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Peter Reich Peter Reich Europarecht Europarecht Hradec Králové 29. / 30. März 2001 Grundlagen und Grundlagen und Grundfragen der Grundfragen der Europäischen Europäischen Integration Integration

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Peter ReichPeter Reich

EuroparechtEuroparechtHradec Králové

29. / 30. März 2001

Grundlagen und Grundlagen und Grundfragen der Grundfragen der

Europäischen IntegrationEuropäischen Integration

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Peter Reich

Grundlagen und Grundfragen der Grundlagen und Grundfragen der europäischen Integrationeuropäischen Integration

Geschichte, Organe der EG / der EU ; Rechtsquellen des Gemeinschaftsrechts und ihr Verhältnis zum innerstaatlichen Recht; Bedeutung des Europarechts für die Verwaltung

I) Rechtsnatur der EU

II) Entwicklung der EG / EU

•Mitglieder, Verträge, Wirtschaft

•Wesentliche Inhalte des Maastricht-Vertrages, des Amsterdamer Vertrages und des Vertrages von Nizza

III) Organe der EU

•Aufgaben- und Kompetenzverteilung

•„Demokratische Fragen“ in diesem Zusammenhang

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IV) Rechtsquellen des Gemeinschaftsrechts und Verhältnis zum

innerstaatlichen Recht (mit Beispielsfall)

•Überblick über primäres und sekundäres Gemeinschaftsrecht•Zur innerstaatlichen Wirkung des Sekundärrechts (grundlegend)•Speziell zu Richtlinien:

- Mögliche unmittelbare Wirkung- Schadensersatzpflicht eines Mitgliedstaates bei Nicht- bzw. nicht rechtzeitiger Umsetzung- Richtlinienkonforme Auslegung des „nationalen Umsetzungs- rechts“

V) Rechtsschutz vor dem Europäischen Gerichtshof (Überblick

über die Verfahren)

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VI) Ausgewählte Bereiche des materiellen Gemeinschaftsrechts

(mit Beispielsfällen)

•Zur Personen- und Dienstleistungsfreiheit•Freier Warenverkehr

VII) Bedeutung des Europarechts für die Verwaltung (Wiederholung

und Vertiefung dazu)

•In welchen Tätigkeitsbereichen der Verwaltung spielt das Europarecht eine Rolle ?

•Überblick zum Vollzug des Europarechts durch die Verwaltung - „Europa-rechtliche Pflichten des Verwaltungsbeamten

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Die Mitgliedschaft in der Europäischen UnionDie Mitgliedschaft in der Europäischen Union

Europäischer Staat,

Art.49 Abs.1 Satz 1 EU

Demokratie, Art.6 Abs.1 EU

Achtung der Grund- bzw. Menschenrechte, Art.6 Abs.2 EU

Marktwirtschaft, Art.4 Abs.1 EG

Fähigkeit zur Über-nahme des gemeinsa-men Besitzstandes (acquis communautaire)

Voraussetzung eines BeitrittsA]

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gemeinschaftsrechtlich, Art.49 Abs.1 Satz 2 EU:

•Anhörung der Kommission

•Zustimmung des Europäischen Parlaments

•einstimmiger Beschluss des Ministerrats

völkerrechtlich, Art.49 Abs.2 EU:

•Vertrag zwischen EU-Mitglied-staaten und antragstellendem Staat (Anpassung des Unionsrechts !)

•Ratifikation durch alle Vertragsstaaten

Verfahren des BeitrittsB]

Austritt bzw. AusschlussC]

aus der EU sind gemeinschafts- bzw. unionsrechtlich nicht geregelt !

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Die Bevölkerung der EUDie Bevölkerung der EU

15 Mitgliedstaaten mit zusammen etwa 375 Millionen Einwohnern (1999)

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Mitglieder Verträge Wirtschaft

1949: Europarat

1951/1957: F, D, I, B,

NL, L

1952:Montanunion1958:Euratom, EWG

1959: Beginn des Zollabbaus innerhalbder Gemeinschaft

1967: Fusionsvertrag (GemeinsameOrgane der Gemeinschaften)

1968: Zollunion

1973:+ DK, GB, IRL1979: Europäisches Währungssystem

(EWS)1981:+ GR

1986:+ E, P1986:Einheitliche Europäische Akte

1993:Europäische Union (Maastricht-Vertrag - EUV)

aus EWGV EGV

1993:(Vollendung des) Binnenmarkts

1994: Europäischer Wirtschaftsraum

1995:+ A, S, FIN

1997: Amsterdamer Vertrag

Etappen der Europäischen IntegrationEtappen der Europäischen Integration

1999: Wirtschafts- und Währungsunion

+ ? 2001: Vertrag von Nizza

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Europäischer BinnenmarktEuropäischer Binnenmarkt

Freier Warenverkehr

Freier Personenverkehr

Freier Dienst-leistungsverkehr

Freier Kapitalverkehr

Ziele der vier Grundfreiheiten: Liberalisierung und Harmonisierung durchwegs

(ein einheitlicher Markt !)

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„„Gemeinsamer Markt“Gemeinsamer Markt“(s. insbes. Art. 2 EG)(s. insbes. Art. 2 EG)

Freiheit nach innen

„Binnenmarkt“(s. insbes. Art.14 EG)

Binnenmarktfreiheiten selbst

(Art.28, Art.39, Art.43, Art.49, Art.56 EG)

Angleichung der Rechtsvorschriften

(Art.94, Art.95 EG)

Einheitlichkeit nach außen

(gemeinsamer Zolltarif,

gemeinsame Handelspolitik ...)

Marktfreiheit Marktgleichheit Freier Wettbewerb

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Maastricht Vertrag (EUV)Maastricht Vertrag (EUV)- wesentlicher Inhalt -

3 Säulen (vgl. Art.1 Abs.3)

EGV Art.11-28 Art.29-42

rechtliche Zuständig-

keit

„politisch“(nicht integriert)

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Die drei Säulen der Europäischen UnionDie drei Säulen der Europäischen Union

Europäische Union

Die EG:

ZollunionBinnenmarkt

LandwirtschaftHandelspolitik

VerbraucherschutzGesundheitswesen

UmweltpolitikWährungsunion

...

Außen- und Sicherheitspolitik

PolizeiMenschenrechte

AsylJustiz- und Innenpolitik

supranational

(d.h. weitgehend vergemeinschaftet)

intergouvernemental

(nicht integriert)

Regierungsvereinbarungen

(nicht integriert, s. nun aber die neuen Art.61 f. EG)

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Maastricht Vertrag (EUV)Maastricht Vertrag (EUV)- wesentlicher Inhalt -

Wirtschafts- und Währungsunion

Art.4, Art.8 und Art.98 f. EG

Neue Zuständig-keiten der EG

(insbesondere Kultur-, Sozialpolitik, aber auch

Umwelt, Forschung, Gesundheitswesen ...)

Stärkung des Europäischen Parlaments

( erstmals Mitwirkung bei Gesetzgebung,

Art.251 EG)

3 Säulen (vgl. Art.1 Abs.3)

EGV Art.11-28 Art.29-42

rechtliche Zuständig-

keit

„politisch“(nicht integriert)

Unionsbürger-schaft

Art.17 f. EG

( Wahlrecht; freier Aufenthalt)

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Einige begriffliche Fragen zu den Einige begriffliche Fragen zu den EuropaverträgenEuropaverträgen

Gründungsverträge: Montanunion bzw. Europäische Gemeinschaft für Kohle und Stahl (EGKS, 1951), Euratom bzw. Europäische Atomgemeinschaft und Europäische Wirtschaftsgemeinschaft (EAG und EWG, 1957)

•Unionsvertrag (Maastricht) EUV, 1992 machte aus dem EWGV den EGV und hat auch eigenständige Bedeutung

•EGKSV und EAGV gelten „daneben“ weiter (geringe Bedeutung heute)

•Daher und wegen der Supranationalität einzig der ersten Säule der EU sind auch folgende Begriffe nach wie vor richtig:

die „Gemeinschaft“ bzw. die „Gemeinschaften“; das „Gemeinschaftsrecht“ oder „EG-Recht“

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Förderung der Be-schäftigung

(Art.125 bis 130EG)

Stärkung von Um-welt-, Verbraucher-und Gesundheits-

schutz(Art.174 f., Art.153

und Art.152 EG)

WeitgehendeIntegrationder Asyl-und Visa-

politik(Art.61 f.

EG)

JustitielleZusammen-

arbeit(Art.29 f.

EU)

Einbezie-hung des

SchengenerAbkommens(vgl. Art. 40Abs.5 EUmit Proto-

koll)

Wesentliche inhaltliche Änderungen und Erweiterungen des EG- und des EU-Vertrags durch den

Amsterdamer VertragAmsterdamer Vertrag

Grundprinzipien und Grundrechte

Politik „für den Bürger“

Institutionelle Änderungen

Flexibilität der weiteren Integration

Justiz und Inneres

Außen- und Sicherheitspolitik

Verschiedene „Geschwindigkeiten“ (vgl. Art.43 f. EU)

Erweiterungdes Diskri-minierungs-

verbots(Art.13 EG)

Datenschutz-und Peti-tionsrecht

(Art.286 undArt.21 EG)

Ergänzungdes Subsi-diaritäts-prinzips

(Art.5 Abs.2EG mit

Protokoll)

Stärkung desEuropä-

ischen Parla-ments durchAusdehnungdes Mitent-scheidungs-verfahrensbei der Ge-setzgebung

(unter Redu-zierung desVerfahrensder Zusam-menarbeit;

Art.251 und252 EG)

Ausdehnungder qualifi-

ziertenMehrheits-entschei-

dungen desRates gem.

Art.205Abs.2 EG

Richtlinien-kompetenzdes Kom-

missionsprä-sidenten;

Mitsprachedes

designiertenPräsidentenbei der Be

nennung derKommissare

(Art.214EG)

Straffung der Be-schlussfassung ...,

Art.11 ff EU

Schaffung eines„Generalsekretärs

des Rates“ („HoherVertreter“),Art.26 EU

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EU-Mitglied

EU-Kandidat in Beitrittsverhandlungen

EU-Kandidat nicht in Beitrittsverhandlungen

Die Mitglieder der EUDie Mitglieder der EU

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Vertrag von Nizza*Vertrag von Nizza*- für die Erweiterung wichtige institutionelle Änderungen -- für die Erweiterung wichtige institutionelle Änderungen -

Kommission

Ab 2005 Verzicht der „Großen“ auf 2.

Kommissar zu Gunsten der Beitrittskandidaten

Anzahl der Kommissare darf bis 27 ansteigen

erst danach Rotations-system (mit einer Anzahl

unter 27 ! wird vom Rat festgelegt)

Rat

Qualifizierte Mehrheits-entscheidungen kommen

zu Stande, wenn

1. der Beschluss ca. 71% der - neu (s. Extrafolie) - gewichteten Stimmen erhält

2. diese Mehrheit min-destens 62% der Gesamt-bevölkerung umfasst

sowie

3. die Mehrheit der Mit-gliedstaaten zustimmt.

Parlament

Maximal 732 Sitze

(siehe Extrafolie zur neuen Sitzverteilung)

Nebenorgane

(AdR, Wirtschafts- und Sozialausschuss)

Jeweilige Mitgliederzahl der Beitrittskandidaten:

(Mitgliedstaaten unverändert)

PL 21RO 15CR 12H 12BG 12SK 9LT 9LV 7SLO 7EST 7CY 6M 5

* im Februar 2001 unterzeichnet; in den MS ratifiziert in voraussichtlich 1 1/2 bis 2 Jahren

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Member States / MitgliedstaatenMember States / MitgliedstaatenParliament / ParlamentParliament / Parlament

(seats / Sitzverteilung)

Council / RatCouncil / Rat(Weighting of votes / Stimmgewichtung)

Treaty of Nice / Vertrag von NizzaTreaty of Nice / Vertrag von Nizza

Germany / Deutschland ....................................................................99.................................................29United Kingdom / Vereinigtes Königreich.......................................72.................................................29France / Frankreich ..........................................................................72.................................................29Italy / Italien ......................................................................................72.................................................29Spain / Spanien..................................................................................50.................................................27Poland / Polen....................................................................................50.................................................27Romania / Rumänien ........................................................................33.................................................14Netherlands / Niederlande ................................................................25.................................................13Greece / Griechenland ......................................................................22.................................................12Czech Republic / Tschechische Republik.........................................20.................................................12Belgium / Belgien...............................................................................22.................................................12Hungaria / Ungarn............................................................................20.................................................12Portugal .............................................................................................22.................................................12Sweden / Schweden ...........................................................................18.................................................10Bulgaria / Bulgarien..........................................................................17.................................................10Austria / Österreich ..........................................................................17.................................................10Slowakia / Slowakei...........................................................................13................................................. 7Denmark / Dänemark .......................................................................13................................................. 7Finland / Finnland.............................................................................13................................................. 7Ireland / Irland..................................................................................12................................................. 7Lithunia / Litauen .............................................................................12................................................. 7Latvia / Lettland................................................................................ 8 ................................................ 4Slovenia / Slowenien.......................................................................... 7 ................................................ 4Estonia / Estland ............................................................................... 6 ................................................ 4Cyprus / Zypern ................................................................................ 6 ................................................ 4Luxembourg / Luxemburg ............................................................... 6 ................................................ 4Malta.................................................................................................. 5 ................................................ 3

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Peter ReichOrgane der Europäischen UnionOrgane der Europäischen Union(vgl. auch Art. 7 EGV)

- Überblick -

(Politische Grundsatzent-scheidungen)

Wesentliche (auch rechtliche) Integrations-aufgaben

Kontrolle ...

Beratung

( Neben-organe)

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Das Europäische ParlamentDas Europäische Parlament

Wahl auf fünfJahre durch dieBürger der EU

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Die Europäische KommissionDie Europäische Kommission

Wesentliche Aufgaben

Vorschläge

(Gesetzesinitiative)

zur Weiterentwicklung der Gemeinschaftspolitik

„MOTOR“

Kontrolle

über Einhaltung und richtige Anwendung des

Gemeinschaftsrechts

„WÄCHTER“

Verwaltung

und Durchführung der Gemeinschaftsvorschriften

(insbesondere im Wettbewerbs- und Beihilferecht)

„EXEKUTIVE“

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Rat der Europäischen UnionRat der Europäischen Union(Ministerrat)

Zentrales Beschluss- und Lenkungsorgan

der Europäischen Union

besteht aus Ministern der Mitgliedstaaten

in wechselnder fachlicher Zusammensetzung je nach

dem Gegenstand der Beratungen

Ratspräsident-schaft

vgl. Art.203 Abs.2 EG und Beschluss dazu

wechselt halbjährlich zwischen den EU-

Mitgliedstaaten

Generalsekretariat(Brüssel)

Ausschuss der Ständigen

Vertreter der Mitgliedstaaten

Stimmengewicht (Art.205 Abs.2 EG) bei Beschlüssen,

die eine qualifizierte Mehrheit, d.h. mindestens 62 von 87 Stimmen, erfordern

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Der Europäische GerichtshofDer Europäische GerichtshofSitz: Luxemburg

Gerichtshof(vgl. zu den Aufgaben des Gerichtshofs nachfolgende

Übersicht)

Präsident

(Art.221 EG)

6 Kammern mit je 3-7 Richtern

Gericht Erster Instanz(Art.225 EG)

Zuständig u.a. für Streitsachen zwischen der EU und ihren

Bediensteten, für Wettbewerbs-verfahren und für direkte Klagen von Bürgern oder Unternehmen

gegen Organe der EU

Die nationalen Regierungen der

Europäischen Union ernennen 15 Richter und 8 (9) Generalanwälte

einvernehmlich auf 6 Jahre

(Art.223 EG)

General-anwälte

(Art.222 EG)

Unter-

stützung

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Überblick über die Aufgaben der Überblick über die Aufgaben der 3 EU-Organe:3 EU-Organe:

KommissionKommission RatRat ParlamentParlament

•Initiativmonopol

(s. Art.250 - Art.252 EG)

•Kontrolle über Einhaltung des Gemeinschaftsrechts

(vgl. dazu Art.226 EG)

•Rechtsetzung

(wenn vom Rat dazu ermächtigt, Art.211 EG)

•Außenbeziehungen, laufende Geschäfte

•Rechtsetzung

•Vertragsänderung, Beitritt

(Art.48 und Art.49 EU)

•Koordination

Art.202 EG

•Kontrolle über die Kommission

z.B. Art.216 EG

•Beratung

(z.B. Art.37 Abs.2 Unterabs.3 EG)

•Kontrolle

(z.B. Art.201 EG: Miss-trauensvotum gegenüber Kommission)

•Rechtsetzung

im Haushaltsbereich, vgl. Art.272 EG

im Verfahren der „Mit-wirkung“ (vgl. Art.251 EG)

Klagerecht zum EuGH (vgl. Art.230 Abs.3 EG)

(„Regierung“) („Berater, Kontrolleur, Mitgesetzgeber ...“)

(„Gesetzgeber“)

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Peter ReichRechtsetzungsverfahrenRechtsetzungsverfahren

- Beteiligungsformen des Europäischen Parlaments und deren jeweilige Anwendungsbereiche -

4 Verfahrensarten

Anhörung

(„herkömmlich“, Art.250 EG)

Art.94 EG (Harmonisierung des

Gemeinsamen Marktes);

Art.37 Abs.2 EG (Agrarpolitik);

Art.157 Abs.3 EG (Industriepolitik)

Mitentscheidung(Art.251 EG)

= Regelverfahren

insbesondere bei:

•Art.40 EG (Freizügigkeit der Arbeitnehmer)

•Art.44 EG (Niederlassungsfrei-heit)

•Art.153 EG (Verbraucherschutz)

•Art.95 EG (Rechtsangleichung zur Verwirklichung des Binnenmarktes)

•Art.175 EG (Umweltschutz)

Zusammenarbeit

(Art.252 EG)

nach Inkrafttreten des Amsterdamer Vertrags

nur noch geringe Bedeutung: u.a. bei

Art.103 Abs.2, Art.106 Abs.2 EG

Zustimmung(nicht ausdrücklich

geregelt)

u.a. bei:

•Art.18 Abs.2 EG (Freizügigkeit der Unionsbürger)

•Art.190 Abs.4 EG (Wahlverfahren zum EP)

•Art.214 Abs.2 EG (Ernennung der Mitglieder der Kommission)

zunehmender Einfluss des Parlaments

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Zuständigkeiten der GemeinschaftZuständigkeiten der Gemeinschaft

A] Ausgangspunkt: Kein Kompetenzverteilungskatalog wie etwa im - deutschen - Grundgesetz (vgl. dort Art.70 ff)

B] Kompetenz - Grenzen der Rechtsetzung der Gemeinschaft

Art.5 Abs.1 EG

(Prinzip der begrenzten Ermächtigung)

d.h. zuständig nur innerhalb der Grenzen der im EG-Vertrag zugewiesenen Befugnisse

Art.5 Abs.2 EG

(Subsidiaritätsprinzip)

d.h. zuständig nur, wenn die Ziele der anvisierten Maßnahmen von den Mitgliedstaaten selbst nicht

optimal erreicht werden können

z.B. Art.47 Abs.1, Art.175 EG (zur Tätigkeit auf einem bestimmten Gebiet);

aber auch etwa Art.95 Abs.1 EG („offene, dynamische“ Kompetenznorm);

überdies:

•Lehre von den „implied powers“ (= Zuständigkeit kraft Sachzusammenhangs)sowie•Generalermächtigung des Art.308 EG ! (?)

aber: ausschließliche Zuständigkeiten davon ausgenommen !

nach der Rechtsprechung des EuGH sind dies

•die gemeinsame Handelspolitik•die Fischereipolitik•die Festlegung des gemeinsamen Zolltarifs•die Beihilfenaufsicht

sowie Bereiche, in welchen die Gemeinschaft bereits - in vollem Umfang - von ihren Handlungsbefugnissen Gebrauch gemacht hat, wie z.B. bei der Landwirt-schaftspolitik (Abgrenzung ist äußerst unklar !)

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Ziele und Tätigkeitsbereiche der EGZiele und Tätigkeitsbereiche der EG

Ziele (Art.2 EG)

Harmonische ... Entwicklung des Wirtschaftslebens

Hohes Beschäf-tigungsniveau

Umweltverträg-liches Wachstum (ohne Inflation)

Konvergenz der Wirtschafts-leistungen

Hohe Lebensqualität

Sozialer Schutz

Wirtschaftliche und soziale Solidarität

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Ziele und Tätigkeitsbereiche der EGZiele und Tätigkeitsbereiche der EG

Mittel (zum Erreichen der Ziele)

Errichtung eines Gemeinsamen

Marktes

Politik und Maßnahmen

gem.

Art.3, 4 EG

(= Tätigkeitsbe-reiche der EG)

Errichtung einer Wirtschafts- und Währungsunion

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Quellen des EG-RechtsQuellen des EG-Rechts- Überblick -

Primäres Gemeinschaftsrecht Sekundäres Gemeinschaftsrecht

Gründungs-verträge

(EGKSV, EWGV,

EAGV sowie EUV)

für Organe der EU und für Mitglied-

staaten (MS) verbindlich;

z.T. aber auch unmittelbar geltend für Individuen

(z.B. Art.28, Art.39 EG)

Allgemeine Rechts-

grundsätze

(vom EuGH entwickelt): insbesondere Grundrechte (an EMRK orientiert !)

Verpflichtete: primär die

Organe der EU

Verordnung

für alle MS und für Bürger

unmittelbar verbindlich

Richtlinie

alle oder bestimmte MS

an vorgegebenes Ziel gebunden

(aber: aus-nahmsweise unmittelbare Wirkung in

MS)

Entscheidung

für bestimmte MS oder

bestimmte Personen

unmittelbar verbindlich (=

daher Ver-waltungsakt !)

Empfehlung / Stellung-nahme

auch für die jeweiligen Adressaten

unverbindlich

(vgl. Art.249 EG)

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BeispielsfälleBeispielsfälle

Fall 1 (Steuerbefreiung)

Die Kreditvermittlerin Frau Becker aus M. erhält im Herbst 1999 Kenntnis von einer am 1.7.1999 in Kraft getretenen Richtlinie des Rates der EG zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern (einheitliche steuerpflichtige Bemessungsgrundlage - gemeinsames Mehrwertsteuersys-tem). Die Richtlinie sieht in Art.13 die Umsatzsteuerfreiheit der Umsätze aus der Vermittlung von Krediten vor. In Art.20 gewährt die Richtlinie den Mitgliedstaaten eine Frist zur Umsetzung in nationales Recht von 18 Monaten.

Frau Becker beantragt beim zuständigen Finanzamt Steuerbefreiung für ihre im Jahre 2000 erzielten Um-sätze. Dieses lehnt den Antrag unter Berufung auf das deutsche Umsatzsteuerrecht ab, welches in der Tat für die Vermittlung von Krediten die Umsatzsteuerpflicht vorsieht. Eine Umsetzung der Richtlinie sei noch nicht erfolgt.

1) Ist die Ablehnung der Steuerbefreiung rechtmäßig ?

2) Wie wäre es, wenn es sich nicht um eine Richtlinie, sondern um eine Verordnung des EG-Ministerrats handeln würde ?

3) Im Jahre 2001 stellt Frau Becker erneut einen Antrag auf Steuerbefreiung für die im laufenden Jahr erzielten Umsätze. Die Richtlinie wurde bisher noch (immer) nicht in deutsches Recht umgesetzt. Darf das Finanzamt den Antrag ablehnen ?

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Lösungshinweise zu den BeispielsfällenLösungshinweise zu den Beispielsfällen

1) Die Ablehnung der Steuerbefreiung ist ein belastender VA, der sich aus dem deutschen Umsatzsteuer-gesetz rechtfertigt

wäre aber dann rechtswidrig, wenn das Gesetz durch die Richtlinie „verdrängt“ worden wäre

dies ist aber nicht der Fall, da

- sich die Richtlinie an den MS Deutschland richtet ... (Art.249 Abs.3 EG), diese also erst in nationales Recht umgesetzt werden mussund- die Frist für die Umsetzung noch nicht abgelaufen ist (s. insoweit insbes. Frage 3)

Ergebnis: Die Ablehnung ist rechtmäßig, da das Umsatzsteuergesetz (noch) wirksam ist

2) Der Verordnung kommt von Anfang an unmittelbareWirkung zu (vgl. Art.249 Abs.2 EG: „allgemeine Geltung“)

da solchem verbindlichen sekundären Gemeinschaftsrecht Vorrang vor einfachem innerstaatlichenRecht (Gesetze, Verordnungen ...) zukommt, hat hier die Verordnung der EG anderslautendeBestimmungen des nationalen Rechts verdrängt

daher ist die Ablehnung der Steuerbefreiung rechtswidrig

Fall 1 (Steuerbefreiung)

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Lösungshinweise zu den BeispielsfällenLösungshinweise zu den Beispielsfällen

3) Verstoß der Bundesrepublik Deutschland gegen Art.249 Abs.3, Art.10 Abs.1 EG

Folge zunächst: Aufsichtsklage der Kommission gem. Art.226 EG möglich - überdies kann sich Frau Becker 2001 auf die Richtlinie berufen !

Voraussetzung für deren unmittelbare Wirkung (EuGH-Rechtsprechung):

- Umsetzungsfrist abgelaufen- Richtlinie belastet Bürger nicht- die konkret in Frage stehende Regelung muss so hinreichend genau formuliert sein, dass daraus unmittelbar Rechte - des Einzelnen gegenüber Hoheitsträgern - abgeleitet werden können

all dies ist hier erfüllt (die Umsätze aus der Vermittlung von Krediten sind von der Umsatzsteuerpflicht befreit oder eben nicht ... !)

daher muss das Finanzamt dem Antrag stattgeben

Fall 1 (Steuerbefreiung)

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Einwirkung des Europarechts auf das Einwirkung des Europarechts auf das nationale Rechtnationale Recht

A] Primärrecht

B] SekundärrechtI) Verordnungen

sind mit Erlass innerstaatlich unmittelbar verbindlich (Art.249 Abs.2 EG) - Geltung wie nationale Gesetze

II) Entscheidungen,

die an Mitgliedstaaten adressiert sind, können unmittelbare Drittwirkung haben (d.h. ein Anspruch des Bürgers kann daraus fließen)

Gesetzgeber muss Sperrwirkung von ausschließlichen

Gemeinschaftskompetenzen beachten (vgl. dazu Art.5 Abs.2 EG)

Unmittelbar anwendbare Normen des EGV (insbesondere Diskriminierungs-

verbot, Grundfreiheiten und Art.141 EG) verpflichten Verwaltung und Gerichte wie nationales Recht (evtl. Ansprüche

von Bürgern daraus)

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Einwirkung des Europarechts auf das Einwirkung des Europarechts auf das nationale Rechtnationale Recht

III) Richtlinien

vor Ablauf der Umsetzungsfrist

keine inner-staatliche

Wirkung („nur“ Umsetzungsver-pflichtung des MS, Art.249 Abs.3 EG)

nach Ablauf der Umsetzungsfrist - durch MS

nicht umgesetztnicht ordnungsgemäß

umgesetzt umgesetzt

evtl. unmit-telbar

wirksam(nach EuGH dann, wenn RL-Vorschrift

•ein inhaltlich unbedingtes Ziel festlegt

•ein hinreichend bestimmtes Recht des Einzelnen gewährt

•und keine Belastung eines Einzelnen enthält)

-

aber: keine Wirkung zwischen Privaten (also nur vertikal, nicht horizontal)

evtl. Schadener-satzpflicht

des MS gegenüber Bürgern

(Voraussetzungen:

•bestimmtes Indi-vidualrecht (bestimmbarer „Mindestschaden“)

•Kausalität zwischen Pflicht-verletzung des MS und Schaden des Bürgers)

evtl. richt-linienkon-forme Aus-

legung möglich (?)

wenn Aus-legung nicht

möglich: Folgen wie bei Nicht-umsetzung

richtlinien-konforme Auslegung

des nationalen

Rechts

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Überblick zu den Rechtsschutzverfahren Überblick zu den Rechtsschutzverfahren vor dem EuGHvor dem EuGH

„Verfassungsrechtliche“ Streitigkeiten:

zwischen EU-Organen, zwischen MS sowie

zwischen MS und EU-Organen

„Verwaltungsrechtliche“ Streitigkeiten:

zwischen EU-Organen und Individuen (bzw. zwischen EU-Organen

und Gemeinschafts-bediensteten)

Sonstige Verfahren, ins-besondere das sogenannte

Vorabentscheidungs-verfahren gemäß Art.

234 EG

vor allem

•Vertragsverletzungsverfahren, Art.226 und Art. 227 EG

•Nichtigkeitsklagen gemäß Art.230 Abs.1 EG

(vgl. besonders Art.230 Abs.3 + Abs.4 EG)

vor allem

•Amtshaftungsklage, Art.235 i.V.m. Art.288 Abs.2 EG

•(Beamtenklage, Art.236 EG)

vorlageberechtigt sind nur Gerichte der MS

(Unterscheide: Fakultative und obligatorische Vorlage, Art.234 Abs.2 und Abs.3 EG)

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BeispielsfälleBeispielsfälle

Fall 2 (Lawrie Blum)

Die britische Staatsangehörige Lawrie Blum hat im deutschen Bundesland B das Staatsexamen für das Lehr-amt an höheren Schulen bestanden und möchte als Studienreferendarin eingestellt werden. Als die zuständige Behörde ihr dies verweigert, beruft sie sich auf Art.39 EG. Die Behörde hält ihr daraufhin entgegen, diese Vorschrift komme schon deshalb nicht zur Anwendung, weil Studienreferendare als Beamte keine Arbeit-nehmer seien. Im Übrigen handle es sich um öffentliche Verwaltung, die vom Anwendungsbereich des EG-Vertrags ausdrücklich ausgenommen sei.

Hat die Behörde Recht ?

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Lösungshinweise zu den BeispielsfällenLösungshinweise zu den Beispielsfällen

Ausgangsfrage: Verstoß gegen Art.39 EG ?

1) Ist die Studienreferendarin Arbeitnehmerin i.S.d. Art. 39 Abs.1 EG ?

Begriff kann nicht - jeweils - national bestimmt werden, sondern muss gemeinschaftsrechtlichausgelegt werden (ansonsten wäre die Freiheit des Art.39 EG in den Mitgliedstaaten ja beliebigeinschränkbar

weite objektive Auslegung ergibt folgende wesentliche Merkmale eines Arbeitsverhältnisses:

- Erbringung von Leistungen für einen anderen nach dessen Weisung- während bestimmter - nicht ganz kurzer - Zeit- Gegenleistung: Vergütung(in welchem Bereich dies geschieht - Wirtschaftsleben, Bildung, Sport o.ä. - ist unerheblich)

Diese Kriterien erfüllt die Studienreferendarin: sie ist weisungsabhängig, erhält eine Vergütung und erbringt mit der Unterrichtserteilung Dienstleistungen

Zwischenergebnis: Die Studienreferendarin ist Arbeitnehmerin i.S.d. Art.39 Abs.1 EG

Fall 2 (Lawrie Blum)

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Lösungshinweise zu den BeispielsfällenLösungshinweise zu den Beispielsfällen

2) Liegt eine Ausnahme gem. Art.39 Abs.4 EG vor ?

auch der Begriff „öffentliche Verwaltung“ muss gemeinschaftsrechtlich bestimmt werden (Argumente wie unter 1))

daher ist „öffentliche Verwaltung“ (i.S.d. Freiheit der Arbeitnehmer in der EU !) so auszulegen, dass darunter nur diejenigen Stellen zu verstehen sind, die

- unmittelbar an der Ausübung hoheitlicher Befugnisse mitwirkenbzw.- zur Wahrung der allgemeinen Belange des Staates berufen sind

(die Stelleninhaber müssen in einem Verhältnis besonderer Verbundenheit zum Staat stehen; ihre Tätigkeit muss für die Wahrung öffentlicher Interessen quasi unbedingt erforderlich sein ...)

diese engen Voraussetzungen sind beim Unterricht an öffentlichen Schulen nicht gegeben

Ergebnis: Der Studienreferendarin kann auch Art.39 Abs.4 EG nicht entgegengehalten werden.

Fall 2 (Lawrie Blum)

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Fall 3 (Reinheitsgebot)

In Deutschland dürfen gemäß §§ 9, 10 Biersteuergesetz unter der Bezeichnung Bier nur Getränke in Verkehr gebracht werden, die ausschließlich aus Malz, Hopfen, Wasser und Hefe hergestellt sind. Die Kommission sieht darin ein vom E(W)G-Vertrag verbotenes Handelshemmnis. Die Bundesregierung hält dem entgegen, der deutsche Biertrinker erwarte unter einem Getränk dieser Bezeichnung „reines“ Bier, das als „Grundnah-rungsmittel“ schon aus Gesundheitsgründen „rein gehalten werden müsse“.

Wer hat Recht ?

BeispielsfälleBeispielsfälle

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Lösungshinweise zu den BeispielsfällenLösungshinweise zu den Beispielsfällen

Verstoß der genannten Bestimmungen gegen Art.28 EG ?

a) Art.28 EG ist betroffen, da Verkehrsverbot für anderes als nach dem Reinheitsgebot gebrautes Bier eine „Maßnahme gleicher Wirkung“ i.S.d. Vorschrift darstellt.

b) Schranken: Art.30 EG sowie weitere „zwingende Erfordernisse“, insbesondere Schutz der Gesundheit, der Lauterkeit des Handels und des Verbraucherschutzes (sog. „Cassis-Formel“)

hier daher:

- Verbraucherschutz ?

gebietet primär Transparenz, d.h. Information des Verbrauchers

dazu bedarf es aber keines Verkehrsverbotes; vielmehr genügt eine ange-messene Etikettierung des verkauften Erzeugnissesdas Argument einer bestimmten Vorstellung des deutschen Verbrauchers von „Bier“ muss demgegenüber zurückstehen; wäre „verschleiertes“ Verkehrsverbot i.S.d. Art.30 Satz 2 EG...

Fall 3 (Reinheitsgebot)

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Lösungshinweise zu den BeispielsfällenLösungshinweise zu den Beispielsfällen

- Gesundheitsschutz ?

die Verwendung von Zusatzstoffen kann aus diesem Grund gem. nationaler Regelungvon einer vorherigen Zulassung abhängig gemacht werden;aber: ein pauschales Verbot von Zusatzstoffen ist nicht zulässig, weil diese erstensnicht alle schädlich sind und zweitens in anderen in Deutschland erhältlichen Lebens-mitteln bereits enthalten sind ...

Ergebnis:

Die §§ 9 und 10 Biersteuergesetz verstoßen gegen Art.28 EG und dürfen daher nicht angewandt werden.

Vgl. zu den „Folgen“ des Rechtsstreits auch das EuGH-Urteil vom 5.März 1996, NJW 1996, 1267 sowie das Urteil des BGH vom 24.Oktober 1996, EuZW 1996, 761.

Fall 3 (Reinheitsgebot)

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EG-Recht und öffentliche VerwaltungEG-Recht und öffentliche Verwaltung(nur wesentliche Materien im groben Überblick)

Europarechtliche Materie

(anhand des EG-Vertrags; betrifft aber auch das dazu erlassene Sekundärrecht) Verwaltungsbereich

A] Freier Warenverkehr

•(Zollunion ... (Art.23-27 EG))

•Beseitigung mengenmäßiger Einfuhrbeschrän-kungen (Art.28-31 EG)

B] Landwirtschaft (Art.32-38 EG)

C] Freier Personenverkehr

•Freizügigkeit der Arbeitnehmer (Art.39-42 EG)

•Niederlassungsfreiheit (Art.43-48 EG)

D] Dienstleistungsfreiheit (Art.49-55 EG)

Zollverwaltung

insbesondere Lebensmittelkontrolle; Veterinär-, Arzneimittelaufsicht; Bau- und Gewerbeaufsicht

Agrarverwaltung (z.B. auch Fleischbeschau)

Ausländerpolizei; Arbeitsverwaltung; Verwaltung als Arbeitgeber; ...

Gewerbeaufsicht; Aufsicht über freie Berufe ...

s.o. bei Niederlassungsfreiheit; Verwaltung als öffentlicher Auftraggeber

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Peter Reich

EG-Recht und öffentliche VerwaltungEG-Recht und öffentliche Verwaltung(nur wesentliche Materien im groben Überblick)

Europarechtliche Materie

(anhand des EG-Vertrags; betrifft aber auch das dazu erlassene Sekundärrecht) Verwaltungsbereich

E] Verkehr (Art.70-80 EG)

F] Wettbewerb

•Beihilfenaufsicht (Art.49-55 EG)

G] Steuerrecht (Art.90-93 EG)

H] Sozialpolitik (Art.136-148 EG)

I] Umwelt (Art.174-176 EG)

z.B. Aufsicht über den Straßenverkehr ...

Subventionsvergabe durch die Verwaltung

Finanzverwaltung

Verwaltung als Arbeitgeber

Gewässerschutz; Abfallentsorgung; Naturschutz; Immissionsschutz; planende Verwaltung (Umwelt-verträglichkeit !) ...

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Zum Vollzug des Europarechts durch die Zum Vollzug des Europarechts durch die VerwaltungVerwaltung

(Ausgangspunkt sind der allgemeine Grundsatz des Art.10 EG: Pflicht zur Durchführung des Gemeinschaftsrechts sowie der Anwendungsvorrang des unmittelbar geltenden oder wirksamen

Gemeinschaftsrechts)

A] Primärrecht

•Die wichtigsten unmittelbar anwendbaren Vertragsnormen sind:

•Art.12 EG (allgemeines Diskriminierungsverbot)

•Art.28 EG (Verbot mengenmäßiger Einfuhrbeschränkungen und Maßnahmen gleicher Wirkung)

•Art.39 EG (Freizügigkeit der Arbeitnehmer)

•Art.141 EG (gleiches Entgelt für Männer und Frauen)

•Darüber hinaus sind stets die allg. Rechtsgrundsätze (insbes. Grundrechte und rechtsstaatl. Prinzipien) des Gemeinschaftsrechts zu beachten (Auslegung des Europarechts durch die Verwaltung !; aber: diesbezügliches Monopol des EuGH !)

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Peter Reich

Zum Vollzug des Europarechts durch die Zum Vollzug des Europarechts durch die VerwaltungVerwaltung

B] Sekundärrecht1) Direkter Vollzug

•Verordnungen

•Richtlinien

nur dann, wenn ihnen unmittelbare Wirksamkeit zukommt

2) „Mittelbarer“ Vollzug

•Vorschriften des deutschen Rechts, die eine Richtlinie der EG umgesetzt haben, sind im Lichte von Wortlaut und Zweck der Richtlinie auszulegen (wird aus Art.10 EG abgeleitet)

•Innerstaatliche Vorschriften des Verwaltungsverfahrensrechts sind so anzuwenden, dass das Gemeinschaftsrecht effektiv vollzogen wird (!)

dies ist anhand der Kriterien zu ermitteln, die der EuGH dazu entwickelt hat

•Umsetzung von EG-Richtlinien durch Verwaltungsvorschriften (Ausnahmefall !)

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„„Europarechtliche Pflichten“ des Europarechtliche Pflichten“ des VerwaltungsbeamtenVerwaltungsbeamten

1) die für seinen Sachbereich einschlägigen primär- und sekundärrechtlichen Bestim-mungen des Gemeinschaftsrechts kennen

2) den Anwendungsvorrang der unmittelbar geltenden Normen des Primärrechts sowie den Vorrang von EG-Verordnungen beachten (d.h. entgegenstehendes nationales Recht unbeachtet lassen)

3) die etwaige unmittelbare Wirksamkeit von Richtlinienbestimmungen nach Ablauf von deren Umsetzungsfrist in nationales Recht - bei Untätigkeit des Gesetzgebers - herausfinden (!) und diese Normen vorrangig anwenden bzw. beachten

4) nationale Vorschriften, die eine Richtlinie der EG umgesetzt haben, richtlinien-konform auslegen

5) beim Vollzug von europarechtlichen Bestimmungen das innerstaatliche Verwal-tungsverfahrensrecht so anwenden, dass ein effektiver Vollzug des Gemeinschafts-rechts gewährleistet ist

Der Verwaltungsbeamte muss: