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Aus: Kapitel 33: Polytrauma; Kursbuch Notfallmedizin (in Bearbeitung, Neuauflage 2016) Mit freundlicher Genehmigung des Deutschen Ärzteverlags 1 33. Polytrauma M. D. Frank, M. Ragaller In der Bundesrepublik Deutschland erleiden jährlich ca. 35000 Patienten ein schweres Trauma mit einem injury severity score (ISS) von 16 oder höher. [Ruchholz et al. 2008]. Verkehrsunfälle sind die häufigste Ursache für die „Polytraumatisierung“ und stellen insgesamt die häufigste Todesursache bei unter 40-jährigen dar. Jährlich sterben in Deutschland zwischen 3400 und 5000 Personen im Straßenverkehr. [Statistisches Bundesamt 2014] Insgesamt sind diese Zahlen in den letzten Jahren zwar leicht sinkend und auf dem niedrigsten Stand seit 1950, aber dies ist immer noch eine hohe Gesamtzahl, wenn man insbesondere im Hinblick auf das Alter die menschlichen als auch die volkswirtschaftlichen Auswirkungen bedenkt. Weltweit werden jährlich über 2 Millionen Todesfälle aufgrund schwerer Blutungen in Folge eines Traumas gezählt. [Brohi et al. 2011] Etwa 50 % der durch ein Trauma bedingten Todesfälle treten unmittelbar als Folge extremer Gewalteinwirkung auf. Weitere 30 % sterben am Schock infolge schwerer Blutung innerhalb der ersten Stunden oder im Verlauf im Multiorganversagen (20%). [Kauvar et al. 2006, Schneider et al. 2009] Diese „50%“ sind aber prinzipiell therapierbar und ihnen gelten unsere Therapieanstrengungen. Der Einsatz „Polytrauma“ ist mit etwa 0,5-1% aller Einsätze eine eher seltene Aufgabe im Notarztdienst, was zu mangelnder Routine und Defiziten führen kann. Zudem arbeiten die Mitarbeiter des Rettungsdienstes und Notärzte häufig unter besonderen Einsatzbedingungen, wie schlechtem Wetter und niedrigen Außentemperaturen, schlechten Lichtverhältnissen, eingeklemmten oder nicht ausreichend zugänglichen Patienten. Nicht selten sind mehrere Personen schwer verletzt oder zunächst scheinbar unkritische Patienten zeigen im Verlauf lebensbedrohliche Störungen. Für das Überleben eines Patienten spielen neben dem Alter und vorliegenden chronischen Erkrankungen, insbesondere die Schwere der Verletzung, die Qualität der initialen Behandlung und die initiale Versorgungszeit eine entscheidende Rolle. [Cowley et al. 1982, Sampalis et al. 1993] Das in Deutschland etablierte Prinzip der Vorverlagerung intensivmedizinischer Maßnahmen an den Notfallort erfordert für die präklinische Versorgung von Schwerstverletzten besondere theoretische und praktische Fähigkeiten. Die sichere Durchführung von endotrachealer Intubation und Beatmung, Anlage großlumiger venöser Verweilkanülen, eine adäquate Volumenersatztherapie, Anlage von Thoraxdrainagen, Maßnahmen zur Blutstillung, oder die Gabe potenter Analgetika und vasoaktiver Substanzen sind unter den erschwerten präklinischen Bedingungen und dem spürbaren zeitlichen Druck auch für erfahrene Notärzte eine medizinische Herausforderung. (Abb. 33.1) Die Bedeutung des Zeitfaktors wird durch den von Cowley geprägten Ausdruck „Golden Hour Of Shock“ treffend beschrieben [Cowley et al. 1982].

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Aus: Kapitel 33: Polytrauma; Kursbuch Notfallmedizin (in Bearbeitung, Neuauflage 2016) Mit freundlicher Genehmigung des Deutschen Ärzteverlags

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33. Polytrauma

M. D. Frank, M. Ragaller

In der Bundesrepublik Deutschland erleiden jährlich ca. 35000 Patienten ein schweres

Trauma mit einem injury severity score (ISS) von 16 oder höher. [Ruchholz et al. 2008].

Verkehrsunfälle sind die häufigste Ursache für die „Polytraumatisierung“ und stellen

insgesamt die häufigste Todesursache bei unter 40-jährigen dar. Jährlich sterben in

Deutschland zwischen 3400 und 5000 Personen im Straßenverkehr. [Statistisches

Bundesamt 2014] Insgesamt sind diese Zahlen in den letzten Jahren zwar leicht sinkend und

auf dem niedrigsten Stand seit 1950, aber dies ist immer noch eine hohe Gesamtzahl, wenn

man insbesondere im Hinblick auf das Alter die menschlichen als auch die

volkswirtschaftlichen Auswirkungen bedenkt. Weltweit werden jährlich über 2 Millionen

Todesfälle aufgrund schwerer Blutungen in Folge eines Traumas gezählt. [Brohi et al. 2011]

Etwa 50 % der durch ein Trauma bedingten Todesfälle treten unmittelbar als Folge extremer

Gewalteinwirkung auf. Weitere 30 % sterben am Schock infolge schwerer Blutung innerhalb

der ersten Stunden oder im Verlauf im Multiorganversagen (20%). [Kauvar et al. 2006,

Schneider et al. 2009] Diese „50%“ sind aber prinzipiell therapierbar und ihnen gelten unsere

Therapieanstrengungen.

Der Einsatz „Polytrauma“ ist mit etwa 0,5-1% aller Einsätze eine eher seltene Aufgabe im

Notarztdienst, was zu mangelnder Routine und Defiziten führen kann. Zudem arbeiten die

Mitarbeiter des Rettungsdienstes und Notärzte häufig unter besonderen Einsatzbedingungen,

wie schlechtem Wetter und niedrigen Außentemperaturen, schlechten Lichtverhältnissen,

eingeklemmten oder nicht ausreichend zugänglichen Patienten. Nicht selten sind mehrere

Personen schwer verletzt oder zunächst scheinbar unkritische Patienten zeigen im Verlauf

lebensbedrohliche Störungen.

Für das Überleben eines Patienten spielen neben dem Alter und vorliegenden chronischen

Erkrankungen, insbesondere die Schwere der Verletzung, die Qualität der initialen

Behandlung und die initiale Versorgungszeit eine entscheidende Rolle. [Cowley et al. 1982,

Sampalis et al. 1993]

Das in Deutschland etablierte Prinzip der Vorverlagerung intensivmedizinischer Maßnahmen

an den Notfallort erfordert für die präklinische Versorgung von Schwerstverletzten besondere

theoretische und praktische Fähigkeiten. Die sichere Durchführung von endotrachealer

Intubation und Beatmung, Anlage großlumiger venöser Verweilkanülen, eine adäquate

Volumenersatztherapie, Anlage von Thoraxdrainagen, Maßnahmen zur Blutstillung, oder die

Gabe potenter Analgetika und vasoaktiver Substanzen sind unter den erschwerten

präklinischen Bedingungen und dem spürbaren zeitlichen Druck auch für erfahrene

Notärzte eine medizinische Herausforderung. (Abb. 33.1)

Die Bedeutung des Zeitfaktors wird durch den von Cowley geprägten Ausdruck „Golden Hour

Of Shock“ treffend beschrieben [Cowley et al. 1982].

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So wurde über kaum ein Thema in der Notfallmedizin in den vergangenen Jahren so intensiv

und zum Teil kontrovers diskutiert, wie über die Versorgung des Schwerverletzten. Bis Mitte

der 90er Jahre wurden in Deutschland polytraumatisierte Patienten zum Teil (zeit)aufwendig

am Notfallort versorgt. Durch die bekannten wissenschaftliche Studien von Bickell, Kaweski,

Sampalis und Smith hinsichtlich der initialen Volumentherapie wurde die bis dahin postulierte

Strategie der in Teilen Europas postulierten präklinischen Versorgung erheblich in Frage

gestellt. Trotz zahlreicher Einschränkungen dieser Arbeiten hinsichtlich des Studiendesigns

als auch einer fraglichen Übertragbarkeit der Bedingungen auf unser Rettungssystem, wie

von Lechleuthner, Boullion und Dick beschrieben, konnte ein Beweis der Effektivität unseres

Konzeptes nicht geführt werden. Im Jahr 2001/2002 wurde eine S1- Leitlinie Polytrauma

durch die Deutsche Gesellschaft für Unfallchirurgie (DGU) publiziert. Hierin wurden zwar

logistische und medizinische Behandlungsoptionen formuliert, klare Empfehlungen auf dem

Boden systematischer Literaturrecherchen mit kritischen Evidenzbewertungen waren jedoch

nicht verfügbar.

Die im Jahr 2011 veröffentlichte S3- Leitlinie Polytrauma/Schwerverletzten Behandlung wurde

auf dem Boden der bestehenden wissenschaftlichen Evidenz zu verschiedenen

Fragestellungen, als auch dem Konsens der Teilnehmer zur Berücksichtigung klinischer

Expertise erstellt und wurde mit dem Engagement von insgesamt 11 Fachgesellschaften

unter Federführung der DGU und unter Koordination durch das Institut für Forschung in der

Operativen Medizin (IFOM) der Universität Witten/Herdecke erarbeitet.

Für die in der Leitlinie getroffenen Aussagen wurden 3 unterschiedliche Empfehlungsgrade

formuliert:

Empfehlungsgrade (Grade of Recomondation GoR)

GoR A „soll“ GoR B „sollte“ GoR 0 „kann“

Des Weiteren wurde die Leitlinie in 3 übergeordnete Themenbereiche gegliedert. Der erste

Teil bezieht sich auf die präklinische Versorgung von Schwerverletzten und enthält insgesamt

66 Schlüsselempfehlungen.

Die Inhalte der Leitlinie ersetzen dabei keine Handlungsalgorithmen, sondern beziehen sich

auf einzelne Aspekte der Polytraumaversorgung. Entsprechend müssen die einzelnen

Aspekte in einen allgemeinen Handlungsalgorithmus eingebettet sein, der Prioritäten setzt

und Abläufe vorgibt. Einen solchen Rahmen können Konzepte wie European Trauma Course

(ETC), Prehospital Trauma Life Support (PHTLS), Advanced Trauma Life Support (ATLS)

und andere vorgeben. Die Sicherung der Vitalfunktionen Atemweg, Belüftung/Beatmung,

Circulation (A, B, C) hat auch innerhalb der Leitlinie höchste Priorität.

Dieser Beitrag soll auf dem Boden der Kenntnis über pathophysiologische Veränderungen

und Zusammenhänge beim Polytraumatisierten die präklinische Vorgehensweise erklären

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und vertiefen. Gleichzeitig sind bestimmte Schlüsselempfehlungen der S3- Leitlinie

Polytrauma / Schwerstverletzen Behandlung dargestellt.

Definition Polytrauma

Nach Tscherne bezeichnet der Begriff Polytrauma eine Mehrfachverletzung, d.h. gleichzeitig

entstandene Verletzungen verschiedener Körperregionen, von denen eine oder die

Kombination mehrerer, vital bedrohlich ist. [Maghsudi et al. 1998]

33.1 Pathophysiologische Veränderungen beim Polytrauma

33.1.1 Schock

Die pathophysiologische Situation des polytraumatisierten Patienten ist initial durch einen

mehr oder minder ausgeprägten Schockzustand aufgrund erheblicher Blutverluste, Stress,

Schmerz und der kompensatorischen sympathoadrenergen Reaktion gekennzeichnet. Das

Ausmaß des Blutverlustes ist präklinisch jedoch häufig nicht leicht einzuschätzen. Bei

geschlossenen Frakturen können folgende Anhaltswerte gelten: Unterarm bis 400ml,

Oberarm bis 800ml, Unterschenkel bis 1000ml, Oberschenkel bis 2000ml, und Becken bis

5000ml. Durch die Blutung kommt es sowohl zum Verlust von intravasaler Flüssigkeit wie

auch zum gleichzeitigen Verlust von Sauerstoffträgern (Erythrozyten, Hämoglobin). Die

sympathoadrenerge Reaktion führt zu einer Umverteilung der Organperfusion zugunsten der

Vitalorgane Gehirn und Herz, während die Perfusion von Darm, Niere, Muskulatur und Haut

erheblich vermindert wird „Zentralisierung des Kreislaufes“. Die Makrozirkulation wird durch

eine vorübergehende Umverteilung der Mikrozirkulation stabilisiert. [Ragaller et al. 2002]

Durch die aktuelle Traumatisierung der Gewebe und Drosselung der Mikrozirkulation

(Kontraktion der prä- und postkapillären Widerstandsgefäße) sowie Freisetzung von

zellulären und humoralen Mediatorsystemen (Aktivierung der Gerinnung, Aktivierung des

Komplementsystems), versucht der Organismus eine Blutstillung zu erreichen. Das zelluläre

Sauerstoffangebot wird kritisch vermindert und kann durch eine zusätzliche respiratorische

Insuffizienz weiter kompromittiert werden (Gewebssauerstoffschuld). Das globale und

regionale Ungleichgewicht von Sauerstoffangebot und Sauerstoffbedarf führt in den

betroffenen Geweben zum anaeroben Stoffwechsel (Glykolyse) mit Laktatbildung und zur

Azidose (Abb. 33.2). Im Verlauf verstärken Mediatorsysteme lokal die Blutumverteilung,

führen zur Zunahme der Permeabilität der Gefäßendothelien und zur Aktivierung von

immunkompetenten Zellen (Leukozyten, Makrophagen). Dies induziert einen (zusätzlichen)

Verlust von intravasaler Flüssigkeit in den interstitiellen Raum durch Ausbildung eines

Gewebsödem. Im weiteren Verlauf kommt es durch die hypoxischen Stoffwechselprodukte

zu einer Dilatation der präkapillären Widerstandsgefäße, was die Schocksymptomatik durch

die Volumenverschiebung in die Gewebe (Aufhebung der Zentralisation) und weiteren

Blutverlust aggraviert [Messmer et al. 1996, Kreimeier et al. 1997]. Kann diese pathologische

„Schockspirale“ und die zunehmende Gewebssauerstoffschuld nicht gestoppt und

durchbrochen werden, kommt es zur Entwicklung eines dekompensierten Schocks mit

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konsekutivem Multiorganversagen. (Abb. 33.2) In dieser terminalen Schockphase kann auch

die Perfusion der Vitalorgane Gehirn und Herz nicht mehr aufrechterhalten werden. Das

Ausmaß der Sauerstoffschuld kann laborchemisch durch Laktatazidose und Basendefizit (BE)

erfasst werden, wobei ein erhöhtes Basendefizit mit einer schlechten Prognose korreliert.

[Ziegenfuß et al. 1998]

Auch wenn es gelingt die akute Schockphase zu überwinden, drohen dem Patienten in

Abhängigkeit von Dauer und Ausmaß der Schockphase durch den

Ischämie/Reperfusionsschaden sekundäre Komplikationen wie akutes Lungenversagen

(ARDS), akutes Nierenversagen oder ein Multiorganversagen [Kreimeier et al. 1997]. Etwa

30% der durch ein Polytrauma bedingten Todesursachen resultieren aus einem schweren

Schockgeschehen innerhalb der ersten Minuten bis Stunden, weitere 20% im weiteren

Verlauf durch Multiorganversagen auf dem Boden des Schockgeschehens. [Kauvar et al.

2006, Schneider et al. 2009]

33.1.2 Schock und Koagulopathie

Grundsätzlich unterscheiden sich chirurgische Blutungen und die Traumatisch Induzierte

Koagulopathie (TIC), auch wenn sie sich gegenseitig beeinflussen. Liegt eine chirurgische

Blutung vor, so ist diese unter Berücksichtigung weiterer Umstände und Bedingungen

schnellstmöglich einer chirurgischen Blutstillung zuzuführen. Zeitgleich sollte mit der

Therapie der Koagulopathie begonnen werden und negative Einflüsse durch Co-

Faktoren verbessert werden.

Wichtige Voraussetzung für eine zeitnahe Therapie ist das Erkennen von Verletzungen,

Blutungen und Gerinnungsstörungen. In den letzten Jahren hat sich das Vorgehen im

Schockraum diesbezüglich zunehmend verändert. Neben dem bekannten Vorgehen und der

Sicherung der Vitalfunktionen z.B. nach dem A B C D E Schema im Rahmen von ATLS oder

ETC- Protokollen haben diagnostische Maßnahmen in den Kliniken (Mehrschicht Spiral CT,

FAST- Focussed Assessment with Sonography for Trauma) an Bedeutung gewonnen, um so

zu einem frühen Zeitpunkt Verletzungen und damit verbundene chirurgische Blutungen als

Grundlage für eine kausale chirurgische Therapie zu erfassen (treat first, what kills first). Bei

massiven Blutverlustes hat die primär chirurgische Blutstillung die höchste Priorität [Rossaint

et al. 2010]. Nach der Europäischen Leitlinie zum Management von Blutungen und

Koagulopathie nach schwerem Trauma wird daher empfohlen den Zeitintervall zwischen

Trauma und notwendiger chirurgischer Intervention zu minimieren, um die

Überlebenschancen des Patienten zu erhöhen. [Spahn et al. 2013] Des Weiteren wird bei

schweren Extremitätenverletzungen die Nutzung eines Tourniquets empfohlen, um

lebensbedrohliche Blutungen zu stoppen. [Spahn et al. 2013, S3- Leitlinie Polytrauma 2011]

Bis vor einigen Jahren wurden Gerinnungsstörungen nach Trauma als sekundäre Folge eines

erheblichen Blutverlustes und einer damit verbundenen Reduktion an Gerinnungsfaktoren

gesehen. Diese wurden durch den zusätzlichen Verbrauch an Faktoren und die Dilution durch

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Administration von Infusionslösungen im Wesentlichen für die Gerinnungsstörungen

verantwortlich gemacht. Die mangelnde Perfusion und Gewebeoxygenierung und der

dadurch bedingte Schock mit nachfolgender Azidose, sowie die häufig vorliegende

Hypothermie wurden in Kombination mit der Koagulopathie auch als letale Trias [Mikhail et al.

1999] mit sich gegenseitig verstärkenden Faktoren bezeichnet. Die initiale Behandlung eines

Polytraumas mit schwerer Blutung bezog sich daher v.a. auf die respiratorische und

hämodynamische Stabilisierung und in der Klinik auf die Gabe von Erythrozytenkonzentraten

(EK) im Sinne einer adäquaten Schocktherapie. In verschiedenen Arbeiten konnte gezeigt

werden, dass auch Patienten in der frühen Phase, zum Teil ohne erheblichen Blutverlust,

schwere Koagulopathien aufweisen. [Maegele et al. 2007, Schöchl et al 2012] Insbesondere

bei Verletzungen des Schädels oder Thorax, oder insgesamt ausgedehnten und schweren

Verletzungen lässt sich dieser Zustand häufiger beobachten. Die Gerinnungsstörung im

Rahmen eines Traumas wird inzwischen als ein eigenständiges Krankheitsbild betrachtet, die

durch sekundäre Faktoren (Dilution, Verlust, Verbrauch, Azidose, Hypothermie) verstärkt

wird. Eine Therapie zum frühestmöglichen Zeitpunkt erscheint somit sinnvoll und

absolut notwendig. Der frühestmögliche Zeitpunkt bedeutet hierbei die präklinische Phase!

Eine traumainduzierte Koagulopathie ist bei ca. 30% der Polytraumatisierten schon im

Schockraum vorhanden und führt zu einer deutlich gesteigerten Letalität. [Mitra et al. 2012]

Als Ursachen werden das Gewebetrauma als Solches, Mediatorenfreisetzung und

Schockzustände durch die verminderte oder fehlende Gewebeoxygenierung diskutiert.

Hyperfibrinolyse

Die Inzidenz für eine Hyperfibrinolyse beim Polytrauma wird in der Literatur mit 15 – 20%

angegeben in Abhängigkeit mit dem Schweregrad der Verletzungen, gemessen am Injury

Severity Score (ISS). Auch die Lokalisation der Verletzungen beeinflusst das Auftreten einer

Hyperfibrinolyse. Diese ist am Häufigsten bei Patienten mit Schädel-Hirn-Trauma,

Thoraxtrauma, Beckentrauma oder stumpfen Bauchtrauma. Insgesamt ist die Mortalität bei

Patienten mit Hyperfibrinolyse im Rahmen eines Polytraumas extrem hoch. [Schöchl et al.

2012] Beim schweren Trauma und Schock kann die frühzeitige Gabe von Tranexamsäure

erwogen werden. [The Crash II Collaborators 2010] Dies ist bereits präklinisch möglich und

wird in zahlreichen Rettungsdienstbereichen durchgeführt. [Spahn et al. 2013]

Pathophysiologische Aspekte

Bei Blutverlusten aufgrund schwerer Verletzungen ist die primäre Hämostase zunächst

abhängig von der physiologischen Antwort des Gefäßendothels auf eine Verletzung. Durch

diese Gefäßwandverletzung kommt es zur Freisetzung von „tissue factor“ mit

Gerinnungsaktivierung und zeitgleich zu einer fibrinolytischen Aktivierung, um eine

überschießende Gerinnung zu vermeiden. [Fries et al. 2005] Je nach Ausmaß der Verletzung

kommt es zu einem Verlust und Verbrauch von Gerinnungsfaktoren und Thrombozyten.

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Neben dem direkten Einfluss des Ausmaßes der Verletzung auf die primäre Hämostase, führt

beim Polytraumatisierten eine Vielzahl von weiteren Faktoren zu schweren Blutungen und

zum möglichen Zusammenbruch des Gerinnungssystems, [Mikhail et al. 1999, Moore et al.]

ggf. neben dem Vorliegen einer traumatisch induzierten Koagulopathie.

Initial zeigt sich häufig zusätzlich eine Kombination aus Verlust- und

Verdünnungskoagulopathie auch als Folge der „Kreislauftherapie“ mit Infusionslösungen.

[Fries et al. 2004, Hardy et al. 2004] Darüber hinaus wird die Blutgerinnung durch

Hyperfibrinolyse, Hypothermie und Azidose auf das Schwerste beeinträchtigt. [Gutierrez

et al. 2004, Moore et al. 1999]

Das Hauptaugenmerk gilt entsprechend der Aufrechterhaltung einer ausreichenden Perfusion

in der Akutversorgung schwerer Blutungen, mit dem Ziel eine ausreichende

Gewebeoxygenierung zu sichern. In der präklinischen Phase werden daher meist

Elektrolytlösungen und ggf. kolloidale Infusionslösungen infundiert, die allerdings zusätzlich

zu einer Verdünnung der verbliebenen Gerinnungsfaktoren führen können. [Fries et al. 2005]

Alle kolloidalen Volumenersatzmittel (Hydroxyäthylstärke, HES, Gelatine) führen mit

Ausnahme von Humanalbumin neben Verdünnungseffekten zu einer Störung der

Fibrinpolymerisation. [Niemi et al. 2006, Nielsen et al. 2005, Fries et al. 2002, Innerhofer et al.

2002, de Jonge et al. 2001] Dieser Effekt ist bei höhermolekularen HES Präparaten (HES

200) ausgeprägter als bei niedermolekularen (HES 130) oder den Gelatinelösungen. Darüber

hinaus wurden bei Kolloiden eine verminderte Gerinnselfestigkeit sowie ein vermindertes

Gerinnselgewicht beschrieben. [Nielsen et al. 2004, Kohler et al. 1998] Den geringsten Effekt

auf die Gerinnung zeigen Elektrolytlösungen, bei denen lediglich Dilutionseffekte die

Gerinnung beeinträchtigen können. [Schierhout et al. 1998] Allerdings müssen um dieselben

Volumeneffekte wie mit Kolloiden zu erzielen größere Volumina infundiert werden.

[Brandstrup et al. 2003]

Ein wesentlicher bei der Infusion hoher Volumina zu beachtender Aspekt ist die

Körpertemperatur. Bei der massiven Blutung tritt in Folge des hämorrhagischen Schocks eine

bedeutsame Störung des Temperaturhaushaltes durch Wärmeverluste, Infusion kalter

Lösungen und der Autoregulation der Temperatur auf. Zwar konnten bei kardio- und

neurochirurgischen Operationen benefizielle Effekte auf das Outcome aufgezeigt werden, im

hämorrhagischen Schock und bei Massivtransfusion überwiegen aber die negativen Einflüsse

der Hypothermie eindeutig. [Hildebrand et al. 2004, Gutierrez et al. 2004, Mikhail et al. 1999]

Hypothermie beeinflusst die Gerinnung über verschiedene Mechanismen nachhaltig.

Alle enzymatischen Prozesse, so auch die der plasmatischen und zellulären Gerinnung

werden bei Hypothermie erheblich gestört. [Cosgriff et al. 1997] Ein Abfall der

Körpertemperatur um 1°C führt zu einer Abnahme der Gerinnungsfähigkeit um ca. 10%.

Entsprechend werden Temperaturabfälle bis 34° C klinisch als moderate Hypothermie und

Abfälle auf unter 30°C als schwere Hypothermie bezeichnet. Hierbei kommt es zu einem

Zusammenbruch des ATP - Metabolismus mit allen Konsequenzen für Stoffwechsel und

Gerinnung.

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Ein weiterer Faktor, der die Hämostase merklich beeinflusst ist eine Azidose, die als Folge

der verminderten Sauerstoff- und Substratversorgung der Gewebe im hämorrhagischen

Schock entsteht. [Mikhail et al. 1999, Gutierrez et al. 2004] Das Unterschreiten eines pH-

Wertes von 7,10 wird als Risikofaktor für die Entwicklung einer fulminanten

Gerinnungsstörung angesehen. [Cosgriff et al. 1997, Grottke et al. 2009]

Die Therapie der Azidose sollte zunächst durch Stabilisierung des Kreislaufes, Optimierung

der Sauerstoffversorgung und Normoventilation erfolgen. Ein Ausgleichen mit

Natriumhydrogen-carbonat erscheint erst bei pH-Werten unter 7,20 sinnvoll.

Ein wesentlicher Punkt für die Temperaturerhaltung und damit der Aufrechterhaltung, bzw.

Verbesserung der Gerinnung in der frühen Phase ist die sogenannte „Damage Control

Surgery“ bei Polytraumatisierten. [Moore et al. 1998] Hierzu gehört, dass in der Frühphase

der Versorgung nur unmittelbar lebensbedrohliche Verletzungen versorgt und chirurgische

Maßnahmen auf das absolute Mindestmaß beschränkt werden (Fixateure, Beckenzwingen,

„Package“). Ziel ist bei diesen Verfahren, lebensbedrohliche Blutungen zu stoppen,

anschließend den Patienten auf der Intensivstation zu stabilisieren (Gerinnung, Temperatur)

und zu einem späteren Zeitpunkt definitiv zu versorgen.

Insbesondere in der frühen Phase eines Polytraumas ist es sinnvoll den Blutdruck in einem

für den Patienten „optimalen“ Bereich zu halten. Das bedeutet, dass je nach Verletzung und

Vorerkrankungen, falls bekannt, auch niedrige Blutdruckwerte akzeptabel, oder sogar hilfreich

sein können. Bei Patienten mit schweren Blutungen im Bereich des Thorax, Abdomens oder

Beckens verringert sich durch einen niedrigen Blutdruck nachfolgend auch die Blutung

(physikalisch). Eine orientierende Zielgröße ist ein systolischer Blutdruck zwischen 80 und

100mmHg. Das Konzept der „permissiven Hypotension“ ist bei Vorliegen eines SHT

kontraindiziert. Im Einzelfall sollte allerdings grundsätzlich eine Risikoabwägung erfolgen.

Weitere Kontraindikationen sind kardiale oder zerebrale Ischämien akut oder in der

Vorgeschichte.

Eine frühzeitige und effektive Schocktherapie als auch die Beachtung von Faktoren, die sich

negativ auf das Gerinnungssystem auswirkend, ist für den Patienten, bzw. seine

Überlebenschancen von großer Bedeutung.

Zusammengefasst bedeutet das für die Versorgung in der Präklinik:

1. Schocktherapie durch verbesserte Oxygenierung (Sauerstoffangebot erhöhen,

Sauerstoffverbrauch senken)

2. Blutung stillen falls möglich, bzw. Blutungsrate reduzieren (Tourniquet,

Beckenkompression, permissive Hypotension, falls keine Kontraindikation)

3. Bei offensichtlicher chirurgischer Blutung schnellstmöglicher Transport

4. Infusionstherapie (je nach hämodynamischer Situation)

5. Wärmeerhalt (warme Infusionen, Decken, Folien, Temperaturadaption im RTW)

6. Tranexamsäure erwägen (je nach Situation)

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Verschiedene Maßnahmen können und sollen gleichzeitig vorgenommen werden.

33.1.3 Typische Verletzungsmuster

Während in den USA penetrierende Verletzungen (Schuss- Stichverletzungen) dominieren,

sind in Deutschland überwiegend stumpfe Verletzungen durch Verkehrsunfälle und

häusliche Unfälle (Stürze) zu verzeichnen. Bereits aus den Angaben des Unfallherganges

bzw. aus dem Unfallszenario können Rückschlüsse über den Verletzungsmechanismus

gezogen werden. Dabei ergeben sich für bestimmte Unfallmechanismen bestimmte typische

Verletzungsmuster. So ist z.B. bei der Frontalkollision ein Schädelhirntrauma häufiger mit

einem Thoraxtrauma bzw. stumpfem Bauchtrauma verbunden. Ein seitlicher Aufprall im

Fahrzeug führt oft zu Becken- oder Hüftfrakturen, zu Verletzungen der oberen Extremitäten,

kombiniert mit Halswirbelfrakturen durch entsprechende Schleuder- und Scherkräfte an der

Halswirbelsäule. Diese schweren Verletzungsmuster konnten durch die Verbesserung der

aktiven und passiven Rückhaltesysteme im Auto (Sicherheitsgurt in Kombination mit Frontal-

Seitenairbag) vermindert werden. [Pintar et al. 2000] Selten kann jedoch auch der Airbag eine

Ursache für Augen und Gesichtsschädelverletzungen, sowie Ursache für einen

Pneumothorax sein, oder in Einzelfällen für die Verletzung intraabdomineller Organe

verantwortlich sein. [Rebel et al. 1996] Beim Sturz aus großer Höhe stehen neben den oft

beobachteten Extremitätenverletzungen und Wirbelsäulenverletzungen, Dezelerations-

traumen der großen intrathorakalen Gefäße oder anderer innerer Organe im Vordergrund. Bei

Verkehrsunfällen zwischen Fußgängern und Pkws mit geringen Geschwindigkeiten sind

Frakturen der unteren Extremitäten im Zusammenhang mit Schädelhirntrauma zu erwarten.

Zusätzlich können die beschriebenen Verletzungsmuster durch weitere exogene Faktoren,

z.B. Verschmutzung der Wunden, Verbrennung, oder Unterkühlung modifiziert sein. Die

Gesamtletalität bei Polytraumatisierten bewegt sich heute zwischen 15 und 30%, wobei es

durchaus Verletzungskombinationen gibt, die eine höhere Mortalitätsrate aufweisen.

Insgesamt ist ein Schädel-Hirn-Trauma für etwa 40-50% der Todesfälle verantwortlich, eine

unstillbare Blutung für 30-40%, während ein Multiorganversagen nach Polytrauma in ca. 10-

20% zum Tode führt. [Kauvar et al. 2006, Schneider et al. 2009, Ziegenfuß et al.1998]

Das Bewusstsein über die extreme Gewalteinwirkung auf den menschlichen Organismus im

Rahmen eines Unfalls sollte den Notarzt dazu veranlassen auch „scheinbar“ unverletzte

Personen zu untersuchen und zu überwachen und ggf. in die Klinik einzuweisen.

33.2 Prioritätenkonzept

Im Rahmen der notärztlichen Versorgung vor Ort ist zunächst das Erkennen des Polytraumas

und die Bewusstmachung der vitalbedrohlichen Situation für den Patienten aber auch für

Notarzt und Rettungsassistent ein wichtiger Schritt, da die Unterschätzung der Dynamik des

Krankheitsbildes für alle Beteiligten fatal wäre. Gerade jüngere Patienten können auch bei

schwersten Verletzungen die Vitalfunktionen relativ lange kompensieren. Die diagnostischen

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Möglichkeiten des Notarztes sind im Vergleich zur Klinik gering und ergeben sich in der Regel

aus seinen fünf Sinnen, dem Stethoskop, der Blutdruckmanschette, der Pulsoxymetrie und

EKG. An einigen Standorten hat sich der Einsatz der Sonographie in der präklinischen

Diagnostik etabliert. Dabei darf allerdings die Versorgungszeit bis zur Aufnahme in einer

Klinik nicht verzögert werden.

Die Problematik beim Polytrauma liegt darin, dass die Kombination zwischen vitaler

Bedrohung und komplizierten Verletzungen mehrerer Organsysteme eine

Prioritätenfestlegung in der Diagnostik und Therapie vor dem Hintergrund eine einer äußerst

dynamischen Krankheitsentwicklung erfordert. Für die Diagnostik hat sich ein zweizeitiges

Vorgehen bewährt:

1. Diagnostik der Vitalfunktionen

2. Diagnostik der einzelnen Verletzungen

3. Reevaluierung der Parameter

33.2.1 Diagnostik der Vitalfunktionen

Wie in jeder anderen Notfallsituation auch, so ist es beim Polytrauma wichtig, die

Vitalfunktionen durch eine so genannte „Blickdiagnostik“ innerhalb 1-2 min abzuklären.

Bewusstsein

Die Überprüfung der Bewusstseinslage erfolgt durch das Ansprechen des Patienten, der

Pupillenkontrolle, der Kontrolle der Reaktion auf Ansprache, der Überprüfung der

Spontanaktivität und der Überprüfung der Reaktion auf Schmerzreiz. Beim bewusstlosen

Patienten kommt der engmaschigen Pupillenkontrolle eine entscheidende Rolle bezüglich der

Diagnostik und Überwachung intrakranieller Verletzungen zu. Die Bewusstseinslage wird

durch den Glasgow-Coma-Scale (GCS) quantifiziert und dokumentiert.

Atmung/Gasaustausch

Zur Beurteilung der Atemfunktion werden Spontanatembewegungen, Atemfrequenz und

Atemtiefe registriert, sowie nach Zeichen der Dyspnoe oder Zyanose gefahndet. Bei

Patienten mit schweren Blutungen und Anämie können Zeichen einer Zyanose fehlen. Die

arterielle Sauerstoffsättigung des Patienten wird mit der Pulsoxymetrie bestimmt. Aufgrund

der Zentralisierung und regelmäßigen Hypothermie des Patienten, kann auch die

Pulsoxymetrie als Parameter ausfallen. [Christ et al. 2004] Die Auskultation der Lunge gibt

Hinweise auf pathologische Veränderungen im Thorax (z.B. abgeschwächtes Atemgeräusch

bei Pneumothorax oder Hämatothorax). Der Einsatz des endexspiratorischen Kohlendioxids

nach endotrachealer Intubation gilt heute als Standard. Allerdings wird das exspiratorische

Kohlendioxid nicht nur vom Grad der Ventilation, sondern auch der Perfusion maßgeblich

beeinflusst. Das bedeutet, dass Patienten im Schock niedrige exspiratorische Kohlendioxid-

Werte trotz ausreichender Ventilation zeigen können. Somit sollte die Messung des

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exspiratorischen Kohlendioxids nicht nur als Messparameter für die Beatmung gesehen

werden. Da bei Patienten mit Herz-Kreislauf-Stillstand die exspiratorische Kohlendioxid

Messung aufgrund des fehlenden Kreislaufs niedrige, bzw. nicht messbare Werte anzeigen

kann, ist die Beurteilung einer korrekten endotrachealen Intubation hierdurch ggf.

eingeschränkt.

Herzkreislaufsystem

Die Situation des Herzkreislaufsystems kann durch Pulskontrolle an großen Gefäßen (A.

carotis, A. femoralis), durch Einschätzung des Kapillarpulses (capillary refill), durch

Abschätzung äußerer Blutverluste sowie durch Herzfrequenz und Blutdruck beurteilt werden.

Einen definierten Parameter zur Diagnosestellung „SCHOCK“ gibt es dabei nicht. Aufgrund

von Kompensationsmöglichkeiten, bestimmten Verletzungen (Bsp. spinale Verletzungen mit

Sympathikolyse) oder Medikamenteneinnahme (z.B. ß- Blocker) aufgrund von chronischen

Erkrankungen zeigen manche Patienten, insbesondere in der frühen Phase möglicherweise

nur geringe hämodynamische Veränderungen.

Haut

Die Haut ist ein wichtiges Organ zur Abschätzung einer Schocksymptomatik. Die Beurteilung

der Hautfarbe und Hautoberfläche können dabei Hinweise auf Anämie, Zentralisierung und

Kaltschweißigkeit geben. Wie erwähnt können Zyanosezeichen bei respiratorischer

Insuffizienz im Rahmen einer ausgeprägten Anämie fehlen.

33.2.2 Beurteilung der Verletzungen

Der Sicherung der Vitalfunktionen schließt sich eine individuelle Diagnostik der einzelnen

Verletzungen an. Dabei hat es sich bewährt, diese Ganzkörperuntersuchung nach einem

einheitlichen Schema, z.B. ZNS, Thorax, Abdomen, Extremitäten, etc. durchzuführen. Die

Erfassung von möglichen Verletzungen ist wichtig, gleichzeitig spielt beim Polytrauma der

Faktor Zeit eine mit entscheidende Rolle. D.h., dass es in der Präklinik das Ziel sein muss

sich auf die wesentlichen und lebensbedrohlichen Verletzungen und Störungen zu

konzentrieren, um den Patienten zügig einer kausalen Therapie zuführen zu können.

ZNS

Ein großer Teil der polytraumatisierten Patienten weist Verletzungen des Kopfes auf, im

Sinne eines Schädel- Hirn- Traumas. Die Vigilanz des Patienten und die Erfassung

bestimmter Hirnleistungen sind daher in der Beurteilung essentiell. Hierzu zählt unter

anderem der Wachheitsgrad des Patienten, d.h. ob er spontan die Augen öffnet, oder ob

äußere Reize notwendig sind, um eine Reaktion zu provozieren. Die verbale

Kommunikationsfähigkeit, als auch die motorische Reaktion auf Aufforderung oder auf

bestimmte äußere Reize, sind weitere Bestandteile zur Einschätzung. Dies wird orientierend

mit der Erfassung des Glasgow Coma Scale erreicht.

Aus: Kapitel 33: Polytrauma; Kursbuch Notfallmedizin (in Bearbeitung, Neuauflage 2016) Mit freundlicher Genehmigung des Deutschen Ärzteverlags

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Entscheidend ist hierbei nicht die Erfassung eines einzelnen Wertes oder Zustands, sondern

vielmehr die Beobachtung im Verlauf. Die dynamische Veränderung gibt hierbei wichtige

Hinweise auf das Vorliegen eines SHT. Gleichzeitig werden die Pupillen auf Isokorie, Größe

und Lichtreaktion getestet.

[S3- Leitlinie Polytrauma/Schwerstverletztenbehandlung 2011]

Die wiederholte Erfassung und Dokumentation von Bewusstseinsklarheit,

Bewusstseinstrübung oder Bewusstlosigkeit mit Pupillenfunktion und Glasgow

Coma Scale soll erfolgen

GoR A

Bei Verdacht auf stark erhöhten intrakraniellen Druck, insbesondere bei Zeichen

der transtentoriellen Herniation (Pupillenerweiterung, Strecksynergismen,

Streckreaktion auf Schmerzreiz, progrediente Bewusstseinstrübung), können die

folgenden Maßnahmen angewandt werden:

• Hyperventilation

• Mannitol

• Hypertone Kochsalzlösung

GoR 0

Die periphere neurologische Situation wird durch einen orientierenden neurologischen Status

überprüft. Bei der neurologischen Untersuchung muss nach Paresen, Parästhesien,

pathologischen Reflexen oder anderen Zeichen einer Rückenmarksverletzung gesucht

werden, Dieser Status schließt auch eine knöcherne Untersuchung der Wirbelsäule, sofern

möglich, mit ein, da Spontan- oder Druckschmerz Manifestationen einer

Wirbelsäulenverletzung sein können.

[S3- Leitlinie Polytrauma/Schwerstverletztenbehandlung]

Eine gezielte körperliche Untersuchung inklusive der Wirbelsäule und der mit ihr

verbundenen Funktionen soll durchgeführt werden.

GoR A

Bei bewusstlosen Patienten soll bis zum Beweis des Gegenteils von dem

Vorliegen einer Wirbelsäulenverletzung ausgegangen werden.

GoR A

Bei akuter Lebensbedrohung (z.B. Feuer/Explosionsgefahr), die nur durch

sofortige Rettung aus dem Gefahrenbereich beseitigt werden kann, soll auch bei

Verdacht auf eine Wirbelsäulenverletzung die sofortige und unmittelbare Rettung

aus dem Gefahrenbereich erfolgen, ggf. auch unter Vernachlässigung von

Vorsichtsmaßnahmen für den Verletzten.

GoR A

Die Halswirbelsäule soll vor der eigentlichen technischen Rettung immobilisiert

werden.

GoR A

Aus: Kapitel 33: Polytrauma; Kursbuch Notfallmedizin (in Bearbeitung, Neuauflage 2016) Mit freundlicher Genehmigung des Deutschen Ärzteverlags

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Da bei Mehrfachverletzten in der Regel eine erhebliche Kraft auf den Körper eingewirkt hat,

besteht grundsätzlich der Verdacht auf eine schwerwiegende Wirbelsäulen- und

Rückenmarksverletzung. Deshalb ist bei jedem Patienten eine HWS- Immobilisation, z.B.

„Stifneck®“ und eine Lagerung auf einer Vakuummatratze oder “spine board“ indiziert. Die

Rettungsmaßnahmen, Helmabnahme oder Intubation sollten immer die Verdachtsdiagnose

einer schweren Wirbelsäulenverletzung berücksichtigen und sollten deshalb so schonend wie

möglich für die Wirbelsäule durchgeführt werden.

Das Vorliegen einer Bradykardie und/oder einer Hypotension kann Zeichen einer

Sympatikolyse im Rahmen eines spinalen Traumas der Brustwirbelsäule sein.

Thorax

Beim wachen Patienten mit Vorliegen eines Thoraxtraumas zeigen sich regelmäßig

Störungen der Atemfrequenz und Dyspnoe neben Schmerzen als wichtige Symptome. Diese

sind beim bewusstlosen Patienten kaum zu eruieren. Hier liegt der Fokus auf der klinischen

Untersuchung. Diese sollte neben Auskultation der Lunge und des Herzens und der

Bestimmung der Atemfrequenz, eine Inspektion des Thorax und Untersuchung der Stabilität

des Rippenskelettes (Thoraxkompression, Krepitationen, Atemmechanik, Thoraxschmerzen,

Hautemphysem etc.) beinhalten. Insbesondere bei beatmeten Patienten ist auf die

Entwicklung eines Spannungspneumothorax bzw. Hämatopneumothorax zu achten. Bei

Patienten mit gesichertem Thoraxtrauma liegt in 9-50% der Fälle ein Pneumothorax vor. Das

Erkennen eines Pneumothorax durch Auskultation ist hierbei häufig möglich. Bei schwerem

Thoraxtrauma und ggf. beidseitig leisen Atemgeräuschen, ist auch ein beidseitiger

Pneumothorax in Betracht zu ziehen. Weitere Hinweise auf das Vorliegen eines

Pneumothorax können z.B. ein Hautemphysem darstellen.

Bei Verdacht auf einen Pneumothorax und zusätzlichem Vorliegen von schweren

respiratorischen Störungen oder einer oberen Einflussstauung, sowie einer

hämodynamischen Instabilität, sollte unbedingt an das Vorliegen eines

Spannungspneumothorax gedacht werden. Der Übergang, bzw. die Progredienz vom

Pneumothorax zum Spannungspneumothorax ist fließend und ggf. sehr zügig. Die Indikation

zur Pleuradekompression wird in der S3- Leitlinie wie folgt formuliert:

[S3- Leitlinie Polytrauma/Schwerstverletztenbehandlung]

Ein klinisch vermuteter Spannungspneumothorax soll umgehend dekomprimiert

werden.

GoR A

Ein durch Auskultationsbefund diagnostizierter Pneumothorax sollte bei

Patienten, die mit Überdruck beatmet werden, dekomprimiert werden.

GoR B

Ein durch Auskultationsbefund diagnostizierter Pneumothorax sollte bei nicht

beatmeten Patienten in der Regel unter engmaschiger klinischer Kontrolle

beobachtend behandelt werden.

GoR B

Die Entlastung eines Spannungspneumothorax sollte durch eine GoR B

Aus: Kapitel 33: Polytrauma; Kursbuch Notfallmedizin (in Bearbeitung, Neuauflage 2016) Mit freundlicher Genehmigung des Deutschen Ärzteverlags

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Nadeldekompression, gefolgt von einer chirurgischen Eröffnung des

Pleuraspaltes mit oder ohne Thoraxdrainage, erfolgen

Ein Pneumothorax sollte- sofern die Indikation besteht- durch eine

Thoraxdrainage behandelt werden.

GoR B

Die Inspektion von Prellmarken im Bereich des Thorax oder Abdomens geben weitere

Hinweise auf das Vorliegen von thorakalen oder intrabdominellen Verletzungen (Gurtmarken).

Eine Lungenkontusion kann in der Regel präklinisch nicht diagnostiziert werden, ist jedoch

bei jedem Thoraxtrauma wahrscheinlich. Bei Verletzungen der Lunge zeigt sich im Verlauf

nicht selten blutiges Sekret, bzw. Blut im Tubus. Herzrhythmusstörungen sind insbesondere

beim jungen Patienten ein Zeichen einer Contusio cordis, die in der Klinik mit

Echokardiographie und Troponin-T Nachweis gesichert werden kann. Eine therapieresistente

Hypotonie bei Thoraxtrauma oder axialen Dezelerationstraumen (Sturz aus großer Höhe,

Motorradunfälle) können auf eine Verletzung der thorakalen Aorta, respektive großer

intrathorakaler Gefäße, eine Perikardtamponade, oder eine Rückenmarksverletzung

hinweisen und erfordern einen sofortigen Transport zur definitiven Versorgung. (Abb. 33.3)

Abdomen

Bei jedem polytraumatisierten Patienten muss an ein stumpfes Bauchtrauma gedacht

werden. Auch in dieser Situation geben Prellmarken und Unfallmechanismus Hinweise auf

innere Verletzungen. Eine aussagefähige Diagnostik zu intraabdominellen Situation ist jedoch

erst in der Klinik mittels Sonographie oder Spiral-CT möglich. Ein unter adäquater

Volumentherapie nicht stabilisierbarer Kreislauf deutet auf eine Verletzung von großen

Gefäßen oder intraabdominellen parenchymatösen Organen hin und erfordert auch hier einen

unverzüglichen Transport zur chirurgischen Versorgung. Die notfallmäßige Untersuchung des

Abdomens wird durch eine Überprüfung der Beckenstabilität abgeschlossen (manuelle

Beckenkompression).

Extremitätenverletzungen

Auch wenn Extremitätenverletzungen mit Fehlstellungen von Gliedmaßen, offenen Wunden

und erheblichen Schmerzen oft dramatisch im Vordergrund stehen, spielen sie in Bezug auf

die Prognose eine eher untergeordnete Rolle. Die Untersuchung der oberen und unteren

Extremitäten verifiziert offene oder geschlossene Frakturen, Gelenks- oder

Weichteilverletzungen. Offene Frakturen bedürfen der sterilen Abdeckung bis zur definitiven

operativen Versorgung. Stark dislozierte Extremitäten oder Gelenke sollten zur

Perfusionsverbesserung, Nervenentlastung und Schmerzlinderung durch Zug entlang der

anatomischen Achse unter Analgesie und ggf. Muskelrelaxation reponiert werden (1

Versuch). Zum Transport sollten frakturierte Extremitäten stabil immobilisiert werden. Die

Untersuchung des Kopfes und des Körperstammes sollten der Untersuchung der

Extremitäten vorausgehen, Besonderheiten können sich bei Verletzungen mit starken

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Blutungen ergeben. Hierbei kann sich die Priorität in der Versorgung insoweit verschieben,

dass bei lebensbedrohlichen Blutungen, auch der Extremitäten, diese ggf. sogar abweichend

vom A-B-C-D-E Schema sofort versorgt werden sollen. Bei schweren Verletzungen, bzw.

starken Blutungen der Extremitäten wird inzwischen die Nutzung eines Tourniquets

empfohlen, um eine lebensbedrohliche Blutung zu stoppen. [Spahn et al 2013, S3 Leitlinie

Polytrauma]

33.2.3 Reevaluierung

Das Erkennen der Situation und das Einschätzen des Zustandes des Patienten ist eine

wesentliche Voraussetzung für das ärztliche Handeln und das Überleben des Patienten. Bei

Beurteilungen und Messungen von Vitalparametern handelt es sich grundsätzlich „nur“ um

Momentaufnahmen. Für eine adäquate Einschätzung des Zustandes des Patienten ist

insbesondere der dynamische Verlauf von Vitalparametern von Bedeutung. Dies gilt auch für

zunächst „scheinbar“ harmlose Verletzungen. Nicht erkannte Verletzungen und/oder

verspätete Diagnosen können in bis zu 39% der Schwerverletzten auftreten. [Pfeifer et al.

2008]

33. 3 Organisation des Einsatzes

Die grundlegende präklinische Zielsetzung ist es den Patienten schnellstmöglich in eine

geeignete Zielklinik zuzuführen. Entsprechend gilt vor Ort eine prioritätenorientierte

Behandlung vitaler Bedrohungen, sowie die Vermeidung von Sekundärschäden.

Wie sich aus der Definition des Polytraumas ergibt, besteht bei diesen Patienten eine akute

vitale Bedrohung durch gleichzeitige Verletzung von mehreren Organsystemen. Es liegt damit

eine wesentlich kompliziertere Situation vor, als bei anderen, isolierten Organerkrankungen.

Zusätzlich ist die Situation durch äußere Einflüsse (Dunkelheit, Nässe, Kälte, etc.) häufig

unübersichtlich und führt eher zur Unterschätzung der Verletzungen und der Dynamik der

Schocksymptomatik.

Für den Notarzt ergeben sich im Prinzip drei wesentliche Aufgaben:

1. Einschätzung der Eigengefährdung

2. Organisation und Strukturierung der nichtmedizinischen Hilfsmaßnahmen

3. korrekte Einschätzung des Verletzungsausmaßes und therapeutisch adäquates

Handeln

Der Notarzt verschafft sich zuerst einen möglichst vollständigen Überblick über die

Schadenslage, Zahl der Verletzten, Art des Unfalls, Gefährdung der Patienten und des

Rettungsteams durch weiter bestehende exogene Faktoren (z.B. Straßenverkehr, toxische

Gase, etc.), Zahl der zur Verfügung stehenden Rettungsmittel. Nach dieser primären

Einschätzung, die in wenigen Minuten durchgeführt sein sollte, entscheidet der Notarzt

Aus: Kapitel 33: Polytrauma; Kursbuch Notfallmedizin (in Bearbeitung, Neuauflage 2016) Mit freundlicher Genehmigung des Deutschen Ärzteverlags

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zunächst über die Nachforderung von weiteren Rettungsteams (Leitender Notarzt (LNA) und

Organisationsleiter Rettungsdienst (Org.L.) bei Großschadensfällen), Rettungsmitteln und

anderen technischen Hilfsmitteln, sofern durch die Leitstelle noch nicht alarmiert. Die

erforderliche Kommunikation mit der Rettungsleitstelle sollte der Notarzt an einen

kompetenten Rettungsassistenten delegieren. Dann beginnt die nach Behandlungsprioritäten

gestaffelte Individualversorgung der einzelnen Verletzten.

33.3.1 Ort der Erstversorgung

Eine generelle Aussage zum Ort der Erstversorgung des Patienten kann nicht gegeben

werden, da sich bei jeder Verletzung bzw. bei jedem Unfall situativ immer neue Aspekte

ergeben können. Ist eine geordnete Rettung möglich, der Transport in das Rettungsfahrzeug

ohne weitere Gefährdung für den Patienten möglich, sollte der Patient aus Gründen der

Sicherheit und zur Optimierung der medizinischen Behandlungsmaßnahmen unter

Verwendung der modernen Rettungsmittel (Schaufeltrage, Vakuummatratze, Spine board,

Stifneck®) in oder an das Rettungsfahrzeug verbracht werden. In vielen Fällen ist es jedoch

auch bei noch nicht geretteten Patienten notwendig mit der medizinischen Behandlung zu

beginnen (Sauerstoffinsufflation, Immobilisation der HWS, Intubation, ven. Zugänge,

Schmerztherapie, Anlage von Thoraxdrainagen etc.). Dabei ist es jedoch wichtig zu beachten,

dass die Einleitung der lebensrettenden Maßnahmen bei eingeklemmten Patienten oft

äußerst schwierig sein kann und ggf. eine zusätzliche Gefährdung des Notarztes bzw. des

Rettungsteams darstellt. Deshalb muss an dieser Stelle vor übereilten „heroischen“

Rettungsmaßnahmen mit erheblicher Selbstgefährdung (Straßenverkehr, Brandgefahr,

Explosionsgefahr, Gefahren der Elektrizität etc.) aufs eindringlichste gewarnt werden. Bevor

die medizinischen Interventionen durchgeführt werden können, überprüft der Notarzt die

Sicherheit der Unfall- Einsatzstelle und in Absprache mit dem Leiter der technischen Dienste

die Sicherheit der Rettungsmaßnahmen, „Eigensicherung“.

33.3.2 Kooperation mit technischen Diensten

Zur Durchführung eines adäquaten Notfalleinsatzes ist insbesondere bei polytraumatisierten

Patienten, oft eine Zusammenarbeit mit anderen Diensten (Polizei, Feuerwehr,

Technisches Hilfswerk, DLRG, Wasserwacht, etc.) erforderlich. Der Notarzt sollte sich

unmittelbar nach Ankunft an der Einsatzstelle mit der technischen Einsatzleitung (falls

vorhanden) vor Ort in Verbindung zu setzen und den Einsatz von technischem Rettungsgerät

absprechen. Bei den angesprochenen Organisationen herrscht eine große

Kooperationsbereitschaft kombiniert mit hoher technischer Professionalität vor. Dieses

Potential gilt es in Verantwortung für den Patienten möglichst optimal zu nutzen, damit die

Rettungsmaßnahmen schnell und effektiv erfolgen können.

Aus: Kapitel 33: Polytrauma; Kursbuch Notfallmedizin (in Bearbeitung, Neuauflage 2016) Mit freundlicher Genehmigung des Deutschen Ärzteverlags

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33.3.3 Transport in die Zielklinik

Nach der initialen Behandlung und Therapie Notfallpatienten, stellen sich für den Notarzt nun

folgende Fragen:

1. Zeitpunkt des Transportes, Festlegung der Transportprioritäten

2. Auswahl der Zielklinik

3. Auswahl des Transportmittels

Bei mehreren Verletzten ist eine Festlegung der Transportprioritäten indiziert. Absolute

Transportpriorität haben Patienten mit Verletzungen, die sich auch durch eine adäquate

präklinische Therapie nicht stabilisieren lassen. Ein weiterer wichtiger bzw. entscheidender

Faktor im Rahmen einer adäquaten Transportorganisation ist die Auswahl der Zielklinik.

Die Entscheidung über die Auswahl der Zielklinik obliegt dem Notarzt, da er aufgrund seiner

Kompetenz in der Lage ist, abzuschätzen, welche klinische Versorgung für den Patienten

notwendig ist. Deshalb ist es unabdingbar, dass der Notarzt über die Diagnose- und

Behandlungskapazitäten der umliegenden Akutkrankenhäuser bzw. Spezialkliniken

ausreichende Kenntnis hat. Es ist dabei wichtig, dass nicht das nächste Krankenhaus,

sondern das nächstgeeignetste Krankenhaus ausgewählt wird (z.B. bei Patienten mit SHT

sollte grundsätzlich eine Klinik mit der diagnostischen Möglichkeit einer zerebralen

Computertomographie und einer neurochirurgischen Fachabteilung gewählt werden). Ein

Transport in eine nicht geeignete Klinik hat einen erheblichen Zeitverlust bis zur adäquaten

Therapie zur Folge und führt ggf. zu einer erhöhten Sterblichkeit [Biewener et al. 2005] Die

frühe Alarmierung, bzw. Parallelalarmierung eines Rettungshubschraubers kann daher,

insbesondere in ländlichen Gebieten, einen Vorteil bedeuten.

Ein integraler Bestandteil einer adäquaten notfallmedizinischen Versorgung ist die Auswahl

eines geeigneten Transportmittels. Die wichtigste Anforderung an ein

Rettungstransportmittel ist die größtmögliche Sicherheit für Patient und begleitenden Arzt

bzw. Rettungsassistenten. Daneben sind optimale Zugangsmöglichkeiten zu dem Patienten

während des Transportes, Minimierung des Transporttraumas, Minimierung der

Transportzeiten durch verkehrsunabhängige Transportsysteme und die Verfügbarkeit rund

um die Uhr wichtige Bedingungen. Für ein Polytrauma sind ein mit Notarzt besetzter

Rettungstransportwagen (RTW), und der Rettungstransporthubschrauber (RTH) geeignet. Im

Gegensatz zu den bodengebundenen Rettungstransportmitteln ist der Rettungshubschrauber

vor allem bei längeren Einsatzwegen aufgrund der erhöhten Geschwindigkeit erheblich

schneller und unabhängig vom allgemeinen Verkehrsfluss. Ein Nachteil des

Rettungshubschraubers ist die eingeschränkte Möglichkeit eines ungehinderten Zuganges

zum Patienten, so dass wichtige therapeutische Maßnahmen (z.B. Thoraxsaugdrainage) vor

Beginn des Transportes durchgeführt werden müssen. Darüber hinaus steht der RTH in der

Regel nur tagsüber für primäre Rettungseinsätze zur Verfügung und ist nicht bei allen

Wetterverhältnissen einsetzbar.

Aus: Kapitel 33: Polytrauma; Kursbuch Notfallmedizin (in Bearbeitung, Neuauflage 2016) Mit freundlicher Genehmigung des Deutschen Ärzteverlags

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Prinzipiell sollte der Notarzt vor Beginn des Transportes in die Klinik über die Leitstelle mit der

Zielklinik Kontakt aufgenommen haben und Informationen über den Patienten an den

Aufnahmearzt gegeben haben. Je präziser und genauer die Vorinformationen der Zielklinik

ist, desto besser können die Vorbereitungen für die Patientenaufnahme koordiniert werden.

[S3- Leitlinie Polytrauma/Schwerstverletztenbehandlung]

Die primäre Luftrettung kann zur präklinischen Versorgung Schwerverletzter

eingesetzt werden, da insbesondere bei mittlerer bis hoher Verletzungsschwere

ein Überlebensvorteil resultieren kann.

GoR 0

Schwerverletzte Patienten sollten primär in ein Traumazentrum eingeliefert

werden.

GoR B

33.3.4 Übergabe in der Klinik

Die Übergabe an den aufnehmenden, teamführenden Arzt im Schockraum oder in der

Notfallaufnahme ist in kurzer, geordneter Form durchzuführen. Es ist dabei notwendig, dass

sich für die kurze Phase der Übergabe alle anwesenden Kollegen auf die Angaben des

Notarztes konzentrieren, da sonst wichtige Informationen verloren gehen „Time out“. Das

Notarzteinsatzprotokoll stellt eine wichtige Informationsquelle über den initialen Zustand

des Patienten dar und dokumentiert die sachgerechte Versorgung des Patienten. Darüber

hinaus bietet ein adäquat geführtes Notarzteinsatzprotokoll für den Notarzt Sicherheit bei

späteren Rückfragen oder juristischen Auseinandersetzungen und leistet somit einen Beitrag

zur Qualitätssicherung im Rettungsdienst.

33.3.5 Algorithmen der Polytraumaversorgung

Zahlreiche Arbeitsgruppen haben sich in den vergangenen Jahren mit der Entwicklung

geeigneter Schockraumalgorithmen beschäftigt. Dies ist unstrittig auch ein Zeichen für die

absolute Notwendigkeit nach einem strukturierten, aber auch durchführbaren Konzept.

Aufgrund der Komplexizität der polytraumatisierten Patienten und der Interdisziplinarität ist es

in jedem Fall sinnvoll vorliegende Algorithmen an die jeweiligen Bedingungen der einzelnen

Zielkliniken zu adaptieren. [Shafizadeh et al. 2010] Zu nennen sind hier neben zahlreichen

regional etablierten Algorithmen das ATLS Protokoll (USA), und den an europäische

Verhältnisse angepassten ETC (European Trauma Course). Gleichzeitig kann ein

Algorithmus die ärztliche Erfahrung im Umgang mit schwerverletzten, bzw. blutenden

Patienten nicht ersetzen, wohl aber dazu beitragen den Stress für das medizinische Team zu

reduzieren, so dass menschliche Einflüsse im Hinblick auf mögliche Fehler reduziert werden

können. Insbesondere dann, wenn Algorithmen regelmäßig trainiert werden und dabei auch

die Bedeutung menschlicher Einflussfaktoren bewusst gemacht werden. (z.B. durch CRM-

Training).

Aus: Kapitel 33: Polytrauma; Kursbuch Notfallmedizin (in Bearbeitung, Neuauflage 2016) Mit freundlicher Genehmigung des Deutschen Ärzteverlags

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33. 4 Therapieprinzipien

Während im normalen Klinikablauf therapeutische Interventionen nach ausführlicher

Diagnostik getroffen werden, gilt in der Notfallmedizin, dass Behandlungsmaßnahmen meist

vor Kenntnis der genauen Diagnose erfolgen müssen. Wie bei der Diagnostik wird auch in die

Therapie nach Prioritäten geordnet durchgeführt.

Die Wiederherstellung, Sicherung und Aufrechterhaltung der Vitalfunktionen stehen deshalb

beim mehrfachverletzten Patienten im Fokus der notärztlichen Behandlungsmaßnahmen.

Elementare Therapieprinzipien sind Sicherung der Atemwege und der Oxygenierung,

Schocktherapie, Blutstillung, Volumenersatztherapie, Immobilisation von Frakturen,

eine suffiziente Analgesie und Anästhesie, sowie Wärmeerhaltung des verunfallten

Patienten. Diese Therapiemaßnahmen tragen insbesondere in der ersten Stunde nach dem

Trauma wirkungsvoll dazu bei Morbidität und Mortalität bei Polytrauma zu reduzieren.

In diesem Zusammenhang erscheint auch eine kurze Diskussion der Kontroverse zwischen

„load and go or stay and play“ nach wie vor notwendig.

Mit dem Ausbau des Rettungssystems und den ständigen Verbesserungen des Materials,

sowie der zunehmenden Schulung von ärztlichen Kollegen, besteht die Möglichkeit

lebensrettende intensivmedizinische Therapiemaßnahmen auch beim Polytraumatisierten in

die präklinische Phase zu verlagern. Am Notfallort werden invasive Maßnahmen begonnen

um den Patienten zu stabilisieren und um die Transportfähigkeit herzustellen (“stay and

play“). Dem gegenüber steht das Konzept des möglichst schnellen Abtransportes in ein

entsprechendes Traumazentrum (““load and go“). Während in den USA nach einer primären

Versorgung (ven. Verweilkanüle, Sauerstoffinsufflation, Immobilisation) traumatisierte

Patienten in der Regel in Begleitung von Paramedics möglichst rasch in die Klinik

transportiert werden, hat sich in Deutschland ein arztgestütztes Rettungssystem mit primärer

intensiver Patientenversorgung etabliert. Während einige Studien (USA) das Konzept der

primären intensiven Versorgung vor allem wegen des Zeitverlustes (z.B. Anlage eines

venösen Zugangs: 10–12 min) und der geringen Effektivität der initialen

Volumenersatztherapie (20 ml/min kristalline Lösung) eher ablehnend beurteilen, [Smith et al.

1985, Liberman et al. 2000] oder Nachteile durch die präklinische Volumentherapie zeigen

[Bickell et al 1994] kommen verschiedene Untersuchungen zu durchaus positiven

Ergebnissen durch den intensivtherapeutische Ansatz in der präklinischen Phase. [Schmidt et

al. 1993, Rossi et al. 1997]

Der Erfolg einer vorgezogenen, an die Situation angepassten Therapie zeigt sich allerdings

nur dann, wenn dies kompetent ohne Zeitverlust erfolgt und wenn dieses Konzept im

jeweiligen Rettungssystem etabliert ist. [Lechleuthner et al. 1994] Dazu sind sowohl

entsprechende medizinische Kenntnisse und Erfahrungen beim Notarzt und

Rettungspersonal, wie auch eine ständige Übung der praktischen Fertigkeiten erforderlich.

Die schnellstmögliche Zuführung in eine geeignete Klinik bei gleichzeitiger Schocktherapie,

d.h. Verringerung des Sauerstoffverbrauchs und Erhöhung des Sauerstoffangebots scheint

sinnvoll. Ziel ist es die Progredienz des Schocks zu verringern. Dies kann zu einer

Aus: Kapitel 33: Polytrauma; Kursbuch Notfallmedizin (in Bearbeitung, Neuauflage 2016) Mit freundlicher Genehmigung des Deutschen Ärzteverlags

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Verbesserung der Behandlungsergebnisse führen. [Rossi et al. 1997] Die Alternative zum

Konzept von “load and go“, welches bei unkontrollierbarer Blutung und bei kurzen

Transportzeiten von Vorteil ist, darf daher nicht “stay and play“ heißen, sondern muss eher

mit „work and go“ im Sinne von “diagnostiziere schnell und behandle effektiv“

beschrieben werden.

33.4.1 Intubation und Beatmung

Beim Polytraumatisierten entwickelt sich aus verschiedenen Ursachen häufig eine rasch

progrediente respiratorische Insuffizienz, die eine bereits bestehende Gewebshypoxie

verstärkt und damit zur Organschädigung beiträgt. Die Sicherung der Atemwege, sowie die

Oxygenierung des Patienten stehen deshalb im Vordergrund der Primärtherapie. Ziel ist also

eine bestmögliche Oxygenierung und Ventilation durch die endotracheale Intubation, sofern

indiziert. Es geht hier um die Sicherung grundlegender Vitalfunktionen, die unmittelbar mit

dem Leben assoziiert sind. Das „A“ für Atemweg und das „B“ für Belüftung/Beatmung finden

sich in allen etablierten Standards der Traumaversorgung als erste Maßnahme und nehmen

daher einen besonderen Stellenwert in der präklinischen, als auch frühen klinischen Phase

der Traumaversorgung ein [S3- Leitlinie Polytrauma/Schwerstverletztenbehandlung 2011].

Aufgrund der verschiedenen Rettungsdienstsysteme erscheint die Bewertung internationaler

Studien zum Atemwegsmanagement schwierig. So kommen im angloamerikanischen Raum

vorwiegend sog. Paramedics zum Einsatz, während in Europa der Einsatz von Notärzten sehr

verbreitet ist. In Abhängigkeit von eingesetztem Personal und Erfahrungsgrad, findet sich in

der Literatur eine hohe Rate an oesophagealen Fehlintubationen (bis zu 12%), oder

misslungenen Intubationen (bis zu 15%). Eine Übertragung von Studienergebnissen von

einem notärztlich gestützten System, auf ein anderes System mit dem Einsatz von

medizinischem Hilfspersonal (Paramedics), ist nicht einfach möglich, nicht zuletzt aufgrund

der unterschiedlichen klinischen Routine der Anwender. Unstrittig bleibt jedoch dennoch die

Notwendigkeit mit der Auseinandersetzung mit negativen Studienergebnissen aus dem

angloamerikanischen Raum hinsichtlich Intubationserfolg, da auch in Deutschland der

Ausbildungs- und Erfahrungsstand nicht einheitlich auf wünschenswertem Stand sind und mit

der Einführung des Notfallsanitäters grundsätzlich die Frage nach einer adäquaten

Ausbildung in diesem Bereich zu hinterfragen ist. Dies gilt gleichermaßen für die notärztliche

Ausbildung in diesem sensiblen und risikobehafteten Bereich.

Die Sauerstoffaufnahme ist nur bei Sicherung des Atemwegs möglich und die endotracheale

Intubation hat gemäß den aktuell bestehenden europäischen und nicht europäischen

Leitlinien den Stellenwert eines Goldstandards.

[S3- Leitlinie Polytrauma/Schwerstverletztenbehandlung 2011].

Wenn wir davon überzeugt sind, dass eine Maßnahme einen Goldstandard darstellt, aber

dennoch eine belegbare Zahl an Fehlintubationen v.a. in der Präklinik zu verzeichnen ist, so

sollte nicht die Maßnahme an sich in Frage gestellt werden, sondern ausdrücklich Kritik an

der derzeitigen Ausbildung geübt werden. Nach Konrad et al. 1998 sind ca. 150 Intubationen

Aus: Kapitel 33: Polytrauma; Kursbuch Notfallmedizin (in Bearbeitung, Neuauflage 2016) Mit freundlicher Genehmigung des Deutschen Ärzteverlags

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notwendig, um eine Erfolgsrate von 95% zu erzielen. Um die Qualifikation Notarzt zu

erlangen werden derzeit 50 Intubationen vorausgesetzt. Da in der Präklinik und insbesondere

beim polytraumatisierten Patienten mit einem schwierigen Atemweg, z.B. aufgrund von

Blutungen, z.B. im HNO Bereich, zu rechnen ist, stellt also die Intubation tatsächlich einen

nicht unerheblichen Risikofaktor dar, wenn diese Maßnahme nicht durch innerklinische

Routine oder durch ausreichendes Training regelmäßig geübt wird. Alternative

supraglottische Atemwegshilfen, wie der Larynxtubus stellen hier eine wertvolle

Verbesserung nicht nur in der präklinischen Phase dar. [Genzwürker et al. 2002]

Insbesondere beim schwierigen Atemweg und dem Nicht- Gelingen der endotrachealen

Intubation, ist dies ggf. eine lebensrettende Möglichkeit zur Ventilation und Oxygenierung des

Patienten. Jedoch gibt es auch hierbei limitierende oder zu berücksichtigende Faktoren.

Dabei ist anzumerken, dass der Larynxtubus eine große Variabilität (7 verschiedene Größen)

besitzt und insbesondere auch bei Kindern eingesetzt werden kann. Andere supraglottische

Atemwegshilfen, wie der Combitubus spielen seit der Einführung des Larynxtubus kaum noch

eine Rolle. Die Verwendung von Larynxmasken beim schwierigen Atemweg erscheint

problematisch, da auch diese Maßnahme unbedingt ausreichend geübt werden muß. Seit

einigen Jahren etablieren sich zunehmend weitere technische Hilfsmittel zur Intubation.

Insbesondere Videolaryngoskope erfreuen sich einer zunehmenden Verbreitung. Jedoch gilt

auch für alle neuen Hilfsmittel, dass der Umgang trainiert werden sollte, um Gerät und

Technik sicher zu beherrschen. (siehe Kapitel Airwaymanagement)

Indikationen zur Intubation und Beatmung

- Schädelhirntrauma mit Bewusstseinseintrübung / Bewusstlosigkeit (GCS < 9)

- respiratorische Insuffizienz

- hämorrhagisch-traumatischer Schock

- Thoraxtrauma mit respiratorischer Insuffizienz

- ausgedehnte Gesichtsschädelverletzungen

- Verbrennungen im Bereich des Gesichtes, des Halses und der oberen Atemwege

- ausgeprägte Schmerzsymptomatik (Narkoseeinleitung zur Analgesie)

In der Regel sollte die Intubation nach der Rettung des Patienten in geeigneter Lagerung und

bei ausreichender Zugänglichkeit des Kopfes unter Berücksichtigung einer möglichen

Halswirbelsäulenverletzung durchgeführt werden. Im Einzelfall ist jedoch die Intubation als

lebensrettende Sofortmaßnahme, auch bei eingeklemmten Patienten, indiziert. Darüber

hinaus kann es notwendig sein, vor der Rettung des Patienten aus Gründen der

Schmerzbekämpfung (schmerzhafte Rettungsmaßnahmen oder Lagerungsmaßnahmen) eine

Intubationsnarkose einzuleiten. Die Narkoseeinleitung findet in der Regel in Form einer Rapid

Sequence Induction (RSI) statt, um das Risiko einer Aspiration beim vermutet nicht

nüchternen Patienten zu reduzieren. Für die Durchführung der frühzeitigen Intubation bei

polytraumatisierten Patienten ist jedoch eine ausreichende Erfahrung in dieser Technik der

Aus: Kapitel 33: Polytrauma; Kursbuch Notfallmedizin (in Bearbeitung, Neuauflage 2016) Mit freundlicher Genehmigung des Deutschen Ärzteverlags

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Notfallintubation (auch Crash-Intubation) unabdingbar. [Crosby et al. 1998] Ist eine Intubation

am Unfallort nicht möglich, kann zur ausreichenden Oxygenierung und Sicherung der

Atemwege kann ggf. auch die Durchführung einer Notkoniotomie notwendig werden.

Die Beatmung sollte immer zunächst mit einer FiO2 von 1.0 erfolgen, da damit die

physikalisch im Plasma gelöste Sauerstoffmenge, die bei ausgeprägter Blutungsanämie

entscheidend für die Gewebsoxygenierung sein kann, maximiert wird. Hinweise auf klinisch

relevante, nachteilige Effekte einer kurzfristigen Beatmung mit einer hohen inspiratorischen

Sauerstoffkonzentration (Sauerstofftoxizität, Anstieg der Sauerstoffradikale, etc.) gibt es bei

Schwerverletzten nicht. Die Patienten sollten unbedingt und ohne Ausnahme unter einer

Kontrolle des endexspiratorischen CO2 (etCO2) normoventiliert werden. Allerdings wird der

etCO2 Gehalt auch durch die Perfusion beeinflusst. D.h. niedrige etCO2 - Werte können auch

durch einen niedrigen systemischen Blutdruck verursacht werden. Eine generelle

Hyperventilation ist auch bei Patienten mit SHT nicht mehr indiziert.. Zielparameter der

präklinischen Beatmung sind: pulsoxymetrische Sauerstoffsättigung 93-98%, etCO2 35-40

mmHg.

Die positive Druckbeatmung kann über die Erhöhung des intrathorakalen Drucks zu einer

Verminderung des Preloads führen und damit Herzzeitvolumen und Blutdruck zusätzlich

beeinträchtigen. Wird PEEP angewendet, sollte dieser in Abhängigkeit von Sättigung und

Hämodynamik titriert werden.

Bei jedem Polytrauma mit Thoraxtrauma muss besonders unter maschineller Beatmung

sorgfältig auf die Ausbildung eines Pneumothorax bzw. Spannungspneumothorax

geachtet werden. Im Zweifelsfall ist bei Thoraxtrauma, unklarem Auskultationsbefund, Anstieg

des Beatmungsdruckes und Verschlechterung der hämodynamischen Situation die Anlage

von Thoraxdrainagen indiziert. (s.o.) Dies ist besonders wichtig, wenn als Transportmittel der

Rettungshubschrauber eingesetzt wird, da in diesem Rettungstransportmittel die Anlage einer

Thoraxdrainage während des Transportes in der Regel nicht möglich ist.

Kapnographie

Die Kapnographie gehört zur Standardausrüstung an anaesthesiologischen Arbeitsplätzen

und im Rettungsdienst. Im Bereich der präklinischen Versorgung ist dies, trotz Vorgabe im

Rahmen der bestehenden DIN- Normen, immer noch nicht flächendeckend der Fall. Hier

herrscht dringender Handlungsbedarf.

Die Kapnographie dient allerdings nicht nur zur Detektion der Tubuslage, sondern ist ein

maßgeblicher Faktor in der Steuerung der Ventilation. Eine suffiziente Ventilation bedeutet

eine ausreichende Zuführung von Sauerstoff und damit Oxygenierung, als auch eine

Eliminierung des Kohlendioxids. Der Kohlendioxidgehalt im Blut hat einen unmittelbaren

Einfluss auf den pH - Wert und auf die zerebrale Perfusion im Rahmen eines vorliegenden

SHT. Gleichzeitig hat eine Azidose einen negativen Einfluss auf die Blutgerinnung. Das heißt,

dass sowohl eine Hypokapnie, als auch eine Hyperkapnie ungünstig für den Schwerverletzten

Aus: Kapitel 33: Polytrauma; Kursbuch Notfallmedizin (in Bearbeitung, Neuauflage 2016) Mit freundlicher Genehmigung des Deutschen Ärzteverlags

22

sind. Der Patient soll entsprechend normoventiliert werden. Allerdings kann nicht immer direkt

vom kapnographisch ermittelten etCO2 auf das arterielle CO2 (paCO2) rückgeschlossen

werden, da dies unter anderem durch Lungenkontusionen, Atelektasen, Hypotension und

metabolischer Azidose bedingten pulmonalen Shuntfraktion beeinflusst werden kann.

D.h. der etCO2 Gehalt wird auch durch die Perfusion beeinflusst. Niedrige etCO2 - Werte

können entsprechend auch durch einen niedrigen systemischen Blutdruck verursacht werden.

[S3- Leitlinie Polytrauma/Schwerstverletztenbehandlung 2011]

Bei polytraumatisierten Patienten mit Apnoe oder Schnappatmung (AF <6) sollen

präklinisch eine Notfallnarkose, eine endotracheale Intubation und eine Beatmung

durchgeführt werden.

GoR A

Beim polytraumatisierten Patienten sollte bei folgenden Indikationen prähospital

eine Notfallnarkose, eine endotracheale Intubation und eine Beatmung

durchgeführt werden:

a) Hypoxie (SpO2<90%) trotz Sauerstoffgabe und nach Ausschluss eines

Spannungspneumothorax

b) Schweres SHT (GCS <9)

c) traumaassoziierte hämodynamische Instabilität (RRsys <90 mmHg)

d) schweres Thoraxtrauma mit respiratorischer Insuffizienz (Atemfrequenz

>29)

GoR B

Der polytraumatisierte Patient soll vor Narkoseeinleitung präoxygeniert werden. GoR A

Die innerklinische endotracheale Intubation, Notfallnarkose und Beatmung sollen

durch trainiertes und erfahrenes anaesthesiologisches Personal durchgeführt

werden.

GoR A

Notärztliches Personal soll regelmäßig in der Notfallnarkose, der endotrachealen

Intubation und den alternativen Methoden zur Atemwegssicherung

(Maskenbeatmung, supraglottische Atemwegshilfen, Notfallkoniotomie) trainiert

werden.

GoR A

Bei der endotrachealen Intubation des Traumapatienten soll mit einem schwierigen

Atemweg gerechnet werden.

GoR A

Bei der Narkoseeinleitung und endotrachealen Intubation des polytraumatisierten

Patienten sollen alternative Methoden zur Atemwegssicherung vorgehalten werden.

GoR A

Innerklinisch soll bei der Narkoseeinleitung und endotrachealen Intubation eine

Fiberoptik als Alternative verfügbar sein.

GoR A

Bei erwartet schwieriger Narkoseeinleitung und / oder endotrachealer Intubation

soll innerklinisch ein anaesthesiologischer Facharzt dieses Verfahren durchführen

bzw. supervidieren, wenn dies keine Verzögerung einer sofort lebensrettenden

Maßnahme bedingt. Es soll durch geeignete Maßnahmen sichergestellt werden,

dass ein anaesthesiologischer Facharzt im Regelfall rechtzeitig vor Ort ist.

GoR A

Nach mehr als 3 Intubationsversuchen sollen alternative Methoden zur Beatmung GoR A

Aus: Kapitel 33: Polytrauma; Kursbuch Notfallmedizin (in Bearbeitung, Neuauflage 2016) Mit freundlicher Genehmigung des Deutschen Ärzteverlags

23

bzw. Atemwegssicherung in Betracht gezogen werden.

Zur Narkoseeinleitung, endotrachealer Intubation und Führung der Notfallnarkose

soll der Patient mittels EKG, Blutdruckmessung, Pulsoxymetrie und Kapnographie

überwacht werden.

GoR A

Eine Kapnometrie / -graphie soll präklinisch bzw. innerklinisch im Rahmen der

endotrachealen Intubation zur Tubuslagekontrolle und danach zur Dislokation-

und Beatmungskontrolle angewendet werden.

GoR A

Beim endotracheal intubierten und narkotisierten Traumapatienten soll eine

Normoventilation durchgeführt werden.

GoR A

Ab der Schockraumphase soll die Beatmung durch engmaschige arterielle

Blutgasanalysen kontrolliert und gesteuert werden.

GoR A

Bei polytraumatisierten Patienten soll zur endotrachealen Intubation eine

Notfallnarkose aufgrund der meist fehlenden Nüchternheit und des

Aspirationsrisikos als Rapid Sequence Induction durchgeführt werden.

GoR A

Etomidat als Einleitungshypnotikum sollte aufgrund der assoziierten

Nebenwirkungen auf die Nebennierenfunktion vermieden werden. (Ketamin stellt

hier meistens eine gute Alternative dar)

GoR B

Zur endotrachealen Intubation sollte die Manuelle In-Line-Stabilisation unter

temporärer Aufhebung der Immobilisation mittels HWS Immobilisationschiene

durchgeführt werden.

GoR B

33.4.2 Analgesie, Anästhesie

Einen wesentlichen Beitrag zur Entwicklung und zur Aufrechterhaltung des traumatischen

Schocks leisten die durch das Trauma bedingten Schmerzen und die damit verbundene

Stresssituation für den wachen Patienten. Durch Schmerzen und Stress wird die

sympathoadrenerge Reaktion des Organismus verstärkt, der Sauerstoffbedarf und ggf. der

Hirndruck erhöht. Es ist deshalb, nicht nur aus ethischen Gründen eine der wichtigsten

Aufgaben des Notarztes, die akuten - mitunter unerträglichen - Schmerzen zu lindern. Dazu

ist es notwendig, möglichst frühzeitig (Rettungsmaßnahmen, Lagerungsmaßnahmen,

Transport) eine ausreichende Analgesie und Sedierung im Rahmen einer

Intubationsnarkose durchzuführen. Die Auswahl der zur Verfügung stehenden Medikamente

spielt dabei eher eine untergeordnete Rolle, Wichtig ist die Anpassung der Dosis an die

jeweilige hämodynamische Situation und an den individuellen Schmerzmittelbedarf (z.B. bei

Repositionsmaßnahmen) des Patienten. Als potente Analgetika bieten sich in dieser Situation

Opioide und Ketamin an, wobei beide mit einem Sedativum in der Regel einem

Benzodiazepin kombiniert werden. Zur Einleitung der Notfallnarkose wurde lange Zeit

Etomidate bevorzugt, da hier im Gegensatz zu Thiopental oder Propofol mit keiner negativ

inotropen Wirkung zu rechnen ist. Im Rahmen von verschiedenen Untersuchungen konnte

eine negative Auswirkung auf die Nebennierenrindenfunktion beim polytraumatisierten

Aus: Kapitel 33: Polytrauma; Kursbuch Notfallmedizin (in Bearbeitung, Neuauflage 2016) Mit freundlicher Genehmigung des Deutschen Ärzteverlags

24

Patienten nach Narkoseeinleitung mit Etomidat gesehen werden, was mit einer erhöhten

Mortalität beschrieben wurde. [Warner et al. 2009, Cotton et al. 2008] Insoweit soll auf den

Einsatz von Etomidat zur präklinischen Narkoseeinleitung beim Polytrauma verzichtet

werden. Entsprechend wurde dies in der S3- Leitlinie formuliert. Als Alternative wird Ketamin,

bzw. Esketamin genannt. Insgesamt sind jedoch alle Umstände im Einzelfall zu bewerten.

Dies kann auch bedeuten, dass eine Verwendung von Etomidat sinnvoll erscheinen kann.

Befragungen von Notärzten und Verbrauchslisten zeigen, dass Etomidat weiter häufig zur

Narkoseeinleitung beim Polytrauma verwendet wird. Muskelrelaxanzien können zur

Erleichterung der maschinellen Beatmung beim ausreichend sedierten Patienten eingesetzt

werden. Nach Analgesie kommt es zu einer verminderten Ausschüttung von Katecholaminen

aufgrund der reduzierten Sympathikusreaktion. Veränderungen der Herzfrequenz und des

Blutdrucks sind häufig zu beobachten. Nicht selten detektiert sich ein durch endogene

Katecholamine kompensierter Schock nach Gabe von Opioiden. Diese Reaktion ist ggf. bei

Einsatz von Ketamin durch Freisetzung von Noradrenalin durch Sympathikusaktivierung

weniger ausgeprägt. Seit Anfang des Jahres 2015 ist auch eine S1- Leitlinie mit

Handlungsempfehlungen zur prähospitalen Notfallnarkose beim Erwachsenen verfügbar.

[Bernhard et al. 2015]

33. 4. 3 Volumenersatztherapie

Der hämorrhagisch-traumatische Schock steht in der Initialphase des Polytraumas im

Vordergrund. Im Rahmen des traumatisch-hämorrhagischen Schocks kommt es aufgrund der

Minderperfusion zu einem Missverhältnis zwischen Sauerstoffangebot- und bedarf im

Gewebe. Ziel einer Volumentherapie sollte entsprechend eine Verbesserung der Perfusion

und der Mikrozirkulation sein. Die exakte Beurteilung von Ausmaß und Dauer des Schocks

ist nicht einfach, da weder der externe Blutverlust noch der Verlust in große Körperhöhlen

wirklich quantifizierbar ist. Letztlich sollte man bei polytraumatisierten Patienten grundsätzlich

davon ausgehen ist, dass ein erheblicher Blutverlust vorliegt. Insbesondere jüngere Patienten

können durch die sympathoadrenerge Reaktion relativ lange eine „stabile

Makrohämodynamik“ aufrechterhalten, was zu einer Verschleierung eines bereits erheblichen

Volumendefizites führt. Da invasive Parameter, wie intrathorakales Blutvolumen (ITBV),

zentraler Venendruck (ZVD) oder die zentralvenöse Sättigung (ScvO2) zur Abschätzung der

Volumensituation nicht vorliegen, müssen klinische Zeichen, wie anhaltende Hypotonie,

Tachykardie, Desorientiertheit, Blässe, Kaltschweißigkeit, Verletzungsmuster und

Unfallmechanismus zur Beurteilung herangezogen werden. Als präklinisches Monitoring der

Volumensituation dienen systolischer Blutdruck, Herzfrequenz und das kapilläre Refilling,

sowie die einfache Pulskontrolle. Ziel der präklinischen Volumenersatztherapie ist die

Wiederherstellung eines systolischen Blutdrucks von 80 - 100 mmHg und einer Herzfrequenz

von 100/min. sofern nicht das Vorliegen einer schweren Schädel-Hirn-Verletzung einen

höheren zerebralen Perfusionsdruck erfordert. [Rossaint et al. 2010]

Aus: Kapitel 33: Polytrauma; Kursbuch Notfallmedizin (in Bearbeitung, Neuauflage 2016) Mit freundlicher Genehmigung des Deutschen Ärzteverlags

25

Für das Polytrauma ist eine Volumenersatztherapie über mehrere (sofern möglich)

großvolumige periphere Zugänge von großer Bedeutung. Bei Nichtgelingen kann eine

intraossäre Nadel via entspr. Bohrer und System (Bsp. EZ IO Fa. Vidacare®) eingebracht

werden, bzw. zentralvenös ein Zugang geschaffen werden. Zeitverluste durch frustrane

Versuche sollten unbedingt vermieden werden. Hinsichtlich der Wahl der zu verwendeten

Infusionslösung wird nach wie vor kontrovers diskutiert. So zeigte Velanovich 1989 in einer

Meta- Analyse bei Traumapatienten eine Reduktion der Mortalität um 12,3% im Falle einer

Volumentherapie mit Kristalloiden. Auch Choi 1999 postulierten eine geringere Mortalität bei

der Verwendung von Kristalloiden. Eine Chochrane Analyse von 2008 ergab keinen

Unterschied zwischen Kolloiden und Kristalloiden beim Trauma [Bunn et al 2008]. Insoweit

folgerten die Autoren, dass auf Kolloide auch verzichtet werden könne. Zudem zeigt sich in

zahlreichen Untersuchungen ein negativer Einfluss auf das Gerinnungssytem. Auch konnte

die Überlegenheit einer bestimmten kolloidalen Volumenersatzlösung bislang nicht gezeigt

werden. [Bunn et al. 2003] Aufgrund der weniger ausgeprägten Einflüsse von

niedermolekularem HES auf das Gerinnungssystem, sollte bei Verwendung von kolloidalen

Lösungen HES 130 verwendet werden. [S3- Leilinie Polytrauma,

Schwerstverletztenbehandlung 2011, Fries et al. 2015] Über einige Jahre wurden hypertone

Kochsalzlösungen mit Kolloidanteil (z.B. Hyperhaes) im Rahmen der „Small Volume

Resuscitation“ in der Notfalltherapie eingesetzt. Mit diesen Lösungen war es grundsätzlich

möglich, mit einer geringen, schnell injizierbaren Flüssigkeitsmenge (4ml/kg KG) über 2-4

min. einen deutlich größeren Volumeneffekt zu erzielen. Durch die Bolusinjektion der

hypertonen Kochsalzlösung (Osmolarität ca. 2400 mosmol) kommt es zur Ausbildung eines

osmotischen Gradienten zwischen Intravasal- und Extravasalraum, welcher zu einer

Mobilisation von Flüssigkeit aus den Erythrozyten, dem Interstitium und besonders aus

geschwollenen Endothelzellen nach intravasal führt. Dadurch kommt es neben einer raschen

Stabilisierung der Makrozirkulation zu einer Verbesserung der nutritiven Gewebeperfusion auf

der Ebene der Mikrozirkulation, was günstig bezüglich der Prävention von Sekundärfolgen

erscheint. [Kreimeier et al. 1997, Kreimeier et al 2002, Ragaller et al. 2001, Gurfinkel et al.

2003] Eine Metaanalyse von Wade C. et al. zeigte eine 3,5%ige Reduktion der Letalität durch

die Anwendung von hypertoner Kochsalzlösungen im Schock. [Wade et al. 1997] Hypertone,

kolloidale Lösungen sind somit über den reinen Volumeneffekt hinaus spezifisch wirksame

Substanzen im Schock. Zur weiteren nachhaltigen Stabilisierung ist nach erfolgter Small

Volume Resuscitation eine Fortführung der konventionellen Volumenersatztherapie unter

hämodynamischen Monitoring erforderlich. [Kreimeier et al. 2002] Insgesamt führten

zahlreiche kontrollierte Untersuchungen zu unterschiedlichen Ergebnissen. Bunn et al.

untersuchten 2004 in einer Chochrane Analyse hypertone versus isotone Lösungen. Die

Autoren kamen zu der Schlussfolgerung, dass die Datenlage noch nicht ausreiche, um

abschließend ein Urteil über hypertone Lösungen zu fällen. Im Rahmen der Behandlung des

SHT beschreiben einige Untersuchungen eine senkende Wirkung eines gesteigerten

Hirndrucks nach der Applikation von hypertonen Lösungen [Hartl et al. 1997, Kempski et al.

Aus: Kapitel 33: Polytrauma; Kursbuch Notfallmedizin (in Bearbeitung, Neuauflage 2016) Mit freundlicher Genehmigung des Deutschen Ärzteverlags

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1996, Schwarz et al. 1998]. In anderen Untersuchungen bei Patienten mit SHT und dem

Vorliegen einer hypotonen Kreislauf- Situation, konnten keine Vorteile für die Verwendung

von hypertonen Infusionslösungen gezeigt werden. [Cooper et al. 2004] Aufgrund von

Zulassungsveränderungen durch das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte

(BfArM) stehen dem deutschen Markt derzeit hypertone, hyperonkotische Lösungen nicht

mehr zur Verfügung (z.B. Hyperhaes®, Rescueflow®). Der Einsatz von hypertonen Lösungen

bleibt weiter umstritten und ist derzeit nur mit hypertonen NaCl- Lösungen außerhalb der

Zulassung (off label use) möglich.

Insgesamt kann durch eine maßvolle präklinische Volumentherapie die Überlebensrate beim

schwerstverletzten Patienten erhöht werden. [Hampton et al. 2013]

Innerhalb der Erstversorgung eines Schwerstverletzten, bzw. beim hämodynamisch instabilen

Traumapatienten, können 500 – 1500 ml kristalline Lösungen appliziert werden

(Druckinfusion). Falls nicht ausreichend können auch kolloidale Lösungen verabreicht

werden. Aufgrund der großen Variabilität der Verletzungen kann es keine definierte

Volumenmenge als Empfehlung geben. Vielmehr sollten Indikatoren einer vorhandenen

Perfusion, wie ein tastbarer peripherer Puls, eine peripher abgeleitete Pulsoxymetriekurve,

ein „capillary refill“, sowie ein adäquater endexpiratorischer Kohlendioxidgehalt neben dem

Blutdruck als Verlaufskriterium gewertet werden. Je schwerer Trauma und Schock sind, desto

ausgeprägter kann die Notwendigkeit einer Volumenersatztherapie sein.

Da beim polytraumatisierten häufig der Verdacht schwerer (ggf. chirurgischer) Blutungen

besteht, sollte der Fokus nicht auf eine Volumengabe vor Ort, sondern vielmehr während des

Transportes erfolgen, um den Patienten einer kausalen Therapie zuzuführen. Dies bedeutet

auch das Akzeptieren von niedrigen Blutdruckwerten von ca. 80 mmHg syst. (Konzept der

permissiven Hypotension). [Kreimeier et al. 2002] Hierbei ist der Blutverlust durch den

niedrigen Blutdruck verringert. Nach kausaler chirurgischer Blutstillung kann der Blutdruck

dann angehoben werden. Bei Patienten mit gleichzeitigem Schädel-Hirn-Trauma sollte dieses

Konzept jedoch nicht eingesetzt werden, da hier der zerebrale Perfusionsdruck nicht

ausreichend wäre. [Chesnut et al. 1993] Im Gegenteil: Bei schweren SHT kann es sogar

notwendig sein, den Blutdruck mit Volumen und ggf. Katecholaminen anzuheben, um einen

ausreichenden Perfusionsdruck zu gewährleisten. Zu diesem Zweck können

vasokonstriktorisch wirkende Katecholamine wie Noradrenalin eingesetzt werden. Die Gabe

dieser hochpotenten Substanz sollte jedoch unbedingt über eine exakte Spritzenpumpe

(Perfusor) erfolgen. Bei gleichzeitigen schweren Verletzungen des Schädels und des Thorax,

Abdomens oder Beckens ist dies nachvollziehbar ein Dilemma. Hier bleibt in der

präklinischen Phase nur nach momentaner Priorität der Verletzungen und der daraus vitalen

Gefährdung zu entscheiden.

In der S3- Leitlinie wird hinsichtlich der Empfehlung zur Volumentherapie formuliert, dass

Patienten mit normotensiven Kreislaufwerten keiner Volumentherapie bedürfen, es sollen

aber venöse Zugänge gelegt werden. Wichtig erscheint hierbei die Erfassung von möglichen

Aus: Kapitel 33: Polytrauma; Kursbuch Notfallmedizin (in Bearbeitung, Neuauflage 2016) Mit freundlicher Genehmigung des Deutschen Ärzteverlags

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dynamischen Veränderungen der Situation. Alle Messwerte und subjektiven Eindrücke zum

Zustand des Patienten sind lediglich Momentaufnahmen und bedürfen einer fortwährenden

Überprüfung.

[S3- Leitlinie Polytrauma/Schwerstverletztenbehandlung]

Bei schwer verletzten Patienten sollte eine Volumentherapie eingeleitet werden, die

bei unkontrollierbaren Blutungen in reduzierter Form durchgeführt werden sollte,

um den Kreislauf auf niedrig-stabilem Niveau zu halten und die Blutung nicht zu

verstärken.

GoR B

Bei hypotensiven Patienten mit einem SHT sollte eine Volumentherapie mit dem

Ziel der Normotension durchgeführt werden.

GoR B

Normotensive Patienten bedürfen keiner Volumentherapie, es sollten jedoch

venöse Zugänge gelegt werden.

GoR B

Zur Volumentherapie beim Traumapatienten sollten Kristalloide eingesetzt werden. GoR B

Isotone Kochsalzlösungen sollten nicht verwendet werden, Ringer-Malat, alternativ

Ringer Acetat oder Ringer-Laktat, sollte bevorzugt werden.

GoR B

Humanalbumin soll nicht zur präklinischen Volumentherapie herangezogen werden. GoR A

Werden bei hypotensiven Traumapatienten kolloidale Lösungen eingesetzt, sollte

Haes 130/0,4 bevorzugt werden.

GoR B

Beim polytraumatisierten Patienten nach stumpfen Trauma mit hypotonen

Kreislaufverhältnissen können hypertone Lösungen verwendet werden.

GoR 0

Bei penetrierendem Trauma sollten hypertone Lösungen verwendet werden, sofern

hier eine präklinische Volumentherapie durchgeführt wird.

GoR A

Bei hypotonen Patienten mit schwerem SHT kann eine hypertone Lösung

verwendet werden.

GoR 0

Anti- Schock Hosen sollen zur Kreislaufunterstützung bei Polytrauma- Patienten

nicht eingesetzt werden.

GoR A

Die Behandlung des traumatisch-hämorrhagischen Schocks beruht auf 3

Grundpfeilern:

1. Blutstillung

2. Sauerstoffverbrauch senken

3. Sauerstoffangebot im Gewebe erhöhen

Die Blutstillung kann in der Regel an Extremitäten durch Anlegen eines suffizienten

Druckverbandes erreicht werden. Gelegentlich ist eine digitale Kompression der großen

Arterie oder ein Abbinden einer Extremität zur Blutstillung erforderlich, sollte aber bei nicht

ausreichender Blutungsverringerung durch Kompression zeitnah in Erwägung gezogen

werden. Einen erheblichen Beitrag zur Blutstillung leistet die adäquate Lagerung und

Immobilisierung von Frakturen (Vakuummatratze, Schienung, etc.). Hinsichtlich der

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Anwendung von Antischockhosen (MAST) zur Blutstillung bzw. Schocktherapie,

insbesondere bei Verletzungen an der unteren Körperhälfte wird empfohlen diese nicht

einzusetzen [Dickinson et al. 2000, S3- Leitlinie Polytrauma/Schwerstverletztenbehandlung

2011].

Die Kompression des Beckens bei entsprechender Instabilität kann einen wichtigen Beitrag

zur Reduzierung des Blutverlustes leisten. Hierzu können z.B. pneumatische Beckenzwingen

oder andere Hilfsmittel eingesetzt werden. Auch ein einfaches längsgefaltetes Laken kann

durch Umschlagen um das Becken und diagonalen Zug eine Verbesserung bewirken.

Dennoch steht bei allen Situationen mit Blutung klar der Transport in eine geeignete Zielklinik

ohne unnötige Zeitverluste im Vordergrund, um eine kausale, d.h. chirurgische Blutstillung zu

ermöglichen. [Raum et al. 2009]

Der Sauerstoffverbrauch kann durch Reduzierung von Schmerzen und Stress entscheidend

gesenkt werden. In der Praxis bedeutet dies eine suffiziente Analgesie und Sedierung, bzw.

Narkose. Durch die Verminderung der sympatikoadrenergen Streßreaktion kann es zum

Abfall des systemischen Blutdrucks kommen. Letztlich zeigt sich hierdurch die tatsächliche

Kreislaufsituation ohne vermehrte endogene Katecholaminausschüttung. Auch bei

bewusstlosen Patienten kann und soll der Sauerstoffverbrauch durch Einsatz von

Narkosemedikamenten gesenkt werden. Insbesondere bei Patienten mit schweren SHT ist

dies Grundlage der präklinischen Behandlung.

Die Erhöhung des Sauerstoffangebotes im Gewebe kann neben anderen Maßnahmen

durch die Gabe von Sauerstoff an sich erfolgen. Beim spontan atmenden Patienten zunächst

via Insufflation bis zur Durchführung einer Intubation mit anschließender inspiratorischer

Sauerstoffkonzentration von 100 %. Hierdurch wird auch der Anteil des physikalisch gelösten

Sauerstoffs erhöht, was einen wichtigen Beitrag zur Schockbehandlung darstellt.

Die Gabe von Erytrozytenkonzentraten zur Verbesserung des Sauerstofftransportmediums ist

erst in der Klinik möglich. Künstliche Sauerstoffträger stehen im klinischen Alltag aber nicht

zur Verfügung. Für das Erreichen der noch vorhandenen Erythrozyten im Gewebe ist eine

bestimmte Viskosität und ein gewisser Druck erforderlich. Orientierend werden in 100 ml Blut

ca. 20 ml Sauerstoff transportiert. Bei starkem Blutverlust mit Hypovolämie erniedrigt sich

insgesamt die Transportkapazität von Sauerstoff. Daher kommt dem Anteil des im Blut

gelösten Sauerstoffs eine höhere Bedeutung beim blutenden Patienten zu. Zudem wird auch

die Viskosität des Blutes negativ beeinflusst. Die Gabe von Infusionsflüssigkeit ist daher ein

wichtiger Bestandteil der Gewebeoxygenierung. Dennoch ist die Volumentherapie im

präklinischen Bereich vor chirurgischer Blutstillung nicht unkritisch, da durch Dilutionseffekte

und weiteren Einflüssen auf die Blutgerinnung, wie Fibrinpolimerisationsstörungen auch

nachteilige Effekte zu berichten sind. Ziel der Volumen- oder Flüssigkeitstherapie ist daher

nicht die Applikation einer bestimmten Menge, sondern das Aufrechterhalten einer Perfusion

und Oxygenierung. Dabei sind ein peripher tastbarer Puls, eine messbare Sauerstoffsättigung

Aus: Kapitel 33: Polytrauma; Kursbuch Notfallmedizin (in Bearbeitung, Neuauflage 2016) Mit freundlicher Genehmigung des Deutschen Ärzteverlags

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peripher, ein messbares endtidales Kohlendioxid, oder ein „capillary refill“ positive Merkmale.

Der gemessene Blutdruck gibt weitere Hinweise auf den Stand der momentanen

Kreislaufsituation. Dabei ist der Verlauf an sich ebenfalls ein wichtiger Parameter.

33.4.4 Therapeutische Ansätze in der frühen Phase der Behandlung der

Koagulopathie

Auch wenn eine spezifische Gerinnungstherapie in der präklinischen Phase derzeit nicht

möglich ist, so ist die Kenntnis der pathophysiologischen Vorgänge der Gerinnungsstörung

beim Polytrauma wichtig. So gibt es zahlreiche Faktoren in der präklinischen Phase, die die

Blutgerinnung beeinflussen. Durch das Verständnis dieser Zusammenhänge gilt es die

negativen Auswirkungen so klein, wie möglich zu halten.

Bei der Therapie der Koagulopathie infolge massiven Blutverlustes hat die primär

chirurgische Blutstillung die höchste Priorität. [Rossaint et al. 2010] Da alle gerinnungsaktiven

Plasmabestandteile in der Frühphase der Blutung verloren gehen, erscheint der Ersatz mit

fresh frozen plasma (FFP) in der Regel die erste Wahl zu sein. Aus dem Ablauf der

plasmatischen Gerinnung lässt sich jedoch begründen, dass primär Fibrinogen in größeren

Mengen verloren geht, respektive verbraucht wird. [Fries et al. 2005, White et al. 2010] Der

akute Fibrinmangel kann aber kurzfristig nicht durch FFP- Präparate ersetzt werden (hohe

Volumenmenge, Zeitverzögerung durch Auftauen etc.), so dass die Applikation von

Fibrinogenkonzentraten eher pathophysiologisch sinnvoll erscheint und daher primär erfolgen

sollte. [Schöchl et al. 2010, Fries et al 2010]. Nach derzeitigen Erfahrungen sind

Fibrinogenspiegel von 2 – 3 g/l sinnvoll. Unterhalb einer Plasmakonzentration von 1,5 – 2g

wird die initiale Substitution von 3 – 4 g Fibrinogen empfohlen. [Rossaint et al. 2010]

Neuere Diagnoseverfahren wie die Rotationsthrombelastographie können helfen, solche

Fibrinogenmangelblutungen zu detektieren und gezielt zu therapieren. [Schöchl et al. 2010]

Mit diesem Verfahren kann darüber hinaus eine schnelle Differentialdiagnostik zwischen

Fibrinogenmangel und einer Hyperfibrinolyse erfolgen. Insbesondere bei Polytraumatisierten

ist das Auftreten einer Hyperfibrinolyse häufig. Die frühe Gabe von Antifibrinolytika wie

Tranexamsäure kann daher auch ohne Vorliegen von Labortests beim polytraumatisierten

Patienten mit schweren Blutungen, auch bereits präklinisch, sinnvoll sein. [CRASH-2

Colaborators 2010, Spahn et al 2013]

Bei der Therapie der Blutung und Gerinnungsstörung ist zusätzlich wichtig aufgrund der

Interaktion zwischen Erythrozyten und Thrombozyten auf einen ausreichenden Hämatokrit zu

achten. Die Beurteilung von Hämatokrit und Hämoglobingehalt sollte bei der schweren

Blutung daher nicht ausschließlich vom Aspekt der ausreichenden

Sauerstofftransportkapazität, sondern auch aus der Sicht der primären Hämostase in die

therapeutischen Strategien mit einbezogen werden.

Die Zahl der Thrombozyten sollte lt. BÄK 100000 nicht unterschreiten. Gleichzeitig wird ein

Hb Gehalt von 7 – 9 g/dl als primäres Ziel empfohlen. [Rossaint et al. 2010] Absolute

Aus: Kapitel 33: Polytrauma; Kursbuch Notfallmedizin (in Bearbeitung, Neuauflage 2016) Mit freundlicher Genehmigung des Deutschen Ärzteverlags

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Thrombozytenzahlen sind für die Beurteilung der Gerinnbarkeit allerdings wenig zielführend,

da die Aggregationsfähigkeit ebenfalls temperaturabhängig ist.

In jedem Fall sollte eine Hypothermie des Patienten vermieden werden, da hierdurch die

Blutgerinnung erheblich negativ beeinflusst wird. Nahezu alle Patienten mit schwerem

Trauma sind unterkühlt. Da ein Aufwärmen kaum gelingt gilt es ein weiteres Auskühlen zu

verhindern. Dies sollte auch unbedingt ein Ziel in der Präklinik sein. Die Behandlung einer

Azidose als weiterer Faktor einer Koagulopathie sollte durch eine adäquate Ventilation

unterstützt werden. Die Gabe großer Mengen kolloidaler Infusionsflüssigkeit ist hinsichtlich

der negativen Effekte auf die Gerinnung beim Polytrauma zu überdenken.

[Rossaint et al. 2010, Lison et al. 2009, Spahn et al. 2005]

33.4.5 Der traumatisch bedingte Herz- Kreislauf- Stillstand

In den vergangenen Jahren wurden Reanimationsversuche bei Patienten mit Herz- Kreislauf-

Stillstand aufgrund eines Traumas als aussichtslos erachtet. So wurde auch im Kursbuch zur

präklinischen Traumaversorgung (PHTLS) formuliert, dass Reanimationsbemühungen

unterlassen werden können, wenn Patienten bei Ankunft pulslos und apnoeisch sind [NAEMT

2012]. Durch Reevaluierung früherer Studienergebnisse und weiterer Erkenntnisse der

letzten Jahre, scheint sich aber die Überlebensrate von Patienten mit traumatisch bedingten

Herz- Kreislauf- Stillstand verbessert zu haben. Insbesondere dann, wenn potentiell

reversible Ursachen vorliegen. Diese müssen frühestmöglich erkannt und therapiert werden-

im Wesentlichen zeitgleich mit Wiederbelebungsmaßnahmen. Die Prognose erscheint hierbei

zwar nach wie vor schlechter, als bei Herz- Kreislauf- Stillstand aus kardialer Ursache, ist

aber keineswegs frustran. [Gässler et al. 2015] Zudem besteht die Möglichkeit, dass eine

nicht- traumatische Ursache (z.B. Herzinfarkt) vorliegt und hierdurch ein Unfallgeschehen

nach sich gezogen hat. Wenn es um den einzelnen schwerverletzten Patienten mit Herz-

Kreislauf- Stillstand geht, ist eine CPR insoweit indiziert. Ausnahmen hierbei können das

Vorliegen von mit dem Leben nicht vereinbaren Verletzungen sein, oder eine größere Anzahl

an Verletzten, bei gleichzeitig nicht ausreichenden rettungsdienstlichen Ressourcen.

Entsprechend wurde auch in den Leitlinien zur CPR der Algorithmus zum Vorgehen beim

TCA neu aufgenommen. [Truhlàr et al. 2015]

Folgende Ursachen des traumatisch bedingten Herz- Kreislauf- Stillstands konnten in

verschiedenen Untersuchungen identifiziert werden [Rosemurgy et al.1993, Kleber et al.2014]

Hypovolämie oder Verbluten

Schweres Schädel- Hirn- Trauma

Spannungspneumothorax

Pneumothorax / Hämatothorax

Hypoxie

Herzbeuteltamponade

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Lungenembolie

Arrhythmien

Unbekannte Ursachen

Nach dem Erfassen des Herz- Kreislauf- Stillstandes und dem Beginn der CPR, ist es beim

Traumapatienten essentiell nach potentiell reversiblen Ursachen zu fahnden und diese

konsequent zu therapieren, bzw. ein Therapieversuch einzuleiten. [S3- Leitlinie

Polytrauma/Schwerstverletztenbehandlung 2011] Bei Vorliegen einer Hypoxie (auch

Verdacht) ist die Atemwegssicherung (Intubation) und Beatmung eine der wichtigsten

Maßnahmen. Bei Patienten mit ausgeprägter Anämie können typische Zyanosezeichen

fehlen. Aufgrund der Zentralisierung des Kreislaufs und ausgekühlter Extremitäten fällt die

Sauerstoffsättigung als Überwachungsmethode und diagnostische Hilfe häufig aus. Das

Erkennen einer möglichen Hypoxie ist daher nicht immer einfach. Die Erfassung der

Atemfrequenz und Mechanik, als auch der Atemtiefe beim spontanatmenden Patienten, als

auch die Auskultation und die Inspektion des Hautkolorits spielen hier ein große Rolle. Bei

Atem, - bzw. Herz- Kreislauf- Stillstand muß immer von einer Hypoxie- Situation

ausgegangen werden und entsprechende Maßnahmen eingeleitet werden.

Bei Vorliegen eines Spannungspneumothorax sind suffiziente Thoraxkompressionen im

Rahmen der Reanimation kaum möglich. Ebenso ist eine Oxygenierung, je nach noch zur

Verfügung stehender Gasaustauschfläche der Lunge, eingeschränkt bis unmöglich. Hier ist

die Pleuraeröffnung und Entlastung absolut indiziert. Die Diagnose eines Pneumothorax, bzw.

Spannungspneumothorax im Rahmen einer Reanimationssituation ist ebenfalls erschwert,

aber möglich. Hier sind v.a. die Auskultation und Perkussion wichtig. Beim Intubierten ist

hierbei auf eine korrekte Tubuslage zu achten, da bei zu tief liegendem Tubus ggf. durch die

hierdurch eingeschränkte oder fehlende Ventilation einer Seite, fälschlicherweise auf einen

Pneumothorax geschlossen werden könnte. Weitere Hinweise sind das Vorliegen von

Hautemphysem, obere Einflussstauung, sowie Verletzungen, die einen Pneumothorax

vermuten lassen. (z.B. Rippenserienfrakturen)

Bei Hypovolämie durch äußere Blutungen ist eine Blutstillung, bzw. Reduzierung der Blutung

wichtig. Bei Blutungen an den Extremitäten ist, insbesondere im Rahmen von

Reanimationsbemühungen, ein Tourniquet sinnvoll. Bei instabilen Beckenfrakturen (auch

Verdacht), ist die Nutzung von Beckenkompressionen möglich, um durch die Kompression

eine Reduzierung der Blutung zu erreichen. Dabei ist unbedingt auf die Zeit zu achten. Ein

Verzug ist für den Patienten in jedem Fall nachteilig. Bei Blutungen parenchymatöser Organe,

bzw. inneren Blutungen ist eine Blutstillung oder Reduzierung der Blutung in der präklinischen

Phase nicht möglich. Hier gilt es v.a. die Möglichkeit derartiger Verletzungen zu erfassen.

Grundsätzlich kann dies bei chirurgischen Blutungen bedeuten, den Patienten unter

Reanimationsmaßnahmen schnellstmöglich in eine geeignete Klinik, bzw. Traumazentrum zu

transportieren, um die Möglichkeit einer chirurgischen Blutstillung einerseits und dem Ersatz

von Sauerstoffträgern andererseits zu erhalten. Die Entscheidung für oder gegen einen

Aus: Kapitel 33: Polytrauma; Kursbuch Notfallmedizin (in Bearbeitung, Neuauflage 2016) Mit freundlicher Genehmigung des Deutschen Ärzteverlags

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Transport unter Fortführung einer begonnenden Reanimation, muss so früh wie möglich

getroffen werden, wenn dies eine Chance auf Erfolg haben soll. Um einen Transport unter

laufender Reanimation mit hoher Qualität der Wiederbelebungsmaßnahmen zu

gewährleisten, können mechanische Reanimationsgeräte eine wichtige Rolle spielen. Eine

entsprechende Voranmeldung an die aufnehmende Klinik ist äußerst wichtig.

33.5 Zusammenfassung

Für die Behandlung des Polytraumas ist aufgrund der Komplexität der Verletzungen das

Wissen über Diagnostik und Therapie der einzelnen Verletzungen nicht ausreichend, da sich

die Verletzungen nicht einfach aufsummieren lassen, sondern potenzieren und eine vitale

Bedrohung für den Gesamtorganismus darstellen. In der Konsequenz sollten daher die

multiplen Interaktionen der einzelnen Verletzungen mit den Vitalorganen beurteilt werden und

in die diagnostischen und therapeutischen Maßnahmen integriert sein. Darüber hinaus

unterliegen alle medizinischen Anstrengungen dem Zeitfaktor der maßgeblich über Erfolg und

Misserfolg der präklinischen Behandlungsmaßnahmen entscheidet (“Golden hour in Shock“).

In der präklinischen Versorgung ist der Fokus auf die Wiederherstellung und

Aufrechterhaltung der Vitalfunktionen und den zeitnahen Transport in eine geeignete Klinik

gerichtet. Neben der Blutstillung steht dabei die Schocktherapie durch Senkung des

Sauerstoffverbrauchs sowie die Erhöhung des Sauerstoffangebots im Vordergrund. Das

beinhaltet eine suffiziente Analgesie, bzw. Anaesthesie zur Reduzierung der

sympatikoadrenergen Reaktion, sowie eine Normo-Ventilation und Oxygenierung als auch die

Gabe von Infusionsflüssigkeit. Eine Hypothermie sollte aufgrund der negativen Effekte auf die

Blutgerinnung verhindert, bzw. ein progredientes Fortschreiten der Auskühlung des Patienten

verringert werden.

Zur Reduzierung von Hektik, Chaos, Verzögerungen und Fehlentscheidungen sollten

Algorithmen, als roter Faden dienen. Diese sollten auf die regionalen Besonderheiten im

präklinischen und klinischen Bereich adjustiert werden. Die Umsetzung von solchen

Konzepten (ETC, PHTLS, ATLS) hat dann durch alle Beteiligten zu erfolgen und muss, um

erfolgreich zu sein, immer wieder geübt, hinterfragt und ggf. korrigiert werden, um eine

anhaltende hohe Qualität zu gewährleisten. Dies gilt nicht allein für die rein medizinischen

Abläufe, sondern auch für die „menschlichen“ Faktoren. Obwohl nahezu 70% der Ursachen

von Zwischenfällen in der Medizin auf menschliche Faktoren zurückzuführen sind, ist die

Ausbildung und das Training in diesem Bereich, z.B. durch sog. Crisis Resource

Management, defizitär. Dabei ist es möglich Einflussfaktoren, wie das Verhalten im Team,

Kommunikation, Stressverhalten, sowie der Umgang mit „Fehlern“ durch Training zu

verbessern. [Rall et al. 2010 ] (Abb. 33.4, 33.5)

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Aufgrund von verschiedenen äußeren z. T. nicht zu beeinflussenden Faktoren im Rahmen

von Unfällen oder Situationen mit Schwerverletzten Personen, als auch dem spürbarem

zeitlichen Druck, ist es möglich, dass die Versorgung in der präklinischen Phase nicht immer

fehlerfrei ist. Zudem sind medizinische, personelle und logistische Möglichkeiten limitiert. Dies

sollte den aufnehmenden Einrichtungen bewusst sein.

Hinweise für die praktische Arbeit

• Chirurgische Blutungen müssen schnellstmöglich einer kausalen Therapie zugeführt

werden. (Treat first, what kills first)

• Das EKG ersetzt nicht das manuelle Puls- Tasten. Bei hypovolämen

Traumapatienten mit traumatisch bedingten Herz- Kreislauf- Stillstand kann sich im

EKG das Bild einer pulslosen elektrischen Aktivität (PEA) zeigen.

• Bei blutenden Patienten mit erheblicher Anämie können trotz Vorliegen einer

hypoxischen Situation Zyanosezeichen fehlen.

• Bei anhaltender Blutung erniedrigt sich nicht die Sauerstoffsättigung (der noch

vorhandene Teil des Hb kann optimal gesättigt sein). Unterhalb eines bestimmten Hb-

Gehaltes kann es jedoch zu messtechnisch bedingten Ausfällen kommen, neben

anderen Fehlermöglichkeiten (z.B. Zentralisation). Es erniedrigt sich aber wohl der

Sauerstoffpartialdruck als Ausdruck der reduzierten Transportkapazität.

• Niedrige Kohlendioxidwerte in der Kapnographie können einerseits durch die

Ventilation verursacht werden, andererseits auch durch eine Verringerung der

Perfusion bedingt sein.

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