arbeiten ermöglicht.

Neben der professionellen Außenwirkung trägt das Leitsystem daher auch wesentlich zur Organisation der komplexen in-neren Abläufe bei.

Das Leitsystem ist Kommunikation pur

Um die Anforderungen an eine eindeutige Kommunikation zwischen den Nutzergruppen nachvollziehen zu können, ist das Zusammenwirken zwischen internen und externen Fachleuten erforderlich. Beide Gruppen betrachten die Prioritäten aus verschiedenen Blickwinkeln. Für Insider ge-hören Fachbegriffe zum selbstverständlichen Vokabular, der externe Betrachter wird viele hingegen als unverständlich empfinden.

Während der Radiologe natürlich in der Radiologie wartet, sucht die Oma das Röntgen, sie soll ja schließlich geröntgt werden, oder?

Fragen Sie mal die Menschen auf der Straße, denn das sind die potenziellen Patienten, was Pneumologie bedeutet oder fragen Sie nach der Nephrologie. Wenn die Kommunikation funktionieren soll, müssen wir die gleiche Sprache sprechen.

Es wird also wichtig sein, zunächst eine allgemeinverständ-liche Bezeichnungsstruktur für alle Ziele festzulegen. Es geht

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dabei nicht nur um Fachbegriffe, wir müssen auch Nutzer mit Handicaps integrieren.

Wie erreichen wir sehschwache Mitmenschen oder Blinde? Welche Anforderungen stellen Migranten mit mangelhaften Sprachkenntnissen?

Der Planer ist gefordert, nicht nur eine ansprechende gra-fische Gestaltung zu liefern, sie muss auch nutzbar sein. Auf Schildern ist nicht jede Schriftart gut zu erkennen. Welche Schrifthöhe ist nach DIN 30 640 / 1 aus welcher Entfernung zu lesen? Wie eindeutig müssen Piktogramme sein? Welche Kontraste sind erforderlich, reicht die Allgemeinbeleuchtung aus? Welche Rolle spielen Farben?

Gezielte Standortplanung oder Schilderwald?

Eine Ansammlung von Wegweisern ist noch kein Leitsystem. Es gibt Beschilderungen, bei denen erst einmal etwas aufge-

Abbildung 3: Variable Information „Joker“ (Fotograf: Jörg Hempel, Aachen)

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hängt wurde, um später zu sehen, ob noch weitere Schilder angebracht werden müssen.

Ein System hingegen wird zuvor geplant, wobei die sinnvolle Planung sich oft schon dadurch amortisiert, dass Schilder eingespart werden können.

Da Teilbereiche des Krankenhauses für Besucher nicht relevant sind, müssen auch dort keine repräsentativen Elemente hin. Im OP-Bereich würden diese sogar die Desinfektion erschwe-ren. Im Besucherbereich sind hingegen flexible Systemteile erforderlich, um Änderungen schnell und kostengünstig selbst vornehmen zu können. Eine Überinformation würde verwir-ren, es wäre kaum möglich das Wesentliche herauszufiltern.

Realisierung eines Leitsystems

Außer der fundierten Planung sollte man die Qualität der Informationsmittel bedarfsgerecht auswählen. Wie witte-rungsbeständig müssen die Materialien und Oberflächen sein? Bei welchen Schilderelementen werden wir einen star-ken Wechsel- und Aktualisierungsbedarf haben? Kann das Krankenhaus diese selbst beschriften? Wie haltbar sind die verschiedenen Beschriftungsmethoden?

Stabilität, Vandalismus- und Missbrauchsschutz sollten so ausgelegt sein, dass die Nutzung des Leitsystems über 10 oder 20 Jahre hinaus bedenkenlos möglich ist. Wer hier spart, kauft in dieser Zeit mindestens zweimal! Es gibt er-schreckende Beispiele, bei denen das Billigste angeboten und beauftragt wurde. Leitsysteme, erst wenige Monate oder Jahre alt, zeigen sich in einem qualitativ desolaten Zustand.

Verblichene Farben, weil statt Lacken in PKW-Qualität nur Industriefarben eingesetzt wurden.

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Austausch der Komponenten untereinander nicht möglich, da keine Systemteile, sondern Schlosserarbeit anstelle von Industriestandard eingebracht wurde.Ausgebrochene Kanten, verbogene Bleche, da weder Materialqualität noch Konstruktion bedarfsgerecht ausge-wählt wurden.Die ausgedruckten Texte auf Papier sind vergilbt, wellig und haben Feuchtigkeitsflecken.Abgesehen von den hygienischen Aspekten hätte man mit den hochwertigen PP-Folien auch optisch eine saubere Lösung haben können.Das Produkt, das man auswählen möchte, muss zuvor be-mustert und fachlich beurteilt werden. Von Herstellern, die einer Bitte zur Bemusterung nicht oder nur zögerlich nach-kommen, darf man zwar den billigsten Preis, aber keine gute Qualität oder gar Service erwarten.Hat der Anbieter einen kompetenten Kundenberater vor Ort? Ist seine Nachkaufgarantie glaubwürdig?

Abbildung 4: „Händische“ Aktualisierung (Fotograf: Rainer Meng, Birkenfeld)

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Viele anfangs durchgängigen Leitsysteme werden schnell wieder verwässert, weil keine Teile mehr lieferbar sind, oder der Lieferant keine Daten archiviert hat. Wie sehen Schilder aus, deren Ergänzungsteile in einem anderen Farbton und in einer anderen Schriftart geliefert wurden? Stimmt die Schriftgröße und der Satzspiegel noch mit der Erstlieferung überein?

Wer für seine Kunden nichts dokumentiert, hat nur auf den Erstauftrag als Ziel und wird später für seine Kunden ein ständiges Ärgernis. Lassen Sie sich nicht nur Referenzen nen-nen, prüfen Sie auch, ob diese Kunden mit dem System zu-frieden sind. Oder besser noch: Schauen Sie selbst nach, in welchem Zustand sich das dortige Leitsystem befindet.

Der mögliche Ablauf einer Leitsystemrealisierung ist im Folgenden in einer Grafik dargestellt und in der darauf fol-genden Checkliste beschrieben.

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Abbildung 5: Realisierung eines Leitsystems

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Checkliste als Arbeitsgrundlagen und Schritte einer Planung

Was wollen wir erreichen? Pflichtenheft definieren, Budgetplan erstellen.

Baupläne. Maßstab 1: 200 (max. 1:100), alle Häuser und Etagen mit aktuellem Nutzungsplan, Plan des Außengeländes. Welche baulichen Änderungen ste-hen an?

Bestandsaufnahme mit Videobegehung. Was ist vor-handen? Was wäre ggf. nutzbar?

Sind die Schilderinhalte noch korrekt, stimmen die Bezeichnungen, gibt es Bereiche, die von Besuchern nicht frequentiert werden sollen.

Definition der Nutzerströme, Verkehrsachsen horizon-tal und vertikal, Festlegung der Primär-, Sekundär- und Internwege.

Abgrenzung des Leitsystemumfanges.

Standortplanung und –kartierung aller Informationspunkte

Bezeichnungsstruktur aller Ziele verbindlich abstimmen und festlegen.

Planung der Inhalte (Zieltexte).

Grafische Grundlagen im CD sind vorhanden… sollen als Basis genutzt werden… sind zu ergänzen… sollen neu gestaltet werden, Definition der Schriftart, Farben etc.

Auswahl der Materialien, Oberflächen und deren Farben für die neuen Elemente.Abstimmung mit der Innenarchitektur.

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Festlegung eines Gestaltungsrasters für die Schilder und den grafischen Satzspiegel mit Leseabständen und daraus resultieren-den Schrifthöhen.

Systemauswahl, Festlegung der Funktionen.

Bildung einer durchgehenden Schilderfamilie.

Musterlayouts, Musteranfertigung, Präsentation vor den Entscheidern,Freigabe der Planung.

Massenermittlung, technische Spezifikation.

Abstimmung mit dem Budget, ggf. Realisierungsabschnitte definieren.

Angebots- und Mustereinholung, Angebotsauswertung, Auftragsvergabe.

Die Top Ten im Thema Orientierung und Leitsysteme

Schaffen Sie Orientierung und Wohlbefinden durch ein Leitsystem: Die heutige Reizüberflutung verstärkt die Notwendigkeit, Patienten, Besuchern und nicht zuletzt Ihren Mitarbeitern die Wege transparent zu gestalten.

Einheitliche Gestaltung aller Elemente: Die Wiedererkennung trägt wesentlich zum Funktionieren eines Leitsystems bei. Form, Farbe, Grafik und die Formatfamilie müssen aufeinander ab-gestimmt sein.

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Ein funktionierendes Leitsystem amortisiert sich schnell. Zeit ist Geld und effiziente Wegführung spart Zeit. Nicht nur für die Wege Ihrer Mitarbeiter, auch für Zeit, die Sie mit Wegauskünften verlieren.

Überarbeitung oder Neugestaltung? Aus Kostengründen lohnt es sich zu prüfen, ob sich Teile vorhandener Elemente weiterhin nutzen lassen. Die Durchgängigkeit darf jedoch nicht vernachlässigt werden.

Das Leitsystem ist ein wichtiges Element Ihres Corporate Designs: Grafik, Farben und Formen sind wesentliche Faktoren eines Leitsystems. Sie können sich in anderen Kommuni-kationsinstrumenten wiederfinden. Die Gestaltung des Leitsystem ist gleichbedeutend mit Arbeit am CD.

Im Notfall muss es schnell gehen: Die Qualität eines Leitsystems zeigt sich vor allem im Notfall, wenn Stress und Sorge die Wahrnehmung se-lektiv werden lässt. Das Leitsystem sollte gerade dann wirksam helfen. Letztlich kann es zum unverzichtbaren Glied bei der Rettung eines Lebens werden.

Leitsysteme müssen allen Nutzern dienen. Suchen Sie vor allem allgemeinverständ-liche Bezeichnungen, denken Sie an Menschen mit schwacher Sehkraft, Handicaps oder mit Migrationshintergrund.

Ein Schild für alle Fälle? – Nein! So wenig wie möglich und so viel wie nötig –

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jede Information nur dort, wo sie gebraucht wird. Überinformation bremst die selektive Wahrnehmung.

Das Projekt Leitsystem besteht im Wesentlichen aus Planung: Eine wichtige Investition erfordert eine sorgfältige Planung bei der Vermeidung unnötiger Kosten. Nur auf dieser Basis ist eine effiziente Realisierung möglich.

Bedenken Sie: Orientierung trägt dazu bei, dass Ihr Patient, Besucher oder Mitarbeiter sich gut aufgehoben fühlt!

Service

Weiterführende Literatur

Verbesserung von visuellen Informationen im öffentlichen Raum. Bundesministerium für Gesundheit 1996, ISBN 3-92 6181-28-1, FMS Verlagsgesellschaft, Bad Homburg.

Piktogramme und Icons, Pflicht oder Kür? Rayan Abdullah, Roger Hübner 2005, ISBN 3-87 439-649-5, Verlag Hermann Schmidt, Mainz.

Orientierung. Christian Lutsch, Heinz Peter Lahaye 2003, ISBN 3-7757-9134-5, Hatje-Cantz-Verlag.

Wahrnehmung und Empfindung von Zeichen, Formen und Farben, Orientierung und gestaltete Information in Kliniken und Pflegeeinrichtungen. Promotion von Hans Joachim Kubowitz, Luxsiebenzwo, Köln.

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