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MAGAZIN DES UFZ-UMWELTFORSCHUNGSZENTRUMS LEIPZIG-HALLE IN DER HELMHOLTZ-GEMEINSCHAFT magazin Chemikalien in der Umwelt ufz NOVEMBER 2004 AUSGABE 11

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MAGAZIN DES UFZ-UMWELTFORSCHUNGSZENTRUMS LEIPZIG-HALLE IN DER HELMHOLTZ-GEMEINSCHAFT

magazin

Chemikalien in der Umwelt

ufzNOVEMBER 2004

AUSGABE 11

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Grafik: WOHLFAHRT

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gehört zum Leben wie die Luft zum Atmen. Sie treibt Fernseher, Radio und CD-Player, Telefon, Computer und Handy an, sie steckt in Kleidern und Putzmitteln,in Arznei und Kosmetika, in Farben und Hausgeräten, sie steigert landwirt-schaftliche Erträge und konserviert Lebensmittel.Oft wird der Begriff Chemie mit der chemischen Industrie gleich gesetzt. Läufthier etwas schief, ist „die Chemie“ schuld – Errungenschaften und Fortschrittehingegen werden als selbstverständlich angesehen. Dabei bedeutet Chemie erst einmal nichts anderes als: Die Wissenschaft von den Eigenschaften,Umwandlungen und Anwendungen der Stoffe. In diesemSinne nutzt sie der Mensch seit jeher – bewusst oder unbe-wusst, direkt oder indirekt –, um die stoffliche Qualitätseiner Umwelt zu verändern. Bis zur industriellenRevolution blieben diese Eingriffe räumlich und zeitlich,quantitativ und qualitativ beschränkt. Inzwischen jedochdroht das ökologische Gleichgewicht der Erde zu kippen.Auch wenn der Mensch im Grundsatz auf die Verbesserungseiner Lebensbedingungen zielt, die Nutzung von Bio-sphäre und natürlichen Ressourcen zeitigt „Neben-wirkungen“, die die Natur nur in begrenztem Maße aus-zugleichen vermag. Kenntnisse über chemische Substanzen – über ihreStoffeigenschaften, ihr Stoffverhalten in der Umwelt, ihreToxizität und Ökotoxizität sowie Exposition – sind die maß-gebliche Grundlage, um Natur und Gesundheit zu schützen.Um das Risiko abzuschätzen, das mit chemischen Stoffen

verbunden sein kann, sind Daten undWissen zu ihrem Vorkommen, ihrerVerfügbarkeit und Wirksamkeit in derUmwelt nötig.Am Umweltforschungszentrum Leipzig-Halle (UFZ) nehmen deshalb Umwelt-chemie und Ökotoxikologie einen wich-tigen Platz ein. Das Magazin „Chemi-kalien in der Umwelt“ vermittelt einenEinblick in die Forschungsarbeit, bei dersich unterschiedliche wissenschaftlicheKompetenzen miteinander verflechten –eben so wie das Verhalten chemischerStoffe in der Natur komplexer Art ist.

DIE REDAKTION

Chemie

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Zukunft ohne Gift? – Zeitbombe ChemikalienUnsere Gesellschaft ist abhängig von synthetischen Chemikalien – etwa100.000 Substanzen sind allein in Europa im Einsatz. Mit ihnen sind vieleAnnehmlichkeiten verbunden, doch dafür zahlen wir einen hohen Preis.. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 06

Die üblichen Verdächtigen? – Schadstoffen auf der SpurDie Vielfalt von Umweltchemikalien in Grund- und Oberflächenwässern,Sedimenten und Böden – insbesondere in Industrieregionen – ist oft unüber-schaubar. Zu Produktionsrückständen und unerwünschten Nebenproduktenkommen zahlreiche Umwandlungs- und Abbauprodukte. Doch was davon muss saniert werden und mit welcher Methode?. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10

Umweltanalytik ohne Grenzen?Der chemischen Analytik sind kaum noch Grenzen gesetzt. Vorausgesetzt, manweiß, was, wo und wie man suchen muss. In der Umweltforschung muss sich dieAnalytik ständig neuen Herausforderungen stellen.. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14

Biomimetika – Die Biologie nachahmenAls Biomimetika werden künstliche Sammelmedien bezeichnet, die die passiveSchadstoffaufnahme in Lebewesen simulieren. Zielsubstanzen sind insbesonderedie inzwischen geächtete Gruppe der POPs (Persistent Organic Pollutants), diebekanntermaßen ein hohes Bioakkumulationspotenzial besitzen.. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16

Eins plus Eins gleich Zwei? – Die Kombinationswirkung von ChemikalienOrganismen in Gewässern – Bakterien, Algen, Wasserpflanzen, Fische – sind oft-mals einer Vielzahl unterschiedlicher Stoffe, Schadstoffgemischen, gleichzeitigausgesetzt. Sollen Gewässer geschützt bzw. saniert werden, müssen solche sogenannten Kombinationseffekte zukünftig berücksichtigt werden.. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18

Schnell, sicher, sensitiv – Der Pollenschlauch-WachstumstestBereits seit über 50 Jahren wird der Pollenschlauch-Wachstumstest (PollenTube Growth – PTG-Test) eingesetzt, um die toxische Wirkung von Chemikalienoder Stoffgemischen zu bestimmen.. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22

Der Fisch als ModellsystemUm die biologische Wirkung von Chemikalien zu erforschen, werden häufig imWasser lebende Organismen genutzt. Denn dort, in der aquatischen Umwelt,landet ein Großteil der Schadstoffe. Neben Wasserflöhen, Algen und Leucht-bakterien sind vor allem Fische wichtige Helfer für die Wissenschaftler.. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24

Die Zelle als ZielortWenn Schadstoffe in hohen Konzentrationen die Umwelt erreichen, können sieakut giftig auf Organismen wirken und sogar zu ihrem Tod führen. Bei derSuche nach der Wirkung dieser Substanzen bringen traditionelle wissenschaft-liche Methoden den Forschern nicht den gewünschten Erfolg. Deshalb schaueneinige von ihnen in die Zellen hinein.. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28

Gen Chips – 10.000 auf einen StreichUm falschen Schlüssen sofort vorzubeugen – in diesem Beitrag geht es nicht umgenmanipulierte Kartoffelchips. Vielmehr dreht sich alles um die Anwendungder Chiptechnologie in der Molekularbiologie.. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32

Thema S. 10

4 UFZ-MAGAZIN

Thema S. 18

Thema S. 24

Thema S. 28

Inhalt

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Falschspieler unterwegsHormone sind körpereigene Signalmoleküle. Beim Menschen sollen es bis zu156 verschiedene sein, die in einem hoch komplexen System unter anderemden Blutzuckerspiegel, das Wachstum oder den Sexualzyklus regulieren. Esist ein System, das bei allen Organismen funktionsgemäß sehr sensibelreagieren muss, dadurch jedoch störanfällig ist.. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 34

Reines TrinkwasserIn fünf Wasserwerken fördern die Kommunalen Wasserwerke Leipzig (KWL)täglich rund 75.000 Kubikmeter Wasser. Um die Versorgung im GroßraumLeipzig zu sichern, kommen etwa 25.000 Kubikmeter über die Fernwasser-versorgung aus der Region Torgau hinzu. Wir sprachen mit Sonja Riebe,Bereichsleiterin Betriebslabor, über die Reinhaltung des Trinkwassers.. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 38

Vom Charakter zum Verhalten –Physikalische und chemische Eigenschaften von StoffenJe genauer wir Chemikalien kennen, desto leichter lässt sich vorhersagen,wie sie sich in der Umwelt verhalten, wie sie transportiert, verteilt und um-gewandelt werden. Entscheidend dafür, wie sie sich verhalten, sind physikali-sche und chemische Eigenschaften.. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 42

Balanceakt in der Politik – Umweltschutz versus WettbewerbDie Modernisierung des Chemikalienrechts innerhalb der Europäischen Unionfolgt dem Leitbild der nachhaltigen Entwicklung. Stand bei der Veröffentlichungdes Weißbuchs „Strategie für eine zukünftige Chemikalienpolitik“ im Februar2001 noch der Schutz der menschlichen Gesundheit und der Umwelt an obersterStelle, so dreht sich die gegenwärtige Debatte vor allem um den Schutz der che-mischen Industrie vor einer angeblich ruinösen Chemikalienpolitik. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 48

Die Menge macht’s – Chancen und Grenzen des neuen europäischen ChemikalienrechtsWir sprachen mit Dr. Klaus Steinhäuser, Leiter des Fachbereiches für Chemi-kaliensicherheit und Gentechnik beim Umweltbundesamt (UBA), über Chancenund Grenzen der europäischen Chemikalienregulierung.. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 52

Aus für das dreckige DutzendPOPs – im Englischen „Persistent Organic Pollutants“ – sind giftige undzugleich langlebige (persistente) organische Schadstoffe. Man findet sie inRegionen, wo sie nie angewendet wurden. Sie reisen mit den atmosphärischenStrömungen, durch Verdunsten und wieder Kondensieren – auch „globaleDestillation“ genannt – von den warmen Zonen nahe des Äquators zu denPolen oder kälteren Regionen der Erde. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 56

Zeit – Eine neue Dimension der ÖkotoxikologieEntstanden ist die Ökotoxikologie als Prüfdisziplin, die die Schadwirkung von einzelnen Stoffen testet. Als neue Dimension hält der Faktor Zeit Einzug.Wir sprachen mit Prof. Gerrit Schüürmann, Leiter des Departments Che-mische Ökotoxikologie am Umweltforschungszentrum Leipzig-Halle, über die Zukunft seines Fachs.. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 58

Glossar. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 62

Impressum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 63

5UFZ-MAGAZIN

Thema S. 34

Interview S. 38

Thema S. 42

Interview S. 58

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Zukunft ohne Gift?

ZeitbombeUnsere Gesellschaft ist abhängig von synthetischen Chemikalien –etwa 100.000 Substanzen sind allein in Europa im Einsatz.Mit ihnen sind viele Annehmlichkeiten verbunden, doch dafürzahlen wir einen hohen Preis.

Chemikalien

Patricia Cameron

Rund 30.000 der Chemikalien, dieauf dem europäischen Markt imUmlauf sind, wurden vorher

weder auf gesundheitliche noch ökoto-xikologische Gefährdungen, geschwei-ge denn auf ihre kombinative Wirkunguntereinander getestet. Derweil habenStudien bis zu 300 verschiedeneChemikalien im menschlichen Gewebenachgewiesen, die es vor hundertJahren noch gar nicht gab.

Aus den letzten 40 Jahren wissenwir: Chemikalien, die einst als „unge-fährlich“ in die Umwelt entlassen wur-den, können später neue, anfänglichunbekannte Wirkungen aufzeigen, wiezum Beispiel DDT. Diese Erkenntnisstellt sowohl für etablierte Wissen-schaftstheorien als auch für aktuelleChemikaliendiskurse eine Herausfor-derung dar. Sollten Langzeitstudienoder Fortschritte in der Wissenschaftkünftig belegen, dass bestimmteChemikalien doch zu Erkrankungenoder irreparablen Beeinträchtigungenführen, dann sind diese Schäden irre-versibel – die Schadstoffe können nichtmehr aus dem Körper entfernt werden.

Revolution der Wissenschaft:„Hazard Assessment“ statt„Risk Assessment“

Insbesondere die Forschung überhormonell wirksame Schadstoffe hatzwei weithin anerkannte Theseninfrage gestellt. Da bereits winzigsteMengen dieser Chemikalien dieFunktion von Hormonen imitierenoder blockieren können, lassen sichweder toxische Effekte allein über die

Dosierung der betreffenden Substanzerfassen noch Schädigungen vermei-den. Die Formel „Die Dosis bestimmtdie Toxizität“ greift an dieser Stelle zukurz. Ebenso genügt es nicht, dieToxizität anhand des Auslösens vonKrebs, des Veränderns von Erbgut und des Beeinträchtigens der Fort-

pflanzung von erwachsenen Menschenzu bestimmen. Die meisten Schädenverursachen hormonell wirksameStoffe in der frühen embryonalenEntwicklung sowie in den erstenLebensabschnitten. Diese sind mitLangzeitfolgen für das spätere Lebenund möglichen Störungen desImmunsystems sowie des Zentralner-vensystems und somit von geistigenFähigkeiten und Verhalten verbunden.Noch aber sind Eingriffe in dasHormonsystem des Menschen nichtals nachteilige Effekte anerkannt.

Ohne Zweifel benötigen wir mehrunabhängige Forschung. Zum einen,um die bestehende Lücke bei derIdentifizierung hormoneller Schad-stoffe und ihrer Generationen übergrei-fenden Wirkung zu schließen. Zumanderen, um unter verstärktem Einsatzvon Struktur-Wirkungs-Modellen zurBewertung von Chemikalien zuneh-mend auf Tierversuche zu verzichten.Schließlich muss die chemische Ana-lytik verbessert werden, um die effekti-ve Umsetzung von Regulierungsmaß-nahmen zu überprüfen.

Mehr unabhängige Forschung ist notwendig, um die Eigenschaften von

Chemikalien zu identifizie-ren und ihr Gefährdungs-potenzial einzuschätzen.

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Chemikalien, die einst als „ungefährlich“ in dieUmwelt entlassen wurden, können später neue,anfänglich unbekannte, Wirkungen aufzeigen.

Die Regulierung von Chemikaliendarf sich jedoch nicht nur an derNachweisbarkeit einer Substanz inder Biosphäre ausrichten. Es sindletztlich Eigenschaften wie Persistenzund Bioakkumulierbarkeit, die – imKontext der konkreten Anwendung –ein Auftreten von Chemikalien in derUmwelt zwangsläufig bedingen. Undes ist letztlich immer vom aktuellenStand der Wissenschaft abhängig, obund inwieweit hiervon ausgehendetoxische Effekte tatsächlich erfasstwerden. Somit ist es dringend gebo-ten, dass diese Eigenschaften als vor-rangig bei der Bewertung derGefährlichkeit von Chemikalien gel-ten. Das bedeutet, Regulierung musssich in erster Linie auf das „HazardAssessment“ stützen; und nicht – wietraditionell immer noch üblich –mittels „Risk Assessment“ lediglichden bereits nachweisbaren schäd-lichen Effekt betrachten.

Quelle: Photodisc®Environmental Concerns

Quelle: Photodisc®Environmental Concerns

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• die sich im Körper und in derUmwelt nicht abbauen, die sichüber die Nahrungskette in immerhöheren Konzentrationen anrei-chern und die toxisch sind – es sind persistente, bioakkumu-lative, toxische Stoffe, kurz PBTgenannt;• die sich im Körper und in derUmwelt in hohem Maße ablagernund anreichern, über deren toxi-sche Wirkung bisher noch nichtsbekannt ist – dies sind sehr persistente und sehr bioakkumu-lative Stoffe, kurz vPvB;• die als Krebs erregend, Erbgutschädigend und die Fortpflan-zungsfähigkeit beeinträchtigendeingestuft werden.Des Weiteren erregen Chemi-kalien, die das Hormonsystembeeinflussen (Endocrine Disrup-ting Substances, EDC), erhöhteBesorgnis. Sie stören das embry-onale Wachstum und können zu schwerwiegenden Langzeit-folgen führen. Hinzu kommenviele Stoffe, die sich mit bishernicht bekannten Auswirkungenim menschlichen Körper abla-gern.

Als gefährlich werden insbesondere Chemikalien

verstanden:

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Patricia Cameron leitet seit Anfang 2003 das Chemiereferat bei der

Bundesgeschäftsstelle des BUND (Bund für Umwelt und Naturschutz

Deutschland) in Berlin; ihr Schwerpunkt liegt derzeit auf der neuen

Reform zur Regulierung von Chemikalien innerhalb der EU

(REACH). Sie greift dabei auf 20 Jahre Erfahrung zurück: Von 1983

bis 1992 war die Biologin in der ökotoxikologischen Forschung über die

Beeinträchtigung der Fortpflanzungsfähigkeit von Fischen durch

Schadstoffe tätig (Bundesforschungsanstalt für Fischerei und

Biologische Anstalt Helgoland); von 1997 bis 2002 war sie bei der

Umweltstiftung WWF Deutschland für den „Internationalen

Meeresschutz vor gefährlichen Chemikalien“ zuständig.

Neue Prinzipien für die Politik:Vorsorge und Substitution

Doch selbst wenn wir die Forschungauf Mehrfacheffekte und Kombina-tionswirkungen, auf Ökosysteme undLebensgemeinschaften ausweiten, dieLösung der akuten Schadstoffproblemedürfen wir von einer solchen Ausweitungunserer Perspektive nicht erwarten.Natürlich müssen derzeitige Defizite derForschung identifiziert und künftigeEntwicklungen von Chemikalien durchdie Wissenschaft begleitet werden. AberGelder, die hierfür eingesetzt werden,dürfen nicht in Argumente gegen verant-wortliches Handeln umgemünzt werden.Es liegt in der Logik mancher chemi-schen Stoffe, dass jede Risikoein-schätzung lückenhaft sein wird – undfolglich liegt es in der Logik verantwort-lichen Handelns, Maßnahmen derRegulierung dieser Substanzen vorsorg-lich zu treffen.

Zu handeln, ehe ein Schaden auftritt– darauf zielt das Prinzip Vorsorge.Und das auch in solchen Fällen, indenen der Schaden eventuell erst spätereintritt, dann aber unumkehrbar seinkann. Die heutige, traditionelle Risiko-bewertung wird dies nicht leisten. Sieberücksichtigt lediglich bereits wissen-schaftlich belegbare toxische Wirkun-gen und richtet sich nach den Grenz-werten für Einzelsubstanzen – dajedoch die Voraussage von Anwen-dungsfolgen aufgrund der Komplexitätdes Ökosystems trotz wachsenderwissenschaftlicher Erkenntnisse odergerade deswegen immer problemati-scher wird, gehen diese beiden Vor-gehensweisen an der Realität vorbei.

Viel deutlicher ist hingegen dasWissen vom „Noch-nicht-Wissen“ undvor allem von der „Nicht-Wissbarkeit“angewachsen. Daraus muss sich dieKonsequenz ergeben: Substanzen alleinaufgrund ihrer inhärent gefährlichenEigenschaften aus jeglicher umwelt-offenen und konsumentennahenVerwendung zu verbannen und durchungefährlichere Alternativen zu erset-zen. Wollen wir zukünftige Genera-tionen nicht mit bislang unbekanntenKrankheiten oder Naturzerstörungenbelasten, müssen schädliche Chemi-kalien vorsorgend kontrolliert werden.

Genau dieser Frage nimmt sich dieEuropäische Union derzeit an. Mit demEntwurf zur Registrierung, Evaluationand Autorisierung von Chemikalien(REACH) hat die Umweltdirektion im Oktober 2003 ein bahnbrechendesKonzept zur Regulierung von Chemi-kalien vorgelegt. Wohl mindestens bisAnfang 2006 wird die politischeDiskussion zur Verabschiedung desGesetzes dauern. Die nächsten zweiJahre werden zeigen, ob unsereIndustriegesellschaft einen entschei-

WISSENSWERTES

denden Schritt hin zum verantwor-tungsvollen Umgang mit toxischenStoffen gehen kann. Oder ob wir weiterdurch die Nebelwand aus ungeprüftverbreiteten Stoffen stolpern.

Quel

le:

BUND

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Zwischen 1880 und 1937 stieg die Zahl der registriertenorganischen Verbindungenvon15.000 aufetwa 450.000.(1)

Heute sind rund fünf Millionen chemische Verbin-dungen bekannt. Davon sind etwa 100.000Chemikalien im Gebrauch; jährlich kommen zirka 500bis 1000 neue hinzu. (2)

Im Jahr 1930 wurde weltweit eine Million TonnenChemikalien erzeugt, gegenwärtig werden über 400Millionen Tonnen Chemikalien produziert. DieHauptmenge der heutigen Produktion entfällt aufetwa tausend Stoffe, weitere 10.000 Stoffe werden inMengen über zehn Tonnen hergestellt. (3)

In der Bundesrepublik gehört die chemische Industriemit 1750 Betrieben, einer knappen halben MillionBeschäftigten und mehr als 130 Milliarden EuroJahresumsatz zu den wichtigsten Industriezweigen.Zudem sichert die Branche 381.000 Arbeitsplätze beiinländischen Zulieferern. Gemessen am Umsatz stehtdie deutsche Chemieindustrie in Europa an erster undweltweit an dritter Stelle hinter den USA und Japan.Für Forschung und Entwicklung werden jährlich siebenMilliarden Euro ausgegeben; in Sachanlagen wurden2002 insgesamt 6,7 Milliarden Euro investiert. (4)

Innerhalb der Europäischen Union liegt der Anteil derChemieindustrie an der Bruttowertschöpfung zwischenknapp neun Prozent (Portugal) und über 38 Prozent(Irland). In 34.000 Unternehmen arbeiten etwa 1,7Millionen Menschen; weitere 4,5 bis fünf MillionenArbeitsplätze sind indirekt von der Chemiebranche ab-hängig. Weltweit ist die EU der führende Chemie-standort; mit der Ost-Erweiterung wurde diese Positiongestärkt. (5)

(1) Paul Walden: Geschichte der organischen Chemie. Zweiter Band zu

C. Graebe: Geschichte der organischen Chemie. Verlag von Julius

Springer. Berlin 1941. Unveränd. Nachdr. d. Reprints 1972.

Springer-Verlag. Berlin, Heidelberg, New York 1989. S. 29.

(2) Kurt Fent: Ökotoxikologie. 2., überarbeitete und erweiterte Auflage.

Georg Thieme Verlag. Stuttgart, New York 2003. S. 5.

(3) Weißbuch – Strategie für eine zukünftige Chemikalienpolitik. 2001;

sowie Kurt Fent: Ökotoxikologie. 2., überarbeitete und erweiterte

Auflage. Georg Thieme Verlag. Stuttgart, New York 2003. S. 5.

(4) http://www.bmbf.de/press/1133.php,

http://www.presseportal.de/story.htx?nr=481784 sowie

http://www.bmwi.de/Navigation/Wirtschaft/Branchenfocus/

chemie-und-pharmazie.html

(5) Industriegewerkschaft Bergbau, Chemie, Energie (Hg.):

Chemie – eine europäische Schlüsselindustrie. Produktion und

Beschäftigung in einem Kontinent ohne Grenzen (Flyer zum Jahr

der Chemie 2003). Hannover 2003.

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Die üblichen Verdächtigen?

Schadstoffenauf derSpur

Doris Böhme und Patricia Schmitters

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Die Vielfalt von Umweltchemikalien in Grund- und Oberflächenwässern,

Sedimenten und Böden – insbesondere in Industrieregionen – ist oft

unüberschaubar. Zu Produktionsrückständen und unerwünschten Neben-

produkten kommen zahlreiche Umwandlungs- und Abbauprodukte.

Diese entstehen erst unter dem Einfluss bestimmter Umweltbedingungen,

wie Sonnenlicht, Mikroorganismen, veränderten pH- und Redoxbedingungen

oder durch die Reaktion mit anderen chemischen Stoffen. Der Ausweg

heißt dann: Sanierung der betroffenen Areale. Doch was genau soll

saniert werden? Welche Schadstoffe müssen weg? Mit welcher Methode?

Daphnien sind Kleinkrebse (Wasserflöhe), die empfindlich auf

Schadstoffe im Wasser reagieren. Wird beispielsweise deren

Bewegung (Schwimmfähigkeit) beeinträchtigt, lassen sich

Rückschlüsse über Giftstoffe im Wasser ziehen. Der hierfür

genormte Test wird Daphnientest genannt. �

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Die moderne chemische Analytikkann viel, aber nicht alles. Siekann chemische Substanzen in

sehr geringen Konzentrationen und mitgroßer Genauigkeit nachweisen, aberunbekannte oder unerwartete Substan-zen werden normalerweise nicht erfasst.Selbst wenn die chemische Analytik fün-dig wird, ist es fast unmöglich, dasGefährdungspotenzial dieser Substan-zen zu bewerten. Denn für die meistennachweisbaren Umweltschadstoffe exis-tieren keine oder nur mangelnde Datenzu deren toxischer Wirkung. Werden alsoSanierungsmaßnahmen ergriffen, beidenen es den „falschen“ Substanzen anden Kragen geht, bleiben diese – zumin-dest was das Gefährdungspotenzialbetrifft – wahrscheinlich erfolglos. Wasnun?

Eine Alternative, das Gefährdungs-potenzial selbst zu bestimmen, sindbiologische Tests an Organismen wieLeuchtbakterien, Wasserflöhen, Algen,Fischeiern oder der Test mit Fisch-zelllinien. Aus der beobachteten Wir-kung kann abgeschätzt werden, wiegefährlich oder toxisch Umweltprobensind. Schadstoffe beeinflussen zumBeispiel die pflanzliche Photosyntheseoder die Reproduktion von Organis-men, sie können die Zellsubstanz oderdas Erbmaterial verändern. Um mög-lichst alle relevanten Wirkungen zuerfassen, kombiniert man idealerweiseeinzelne Biotests zu einer „Biotest-batterie“. Aber auch diese Methodehat einen Haken. Sie liefert keineHinweise auf den eigentlichen Übel-täter. Welche Sanierungsmethode istalso die richtige, wenn unklar ist, welche Schadstoffe beseitigt werden sollen?

Chemiker, Biologen und Ökotoxiko-logen am UFZ suchen nach Methodenund Wegen, die Gefahr, die von solchenkomplexen Schadstoffmixturen aus-geht, richtig abzuschätzen und denursächlichen Übeltätern zuzuordnen.Mit Erfolg. Sinnvoll und geschicktkombinieren sie chemische Analytikund biologische Wirkungstests. Wissen-schaftlich heißt das „effektorientierteSchadstoffidentifikation“.

Was das bedeutet und wie es funktio-niert, zeigt folgendes Beispiel, recher-chiert von Patricia Schmitters.

Wenn Wasserflöhe keine Purzel-bäume schlagen

Sie sind Gangstern auf der Spur, die in keinem Fahndungsregister stehen.Werner Brack und Rolf Altenburger sindÖkotoxikologen und Chef-Detektive, wennes im UFZ um Schadstoffe geht. Ihr Revier ist das Spittelwasser. Ein kleinerBach in Bitterfeld, aber ein großer Um-weltverschmutzer. Denn der ehemaligeIndustrie-Abwasserkanal mündet in dieMulde, und seine Schadstofffracht ver-schmutzt das Wasser bis hinauf zur Elbe.

„In Bitterfeld haben wir einen Cocktailaus unterschiedlichen Substanzen, die inWasser und Böden Schäden anrichten. Mit den klassischen chemischen Analysenlassen sich die üblichen Verdächtigen wieArsen, Blei oder Quecksilber nachweisen.

Doch die schädigende Wirkung geht oftvon Verbindungen aus, die bisher nichtwahrgenommen worden sind“, sagt RolfAltenburger. „Besonders schwierig sindMischungen von Schadstoffen, die zumTeil noch mit Licht oder Luft reagieren undderen Gefahrenpotenzial nur schwer vor-herzusehen ist. Substanzen, die für sichbetrachtet keine nachweisbare Wirkunghaben, aber in der Kombination durchauszu massiven Schäden führen.“

Chemische Analysen für die vielen tau-send Verbindungen, die im Spittelwasservorkommen, durchzuführen, wäre tech-nisch gar nicht möglich. Deshalb testen die beiden Forscher an Wasserflöhen,Fischeiern, Wasserlinsen, Algen undLeuchtbakterien, wie schädlich die ver-schiedenen Proben sind.

„Wir setzen unsere Flöhe ins Wasser undschauen uns an, was es mit ihnen macht“,bringt Werner Brack das Prinzip auf denPunkt. Aber woran erkennt man, wie esden winzigen Flöhen geht? „Wasserflöhesind quirlige Gesellen, sie schlagen imWasser Purzelbäume, um Nahrung aufzu-nehmen. Wenn sie keine Purzelbäume mehrschlagen, ist das ein schlechtes Zeichen.Deshalb nimmt unsere Kamera die Flöheauf und der angeschlossene Computermisst, ob und wie schnell sich die Flöhebewegen.“

Rolf Altenburger fährt fort: „Am deut-lichsten wäre es natürlich, wenn alle

Das Spittelwasser ist ein kleiner Bach in der Industrie-region Bitterfeld-Wolfen, der über viele Jahrzehnte vonder ansässigen Industrie als Abwasserkanal missbrauchtwurde. In seinen Sedimenten haben sich organischeSchadstoffe und Schwermetalle angereichert.

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sterben. Aber Umweltschutz wartet heutenicht mehr so lange, bis auch das letzteTierchen in einem See zugrunde gegangenist. Es ist für uns zum Beispiel genausowichtig zu erkennen, ob die Schadstoffe die Flöhe unfruchtbar machen.“ Sprich,welches Gefährdungspotenzial von denSchadstoffen ausgeht.

Brack und Altenburger ermitteln nachdem Ausschluss-Verfahren: „Wir stelleneine schädliche Wirkung fest. Dann versu-chen wir, die Ursache dafür zu finden,indem wir nach und nach die Stoffe ausdem Wasser trennen, die definitiv nicht für den Schaden verantwortlich sind.“ Wissenschaftlich gesprochen heißt diesesVerfahren Fraktionierung. Schadstoff-gruppen oder Schadstoffe werden schritt-weise aus der Umweltprobe entfernt – frak-tioniert. Die einzelnen Fraktionen werdenwiederum auf ihre Wirksamkeit getestet,wirksame Fraktionen erneut getrennt undgetestet. Dieses Vorgehen wird mit immerspezifischeren Trennmethoden so oft durch-laufen, bis sich die komplexe Umweltprobemit ihrer Vielzahl von Substanzen auf we-nige toxische Fraktionen mit wenigenInhaltsstoffen reduziert hat. „Die isoliertenStoffe – idealerweise ist es nur einer –testen wir dann noch einmal, und wenn dieWirkung dieselbe ist wie vorher in der kom-plexen Mischung, ist der Täter überführt.“

Die Methode hat Erfolg: N-Phenyl-ß-Naphthylamin heißt einer der in Bitterfeldidentifizierten Stoffe. Ein bekanntes Abfall-produkt aus der Gummiherstellung, bis-lang auf keiner Fahndungsliste zu finden,weil sein Gefährdungspotenzial kaumbekannt war. Doch im Test erwies sich das N-Phenyl-ß-Naphthylamin als echterAlgenkiller. Seine Wirkung kommt einemhochwirksamen Unkrautvernichter nahe.„Bislang wird der Stoff nicht berücksich-tigt, wenn es darum geht, Gefahren abzu-schätzen“, berichtet Rolf Altenburger. SeinKollege Werner Brack fügt hinzu: „Wir fin-den es wichtig, dass nicht nur die üblichenStoffe bei der Einschätzung von Gefahreneinbezogen werden. Man sollte einzelneWirkungen und Ursachen von Um-weltschäden durch kombinierte chemischeund biologische Verfahren ausfindigmachen. Erst dann macht gezieltesSanieren Sinn.“

Patricia Schmitters ist Journalistikstudentin an

der Universität Leipzig.

Filtration von Sediment-suspensionen aus demSpittelwasser

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14 UFZ-MAGAZIN

Atomabsorptions- und Emissionsspektrometrie, hochauflösende Massenspektrometrie, Isotopen-massenspektrometrie, Röntgenfluoreszenzspektrometrie, Gas- und Ionenchromatographie, Hoch-leistungsflüssigchromatographie, Photometrie, Elektroanalytik, Kapillarzonenelektrophorese,Elementanalytik, Molekülspektroskopie, Flüssigszintillationsspektrometrie, hochauflösendeGammaspektrometrie, Alphaspektrometrie, Festkörperspurdetektoren, ... Kein Problem.Milligramm, Mikrogramm, Nanogramm? Auch kein Problem. Polyzyklische aromatische Kohlen-wasserstoffe, polychlorierte Naphthalene, organische Arsenspezies, ... Ebenfalls kein Problem.

UmweltanalytikGrenzen?

Der chemischen Analytik sind kaum noch Grenzengesetzt. Vorausgesetzt, man weiß, was, wo und wieman suchen muss. In der Umweltforschung muss

sich die Analytik ständig neuen Herausforderungen stel-len.

Wissenschaftler aus dem Department Analytik desUFZ tüfteln an neuen oder an optimierten Methoden, umbeispielsweise Spuren von Chemikalien in unterschied-lichen Matrizes zu finden, deren Quellen aufzuspüren,Transportwege nachzuvollziehen oder Ab- und Umbau-produkte der Umweltchemikalien zu identifizieren. Dazunutzen sie bekannte analytische Verfahren und Geräte,entwickeln neue Ausrüstungen und Strategien. In der

mobilen Analytik sind schnelle Methoden gefragt, umbereits vor Ort erste wichtige Aussagen zu Kontamina-tionen und deren möglicher Verbreitung zu treffen.Komplexe oder komplizierte Schadensfälle bedürfen derKombination von chemischer und biologischer Analytik.Schwer abbaubare, langlebige Schadstoffe, die oft nur insehr geringen Spuren vorkommen, sich aber mit der Zeitanreichern können, müssen über lange Zeiträume gesam-melt und mit hochempfindlichen Analysengeräten detek-tiert werden.

Wesentliche Voraussetzung bei allen Methoden ist: Die Qualität muss gesichert sein. Und das beginntbereits bei der Probennahme.

ohne

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15UFZ-MAGAZIN

ANZEIGE

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16 UFZ-MAGAZIN

Biomimetika –

Die Biologienachahmen

Albrecht Paschke und Doris Böhme

Robuste und preiswerte Alternative zu Polymer

beschichteten Magnetrührstäben (oben) als künstli-

ches Speichermedium: Silikonstücke in Form von

Stäben (unten). Maßstab: 7,5 : 1

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17UFZ-MAGAZIN

Nicht die Konzentration von Schadstoffen in Luft, Wasser oder Boden, sondern derenBioverfügbarkeit ist von entscheidender Bedeutung für ihre ökotoxische und auchhumantoxische Wirkung. Während dieses Problem für Schwermetalle schon bis in denBereich kleinster Spuren untersucht werden kann, gibt es bei organischen Schadstoffenerhebliche analytische Schwierigkeiten. Diese resultieren vor allem aus den vielfältigenWechselwirkungen mit den biologischen Matrices. Erst im letzten Jahrzehnt wurde eineUntersuchungsmethode entwickelt, die wesentliche Fortschritte bringen kann: Die bio-mimetische Extraktion. Als Biomimetika werden künstliche Sammelmedien bezeichnet,die die passive Schadstoffaufnahme in Lebewesen simulieren. Zielsubstanzen sind ins-besondere die inzwischen geächtete Gruppe der POPs (Persistent Organic Pollutants),die bekanntermaßen ein hohes Bioakkumulationspotenzial besitzen.

Die Anreicherung Luft getragener orga-nischer Schadstoffe in terrestrischenPflanzen lässt sich mit so genannten

SPMDs (Semipermeable Membrane Devices)über Wochen und Monate zeitgemitteltabschätzen. SPMDs – man könnte sie auchals synthetisches in situ Speichermediumbezeichnen – sind mit dem Lipid Triolein(Triglycerid der Ölsäure) gefüllte Polyethy-len-Schläuche, die kommerziell in Standard-konfigurationen erhältlich sind. Ein großerVorteil gegenüber dem herkömmlichenBiomonitoring ist ihre relativ unproblemati-sche Aufbereitung vor der Analyse. BeimLuftmonitoring werden die in SPMDs akku-mulierten Schadstoffmengen mit denen inparallel dazu exponierten Pflanzen ver-glichen oder mit einem Effektmonitoringkombiniert. Allerdings sind die SPMDs sehrteuer, und bei ihrer Aufarbeitung werdenbeträchtliche Mengen an Lösungsmittelnverbraucht. Deshalb werden zunehmendalternative Sammler entwickelt, die bei-spielsweise mit festen Sorbentien, Polymerbeschichteten Gläsern oder Quarzfasern, alsAufnehmerphase arbeiten. SPMDs werden ebensfalls bei der biomi-metischen Extraktion von organischenSchadstoffen aus dem Wasser eingesetzt.Aber auch für die passive Beprobung derWasserphase wurden neue Systeme ent-

wickelt, wie zum Beispiel ein mit Sorbentiengefülltes Keramik-Dosimeter oder Sammlermit Membran umhülltem Silikonmaterial –eine UFZ-Entwicklung (Magazin Lebens-räume, Ausgabe Nr. 8, S. 28).Ein viel versprechender Ansatz, einfach undschnell durchführbar, ist die Festphasen-Mikroextraktion (englisch: Solid PhaseMicroExtraction, SPME), die mit Polymerbeschichteten Quarzfasern arbeitet. DasPrinzip der SPME beruht auf der Verteilungorganischer Spurenstoffe zwischen wäss-riger Phase und Sorptionsschicht an derFaser. Mit dieser minimal-invasivenExtraktionstechnik können die effektivenWirkkonzentrationen von organischenSchadstoffen in natürlichen Wasserproben

oder synthetischen Testmedien ermittelt,aber auch vermeintliche Schadstoffquellenoder -senken aufgeklärt werden. Nachteilder Polymer beschichteten SPME-Fasernoder Magnetrührstäbe: Sie sind sehr fragil.Eine preiswerte und robuste Alternativekönnten dünne Silikonstücke in Form vonFolien, Schläuchen oder Stäben sein. Siewerden derzeit von UFZ-Wissenschaftlernim Labor und Freiland getestet.Allgemeine Aussagen zur Bioverfügbarkeitorganischer Umweltchemikalien in Bödenund Sedimenten sind besonders problema-tisch, da diese stark heterogen zusammenge-setzt sind und der Wassergehalt ständigschwankt. Auch hier kommen neben synthe-tischen Sorbentien SPMDs als Biomimetikazur Anwendung. Versuche zeigen, dass ein-fache Schläuche aus Polyethylen ohneLipidfüllung als kostengünstige Alternativeeingesetzt werden können. Interessant sindinsbesondere Vergleiche zur Bioakkumu-lation in Regenwürmern. Um zukünftigBodenkontaminationen schneller und ge-nauer beurteilen zu können, werden biomi-metische Methoden mit den entsprechendenToxizitätstests kombiniert.

Albrecht Paschke ist Chemiker und leitet die

Abteilung Expositionsanalyse im Department

Chemische Ökotoxikologie am UFZ.

Fragile Schadstoff-sammler: PolymerbeschichteteQuarzfasern

SPMDs (Semipermeable Mem-brane Devices) sind synthetischein situ Speichermedien, mitdenen Schadstoffe in Flüssenund Seen gesammelt werden.

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Eins plus Eins gleich Zwei?

DieKombinatio

von Chem

Doris Böhme

Eins plus Eins gleich Zwei?

DieKombinatio

von Chem

18 UFZ-MAGAZIN

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nswirkung

ikaliennswirkung

ikalien�

19UFZ-MAGAZIN

Haben Sie schon einmal mehrere Medikamente gleichzeitigeingenommen? Und haben Sie alle Beipackzettel nach mög-lichen Risiken oder Nebenwirkungen durchforstet oder garIhren Arzt oder Apotheker gefragt, ob das eine Medikamentdie Wirkung des anderen irgendwie beeinflusst, schwächtoder eventuell verstärkt? Auch Organismen in Gewässern –Bakterien, Algen, Wasserpflanzen, Fische – sind oftmalseiner Vielzahl unterschiedlicher Stoffe, Schadstoffgemischen,gleichzeitig ausgesetzt. Sollen Gewässer geschützt bzw.saniert werden, müssen solche so genannten Kombinations-effekte zukünftig berücksichtigt werden.

Haben Sie schon einmal mehrere Medikamente gleichzeitigeingenommen? Und haben Sie alle Beipackzettel nach mög-lichen Risiken oder Nebenwirkungen durchforstet oder garIhren Arzt oder Apotheker gefragt, ob das eine Medikamentdie Wirkung des anderen irgendwie beeinflusst, schwächtoder eventuell verstärkt? Auch Organismen in Gewässern –Bakterien, Algen, Wasserpflanzen, Fische – sind oftmalseiner Vielzahl unterschiedlicher Stoffe, Schadstoffgemischen,gleichzeitig ausgesetzt. Sollen Gewässer geschützt bzw.saniert werden, müssen solche so genannten Kombinations-effekte zukünftig berücksichtigt werden.

Auch die Wasserlinse (Lemna spec.) wird als Biotestorganis-

mus genutzt. Sie reagiert sehr unterschiedlich auf äußere

Umwelteinflüsse: Neben völliger Entfärbung (Nekrose) kann

ihre Form verändert oder ihre Wachstumsrate gehemmt werden.

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der Mischung ganz oder teilweise durcheine andere, ähnlich wirksame Substanzersetzt wird.

Einige Wissenschaftler diskutieren die-ses Vorhersage-Modell sogar als generelleLösung, also auch für die Beurteilung derKombinationswirkung von unähnlichwirkenden Stoffen – allerdings nicht ohneKontroversen.

Angenommen, Chemikalien ineinem Gemisch wirken nichtähnlich ...

... dann wird oftmals das Modell derUnabhängigen Wirkung für Vorhersagenangewendet. Erstmals vom englischenBiometriker Bliss im Jahre 1939 unter demBegriff „Independent Joint Action“ einge-führt, geht dieses Konzept – im Gegensatzzur Konzentrations-Additivität – von derAnnahme aus, dass die einzelnen Kompo-nenten in einem Gemisch unähnlich wir-ken. Mit unähnlich ist gemeint, dass dieMischungskomponenten primär an unter-schiedlichen Orten wirken und über unter-schiedliche Wirkungsmechanismen einengemeinsamen Effekt auslösen. Es wird alsoangenommen, dass der relative Effekt einerSubstanz in Gegenwart einer zweitenunverändert bleibt und sich derKombinationseffekt unabhängig aus denEinzeleffekten ergibt. Somit tragen nur sol-che Komponenten zur Mischungstoxizitätbei, die in einer solchen Konzentration imGemisch vorliegen, welche auch einzelneine Wirkung verursachen würde.Wissenschaftler, die die Vielfalt derWirkmechanismen von Chemikalien inOrganismen betrachten, halten dasKonzept der Unabhängigen Wirkung fürein universales Modell und gestehen dasAuftreten von ähnlicher Wirkung allenfallsals Spezialfall zu.

Doch auch dieses Modell hat seineZweifler, insbesondere auf der Ebene kom-plexer Systeme wie Zellen, Organismenoder Populationen oder in chronischenBelastungssituationen. Können Wirkkettentatsächlich völlig unabhängig voneinanderzum gleichen toxikologischen Endpunktführen? Bedenkt man die Komplexität desStoffwechsels, voneinander abhängigeEntwicklungsstadien, Rückkopplungenund Kompensationsreaktionen, kann mandann tatsächlich mit einer so starkenVereinfachung – der Unabhängigkeit –annähernd richtige Vorhersagen treffen?

K eine einfache Aufgabe, denn wo sollman anfangen bei der erdrücken-den Anzahl potenziell gefährdender

Chemikalien in der Umwelt? WelcheMethoden und Instrumentarien sindüberhaupt geeignet, Mischungstoxi-zitäten und Kombinationseffekte zubestimmen oder vorherzusagen? Ökotoxi-kologen am UFZ haben sich diesenFragen gestellt. Sie prüfen, ob Modelle,die in der Pharmakologie und Human-toxikologie als Vorhersagekonzepte ent-wickelt wurden, auch in der Ökotoxiko-logie geeignet sind.

Seit fast 100 Jahren werden in derPharmakologie Kombinationswirkungenvon Einzelstoffen untersucht, umWirkungsmechanismen zu verstehen, ge-wünschte Effekte zu optimieren, un-erwünschte Nebenwirkungen zu ver-meiden, Risiken zu prognostizieren oderzu bewerten. Dafür haben Wissen-schaftler verschiedenste Verfahren ent-wickelt, die sich im Wesentlichen in zweiModellgruppen zusammenfassen lassen:Die eine beruht auf dem Prinzip derKonzentrations-Additivität, die anderelegt das Prinzip der UnabhängigenWirkung zugrunde.

Angenommen, Chemikalien ineinem Gemisch wirken ähnlich ...

... dann lässt sich das Konzept derKonzentrations-Additivität nutzen. Aufder Basis von Informationen über die ein-zelnen Chemikalien wird formuliert, wel-che Effekte für eine Mischung aus diesenChemikalien zu erwarten sind. Bereits 1926 entwickelte der deutsche Pharma-kologe Loewe mit seinen Kollegen dieVorstellung einer „Similar Action“, wasnichts anderes heißt, als dassMischungskomponenten ähnlich wirken.Anders formuliert beschreibt diesesModell das Phänomen, dass sich eineSubstanz wie die Verdünnung einer ande-ren verhalten kann. Die Mischungs-komponenten haben also alle eine ähnli-che Wirkung, den gleichen Wirkungs-mechanismus und den gleichenWirkungsort. Sie unterscheiden sichlediglich in ihrer relativen Wirksamkeit.Jede im Gemisch vorhandene, wirksameKomponente trägt – unabhängig vonihrer Konzentration – zur Gesamttoxi-zität bei. Der Effekt eines Stoffgemischesbleibt konstant, wenn eine Komponente

20 UFZ-MAGAZIN

Der Algentest ist ein unverzicht-barer Biotest, um das Umwelt-gefährdungspotenzial von Chemi-kalien sowie von Boden- bezie-hungsweise Wasserproben zu be-urteilen. In einem standardisiertenTestprotokoll für den Algentest(DIN-Norm) wird eine Kultur wach-sender Grünalgen (Desmodesmussubspicatus) verschiedenen Kon-zentrationen der zu untersuchen-den Proben ausgesetzt und derenWachstumshemmung auf dieAlgenzellen über einen Zeitraumvon 72 Stunden beobachtet. DieAuswertung kann sowohl durchAuszählen der Algenzellen als auchdurch die Messung der Lichtaus-sendung angestrahlter Algenzellen(Fluoreszenz) erfolgen. Aufgrund ihrer ökologischen Be-deutung, der hohen Empfindlich-keit gegenüber Schadstoffen,ihres schnellen Wachstums undder leichten Kultivierbarkeit imLabor werden Algen seit langemzur Beurteilung von Chemikalienund Umweltproben in unterschied-lichsten biologischen Testverfah-ren verwendet.

Algentest

WISSENSWERTES

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Welches Modell ist besser geeig-net?

Um eine Antwort auf diese Frage zubekommen, haben die UFZ-Ökotoxiko-logen in aufwändigen Experimenten dieGiftigkeit von Gemischen und ihrenKomponenten in zwei Biotests – mitGrünalgen und Leuchtbakterien –untersucht. Dazu haben sie Gemischeaus definierten Umweltchemikalienhergestellt, zum einen binäre Gemische,bestehend aus zwei Komponenten(Pestizid+Pestizid; Pestizid+Tensid;Tensid+Tensid) und zum anderen mul-tiple Mischungen aus mehreren ähnlichund unähnlich wirkenden Substanzen.

Parallel zu den Experimenten habendie Wissenschaftler mithilfe der beidenVorhersage-Modelle die Toxizität derGemische prognostiziert. Spannend derVergleich: Stimmen Vorhersage undExperiment überein? Wie groß ist dieAbweichung? Kann sie statistisch ver-nachlässigt werden? Welches Konzeptist besser?

Beide Konzepte – sowohl das derKonzentrations-Additivität als auchdas der Unabhängigen Wirkung – sindin der Regel geeignet, die giftigeWirkung von Stoffgemischen relativgut bis exakt vorherzusagen. Und zwarunabhängig von der Anzahl derKomponenten, dem speziellen Gemisch,dem Mischungsverhältnis, der Art derTestorganismen oder der Exposi-tionsdauer. Ausschlag gebend für dieAuswahl des richtigen Vorhersage-modells war allein, ob die Wirkung dereinzelnen Substanzen ähnlich oderunähnlich ist.

Lösung gefunden – Forschung er-ledigt?

Sicherlich nicht! Auch wenn mit denExperimenten und Prognosen zahlreicheReferenzfälle vorliegen, bleiben vieleFragen offen: Gibt es Ausnahmen von derRegel? Ist das, was im Labor und Modellfunktioniert, für reale Ökosysteme, diekomplexer und komplizierter sind als einVersuch im „Reagenzglas“ – Bäche,Flüsse, Seen, Grundwasser – anwendbar?Oftmals finden Belastungen mit Schad-stoffen sequenziell, nacheinander statt.Hierfür gibt es bislang keine Modelle. Fürdie Diagnose von komplexen Gemischen,die bereits in der Umwelt vorliegen, oderauch für die Interaktion mit anderenStressoren, wie etwa UV-Licht, wird dieKenntnis über Wirkmechanismen wich-tig – für Umweltchemikalien jedoch istdas Wissen bisher äußerst spärlich.

Dabei darf nicht vergessen werden,dass alle Vorhersagemodelle auf Infor-mationen über die Einzelstofftoxizitätenbasieren. Diese wiederum werden experi-mentell ermittelt oder mithilfe von Com-putermodellen vorhergesagt – auf Basisder physikalisch-chemischen Eigenschaf-ten der Stoffe. Und die sind bisher nur füreinen Bruchteil der Unmenge vonUmweltchemikalien bekannt, könnenaber experimentell ermittelt oder – wiekann es anders sein – mit Modellen vor-hergesagt werden ...

Der Beitrag entstand auf der Basis von Arbeiten

und unter Mitwirkung von Dr. Rolf Altenburger.

Er leitet die Arbeitsgruppe Wirkungsanalyse im

Department Chemische Ökotoxikologie des

UFZ.

21UFZ-MAGAZIN

Der Test beruht auf der natür-lichen Fähigkeit von bestimmtenmarinen Bakterien zu leuchten.Dieses Leuchten, das aufgrundenzymatischer, energiestoffwech-selabhängiger Prozesse (Luci-ferin-Luciferase-System) abläuft,kann durch Schadstoffe gehemmtwerden.Durch die Hemmung desLeuchtens wird die Toxizität vonEinzelsubstanzen oder Stoffge-mischen photometrisch im Ver-gleich zu unbelasteten Organis-men ermittelt. Der Leuchtbak-terientest ist eine standardisierteMethode (DIN-Norm) zur Prüfungvon Abwässern der chemischenIndustrie, für Deponiesickerwässerund für Kühlwässer.

Leuchtbakterientest

WISSENSWERTES

Bei allen Versuchen wurde mit demKonzept der Konzentrations-Additivitäteine etwas höhere Toxizität vorhergesagtals mit dem der Unabhängigen Wirkung.Vor allem für Schadstoffgemische, dieeinzelne Komponenten in sehr niedrigenKonzentrationen enthalten, sind Vor-hersagen damit sicher kalkulierbar undlassen sich mit geringem Aufwand über-prüfen. Die Gefahr, eine Mischungs-toxizität zu unterschätzen, ist also bei derAnwendung der Konzentrations-Addi-tivität geringer.

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22 UFZ-MAGAZIN

Pollenschläuche – in ihnen werdendie Spermazellen an die Eizellenherangeführt – reagieren auf

Veränderungen in ihrem Kulturmediumäußerst empfindlich. Schwankungen,verursacht beispielsweise durch Schad-stoffe, behindern die Keimung derPollen sowie das Wachstum derSchläuche. Im PTG-Test werden fastimmer diese beiden Parameter genutzt,um die Phytotoxizität von Chemikalienund Stoffgemischen – die giftigeWirkung gegenüber Pflanzen – zubestimmen.

Über lange Jahre hinweg wurden dieWachstumshemmungen erfasst, indemdie Länge der Pollenschläuche unterdem Mikroskop gemessen wurde. DaPollenschläuche jedoch nicht schnurge-rade wachsen, sondern sich ineinanderverschlingen, ist diese Methode mühe-voll und zeitaufwändig. Effizienter sindhingegen photometrische Auswer-tungen von PTG-Tests; sie haben sich inden letzten 15 Jahren durchgesetzt.

Eines dieser Verfahren, das am UFZeingesetzt wird, erfasst den Zusam-menhang zwischen der Länge einesPollenschlauchs und der Schad-stoffbelastung im Kulturmedium überdie photometrische Messung vonFarbintensität. Hierfür werden Pollenvon Tabakpflanzen (Nicotiana sylve-stris) verwendet – ihr langes Blühsta-dium ermöglicht eine Pollenernte überfünf, sechs Monate hinweg; und dieLagerfähigkeit des Pollens bei -20°Cerlaubt langjährig vergleichende Kon-trollen.

Das Wachstum des Pollenschlaucheswird quantitativ durch die spezifischeBindung des Farbstoffs Alzianblau andie Pollenschlauchwand bestimmt. DerFarbstoff wird dem Kulturmedium zuge-fügt – die Polysaccharide, aus denen die Zellwände des Pollenschlauches vornehmlich bestehen, saugen ihn auf.Danach wird das überschüssigeAlzianblau entfernt; und schließlich jener Farbanteil gelöst, der von den

Polysacchariden gebunden ist. Da länge-re Pollenschläuche mehr Farbstoff bin-den als kürzere, zeigt die photometri-sche Bestimmung: Die Färbung desgelösten Alzianblaus fällt umso inten-siver aus, je mehr Pollenschlauch-material produziert wurde.

Schnell, sicher, sensitiv –

Der Pollenschlauch- Wachstumstest

Bereits seit über 50 Jahren wird der Pollenschlauch-Wachstumstest (PollenTube Growth – PTG-Test) eingesetzt, um die toxische Wirkung von Chemikalienoder Stoffgemischen zu bestimmen. Insbesondere der Einfluss von Pestiziden,Reinigungsmitteln und anderen Chemikalien auf lebende Zellen lässt sich mitdiesem einfachen biologischen Testverfahren bewerten. Das Screening zeichnetsich durch drei Merkmale aus: Die Aussagen über die Gefährdung eines biologi-schen Systems lassen sich schnell, sicher und sensitiv treffen.

Udo Kristen, Klaus Jung und Daniela Weber

Blüten der Tabakpflanze Nicotiana sylvestrisQu

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23UFZ-MAGAZIN

Mit dem Übergang von der mikrosko-pischen zur photometrischen Messungdes Pollenschlauchwachstums erweiter-ten sich die Möglichkeiten, den PTG-Test anzuwenden, erheblich: Zum einennutzt die Ökotoxikologie das Verfahren,um die biologische Wirksamkeit vonUmweltprobematerialien zu bewerten,deren chemische Zusammensetzungweitgehend unbekannt ist und die sich inAbhängigkeit von klimatischen Bedin-gungen ändern können. Die Eignung desPTG-Tests für diesen Einsatz wurde amBeispiel der Deponie Möckern geprüft.Auf die Halde im Nordwesten Leipzigsgelangten bis zur Schließung 1983 etwafünf Millionen Kubikmeter Bauschuttund Braunkohleasche sowie Industrie-,

Gewerbe- und Hausmüll – Eine solcheDeponie gleicht je nach Temperatur undFeuchtigkeit einem chemischen Reaktor.Für die PTG-Untersuchung wurden ansechs Messpunkten unterschiedlich

belastete Sickerwässer entnommen; zumVergleich wurde Trinkwasser aus demBereich Leipzig-Schönefeld analysiert.Im Ergebnis zeigte sich bei allenSickerwässern eine signifikante Hem-mung des Pollenschlauchwachstumsgegenüber den Kontrollansätzen. Dabeilässt sich die Minderung oft nicht mitden zuvor gemessenen chemischenBelastungen der Sickerwässer erklären.Vielmehr bedingt die komplexeZusammensetzung der Deponieaus-flüsse den zytotoxischen Effekt.

Zum zweiten lässt sich der PTG-Testin der Humantoxikologie einsetzen. Da die einfachen Zellen desPollenschlauches in ihrem Aufbau weni-ger pflanzlichen als vielmehr tierischenZellen entsprechen, wurde die Methodein die „COLIPA Validation Study“ auf-genommen. Im Rahmen der Studiewurde eine Vielzahl kosmetischerFormulierungen mit dem Ziel unter-sucht, den Draize Augentest beiKaninchen zu ersetzen. Gesucht wurdeein Verfahren, dass die toxikologische

Der Pollenschlauch-Wachstumstest eignet sich

als Alternative zu Tier-versuchen und dient derAbschätzung des Risiko-potenzials von chemisch

komplexen Umweltproben

Wirkung von Probematerial genausozuverlässig, aussagekräftig und nach-vollziehbar bewertet wie der Tier-versuch. Dabei schnitt das PTG-Screening äußerst erfolgreich ab: Unter29 geprüften Verfahren zeigte der pflanz-liche Zelltest eine sehr gute Überein-stimmung mit dem Kaninchenaugen-Irritationstest. Angesichts der Gesetz-gebung in der Europäischen Union undden Vereinigten Staaten, die zunehmendeine Reduzierung von Tierversuchen for-dert, bietet sich der PTG-Test mit die-sem eindeutigen Resultat als optionalesPrüfverfahren an.

Zusammenfassend lässt sich feststel-len: Der Pollenschlauch-Wachstums-test, der sich in der Untersuchung derZytotoxizität von löslichen Einzel-substanzen und wässrigen Probe-materialien durch Sensitivität, Sicher-heit und Schnelligkeit auszeichnet, eig-net sich im humantoxischen Bereich alsAlternative zu Tierversuchen und dientim ökotoxischen Bereich der Ab-schätzung des Risikopotenzials vonchemisch komplexen Umweltproben.

Prof. Dr. Udo Kristen ist Biologe am Institut

für Allgemeine Botanik der Universität

Hamburg.

Prof. Dr. Klaus Jung ist Biochemiker. Er

arbeitete als Abteilungsleiter und stellver-

tretender Leiter im Department Chemische

Ökotoxikologie am UFZ. Seit Ende 2003 ist er

im Ruhestand.

Im Laufe der Bestäubung einerPflanze werden Pollenkörner auf derNarbe (oder einer funktionell ver-gleichbaren Struktur) deponiert.Dort keimen sie unter Ausbildungeines Pollenschlauches, der schließ-lich bis zur Samenanlage reicht.Über diesen Pollenschlauch werdendie Spermazellen zur Eizelle geführt,wo Ei- und Spermakern miteinanderverschmelzen. Dieser Prozess heißtBefruchtung. Umgangssprachlichwerden Bestäubung und Befruch-tung häufig gleich gesetzt.

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Um die biologische Wirkung von Chemikalien zu erforschen, wer-den häufig im Wasser lebende Organismen genutzt. Denn dort,in der aquatischen Umwelt, landet ein Großteil der Schadstoffe.Neben Wasserflöhen, Algen und Leuchtbakterien sind vor allemFische wichtige Helfer für die Wissenschaftler. Warum?Fische sind als Konsumenten ein wichtiges Glied in der Nahrungskette.Außerdem reagieren sie sensibel auf Schadstoffe. Aus diesen Gründen kom-men heute in vielen Industrieländern Letalitätstests mit Fischen routinemäßigzum Einsatz, um Industrieabwässer oder Kläranlagenausläufe auf ihre Toxizität zuprüfen oder Chemikalien während des Genehmigungsverfahrens zu testen. Im Hinblickauf eine Gefahrenabwehr für den Menschen ist das ein erster wichtiger Schritt, dennakut giftige Wirkungen können eindeutig identifiziert werden. Trotzdem, das istnicht der Weisheit letzter Schluss.

Der Fisch alsModellsyst

Susanne Hufe

24 UFZ-MAGAZIN

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25UFZ-MAGAZIN

Der Medaka oder auch Reiskärpfling (Oryzias latipes) zeichnet

sich durch seine anspruchslose Haltung, eine unter Laborbedin-

gungen mögliche Reproduktion, einen kurzen Generationszyklus

und die Transparenz seiner Eier aus. Das macht ihn zu einem

häufig verwendeten Modellorganismus.

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D ie Sensitivität des Letalitäts-tests, der nur zwischen Lebenund Tod der Fische unterschei-

det, reicht zum Identifizieren derWirkung von vielen, vor allem in kleinen Dosen vorkommendenChemikalien nicht aus. Hinzu kommteine vorgeschriebene Testzeit vonknapp 100 Stunden. Für die Ökotoxi-kologen und die Zelltoxikologen desUFZ liegt die wissenschaftlicheHerausforderung also längst nichtmehr im „ganzen Fisch“ alsTestorganismus. Sie suchen vielmehrÄquivalente, die sensitiver undschneller reagieren und zudem denCharme haben, die Zahl vonTierversuchen zu reduzieren. Nebender Neuentwicklung solcher Testsarbeiten sie daran, bereits existierendeMethoden so zu vervollkommnen, zuvereinfachen und zu standardisieren,dass sie in gesetzliche Regelungeneinfließen und damit auch außerhalbvon Forschungsinstituten genutzt wer-den können.

Das Beispiel ZelllinienBasis einer Zelllinie sind einzelne,

isolierte Zellen von Organen einesbestimmten Organismus. Gelingt es,diese außerhalb des Organismus, alsoin vitro, zum Wachsen zu bringen, soentsteht eine Zelllinie. Diese ist unterUmständen unendlich kultivierbarund somit immer wieder nutzbar. Inder medizinischen Forschung ist dieArbeit mit Zelllinien seit längeremgebräuchlich, beispielsweise um ineinem definierten Milieu die Wirkungvon Pharmaka zu erproben. Und auchbei der Testung von Kosmetika sollensie zukünftig vermehrt zum Einsatzkommen.

Die Idee, Zelllinien vom Fisch fürden Umweltbereich zu verwenden, istvergleichsweise jung; ihre Anwendung

steckt noch in den Kinderschuhen.Und doch lassen sich schon eine Reihekleiner Erfolge vermelden. So entwi-ckelten beispielsweise die UFZ-Wissen-schaftler um Dr. Kristin Schirmergemeinsam mit der Universität inWaterloo (Kanada) eine Strategie, umdie Toxizität von Wasserproben mithil-fe einer bereits etablierten Fisch-Kiemenzelllinie zu testen. Aufgrundanonym durchgeführter Vergleiche mitherkömmlichen Fischletalitätstestsbeschloss die kanadische Regierungvor zwei Jahren den Zelllinientest alsAlternative für den Einsatz in derPraxis zu prüfen. Mithilfe von Zell-linien – in diesem Fall einer Fisch-Leberzelllinie – gelang es den Wissen-schaftlern kürzlich auch, Dioxin ähn-liche Schadstoffe im Grundwasser

26 UFZ-MAGAZIN

Zellen aus Leber, Darm oder Kiemen vonFischen lassen sich im Labor kultivierenund vermehren. Eine etablierte Zelllinielässt sich somit unter Umständen unend-liche Male für Forschungszwecke nutzen.

Zellen aus Leber, Darm oder Kiemen vonFischen lassen sich im Labor kultivierenund vermehren. Eine etablierte Zelllinielässt sich somit unter Umständen unend-liche Male für Forschungszwecke nutzen.

Page 27: MAGAZIN DES UFZ-UMWELTFORSCHUNGSZENTRUMS … · – darauf zielt das Prinzip Vorsorge. Und das auch in solchen Fällen, in denen der Schaden eventuell erst später eintritt, dann

eines ehemaligen Industriestandortesin Zeitz (Sachsen-Anhalt) dort nachzu-weisen, wo keiner sie vermutet hatte.Außerdem beschäftigt die Wissen-schaftler derzeit die Etablierung einerDarmzelllinie aus der Regenbogen-forelle. Vom Vergleich der Ergebnissemit der Kiemenzelllinie erhoffen siesich unter anderem Informationen zugewebespezifischen Unterschiedender Tests, zum Beispiel im Hinblickauf Schadstoffaufnahme, -toleranz undStoffwechsel.

Das Beispiel FischeitestFischeier sind schon seit langem

Gegenstand von entwicklungsbiologi-schen Forschungen. Doch erst seit etwazehn Jahren nutzen Wissenschaftlersie, um die Wirkung von Chemikalien

in aquatischen Systemen zu untersu-chen.

Gegenwärtig wird intensiv darangearbeitet, den so genannten Fisch-eitest als Alternative zum herkömm-lichen Fischtest gesetzlich zu etablierenund eine entsprechende DIN-Norm zuerarbeiten. Während des Tests werdendie durchsichtigen, frisch abgelaichtenEier 48 Stunden mit der zu unter-suchenden Wasserprobe zusammen-gebracht, um Embryo schädigende Wirkungen identifizieren und auf dieGiftigkeit der Probe schließen zu können.

Solche Wirkungen können beispiels-weise eine gestörte Fischentwicklungoder Körpersegmentierung, ein abnor-mes Körperwachstum, eine fehlerhaftePigmentierung oder eine Störung des

Herzkreislaufsystems sein. Natürlichwird auch noch weiterhin Forschungbetrieben. Dr. Eberhard Küster undseine UFZ-Kollegen beispielsweise ver-suchen, die Sensitivität des Tests zuverbessern und den praktischenEinsatz für die Analyse von Umwelt-proben weiter zu vereinfachen. Siearbeiten derzeit an einem Test, der dieWirkung giftiger Stoffe auf Enzymeund Proteine im entwickelten Fischeiuntersucht und damit hoch sensitivsein wird.

Die UFZ-Bemühungen, den Fisch-eitest zu verfeinern, gehen zudem in diemolekularbiologische Richtung. Sountersuchen die Kollegen um Dr. StefanScholz, ob im Fischei solche Gene alsreguliert identifiziert werden können,die als Markergene eine chronische Wirkung anzeigen können. Sollte dies gelingen, könnten künftig insbesonderedie aufwändigen und teuren Langzeit-versuche mit Fischen, so genannte chronische Tests, eingeschränkt wer-den.

27UFZ-MAGAZIN

Gegenwärtig wird intensiv daran gear-beitet, den so genannten Fischeitest alsAlternative zum herkömmlichen Fischtestgesetzlich zu etablieren.

Gegenwärtig wird intensiv daran gear-beitet, den so genannten Fischeitest alsAlternative zum herkömmlichen Fischtestgesetzlich zu etablieren.

Eier des Zebrabärblings

48 Stunden nach der Befruchtung

Medaka-Eier, acht Stunden

nach der Befruchtung

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28 UFZ-MAGAZIN

Wenn Schadstoffe in hohen Konzentrationen die Umwelt erreichen, können sie akut giftig

auf Organismen wirken und sogar zu ihrem Tod führen. Solche Fälle gibt es noch an vielen

Orten der Erde – zum Beispiel verursacht durch Chemieunfälle oder durch generell man-

gelnde Umweltüberwachung. Tendenziell geht diese Art der Verschmutzungen jedoch

zurück. Kopfzerbrechen bereiten den Wissenschaftlern in aller Welt heute eher die

Schadstoffe, die in nur geringen Konzentrationen in die Umwelt gelangen. Sie

zeigen zwar keine solch’ offensichtliche Wirkung auf Organismen, könnten

aber ihre Gesundheit langfristig und nachhaltig negativ beeinflussen.

Bei der Suche nach der Wirkung dieser Substanzen bringen traditionel-

le wissenschaftliche Methoden den Forschern nicht den gewünsch-

ten Erfolg. Deshalb schauen einige von ihnen in die Zellen hin-

ein. Denn dort greifen alle Chemikalien zuerst an und entfal-

ten ihre Wirkung. Aber welche Teile der Zelle reagieren auf

Schadstoffe? Welche Mechanismen stecken dahinter und

mit welchen Methoden können sie erkannt werden?

a

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29UFZ-MAGAZIN

ls ZielortDie Zelle

Susanne Hufe

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30 UFZ-MAGAZIN

Folge dessen sind Veränderungen der Enzymaktivitäten sowie in derExpression von Genen, die eine Rollebeim Auslösen von Apoptose, dem pro-grammierten Zelltod, spielen. AndereSchadstoffe binden sich an Zell-Proteineoder inaktivieren diese und führen so zurInduktion so genannter Stressgene.Dritte wiederum wirken spezifisch undinduzieren nur bestimmte Gene. Unddamit es richtig kompliziert wird, könnenall diese Effekte auch gleichzeitig auftre-ten und sich schließlich und endlich nochüberlagern.

Ein Beispiel: Es gibt eine Reihe vonSchadstoffen, dazu zählen polyzyklischearomatische Kohlenwasserstoffe (PAKs)und (poly)chlorierte Biphenyle (PCBs),die sich nach ihrem Eintreten in die Zelle an ein bestimmtes Protein, einenRezeptor, binden können. Die Zelle rea-giert darauf mit einer verstärkten Ex-pression des Gens Cytochrom P4501A.Das Produkt, ein Enzymkomplex, ist mitverantwortlich für den Abbau vonSchadstoffen – dessen Synthese stelltalso eine Abwehrreaktion der Zelle dar.Negativer Nebeneffekt: Manchmal ent-stehen giftigere Produkte als es die auf-getroffenen Schadstoffe waren. Diesenun reagieren mit weiteren Zell-bestandteilen und rufen dadurch toxischeEffekte hervor. Wenn man also die ver-stärkte Expression von Cytochrom

Gene sind die Träger der Erbinfor-mationen – so formuliert man eshäufig im allgemeinen Sprachge-brauch. Im molekularbiologi-schen Sinne ist ein Gen in derRegel der Bauplan einer Amino-säuresequenz eines Proteins.Dieser Bauplan liegt verschlüs-selt in Form einer Nukleotid-Sequenz in Nukleinsäuren, derDNA (Desoxyribonukleinsäure),vor. Erstaunlicherweise reichenfür diese Verschlüsselung vierGrundbausteine, die vier organi-schen Basen Adenin, Thymin,Guanin und Cytosin. DerenAbfolge ist charakteristisch fürjedes Gen. Je eine von ihnen bil-det in Kombination mit einemZuckermolekül (Desoxyribose)und einem Phosphatsäurerest einNukleotid. Die Gemeinschaft vondrei Nukleotiden – das Triplet –enthält den Bauplan für eineAminosäure, mehrere Tripletsdemzufolge für ein Protein.

Gene als Baupläne

WISSENSWERTES

P4501A nachweisen kann (zum Beispielbei Fischen in verschmutzten Ge-wässern), so kann man einerseits einmöglicherweise unbekanntes Schad-stoffspektrum eingrenzen und anderer-seits die Aussage treffen, dass eineschädliche Wirkung auf Organismen zubefürchten ist.

Anschnitt einer tierischenZelle im 3D-ModellNur wenige Mikrometer groß sind

sie, die Zellen – Grundbausteinedes Lebens. Zum Teil hoch spezi-

alisiert und zu Geweben und Organenverbunden, bilden sie mehrzelligeOrganismen. Der menschliche Körperzum Beispiel vereint zirka 100 BillionenZellen in etwa 220 verschiedenen Zell-und Gewebetypen. Trotz dieserVerschiedenheit verbindet alle Zelleneine Reihe von Gemeinsamkeiten inihrem Bauplan und ihren grundlegen-den Fähigkeiten. So verfügen sie alleüber Membranen, die sie nach außenabgrenzen, sowie über genetische Infor-mation, gespeichert in Nukleinsäurenwie der DNA. Zellen teilen sich, habeneinen Stoffwechsel und bauen – je nachZelltyp – verschiedene Proteine auf. Diewiederum können chemische Reak-tionen beschleunigen oder hemmen,ermöglichen die Kontraktion vonMuskeln oder transportieren den Sauer-stoff im Blut.

Diese Gemeinsamkeiten machenZellen für Toxikologen zu einem „uni-versellen“ Forschungsobjekt, an dem sie– stellvertretend für eine Vielzahl vonOrganismenarten – die Wirkung vonChemikalien testen und sowohl all-gemeingültige als auch spezifischeAussagen zu deren Toxizität treffen kön-nen.

Was passiert, wenn Schadstoffeauf Zellen treffen?

Im Laufe von vielen MillionenJahren haben die Zellen gelernt, flexi-bel auf sich ändernde Umwelt-bedingungen zu reagieren – einenatürliche Überlebensstrategie, die sieauch bei der Konfrontation mit anthro-pogenen, also vom Menschen erzeug-ten Schadstoffen abrufen.

Dreh- und Angelpunkt der zellulä-ren Antwort auf Schadstoffe sind invielen Fällen die auf molekularerEbene stattfindenden Veränderungenin der Regulation von Genen. Die ein-zelnen Mechanismen, die sich dahin-ter verbergen, sind hoch komplex undvielfältig. Einige davon sind bekannt –ebenso viele jedoch unerforscht. Soweiß man von Chemikaliengruppen,die die Durchlässigkeit von Mem-branen und damit die Kalziumkonzen-tration in der Zelle verändern.

Der Zellkern ist die Informations- undSteuerungszentrale der Zelle. In ihmliegt das Erbgut der Zelle, die DNA, zuChromatin verpackt. Durch Poren inder Kernhülle findet der Stoffaus-tausch mit den im Zellplasma befind-lichen Zellorganellen statt wie bei-spielsweise der Transport der mRNA zuden Ribosomen, wo mithilfe derenInformation Proteine synthetisiertwerden.

Quelle: IWF Wissen&MediengGmbH, Göttingen

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31UFZ-MAGAZIN

Das Resultat einer PCR (grafisch überarbeitet) – hier die Induktion von Cytochrom P4501A durchDichloranilin (DCA), einer stark giftigen Chemikalie. Mit ansteigender Konzentration an DCA sind Bandenwachsender Intensität zu sehen. Sie zeigen, dass höhere DCA-Konzentrationen zu einer stärkerenExpression des Gens führen. Es ist auf dem Gel mit einer Bande der Größe von 330 Basenpaarenrepräsentiert (roter Pfeil).

Von „Genexpression“ spricht manallgemein, wenn man die Über-setzung der in einem Gen gespei-cherten Information in seine spe-zielle Funktionseinheit in derZelle (Gen-mRNA-Protein) meint.In groben Zügen umfasst daszwei Schritte: Bei der Transkription werden diein den Genen verschlüsseltenInformationen, sprich die spe-zielle Nukleotidsequenz, zueinem komplementären Abdruck„kopiert“ – vergleichbar miteinem Bild von einem Negativ.Die dabei entstehende Boten-Ribonukleinsäure, kurz m-RNA,verlässt den Zellkern und gelangtzu den Ribosomen, den Zellorga-nellen, die für die Proteinbiosyn-these zuständig sind.Während der Translation wird diein der m-RNA enthaltene Informa-tion in eine Aminosäuresequenzumgeschrieben, die in ihrer Gesamtheit ein Protein bildet.Jedes Protein wird – entsprechenddes Zelltyps und des jeweiligenZustandes der Zelle – in einerbestimmten Menge hergestellt.

Die Umsetzung derBaupläne –

Genexpression

WISSENSWERTES

Wie wird Genexpression „sicht-bar“?

Man bedient sich dabei eines seit den1980er Jahren bekannten molekularbio-logischen Verfahrens, der Polymera-sekettenreaktion (PCR). Sie ermöglichtes, DNA-Abschnitte durch wiederholteVerdopplung in mehreren Zyklen mithil-fe eines Enzyms, der DNA-Polymerase,künstlich zu vervielfältigen. Der US-amerikanische Biochemiker Kary Mulliserhielt für diese Entwicklung 1983 denNobelpreis für Chemie. Die vervielfäl-tigten DNA-Abschnitte kann man sicht-bar machen, indem man sie in einemelektrischen Spannungsfeld auftrennt(Elektrophorese) und mit einem Farb-stoff anfärbt. Heute, natürlich weiterentwickelt, gehört die PCR zur Stan-dardausrüstung in jedem biologischenoder medizinischen Forschungslabor,beispielsweise um Erbkrankheiten zuuntersuchen, genetische Fingerabdrückezu erstellen oder eine mögliche Vater-schaft zu testen.

Kopie der RNA her und benutzt diesedann für die PCR. Schlägt man dengedanklichen Bogen zurück zumBeispielgen Cytochrom P4501A, soerkennt man mithilfe der PCR, ob einSchadstoff dieses Gen „angeschaltet“hat und es demzufolge zu einer Zellen-bzw. Organismen schädigenden Wir-kung kommen kann.

In vielen Fällen haben die Wissen-schaftler jedoch – anders als beimCytochrom P4501A – noch keineInformationen darüber, welche Genedurch einen bestimmten Schadstoff inihrer Expression verändert werden.Bedenkt man, dass eine Zelle tausendeverschiedene Gene besitzt, so scheint dieSuche nach demjenigen, das auf denSchadstoff mit veränderter Expressionreagiert, vergleichbar mit der berühmtenSuche nach der Nadel im Heuhaufen. Essei denn, es würde gelingen, eine sehrgroße Anzahl von Genen in einemArbeitsgang zu testen ...

Der Text entstand auf der Basis von Arbeiten

und unter Mitwirkung von Dr. Kristin Schirmer

und Dr. Stefan Scholz. Dr. Kristin Schirmer ist

Leiterin des UFZ-Departments Zelltoxikologie,

Dr. Stefan Scholz ist wissenschaftlicher Mit-

arbeiter in diesem Department.

0 0,125 0,25 0,5 1 2mg/l DCA

Will man die PCR für den Nachweiseiner Genexpression nutzen, geschiehtdies durch Vervielfältigung der Boten-RNA des entsprechenden Gens. Da diePCR jedoch nur mit DNA und nicht mitRNA funktioniert, nutzt man einen klei-nen Trick: Mit einem aus Viren isoliertenEnzym stellt man zunächst eine DNA-

Das Resultat einer PCR

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Schadstoff belasteten Gewässern. Odersie stammt aus einem Laborexperiment,in dem Zellen oder Zellkulturen mitbestimmten Chemikalien beimpft wer-den. Unabhängig davon liegt der Idee dieAnnahme zugrunde, dass sich eineVeränderung der Umweltbedingungenin einer Veränderung der Boten-RNA,dem Bindeglied zwischen den in derErbsubstanz enthaltenen Genen und denProteinen, widerspiegelt. Deshalb stellendie Forscher eine Kopie der Boten-RNAder Zellen her, die sogenannte cDNA,und markieren sie mit einem fluores-zierenden Farbstoff.

Der Chip, wissenschaftlich korrektMikroarray, ist ein etwa 2,5 x 7,5Zentimeter kleiner Objektträger

aus Glas. Spezielle Techniken machen es möglich, auf diesem unscheinbarenPlättchen aus Glas zehntausende vonDNA-Stücken zu fixieren. Jedes DNA-Stück erscheint als ein winziger, etwa 100Mikrometer großer Punkt auf dem Chip,in ihrer Gesamtheit ergeben sie einRaster aus tausenden von Punkten. DasGegenstück zum Chip bildet eine kon-kret zu untersuchende Probe. Sie kann jenach Forschungsziel aus dem Freilandstammen, beispielsweise von Fischen aus

Um falschen Schlüssen sofort vorzubeugen – in diesem Beitrag geht es nichtum genmanipulierte Kartoffelchips. Vielmehr dreht sich alles um die An-wendung der Chiptechnologie in der Molekularbiologie. DNA-Chips gibt esdort tatsächlich – zumeist allerdings in medizinischen und pharmakologi-schen Forschungslabors. Doch auch andere Bereiche wie Lebensmittel- undAgrarforschung sowie Umweltforschung beginnen, sie für sich zu entdecken. Denn mit ihrer Hilfe ist man in der Lage, innerhalb kürzester Zeit tausendevon Genen genau unter die Lupe zu nehmen.

Susanne Hufe

Gen Chips –10.000 auf einen Streich

32 UFZ-MAGAZIN

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Chip und cDNA werden danachzusammengebracht, woraufhin sich diecDNA der Probe sofort an das für siepassende Gegenstück auf dem Objekt-träger bindet. Ist in einer Probe mehrcDNA eines Gens vorhanden, bindet siein entsprechend großer Menge. Und dasie fluoreszierend markiert ist, leuchtetsie in entsprechender Intensität. Ein spe-zieller Laserscanner tastet den Chip abund gibt den Wissenschaftlern Infor-mationen über die Stärke der Fluores-zenzsignale. So können Veränderungenin der Menge der Boten-RNA einzelnerGene erkannt werden.

Darüber hinaus macht es dieChiptechnologie möglich, Schadstoffbelastete und unbelastete Proben (alsKontrolle) in einem Arbeitsgang zu ana-lysieren. Dazu markieren die Wissen-schaftler die cDNAs mit zwei unter-schiedlich fluoreszierenden Farbstoffen.Die Überlagerung der Fluoreszenz-signale und deren digitale Verarbeitungliefern dann eine farbige Darstellung desErgebnisses. So kann Rot zum Beispieleine erhöhte Menge der Boten-RNA,Grün eine reduzierte und Gelb eineunveränderte Menge der Boten-RNAeines Gens im Vergleich zur Kontrolleanzeigen.

Das alles klingt zunächst sehr ein-fach und riecht geradezu nach hervor-ragender Eignung für Routineanalysenin der Praxis. Leider stehen demmomentan noch einige Hürden imWeg. Vor allem die Auswertung der rie-sigen Datenmengen, die zehntausende

fluoreszierende Messpunkte umfassenkann, gestaltet sich schwierig und auf-wändig. So kann der Laborarbeit vonzirka einer Woche ohne weiteres eineDatenauswertung über mehrereMonate hinweg folgen. Ein zweiterGrund, der einer Routineanwendungentgegensteht, ist der hohe Preis fürden Kauf eines Chips – immerhin biszu 500 Euro. Und schließlich ist dieNutzung dadurch beschränkt, dassChips gegenwärtig nur für solcheModellorganismen zur Verfügung ste-hen, deren Genom bereits vollständigoder zumindest zu einem Großteil ent-

schlüsselt ist. Das ist bislang nur beieinigen Tieren, unter anderem bei derMaus und dem Zebrabärbling, einerFischart, sowie dem Menschen derFall. All diese Gründe führen dazu,dass Gen-Chips derzeit hauptsächlichin der Forschung eingesetzt werden,beispielsweise um Schlüsselgene zuidentifizieren oder um weitere Infor-mationen über die Funktion einzelnerGene zu gewinnen.

Prognosen für diese Technologiesind verheißungsvoll. Schenkt manihnen Glauben, so trägt sie einPotenzial in sich, das weltweitMilliarden Dollar Gewinne verspricht.Neben Pharma-, Agrar- und Lebens-mittelbranche betrifft das auch denUmweltbereich. Angesichts dieserenormen Potenzen scheint es nur eineFrage der Zeit, bis DNA-Chips einebreitere Anwendung finden.

Der Text entstand auf der Basis von Arbeiten

und unter Mitwirkung von Dr. Kristin

Schirmer und Dr. Stefan Scholz. Dr. Kristin

Schirmer ist Leiterin des UFZ-Departments

Zelltoxikologie, Dr. Stefan Scholz ist wissen-

schaftlicher Mitarbeiter in diesem Depart-

ment.

Der Gen-Chip.Ein unscheinbares Glasplättchen,das es in sich hat.

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Falschspunterwe

Susanne Hufe

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Falschspunterwe

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Hormone sind körpereigene Signalmoleküle. Beim Menschensollen es bis zu 156 verschiedene sein, die in einem hoch komplexen System unter anderem den Blutzuckerspiegel, das Wachstum oder den Sexualzyklus regulieren. Es ist einSystem, das bei allen Organismen funktionsgemäß sehr sensibel reagieren muss, dadurch jedoch störanfällig ist.

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Auch künstlich hergestellte Hormone, die in vielen Medika-

menten wie beispielsweise in der Pille enthalten sind, gelangen

über den Stoffwechsel in unsere Abwässer und sind dort zuneh-

mend zu finden. �

Auch künstlich hergestellte Hormone, die in vielen Medika-

menten wie beispielsweise in der Pille enthalten sind, gelangen

über den Stoffwechsel in unsere Abwässer und sind dort zuneh-

mend zu finden. �

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Eine zunehmende Anzahl von wis-senschaftlichen Studien in allerWelt belegt sowohl die Existenz

hormonähnlich wirkender Stoffe in derUmwelt als auch ihre lange Zeit an-gezweifelte und zum Teil heute nochumstrittene Gefahr für Organismen. ImMittelpunkt der Diskussionen stehenChemikalien, die – obgleich sie eineandere chemische Struktur alsHormone haben – in Organismen diegleichen Wirkungen hervorrufen kön-nen. Belege für Deregulationen, diedamit in Zusammenhang stehen, gibt

es bislang für verschiedene, im Wasserlebende Tiere. So treten bei einigenFischarten vermehrt Zwitter auf, undbei männlichen Fischen wurde dieBildung von Dotterproteinen be-obachtet – beides Indizien dafür, dasshormonwirksame Stoffe in unsereGewässer gelangt sind. Noch istunklar, ob die in westlichen Ländernbeim Menschen vermehrt auftretendenFruchtbarkeitsstörungen sowie dieZunahme an Brust- und Hodenkrebs-erkrankungen ebenfalls auf dieseSubstanzen zurückzuführen sind.

Diese Annahmen sind Grund genugfür eine Palette von Forschungs-aktivitäten an Instituten wie dem UFZ.Sie haben das Ziel, die zugrunde lie-genden Vorgänge aufzuklären undMethoden für einen wirksamen Schutzzu erforschen.

Erstmals wurde Anfang der 1980erJahre vom Zusammenhang zwischenEntwicklungs- und Reproduktions-störungen von Vögeln mit einem hor-monell wirksamen Umweltschadstoff,dem Insektizid DDT, berichtet.Ausgehend von dieser im Wissen-schaftsmagazin „Science“ publiziertenStudie, wurden in den Folgejahren zahl-reiche Industriechemikalien als Verur-sacher hormonartiger Wirkungen inder Umwelt nachgewiesen. Beispiels-weise wurden polychlorierte Biphenyle(PCBs), die über viele Jahre wegenihrer Hitzebeständigkeit unter anderemin Hydraulikölen und Transformatorenverwendet worden waren, als Verur-sacher für eine niedrige Reproduk-tionsrate und ein gestörtes Immun-system bei europäischen Robben iden-tifiziert – die Herstellung wurde in der Bundesrepublik 1989 verboten.Tributylzinn, ein Biozid, das Fäulnis an

Mit Abwässern können pharmazeutische Reststoffeund hormonähnlich wirkende Substanzen in Spuren-konzentrationen in unsere Oberflächengewässergelangen. Ihre Wirkung auf bestimmte Tiere isterwiesen, die auf den Menschen ist umstritten.

36 UFZ-MAGAZIN

Aus diesem Blickwinkel diskutiert man zunehmend die Rolle von Hormonen,

die durch Menschenhand in die Umwelt gelangen und dort, zwar in kleinen

Mengen, aber doch stetig und unspezifisch durch Tiere und Menschen aufge-

nommen werden. Gleiches gilt für chemische Substanzen, die selbst keine

Hormone sind, jedoch so tun als ob. Das sind die Falschspieler.

Quelle: Photodisc®Environmental Concerns

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Schiffsrümpfen verhindern soll, gilt alsAuslöser einer Vermännlichung weib-licher Schnecken. Und Dicofol, einheute in Deutschland verbotenesPflanzenschutzmittel, führte zu drasti-schen Fehlbildungen der Fortpflan-zungsorgane männlicher Alligatoren imSee Apoka im US-Bundesstaat Florida.Es zeigte sich ebenfalls, dass nicht aus-schließlich die Chemikalien selbst, son-dern auch deren Abbauprodukte hor-monell wirken. So führt Nonylphenol

zur Verweiblichung. Eingesetzt wird esals Antioxidationsmittel bei der Her-stellung von PVC. Es entsteht aberauch als Abbauprodukt einer Gruppevon Chemikalien, die in Pestiziden,Reinigungsmitteln oder Cremes ver-wendet werden.

Da man davon ausgeht, dass vieleder hormonell wirksamen Substanzenüber das Abwasser aus der Chemie-oder Pharmaindustrie aber ebenso ausden Haushalten, in die Umwelt gelan-gen, wäre es aus Gründen der Vorsorgewichtig, beispielsweise an Kläranlagen-

37UFZ-MAGAZIN

ausläufen eine entsprechende Prüfungdurchzuführen.

Geeignete Methoden für die routine-mäßige Anwendung, die schnell undumfassend solche Substanzen und derenWirkungen identifizieren könnten, gibt

es bislang nur ansatzweise. ChemischeAnalysen identifizieren beispielsweisenur Substanzen, die bereits als Hormonregulierend bekannt sind. Kombiniertmit einem biologischen Test kann mandiese Lücke schließen, muss jedoch inKauf nehmen, dass nur einzelne der vie-len möglichen Wirkweisen angezeigtwerden. Man müsste viele verschiedeneTests anwenden, um ein umfassendesErgebnis zu erzielen.

Auch hier könnte der DNA-Chip eineAlternative bieten. Mit der Spezifikationauf Hormone und mit entsprechend aus-gewählten Genen könnte ein solcherChip in einem Detektionsschritt mög-lichst viele potenzielle Wirkweisenerfassen. Die Zelltoxikologen des UFZjedenfalls sind überzeugt von dieser Ideeund arbeiten seit 2002 mit mehrerenForscherkollegen im In- und Ausland ander Entwicklung solcher Arrays.

Von hormonellen Wirkungenbetroffen sind vor allem marineLebewesen.

Stoffe, die Hormone simulieren,gelangen im Falle von einigen In-dustriechemikalien durch Men-schenhand in unsere Umwelt. DieNatur ist aber auch voll von na-türlich vorkommenden Substan-zen mit hormonellen Eigenschaf-ten. Bekannteste Vertreter sinddie pflanzlichen Östrogene(Phytoöstrogene). Sie haben inden letzten Jahren einen enor-men Markt im pharmazeutischenBereich erobert und werden ange-priesen als Wundermittel im Kampfgegen Osteoporose, Wechsel-jahresbeschwerden und Brustkrebsbei Frauen sowie Herzinfarkt undSchlaganfall. Auch die Kosmetik-industrie hat sie für sich entdecktund vertreibt phytoöstrogenhalti-ge Cremes en masse als Anti-Aging-Mittel. Wissenschaftliche Studienkönnen jedoch diese Wirkungennur zum Teil bestätigen, auch sinddie genauen Wirkmechanismenund biologischen Konsequenzennicht vollständig geklärt. Sie sinddas Ziel vieler wissenschaftlicherUntersuchungen weltweit und Ge-genstand kontroverser Diskussionen.

WISSENSWERTES

Viele Chemikalien, die alsHormonfalschspieler iden-

tifiziert sind, werdengroßtechnisch hergestellt.

Sie werden zum Teil inenormen Mengen in

Handel und Gewerbe ver-trieben und gelangen über

viele Produkte in denmenschlichen Lebensraum.

Wer weiß heute noch, was Naturist und was reine Chemie? Umdie Trageeigenschaften von Tex-tilien stetig zu verbessern, kom-men eine Reihe von Chemikalienzum Einsatz. Nicht alle davonsind der Gesundheit des Men-schen zuträglich. So fand manDi- und Tributylzinn in T-Shirtsund Sporttrikots, Chemikalien,die man wegen ihrer antimikro-biellen Wirkung den Stoffenzusetzte, die jedoch im Verdachtstehen, das Hormonsystem desMenschen zu beeinflussen.

Quelle: NASA/Kennedy Space Center

Quelle: Dr. Joachim Plötz, AWI Bremerhaven

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ReinesTrinkwasser

39UFZ-MAGAZIN

In fünf Wasserwerken fördern die KommunalenWasserwerke Leipzig (KWL) täglich rund 75.000Kubikmeter Wasser. Um die Versorgung im GroßraumLeipzig zu sichern, kommen etwa 25.000 Kubikmeterüber die Fernwasserversorgung aus der Region Torgauhinzu. Wir sprachen mit Sonja Riebe, BereichsleiterinBetriebslabor, über die Reinhaltung des Trinkwassers.

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Ionenaustauscher entscheiden, dabeiwird Nickel gebunden und dem Wasserentzogen.

FRAGE: Bringt die neue Trinkwasser-verordnung weitere vergleichbareÄnderungen?Am deutlichsten greift die Novellierungin die bakteriologischen Untersuchun-gen ein. Hier vollzog sich ein Wechselvon qualitativen zu quantitativen Me-thoden. Nach der jetzigen Trinkwasser-verordnung untersuchen wir Indi-katorparameter wie coliforme Keimeund E.-coli – dabei verletzt schon einKeim auf 100 Milliliter den Grenzwert.Zudem wurden Enterokokken in diereguläre Untersuchung aufgenommen.Diese sind im Wasser lebensfähiger als E.-coli und können auf eine bereitslänger zurückliegende fäkale Ver-schmutzung hinweisen. Neu hinzuge-kommen ist auch der Umweltkeim

FRAGE: Woraus speisen sich die vierGroßwasserwerke, die die RegionLeipzig mit Trinkwasser versorgen?Die Wasserwerke Naunhof I und II ausGrundwasser, das Wasserwerk Canitzzudem zu zirka 30 Prozent aus Ufer-filtrat, und das Wasserwerk Thallwitzerfasst überwiegend Uferfiltrat – da-runter versteht man Wasser, das imUferbereich eines Flusses versickert, beider Bodenpassage gereinigt und überBrunnen ins Wasserwerk gefördert wird.

FRAGE: Das Wasser reinigt sich selbst-ständig – das Labor ist überflüssig?Nein. Trinkwasser muss per Gesetz ständig analytisch kontrolliert werden,denn Trinkwasser soll natürlich frei vonKrankheitserregern, rein und genuss-tauglich sein. Wir untersuchen täglichdie bakteriologischen Parameter, denpH-Wert, die Leitfähigkeit, die Trübungund die organoleptischen FaktorenFarbe, Geruch, Geschmack.

FRAGE: Und Sie kontrollieren relativhäufig Schwermetalle?Das Flusssediment der Mulde stammtvor allem aus dem Erzgebirge, und wieder Name sagt, sind dort vielfach erzrei-che Gesteine anzutreffen. Diese werdennoch heute von der Mulde in das Gebietvon Naunhof sowie von Canitz undThallwitz gebracht. Daher beinhalten die Flussablagerungen auch in geringenMengen die Schwermetalle Arsen,Cadmium und teils Nickel.Cadmium und Arsen entfernen wir inunseren Wasserwerken mittels Eisen-filtration. Um den Grenzwert für Nickeleinzuhalten, der in der novelliertenTrinkwasserverordnung vom 1. Januar2003 von 40 auf 20 Mikrogramm proLiter abgesenkt wurde, müssen wirzusätzliche neue Aufbereitungsverfahrenanwenden.

FRAGE: Ein ziemlicher Aufwand?Ja. Aber nichts ist unmöglich – es gibtverschiedene Verfahren, um Nickel zu eli-minieren. Derzeit testen wir mit demLeipziger Institut für Energetik verschie-dene Verfahren. Voraussichtlich werdenwir uns für einen chelatbildenden

Sonja Riebe ist Bereichs-leiterin im Betriebslaborder Kommunalen Wasser-werke Leipzig (KWL).

WISSENSWERTES

Eine gigantische Menge Trink-wasser, die ein Mensch im Verlaufseines Lebens aufnimmt. Sie ent-spricht rund 182.000 großenGläsern – sauber, rein und klar,wie es die Trinkwasserverordnungschon seit 1892 vorschreibt.Wasserquelle ist sowohl das Grund-wasser als auch das Oberflächen-wasser aus Flüssen, Seen oderTalsperren. Grundwasser heißtauch Rohwasser – und das ist inLeipzig gerade aus dem Muldetalvon nachgewiesen hoher Qualität.Damit Trinkwasser in allerFrische – Härtegrad 3, pH-Wertzwischen 7,4 und 7,9 – aus demHahn fließen kann, durchläuft eseinen mehrstufigen Reinigungs-und Filterungsprozess. Im Laborwird es auf seine Reinheitgeprüft und auf den Geschmackhin untersucht – schließlich istes Lebensmittel Nummer Eins.

1 Leben = 60.000Liter Wasser

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Clostridium perfringens, einschließlichseiner Sporen. Dieser Parameter fun-giert als Indikator für chlorresistenteParasiten – wird Oberflächenwasserund Uferfiltrat zur Aufbereitung vonTrinkwasser genutzt, können sie vonBedeutung sein. Und schließlich geht esum die Prüfung der Zahl der Bakterien-kolonien. Das ist eine einfache, aberbewährte Methode, um Trinkwasserhygienisch zu beurteilen.

FRAGE: Umwelt- und Verbraucher-verbände kritisieren zunehmend per-sistente, gentoxische und karzigeneStoffe …Gemäß der Trinkwasserverordnunguntersuchen wir auch auf solche Stoffe.Hier sind vor allem die polyzyklischenaromatischen Kohlenwasserstoffe, chlor-organische Substanzen, polychlorierteBiphenyle und Schwermetalle zu nennen.Diese sind, ebenso wie die Schwer-metalle, zum Teil geogen bedingt. Zu-nehmend werden sie aber auch durchmenschliche Einflüsse ins Grundwassereingebracht.

FRAGE: Lässt sich das regeln?Nur bedingt – indem wir intensiv kontrollieren. Für die WasserwerkeCanitz, Thallwitz und Naunhof, derenEinzugsgebiete überwiegend landwirt-schaftlich genutzt werden, haben wir einausgedehntes Pegelmessfeld aufgebaut.Daran können wir frühzeitig erkennen,ob sich die Beschaffenheit des Roh-wassers verändert. Und mithilfe moder-ner Aufbereitungstechniken können fastalle Stoffe aus dem Wasser entfernt wer-den.

FRAGE: Also ist es egal, was in denAbguss fließt – die Wasserwerke holenschon alles wieder raus?Nein! Das wäre ein großes Problem undauch teuer. Nach wie vor ist derRessourcenschutz die beste Lösung. ImEinzugsgebiet unserer Großwasserwerkebetreiben wir aktiv Ressourcenschutz.Durch ökologischen Landbau konnte bei-spielsweise der Nitratgehalt im Roh-wasser deutlich verringert werden.

Das Gespräch führte: Daniela Weber

In einem braunen Bach kommt ein Großteil des Leip-ziger Abwassers im Klärwerk Rosenthal, dem größtender 30 von der KWL betriebenen Klärwerke, an. Esdurchläuft eine mechanische Klärung, eine chemischeReinigungsstufe und wird schließlich mithilfe vonMikroorganismen biologisch geklärt. Danach wird es in den Vorfluter, die Luppe, eingeleitet.

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Vom Charakter zum Verhalten –Albrecht Paschke, Ralph Kühne und Doris Böhme

Physikalische und chemische

Eigenschaftenvon Stoffen

Vom Charakter zum Verhalten –

Physikalische und chemische

Eigenschaftenvon Stoffen

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Menschen verhalten sich normal oder eigenartig, sie reagieren vorhersehbar oder überra-schend. Je genauer wir ihren Charakter und ihre Eigenschaften kennen, desto leichter fällt es uns, vorherzusagen, was sie in bestimmten Situationen und unter bestimmtenBedingungen tun. Mit Chemikalien ist es ähnlich: Je genauer wir sie kennen, desto leichter lässt sich vorhersagen, wie sie sich in der Umwelt verhalten, wie sie transportiert,

verteilt und umgewandelt werden. Entscheidend dafür, wie sie sichverhalten, sind physikalische und chemische Eigenschaften. Dochwoher bekommen wir dieses Wissen über chemische Verbindungen –

ob natürlich vorkommende oder technisch synthetisierte? Wir kön-nen die Daten messen, sie aber auch aus ihrer chemischen Struktur

berechnen. Dabei schließen sich Messung und Berechnungnicht aus, sondern ergänzen einander.

Berechnen mit Mathe undComputerOft ist es nicht möglich, bestimmte

Eigenschaften zu messen. Das kanntechnische oder finanzielle Gründehaben. Oder der Stoff steht nur in einergeringen Menge zur Verfügung, die füreine Messung nicht genügt. In solchenFällen kommen Vorhersagemodelle –heute in der Regel auf Computer gestützt– zum Einsatz. Außerdem ist ein validier-tes Berechnungsverfahren geeignet,experimentelle Werte kritisch zu prüfen.

Die einfachsten Vorhersagemethodenbenutzen naturwissenschaftliche Zu-

sammenhänge zwischen verschiedenenGrößen: Aus den bekannten Werten einerEigenschaft wird mithilfe einer Gleichungeine andere, unbekannte Eigenschafterrechnet. Komplizierter sind Methoden,die Vorhersagen aus der chemischenStruktur erlauben. Basis hierfür ist die zweidimensionale Struktur derVerbindung. Daraus lassen sich übermathematische Formeln für das Molekülkomplexe Schlüsselgrößen und Indizes –so genannte Deskriptoren – ermitteln,die wiederum in einem Modell für dieinteressierende Eigenschaft verknüpftwerden. Eine besonders wichtige Gruppe

Lindan

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sind Fragmentmethoden, bei der dieStrukturformel in bestimmte Bestand-teile zerlegt wird. Für jeden Bestandteilsind Zahlenwerte (Inkremente) tabelliert.Aus der Summe dieser Werte über dasgesamte Molekül ergibt sich die gesuchteGröße. Noch kompliziertere Methodenbenötigen Größen, die aus der dreidimen-sionalen Struktur abgeleitet werden. Hier-für werden die Koordinaten der Atome –das heißt, die räumliche Anordnung derAtome im Molekül – benötigt. Sie könnenzum Beispiel quantenchemisch berechnetwerden.

Hat man mithilfe dieser Methoden dieStoffeigenschaften ermittelt, können nun-mehr mit Rechenmodellen weitereVorhersagen über Transport, Verteilungund Abbau der Chemikalien getroffenwerden. Von besonderem Interesse istzum Beispiel, wie lange ein Stoff in derUmwelt verbleiben kann, wie weit ertransportiert wird und in welchenUmweltmedien er hauptsächlich zu fin-den ist. Auch hier gilt, dass sichModellierung und Messung ergänzen.Modelle können einfach und grob sein,aber auch hoch komplex. Dabei sind sehrviele Eingangsdaten über die Umwelterforderlich – und die Aussagekraft derErgebnisse hängt stark von derVerfügbarkeit und Qualität derEingangsdaten ab. Experimentelle Werte

UFZ-Wissenschaftler entwickelten das Computer-Programmsystem „ChemProp“, das die automati-sche Berechnung von Stoffeigenschaften und dieAnwendung in einem Modell zur Vorhersage desUmweltverhaltens ermöglicht.

können zur Anpassung der Parameterund zur Überprüfung dieser Modellegenutzt werden.

Die UFZ-Modellierer haben das Com-puter-Programmsystem „ChemProp“entwickelt, das die automatische Berech-nung von Stoffeigenschaften und dieAnwendung in einem Modell zurVorhersage des Umweltverhaltens ermög-licht. Integriert sind neben einer Vielzahlbekannter Methoden aus der wissen-schaftlichen Literatur auch am UFZ ent-wickelte Rechenverfahren für relevanteStoffeigenschaften. Das Besondere desSystems ist, dass die Methoden nicht imProgramm codiert sind, sondern – ineiner eigens entwickelten Sprache zurMethodenbeschreibung – als separateTabellen verfügbar sind. Dadurch ist dasSystem äußerst flexibel gehalten – sokönnen Methoden variiert und neueVerfahren integriert werden, ohne Ände-rungen im Programm selbst vorzuneh-men.

Wie sich auf Basis einer solchen,stark vereinfachten Rechnung vierumweltrelevante Chemikalien – wenn

sie in einem Modellsystem in die Luftemittiert werden – zwischen Luft, Was-ser, Boden und Sediment verteilen, sollein Beispiel verdeutlichen. DieUnterschiede zwischen den vier StoffenTrichlorethylen (TCE), PolychloriertesBiphenyl 128 (PCB), Lindan und Anilinsind enorm. TCE verbleibt nahezu voll-ständig in der Luft; Lindan zu zirka 75Prozent, der Rest verteilt sich in Wasserund Boden; PCB ist nach dieserRechnung zu knapp 75 Prozent imBoden sowie zu 25 Prozent im Sedimentzu finden; Anilin reichert sich zu glei-chen Teilen im Wasser und Boden an,nur ein geringer Anteil bleibt in derLuft. Diese Prognose ergibt sich alleinaus den unterschiedlichen physikalisch-chemischen Stoffeigenschaften, die ausden chemischen Strukturen abgeschätztwurden.

Benutzeroberfläche von „ChemProp“

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Messen mit Physik und ChemieOhne Messwerte gibt es keine theoreti-

schen Modelle. Auch weist jedeVorhersagemethode Fehler undUnsicherheiten auf, so dass im Einzelfalleine genaue Messung durchaus sinnvollist. Dazu blenden die Chemiker zuersteinmal die Vielfalt und Komplexität stoff-licher Prozesse und Wechselwirkungenin der Umwelt weitestgehend aus, siestudieren die Eigenschaften und dasVerhalten der Stoffe unter standardisier-ten Bedingungen im Labor. So erhaltensie Informationen über die wesentlichenFaktoren und Mechanismen, die dasTransport- und Verteilungsverhalten derChemikalien bestimmen. Um sichschrittweise den realen Verhältnissen zunähern, werden die Versuchsbedin-gungen zunehmend komplexer gestaltet.

Als Schlüsselgröße nutzen Ökotoxiko-logen und Umweltchemiker denVerteilungskoeffizienten KOW. DieserKoeffizient sagt aus, wie sich eine orga-nische Verbindung zwischen den beidenFlüssigkeiten Wasser (W) und Oktanol(O) verteilt. Da Oktanol und Wasser nurbegrenzt miteinander mischbar sind,bilden die beiden Flüssigkeiten zweiPhasen – ähnlich einem Fettauge aufder Suppe. Dieser Koeffizient korreliertunter anderem recht gut mit der biologi-schen Anreicherung von Schadstoffen in Fischen, aber auch mit derAnlagerung oder Aufnahme organischer

Der apparative Aufbau der Langsam-Rühr-Methode ist recht einfach – der Zeitaufwandallerdings groß, die Analytik anspruchsvoll:In einem Liter Wasserphase sind oft nurwenige Nanogramm (10-9 g) der Test-chemikalie enthalten.

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Verbindungen an bzw. in Boden- undSedimentpartikeln. Nun kann es pas-sieren, dass man für viele, langebekannte Umweltchemikalien, wie bei-spielsweise für das Organochlor-pestizid DDT, in der Fachliteraturwidersprüchliche Angaben zum Vertei-lungskoeffizienten findet. Außerdemsind die Daten für die ständig neuhinzu kommenden Substanzen undStoffklassen – dazu gehören beispiels-weise die Abbauprodukte des Herbi-zides Atrazin – äußerst lückenhaft.

Um also Chemikalien mithilfe vonRechenverfahren richtig zu bewerten,muss der Verteilungskoeffizient KOWfür ausgewählte Verbindungen experi-mentell bestimmt werden.

Die Palette von Messverfahren istbreit gefächert, oft ergänzen sie sichgegenseitig. Standardverfahren sindbeispielsweise die Schüttelflaschen-oder die HPLC-Methode (HighPressure Liquid Chromatography), diejedoch auf stark wasserabweisende(hydrophobe) organische Verbindun-gen wie DDT nicht anwendbar sind.Für solche Substanzen, deren KOW-Werte größer als 105 sind, eignet sichdie so genannte Langsam-Rühr-Methode. Zwar ist der apparativeAufbau recht einfach, der Zeitaufwandallerdings groß und die Analytikanspruchsvoll: In einem Liter Wasser-phase sind oft nur wenige Nanogramm(10-9 g) der Testsubstanz enthalten. Vorkurzem wurde dieses Verfahren ineinem weltweiten Ringversuch für dieOECD (Organisation for Economic Co-operation and Development, Paris)getestet, überarbeitet und zur Aufnahmein den Richtlinienkatalog zur Chemika-lientestung vorgeschlagen. Die Physiko-chemiker des UFZ waren erfolgreichbeteiligt.

Doch auch wenn der Verteilungs-koeffizient KOW inzwischen eine deram häufigsten gebrauchten Größen ist,um das Verhalten von organischenChemikalien in der Umwelt abzuschät-zen, denken Forscher weiter. Bio-akkumulation heißt Anreicherung vonSchadstoffen im ein- oder vielzelligenOrganismus. Wäre dann nicht einModellsystem geeigneter, das der Zelleähnelt? Könnte der Membran/Wasser-Verteilungskoeffizient nicht eine aussa-

gekräftigere Größe sein? NeuereVeröffentlichungen zeigen, dass es sichlohnt, weiter in diese Richtung zu for-schen. UFZ-Wissenschaftler arbeitenan experimentellen Verfahren, mitdenen schnell, genau und zuverlässiggemessen werden kann, wie sichChemikalien zwischen Wasser undkünstlichen Membranvesikeln vertei-len. Diese Membranvesikel (oderLiposomen) sind das einfachste Modellfür eine Zellmembran. Zurzeit entwi-ckeln die Wissenschaftler eine Referenz-

methode, die im Mikromaßstab undunter Nutzung der modernen Fest-phasen-Mikroextraktion funktionierensoll, um nicht zuletzt den Verbrauch anTestsubstanzen und Lösungsmittel ein-zuschränken.

Albrecht Paschke ist Chemiker und leitet die

Abteilung Expositionsanalyse im Department

Chemische Ökotoxikologie am UFZ.

Ralph Kühne ist Chemiker und wissenschaft-

licher Mitarbeiter im Department Chemische

Ökotoxikologie am UFZ.

Oktanol und Wasser sind nur begrenzt mit-einander mischbar. Es bilden sich zweiPhasen – ähnlich einem Fettauge auf derSuppe. Wie sich organische Schadstoffe zwi-schen diesen beiden Phasen verteilen, ist für Wissenschaftler ein wichtiger Hinweisauf das Verhalten von Schadstoffen in derUmwelt.

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Balanceakt in der Politik –

versus Umweltsc

Ralf Nordbeck

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Wettbewerb? hutz

Die Modernisierung des Chemikalienrechts innerhalb der

Europäischen Union folgt dem Leitbild der nachhaltigen

Entwicklung. Stand bei der Veröffentlichung des Weißbuchs

„Strategie für eine zukünftige Chemikalienpolitik“ im Februar

2001 noch der Schutz der menschlichen Gesundheit und der

Umwelt an oberster Stelle, so dreht sich die gegenwärtige

Debatte vor allem um den Schutz der chemischen Industrie

vor einer angeblich ruinösen Chemikalienpolitik.

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Den Kern der künftigen Chemi-kalienregulierung bildet das inte-grierte System zur Registrie-

rung, Bewertung und Zulassung vonChemikalien REACH (Registration,Evaluation and Authorisation ofChemicals). Der erste Entwurf zurChemikalien-Verordnung vom Mai2003 sah vor, in den nächsten elfJahren etwa 30.000 Stoffe mit einerjährlichen Produktion von über einerTonne zu registrieren und zu untersu-chen. Im Grunde sollte die chemischeIndustrie verpflichtet werden, dieUnbedenklichkeit ihrer Stoffe nachzu-weisen. Auf dieses Anliegen reagiertedie Branche harsch: Der Verlust derinternationalen Wettbewerbsfähigkeitsowie von Arbeitsplätzen werde be-fürchtet – die Belastungen seien gera-de für kleine und mittlere Unter-nehmen nicht tragbar. Die Einsprücheschlugen sich im Entwurf der EU-Chemikalien-Verordnung nieder, denEU-Umweltkommissarin Margot Wall-ström am 29. Oktober 2003 vorlegte.Nur noch Hersteller und Importeure

von Chemikalien wurden der Regis-trierungs- und Testpflicht unterwor-fen; Weiterverarbeiter aus dieserPflicht entlassen. Zudem wurde dieRegistrierung von Zwischenproduktenerheblich erleichtert und auf eineRegistrierung von Polymeren gänzlichverzichtet. Überdies wurden dieTestpflichten für Stoffe, die jährlich inMengen zwischen einer und zehnTonnen produziert werden, deutlichgelockert: Statt für alle 30.000 Stoffesoll nur noch für 10.000 Stoffe einSicherheitsbericht vorgelegt werden.Nach Schätzung der EU-Kommissionmüssen chemische Industrie undAnwender über elf Jahre zwischen 2,8bis 5,2 Milliarden Euro für dasREACH-System aufbringen.

Die chemische Industrie begrüßte dieÄnderungen, hält die Vorschriften abernach wie vor für zu weitgehend und

drängt auf weitere Einschnitte. Euro-päische Umwelt- und Verbraucher-verbände werten den neuen Entwurfhingegen als Zugeständnis an dieIndustrie und fordern die EU-Kommission auf, dem Schutz vonUmwelt und Gesundheit wiederVorrang vor wirtschaftlichen Interesseneinzuräumen.

EU-Umweltkommissarin Wallströmglaubt nun, mit Blick auf die Kritikbeider Seiten, einen ausgewogenen Verordnungsentwurf eingebracht zuhaben. Ihr Kollege – EU-Industrie-kommissar Erkki Liikanen – gibt sichsogar überzeugt, die Reform der euro-päischen Chemikaliengesetzgebungbewirke einen Innovationsschub in derchemischen Industrie. Genau dieserFrage – welche Innovationswirkungensind von der neuen Chemikalienregu-lierung zu erwarten – widmete sich

Auf den ersten Entwurf der Chemikalienverordnung, der die chemische Industrie verpflichtet, die Unbedenklichkeitihrer Stoffe nachzuweisen reagierte die Branche harsch:Wettbewerbsfähigkeit sowie Arbeitsplätze seien gefährdet.Beim neuen Entwurf der EU-Chemikalien-Verordnung wurden die Auflagen gelockert, das geht der chemischenIndustrie noch nicht weit genug...

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in den vergangenen zwei Jahren ein interdisziplinäres Projekt von Ökono-men, Juristen, Politologen und Ökotoxi-kologen am UFZ. Um eine fundierteAussage über Innovationswirkungen zutreffen, ist es zwingend notwendig, dieBetrachtung der quantitativen Wirkun-gen (Innovationsrate) um die der quali-tativen Wirkungen (Innovationsrich-tung) zu ergänzen. Der Innovationsbe-griff stellt kein homogenes Konzept dar:Innovationen führen keineswegszwangsläufig zu gesellschaftlichem Fort-schritt und steigender Lebensqualität.Zudem kann eine hohe Innovationsratein einer sozial und ökologisch uner-wünschten Innovationsrichtung verlau-fen. Während die Innovationsrate an-hand mehrerer, weit verbreiteter Indika-toren (Patentstatistiken, Neustoffanmel-dungen) bestimmt werden kann, gibt es keine vergleichbar standardisiertenIndikatoren, um die Innovationsqualitätzu messen.

Auf Grundlage dieser Erkenntnisseergibt sich für die erwarteten Inno-vationswirkungen der Chemikalien-regulierung ebenfalls ein ambivalentesBild. Die neue Verordnung wird ohneZweifel einen wichtigen Beitrag leisten,die Innovationsrichtung bei den Her-stellern, Weiterverarbeitern und Anwen-

dern chemischer Stoffe zu ändern. Schon jetzt lassen sich zwei Wirkungs-mechanismen identifizieren: Die Einfüh-rung einer verwendungsspezifischenZulassung für potenziell Besorgnis erre-gende Stoffe übt einen enormen regulati-ven Druck auf die Hersteller aus, nachSubstituten zu fahnden. Gleichzeitigbietet das Transparenzgebot, das denöffentlichen Zugang zu nichtvertrau-lichen Daten über Stoffeigenschaftenund -verwendungen gewährleistet, dennachfolgenden industriellen und ge-werblichen Anwendern die Basis für dieeigenständige Substitution hochkriti-scher Stoffe.

Eher zweifelhaft ist hingegen, ob die Innovationsrate von gegenwärtig300 Neustoffen pro Jahr in der EUwesentlich steigen wird – auch wenndie Anhebung der Mengenschwellensowie die großzügige Handhabungvon Ausnahmen für prozessorientierteFuE-Stoffe die Entwicklung neuerStoffe durchaus begünstigen.

Innovationen in der chemischenIndustrie gelten weniger der Ent-wicklung neuer Stoffe als vielmehr derAnwendung existierender Stoffe. Daauf diesem Feld vor allem kleine und mittlere Unternehmen tätig sind,erscheint es problematisch, wenn dieneue EU-Chemikalienpolitik erheb-liche Rationalisierungen der Produkt-linien zur Folge hätte. Dies ginge zuLasten der Wettbewerbs- und Innova-tionsfähigkeit dieser Firmen. Zudembeträfe dieser Vorgang einige Stoffe, dieeher als Substitut für potenziell gefähr-liche Stoffe geeignet wären, denn zumSchutz von Umwelt und Gesundheitvom Markt genommen werden müss-ten.

Ralf Nordbeck ist Diplom-Politologe und

war bis Februar 2004 wissenschaftlicher

Mitarbeiter im Department Soziologie, Öko-

nomie und Recht am UFZ.

Quelle: Photodisc®Environmental Concerns

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Chancen undDie Menge macht’s –

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Die Europäische Union diskutiert seit mehreren Jahren ihre

künftige Chemikalienpolitik. Nun liegt seit Oktober 2003 der

Entwurf einer Richtlinie zur Chemikalienregulierung vor, der

zuvor über drei Monate hinweg von Wirtschaft und Politik,

Regierungen und Gewerkschaften, Umwelt- und Verbraucher-

verbänden sowie per Internet öffentlich erörtert worden war.

Wir sprachen mit Dr. Klaus Steinhäuser, Leiter des Fachbereiches

für Chemikaliensicherheit und Gentechnik beim Umweltbundes-

amt (UBA), über Chancen und Grenzen der europäischen

Chemikalienregulierung.

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Grenzendes neuen europäischen

Chemikalienrechts

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FRAGE: Die Neugestaltung des Chemi-kalienrechts berührt weite Teile dereuropäischen Gesellschaft. Hier zuLande haben die Bundesregierung, derVerband der Chemischen Industrie(VCI) und die IndustriegewerkschaftBergbau, Chemie, Energie (IG BCE)gemeinsam Regelungen zum „wirksa-men Schutz für Gesundheit und Umweltbei möglichst geringen Kosten, inschnellen, einfachen und verlässlichenadministrativen Verfahren“ gefordert.Sind beide Ansprüche tatsächlich mit-einander zu vereinbaren?Ich denke ja. Die Frage – wie umfassendist eine Chemikalie zu beurteilen – hängtnatürlich zuerst von deren möglichenRisiken ab. Die muss man kennen, umsie gegebenenfalls abzuwehren. ZweiBeispiele möchte ich nennen. Soll einneues Pflanzenschutzmittel zugelassenwerden, besteht ein hoher Unter-suchungsbedarf und auch -aufwand.Der Antragsteller muss nachweisen,dass das Mittel – das seiner Bestim-mung nach für so genannte Schädlingegiftig ist – andere Organismen allenfallsin einem Maße trifft, die ihnen eineWiedererholung erlaubt. Geht es hinge-gen um eine Chemikalie, die lediglich ingeschlossenen technischen Anlagenbenutzt wird, tendiert die Wahrschein-lichkeit, dass dieser Stoff beim regulärenUmgang in die Umwelt gelangt, ebensowie die Belastung für Arbeitnehmer undVerbraucher gegen Null. Insofern isthier ein geringeres Untersuchungs-programm zu vertreten.Diese Form der Abwägung sieht dieREACH-Verordnung ja auch vor. Aller-dings ist man dort zu weit gegangen:Eine Mindestinformation, die eineBeurteilung von Unfällen und Betriebs-störungen erlaubt, ist dort bei Zwischen-produkten in geschlossenen Systemenleider nicht erforderlich.

FRAGE: Aber primär gründet sich dasREACH-System auf die Mengenstaffe-lung: Je weniger ein Stoff produziertund verwendet wird, umso dünner wirdder Untersuchungskatalog. Somit unter-liegen nicht alle Chemikalien den glei-chen Analysen?

Das ist in der Tat so. Fingen wir im normalen Neustoffverfahren bei 100Kilogramm an, beginnt das Standard-untersuchungsprogramm künftig beizehn Tonnen. Läge dieser Wert bei einerTonne, hätte das UBA gesagt, es han-delt sich um eine Menge, bei der even-tuell auf lokaler, aber nicht auf regio-naler oder überregionaler Ebene,Probleme zu erwarten wären. Aber zweiGrößenordnungen weiter zu gehen, dasist aus unserer Sicht zu viel.

FRAGE: Die Mehrheit der Chemikalienliegt in ihrer Menge unter zehnTonnen?Von den 30.000 Stoffen, die in Europaoberhalb einer Tonne importiert oderhergestellt werden, fallen etwa 20.000 indie Mengenstaffel bis zehn Tonnen. Fürdiese Anzahl ist nur ein minimalesUntersuchungsprogramm vorgesehen.Im Gegensatz zum ursprünglichenEntwurf vom Mai 2003 wird jetzt aufdie Tests zur Algentoxizität und zur bio-logischen Abbaubarkeit verzichtet.Allein mit Hilfe der Daphnientoxizitätlässt sich kein Umweltrisiko beurteilen.Das ist ein Punkt, mit dem wir unsnicht zufrieden geben können.

FRAGE: Warum genügt dieser eine Testfür den Bereich zwischen einer undzehn Tonnen nicht?Mit dem Daphnien-Kurzzeit-Test lässtsich keine Aussage mehr treffen, ob deruntersuchte Stoff persistent, bioakku-mulierend sowie toxisch sein könnte.Das heißt, so genannte PBT-Ver-dachtsstoffe können in diesem Tonnage-bereich nicht identifiziert werden. Dafehlt die qualifizierte Beurteilungs-grundlage.

FRAGE: Die EU-Verordnung wird auchfür Deutschland unmittelbar bindendsein. Kann das Umweltbundesamt aufden jetzigen Entwurf noch Einflussnehmen? Zunächst wird der Entwurf in den politischen Gremien des EuropäischenRates und Parlamentes beraten. Indiese Diskussion werden wir unserefachliche Meinung einbringen und

Das Umweltbundesamt (UBA) ist die wissenschaftliche Um-weltbehörde im Geschäfts-bereich des Bundesministeri-ums für Umwelt, Naturschutzund Reaktorsicherheit (BMU).Die Tätigkeit ist auf die Pflegeund den Schutz der natür-lichen Lebensgrundlagen, aufdie nachhaltige Entwicklungsowie auf die Verankerung desUmweltschutzes im Denkenund Handeln aller Menschengerichtet. Das breite Themen-feld, die analytischen Kompe-tenzen und die fachlichenRessourcen bestimmen diePosition des UBA als eine deranerkannt gefragten Umwelt-institutionen in Deutschland.

Umweltbundesamt

Postfach 33 00 22• 14191 Berlin

Tel.: 030/89 03-0

Fax: 030/89 03 22 85

Internet: www.umweltbundesamt.de

Umweltbundesamt

WISSENSWERTES

In der neuen REACH-Verordnung gibtes, wie bisher im Chemikalienrecht, einmengengestaffeltes System: Je mehr voneinem Stoff hergestellt und verwendetwird, desto wahrscheinlicher kann es zuProblemen kommen und umso mehrwird untersucht. Zugleich hängen dieTests von der Art der Verwendung ab –bleibt der Stoff eher in der Technosphäreoder gelangt er bis in Verbraucher-produkte… Beide Komponenten bestim-men künftig den Untersuchungs-aufwand.

FRAGE: Derzeit müssen laut Chemika-liengesetz in der Bundesrepublik Stoffe, deren jährliche Vermarktungüber 100 Kilogramm liegt, durch dieIndustrie bei den zuständigen Be-hörden angemeldet werden – das künf-tige EU-Chemikalienrecht hebt dieseMengenschwelle auf zehn Tonnen an.

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55UFZ-MAGAZIN

hoffen, somit insbesondere derBundesregierung Argumente zu geben,den Entwurf an einigen wichtigenStellen zu verbessern. Außerdem regeltein Gesetz nicht alle fachlichen Details– diese können aber für den Aufwandund das Ergebnis sehr wichtig sein.Eine wesentliche Aufgabe von uns wirddeshalb sein, auf eine gute fachlicheAusgestaltung des neuen Regelwerkeshinzuwirken.

FRAGE: Kann die REACH-Verordnungnicht auch zu Innovationen, zur Ent-wicklung neuer Chemikalien führen,die sowohl umweltverträglicher alsauch testeffizienter sind?Der Punkt ist spannend, lässt sichheute jedoch noch nicht sicher beur-teilen. Auf alle Fälle werden nicht alle30.000 Stoffe, die derzeit mit über einerTonne auf dem europäischen Marktbekannt sind, zur Registrierung kom-men. Aber Befürchtungen, ein Großteilder Stoffe sei nicht mehr verfügbar,ganze Produktketten würden wegbre-chen und der Innovationsspielraumenger werden, die teile ich nicht. Es wer-den vielleicht zehn bis 20 Prozent weni-ger sein. Das sind Einschränkungen,die sich meist durch andere technischeoder stoffliche Lösungen kompensierenlassen und sogar einen Innovations-anreiz schaffen, der bestenfalls zuneuen umwelt- und gesundheitsver-träglicheren Lösungen führt. Das kannund soll das REACH-System durchauserreichen, und aus meiner Sicht wird esdas auch.

FRAGE: Sind in der Umsetzung vonREACH neben der Wirtschaft auchForschungseinrichtungen wie das UFZLeipzig-Halle gefragt?Also, ich denke, ja, in drei Punkten.Erstens: Nicht jede Firma, die in dennächsten elf Jahren ihre Stoffe regis-trieren lassen wird, ist ein Großunter-nehmen mit eigenen Untersuchungs-kapazitäten. Potenziell können hierInstitutionen wie das UFZ als Auf-tragnehmer agieren. Der zweite Punktberührt ein wesentliches Defizit derderzeitigen REACH-Verordnung: Es

Dr. Klaus Steinhäuser (53) hat sich in seiner wissenschaftlichen

Laufbahn frühzeitig mit Fragen der Ökotoxikologie befasst. Seit

2001 leitet der Chemiker den Fachbereich IV „Chemikalien-

sicherheit und Gentechnik“ am Umweltbundesamt. Seinen

Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern obliegt es vornehmlich,

Pflanzenschutzmittel und andere Stoffe hinsichtlich ihrer

Umweltrisiken zu bewerten und Maßnahmen zur Risikomin-

derung festzulegen. Zudem wirken sie auf europäischer, natio-

naler und internationaler Ebene mit, die Chemikaliensicherheit

weiterzuentwickeln.

gibt kein System der Qualitäts-sicherung für die Registrierungs-dossiers; die so genannten ChemicalSafety Reports werden lediglich aufVollständigkeit geprüft. Nun wollenwir als staatliche Behörde nicht alleskontrollieren. Aber wir brauchen einSystem, das die Dossiers prüft, ob sievalid, plausibel und seriös sind. Dafürkann man sich interner Zertifizierungenoder externer Gutachter bedienen.Auch in solch’ einem Kontext könntedas UFZ eine Rolle spielen. Und derdritte Punkt knüpft an die Befugnisstaatlicher Autoritäten an, die Stoffeund ihre Wirkungen auf nationalerEbene zu evaluieren. Dies umfasst einendifferenzierten Komplex von Unter-suchungen, Bewertungen und Maß-nahmen, in dem die betreffenden Be-hörden Unterstützung von anderenInstitutionen benötigen. Das ist zwarim Einzelnen noch nicht geklärt, aberauch hieraus könnte eine Aufgabe fürdas UFZ erwachsen.

Das Gespräch führte: Daniela Weber

WISSENSWERTES

Die Europäische Kommission veröffentlicht zu bestimmten Politikbereichen sogenannte Grünbücher. Dies geschieht, ehe ein bestimmter Vorschlag in dieGesetzgebung Eingang findet. Es dient dazu, die Vorstellungen der Kommissionzur geplanten Initiative darzustellen, den betroffenen Kreisen eine Diskussions-grundlage zu bieten und die Möglichkeit zu Stellungnahmen einzuräumen.Nach dem Grünbuch erscheint in aller Regel ein Weißbuch. In diesem schla-gen sich zum einen die Beiträge des fachlichen Diskurses nieder. Zum ande-ren legt die Kommission einen Katalog konkreter Vorschläge sowie geplan-ter Maßnahmen vor, mit denen die Ziele im betreffenden Politikfeld erreichtwerden sollen. Nimmt der Rat der EU-Kommissare das Weißbuch positiv auf,kann daraus das Aktionsprogramm der Europäischen Union für diesenBereich entwickelt werden.Die Phasen vom Grün- über das Weißbuch bis hin zum Aktionsprogrammumfassen zumeist mehrere Jahre.

Weitere Informationen zum Weißbuch zur Chemikalienpolitik unter:

http://www.darmstadt.ihk24.de/produktmarken/innovation/Anlagen/

Weissbuch-Chem-Pol.pdf

europa.eu.int/comm/environment/chemicals/0188_de.pdf

http://www.oeko.de/text.chempol.htm

Grünbuch – Weißbuch – Aktionsprogramm

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PCBs (Polychlorierte Biphenyle) in der arktischen Nahrungskette

Meerwasser 2ng/kg

Phytoplankton3.000ng/kg

Kabeljau300.000ng/kg

Robbe3.000.000ng/kg

Eisbär10.000.000ng/kg

[ng = 10-9g]

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Aus für dasdreckigeDutzend

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POPs – im Englischen „PersistentOrganic Pollutants“ – sind giftigeund zugleich langlebige (persisten-

te) organische Schadstoffe. Zu diesenDauergiften zählen Pestizide und Indus-triechemikalien, aber auch schädlicheGase wie Dioxine und Furane, die alsNebenprodukte in der chemischenIndustrie oder unbeabsichtigt bei Ver-brennungsprozessen entstehen. POPsmachen keinen Halt an Landesgrenzen.Man findet sie in Regionen, wo sie nieangewendet wurden. Sie sind ein globa-les Umweltproblem. Sie reisen mit denatmosphärischen Strömungen, durchVerdunsten und wieder Kondensieren –auch „globale Destillation“ genannt –von den warmen Zonen nahe des Äqua-tors zu den Polen oder kälteren Regionender Erde. Von dort gelangen sie mit derSchmelze von Schnee und Eis zurück insMeer, lagern sich im Plankton ein und gelangen bis an die Spitze derNahrungskette. Hohe Konzentrationenwerden in Fischen, Robben, Eisbärenund Vögeln gemessen. Dadurch sind dieMenschen belastet, die sich hauptsäch-lich von Fisch und Tieren der Arktisernähren.

diesen unmittelbar ausgesetzt sind,beispielsweise durch Pestizide in derLandwirtschaft oder Bekämpfungvon Malaria mit DDT. Oft können dieMenschen nicht die Gefahr einschät-zen, in der sie sich befinden, undmeist haben sie auch nicht die Mög-lichkeit, einen anderen Arbeitsplatzoder Lebensraum zu wählen.

POPs sind extrem langlebig undschwer abbaubar. Einmal im Körperangereichert, verändern sie den Hor-monhaushalt, können Krebs oderFehlbildungen verursachen und dasImmunsystem beeinflussen.

Im Mai 2001 wurde in Stockholmdie international gültige, rechtlicheGrundlage für ein weltweites Produk-tions- und Anwendungsverbot derzwölf giftigsten POPs – das dreckigeDutzend – verabschiedet (StockholmConvention on Persistent OrganicPollutants). Am 17. Mai 2004 trat dieStockholmer Konvention in den bis-her 59 Unterzeichnerstaaten in Kraft,darunter auch Deutschland. Die USAund China als zwei der industrie- undbevölkerungsreichsten Staaten fehlennoch.

WISSENSWERTES

9 Pestizide

Aldrin, Chlordan, Dieldrin, DDT,Endrin, Heptachlor,

Hexachlorbenzen, Mirex,Toxaphen

2 Industriechemikalien

Polychlorierte Biphenyle (PCBs),Hexachlorbenzen

2 unbeabsichtigt produzierteChemikalien

Dioxin, Furan

Die Konvention ist unter

http://chem.unep.ch/pops abrufbar.

Das dreckigeDutzend

Gefährdet sind ebenso Menschen,die in Entwicklungsländern die POPsanwenden oder durch deren Nutzung

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Entstanden ist die Ökotoxikologie alsPrüfdisziplin, die die Schadwirkung von einzelnen Stoffen testet. Inzwischen hat sie sich zur Systemwissenschaft gewandelt,die die Vernetztheit des Umweltsystemsund die Komplexität der Wirkeffektebewertet. Als neue Dimension hält derFaktor Zeit Einzug. Wir sprachen mit Prof. Gerrit Schüürmann, Leiter desDepartments Chemische Ökotoxikologieam Umweltforschungszentrum Leipzig-Halle, über die Zukunft seines Fachs.

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Zeit – Eine neue Dimension

der Ökotoxikologie

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FRAGE: Lange Zeit ging der Blick derChemischen Ökotoxikologie auf dasschädliche Potenzial einer Chemikalie …Diese Sicht greift zu kurz – das hat sicherwiesen. Fluorchlorkohlenwasser-stoffen hat man es schlichtweg nichtangesehen, dass sie zehn, 15, 20 Jahrenach ihrer großvolumigen Emissioneinen Kreislauf der Ozonzerstörung inGang setzen.

FRAGE: … seit einigen Jahren weitetsich die Perspektive hin zurKomplexität von Wirkungen undWirkbedingungen. Entsprechen diederzeit verfügbaren Methoden undInstrumentarien diesem Paradigmen-wechsel?Zunächst muss man unterscheiden zwi-schen der Ökotoxikologie als Wissen-schaft und ihrer Servicefunktion für dieChemikalienbewertung. In der heutigenPrüftoxikologie sind die komplexenZusammenhänge in der Natur nichtexplizit erfasst. Es sind ausgewählteStellvertreterorganismen, die die ökologi-sche Relevanz in die Testsysteme ein-bringen. Dabei wird auf der Ebene ein

Stoff/ein Organismus getestet, obwohles tatsächlich um ein Vielstoff-Multi-biologie-System geht – das ist dasDilemma der Ökotoxikologie.

FRAGE: Lässt sich damit der Anspruch,den die Europäische Union in ihrerChemikalienpolitik formuliert – diemenschliche Gesundheit sowie die Um-welt zu schützen – umsetzen? Um dem Anspruch gerecht zu werden, nutztman derzeit das Konzept der Sicherheits-faktoren: Aus den bekannten Testergeb-nissen wird zunächst eine Wirkschwelleermittelt; ein zusätzlicher Sicherheitsab-stand liefert dann den entscheidungs-relevanten Grenzwert – mit diesem so

genannten Sicherheitsfaktor werden alsoindirekte Effekte und Kombinations-wirkungen pauschal berücksichtigt.

FRAGE: Und der Sicherheitsfaktor istsicher?Im Moment bietet dieses Konzept rechtviel Sicherheit für die Vorsorge und denSchutz. Im Prinzip berücksichtigt es dasUnwissen über die Unwägbarkeiten innatürlichen Systemen …

FRAGE: … aber im Detail ist das nichtausreichend?Wir betrachten komplexe Systeme undsehen mehr als einen Organismus, mehrals eine Chemikalie und mehr als einenAufnahmepfad – wir sehen eine chemi-sche und eine biologische Dimension, diebeide mehr sind als eins. Insofern ist dieKomplexität natürlich unbegrenzt. Nunist es nicht das Ziel, für jeden Einzelfallein eigenes Prüfregime zu erstellen. DieVision ist: Mehr über die entscheidendenSteuergrößen der komplexen Systeme zuwissen, um pauschale durch problemspe-zifische Sicherheitsfaktoren zu ersetzenund maßgeschneiderte Prüfstrategien

Bei den POPs kommt dem Faktor Zeit wieder

eine Bedeutung zu: dieseStoffe akkumulieren lang-fristig in der Umwelt. Das

kann zu einem erheblichenund ggf. großräumigen

Schadeffekt führen.

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anzubieten. Da geht der Ball an dieWissenschaft zurück.

FRAGE: An diesem Thema wird aktuellgearbeitet?Schon seit einigen Jahren ist die Syste-matisierung von Kombinationswirkun-gen ein Schwerpunkt bei uns. Ein weite-res aktuelles Feld ist die Erforschung vonMechanismen der Weiterleitung ökoto-xikologischer Effekte auf höhere biologi-sche Organisationsebenen. Und schließ-lich geht es derzeit darum, besser zu ver-stehen, welche Prozesse die Bioverfüg-barkeit chemischer Substanzen – alsoihre Bereitschaft, biologische Organis-men unter Umweltbedingungen tatsäch-lich zu schädigen – beeinflussen. Dasalles sind Schritte, um von künstlich mitEinzelstoffen gestalteten Testregimes zunatürlichen Situationen im Freiland zugelangen. Das ist auch international derTrend.

FRAGE: Fließt auch der Faktor Zeit indie Betrachtung ein? Sie nannten dasBeispiel FCKW …Der Parameter ist mit der Exposition,mit dem zuletzt skizzierten Forschungs-feld, bereits in der Diskussion. Wir stel-len fest, dass sowohl die Wirkpotenz alsauch die Wirkqualität abhängig von derZeitdauer sind, in der ein Organismuseinem Schadstoff ausgesetzt ist. So zei-gen sich neurotoxikologische Effekte, diein Kurzzeittests nicht sichtbar werden,

typischerweise erst bei längerfristigenExpositionszeiten.

FRAGE: Eine solche Gefährdung geht jawomöglich auch von den POPs, denPersistent Organic Pollutants, aus?Ja, wir sind heute besorgt über diePOPs. Aber nicht, weil diese langlebi-gen organischen Schadstoffe bereits zumassiven ad-hoc-Schäden geführt hät-ten. Sondern, weil sie in unseremUmweltsystem sehr lange erhaltenbleiben werden. Dem Faktor Zeitkommt wieder eine Bedeutung zu: Wirkönnen davon ausgehen, dass dieseStoffe langfristig in der Umwelt akku-mulieren. Dies kann später – zumBeispiel nach Erreichen kritischerGesamtmengen – zu einem erheb-lichen und gegebenenfalls auch groß-räumigen Schadeffekt führen.

FRAGE: Von dem heute niemand sagenkann, ob er sich „zurückholen“ ließe?Aus Sicht der Vorsorge müssen wirheute nicht nur den Aspekt derSchadwirkung, sondern ebenso dasExpositionspotenzial erfassen. Wirsehen das Problem, dass Chemikalienwie die POPs – die nicht einfach ausder Umwelt wieder eingesammelt wer-den können – sich nicht nur angehäuft,sondern auch global ausgebreitethaben werden. Ihre möglichen Schad-wirkungen wären zumindest für einenlängeren Zeitraum nicht steuerbar.Vorsorge heute heißt: Exposition undWirkung müssen gleichermaßen be-trachtet werden. Es gibt eben Stoffe, beidenen allein die Exposition schon zurBesorgnis Anlass gibt.

FRAGE: Also müssen sich die ökotoxi-kologischen Testregimes weiter ent-wickeln?Die Testphilosophie muss sich weiterentwickeln – weg von rein technischausgerichteten Prüfsystemen, hin zueinem stärkeren Realitätsbezug.Entwicklung heißt, dass die ökotoxiko-logische Forschung – endlich – dieKomplexität des Umweltsystems erns-ter nimmt. Daraus können wir hoffent-lich soviel lernen, dass die nächsteGeneration ökotoxikologischer Test-instrumente an zwei Punkten besser

sein wird: In der Früherkennung schäd-licher Wirkungen und in der Ein-beziehung natürlicher Bedingungen.

FRAGE: Das Anliegen, die Komple-xität des Umweltsystems als einesVielstoff-Multibiologie-Systemsernster zu nehmen, wird dieses An-liegen von den Verantwortlichen inIndustrie und Behörden mit getra-gen? Der Einfluss von Wissenschaft aufGesellschaft hat verschiedeneFacetten. Ein Aspekt, der von unsnicht nur erwartet, sondern tatsäch-lich auch geleistet wird, ist die aktiveMitgestaltung von Umweltpolitikdurch wissenschaftliche Beratungenim Vorfeld entsprechender Ent-scheidungen. Beispielsweise sitzeninnerhalb der internationalen Wissen-schaftsorganisation Society of Envi-ronmental Toxicology and Chemistry(SETAC) Behörden, Industrie undWissenschaft an einem Tisch. Wirsind dabei bereits in laufendenVerfahren gefordert, unseren Wissens-stand und unsere Meinung einzubrin-gen. Auf diesem Wege – einfachdadurch, dass wir die praktischenProbleme von vornherein gemeinsamangehen – verkürzen wir die sonsti-gen akademischen Abstände. Unddas schlägt sich durchaus nieder.

FRAGE: Inwiefern?Aus SETAC-Workshops, wie Ende der1990er zu den POPs, entwickeln sichImpulse für die Gesetzgebung. Diewerden nach meiner Erfahrung auchin der Fortschreibung entsprechenderRegularien berücksichtigt. Insofernhaben wir einen geringeren Abstandzu Behörden und Industrie als es ausder rein fachlichen Sicht erscheinenmag. Das ist eine Herausforderung,der wir uns gern stellen. Derzeitbereitet die EU eine neue Rahmen-richtlinie zu Pflanzenschutzmittelnvor – und es sind seit Beginn derDiskussion alle drei Gremien inWorkshops etc. vertreten. Das gehörtzum Selbstverständnis der Wissen-schaftsgesellschaft.

Das Gespräch führte: Daniela Weber

Prof. Gerrit Schüürmann (47) leitet das

Department Chemische Ökotoxikologie am

Umweltforschungszentrum Leipzig-Halle.

Das Team analysiert die Schadwirkung che-

mischer Substanzen auf biologische Systeme.

Dabei verfolgen die 30 Mitarbeiterinnen und

Mitarbeiter vier Ziele: Methoden zur

Identifizierung toxischer Inhaltsstoffe kom-

plexer Umweltproben zu entwickeln; biologi-

sche Wirkmechanismen chemischer

Substanzen und Stoffgemische aufzudecken;

Kriterien zur Bewertung des ökotoxikologi-

schen Potenzials chemischer Substanzen zu

erarbeiten und schließlich Instrumente für

eine prädiktive Risikobewertung von

Chemikalien bereitzustellen.

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Glossar

Absorption Aufnahme von Gasen, Dämpfen,gelösten Stoffen und elektromagnetischen Wellen,zum Beispiel in Flüssigkeiten.

Adsorption Anlagerung von Molekülen oderAtomen aus einer flüssigen oder gasförmigen Phasean einem Festkörper. Die Umkehrung wird Desorp-tion genannt.

Anthropogen Durch menschliche Tätigkeit verur-sacht, beeinflusst oder hergestellt.

Bioakkumulation Anreicherung einer Chemikaliein einem Organismus durch Aufnahme aus demumgebenden Medium sowie über die Nahrung.

Biometrie ist ein Teilgebiet der Statistik, das sichmit der Anwendung mathematischer Methoden zurzahlenmäßigen Erfassung, Planung und Auswertungvon Experimenten in Biologie, Medizin und Land-wirtschaft befasst.

BTEX Sammelbezeichnung für Benzol, Toluol,Ethylbenzol, Xylole. Dies sind Lösungsmittel, die invielen Bereichen der Produktions- und Fertigungs-technik eingesetzt werden. Die BTEX-Aromatengehören zu den Hauptschadstoffen im Grundwasser.

DDT Dichlordiphenyltrichlorethan, ein breit wirksa-mes Insektizid mit Berührungs- und Fraßgift-wirkung. In Deutschland seit 1972 verboten.

DNA Die Desoxyribonukleinsäure (englische Abkür-zung DNA, deutsche Abkürzung DNS) speichert dieErbinformation einer Zelle.

Emission Sammelbegriff für die von einer Quelle andie Umwelt ausgehenden Stoffe, Verunreinigungen,Geräusche oder Wärme.

Expositionsanalyse Analyse der Stoffmengen,denen Organismen und Materialien in einerbestimmten Zeiteinheit ausgesetzt sind.

FCKW Fluorchlorkohlenwasserstoffe, werden alsKühlmittel, Treibgase oder Reinigungsmittel einge-setzt. Sie halten sich Jahrzehnte in der Atmosphäreund tragen wesentlich zum Abbau der Ozonschichtbei.

Fluoreszenz Phänomen, das auftritt, wenn ener-giereiche Strahlung von einem Molekül absorbiertwird und dieses daraufhin seinerseits Licht mit einerlängeren Wellenlänge aussendet.

Genexpression Übersetzung der in einem Gengespeicherten Information in eine spezielleFunktionseinheit in der Zelle.

Immission Einwirkung emittierter Schadstoffe(Emission) auf Pflanzen, Tiere, Menschen undGegenstände.

Kurzzeittest (engl. Screening test) Labortest-verfahren von ein bis vier Tagen Dauer, meist zurBestimmung der akuten Toxizität an einer definiertenTestspezies.

Langzeittest Labor- und Freilandtestverfahren biszu mehreren Monaten Dauer mit Einzel- oderMultispezies zur Erfassung des Schädigungs-potenzials einer Substanz (letal und subletal) unterEinbeziehung der Lebenszyklen der Testorganismenund der Elementzyklen im System.

Metabolismus Umwandlung von körperfremdenStoffen durch stoffwechselphysiologische Prozesse.

Monitoring Überwachung chemischer, biologischeroder physikalischer Qualitätsparameter über längereZeit und /oder größere Räume.

n-Oktanol/Wasser-Verteilungskoeffizient(KOW) Maß für die Verteilung einer Chemikalie zwischen einer wässrigen Phase und Oktanol alsStellvertretersubstanz für fetthaltige Gewebe.

Ökosystem Umfasst einen räumlich abgrenzbarenLebensraum (Biotop, zum Beispiel ein Fluss- oder einFeuchtgebiet) und die ihn bewohnenden Lebens-gemeinschaften (Biozönose).

Ökotoxikologie Lehre von der Schadwirkung che-mischer Verbindungen auf Organismen, Popula-tionen und Lebensgemeinschaften.

PAK Polyzyklische Aromatische Kohlenwasserstoffe.Giftige, zum Teil Krebs erzeugende Stoffe, die in Rußund Teer vorkommen und unter anderem bei derVerbrennung von Fett entstehen, beispielsweise beiGegrilltem.

PBT Abk. für Persistente, Bioakkumulierende undToxische Stoffe.

PCB Polychlorierte Biphenyle werden unter anderemals Kühlmittel, Hydraulikflüssigkeit, Transforma-torenöl, Imprägniermittel für Holz und Papier undWeichmacher für Kunststoffe verwendet. Aufgrundihrer hohen Stabilität in der Umwelt werden sie nuräußerst langsam abgebaut und können sich über dieNahrungskette in Organismen anreichern.

PCP Abkürzung für Pentachlorphenol, ein imHolzschutz häufig verwendetes Fungizid.

POPs Abk. für Persistent Organic Pollutants, giftigeund zugleich langlebige organische Schadstoffe.

Persistenz Beständigkeit organischer Chemikalienin der Umwelt.

Pestizide Chemikalien, die zur Bekämpfung vonSchädlingen (Insekten, Pilze, Unkräuter) verwendetwerden.

QSAR Quantitative Structure Activity Relationships(Quantitative Struktur-Wirkungs-Beziehungen).QSARs sind auf der Basis experimenteller Werteerstellte mathematische Beziehungen zwischen derStruktur eines Moleküls und einer bestimmtenEigenschaft der betreffenden Substanz.

RNA Die Ribonukleinsäure (englische AbkürzungRNA, deutsche Abkürzung RNS) speichert ebenfallsErbinformationen, spielt jedoch in dieser Funktiongegenüber der DNA eine untergeordnete Rolle. Siedient oft als Zwischenspeicher.

Toxikologie Lehre von Giften und Giftwirkungen.

Umwandlung, abiotische Veränderung der che-mischen Struktur einer Chemikalie durch abiotischeUmwelteinflüsse wie Temperatur, Licht, pH-Milieu.

Umwandlung, biotische Veränderung der chemi-schen Struktur einer Chemikalie durch Organismenbzw. deren Enzyme.

Umweltkompartiment Luft, Wasser, Boden bzw.deren Teilbereiche.

Verteilungskoeffizient Verhältnis zwischen denKonzentrationen einer Chemikalie in zwei begrenztmischbaren Flüssigkeiten im Gleichgewichtszustand.

Xenobiotika Vom Menschen hergestellte, natur-fremde Stoffe.

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IMPRESSUM:

HERAUSGEBER UFZ-Umweltforschungszentrum Leipzig-Halle GmbHin der Helmholtz-Gemeinschaftwww.ufz.de

REDAKTION Doris Böhme und Susanne Hufe, UFZ

BERATENDES GREMIUM Daniela Weber, Freie Redakteurin in Leipzig; Dr. Werner Brack, und Dr. Hans-Hermann-Thulke, Wissenschaftler im UFZ.

AUTOREN Doris Böhme, Abteilung Presse- und Öffentlichkeitsarbeit am UFZSusanne Hufe, Abteilung Presse- und Öffentlichkeitsarbeit am UFZDaniela Weber, Freie Redakteurin in Leipzig

FOTOGRAFIE André Künzelmann, UFZ

WEITERE BILDNACHWEISE PhotoDisc®Environmental Concerns (Seiten 7, 9, 36, 51),Bund für Umwelt und Naturschutz (Seite 8),Uwe Lochstampfer, FloraFoto (Seite 22), IWF Wissen & Medien GmbH, Göttingen (Seite 30),Dr. Joachim Plötz, Alfred-Wegener-Institut für Polar- und Meeresforschung (Seite 37), NASA/Kennedy Space Center (Seite 37)

GESTALTUNG Mathias Kronberg, Agentur Wohlfahrt, Leipzig

DRUCK UND VERARBEITUNG DS Druck-Strom GmbH, Leipzig

Das UFZ Magazin „Chemikalien in der Umwelt“ wurde auf RecyMago plus gedruckt, einem Papier, das zu 100% aus Altpapier besteht.

Die Publikation ist urheberrechtlich geschützt. Der Abdruck (auch von Teilen) oder die sonstige Verwendung ist nur in Absprache mit dem UFZ gestattet.

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UFZ-Umweltforschungszentrum Leipzig-Hallein der Helmholtz-Gemeinschaft

Permoserstraße 1504318 Leipzig

Telefon: 0341/ 235 2278Fax: 0341/ 235 2649e-mail: [email protected]

Internet: http://www.ufz.de

UFZ-Umweltforschungszentrum Leipzig-HalleDas deutsche Kompetenzzentrumfür Umweltforschung

Das Umweltforschungszentrum Leipzig-Halle (UFZ) forscht auf nationalerund internationaler Ebene für eine nachhaltige Landnutzung und dieSicherung der Lebensqualität in Kulturlandschaften. Im Mittelpunkt der Forschung stehen zum einen dicht besiedelteRegionen, die der Mensch deutlich geprägt hat – städtische Räume, aberauch große verschmutzte Regionen und Bergbaugebiete – und zum ande-ren naturnahe Räume, insbesondere Wüsten und Halbwüsten.Der Horizont der Forschungsthemen ist weit: Die Wissenschaftler gehenunter anderem Fragen der biologischen Vielfalt und ökologischenStabilität auf den Grund, sie befassen sich mit dem Schutz vonWasserressourcen, untersuchen den Einfluss von Umweltbelastungen aufdie Gesundheit des Menschen und entwickeln Sanierungstechnologien.Dabei verbinden sie naturwissenschaftliche Forschung eng mit sozialwis-senschaftlicher, ökonomischer und rechtlicher Forschung.Das UFZ kooperiert mit Forschungsinstituten und Universitäten auf nahe-zu allen Kontinenten der Erde. Gegenwärtig engagiert es sich sehr starkfür eine enge europäische Vernetzung der Umweltforschung. Die bedeu-tendste Initiative ist PEER, eine strategische Verbindung der sieben größ-ten Umweltforschungszentren Europas. Die globale Komponente der UFZ-Forschung kommt besonders in den Forschungskooperationen mitLateinamerika und dem Nahen Osten zum Ausdruck. Das UFZ wurde 1991 gegründet, ist Mitglied der Helmholtz-GemeinschaftDeutscher Forschungszentren (www.helmholtz.de) und beschäftigt an den Standorten Leipzig, Halle und Magdeburg inzwischen etwa 750Mitarbeiter.Es wird von der Bundesregierung (90 Prozent), dem Freistaat Sachsen (5 Prozent) und dem Land Sachsen-Anhalt (5 Prozent) finanziert.

NACHHALTIG FÜR DIE UMWELT AKTIV

ISSN 1614-9173