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Aus: Kapitel 33: Polytrauma; Kursbuch Notfallmedizin (in Bearbeitung, Neuauflage 2016) Mit freundlicher Genehmigung des Deutschen Ärzteverlags
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33. Polytrauma
M. D. Frank, M. Ragaller
In der Bundesrepublik Deutschland erleiden jährlich ca. 35000 Patienten ein schweres
Trauma mit einem injury severity score (ISS) von 16 oder höher. [Ruchholz et al. 2008].
Verkehrsunfälle sind die häufigste Ursache für die „Polytraumatisierung“ und stellen
insgesamt die häufigste Todesursache bei unter 40-jährigen dar. Jährlich sterben in
Deutschland zwischen 3400 und 5000 Personen im Straßenverkehr. [Statistisches
Bundesamt 2014] Insgesamt sind diese Zahlen in den letzten Jahren zwar leicht sinkend und
auf dem niedrigsten Stand seit 1950, aber dies ist immer noch eine hohe Gesamtzahl, wenn
man insbesondere im Hinblick auf das Alter die menschlichen als auch die
volkswirtschaftlichen Auswirkungen bedenkt. Weltweit werden jährlich über 2 Millionen
Todesfälle aufgrund schwerer Blutungen in Folge eines Traumas gezählt. [Brohi et al. 2011]
Etwa 50 % der durch ein Trauma bedingten Todesfälle treten unmittelbar als Folge extremer
Gewalteinwirkung auf. Weitere 30 % sterben am Schock infolge schwerer Blutung innerhalb
der ersten Stunden oder im Verlauf im Multiorganversagen (20%). [Kauvar et al. 2006,
Schneider et al. 2009] Diese „50%“ sind aber prinzipiell therapierbar und ihnen gelten unsere
Therapieanstrengungen.
Der Einsatz „Polytrauma“ ist mit etwa 0,5-1% aller Einsätze eine eher seltene Aufgabe im
Notarztdienst, was zu mangelnder Routine und Defiziten führen kann. Zudem arbeiten die
Mitarbeiter des Rettungsdienstes und Notärzte häufig unter besonderen Einsatzbedingungen,
wie schlechtem Wetter und niedrigen Außentemperaturen, schlechten Lichtverhältnissen,
eingeklemmten oder nicht ausreichend zugänglichen Patienten. Nicht selten sind mehrere
Personen schwer verletzt oder zunächst scheinbar unkritische Patienten zeigen im Verlauf
lebensbedrohliche Störungen.
Für das Überleben eines Patienten spielen neben dem Alter und vorliegenden chronischen
Erkrankungen, insbesondere die Schwere der Verletzung, die Qualität der initialen
Behandlung und die initiale Versorgungszeit eine entscheidende Rolle. [Cowley et al. 1982,
Sampalis et al. 1993]
Das in Deutschland etablierte Prinzip der Vorverlagerung intensivmedizinischer Maßnahmen
an den Notfallort erfordert für die präklinische Versorgung von Schwerstverletzten besondere
theoretische und praktische Fähigkeiten. Die sichere Durchführung von endotrachealer
Intubation und Beatmung, Anlage großlumiger venöser Verweilkanülen, eine adäquate
Volumenersatztherapie, Anlage von Thoraxdrainagen, Maßnahmen zur Blutstillung, oder die
Gabe potenter Analgetika und vasoaktiver Substanzen sind unter den erschwerten
präklinischen Bedingungen und dem spürbaren zeitlichen Druck auch für erfahrene
Notärzte eine medizinische Herausforderung. (Abb. 33.1)
Die Bedeutung des Zeitfaktors wird durch den von Cowley geprägten Ausdruck „Golden Hour
Of Shock“ treffend beschrieben [Cowley et al. 1982].
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So wurde über kaum ein Thema in der Notfallmedizin in den vergangenen Jahren so intensiv
und zum Teil kontrovers diskutiert, wie über die Versorgung des Schwerverletzten. Bis Mitte
der 90er Jahre wurden in Deutschland polytraumatisierte Patienten zum Teil (zeit)aufwendig
am Notfallort versorgt. Durch die bekannten wissenschaftliche Studien von Bickell, Kaweski,
Sampalis und Smith hinsichtlich der initialen Volumentherapie wurde die bis dahin postulierte
Strategie der in Teilen Europas postulierten präklinischen Versorgung erheblich in Frage
gestellt. Trotz zahlreicher Einschränkungen dieser Arbeiten hinsichtlich des Studiendesigns
als auch einer fraglichen Übertragbarkeit der Bedingungen auf unser Rettungssystem, wie
von Lechleuthner, Boullion und Dick beschrieben, konnte ein Beweis der Effektivität unseres
Konzeptes nicht geführt werden. Im Jahr 2001/2002 wurde eine S1- Leitlinie Polytrauma
durch die Deutsche Gesellschaft für Unfallchirurgie (DGU) publiziert. Hierin wurden zwar
logistische und medizinische Behandlungsoptionen formuliert, klare Empfehlungen auf dem
Boden systematischer Literaturrecherchen mit kritischen Evidenzbewertungen waren jedoch
nicht verfügbar.
Die im Jahr 2011 veröffentlichte S3- Leitlinie Polytrauma/Schwerverletzten Behandlung wurde
auf dem Boden der bestehenden wissenschaftlichen Evidenz zu verschiedenen
Fragestellungen, als auch dem Konsens der Teilnehmer zur Berücksichtigung klinischer
Expertise erstellt und wurde mit dem Engagement von insgesamt 11 Fachgesellschaften
unter Federführung der DGU und unter Koordination durch das Institut für Forschung in der
Operativen Medizin (IFOM) der Universität Witten/Herdecke erarbeitet.
Für die in der Leitlinie getroffenen Aussagen wurden 3 unterschiedliche Empfehlungsgrade
formuliert:
Empfehlungsgrade (Grade of Recomondation GoR)
GoR A „soll“ GoR B „sollte“ GoR 0 „kann“
Des Weiteren wurde die Leitlinie in 3 übergeordnete Themenbereiche gegliedert. Der erste
Teil bezieht sich auf die präklinische Versorgung von Schwerverletzten und enthält insgesamt
66 Schlüsselempfehlungen.
Die Inhalte der Leitlinie ersetzen dabei keine Handlungsalgorithmen, sondern beziehen sich
auf einzelne Aspekte der Polytraumaversorgung. Entsprechend müssen die einzelnen
Aspekte in einen allgemeinen Handlungsalgorithmus eingebettet sein, der Prioritäten setzt
und Abläufe vorgibt. Einen solchen Rahmen können Konzepte wie European Trauma Course
(ETC), Prehospital Trauma Life Support (PHTLS), Advanced Trauma Life Support (ATLS)
und andere vorgeben. Die Sicherung der Vitalfunktionen Atemweg, Belüftung/Beatmung,
Circulation (A, B, C) hat auch innerhalb der Leitlinie höchste Priorität.
Dieser Beitrag soll auf dem Boden der Kenntnis über pathophysiologische Veränderungen
und Zusammenhänge beim Polytraumatisierten die präklinische Vorgehensweise erklären
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und vertiefen. Gleichzeitig sind bestimmte Schlüsselempfehlungen der S3- Leitlinie
Polytrauma / Schwerstverletzen Behandlung dargestellt.
Definition Polytrauma
Nach Tscherne bezeichnet der Begriff Polytrauma eine Mehrfachverletzung, d.h. gleichzeitig
entstandene Verletzungen verschiedener Körperregionen, von denen eine oder die
Kombination mehrerer, vital bedrohlich ist. [Maghsudi et al. 1998]
33.1 Pathophysiologische Veränderungen beim Polytrauma
33.1.1 Schock
Die pathophysiologische Situation des polytraumatisierten Patienten ist initial durch einen
mehr oder minder ausgeprägten Schockzustand aufgrund erheblicher Blutverluste, Stress,
Schmerz und der kompensatorischen sympathoadrenergen Reaktion gekennzeichnet. Das
Ausmaß des Blutverlustes ist präklinisch jedoch häufig nicht leicht einzuschätzen. Bei
geschlossenen Frakturen können folgende Anhaltswerte gelten: Unterarm bis 400ml,
Oberarm bis 800ml, Unterschenkel bis 1000ml, Oberschenkel bis 2000ml, und Becken bis
5000ml. Durch die Blutung kommt es sowohl zum Verlust von intravasaler Flüssigkeit wie
auch zum gleichzeitigen Verlust von Sauerstoffträgern (Erythrozyten, Hämoglobin). Die
sympathoadrenerge Reaktion führt zu einer Umverteilung der Organperfusion zugunsten der
Vitalorgane Gehirn und Herz, während die Perfusion von Darm, Niere, Muskulatur und Haut
erheblich vermindert wird „Zentralisierung des Kreislaufes“. Die Makrozirkulation wird durch
eine vorübergehende Umverteilung der Mikrozirkulation stabilisiert. [Ragaller et al. 2002]
Durch die aktuelle Traumatisierung der Gewebe und Drosselung der Mikrozirkulation
(Kontraktion der prä- und postkapillären Widerstandsgefäße) sowie Freisetzung von
zellulären und humoralen Mediatorsystemen (Aktivierung der Gerinnung, Aktivierung des
Komplementsystems), versucht der Organismus eine Blutstillung zu erreichen. Das zelluläre
Sauerstoffangebot wird kritisch vermindert und kann durch eine zusätzliche respiratorische
Insuffizienz weiter kompromittiert werden (Gewebssauerstoffschuld). Das globale und
regionale Ungleichgewicht von Sauerstoffangebot und Sauerstoffbedarf führt in den
betroffenen Geweben zum anaeroben Stoffwechsel (Glykolyse) mit Laktatbildung und zur
Azidose (Abb. 33.2). Im Verlauf verstärken Mediatorsysteme lokal die Blutumverteilung,
führen zur Zunahme der Permeabilität der Gefäßendothelien und zur Aktivierung von
immunkompetenten Zellen (Leukozyten, Makrophagen). Dies induziert einen (zusätzlichen)
Verlust von intravasaler Flüssigkeit in den interstitiellen Raum durch Ausbildung eines
Gewebsödem. Im weiteren Verlauf kommt es durch die hypoxischen Stoffwechselprodukte
zu einer Dilatation der präkapillären Widerstandsgefäße, was die Schocksymptomatik durch
die Volumenverschiebung in die Gewebe (Aufhebung der Zentralisation) und weiteren
Blutverlust aggraviert [Messmer et al. 1996, Kreimeier et al. 1997]. Kann diese pathologische
„Schockspirale“ und die zunehmende Gewebssauerstoffschuld nicht gestoppt und
durchbrochen werden, kommt es zur Entwicklung eines dekompensierten Schocks mit
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konsekutivem Multiorganversagen. (Abb. 33.2) In dieser terminalen Schockphase kann auch
die Perfusion der Vitalorgane Gehirn und Herz nicht mehr aufrechterhalten werden. Das
Ausmaß der Sauerstoffschuld kann laborchemisch durch Laktatazidose und Basendefizit (BE)
erfasst werden, wobei ein erhöhtes Basendefizit mit einer schlechten Prognose korreliert.
[Ziegenfuß et al. 1998]
Auch wenn es gelingt die akute Schockphase zu überwinden, drohen dem Patienten in
Abhängigkeit von Dauer und Ausmaß der Schockphase durch den
Ischämie/Reperfusionsschaden sekundäre Komplikationen wie akutes Lungenversagen
(ARDS), akutes Nierenversagen oder ein Multiorganversagen [Kreimeier et al. 1997]. Etwa
30% der durch ein Polytrauma bedingten Todesursachen resultieren aus einem schweren
Schockgeschehen innerhalb der ersten Minuten bis Stunden, weitere 20% im weiteren
Verlauf durch Multiorganversagen auf dem Boden des Schockgeschehens. [Kauvar et al.
2006, Schneider et al. 2009]
33.1.2 Schock und Koagulopathie
Grundsätzlich unterscheiden sich chirurgische Blutungen und die Traumatisch Induzierte
Koagulopathie (TIC), auch wenn sie sich gegenseitig beeinflussen. Liegt eine chirurgische
Blutung vor, so ist diese unter Berücksichtigung weiterer Umstände und Bedingungen
schnellstmöglich einer chirurgischen Blutstillung zuzuführen. Zeitgleich sollte mit der
Therapie der Koagulopathie begonnen werden und negative Einflüsse durch Co-
Faktoren verbessert werden.
Wichtige Voraussetzung für eine zeitnahe Therapie ist das Erkennen von Verletzungen,
Blutungen und Gerinnungsstörungen. In den letzten Jahren hat sich das Vorgehen im
Schockraum diesbezüglich zunehmend verändert. Neben dem bekannten Vorgehen und der
Sicherung der Vitalfunktionen z.B. nach dem A B C D E Schema im Rahmen von ATLS oder
ETC- Protokollen haben diagnostische Maßnahmen in den Kliniken (Mehrschicht Spiral CT,
FAST- Focussed Assessment with Sonography for Trauma) an Bedeutung gewonnen, um so
zu einem frühen Zeitpunkt Verletzungen und damit verbundene chirurgische Blutungen als
Grundlage für eine kausale chirurgische Therapie zu erfassen (treat first, what kills first). Bei
massiven Blutverlustes hat die primär chirurgische Blutstillung die höchste Priorität [Rossaint
et al. 2010]. Nach der Europäischen Leitlinie zum Management von Blutungen und
Koagulopathie nach schwerem Trauma wird daher empfohlen den Zeitintervall zwischen
Trauma und notwendiger chirurgischer Intervention zu minimieren, um die
Überlebenschancen des Patienten zu erhöhen. [Spahn et al. 2013] Des Weiteren wird bei
schweren Extremitätenverletzungen die Nutzung eines Tourniquets empfohlen, um
lebensbedrohliche Blutungen zu stoppen. [Spahn et al. 2013, S3- Leitlinie Polytrauma 2011]
Bis vor einigen Jahren wurden Gerinnungsstörungen nach Trauma als sekundäre Folge eines
erheblichen Blutverlustes und einer damit verbundenen Reduktion an Gerinnungsfaktoren
gesehen. Diese wurden durch den zusätzlichen Verbrauch an Faktoren und die Dilution durch
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Administration von Infusionslösungen im Wesentlichen für die Gerinnungsstörungen
verantwortlich gemacht. Die mangelnde Perfusion und Gewebeoxygenierung und der
dadurch bedingte Schock mit nachfolgender Azidose, sowie die häufig vorliegende
Hypothermie wurden in Kombination mit der Koagulopathie auch als letale Trias [Mikhail et al.
1999] mit sich gegenseitig verstärkenden Faktoren bezeichnet. Die initiale Behandlung eines
Polytraumas mit schwerer Blutung bezog sich daher v.a. auf die respiratorische und
hämodynamische Stabilisierung und in der Klinik auf die Gabe von Erythrozytenkonzentraten
(EK) im Sinne einer adäquaten Schocktherapie. In verschiedenen Arbeiten konnte gezeigt
werden, dass auch Patienten in der frühen Phase, zum Teil ohne erheblichen Blutverlust,
schwere Koagulopathien aufweisen. [Maegele et al. 2007, Schöchl et al 2012] Insbesondere
bei Verletzungen des Schädels oder Thorax, oder insgesamt ausgedehnten und schweren
Verletzungen lässt sich dieser Zustand häufiger beobachten. Die Gerinnungsstörung im
Rahmen eines Traumas wird inzwischen als ein eigenständiges Krankheitsbild betrachtet, die
durch sekundäre Faktoren (Dilution, Verlust, Verbrauch, Azidose, Hypothermie) verstärkt
wird. Eine Therapie zum frühestmöglichen Zeitpunkt erscheint somit sinnvoll und
absolut notwendig. Der frühestmögliche Zeitpunkt bedeutet hierbei die präklinische Phase!
Eine traumainduzierte Koagulopathie ist bei ca. 30% der Polytraumatisierten schon im
Schockraum vorhanden und führt zu einer deutlich gesteigerten Letalität. [Mitra et al. 2012]
Als Ursachen werden das Gewebetrauma als Solches, Mediatorenfreisetzung und
Schockzustände durch die verminderte oder fehlende Gewebeoxygenierung diskutiert.
Hyperfibrinolyse
Die Inzidenz für eine Hyperfibrinolyse beim Polytrauma wird in der Literatur mit 15 – 20%
angegeben in Abhängigkeit mit dem Schweregrad der Verletzungen, gemessen am Injury
Severity Score (ISS). Auch die Lokalisation der Verletzungen beeinflusst das Auftreten einer
Hyperfibrinolyse. Diese ist am Häufigsten bei Patienten mit Schädel-Hirn-Trauma,
Thoraxtrauma, Beckentrauma oder stumpfen Bauchtrauma. Insgesamt ist die Mortalität bei
Patienten mit Hyperfibrinolyse im Rahmen eines Polytraumas extrem hoch. [Schöchl et al.
2012] Beim schweren Trauma und Schock kann die frühzeitige Gabe von Tranexamsäure
erwogen werden. [The Crash II Collaborators 2010] Dies ist bereits präklinisch möglich und
wird in zahlreichen Rettungsdienstbereichen durchgeführt. [Spahn et al. 2013]
Pathophysiologische Aspekte
Bei Blutverlusten aufgrund schwerer Verletzungen ist die primäre Hämostase zunächst
abhängig von der physiologischen Antwort des Gefäßendothels auf eine Verletzung. Durch
diese Gefäßwandverletzung kommt es zur Freisetzung von „tissue factor“ mit
Gerinnungsaktivierung und zeitgleich zu einer fibrinolytischen Aktivierung, um eine
überschießende Gerinnung zu vermeiden. [Fries et al. 2005] Je nach Ausmaß der Verletzung
kommt es zu einem Verlust und Verbrauch von Gerinnungsfaktoren und Thrombozyten.
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Neben dem direkten Einfluss des Ausmaßes der Verletzung auf die primäre Hämostase, führt
beim Polytraumatisierten eine Vielzahl von weiteren Faktoren zu schweren Blutungen und
zum möglichen Zusammenbruch des Gerinnungssystems, [Mikhail et al. 1999, Moore et al.]
ggf. neben dem Vorliegen einer traumatisch induzierten Koagulopathie.
Initial zeigt sich häufig zusätzlich eine Kombination aus Verlust- und
Verdünnungskoagulopathie auch als Folge der „Kreislauftherapie“ mit Infusionslösungen.
[Fries et al. 2004, Hardy et al. 2004] Darüber hinaus wird die Blutgerinnung durch
Hyperfibrinolyse, Hypothermie und Azidose auf das Schwerste beeinträchtigt. [Gutierrez
et al. 2004, Moore et al. 1999]
Das Hauptaugenmerk gilt entsprechend der Aufrechterhaltung einer ausreichenden Perfusion
in der Akutversorgung schwerer Blutungen, mit dem Ziel eine ausreichende
Gewebeoxygenierung zu sichern. In der präklinischen Phase werden daher meist
Elektrolytlösungen und ggf. kolloidale Infusionslösungen infundiert, die allerdings zusätzlich
zu einer Verdünnung der verbliebenen Gerinnungsfaktoren führen können. [Fries et al. 2005]
Alle kolloidalen Volumenersatzmittel (Hydroxyäthylstärke, HES, Gelatine) führen mit
Ausnahme von Humanalbumin neben Verdünnungseffekten zu einer Störung der
Fibrinpolymerisation. [Niemi et al. 2006, Nielsen et al. 2005, Fries et al. 2002, Innerhofer et al.
2002, de Jonge et al. 2001] Dieser Effekt ist bei höhermolekularen HES Präparaten (HES
200) ausgeprägter als bei niedermolekularen (HES 130) oder den Gelatinelösungen. Darüber
hinaus wurden bei Kolloiden eine verminderte Gerinnselfestigkeit sowie ein vermindertes
Gerinnselgewicht beschrieben. [Nielsen et al. 2004, Kohler et al. 1998] Den geringsten Effekt
auf die Gerinnung zeigen Elektrolytlösungen, bei denen lediglich Dilutionseffekte die
Gerinnung beeinträchtigen können. [Schierhout et al. 1998] Allerdings müssen um dieselben
Volumeneffekte wie mit Kolloiden zu erzielen größere Volumina infundiert werden.
[Brandstrup et al. 2003]
Ein wesentlicher bei der Infusion hoher Volumina zu beachtender Aspekt ist die
Körpertemperatur. Bei der massiven Blutung tritt in Folge des hämorrhagischen Schocks eine
bedeutsame Störung des Temperaturhaushaltes durch Wärmeverluste, Infusion kalter
Lösungen und der Autoregulation der Temperatur auf. Zwar konnten bei kardio- und
neurochirurgischen Operationen benefizielle Effekte auf das Outcome aufgezeigt werden, im
hämorrhagischen Schock und bei Massivtransfusion überwiegen aber die negativen Einflüsse
der Hypothermie eindeutig. [Hildebrand et al. 2004, Gutierrez et al. 2004, Mikhail et al. 1999]
Hypothermie beeinflusst die Gerinnung über verschiedene Mechanismen nachhaltig.
Alle enzymatischen Prozesse, so auch die der plasmatischen und zellulären Gerinnung
werden bei Hypothermie erheblich gestört. [Cosgriff et al. 1997] Ein Abfall der
Körpertemperatur um 1°C führt zu einer Abnahme der Gerinnungsfähigkeit um ca. 10%.
Entsprechend werden Temperaturabfälle bis 34° C klinisch als moderate Hypothermie und
Abfälle auf unter 30°C als schwere Hypothermie bezeichnet. Hierbei kommt es zu einem
Zusammenbruch des ATP - Metabolismus mit allen Konsequenzen für Stoffwechsel und
Gerinnung.
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Ein weiterer Faktor, der die Hämostase merklich beeinflusst ist eine Azidose, die als Folge
der verminderten Sauerstoff- und Substratversorgung der Gewebe im hämorrhagischen
Schock entsteht. [Mikhail et al. 1999, Gutierrez et al. 2004] Das Unterschreiten eines pH-
Wertes von 7,10 wird als Risikofaktor für die Entwicklung einer fulminanten
Gerinnungsstörung angesehen. [Cosgriff et al. 1997, Grottke et al. 2009]
Die Therapie der Azidose sollte zunächst durch Stabilisierung des Kreislaufes, Optimierung
der Sauerstoffversorgung und Normoventilation erfolgen. Ein Ausgleichen mit
Natriumhydrogen-carbonat erscheint erst bei pH-Werten unter 7,20 sinnvoll.
Ein wesentlicher Punkt für die Temperaturerhaltung und damit der Aufrechterhaltung, bzw.
Verbesserung der Gerinnung in der frühen Phase ist die sogenannte „Damage Control
Surgery“ bei Polytraumatisierten. [Moore et al. 1998] Hierzu gehört, dass in der Frühphase
der Versorgung nur unmittelbar lebensbedrohliche Verletzungen versorgt und chirurgische
Maßnahmen auf das absolute Mindestmaß beschränkt werden (Fixateure, Beckenzwingen,
„Package“). Ziel ist bei diesen Verfahren, lebensbedrohliche Blutungen zu stoppen,
anschließend den Patienten auf der Intensivstation zu stabilisieren (Gerinnung, Temperatur)
und zu einem späteren Zeitpunkt definitiv zu versorgen.
Insbesondere in der frühen Phase eines Polytraumas ist es sinnvoll den Blutdruck in einem
für den Patienten „optimalen“ Bereich zu halten. Das bedeutet, dass je nach Verletzung und
Vorerkrankungen, falls bekannt, auch niedrige Blutdruckwerte akzeptabel, oder sogar hilfreich
sein können. Bei Patienten mit schweren Blutungen im Bereich des Thorax, Abdomens oder
Beckens verringert sich durch einen niedrigen Blutdruck nachfolgend auch die Blutung
(physikalisch). Eine orientierende Zielgröße ist ein systolischer Blutdruck zwischen 80 und
100mmHg. Das Konzept der „permissiven Hypotension“ ist bei Vorliegen eines SHT
kontraindiziert. Im Einzelfall sollte allerdings grundsätzlich eine Risikoabwägung erfolgen.
Weitere Kontraindikationen sind kardiale oder zerebrale Ischämien akut oder in der
Vorgeschichte.
Eine frühzeitige und effektive Schocktherapie als auch die Beachtung von Faktoren, die sich
negativ auf das Gerinnungssystem auswirkend, ist für den Patienten, bzw. seine
Überlebenschancen von großer Bedeutung.
Zusammengefasst bedeutet das für die Versorgung in der Präklinik:
1. Schocktherapie durch verbesserte Oxygenierung (Sauerstoffangebot erhöhen,
Sauerstoffverbrauch senken)
2. Blutung stillen falls möglich, bzw. Blutungsrate reduzieren (Tourniquet,
Beckenkompression, permissive Hypotension, falls keine Kontraindikation)
3. Bei offensichtlicher chirurgischer Blutung schnellstmöglicher Transport
4. Infusionstherapie (je nach hämodynamischer Situation)
5. Wärmeerhalt (warme Infusionen, Decken, Folien, Temperaturadaption im RTW)
6. Tranexamsäure erwägen (je nach Situation)
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Verschiedene Maßnahmen können und sollen gleichzeitig vorgenommen werden.
33.1.3 Typische Verletzungsmuster
Während in den USA penetrierende Verletzungen (Schuss- Stichverletzungen) dominieren,
sind in Deutschland überwiegend stumpfe Verletzungen durch Verkehrsunfälle und
häusliche Unfälle (Stürze) zu verzeichnen. Bereits aus den Angaben des Unfallherganges
bzw. aus dem Unfallszenario können Rückschlüsse über den Verletzungsmechanismus
gezogen werden. Dabei ergeben sich für bestimmte Unfallmechanismen bestimmte typische
Verletzungsmuster. So ist z.B. bei der Frontalkollision ein Schädelhirntrauma häufiger mit
einem Thoraxtrauma bzw. stumpfem Bauchtrauma verbunden. Ein seitlicher Aufprall im
Fahrzeug führt oft zu Becken- oder Hüftfrakturen, zu Verletzungen der oberen Extremitäten,
kombiniert mit Halswirbelfrakturen durch entsprechende Schleuder- und Scherkräfte an der
Halswirbelsäule. Diese schweren Verletzungsmuster konnten durch die Verbesserung der
aktiven und passiven Rückhaltesysteme im Auto (Sicherheitsgurt in Kombination mit Frontal-
Seitenairbag) vermindert werden. [Pintar et al. 2000] Selten kann jedoch auch der Airbag eine
Ursache für Augen und Gesichtsschädelverletzungen, sowie Ursache für einen
Pneumothorax sein, oder in Einzelfällen für die Verletzung intraabdomineller Organe
verantwortlich sein. [Rebel et al. 1996] Beim Sturz aus großer Höhe stehen neben den oft
beobachteten Extremitätenverletzungen und Wirbelsäulenverletzungen, Dezelerations-
traumen der großen intrathorakalen Gefäße oder anderer innerer Organe im Vordergrund. Bei
Verkehrsunfällen zwischen Fußgängern und Pkws mit geringen Geschwindigkeiten sind
Frakturen der unteren Extremitäten im Zusammenhang mit Schädelhirntrauma zu erwarten.
Zusätzlich können die beschriebenen Verletzungsmuster durch weitere exogene Faktoren,
z.B. Verschmutzung der Wunden, Verbrennung, oder Unterkühlung modifiziert sein. Die
Gesamtletalität bei Polytraumatisierten bewegt sich heute zwischen 15 und 30%, wobei es
durchaus Verletzungskombinationen gibt, die eine höhere Mortalitätsrate aufweisen.
Insgesamt ist ein Schädel-Hirn-Trauma für etwa 40-50% der Todesfälle verantwortlich, eine
unstillbare Blutung für 30-40%, während ein Multiorganversagen nach Polytrauma in ca. 10-
20% zum Tode führt. [Kauvar et al. 2006, Schneider et al. 2009, Ziegenfuß et al.1998]
Das Bewusstsein über die extreme Gewalteinwirkung auf den menschlichen Organismus im
Rahmen eines Unfalls sollte den Notarzt dazu veranlassen auch „scheinbar“ unverletzte
Personen zu untersuchen und zu überwachen und ggf. in die Klinik einzuweisen.
33.2 Prioritätenkonzept
Im Rahmen der notärztlichen Versorgung vor Ort ist zunächst das Erkennen des Polytraumas
und die Bewusstmachung der vitalbedrohlichen Situation für den Patienten aber auch für
Notarzt und Rettungsassistent ein wichtiger Schritt, da die Unterschätzung der Dynamik des
Krankheitsbildes für alle Beteiligten fatal wäre. Gerade jüngere Patienten können auch bei
schwersten Verletzungen die Vitalfunktionen relativ lange kompensieren. Die diagnostischen
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Möglichkeiten des Notarztes sind im Vergleich zur Klinik gering und ergeben sich in der Regel
aus seinen fünf Sinnen, dem Stethoskop, der Blutdruckmanschette, der Pulsoxymetrie und
EKG. An einigen Standorten hat sich der Einsatz der Sonographie in der präklinischen
Diagnostik etabliert. Dabei darf allerdings die Versorgungszeit bis zur Aufnahme in einer
Klinik nicht verzögert werden.
Die Problematik beim Polytrauma liegt darin, dass die Kombination zwischen vitaler
Bedrohung und komplizierten Verletzungen mehrerer Organsysteme eine
Prioritätenfestlegung in der Diagnostik und Therapie vor dem Hintergrund eine einer äußerst
dynamischen Krankheitsentwicklung erfordert. Für die Diagnostik hat sich ein zweizeitiges
Vorgehen bewährt:
1. Diagnostik der Vitalfunktionen
2. Diagnostik der einzelnen Verletzungen
3. Reevaluierung der Parameter
33.2.1 Diagnostik der Vitalfunktionen
Wie in jeder anderen Notfallsituation auch, so ist es beim Polytrauma wichtig, die
Vitalfunktionen durch eine so genannte „Blickdiagnostik“ innerhalb 1-2 min abzuklären.
Bewusstsein
Die Überprüfung der Bewusstseinslage erfolgt durch das Ansprechen des Patienten, der
Pupillenkontrolle, der Kontrolle der Reaktion auf Ansprache, der Überprüfung der
Spontanaktivität und der Überprüfung der Reaktion auf Schmerzreiz. Beim bewusstlosen
Patienten kommt der engmaschigen Pupillenkontrolle eine entscheidende Rolle bezüglich der
Diagnostik und Überwachung intrakranieller Verletzungen zu. Die Bewusstseinslage wird
durch den Glasgow-Coma-Scale (GCS) quantifiziert und dokumentiert.
Atmung/Gasaustausch
Zur Beurteilung der Atemfunktion werden Spontanatembewegungen, Atemfrequenz und
Atemtiefe registriert, sowie nach Zeichen der Dyspnoe oder Zyanose gefahndet. Bei
Patienten mit schweren Blutungen und Anämie können Zeichen einer Zyanose fehlen. Die
arterielle Sauerstoffsättigung des Patienten wird mit der Pulsoxymetrie bestimmt. Aufgrund
der Zentralisierung und regelmäßigen Hypothermie des Patienten, kann auch die
Pulsoxymetrie als Parameter ausfallen. [Christ et al. 2004] Die Auskultation der Lunge gibt
Hinweise auf pathologische Veränderungen im Thorax (z.B. abgeschwächtes Atemgeräusch
bei Pneumothorax oder Hämatothorax). Der Einsatz des endexspiratorischen Kohlendioxids
nach endotrachealer Intubation gilt heute als Standard. Allerdings wird das exspiratorische
Kohlendioxid nicht nur vom Grad der Ventilation, sondern auch der Perfusion maßgeblich
beeinflusst. Das bedeutet, dass Patienten im Schock niedrige exspiratorische Kohlendioxid-
Werte trotz ausreichender Ventilation zeigen können. Somit sollte die Messung des
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exspiratorischen Kohlendioxids nicht nur als Messparameter für die Beatmung gesehen
werden. Da bei Patienten mit Herz-Kreislauf-Stillstand die exspiratorische Kohlendioxid
Messung aufgrund des fehlenden Kreislaufs niedrige, bzw. nicht messbare Werte anzeigen
kann, ist die Beurteilung einer korrekten endotrachealen Intubation hierdurch ggf.
eingeschränkt.
Herzkreislaufsystem
Die Situation des Herzkreislaufsystems kann durch Pulskontrolle an großen Gefäßen (A.
carotis, A. femoralis), durch Einschätzung des Kapillarpulses (capillary refill), durch
Abschätzung äußerer Blutverluste sowie durch Herzfrequenz und Blutdruck beurteilt werden.
Einen definierten Parameter zur Diagnosestellung „SCHOCK“ gibt es dabei nicht. Aufgrund
von Kompensationsmöglichkeiten, bestimmten Verletzungen (Bsp. spinale Verletzungen mit
Sympathikolyse) oder Medikamenteneinnahme (z.B. ß- Blocker) aufgrund von chronischen
Erkrankungen zeigen manche Patienten, insbesondere in der frühen Phase möglicherweise
nur geringe hämodynamische Veränderungen.
Haut
Die Haut ist ein wichtiges Organ zur Abschätzung einer Schocksymptomatik. Die Beurteilung
der Hautfarbe und Hautoberfläche können dabei Hinweise auf Anämie, Zentralisierung und
Kaltschweißigkeit geben. Wie erwähnt können Zyanosezeichen bei respiratorischer
Insuffizienz im Rahmen einer ausgeprägten Anämie fehlen.
33.2.2 Beurteilung der Verletzungen
Der Sicherung der Vitalfunktionen schließt sich eine individuelle Diagnostik der einzelnen
Verletzungen an. Dabei hat es sich bewährt, diese Ganzkörperuntersuchung nach einem
einheitlichen Schema, z.B. ZNS, Thorax, Abdomen, Extremitäten, etc. durchzuführen. Die
Erfassung von möglichen Verletzungen ist wichtig, gleichzeitig spielt beim Polytrauma der
Faktor Zeit eine mit entscheidende Rolle. D.h., dass es in der Präklinik das Ziel sein muss
sich auf die wesentlichen und lebensbedrohlichen Verletzungen und Störungen zu
konzentrieren, um den Patienten zügig einer kausalen Therapie zuführen zu können.
ZNS
Ein großer Teil der polytraumatisierten Patienten weist Verletzungen des Kopfes auf, im
Sinne eines Schädel- Hirn- Traumas. Die Vigilanz des Patienten und die Erfassung
bestimmter Hirnleistungen sind daher in der Beurteilung essentiell. Hierzu zählt unter
anderem der Wachheitsgrad des Patienten, d.h. ob er spontan die Augen öffnet, oder ob
äußere Reize notwendig sind, um eine Reaktion zu provozieren. Die verbale
Kommunikationsfähigkeit, als auch die motorische Reaktion auf Aufforderung oder auf
bestimmte äußere Reize, sind weitere Bestandteile zur Einschätzung. Dies wird orientierend
mit der Erfassung des Glasgow Coma Scale erreicht.
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Entscheidend ist hierbei nicht die Erfassung eines einzelnen Wertes oder Zustands, sondern
vielmehr die Beobachtung im Verlauf. Die dynamische Veränderung gibt hierbei wichtige
Hinweise auf das Vorliegen eines SHT. Gleichzeitig werden die Pupillen auf Isokorie, Größe
und Lichtreaktion getestet.
[S3- Leitlinie Polytrauma/Schwerstverletztenbehandlung 2011]
Die wiederholte Erfassung und Dokumentation von Bewusstseinsklarheit,
Bewusstseinstrübung oder Bewusstlosigkeit mit Pupillenfunktion und Glasgow
Coma Scale soll erfolgen
GoR A
Bei Verdacht auf stark erhöhten intrakraniellen Druck, insbesondere bei Zeichen
der transtentoriellen Herniation (Pupillenerweiterung, Strecksynergismen,
Streckreaktion auf Schmerzreiz, progrediente Bewusstseinstrübung), können die
folgenden Maßnahmen angewandt werden:
• Hyperventilation
• Mannitol
• Hypertone Kochsalzlösung
GoR 0
Die periphere neurologische Situation wird durch einen orientierenden neurologischen Status
überprüft. Bei der neurologischen Untersuchung muss nach Paresen, Parästhesien,
pathologischen Reflexen oder anderen Zeichen einer Rückenmarksverletzung gesucht
werden, Dieser Status schließt auch eine knöcherne Untersuchung der Wirbelsäule, sofern
möglich, mit ein, da Spontan- oder Druckschmerz Manifestationen einer
Wirbelsäulenverletzung sein können.
[S3- Leitlinie Polytrauma/Schwerstverletztenbehandlung]
Eine gezielte körperliche Untersuchung inklusive der Wirbelsäule und der mit ihr
verbundenen Funktionen soll durchgeführt werden.
GoR A
Bei bewusstlosen Patienten soll bis zum Beweis des Gegenteils von dem
Vorliegen einer Wirbelsäulenverletzung ausgegangen werden.
GoR A
Bei akuter Lebensbedrohung (z.B. Feuer/Explosionsgefahr), die nur durch
sofortige Rettung aus dem Gefahrenbereich beseitigt werden kann, soll auch bei
Verdacht auf eine Wirbelsäulenverletzung die sofortige und unmittelbare Rettung
aus dem Gefahrenbereich erfolgen, ggf. auch unter Vernachlässigung von
Vorsichtsmaßnahmen für den Verletzten.
GoR A
Die Halswirbelsäule soll vor der eigentlichen technischen Rettung immobilisiert
werden.
GoR A
Aus: Kapitel 33: Polytrauma; Kursbuch Notfallmedizin (in Bearbeitung, Neuauflage 2016) Mit freundlicher Genehmigung des Deutschen Ärzteverlags
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Da bei Mehrfachverletzten in der Regel eine erhebliche Kraft auf den Körper eingewirkt hat,
besteht grundsätzlich der Verdacht auf eine schwerwiegende Wirbelsäulen- und
Rückenmarksverletzung. Deshalb ist bei jedem Patienten eine HWS- Immobilisation, z.B.
„Stifneck®“ und eine Lagerung auf einer Vakuummatratze oder “spine board“ indiziert. Die
Rettungsmaßnahmen, Helmabnahme oder Intubation sollten immer die Verdachtsdiagnose
einer schweren Wirbelsäulenverletzung berücksichtigen und sollten deshalb so schonend wie
möglich für die Wirbelsäule durchgeführt werden.
Das Vorliegen einer Bradykardie und/oder einer Hypotension kann Zeichen einer
Sympatikolyse im Rahmen eines spinalen Traumas der Brustwirbelsäule sein.
Thorax
Beim wachen Patienten mit Vorliegen eines Thoraxtraumas zeigen sich regelmäßig
Störungen der Atemfrequenz und Dyspnoe neben Schmerzen als wichtige Symptome. Diese
sind beim bewusstlosen Patienten kaum zu eruieren. Hier liegt der Fokus auf der klinischen
Untersuchung. Diese sollte neben Auskultation der Lunge und des Herzens und der
Bestimmung der Atemfrequenz, eine Inspektion des Thorax und Untersuchung der Stabilität
des Rippenskelettes (Thoraxkompression, Krepitationen, Atemmechanik, Thoraxschmerzen,
Hautemphysem etc.) beinhalten. Insbesondere bei beatmeten Patienten ist auf die
Entwicklung eines Spannungspneumothorax bzw. Hämatopneumothorax zu achten. Bei
Patienten mit gesichertem Thoraxtrauma liegt in 9-50% der Fälle ein Pneumothorax vor. Das
Erkennen eines Pneumothorax durch Auskultation ist hierbei häufig möglich. Bei schwerem
Thoraxtrauma und ggf. beidseitig leisen Atemgeräuschen, ist auch ein beidseitiger
Pneumothorax in Betracht zu ziehen. Weitere Hinweise auf das Vorliegen eines
Pneumothorax können z.B. ein Hautemphysem darstellen.
Bei Verdacht auf einen Pneumothorax und zusätzlichem Vorliegen von schweren
respiratorischen Störungen oder einer oberen Einflussstauung, sowie einer
hämodynamischen Instabilität, sollte unbedingt an das Vorliegen eines
Spannungspneumothorax gedacht werden. Der Übergang, bzw. die Progredienz vom
Pneumothorax zum Spannungspneumothorax ist fließend und ggf. sehr zügig. Die Indikation
zur Pleuradekompression wird in der S3- Leitlinie wie folgt formuliert:
[S3- Leitlinie Polytrauma/Schwerstverletztenbehandlung]
Ein klinisch vermuteter Spannungspneumothorax soll umgehend dekomprimiert
werden.
GoR A
Ein durch Auskultationsbefund diagnostizierter Pneumothorax sollte bei
Patienten, die mit Überdruck beatmet werden, dekomprimiert werden.
GoR B
Ein durch Auskultationsbefund diagnostizierter Pneumothorax sollte bei nicht
beatmeten Patienten in der Regel unter engmaschiger klinischer Kontrolle
beobachtend behandelt werden.
GoR B
Die Entlastung eines Spannungspneumothorax sollte durch eine GoR B
Aus: Kapitel 33: Polytrauma; Kursbuch Notfallmedizin (in Bearbeitung, Neuauflage 2016) Mit freundlicher Genehmigung des Deutschen Ärzteverlags
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Nadeldekompression, gefolgt von einer chirurgischen Eröffnung des
Pleuraspaltes mit oder ohne Thoraxdrainage, erfolgen
Ein Pneumothorax sollte- sofern die Indikation besteht- durch eine
Thoraxdrainage behandelt werden.
GoR B
Die Inspektion von Prellmarken im Bereich des Thorax oder Abdomens geben weitere
Hinweise auf das Vorliegen von thorakalen oder intrabdominellen Verletzungen (Gurtmarken).
Eine Lungenkontusion kann in der Regel präklinisch nicht diagnostiziert werden, ist jedoch
bei jedem Thoraxtrauma wahrscheinlich. Bei Verletzungen der Lunge zeigt sich im Verlauf
nicht selten blutiges Sekret, bzw. Blut im Tubus. Herzrhythmusstörungen sind insbesondere
beim jungen Patienten ein Zeichen einer Contusio cordis, die in der Klinik mit
Echokardiographie und Troponin-T Nachweis gesichert werden kann. Eine therapieresistente
Hypotonie bei Thoraxtrauma oder axialen Dezelerationstraumen (Sturz aus großer Höhe,
Motorradunfälle) können auf eine Verletzung der thorakalen Aorta, respektive großer
intrathorakaler Gefäße, eine Perikardtamponade, oder eine Rückenmarksverletzung
hinweisen und erfordern einen sofortigen Transport zur definitiven Versorgung. (Abb. 33.3)
Abdomen
Bei jedem polytraumatisierten Patienten muss an ein stumpfes Bauchtrauma gedacht
werden. Auch in dieser Situation geben Prellmarken und Unfallmechanismus Hinweise auf
innere Verletzungen. Eine aussagefähige Diagnostik zu intraabdominellen Situation ist jedoch
erst in der Klinik mittels Sonographie oder Spiral-CT möglich. Ein unter adäquater
Volumentherapie nicht stabilisierbarer Kreislauf deutet auf eine Verletzung von großen
Gefäßen oder intraabdominellen parenchymatösen Organen hin und erfordert auch hier einen
unverzüglichen Transport zur chirurgischen Versorgung. Die notfallmäßige Untersuchung des
Abdomens wird durch eine Überprüfung der Beckenstabilität abgeschlossen (manuelle
Beckenkompression).
Extremitätenverletzungen
Auch wenn Extremitätenverletzungen mit Fehlstellungen von Gliedmaßen, offenen Wunden
und erheblichen Schmerzen oft dramatisch im Vordergrund stehen, spielen sie in Bezug auf
die Prognose eine eher untergeordnete Rolle. Die Untersuchung der oberen und unteren
Extremitäten verifiziert offene oder geschlossene Frakturen, Gelenks- oder
Weichteilverletzungen. Offene Frakturen bedürfen der sterilen Abdeckung bis zur definitiven
operativen Versorgung. Stark dislozierte Extremitäten oder Gelenke sollten zur
Perfusionsverbesserung, Nervenentlastung und Schmerzlinderung durch Zug entlang der
anatomischen Achse unter Analgesie und ggf. Muskelrelaxation reponiert werden (1
Versuch). Zum Transport sollten frakturierte Extremitäten stabil immobilisiert werden. Die
Untersuchung des Kopfes und des Körperstammes sollten der Untersuchung der
Extremitäten vorausgehen, Besonderheiten können sich bei Verletzungen mit starken
Aus: Kapitel 33: Polytrauma; Kursbuch Notfallmedizin (in Bearbeitung, Neuauflage 2016) Mit freundlicher Genehmigung des Deutschen Ärzteverlags
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Blutungen ergeben. Hierbei kann sich die Priorität in der Versorgung insoweit verschieben,
dass bei lebensbedrohlichen Blutungen, auch der Extremitäten, diese ggf. sogar abweichend
vom A-B-C-D-E Schema sofort versorgt werden sollen. Bei schweren Verletzungen, bzw.
starken Blutungen der Extremitäten wird inzwischen die Nutzung eines Tourniquets
empfohlen, um eine lebensbedrohliche Blutung zu stoppen. [Spahn et al 2013, S3 Leitlinie
Polytrauma]
33.2.3 Reevaluierung
Das Erkennen der Situation und das Einschätzen des Zustandes des Patienten ist eine
wesentliche Voraussetzung für das ärztliche Handeln und das Überleben des Patienten. Bei
Beurteilungen und Messungen von Vitalparametern handelt es sich grundsätzlich „nur“ um
Momentaufnahmen. Für eine adäquate Einschätzung des Zustandes des Patienten ist
insbesondere der dynamische Verlauf von Vitalparametern von Bedeutung. Dies gilt auch für
zunächst „scheinbar“ harmlose Verletzungen. Nicht erkannte Verletzungen und/oder
verspätete Diagnosen können in bis zu 39% der Schwerverletzten auftreten. [Pfeifer et al.
2008]
33. 3 Organisation des Einsatzes
Die grundlegende präklinische Zielsetzung ist es den Patienten schnellstmöglich in eine
geeignete Zielklinik zuzuführen. Entsprechend gilt vor Ort eine prioritätenorientierte
Behandlung vitaler Bedrohungen, sowie die Vermeidung von Sekundärschäden.
Wie sich aus der Definition des Polytraumas ergibt, besteht bei diesen Patienten eine akute
vitale Bedrohung durch gleichzeitige Verletzung von mehreren Organsystemen. Es liegt damit
eine wesentlich kompliziertere Situation vor, als bei anderen, isolierten Organerkrankungen.
Zusätzlich ist die Situation durch äußere Einflüsse (Dunkelheit, Nässe, Kälte, etc.) häufig
unübersichtlich und führt eher zur Unterschätzung der Verletzungen und der Dynamik der
Schocksymptomatik.
Für den Notarzt ergeben sich im Prinzip drei wesentliche Aufgaben:
1. Einschätzung der Eigengefährdung
2. Organisation und Strukturierung der nichtmedizinischen Hilfsmaßnahmen
3. korrekte Einschätzung des Verletzungsausmaßes und therapeutisch adäquates
Handeln
Der Notarzt verschafft sich zuerst einen möglichst vollständigen Überblick über die
Schadenslage, Zahl der Verletzten, Art des Unfalls, Gefährdung der Patienten und des
Rettungsteams durch weiter bestehende exogene Faktoren (z.B. Straßenverkehr, toxische
Gase, etc.), Zahl der zur Verfügung stehenden Rettungsmittel. Nach dieser primären
Einschätzung, die in wenigen Minuten durchgeführt sein sollte, entscheidet der Notarzt
Aus: Kapitel 33: Polytrauma; Kursbuch Notfallmedizin (in Bearbeitung, Neuauflage 2016) Mit freundlicher Genehmigung des Deutschen Ärzteverlags
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zunächst über die Nachforderung von weiteren Rettungsteams (Leitender Notarzt (LNA) und
Organisationsleiter Rettungsdienst (Org.L.) bei Großschadensfällen), Rettungsmitteln und
anderen technischen Hilfsmitteln, sofern durch die Leitstelle noch nicht alarmiert. Die
erforderliche Kommunikation mit der Rettungsleitstelle sollte der Notarzt an einen
kompetenten Rettungsassistenten delegieren. Dann beginnt die nach Behandlungsprioritäten
gestaffelte Individualversorgung der einzelnen Verletzten.
33.3.1 Ort der Erstversorgung
Eine generelle Aussage zum Ort der Erstversorgung des Patienten kann nicht gegeben
werden, da sich bei jeder Verletzung bzw. bei jedem Unfall situativ immer neue Aspekte
ergeben können. Ist eine geordnete Rettung möglich, der Transport in das Rettungsfahrzeug
ohne weitere Gefährdung für den Patienten möglich, sollte der Patient aus Gründen der
Sicherheit und zur Optimierung der medizinischen Behandlungsmaßnahmen unter
Verwendung der modernen Rettungsmittel (Schaufeltrage, Vakuummatratze, Spine board,
Stifneck®) in oder an das Rettungsfahrzeug verbracht werden. In vielen Fällen ist es jedoch
auch bei noch nicht geretteten Patienten notwendig mit der medizinischen Behandlung zu
beginnen (Sauerstoffinsufflation, Immobilisation der HWS, Intubation, ven. Zugänge,
Schmerztherapie, Anlage von Thoraxdrainagen etc.). Dabei ist es jedoch wichtig zu beachten,
dass die Einleitung der lebensrettenden Maßnahmen bei eingeklemmten Patienten oft
äußerst schwierig sein kann und ggf. eine zusätzliche Gefährdung des Notarztes bzw. des
Rettungsteams darstellt. Deshalb muss an dieser Stelle vor übereilten „heroischen“
Rettungsmaßnahmen mit erheblicher Selbstgefährdung (Straßenverkehr, Brandgefahr,
Explosionsgefahr, Gefahren der Elektrizität etc.) aufs eindringlichste gewarnt werden. Bevor
die medizinischen Interventionen durchgeführt werden können, überprüft der Notarzt die
Sicherheit der Unfall- Einsatzstelle und in Absprache mit dem Leiter der technischen Dienste
die Sicherheit der Rettungsmaßnahmen, „Eigensicherung“.
33.3.2 Kooperation mit technischen Diensten
Zur Durchführung eines adäquaten Notfalleinsatzes ist insbesondere bei polytraumatisierten
Patienten, oft eine Zusammenarbeit mit anderen Diensten (Polizei, Feuerwehr,
Technisches Hilfswerk, DLRG, Wasserwacht, etc.) erforderlich. Der Notarzt sollte sich
unmittelbar nach Ankunft an der Einsatzstelle mit der technischen Einsatzleitung (falls
vorhanden) vor Ort in Verbindung zu setzen und den Einsatz von technischem Rettungsgerät
absprechen. Bei den angesprochenen Organisationen herrscht eine große
Kooperationsbereitschaft kombiniert mit hoher technischer Professionalität vor. Dieses
Potential gilt es in Verantwortung für den Patienten möglichst optimal zu nutzen, damit die
Rettungsmaßnahmen schnell und effektiv erfolgen können.
Aus: Kapitel 33: Polytrauma; Kursbuch Notfallmedizin (in Bearbeitung, Neuauflage 2016) Mit freundlicher Genehmigung des Deutschen Ärzteverlags
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33.3.3 Transport in die Zielklinik
Nach der initialen Behandlung und Therapie Notfallpatienten, stellen sich für den Notarzt nun
folgende Fragen:
1. Zeitpunkt des Transportes, Festlegung der Transportprioritäten
2. Auswahl der Zielklinik
3. Auswahl des Transportmittels
Bei mehreren Verletzten ist eine Festlegung der Transportprioritäten indiziert. Absolute
Transportpriorität haben Patienten mit Verletzungen, die sich auch durch eine adäquate
präklinische Therapie nicht stabilisieren lassen. Ein weiterer wichtiger bzw. entscheidender
Faktor im Rahmen einer adäquaten Transportorganisation ist die Auswahl der Zielklinik.
Die Entscheidung über die Auswahl der Zielklinik obliegt dem Notarzt, da er aufgrund seiner
Kompetenz in der Lage ist, abzuschätzen, welche klinische Versorgung für den Patienten
notwendig ist. Deshalb ist es unabdingbar, dass der Notarzt über die Diagnose- und
Behandlungskapazitäten der umliegenden Akutkrankenhäuser bzw. Spezialkliniken
ausreichende Kenntnis hat. Es ist dabei wichtig, dass nicht das nächste Krankenhaus,
sondern das nächstgeeignetste Krankenhaus ausgewählt wird (z.B. bei Patienten mit SHT
sollte grundsätzlich eine Klinik mit der diagnostischen Möglichkeit einer zerebralen
Computertomographie und einer neurochirurgischen Fachabteilung gewählt werden). Ein
Transport in eine nicht geeignete Klinik hat einen erheblichen Zeitverlust bis zur adäquaten
Therapie zur Folge und führt ggf. zu einer erhöhten Sterblichkeit [Biewener et al. 2005] Die
frühe Alarmierung, bzw. Parallelalarmierung eines Rettungshubschraubers kann daher,
insbesondere in ländlichen Gebieten, einen Vorteil bedeuten.
Ein integraler Bestandteil einer adäquaten notfallmedizinischen Versorgung ist die Auswahl
eines geeigneten Transportmittels. Die wichtigste Anforderung an ein
Rettungstransportmittel ist die größtmögliche Sicherheit für Patient und begleitenden Arzt
bzw. Rettungsassistenten. Daneben sind optimale Zugangsmöglichkeiten zu dem Patienten
während des Transportes, Minimierung des Transporttraumas, Minimierung der
Transportzeiten durch verkehrsunabhängige Transportsysteme und die Verfügbarkeit rund
um die Uhr wichtige Bedingungen. Für ein Polytrauma sind ein mit Notarzt besetzter
Rettungstransportwagen (RTW), und der Rettungstransporthubschrauber (RTH) geeignet. Im
Gegensatz zu den bodengebundenen Rettungstransportmitteln ist der Rettungshubschrauber
vor allem bei längeren Einsatzwegen aufgrund der erhöhten Geschwindigkeit erheblich
schneller und unabhängig vom allgemeinen Verkehrsfluss. Ein Nachteil des
Rettungshubschraubers ist die eingeschränkte Möglichkeit eines ungehinderten Zuganges
zum Patienten, so dass wichtige therapeutische Maßnahmen (z.B. Thoraxsaugdrainage) vor
Beginn des Transportes durchgeführt werden müssen. Darüber hinaus steht der RTH in der
Regel nur tagsüber für primäre Rettungseinsätze zur Verfügung und ist nicht bei allen
Wetterverhältnissen einsetzbar.
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Prinzipiell sollte der Notarzt vor Beginn des Transportes in die Klinik über die Leitstelle mit der
Zielklinik Kontakt aufgenommen haben und Informationen über den Patienten an den
Aufnahmearzt gegeben haben. Je präziser und genauer die Vorinformationen der Zielklinik
ist, desto besser können die Vorbereitungen für die Patientenaufnahme koordiniert werden.
[S3- Leitlinie Polytrauma/Schwerstverletztenbehandlung]
Die primäre Luftrettung kann zur präklinischen Versorgung Schwerverletzter
eingesetzt werden, da insbesondere bei mittlerer bis hoher Verletzungsschwere
ein Überlebensvorteil resultieren kann.
GoR 0
Schwerverletzte Patienten sollten primär in ein Traumazentrum eingeliefert
werden.
GoR B
33.3.4 Übergabe in der Klinik
Die Übergabe an den aufnehmenden, teamführenden Arzt im Schockraum oder in der
Notfallaufnahme ist in kurzer, geordneter Form durchzuführen. Es ist dabei notwendig, dass
sich für die kurze Phase der Übergabe alle anwesenden Kollegen auf die Angaben des
Notarztes konzentrieren, da sonst wichtige Informationen verloren gehen „Time out“. Das
Notarzteinsatzprotokoll stellt eine wichtige Informationsquelle über den initialen Zustand
des Patienten dar und dokumentiert die sachgerechte Versorgung des Patienten. Darüber
hinaus bietet ein adäquat geführtes Notarzteinsatzprotokoll für den Notarzt Sicherheit bei
späteren Rückfragen oder juristischen Auseinandersetzungen und leistet somit einen Beitrag
zur Qualitätssicherung im Rettungsdienst.
33.3.5 Algorithmen der Polytraumaversorgung
Zahlreiche Arbeitsgruppen haben sich in den vergangenen Jahren mit der Entwicklung
geeigneter Schockraumalgorithmen beschäftigt. Dies ist unstrittig auch ein Zeichen für die
absolute Notwendigkeit nach einem strukturierten, aber auch durchführbaren Konzept.
Aufgrund der Komplexizität der polytraumatisierten Patienten und der Interdisziplinarität ist es
in jedem Fall sinnvoll vorliegende Algorithmen an die jeweiligen Bedingungen der einzelnen
Zielkliniken zu adaptieren. [Shafizadeh et al. 2010] Zu nennen sind hier neben zahlreichen
regional etablierten Algorithmen das ATLS Protokoll (USA), und den an europäische
Verhältnisse angepassten ETC (European Trauma Course). Gleichzeitig kann ein
Algorithmus die ärztliche Erfahrung im Umgang mit schwerverletzten, bzw. blutenden
Patienten nicht ersetzen, wohl aber dazu beitragen den Stress für das medizinische Team zu
reduzieren, so dass menschliche Einflüsse im Hinblick auf mögliche Fehler reduziert werden
können. Insbesondere dann, wenn Algorithmen regelmäßig trainiert werden und dabei auch
die Bedeutung menschlicher Einflussfaktoren bewusst gemacht werden. (z.B. durch CRM-
Training).
Aus: Kapitel 33: Polytrauma; Kursbuch Notfallmedizin (in Bearbeitung, Neuauflage 2016) Mit freundlicher Genehmigung des Deutschen Ärzteverlags
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33. 4 Therapieprinzipien
Während im normalen Klinikablauf therapeutische Interventionen nach ausführlicher
Diagnostik getroffen werden, gilt in der Notfallmedizin, dass Behandlungsmaßnahmen meist
vor Kenntnis der genauen Diagnose erfolgen müssen. Wie bei der Diagnostik wird auch in die
Therapie nach Prioritäten geordnet durchgeführt.
Die Wiederherstellung, Sicherung und Aufrechterhaltung der Vitalfunktionen stehen deshalb
beim mehrfachverletzten Patienten im Fokus der notärztlichen Behandlungsmaßnahmen.
Elementare Therapieprinzipien sind Sicherung der Atemwege und der Oxygenierung,
Schocktherapie, Blutstillung, Volumenersatztherapie, Immobilisation von Frakturen,
eine suffiziente Analgesie und Anästhesie, sowie Wärmeerhaltung des verunfallten
Patienten. Diese Therapiemaßnahmen tragen insbesondere in der ersten Stunde nach dem
Trauma wirkungsvoll dazu bei Morbidität und Mortalität bei Polytrauma zu reduzieren.
In diesem Zusammenhang erscheint auch eine kurze Diskussion der Kontroverse zwischen
„load and go or stay and play“ nach wie vor notwendig.
Mit dem Ausbau des Rettungssystems und den ständigen Verbesserungen des Materials,
sowie der zunehmenden Schulung von ärztlichen Kollegen, besteht die Möglichkeit
lebensrettende intensivmedizinische Therapiemaßnahmen auch beim Polytraumatisierten in
die präklinische Phase zu verlagern. Am Notfallort werden invasive Maßnahmen begonnen
um den Patienten zu stabilisieren und um die Transportfähigkeit herzustellen (“stay and
play“). Dem gegenüber steht das Konzept des möglichst schnellen Abtransportes in ein
entsprechendes Traumazentrum (““load and go“). Während in den USA nach einer primären
Versorgung (ven. Verweilkanüle, Sauerstoffinsufflation, Immobilisation) traumatisierte
Patienten in der Regel in Begleitung von Paramedics möglichst rasch in die Klinik
transportiert werden, hat sich in Deutschland ein arztgestütztes Rettungssystem mit primärer
intensiver Patientenversorgung etabliert. Während einige Studien (USA) das Konzept der
primären intensiven Versorgung vor allem wegen des Zeitverlustes (z.B. Anlage eines
venösen Zugangs: 10–12 min) und der geringen Effektivität der initialen
Volumenersatztherapie (20 ml/min kristalline Lösung) eher ablehnend beurteilen, [Smith et al.
1985, Liberman et al. 2000] oder Nachteile durch die präklinische Volumentherapie zeigen
[Bickell et al 1994] kommen verschiedene Untersuchungen zu durchaus positiven
Ergebnissen durch den intensivtherapeutische Ansatz in der präklinischen Phase. [Schmidt et
al. 1993, Rossi et al. 1997]
Der Erfolg einer vorgezogenen, an die Situation angepassten Therapie zeigt sich allerdings
nur dann, wenn dies kompetent ohne Zeitverlust erfolgt und wenn dieses Konzept im
jeweiligen Rettungssystem etabliert ist. [Lechleuthner et al. 1994] Dazu sind sowohl
entsprechende medizinische Kenntnisse und Erfahrungen beim Notarzt und
Rettungspersonal, wie auch eine ständige Übung der praktischen Fertigkeiten erforderlich.
Die schnellstmögliche Zuführung in eine geeignete Klinik bei gleichzeitiger Schocktherapie,
d.h. Verringerung des Sauerstoffverbrauchs und Erhöhung des Sauerstoffangebots scheint
sinnvoll. Ziel ist es die Progredienz des Schocks zu verringern. Dies kann zu einer
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Verbesserung der Behandlungsergebnisse führen. [Rossi et al. 1997] Die Alternative zum
Konzept von “load and go“, welches bei unkontrollierbarer Blutung und bei kurzen
Transportzeiten von Vorteil ist, darf daher nicht “stay and play“ heißen, sondern muss eher
mit „work and go“ im Sinne von “diagnostiziere schnell und behandle effektiv“
beschrieben werden.
33.4.1 Intubation und Beatmung
Beim Polytraumatisierten entwickelt sich aus verschiedenen Ursachen häufig eine rasch
progrediente respiratorische Insuffizienz, die eine bereits bestehende Gewebshypoxie
verstärkt und damit zur Organschädigung beiträgt. Die Sicherung der Atemwege, sowie die
Oxygenierung des Patienten stehen deshalb im Vordergrund der Primärtherapie. Ziel ist also
eine bestmögliche Oxygenierung und Ventilation durch die endotracheale Intubation, sofern
indiziert. Es geht hier um die Sicherung grundlegender Vitalfunktionen, die unmittelbar mit
dem Leben assoziiert sind. Das „A“ für Atemweg und das „B“ für Belüftung/Beatmung finden
sich in allen etablierten Standards der Traumaversorgung als erste Maßnahme und nehmen
daher einen besonderen Stellenwert in der präklinischen, als auch frühen klinischen Phase
der Traumaversorgung ein [S3- Leitlinie Polytrauma/Schwerstverletztenbehandlung 2011].
Aufgrund der verschiedenen Rettungsdienstsysteme erscheint die Bewertung internationaler
Studien zum Atemwegsmanagement schwierig. So kommen im angloamerikanischen Raum
vorwiegend sog. Paramedics zum Einsatz, während in Europa der Einsatz von Notärzten sehr
verbreitet ist. In Abhängigkeit von eingesetztem Personal und Erfahrungsgrad, findet sich in
der Literatur eine hohe Rate an oesophagealen Fehlintubationen (bis zu 12%), oder
misslungenen Intubationen (bis zu 15%). Eine Übertragung von Studienergebnissen von
einem notärztlich gestützten System, auf ein anderes System mit dem Einsatz von
medizinischem Hilfspersonal (Paramedics), ist nicht einfach möglich, nicht zuletzt aufgrund
der unterschiedlichen klinischen Routine der Anwender. Unstrittig bleibt jedoch dennoch die
Notwendigkeit mit der Auseinandersetzung mit negativen Studienergebnissen aus dem
angloamerikanischen Raum hinsichtlich Intubationserfolg, da auch in Deutschland der
Ausbildungs- und Erfahrungsstand nicht einheitlich auf wünschenswertem Stand sind und mit
der Einführung des Notfallsanitäters grundsätzlich die Frage nach einer adäquaten
Ausbildung in diesem Bereich zu hinterfragen ist. Dies gilt gleichermaßen für die notärztliche
Ausbildung in diesem sensiblen und risikobehafteten Bereich.
Die Sauerstoffaufnahme ist nur bei Sicherung des Atemwegs möglich und die endotracheale
Intubation hat gemäß den aktuell bestehenden europäischen und nicht europäischen
Leitlinien den Stellenwert eines Goldstandards.
[S3- Leitlinie Polytrauma/Schwerstverletztenbehandlung 2011].
Wenn wir davon überzeugt sind, dass eine Maßnahme einen Goldstandard darstellt, aber
dennoch eine belegbare Zahl an Fehlintubationen v.a. in der Präklinik zu verzeichnen ist, so
sollte nicht die Maßnahme an sich in Frage gestellt werden, sondern ausdrücklich Kritik an
der derzeitigen Ausbildung geübt werden. Nach Konrad et al. 1998 sind ca. 150 Intubationen
Aus: Kapitel 33: Polytrauma; Kursbuch Notfallmedizin (in Bearbeitung, Neuauflage 2016) Mit freundlicher Genehmigung des Deutschen Ärzteverlags
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notwendig, um eine Erfolgsrate von 95% zu erzielen. Um die Qualifikation Notarzt zu
erlangen werden derzeit 50 Intubationen vorausgesetzt. Da in der Präklinik und insbesondere
beim polytraumatisierten Patienten mit einem schwierigen Atemweg, z.B. aufgrund von
Blutungen, z.B. im HNO Bereich, zu rechnen ist, stellt also die Intubation tatsächlich einen
nicht unerheblichen Risikofaktor dar, wenn diese Maßnahme nicht durch innerklinische
Routine oder durch ausreichendes Training regelmäßig geübt wird. Alternative
supraglottische Atemwegshilfen, wie der Larynxtubus stellen hier eine wertvolle
Verbesserung nicht nur in der präklinischen Phase dar. [Genzwürker et al. 2002]
Insbesondere beim schwierigen Atemweg und dem Nicht- Gelingen der endotrachealen
Intubation, ist dies ggf. eine lebensrettende Möglichkeit zur Ventilation und Oxygenierung des
Patienten. Jedoch gibt es auch hierbei limitierende oder zu berücksichtigende Faktoren.
Dabei ist anzumerken, dass der Larynxtubus eine große Variabilität (7 verschiedene Größen)
besitzt und insbesondere auch bei Kindern eingesetzt werden kann. Andere supraglottische
Atemwegshilfen, wie der Combitubus spielen seit der Einführung des Larynxtubus kaum noch
eine Rolle. Die Verwendung von Larynxmasken beim schwierigen Atemweg erscheint
problematisch, da auch diese Maßnahme unbedingt ausreichend geübt werden muß. Seit
einigen Jahren etablieren sich zunehmend weitere technische Hilfsmittel zur Intubation.
Insbesondere Videolaryngoskope erfreuen sich einer zunehmenden Verbreitung. Jedoch gilt
auch für alle neuen Hilfsmittel, dass der Umgang trainiert werden sollte, um Gerät und
Technik sicher zu beherrschen. (siehe Kapitel Airwaymanagement)
Indikationen zur Intubation und Beatmung
- Schädelhirntrauma mit Bewusstseinseintrübung / Bewusstlosigkeit (GCS < 9)
- respiratorische Insuffizienz
- hämorrhagisch-traumatischer Schock
- Thoraxtrauma mit respiratorischer Insuffizienz
- ausgedehnte Gesichtsschädelverletzungen
- Verbrennungen im Bereich des Gesichtes, des Halses und der oberen Atemwege
- ausgeprägte Schmerzsymptomatik (Narkoseeinleitung zur Analgesie)
In der Regel sollte die Intubation nach der Rettung des Patienten in geeigneter Lagerung und
bei ausreichender Zugänglichkeit des Kopfes unter Berücksichtigung einer möglichen
Halswirbelsäulenverletzung durchgeführt werden. Im Einzelfall ist jedoch die Intubation als
lebensrettende Sofortmaßnahme, auch bei eingeklemmten Patienten, indiziert. Darüber
hinaus kann es notwendig sein, vor der Rettung des Patienten aus Gründen der
Schmerzbekämpfung (schmerzhafte Rettungsmaßnahmen oder Lagerungsmaßnahmen) eine
Intubationsnarkose einzuleiten. Die Narkoseeinleitung findet in der Regel in Form einer Rapid
Sequence Induction (RSI) statt, um das Risiko einer Aspiration beim vermutet nicht
nüchternen Patienten zu reduzieren. Für die Durchführung der frühzeitigen Intubation bei
polytraumatisierten Patienten ist jedoch eine ausreichende Erfahrung in dieser Technik der
Aus: Kapitel 33: Polytrauma; Kursbuch Notfallmedizin (in Bearbeitung, Neuauflage 2016) Mit freundlicher Genehmigung des Deutschen Ärzteverlags
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Notfallintubation (auch Crash-Intubation) unabdingbar. [Crosby et al. 1998] Ist eine Intubation
am Unfallort nicht möglich, kann zur ausreichenden Oxygenierung und Sicherung der
Atemwege kann ggf. auch die Durchführung einer Notkoniotomie notwendig werden.
Die Beatmung sollte immer zunächst mit einer FiO2 von 1.0 erfolgen, da damit die
physikalisch im Plasma gelöste Sauerstoffmenge, die bei ausgeprägter Blutungsanämie
entscheidend für die Gewebsoxygenierung sein kann, maximiert wird. Hinweise auf klinisch
relevante, nachteilige Effekte einer kurzfristigen Beatmung mit einer hohen inspiratorischen
Sauerstoffkonzentration (Sauerstofftoxizität, Anstieg der Sauerstoffradikale, etc.) gibt es bei
Schwerverletzten nicht. Die Patienten sollten unbedingt und ohne Ausnahme unter einer
Kontrolle des endexspiratorischen CO2 (etCO2) normoventiliert werden. Allerdings wird der
etCO2 Gehalt auch durch die Perfusion beeinflusst. D.h. niedrige etCO2 - Werte können auch
durch einen niedrigen systemischen Blutdruck verursacht werden. Eine generelle
Hyperventilation ist auch bei Patienten mit SHT nicht mehr indiziert.. Zielparameter der
präklinischen Beatmung sind: pulsoxymetrische Sauerstoffsättigung 93-98%, etCO2 35-40
mmHg.
Die positive Druckbeatmung kann über die Erhöhung des intrathorakalen Drucks zu einer
Verminderung des Preloads führen und damit Herzzeitvolumen und Blutdruck zusätzlich
beeinträchtigen. Wird PEEP angewendet, sollte dieser in Abhängigkeit von Sättigung und
Hämodynamik titriert werden.
Bei jedem Polytrauma mit Thoraxtrauma muss besonders unter maschineller Beatmung
sorgfältig auf die Ausbildung eines Pneumothorax bzw. Spannungspneumothorax
geachtet werden. Im Zweifelsfall ist bei Thoraxtrauma, unklarem Auskultationsbefund, Anstieg
des Beatmungsdruckes und Verschlechterung der hämodynamischen Situation die Anlage
von Thoraxdrainagen indiziert. (s.o.) Dies ist besonders wichtig, wenn als Transportmittel der
Rettungshubschrauber eingesetzt wird, da in diesem Rettungstransportmittel die Anlage einer
Thoraxdrainage während des Transportes in der Regel nicht möglich ist.
Kapnographie
Die Kapnographie gehört zur Standardausrüstung an anaesthesiologischen Arbeitsplätzen
und im Rettungsdienst. Im Bereich der präklinischen Versorgung ist dies, trotz Vorgabe im
Rahmen der bestehenden DIN- Normen, immer noch nicht flächendeckend der Fall. Hier
herrscht dringender Handlungsbedarf.
Die Kapnographie dient allerdings nicht nur zur Detektion der Tubuslage, sondern ist ein
maßgeblicher Faktor in der Steuerung der Ventilation. Eine suffiziente Ventilation bedeutet
eine ausreichende Zuführung von Sauerstoff und damit Oxygenierung, als auch eine
Eliminierung des Kohlendioxids. Der Kohlendioxidgehalt im Blut hat einen unmittelbaren
Einfluss auf den pH - Wert und auf die zerebrale Perfusion im Rahmen eines vorliegenden
SHT. Gleichzeitig hat eine Azidose einen negativen Einfluss auf die Blutgerinnung. Das heißt,
dass sowohl eine Hypokapnie, als auch eine Hyperkapnie ungünstig für den Schwerverletzten
Aus: Kapitel 33: Polytrauma; Kursbuch Notfallmedizin (in Bearbeitung, Neuauflage 2016) Mit freundlicher Genehmigung des Deutschen Ärzteverlags
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sind. Der Patient soll entsprechend normoventiliert werden. Allerdings kann nicht immer direkt
vom kapnographisch ermittelten etCO2 auf das arterielle CO2 (paCO2) rückgeschlossen
werden, da dies unter anderem durch Lungenkontusionen, Atelektasen, Hypotension und
metabolischer Azidose bedingten pulmonalen Shuntfraktion beeinflusst werden kann.
D.h. der etCO2 Gehalt wird auch durch die Perfusion beeinflusst. Niedrige etCO2 - Werte
können entsprechend auch durch einen niedrigen systemischen Blutdruck verursacht werden.
[S3- Leitlinie Polytrauma/Schwerstverletztenbehandlung 2011]
Bei polytraumatisierten Patienten mit Apnoe oder Schnappatmung (AF <6) sollen
präklinisch eine Notfallnarkose, eine endotracheale Intubation und eine Beatmung
durchgeführt werden.
GoR A
Beim polytraumatisierten Patienten sollte bei folgenden Indikationen prähospital
eine Notfallnarkose, eine endotracheale Intubation und eine Beatmung
durchgeführt werden:
a) Hypoxie (SpO2<90%) trotz Sauerstoffgabe und nach Ausschluss eines
Spannungspneumothorax
b) Schweres SHT (GCS <9)
c) traumaassoziierte hämodynamische Instabilität (RRsys <90 mmHg)
d) schweres Thoraxtrauma mit respiratorischer Insuffizienz (Atemfrequenz
>29)
GoR B
Der polytraumatisierte Patient soll vor Narkoseeinleitung präoxygeniert werden. GoR A
Die innerklinische endotracheale Intubation, Notfallnarkose und Beatmung sollen
durch trainiertes und erfahrenes anaesthesiologisches Personal durchgeführt
werden.
GoR A
Notärztliches Personal soll regelmäßig in der Notfallnarkose, der endotrachealen
Intubation und den alternativen Methoden zur Atemwegssicherung
(Maskenbeatmung, supraglottische Atemwegshilfen, Notfallkoniotomie) trainiert
werden.
GoR A
Bei der endotrachealen Intubation des Traumapatienten soll mit einem schwierigen
Atemweg gerechnet werden.
GoR A
Bei der Narkoseeinleitung und endotrachealen Intubation des polytraumatisierten
Patienten sollen alternative Methoden zur Atemwegssicherung vorgehalten werden.
GoR A
Innerklinisch soll bei der Narkoseeinleitung und endotrachealen Intubation eine
Fiberoptik als Alternative verfügbar sein.
GoR A
Bei erwartet schwieriger Narkoseeinleitung und / oder endotrachealer Intubation
soll innerklinisch ein anaesthesiologischer Facharzt dieses Verfahren durchführen
bzw. supervidieren, wenn dies keine Verzögerung einer sofort lebensrettenden
Maßnahme bedingt. Es soll durch geeignete Maßnahmen sichergestellt werden,
dass ein anaesthesiologischer Facharzt im Regelfall rechtzeitig vor Ort ist.
GoR A
Nach mehr als 3 Intubationsversuchen sollen alternative Methoden zur Beatmung GoR A
Aus: Kapitel 33: Polytrauma; Kursbuch Notfallmedizin (in Bearbeitung, Neuauflage 2016) Mit freundlicher Genehmigung des Deutschen Ärzteverlags
23
bzw. Atemwegssicherung in Betracht gezogen werden.
Zur Narkoseeinleitung, endotrachealer Intubation und Führung der Notfallnarkose
soll der Patient mittels EKG, Blutdruckmessung, Pulsoxymetrie und Kapnographie
überwacht werden.
GoR A
Eine Kapnometrie / -graphie soll präklinisch bzw. innerklinisch im Rahmen der
endotrachealen Intubation zur Tubuslagekontrolle und danach zur Dislokation-
und Beatmungskontrolle angewendet werden.
GoR A
Beim endotracheal intubierten und narkotisierten Traumapatienten soll eine
Normoventilation durchgeführt werden.
GoR A
Ab der Schockraumphase soll die Beatmung durch engmaschige arterielle
Blutgasanalysen kontrolliert und gesteuert werden.
GoR A
Bei polytraumatisierten Patienten soll zur endotrachealen Intubation eine
Notfallnarkose aufgrund der meist fehlenden Nüchternheit und des
Aspirationsrisikos als Rapid Sequence Induction durchgeführt werden.
GoR A
Etomidat als Einleitungshypnotikum sollte aufgrund der assoziierten
Nebenwirkungen auf die Nebennierenfunktion vermieden werden. (Ketamin stellt
hier meistens eine gute Alternative dar)
GoR B
Zur endotrachealen Intubation sollte die Manuelle In-Line-Stabilisation unter
temporärer Aufhebung der Immobilisation mittels HWS Immobilisationschiene
durchgeführt werden.
GoR B
33.4.2 Analgesie, Anästhesie
Einen wesentlichen Beitrag zur Entwicklung und zur Aufrechterhaltung des traumatischen
Schocks leisten die durch das Trauma bedingten Schmerzen und die damit verbundene
Stresssituation für den wachen Patienten. Durch Schmerzen und Stress wird die
sympathoadrenerge Reaktion des Organismus verstärkt, der Sauerstoffbedarf und ggf. der
Hirndruck erhöht. Es ist deshalb, nicht nur aus ethischen Gründen eine der wichtigsten
Aufgaben des Notarztes, die akuten - mitunter unerträglichen - Schmerzen zu lindern. Dazu
ist es notwendig, möglichst frühzeitig (Rettungsmaßnahmen, Lagerungsmaßnahmen,
Transport) eine ausreichende Analgesie und Sedierung im Rahmen einer
Intubationsnarkose durchzuführen. Die Auswahl der zur Verfügung stehenden Medikamente
spielt dabei eher eine untergeordnete Rolle, Wichtig ist die Anpassung der Dosis an die
jeweilige hämodynamische Situation und an den individuellen Schmerzmittelbedarf (z.B. bei
Repositionsmaßnahmen) des Patienten. Als potente Analgetika bieten sich in dieser Situation
Opioide und Ketamin an, wobei beide mit einem Sedativum in der Regel einem
Benzodiazepin kombiniert werden. Zur Einleitung der Notfallnarkose wurde lange Zeit
Etomidate bevorzugt, da hier im Gegensatz zu Thiopental oder Propofol mit keiner negativ
inotropen Wirkung zu rechnen ist. Im Rahmen von verschiedenen Untersuchungen konnte
eine negative Auswirkung auf die Nebennierenrindenfunktion beim polytraumatisierten
Aus: Kapitel 33: Polytrauma; Kursbuch Notfallmedizin (in Bearbeitung, Neuauflage 2016) Mit freundlicher Genehmigung des Deutschen Ärzteverlags
24
Patienten nach Narkoseeinleitung mit Etomidat gesehen werden, was mit einer erhöhten
Mortalität beschrieben wurde. [Warner et al. 2009, Cotton et al. 2008] Insoweit soll auf den
Einsatz von Etomidat zur präklinischen Narkoseeinleitung beim Polytrauma verzichtet
werden. Entsprechend wurde dies in der S3- Leitlinie formuliert. Als Alternative wird Ketamin,
bzw. Esketamin genannt. Insgesamt sind jedoch alle Umstände im Einzelfall zu bewerten.
Dies kann auch bedeuten, dass eine Verwendung von Etomidat sinnvoll erscheinen kann.
Befragungen von Notärzten und Verbrauchslisten zeigen, dass Etomidat weiter häufig zur
Narkoseeinleitung beim Polytrauma verwendet wird. Muskelrelaxanzien können zur
Erleichterung der maschinellen Beatmung beim ausreichend sedierten Patienten eingesetzt
werden. Nach Analgesie kommt es zu einer verminderten Ausschüttung von Katecholaminen
aufgrund der reduzierten Sympathikusreaktion. Veränderungen der Herzfrequenz und des
Blutdrucks sind häufig zu beobachten. Nicht selten detektiert sich ein durch endogene
Katecholamine kompensierter Schock nach Gabe von Opioiden. Diese Reaktion ist ggf. bei
Einsatz von Ketamin durch Freisetzung von Noradrenalin durch Sympathikusaktivierung
weniger ausgeprägt. Seit Anfang des Jahres 2015 ist auch eine S1- Leitlinie mit
Handlungsempfehlungen zur prähospitalen Notfallnarkose beim Erwachsenen verfügbar.
[Bernhard et al. 2015]
33. 4. 3 Volumenersatztherapie
Der hämorrhagisch-traumatische Schock steht in der Initialphase des Polytraumas im
Vordergrund. Im Rahmen des traumatisch-hämorrhagischen Schocks kommt es aufgrund der
Minderperfusion zu einem Missverhältnis zwischen Sauerstoffangebot- und bedarf im
Gewebe. Ziel einer Volumentherapie sollte entsprechend eine Verbesserung der Perfusion
und der Mikrozirkulation sein. Die exakte Beurteilung von Ausmaß und Dauer des Schocks
ist nicht einfach, da weder der externe Blutverlust noch der Verlust in große Körperhöhlen
wirklich quantifizierbar ist. Letztlich sollte man bei polytraumatisierten Patienten grundsätzlich
davon ausgehen ist, dass ein erheblicher Blutverlust vorliegt. Insbesondere jüngere Patienten
können durch die sympathoadrenerge Reaktion relativ lange eine „stabile
Makrohämodynamik“ aufrechterhalten, was zu einer Verschleierung eines bereits erheblichen
Volumendefizites führt. Da invasive Parameter, wie intrathorakales Blutvolumen (ITBV),
zentraler Venendruck (ZVD) oder die zentralvenöse Sättigung (ScvO2) zur Abschätzung der
Volumensituation nicht vorliegen, müssen klinische Zeichen, wie anhaltende Hypotonie,
Tachykardie, Desorientiertheit, Blässe, Kaltschweißigkeit, Verletzungsmuster und
Unfallmechanismus zur Beurteilung herangezogen werden. Als präklinisches Monitoring der
Volumensituation dienen systolischer Blutdruck, Herzfrequenz und das kapilläre Refilling,
sowie die einfache Pulskontrolle. Ziel der präklinischen Volumenersatztherapie ist die
Wiederherstellung eines systolischen Blutdrucks von 80 - 100 mmHg und einer Herzfrequenz
von 100/min. sofern nicht das Vorliegen einer schweren Schädel-Hirn-Verletzung einen
höheren zerebralen Perfusionsdruck erfordert. [Rossaint et al. 2010]
Aus: Kapitel 33: Polytrauma; Kursbuch Notfallmedizin (in Bearbeitung, Neuauflage 2016) Mit freundlicher Genehmigung des Deutschen Ärzteverlags
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Für das Polytrauma ist eine Volumenersatztherapie über mehrere (sofern möglich)
großvolumige periphere Zugänge von großer Bedeutung. Bei Nichtgelingen kann eine
intraossäre Nadel via entspr. Bohrer und System (Bsp. EZ IO Fa. Vidacare®) eingebracht
werden, bzw. zentralvenös ein Zugang geschaffen werden. Zeitverluste durch frustrane
Versuche sollten unbedingt vermieden werden. Hinsichtlich der Wahl der zu verwendeten
Infusionslösung wird nach wie vor kontrovers diskutiert. So zeigte Velanovich 1989 in einer
Meta- Analyse bei Traumapatienten eine Reduktion der Mortalität um 12,3% im Falle einer
Volumentherapie mit Kristalloiden. Auch Choi 1999 postulierten eine geringere Mortalität bei
der Verwendung von Kristalloiden. Eine Chochrane Analyse von 2008 ergab keinen
Unterschied zwischen Kolloiden und Kristalloiden beim Trauma [Bunn et al 2008]. Insoweit
folgerten die Autoren, dass auf Kolloide auch verzichtet werden könne. Zudem zeigt sich in
zahlreichen Untersuchungen ein negativer Einfluss auf das Gerinnungssytem. Auch konnte
die Überlegenheit einer bestimmten kolloidalen Volumenersatzlösung bislang nicht gezeigt
werden. [Bunn et al. 2003] Aufgrund der weniger ausgeprägten Einflüsse von
niedermolekularem HES auf das Gerinnungssystem, sollte bei Verwendung von kolloidalen
Lösungen HES 130 verwendet werden. [S3- Leilinie Polytrauma,
Schwerstverletztenbehandlung 2011, Fries et al. 2015] Über einige Jahre wurden hypertone
Kochsalzlösungen mit Kolloidanteil (z.B. Hyperhaes) im Rahmen der „Small Volume
Resuscitation“ in der Notfalltherapie eingesetzt. Mit diesen Lösungen war es grundsätzlich
möglich, mit einer geringen, schnell injizierbaren Flüssigkeitsmenge (4ml/kg KG) über 2-4
min. einen deutlich größeren Volumeneffekt zu erzielen. Durch die Bolusinjektion der
hypertonen Kochsalzlösung (Osmolarität ca. 2400 mosmol) kommt es zur Ausbildung eines
osmotischen Gradienten zwischen Intravasal- und Extravasalraum, welcher zu einer
Mobilisation von Flüssigkeit aus den Erythrozyten, dem Interstitium und besonders aus
geschwollenen Endothelzellen nach intravasal führt. Dadurch kommt es neben einer raschen
Stabilisierung der Makrozirkulation zu einer Verbesserung der nutritiven Gewebeperfusion auf
der Ebene der Mikrozirkulation, was günstig bezüglich der Prävention von Sekundärfolgen
erscheint. [Kreimeier et al. 1997, Kreimeier et al 2002, Ragaller et al. 2001, Gurfinkel et al.
2003] Eine Metaanalyse von Wade C. et al. zeigte eine 3,5%ige Reduktion der Letalität durch
die Anwendung von hypertoner Kochsalzlösungen im Schock. [Wade et al. 1997] Hypertone,
kolloidale Lösungen sind somit über den reinen Volumeneffekt hinaus spezifisch wirksame
Substanzen im Schock. Zur weiteren nachhaltigen Stabilisierung ist nach erfolgter Small
Volume Resuscitation eine Fortführung der konventionellen Volumenersatztherapie unter
hämodynamischen Monitoring erforderlich. [Kreimeier et al. 2002] Insgesamt führten
zahlreiche kontrollierte Untersuchungen zu unterschiedlichen Ergebnissen. Bunn et al.
untersuchten 2004 in einer Chochrane Analyse hypertone versus isotone Lösungen. Die
Autoren kamen zu der Schlussfolgerung, dass die Datenlage noch nicht ausreiche, um
abschließend ein Urteil über hypertone Lösungen zu fällen. Im Rahmen der Behandlung des
SHT beschreiben einige Untersuchungen eine senkende Wirkung eines gesteigerten
Hirndrucks nach der Applikation von hypertonen Lösungen [Hartl et al. 1997, Kempski et al.
Aus: Kapitel 33: Polytrauma; Kursbuch Notfallmedizin (in Bearbeitung, Neuauflage 2016) Mit freundlicher Genehmigung des Deutschen Ärzteverlags
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1996, Schwarz et al. 1998]. In anderen Untersuchungen bei Patienten mit SHT und dem
Vorliegen einer hypotonen Kreislauf- Situation, konnten keine Vorteile für die Verwendung
von hypertonen Infusionslösungen gezeigt werden. [Cooper et al. 2004] Aufgrund von
Zulassungsveränderungen durch das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte
(BfArM) stehen dem deutschen Markt derzeit hypertone, hyperonkotische Lösungen nicht
mehr zur Verfügung (z.B. Hyperhaes®, Rescueflow®). Der Einsatz von hypertonen Lösungen
bleibt weiter umstritten und ist derzeit nur mit hypertonen NaCl- Lösungen außerhalb der
Zulassung (off label use) möglich.
Insgesamt kann durch eine maßvolle präklinische Volumentherapie die Überlebensrate beim
schwerstverletzten Patienten erhöht werden. [Hampton et al. 2013]
Innerhalb der Erstversorgung eines Schwerstverletzten, bzw. beim hämodynamisch instabilen
Traumapatienten, können 500 – 1500 ml kristalline Lösungen appliziert werden
(Druckinfusion). Falls nicht ausreichend können auch kolloidale Lösungen verabreicht
werden. Aufgrund der großen Variabilität der Verletzungen kann es keine definierte
Volumenmenge als Empfehlung geben. Vielmehr sollten Indikatoren einer vorhandenen
Perfusion, wie ein tastbarer peripherer Puls, eine peripher abgeleitete Pulsoxymetriekurve,
ein „capillary refill“, sowie ein adäquater endexpiratorischer Kohlendioxidgehalt neben dem
Blutdruck als Verlaufskriterium gewertet werden. Je schwerer Trauma und Schock sind, desto
ausgeprägter kann die Notwendigkeit einer Volumenersatztherapie sein.
Da beim polytraumatisierten häufig der Verdacht schwerer (ggf. chirurgischer) Blutungen
besteht, sollte der Fokus nicht auf eine Volumengabe vor Ort, sondern vielmehr während des
Transportes erfolgen, um den Patienten einer kausalen Therapie zuzuführen. Dies bedeutet
auch das Akzeptieren von niedrigen Blutdruckwerten von ca. 80 mmHg syst. (Konzept der
permissiven Hypotension). [Kreimeier et al. 2002] Hierbei ist der Blutverlust durch den
niedrigen Blutdruck verringert. Nach kausaler chirurgischer Blutstillung kann der Blutdruck
dann angehoben werden. Bei Patienten mit gleichzeitigem Schädel-Hirn-Trauma sollte dieses
Konzept jedoch nicht eingesetzt werden, da hier der zerebrale Perfusionsdruck nicht
ausreichend wäre. [Chesnut et al. 1993] Im Gegenteil: Bei schweren SHT kann es sogar
notwendig sein, den Blutdruck mit Volumen und ggf. Katecholaminen anzuheben, um einen
ausreichenden Perfusionsdruck zu gewährleisten. Zu diesem Zweck können
vasokonstriktorisch wirkende Katecholamine wie Noradrenalin eingesetzt werden. Die Gabe
dieser hochpotenten Substanz sollte jedoch unbedingt über eine exakte Spritzenpumpe
(Perfusor) erfolgen. Bei gleichzeitigen schweren Verletzungen des Schädels und des Thorax,
Abdomens oder Beckens ist dies nachvollziehbar ein Dilemma. Hier bleibt in der
präklinischen Phase nur nach momentaner Priorität der Verletzungen und der daraus vitalen
Gefährdung zu entscheiden.
In der S3- Leitlinie wird hinsichtlich der Empfehlung zur Volumentherapie formuliert, dass
Patienten mit normotensiven Kreislaufwerten keiner Volumentherapie bedürfen, es sollen
aber venöse Zugänge gelegt werden. Wichtig erscheint hierbei die Erfassung von möglichen
Aus: Kapitel 33: Polytrauma; Kursbuch Notfallmedizin (in Bearbeitung, Neuauflage 2016) Mit freundlicher Genehmigung des Deutschen Ärzteverlags
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dynamischen Veränderungen der Situation. Alle Messwerte und subjektiven Eindrücke zum
Zustand des Patienten sind lediglich Momentaufnahmen und bedürfen einer fortwährenden
Überprüfung.
[S3- Leitlinie Polytrauma/Schwerstverletztenbehandlung]
Bei schwer verletzten Patienten sollte eine Volumentherapie eingeleitet werden, die
bei unkontrollierbaren Blutungen in reduzierter Form durchgeführt werden sollte,
um den Kreislauf auf niedrig-stabilem Niveau zu halten und die Blutung nicht zu
verstärken.
GoR B
Bei hypotensiven Patienten mit einem SHT sollte eine Volumentherapie mit dem
Ziel der Normotension durchgeführt werden.
GoR B
Normotensive Patienten bedürfen keiner Volumentherapie, es sollten jedoch
venöse Zugänge gelegt werden.
GoR B
Zur Volumentherapie beim Traumapatienten sollten Kristalloide eingesetzt werden. GoR B
Isotone Kochsalzlösungen sollten nicht verwendet werden, Ringer-Malat, alternativ
Ringer Acetat oder Ringer-Laktat, sollte bevorzugt werden.
GoR B
Humanalbumin soll nicht zur präklinischen Volumentherapie herangezogen werden. GoR A
Werden bei hypotensiven Traumapatienten kolloidale Lösungen eingesetzt, sollte
Haes 130/0,4 bevorzugt werden.
GoR B
Beim polytraumatisierten Patienten nach stumpfen Trauma mit hypotonen
Kreislaufverhältnissen können hypertone Lösungen verwendet werden.
GoR 0
Bei penetrierendem Trauma sollten hypertone Lösungen verwendet werden, sofern
hier eine präklinische Volumentherapie durchgeführt wird.
GoR A
Bei hypotonen Patienten mit schwerem SHT kann eine hypertone Lösung
verwendet werden.
GoR 0
Anti- Schock Hosen sollen zur Kreislaufunterstützung bei Polytrauma- Patienten
nicht eingesetzt werden.
GoR A
Die Behandlung des traumatisch-hämorrhagischen Schocks beruht auf 3
Grundpfeilern:
1. Blutstillung
2. Sauerstoffverbrauch senken
3. Sauerstoffangebot im Gewebe erhöhen
Die Blutstillung kann in der Regel an Extremitäten durch Anlegen eines suffizienten
Druckverbandes erreicht werden. Gelegentlich ist eine digitale Kompression der großen
Arterie oder ein Abbinden einer Extremität zur Blutstillung erforderlich, sollte aber bei nicht
ausreichender Blutungsverringerung durch Kompression zeitnah in Erwägung gezogen
werden. Einen erheblichen Beitrag zur Blutstillung leistet die adäquate Lagerung und
Immobilisierung von Frakturen (Vakuummatratze, Schienung, etc.). Hinsichtlich der
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Anwendung von Antischockhosen (MAST) zur Blutstillung bzw. Schocktherapie,
insbesondere bei Verletzungen an der unteren Körperhälfte wird empfohlen diese nicht
einzusetzen [Dickinson et al. 2000, S3- Leitlinie Polytrauma/Schwerstverletztenbehandlung
2011].
Die Kompression des Beckens bei entsprechender Instabilität kann einen wichtigen Beitrag
zur Reduzierung des Blutverlustes leisten. Hierzu können z.B. pneumatische Beckenzwingen
oder andere Hilfsmittel eingesetzt werden. Auch ein einfaches längsgefaltetes Laken kann
durch Umschlagen um das Becken und diagonalen Zug eine Verbesserung bewirken.
Dennoch steht bei allen Situationen mit Blutung klar der Transport in eine geeignete Zielklinik
ohne unnötige Zeitverluste im Vordergrund, um eine kausale, d.h. chirurgische Blutstillung zu
ermöglichen. [Raum et al. 2009]
Der Sauerstoffverbrauch kann durch Reduzierung von Schmerzen und Stress entscheidend
gesenkt werden. In der Praxis bedeutet dies eine suffiziente Analgesie und Sedierung, bzw.
Narkose. Durch die Verminderung der sympatikoadrenergen Streßreaktion kann es zum
Abfall des systemischen Blutdrucks kommen. Letztlich zeigt sich hierdurch die tatsächliche
Kreislaufsituation ohne vermehrte endogene Katecholaminausschüttung. Auch bei
bewusstlosen Patienten kann und soll der Sauerstoffverbrauch durch Einsatz von
Narkosemedikamenten gesenkt werden. Insbesondere bei Patienten mit schweren SHT ist
dies Grundlage der präklinischen Behandlung.
Die Erhöhung des Sauerstoffangebotes im Gewebe kann neben anderen Maßnahmen
durch die Gabe von Sauerstoff an sich erfolgen. Beim spontan atmenden Patienten zunächst
via Insufflation bis zur Durchführung einer Intubation mit anschließender inspiratorischer
Sauerstoffkonzentration von 100 %. Hierdurch wird auch der Anteil des physikalisch gelösten
Sauerstoffs erhöht, was einen wichtigen Beitrag zur Schockbehandlung darstellt.
Die Gabe von Erytrozytenkonzentraten zur Verbesserung des Sauerstofftransportmediums ist
erst in der Klinik möglich. Künstliche Sauerstoffträger stehen im klinischen Alltag aber nicht
zur Verfügung. Für das Erreichen der noch vorhandenen Erythrozyten im Gewebe ist eine
bestimmte Viskosität und ein gewisser Druck erforderlich. Orientierend werden in 100 ml Blut
ca. 20 ml Sauerstoff transportiert. Bei starkem Blutverlust mit Hypovolämie erniedrigt sich
insgesamt die Transportkapazität von Sauerstoff. Daher kommt dem Anteil des im Blut
gelösten Sauerstoffs eine höhere Bedeutung beim blutenden Patienten zu. Zudem wird auch
die Viskosität des Blutes negativ beeinflusst. Die Gabe von Infusionsflüssigkeit ist daher ein
wichtiger Bestandteil der Gewebeoxygenierung. Dennoch ist die Volumentherapie im
präklinischen Bereich vor chirurgischer Blutstillung nicht unkritisch, da durch Dilutionseffekte
und weiteren Einflüssen auf die Blutgerinnung, wie Fibrinpolimerisationsstörungen auch
nachteilige Effekte zu berichten sind. Ziel der Volumen- oder Flüssigkeitstherapie ist daher
nicht die Applikation einer bestimmten Menge, sondern das Aufrechterhalten einer Perfusion
und Oxygenierung. Dabei sind ein peripher tastbarer Puls, eine messbare Sauerstoffsättigung
Aus: Kapitel 33: Polytrauma; Kursbuch Notfallmedizin (in Bearbeitung, Neuauflage 2016) Mit freundlicher Genehmigung des Deutschen Ärzteverlags
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peripher, ein messbares endtidales Kohlendioxid, oder ein „capillary refill“ positive Merkmale.
Der gemessene Blutdruck gibt weitere Hinweise auf den Stand der momentanen
Kreislaufsituation. Dabei ist der Verlauf an sich ebenfalls ein wichtiger Parameter.
33.4.4 Therapeutische Ansätze in der frühen Phase der Behandlung der
Koagulopathie
Auch wenn eine spezifische Gerinnungstherapie in der präklinischen Phase derzeit nicht
möglich ist, so ist die Kenntnis der pathophysiologischen Vorgänge der Gerinnungsstörung
beim Polytrauma wichtig. So gibt es zahlreiche Faktoren in der präklinischen Phase, die die
Blutgerinnung beeinflussen. Durch das Verständnis dieser Zusammenhänge gilt es die
negativen Auswirkungen so klein, wie möglich zu halten.
Bei der Therapie der Koagulopathie infolge massiven Blutverlustes hat die primär
chirurgische Blutstillung die höchste Priorität. [Rossaint et al. 2010] Da alle gerinnungsaktiven
Plasmabestandteile in der Frühphase der Blutung verloren gehen, erscheint der Ersatz mit
fresh frozen plasma (FFP) in der Regel die erste Wahl zu sein. Aus dem Ablauf der
plasmatischen Gerinnung lässt sich jedoch begründen, dass primär Fibrinogen in größeren
Mengen verloren geht, respektive verbraucht wird. [Fries et al. 2005, White et al. 2010] Der
akute Fibrinmangel kann aber kurzfristig nicht durch FFP- Präparate ersetzt werden (hohe
Volumenmenge, Zeitverzögerung durch Auftauen etc.), so dass die Applikation von
Fibrinogenkonzentraten eher pathophysiologisch sinnvoll erscheint und daher primär erfolgen
sollte. [Schöchl et al. 2010, Fries et al 2010]. Nach derzeitigen Erfahrungen sind
Fibrinogenspiegel von 2 – 3 g/l sinnvoll. Unterhalb einer Plasmakonzentration von 1,5 – 2g
wird die initiale Substitution von 3 – 4 g Fibrinogen empfohlen. [Rossaint et al. 2010]
Neuere Diagnoseverfahren wie die Rotationsthrombelastographie können helfen, solche
Fibrinogenmangelblutungen zu detektieren und gezielt zu therapieren. [Schöchl et al. 2010]
Mit diesem Verfahren kann darüber hinaus eine schnelle Differentialdiagnostik zwischen
Fibrinogenmangel und einer Hyperfibrinolyse erfolgen. Insbesondere bei Polytraumatisierten
ist das Auftreten einer Hyperfibrinolyse häufig. Die frühe Gabe von Antifibrinolytika wie
Tranexamsäure kann daher auch ohne Vorliegen von Labortests beim polytraumatisierten
Patienten mit schweren Blutungen, auch bereits präklinisch, sinnvoll sein. [CRASH-2
Colaborators 2010, Spahn et al 2013]
Bei der Therapie der Blutung und Gerinnungsstörung ist zusätzlich wichtig aufgrund der
Interaktion zwischen Erythrozyten und Thrombozyten auf einen ausreichenden Hämatokrit zu
achten. Die Beurteilung von Hämatokrit und Hämoglobingehalt sollte bei der schweren
Blutung daher nicht ausschließlich vom Aspekt der ausreichenden
Sauerstofftransportkapazität, sondern auch aus der Sicht der primären Hämostase in die
therapeutischen Strategien mit einbezogen werden.
Die Zahl der Thrombozyten sollte lt. BÄK 100000 nicht unterschreiten. Gleichzeitig wird ein
Hb Gehalt von 7 – 9 g/dl als primäres Ziel empfohlen. [Rossaint et al. 2010] Absolute
Aus: Kapitel 33: Polytrauma; Kursbuch Notfallmedizin (in Bearbeitung, Neuauflage 2016) Mit freundlicher Genehmigung des Deutschen Ärzteverlags
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Thrombozytenzahlen sind für die Beurteilung der Gerinnbarkeit allerdings wenig zielführend,
da die Aggregationsfähigkeit ebenfalls temperaturabhängig ist.
In jedem Fall sollte eine Hypothermie des Patienten vermieden werden, da hierdurch die
Blutgerinnung erheblich negativ beeinflusst wird. Nahezu alle Patienten mit schwerem
Trauma sind unterkühlt. Da ein Aufwärmen kaum gelingt gilt es ein weiteres Auskühlen zu
verhindern. Dies sollte auch unbedingt ein Ziel in der Präklinik sein. Die Behandlung einer
Azidose als weiterer Faktor einer Koagulopathie sollte durch eine adäquate Ventilation
unterstützt werden. Die Gabe großer Mengen kolloidaler Infusionsflüssigkeit ist hinsichtlich
der negativen Effekte auf die Gerinnung beim Polytrauma zu überdenken.
[Rossaint et al. 2010, Lison et al. 2009, Spahn et al. 2005]
33.4.5 Der traumatisch bedingte Herz- Kreislauf- Stillstand
In den vergangenen Jahren wurden Reanimationsversuche bei Patienten mit Herz- Kreislauf-
Stillstand aufgrund eines Traumas als aussichtslos erachtet. So wurde auch im Kursbuch zur
präklinischen Traumaversorgung (PHTLS) formuliert, dass Reanimationsbemühungen
unterlassen werden können, wenn Patienten bei Ankunft pulslos und apnoeisch sind [NAEMT
2012]. Durch Reevaluierung früherer Studienergebnisse und weiterer Erkenntnisse der
letzten Jahre, scheint sich aber die Überlebensrate von Patienten mit traumatisch bedingten
Herz- Kreislauf- Stillstand verbessert zu haben. Insbesondere dann, wenn potentiell
reversible Ursachen vorliegen. Diese müssen frühestmöglich erkannt und therapiert werden-
im Wesentlichen zeitgleich mit Wiederbelebungsmaßnahmen. Die Prognose erscheint hierbei
zwar nach wie vor schlechter, als bei Herz- Kreislauf- Stillstand aus kardialer Ursache, ist
aber keineswegs frustran. [Gässler et al. 2015] Zudem besteht die Möglichkeit, dass eine
nicht- traumatische Ursache (z.B. Herzinfarkt) vorliegt und hierdurch ein Unfallgeschehen
nach sich gezogen hat. Wenn es um den einzelnen schwerverletzten Patienten mit Herz-
Kreislauf- Stillstand geht, ist eine CPR insoweit indiziert. Ausnahmen hierbei können das
Vorliegen von mit dem Leben nicht vereinbaren Verletzungen sein, oder eine größere Anzahl
an Verletzten, bei gleichzeitig nicht ausreichenden rettungsdienstlichen Ressourcen.
Entsprechend wurde auch in den Leitlinien zur CPR der Algorithmus zum Vorgehen beim
TCA neu aufgenommen. [Truhlàr et al. 2015]
Folgende Ursachen des traumatisch bedingten Herz- Kreislauf- Stillstands konnten in
verschiedenen Untersuchungen identifiziert werden [Rosemurgy et al.1993, Kleber et al.2014]
Hypovolämie oder Verbluten
Schweres Schädel- Hirn- Trauma
Spannungspneumothorax
Pneumothorax / Hämatothorax
Hypoxie
Herzbeuteltamponade
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Lungenembolie
Arrhythmien
Unbekannte Ursachen
Nach dem Erfassen des Herz- Kreislauf- Stillstandes und dem Beginn der CPR, ist es beim
Traumapatienten essentiell nach potentiell reversiblen Ursachen zu fahnden und diese
konsequent zu therapieren, bzw. ein Therapieversuch einzuleiten. [S3- Leitlinie
Polytrauma/Schwerstverletztenbehandlung 2011] Bei Vorliegen einer Hypoxie (auch
Verdacht) ist die Atemwegssicherung (Intubation) und Beatmung eine der wichtigsten
Maßnahmen. Bei Patienten mit ausgeprägter Anämie können typische Zyanosezeichen
fehlen. Aufgrund der Zentralisierung des Kreislaufs und ausgekühlter Extremitäten fällt die
Sauerstoffsättigung als Überwachungsmethode und diagnostische Hilfe häufig aus. Das
Erkennen einer möglichen Hypoxie ist daher nicht immer einfach. Die Erfassung der
Atemfrequenz und Mechanik, als auch der Atemtiefe beim spontanatmenden Patienten, als
auch die Auskultation und die Inspektion des Hautkolorits spielen hier ein große Rolle. Bei
Atem, - bzw. Herz- Kreislauf- Stillstand muß immer von einer Hypoxie- Situation
ausgegangen werden und entsprechende Maßnahmen eingeleitet werden.
Bei Vorliegen eines Spannungspneumothorax sind suffiziente Thoraxkompressionen im
Rahmen der Reanimation kaum möglich. Ebenso ist eine Oxygenierung, je nach noch zur
Verfügung stehender Gasaustauschfläche der Lunge, eingeschränkt bis unmöglich. Hier ist
die Pleuraeröffnung und Entlastung absolut indiziert. Die Diagnose eines Pneumothorax, bzw.
Spannungspneumothorax im Rahmen einer Reanimationssituation ist ebenfalls erschwert,
aber möglich. Hier sind v.a. die Auskultation und Perkussion wichtig. Beim Intubierten ist
hierbei auf eine korrekte Tubuslage zu achten, da bei zu tief liegendem Tubus ggf. durch die
hierdurch eingeschränkte oder fehlende Ventilation einer Seite, fälschlicherweise auf einen
Pneumothorax geschlossen werden könnte. Weitere Hinweise sind das Vorliegen von
Hautemphysem, obere Einflussstauung, sowie Verletzungen, die einen Pneumothorax
vermuten lassen. (z.B. Rippenserienfrakturen)
Bei Hypovolämie durch äußere Blutungen ist eine Blutstillung, bzw. Reduzierung der Blutung
wichtig. Bei Blutungen an den Extremitäten ist, insbesondere im Rahmen von
Reanimationsbemühungen, ein Tourniquet sinnvoll. Bei instabilen Beckenfrakturen (auch
Verdacht), ist die Nutzung von Beckenkompressionen möglich, um durch die Kompression
eine Reduzierung der Blutung zu erreichen. Dabei ist unbedingt auf die Zeit zu achten. Ein
Verzug ist für den Patienten in jedem Fall nachteilig. Bei Blutungen parenchymatöser Organe,
bzw. inneren Blutungen ist eine Blutstillung oder Reduzierung der Blutung in der präklinischen
Phase nicht möglich. Hier gilt es v.a. die Möglichkeit derartiger Verletzungen zu erfassen.
Grundsätzlich kann dies bei chirurgischen Blutungen bedeuten, den Patienten unter
Reanimationsmaßnahmen schnellstmöglich in eine geeignete Klinik, bzw. Traumazentrum zu
transportieren, um die Möglichkeit einer chirurgischen Blutstillung einerseits und dem Ersatz
von Sauerstoffträgern andererseits zu erhalten. Die Entscheidung für oder gegen einen
Aus: Kapitel 33: Polytrauma; Kursbuch Notfallmedizin (in Bearbeitung, Neuauflage 2016) Mit freundlicher Genehmigung des Deutschen Ärzteverlags
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Transport unter Fortführung einer begonnenden Reanimation, muss so früh wie möglich
getroffen werden, wenn dies eine Chance auf Erfolg haben soll. Um einen Transport unter
laufender Reanimation mit hoher Qualität der Wiederbelebungsmaßnahmen zu
gewährleisten, können mechanische Reanimationsgeräte eine wichtige Rolle spielen. Eine
entsprechende Voranmeldung an die aufnehmende Klinik ist äußerst wichtig.
33.5 Zusammenfassung
Für die Behandlung des Polytraumas ist aufgrund der Komplexität der Verletzungen das
Wissen über Diagnostik und Therapie der einzelnen Verletzungen nicht ausreichend, da sich
die Verletzungen nicht einfach aufsummieren lassen, sondern potenzieren und eine vitale
Bedrohung für den Gesamtorganismus darstellen. In der Konsequenz sollten daher die
multiplen Interaktionen der einzelnen Verletzungen mit den Vitalorganen beurteilt werden und
in die diagnostischen und therapeutischen Maßnahmen integriert sein. Darüber hinaus
unterliegen alle medizinischen Anstrengungen dem Zeitfaktor der maßgeblich über Erfolg und
Misserfolg der präklinischen Behandlungsmaßnahmen entscheidet (“Golden hour in Shock“).
In der präklinischen Versorgung ist der Fokus auf die Wiederherstellung und
Aufrechterhaltung der Vitalfunktionen und den zeitnahen Transport in eine geeignete Klinik
gerichtet. Neben der Blutstillung steht dabei die Schocktherapie durch Senkung des
Sauerstoffverbrauchs sowie die Erhöhung des Sauerstoffangebots im Vordergrund. Das
beinhaltet eine suffiziente Analgesie, bzw. Anaesthesie zur Reduzierung der
sympatikoadrenergen Reaktion, sowie eine Normo-Ventilation und Oxygenierung als auch die
Gabe von Infusionsflüssigkeit. Eine Hypothermie sollte aufgrund der negativen Effekte auf die
Blutgerinnung verhindert, bzw. ein progredientes Fortschreiten der Auskühlung des Patienten
verringert werden.
Zur Reduzierung von Hektik, Chaos, Verzögerungen und Fehlentscheidungen sollten
Algorithmen, als roter Faden dienen. Diese sollten auf die regionalen Besonderheiten im
präklinischen und klinischen Bereich adjustiert werden. Die Umsetzung von solchen
Konzepten (ETC, PHTLS, ATLS) hat dann durch alle Beteiligten zu erfolgen und muss, um
erfolgreich zu sein, immer wieder geübt, hinterfragt und ggf. korrigiert werden, um eine
anhaltende hohe Qualität zu gewährleisten. Dies gilt nicht allein für die rein medizinischen
Abläufe, sondern auch für die „menschlichen“ Faktoren. Obwohl nahezu 70% der Ursachen
von Zwischenfällen in der Medizin auf menschliche Faktoren zurückzuführen sind, ist die
Ausbildung und das Training in diesem Bereich, z.B. durch sog. Crisis Resource
Management, defizitär. Dabei ist es möglich Einflussfaktoren, wie das Verhalten im Team,
Kommunikation, Stressverhalten, sowie der Umgang mit „Fehlern“ durch Training zu
verbessern. [Rall et al. 2010 ] (Abb. 33.4, 33.5)
Aus: Kapitel 33: Polytrauma; Kursbuch Notfallmedizin (in Bearbeitung, Neuauflage 2016) Mit freundlicher Genehmigung des Deutschen Ärzteverlags
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Aufgrund von verschiedenen äußeren z. T. nicht zu beeinflussenden Faktoren im Rahmen
von Unfällen oder Situationen mit Schwerverletzten Personen, als auch dem spürbarem
zeitlichen Druck, ist es möglich, dass die Versorgung in der präklinischen Phase nicht immer
fehlerfrei ist. Zudem sind medizinische, personelle und logistische Möglichkeiten limitiert. Dies
sollte den aufnehmenden Einrichtungen bewusst sein.
Hinweise für die praktische Arbeit
• Chirurgische Blutungen müssen schnellstmöglich einer kausalen Therapie zugeführt
werden. (Treat first, what kills first)
• Das EKG ersetzt nicht das manuelle Puls- Tasten. Bei hypovolämen
Traumapatienten mit traumatisch bedingten Herz- Kreislauf- Stillstand kann sich im
EKG das Bild einer pulslosen elektrischen Aktivität (PEA) zeigen.
• Bei blutenden Patienten mit erheblicher Anämie können trotz Vorliegen einer
hypoxischen Situation Zyanosezeichen fehlen.
• Bei anhaltender Blutung erniedrigt sich nicht die Sauerstoffsättigung (der noch
vorhandene Teil des Hb kann optimal gesättigt sein). Unterhalb eines bestimmten Hb-
Gehaltes kann es jedoch zu messtechnisch bedingten Ausfällen kommen, neben
anderen Fehlermöglichkeiten (z.B. Zentralisation). Es erniedrigt sich aber wohl der
Sauerstoffpartialdruck als Ausdruck der reduzierten Transportkapazität.
• Niedrige Kohlendioxidwerte in der Kapnographie können einerseits durch die
Ventilation verursacht werden, andererseits auch durch eine Verringerung der
Perfusion bedingt sein.
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