Liberal Leseprobe: "Der Weichmacher"

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9 liberal 4.2014 Der Weichmacher G eldpolitik war all die vielen Jahre lang eher ein Fach für  graumäu sige Langweiler , die sich in gestelzten Sätzen und kryptischen Formulierungen vor einem Fachpublikum äußerten, jeden Anschein von Unseriosität vermieden und sich wie ein mittelalterlicher Schweigeor den verhielten. Mit Mario Draghi an der Spitze der Europäischen Zentralbank (EZB) hat sich das geändert: Nicht nur die Anzüge wurden eleganter, au ch die Metaphorik wurde krawallig bis kriegerisch. So will Draghi Geld mit der „Dicken Bertha“ verballern, dem Monstergeschütz, das einst Paris und das Warschauer Ghetto beschoss und jetzt Euro über die Welt  verstreuen soll; später reduziert e er seine Geldkriegsrhetorik nur militärtechnisch geringfügig auf „Bazooka“. Draghis Pressekonferenzen sind Ereignisse für die Welt presse. Er  gilt als der mächtigst e europäische Polit iker , der über Aufstieg und Fall europäischer Nationen entscheidet, über Wach stum, Arbeits- plätze und Staatsbankrott. Als oberster Bankenaufseher kann er Institute und ihr tiefes Wurzelgeecht an Unternehmen und Kunden am Leben erhalten oder schließen, Milliarden für die Rettung mobili- sieren oder Sparer und Eigentümer enteignen. Längst ist Draghi auch derjenige, der Europas Vermögen umvertei lt – derzeit von Sparern zu Schuldnern, von den Ländern mit Sparüberschuss zu Ländern mit Kredithunger. Damit ist die EZB nicht mehr nur eine größer geworden e Deutsche Bundesbank, wie das am Anfang vorgesehen war – sie ist die mächtigste europäische Behörde, die an Einuss längst die träge Brüsseler Bürokratie abgehängt hat, und Draghi eine Art Supermi- nister für Wirtschaft und Finanzen. Wenn man das noch verbliebene Fachchin esisch der Notenbanker wegstreicht, lauten die neuen Fra-  gestellungen der Geldpolitik: Wi e produziert man Ina tion? Wi e wird die Währung weich? Wie können Regierungen leichter und billiger Schulden machen ? Diese Fragen sind ebenso einfach zu verstehen  wie beängstigend . Die neue Macht der EZB beruht dabei lediglich auf einigen weni-  gen Instrument en: Sie beeinusst Zinsen und Geldmenge, in dem sie Die Europäische Zentralbank ist die mächtigste europäische Behörde, ihr Präsident Mario Draghi eine Art Superminister für Wirtschaft und Finanzen. Mit seiner Umverteilungspolitik zerstört er , worauf sich langfristig wirtschaftlicher Erfolg begründet: stabile Rahmenbedingungen und geldpolitische Seriosität.  / / TEXT / / ROLAND TICHY  / / ILLUSTRATION / / MATTHIAS SEIFARTH Lesen Sie weiter in der aktuellen liberal  VS – VERSCHWENDUNGSSACHE SOZIALPOLITIK

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8/11/2019 Liberal Leseprobe: "Der Weichmacher"

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liberal 4.2014

Der Weichmacher

Geldpolitik war all die vielen Jahre lang eher ein Fach für

 graumäusige Langweiler, die sich in gestelzten Sätzen und

kryptischen Formulierungen vor einem Fachpublikum

äußerten, jeden Anschein von Unseriosität vermieden

und sich wie ein mittelalterlicher Schweigeorden verhielten. Mit

Mario Draghi an der Spitze der Europäischen Zentralbank (EZB) hat

sich das geändert: Nicht nur die Anzüge wurden eleganter, auch die

Metaphorik wurde krawallig bis kriegerisch. So will Draghi Geld mit

der „Dicken Bertha“ verballern, dem Monstergeschütz, das einst Paris

und das Warschauer Ghetto beschoss und jetzt Euro über die Welt

 verstreuen soll; später reduzierte er seine Geldkriegsrhetorik nur

militärtechnisch geringfügig auf „Bazooka“.

Draghis Pressekonferenzen sind Ereignisse für die Weltpresse. Er

 gilt als der mächtigste europäische Politiker, der über Aufstieg und

Fall europäischer Nationen entscheidet, über Wachstum, Arbeits-

plätze und Staatsbankrott. Als oberster Bankenaufseher kann er

Institute und ihr tiefes Wurzelgeflecht an Unternehmen und Kunden

am Leben erhalten oder schließen, Milliarden für die Rettung mobili-

sieren oder Sparer und Eigentümer enteignen. Längst ist Draghi auch

derjenige, der Europas Vermögen umverteilt – derzeit von Sparern zu

Schuldnern, von den Ländern mit Sparüberschuss zu Ländern mitKredithunger.

Damit ist die EZB nicht mehr nur eine größer gewordene

Deutsche Bundesbank, wie das am Anfang vorgesehen war – sie ist

die mächtigste europäische Behörde, die an Einfluss längst die träge

Brüsseler Bürokratie abgehängt hat, und Draghi eine Art Supermi-

nister für Wirtschaft und Finanzen. Wenn man das noch verbliebene

Fachchinesisch der Notenbanker wegstreicht, lauten die neuen Fra-

 gestellungen der Geldpolitik: Wie produziert man Inflation? W

die Währung weich? Wie können Regierungen leichter und bil

Schulden machen? Diese Fragen sind ebenso einfach zu verste

 wie beängstigend.Die neue Macht der EZB beruht dabei lediglich auf einigen

 gen Instrumenten: Sie beeinflusst Zinsen und Geldmenge, inde

Die Europäische Zentralbank ist die mächtigste europäische

Behörde, ihr Präsident Mario Draghi eine Art Superminister

für Wirtschaft und Finanzen. Mit seiner Umverteilungspolitik

zerstört er, worauf sich langfristig wirtschaftlicher Erfolg

begründet: stabile Rahmenbedingungen und geldpolitische

Seriosität.  // TEXT // ROLAND TICHY  // ILLUSTRATION // MATTHIAS SEIFARTH

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