politikorange - Randthema

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RANDTHEMA AUGUST 2011 UNABHäNGIGES MAGAZIN ZUM WORKSHOP „MEDIEN UND RECHTSRADIKALISMUS“ HERAUSGEGEBEN VON DER JUGENDPRESSE DEUTSCHLAND

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Medien und Rechtsradikalismus lautet das Thema dieser politikorange-Ausgabe. Wie Medien mit dem Themenkomplex umgehen und was Journalisten beachten müssen, wenn sie über Rechte schreiben wollen, ist ebenso Thema, wie aktuelle Entwicklungen in der rechten Szene in Deutschland und Europa.

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Randthema

august 2011 Unabhängiges Magazin zUM Workshop „Medien Und rechtsradikalisMUs“ heraUsgegeben von der JUgendpresse deUtschland

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»dagegen« Inkorrekt ist die Einstellung von morgen. Der Blog »Politically Incorrect« seite 14

Liebe Leserinnen und Leser,

dieses Heft ist unnötig. Der dahinterste-hende Workshop natürlich auch. Fast eine Woche haben wir zum Seminar „Medien und Rechtsradikalismus“ der Friedrich-Ebert-Stiftung gearbeitet. Vier Tage am wunderschönen Pichelsee in Berlin, den Rest am Computer. Für nichts! Natürlich bist du gegen Rechts - keine Frage. Jedes weitere Wort wäre nur Wasser auf den rechten Mühlen.Und trotzdem: Journalisten, Wissenschaft-ler und Engagierte erzählten uns von ihrem Kampf gegen Rechts. „Hört nicht auf die unterbelichteten Glatzköpfe mit Springerstiefeln“, hätte Titel, Inhalt und Schlusskommentar dieses Heftes werden können. Zu offensichtlich sind die Parolen der schreienden Rasse-Enthusiasten, die das Prekariat unreflektiert in sich aufsaugt. Verrückte unter sich - am rechten Rand der Gesellschaft. Problem gelöst. Leider ist es nicht so einfach.Stereotype sind von gestern, Rechtes Ge-dankengut steht mit jedem Menschen auf und geht am Abend wieder mit uns zu Bett. Dieses Heft ist nötiger denn je. Wir müssen handeln. Damit uns nicht im flau-schigen Schafspelz der stinkende Wolf un-tergeschoben wird.

Eure Chefredaktion

Nora Lassahn und Adrian Bechtold

editoRial

inhalt

»Quotenkiller« Recherche in der Rechten Szene ist gefährlich. Jour-nalistin Andrea Röpke im Interview. seite 09

»Facebook« Zum Rechten in drei Tagen. Ein Selbsttest. seite 07

»Rechtspost« Wie angeblichen Lokal-zeitungen rechtsextreme Parolen verbreiten. seite 04

Foto: luis sarabia/flickr.com

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Die Grundlage des deutschen Volkes ist die Familie. Kinderschänder ver-

dienen die Todesstrafe und die Bastelstra-ße auf dem Kinderfest in Ueckermünde ist kostenlos. Das alles erfährt der Leser in der Ausgabe 1/210 des Uecker-Randow-Boten, einer kostenlosen Zeitung. Das Blättchen sieht unverdächtig aus, jeden-falls auf den ersten Blick: Zwar mutet die alte Frakturschrift in Verbindung mit der Zeichnung einer idealen Familie auf dem Seitenkopf merkwürdig an, wirklich verdächtig ist aber erst ein Blick ins Im-pressum. Herausgeber ist die „Initiative für Volksaufklärung“, verantwortlich ein gewisser Tino Müller. Ein paar Minuten Netzrecherche zeigen, dass er für die NPD im Landtag in Schwerin sitzt. Ansonsten weist nicht viel offen auf die inhaltliche Nähe zur Partei hin.

Bei genauer Lektüre ist jedoch schnell klar, welche Weltanschauung die Verfasser vertreten. Sie stehen mit ihren Forderungen und Ansichten extrem weit rechts. Zwar sind die rechtsextremen Positionen leicht zu durchschauen, wer aber nicht auf der Hut ist, dem mag die inhaltliche Nähe nicht sofort auffallen. Außerdem lenken die Autoren den Fokus bewusst auf lokale und regionale Themen – rechte Positionen kommen so durch die Hintertür zum Leser.

BüRgeRliche taRnung, RechteR KeRn

„Zeitungen wie der Uecker-Randow-Bote erscheinen nicht als NPD-Zeitung, sondern unter anderem Label“, erklärt Frank Metzger vom antifaschistischen Pressearchiv und Bildungszentrum Ber-lin, kurz apabiz. In anderen Teilen der Bundesrepublik gibt es ähnliche Phä-nomene, etwa in Niedersachsen. Hier verbreiten Rechtsextreme zum Beispiel Schülerzeitungen. Für Michael Neu von

der Arbeitsstelle Rechtsextremismus und Gewalt Niedersachsen (arug) sind solche Publikationen nicht neu. Er hat beobach-tet, dass sie aus verschiedenen Ecken des rechtsextremen Spektrums kommen: Ka-meradschaften, Parteien oder Bürgeriniti-ativen gehören zu den Verbreitern.

Doch geht das aus den meisten Blät-tern nicht offen hervor. Das ist Strategie und so von den Hintermännern gewollt. Anstatt ausländerfeindlicher Parolen he-ben sie regionale Schlagzeilen auf die Titelseite und sprechen so „eine bürger-liche Leserschaft an, die sich selbst nicht mal als rechts bezeichnen würde“, erklärt Michael Neu. Rechtsextreme greifen Pro-bleme aus der Nachbarschaft auf und stoßen dabei auf Interesse – nicht anders arbeitet auch eine Lokalzeitung. Doch im Gegensatz dazu sind die Schuldigen bei den rechten Publikationen schnell gefun-den. Zu den typischen Feindbildern gehö-ren die Europäische Union, die Globali-sierung, Migration oder der Kapitalismus.

Regional und ohne KonKuRRenz

In strukturschwachen Gegenden wie Ostvorpommern, wo der Bote er-scheint, schwächeln andere Lokalzei-tungen sowieso. Sie bekommen die Pro-bleme der Region selbst zu spüren: Die Leser werden älter, Junge ziehen weg, die Abonnentenzahlen gehen kontinuierlich zurück.

In diese Lücke stoßen Rechtsex-treme-Zeitungen. Sie nutzen die schwa-chen Lokalzeitungen aus und sind in vielen Haushalten die einzige kostenlose Publikation. Wenn dann noch populis-tische Themen aufgegriffen werden, sind die Verfasser ihrem Ziel, gelesen zu wer-den, schon sehr nah.

Dabei wird dem Leser das Gefühl vermittelt, etwas Besonderes zu sein. „Be-

sonders Personen in Notsituationen sind für diese Form der Wertschätzung recht empfänglich“, sagt Michael Neu von der arug. „Die Texte vermitteln ihnen, dass Andere für ihre schlechte Situation ver-antwortlich sind. Das mag oberflächlich klingen, ist für die Betroffenen aber oft ein einfacher Weg.“ Die „Anderen“ sind dann wieder Altbekannte: Ausländer, Re-gierende oder das System im Allgemei-nen.

Frank Metzger vom antifaschisti-schen Archiv apabiz befürchtet, dass durch die rechten Gratispublikationen die Positionen der NPD gefestigt würden. Au-ßerdem erhalte die Partei so eine breitere regionale Akzeptanz.

Diese Entwicklung sieht auch Mi-chael Neu: „Natürlich gibt es auch die dumpfen Ausländerfeinde in der Partei“, sagt er. Doch in vielen Fällen versuchten die NPD auf subtileren Wegen neue Wäh-ler zu erreichen. Verallgemeinern kön-ne man die Strategien allerdings nicht. So trete die Partei in Mecklenburg-Vor-pommern anders auf als etwa in Berlin. Während sie sich in der Hauptstadt keine Mühe geben würden, nicht als Nazis auf-zutreten, versuchen sie im Norden regio-nal verankert und bürgerlich zu agieren.

immeR daBei - Vom KindeR-Fest zuR haRtz-iV-BeRatung

Ob sie damit auch in der kommen-den Landtagswahl in Mecklenburg-Vor-pommern Erfolg haben werden, wird sich schon im September zeigen. Doch Exper-ten befürchten, dass die Rechtsextremen dann zum zweiten Mal in Folge in den Landtag einziehen – ob die Zeitungen ei-nen Anteil daran haben, ist schwer zu sa-gen. Doch die Taktik ist nicht die Schlech-teste, das gibt auch Michael Neu zu: „Die Strategie ist – das muss man leider sagen – gar nicht so blöd.“

Um festzustellen, wie die Zeitungen politische Botschaften mit bürgernahen Themen vermischen, reicht ein Blick ins Inhaltsverzeichnis aus. Auf Seite drei eines Uecker-Randow-Boten steht ein Bericht eines Kinderfestes, eine Sei-te weiter wird über die Eröffnung eines NPD-Bürgerbüros geschrieben. Das ist eine weitere Taktik, mit der die Rechts-extremen auf Stimmenfang gehen: Ihre Kommunal- und Regional-Politiker kön-nen die Menschen über Hotlines direkt erreichen. In den so genannten Bürger-büros beraten Parteimitglieder potenti-elle Wähler bei Fragen zu Hartz-IV. Stän-dig vor Ort, nah an den Menschen und ein Kämpfer für die Schwachen gegen die Bösen der Gesellschaft, so zeigt sich die Partei in Mecklenburg-Vorpommern gerne. Die kostenlosen Zeitungen sind in diesem Zuge ein weiteres Element, um das Image zu pflegen und auszubauen.

Bloggen gegen Rechte Boten

Gegen diese subtile Form der Öf-fentlichkeitsarbeit hilft Aufklärung. So gibt es etwa in Greifswald einen Blog, der seine Leser informiert und mit Auf-klebern an Briefkästen gegen die Ver-breitung vorgehen will. Auch die Lo-kalausgabe der Ostseezeitung hat die Problematik aufgegriffen.

Die Situation ist ernst. Während noch auf der Straße die rechten Plakate mit Nichtbeachtung Bestraft werden, landet die vermeintliche Lokalzeitung auf dem Frühstückstisch. Ideologie frei Haus. Wissen ist dabei das einzige Mittel gegen die windigen Herausgeber - auch wenn die Verlockung der Gratiszeitung noch so stark ist. Denn wie es immer heißt: Kostenlos gibt es nichts. Bezahlt wird mit Meinung.

Radikalismus, fRei Haus ein bisscHen anleitung zum eRHalt deR deutscHen Rasse, ein bisscHen kindeRfest. das ganze gibt es kostenlos in mancHen gegenden deutscHlands. in RecHtsextRemen gRatispublikationen miscHen sicH pRopaganda und RegionaltHemen. ein blick auf ziele, metHoden und gefaHRen. von Fritz habekUss

Vom KindeRFest zuR todesstRaFe: Rechte gRatisBlätteR miscchen loKales mit PaRolen kollage: Florian hirsch

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auf deR RecHten seite tut sicH was. abeR was? die typiscHen „nazis“ kennt man docH: sie tRagen spRingeRstiefel, Haben eine glatze, scHReien judenfeindlicHe paRolen und sind eigentlicH ziemlicH dumm. denkst du wiRklicH? denn es tut sicH was. das gängige bild deR RecHten ist längst übeRHolt. von anita schedler

Stell dir vor, du bist kurz vor deinem 18. Geburtstag und möchtest endlich

deinen Führerschein machen. Doch der einzige örtliche Fahrlehrer ist Mitglied im Bundesvorstand der NPD. Steigst du ein?

Die neue Strategie der rechten Szene ist nicht mehr eine offensichtliche „Hau-drauf“-Politik, sondern eine schleichende, unbemerkte Unterwanderung der Gesell-schaft. Sie kleiden sich konservativer und

nehmen einflussreiche Positionen ein, in denen sie unterschwellig Mitglieder gewinnen und ihre Ideologie verbreiten können.

adRett geKleidet, BüRgeR-nah und geBildet – das neue Rechte image

Experten sprechen von einer „kul-turellen Subversion“, das heißt, wichtige Ämter demokratischer Organisationen werden mit Rechtsgesinnten besetzt. Be-kannte Lieder und Slogans werden umge-textet und mit rechten Parolen gespickt. Das geschieht so unauffällig, dass viele davon gar nichts mitbekommen.

Ein Beispiel ist Uwe Leichsenring, der örtliche Fahrlehrer in Königsstein. 1990 trat er in die NPD ein und gewann im Laufe der Jahre immer mehr an Ein-fluss, vor allem auf kommunaler Ebene. Besonders seine Tätigkeit als selbststän-diger Fahrlehrer ermöglichte es ihm, jun-ge, oft noch unentschlossene Jugendliche für seine Partei und deren Themen zu ge-winnen. Er trat immer konservativ geklei-

det auf, zog öffentlich Werte wie Zucht und Ordnung der Gewalt vor und war im Ort als erfolgreicher Unternehmer angese-hen. Lars Rischke schrieb 2006 im Tages-spiegel: „Während sich Leichsenring auf den Marktplätzen zurückhielt, zeigte er im Parlament seine wahre Gesinnung. So sorgte er nach dem Einzug der rechtsex-tremen NPD in den sächsischen Landtag Ende 2004 wegen rassistischer und anti-semitischer Entgleisungen immer wieder für Empörung.“ 2006 kam Leichsenring bei einem schweren Autounfall ums Le-ben.

Diese Linie zieht sich weiter fort, in-dem sich Rechtsextreme in der Öffentlich-keit adrett kleiden und vor allem – immer

öfter sehr gebildet sind. Sie haben Abitur, sie studieren und sind neben der Parteiar-beit oft Anwälte oder Lehrer. So können sie die eigenen „Kameraden“ bei Gericht und auch im Vorfeld von geplanten Akti-onen optimal beraten.

Einer weiteren Gefahr sehen sich Schulen gegenüber. Die Bundeszentrale für politische Bildung berichtet vom „Pro-blemfall Kinder rechtsextremer Familien“: Wenn der Nachwuchs in die Schulen kommt, drängen manche Eltern in die Elternvertretungen. Dadurch können sie Einfluss auf die gesamte Schule ausüben.

„doRFgemeinschaFt Jamel. FRei, sozial, national“

Die rechte Szene ist immer besser vernetzt und wird wirtschaftlich unab-hängiger. Ein Schachzug ist die gezielte Ansiedlung. Vor gut zehn Jahren began-nen Rechtsextreme sich in dem kleinen Ort Jamel in Mecklenburg-Vorpommern niederzulassen. Sie versuchten, nicht-rechtsgesinnte Anwohner mit makaberen Aktionen zu vertreiben. Aufgeschlitzte Reifen waren da noch harmlos. Viele der Bewohner sind gegangen, nur we-nige wehren sich. Sie versuchen, mit Konzerten gegen Rechtsextreme im Dorf vorzugehen. Aber bei einem Großteil an rechten Einwohnern ist es das nicht immer einfach. Viele rechte Bewohner Jamels versorgen sich mit ihren eigenen Höfen selbst, können ungestört agieren. Völlig unter sich hissen sie auch unge-niert die Reichskriegsflagge.

So etwas passiert nicht nur in Jamel, sondern auch in vielen anderen Ecken Deutschlands.

RollenVeRteilung im Wan-del

Auch die Rollenverteilung in der rechtsextremen Szene hat sich verändert. Der Mann sieht sich immer noch als ag-gressiver, kampfbereiter Anführer. Als der, der in der Partei die Ämter innehat. Er ist der Chef. Im Beruf wie auch in der Fa-milie.

Die Rolle der Frau hingegen ist sehr zweischneidig und hat sich verändert. Bisher sollte sie allein als Mutter, Versor-gerin und Erzieherin die „Rasse“ erhalten und möglichst viele Kinder bekommen. Sie war oft nur die Frau der Parteikame-raden, dem Mann untergeordnet. Emanzi-pation und Selbstbestimmung werden in der rechten Szene verachtet und so blieb der Frau lange Zeit nur Heim und Herd. Doch auch hier setzt der Wandel ein. Die

Frauen werden immer aggressiver, schrei-en auf Demos lauthals Parolen und hal-ten selbst menschenfeindliche Reden. Sie werben als der „nette“ Teil der rechten Szene auf Wahlplakaten, sind gebildeter und versuchen ebenfalls durch einfluss-reiche Berufe die Gesellschaft zu unter-wandern. Der weibliche Part der Rechts-radikalen wurde von der Öffentlichkeit lange unterschätzt und ist so unbemerkt immer radikaler, aggressiver und kampf-bereiter geworden. Frauen stoßen in bisherige „Männerdomänen“ vor. Doch früher oder später bleibt ihnen trotzdem nur die Rolle der „Erhalterin der Rasse“. Da nützt auch die „Emanzipation“ nichts. Andrea Röpke, Diplom-Politologin und freie Journalistin, beschreibt die Zwei-schneidigkeit des Frauenbildes so: „Ei-nerseits geben sie sich kämpferisch, sind auch Teil der fanatischen Kampfgemein-schaft und dieser ‚Volksgemeinschaft’, wie sie das nennen. Andererseits sind sie aber diejenigen, die ganz selbstverständ-lich dieses biologistische Weltbild der

‚deutschen Mutter‘ annehmen.“

KindeR – die heRanWachsen-de elite deR neonazis

Viele rechtsextreme Frauen haben die NS-Ideale in der Erziehung für sich angenommen. Fünf, sechs Kinder sind keine Seltenheit. Großfamilien à la Goeb-bels werden als „Erhaltung der Rasse“ besonders hoch geschätzt. Kinder wach-sen oft in Parallelwelten auf und werden von Beginn an nach „völkischen Idealen“ aufgezogen. Es werden abgelegene Sied-lungen errichtet, in denen die rechtsex-tremen Familien unter sich sind und so ungestört ihre Art der Erziehung ausleben können. Diese Kinder erfahren selten et-was anderes als ihre rechte Lebensweise, außenstehende Menschen sind für sie

„Feinde“. Viele dieser Familien verhalten sich unauffällig. So haben die Behörden oft keine Möglichkeit, die Kinder aus ihrem rechtsextremen Umfeld herauszu-holen. Keine Chance für das Jugendamt

– und für die Kinder oft auch nicht.

Rechte zugehöRigKeit, ganz ohne BomBeRJacKe Foto: otto belina

Anita Schedler20 Jahre, Augsburg

geht jetzt erstmal für ein Jahr nach Paris und möchte danach Mode-journalismus studieren.

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Rechtsextreme haben den Trend er-kannt. Eigene Internetseiten sind

nicht mehr angesagt, Blogs sind jetzt in. Der Weg führt zum Web 2.0. Das ist komfortabel, kostet weniger als Flyer, Broschüren, Plakate und Zeitschriften, erreicht mehr Leute und bietet Platz für Kommentare – und die menschenveracht-enden Parolen. Selbst auf Nachrichtensei-ten großer Tageszeitungen diskutieren sie mit. Die eigenen Nachrichten produzieren sie auf Blogs. Rechtsextreme Online-Ra-dios und Communities vervollständigen die Online-Parallelwelt. 93 rechtsextreme Communities waren es 2010, hat Jugend-schutz.net herausgefunden. Das Portal setzt sich für Jugendschutz im Internet ein und wird unter anderem vom Bundes-ministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend unterstützt.

Die eigenen Medien sind wichtig für den internen Austausch und die geheime Verbreitung von Informationen. Aber die Szene hat erkannt: Sie müssen bei Face-book und Co sein, um schnell Videos, Fotos und Meinungen zu verbreiten und damit auch neue Leute zu erreichen.

Über die Strategie der extrem rech-ten User wissen Experten wenig. Aller-dings hat die „Deutsche Stimme“, eine Zeitschrift, die von der Partei NPD he-rausgegeben wird, im vergangenen Jahr einen Artikel zur „NPD in der virtuellen Welt“ veröffentlicht. Dieser gibt eine Art Anleitung: NPD-Anhänger sollten sich bei Facebook anmelden, aber nicht als NPD-Kader, sondern als Privatperson. Im Profil sollten sie möglichst viel eintragen und über Privates berichten. Sie sollten sich als offene Menschen präsentieren, aktiv auf andere User zugehen, ihnen etwas Nettes auf die Pinnwand schreiben und viel persönlich kommentieren. Die Politik sollte zuerst in den Hintergrund treten. Zunächst zählen neue Kontakte.

PRoPaganda Beim Feind

Widersprüche halten sie nicht davon ab. Facebook ist bei Neonazis als „Ge-sichtsbuch“ oder „Jewbook“ bekannt. Schließlich ist der Gründer des soziales Netzwerks, Mark Zuckerberg, ein ame-rikanischer Jude, der erfolgreich ist und somit das klassische Feindbild der rechts-extremen Szene darstellt. Doch der Nut-zen der Plattform ist zu groß. „Facebook ist eine der wichtigsten Plattformen für Rechtsextreme“, weiß Joachim Wolf von der Amadeu-Antonio-Stiftung, der das Diskussionsforum bei netz-gegen-nazis.de moderiert. „Dort können sie sich im Profil besonders gut, deutlich und öffent-lich präsentieren.“ Neonazis seien aber in allen sozialen Netzwerken aktiv.

Die Zahl von rechtsextremen Beiträ-gen im Web 2.0 ist gestiegen. Das besagt

eine Studie von Jugendschutz.net, die im Juli 2011 veröffentlicht wurde. Die Stu-die zeigt außerdem: Die extrem rechten Botschaften sind nicht immer leicht zu erkennen.

Was steckt hinter dem Video zum Kindesmissbrauch? Was will der Eintrag zur Arbeitslosigkeit tatsächlich erreichen? Solche sozialen und emotionalen Themen nutzen Neonazis häufig für ihre rassi-stische Propaganda, weiß Stefan Glaser, Leiter des Bereichs Rechtsextremismus bei Jugendschutz.net.

Vor allem das Thema Kindesmiss-brauch instrumentalisieren die Rechtsex-tremen. „Das Video ‚Wir hassen Kinder-schänder‘ erreichte bei YouTube bislang knapp 900.000 Klicks“, sagt Glaser. „Das zeigt, dass die Strategie aufgeht.“ Auch Jugendszenen sind in Gefahr, benutzt zu werden. Neonazis versuchten laut Glaser Jugendkulturen wie den Hip-Hop zu un-terwandern.

mehR neonazi-BeitRäge

Wenn sich Rechtsextremismus mit anderen Themen und Szenen mischt, ist es meist schwierig, das menschenveracht-ende Gedankengut herauszulesen. Profile von Neonazis bei Facebook sind deswe-gen oft nicht direkt als solche zu erken-nen. Das ist gefährlich, zumal Rechtsex-treme ihre Präsenz im Internet verstärkt haben. Etwa 6000 einschlägige Beiträge hat jugendschutz.net im Jahr 2010 im Web 2.0 dokumentiert, besagt die Studie des Portals. Das sind drei Mal so viele wie im Vorjahr.

Aus den Beiträgen können die Ex-perten die Zielgruppe schnell herausle-sen: „Neonazis werben in sozialen Netz-werken, auf Videoportalen und Blogs gezielt um Jugendliche“, erklärt Glaser. Vor allem „Autonome Nationalisten“ kö-derten mit modernen und professionellen Angeboten, auf denen sie Action, Kom-munikation und Multimedia böten.

Jugendliche kommen online schnell an Propaganda der Ultrarechten: Sprüh-schablonen, Material zu Kinderarmut und Kindesmissbrauch, Konzerttickets, Aufrufe zu Flashmobs, Hakenkreuzfah-nen, Schlagstöcke, Wehrmachtsvideos, CDs speziell für Schüler. Einige Projekte nehmen Kinderlieder mit antisemitischen und rassistischen Texten auf – für Kinder von drei bis acht Jahren. Die Musikstücke gibt es natürlich auch auf YouTube und werden in den anderen sozialen Netzwer-ken fleißig verlinkt.

useR gegen Rechts

Diese Entwicklung erschreckt Thomas Krüger. Der Präsident der Bundeszen-trale für politische Bildung fordert mehr

soziale Verantwortung der Netzgemeinde. „Wir brauchen User, die unsere grundle-genden Werte verteidigen und Neonazis konsequent in die Schranken weisen“, sagt Krüger.

Diese Internetnutzer gibt es. Sie gründen antifaschistische Gruppen bei StudiVZ, weisen rechtsextreme Kommen-tatoren bei Twitter zurecht, klären bei Facebook über „Todesstrafe für Kinder-schänder“ auf und weisen den Betreiber von MySpace auf rassistische Inhalte hin.

netzWeRKe gegen nazis

Im vergangenen Jahr haben sich viele dieser Portale gemeinsam klar po-sitioniert. Das Portal netz-gegen-nazis.de der Amadeu-Antonio-Stiftung hat im Oktober 2010 zur Aktionswoche „Soziale Netzwerke gegen Nazis“ aufgerufen. 37 Netzwerke wie SchülerVZ, StudiVZ, You-Tube und Spin.de haben in diesem Zeit-raum teilgenommen, bis heute sind es 66. Dass die Aktion nach einer Woche nicht beendet wurde, zeigt, wie viel Gesprächs-bedarf die Internetnutzer haben. In Grup-pen riefen die Veranstalter zur Diskussion auf. Allein die Gruppe bei wer-kennt-wen.de hatte in der Oktober-Woche knapp 195.000 Mitglieder, mittlerweile mehr als 400.000. Sie überlegten, wie sie mit Pro-Sarrazin-Gruppen umgehen sollen, wie Nazis heute auftreten und vor allem: was sie selbst tun können. Der große Aus-tausch ist ein Erfolg der Aktionswoche. Ein anderer Erfolg ist, dass die Seitenbe-treiber ihr Hausrecht auf den Plattformen mittlerweile konsequenter umsetzen und häufiger gemeldete Beiträge oder Profile löschen.

aKtiV WeRden

Viele Jugendliche haben in den Gruppen mitdiskutiert. Sie sind besonders häufig von rechtsextremer Werbung betroffen. Jeder vierte Internet-Nutzer im Alter von zwölf bis 19 Jahren hat nach eigenen An-gaben im Internet schon rechtsextreme Angebote gesehen. Das hat die Studie zu „Jugend, Information und (Multi-)Media“ (kurz: JIM-Studie) 2010 herausgefunden.

Was sollten Jugendliche tun, wenn sie auf rechtsextreme Netzinhalte stoßen? Auf keinen Fall weggucken, rät Jugend-schutz.net-Experte Glaser. „Jugendliche können uns die Inhalte melden“, sagt er. „Und sie können den Betreiber der Platt-formen direkt informieren.“

Dafür müssen sich User aber wach-sam durch das Internet bewegen. Wer sich über typische Symbole aus der rech-ten Szene informiert, ist schon mal gut vorbereitet, sollte allerdings auch unver-dächtige Websites und Userprofile genau anschauen. „Es gibt versteckte Anzeichen

dafür, dass ein Profil einem Ultrarechten gehört“, sagt Wolf vom Netz gegen Nazis. „Jugendliche sollten sich die Fotos genau angucken, den Musikgeschmack und die Freundesliste. Das zusammen gibt einen guten Überblick.“

Außerdem sollten Jugendliche Ver-fasser menschenverachtender Hetze in ihre Schranken weisen. Der Jugend-schutz.net-Experte Glaser rät: „Argu-mente liefern, widerlegen und sich posi-tionieren.“

Jennifer Töpperwein27 Jahre, Düsseldorf

Jennifer leitet das Düsseldorfer Jugendpor-tal www.youpod.de und hat als freie Journalistin für verschiedene Medien gearbeitet.

RecHtsextRemismus 2.0 sie nennen es weltnetz und Haben es längst füR iHRe pRopaganda entdeckt. neonazis tummeln sicH zuHauf im inteRnet. VoR allem iHRe beteiligung in sozialen netzweRken ist Rasant gestiegen. von JenniFer töpperWein

inFoRmationViele Blogs und Websites klären über rechtsextreme Aktivitäten im Netz auf und dokumentieren ihr Vorgehen.www.npd-blog.info – Dokumenta-tion über die NPD und menschen-feindliche Einstellungenwww.netz-gegen-nazis.de – Portal der Amadeu-Antonio-Stiftung mit Nachrichten und Diskussionsforum www.no-nazi.net – Ableger vom Netz gegen Nazis, das soziale Netz-werke nach Nazi-Aktivitäten durch-suchtwww.stoerungsmelder.org – Seite bei Zeit Online auf der Jugendliche ihre Erfahrungen mit Neonazis auf-schreiben könnenwww.info-rechtsextremismus.de

– Tipps für Journalisten bei der Be-richterstattungwww.hass-im-netz.info – Seite von jugendschutz.net, sammelt Fakten und gibt Verhaltenstippswww.gesichtzeigen.de – Verein, der Menschen ermutigt, aktiv gegen Rechtsextremismus zu arbeiten, und auf derartige Kampagnen hinweist. www.kein-bock-auf-nazis.de – Praktische Tipps (Wie organisiert man ein Konzert gegen Nazis?) und eine Zeitung für Schüler zum Down-load

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Der Selbstversuch fing am Mittwoch ganz harmlos an: mit einer gefälschten E-Mail-Adresse. Ein typisch deutscher Name, Karl, kombiniert mit der 28, dem Zahlencode für die verbotene neonazis-tische Organisation „Blood and Honour“, und schon war meine neue digitale Iden-tität bereit für Facebook.

Doch wie fängt man da an? Ich kenne keine Rechtsextremen, nur die be-kannten Namen vom Hören. Ok, ich kli-cke erst mal auf die Klassiker: NPD gefällt mir. Im Profil ist mein Großvater als an-geblicher ehemaliger NS-Soldat mein Vor-bild. Meine Philosophie: national natür-lich. Das Lieblingszitat wird „Jedem das Seine“, der Spruch, der makabererweise auf dem Eingangstor des Konzentrations-lagers Buchenwald prangte. Ich bin Fan der ultrarechten Liedermacherin Karin Mundt und – Klischee muss sein – der Böhsen Onkelz. Meine Aktivitäten: Som-merlager mit Kameraden.

Zu viel Klischee? Glauben die In-

ternet-Nazis mein Profil? Facebook hilft mir zum Glück und bietet mir schon jetzt viele neue Freunde an, an denen ich mich testen kann. Einen Proll frage ich als er-stes nach seiner Freundschaft. Erst mal klein anfangen. Dann kommt eine NPD-Politikerin dran. Die sagt bestimmt ja, denke ich mir. Unterdessen bestätigt der Proll meine Anfrage. Er haut auf seinem Profil lediglich Stammtischsprüche raus, ist nicht der rechtsextremen Szene zuzu-ordnen, hat aber anscheinend kein Pro-blem, Karl mit seiner eindeutigen Seite zu seinen Online-Freunden zu zählen.

Wenigstens wirkte ich jetzt ein we-nig glaubhafter – zumal auch die NPD-Frau mittlerweile meine Anfrage bestätigt hat. Jetzt traue ich mich an die ganzen Germanias, Stürme und Fronten ran, die mir von dem sozialen Netzwerk vorge-schlagen werden.

Die lassen sich Zeit. Erst am Don-nerstagmorgen, als ich mich mit voller Erwartung einlogge, habe ich fünf neue

Freunde. Auch ein Aktivist, der die Todes-strafe für Kinderschänder fordert, ist da-bei. Jetzt kann es richtig losgehen.

Ich melde mich noch schnell bei ein paar weiteren Gruppen an, die sich das Thema Kinderschänder auf die Fahnen geschrieben haben. In einer treffe ich auf 1052 Gleichgesinnte.

Da war doch noch etwas. Richtig: Ich muss mich noch schnell bei einer Pro-Sarrazin-Gruppe anmelden. „Sarrazin statt Muezzin!“ klingt nach mir. Ein Klick – schon dabei. Es läuft.

Ich suche keine weiteren Freunde mehr. Zehn Anfragen habe ich raus ge-schickt, sieben wurden bestätigt. Das reicht für meine kleine Studie. Interessant ist es schon jetzt. Klaus freut sich online nur über die Sonne, Andie kommentiert und grüßt zum Schluss: „gruSS“. Kleine Anspielungen auf die Gesinnung gibt es bei allen Themen.

Aber meine neuen Freunde gehen auch offener mit ihrer Einstellung um:

Gerd schickt mit das Video „Deutsch-land gegen Kinderschänder“. Jan lässt mich an dem NPD-Wahlkampf für Berlin teilhaben. Ich selbst werde nicht aktiv. kommentiere nicht, schreibe nichts, beo-bachte nur still.

Am Freitag, dem letzten Tag der kleinen Recherche, bekomme ich mei-nen achten Freund. Etwas zu spät. Ich lese, dass er einen Tag zuvor Ian Stuart gedacht hat. Der Brite war Sänger der neonazistischen Rockband Skrewdriver und gründete das Netzwerk „Blood and Honour“.

Ich bin jetzt also auf dem Lau-fenden, lerne neue Codes und Symbole kennen, bekomme einen Eindruck davon, wie Rechtsextreme vernetzt sind. Das reicht mir. Ich beende mein Experiment und lösche Karl. Was wohl möglich wäre, wenn ich länger digitaler Nazi wäre.

wie weRde icH neonaziin dRei tagen? HuRRa, icH Habe es gescHafft. icH bin angekommen in deR RecHtsextRemen online-szene. und das Hat gaR nicHt lange gedaueRt. in nuR dRei tagen bin icH mit pRolls, npd-politikeRn und neonazis befReundet, RicHtig dicke, bei facebook. von JenniFer töpperWein

im „Weltnetz“ tummeln sich extRemisten ganz BüRgeRnahFoto: Jonas Fischer

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zuR PeRson

Andrea Röpke, geboren 1965, ist Poli-tologin und freie Journalistin.Seit Anfang der 1990er Jahre ist sie als Fachjournalistin für Rechtsextre-mismus unterwegs.Für ihre Insider-Recherchen wurde sie mit zahlreichen Preisen ausge-zeichnet.Ihre Reportagen wurden im Fern-sehmagazin Panorama, Spiegel, Fakt, Focus, Stern und in der Süddeut-schen Zeitung veröffentlicht. Zudem ist sie als Autorin für die Zeitschrift

„Der Rechte Rand“ und die Bundes-zentrale für politische Bildung tätig.

Foto: Jonas Fischer

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FRau RöPKe, steht eigentlich ihR name an deR tüRKlingel?Nein, als Vorsichtsmaßnahme habe ich ihn nicht hinge-schrieben.

andeRs als Bei Vielen BeRuFen Beglei-tet ihR JoB sie immeR. Wie gehen sie mit deR BedRohung und den eingRiFFen in ihRe PRiVatsPhäRe um?

Man muss sich immer wieder mit der Familie und den Freunden austauschen, ob die Belastungen noch okay sind. Dazu braucht man viel Zeit und auch gute sozi-ale Kontakte, um das Ganze zu kompensieren. Wenn bei uns zuhause wieder einmal Reifen zerstochen werden oder ich Drohbriefe bekomme, dann kann ich das nicht alleine tragen. Da müssen wir gemeinsam dahinterste-hen.

Wie Weit geht diese BedRohung?

Üble Drohungen im Internet gibt es ständig. Es gibt Sei-ten und Listen, die versuchen, Journalisten und enga-gierte Menschen einzuschüchtern. Dadurch, dass das Internet so anonym ist, ist das natürlich einfach für die Rechtsextremen, die toben sich da richtig aus. Meine Kollegen haben auch alle mit diesen Drohungen zu le-ben. Ein Kollege aus Bayern wurde vor den Augen der Polizei von Neonazis zusammengeschlagen. Ein anderer hat sich sogar eine feuerfeste Haustür einbauen lassen und sein ganzes Haus vergittert. Aber ich versuche, so normal wie möglich zu leben. Jeder geht auf seine Art damit um. Persönliche Drohbriefe bekomme ich auch mehrmals im Jahr, ich erstatte Anzeige gegen Unbekannt und das war es dann meistens.

aBgesehen Von dRohungen – Was eR-schWeRt die aRBeit noch?

Unser ganzer Kollegenkreis ist massiv unter juristischem Beschuss. Die rechte Szene verfügt über rund 100 eigene Anwälte, die machen mit, wenn uns hanebüchene Sa-chen unterstellt werden wie: Aufruf zur Gewalt, Belei-digung, Beschimpfung und so weiter. Wir werden mit Ermittlungsverfahren bombardiert. Zum Glück sind die Ermittlungen gegen mich bisher alle eingestellt worden. Aber solche Verfahren gehen einem natürlich unter die Haut und lähmen die Arbeit.

haBen sie selBst auch schon einmal Jemanden angezeigt?Ja, der Anführer der Heimattreuen Deutschen Jugend hat mich in einem Supermarkt niedergeschlagen und wurde daraufhin wegen Körperverletzung rechtskräftig verur-teilt. Dadurch habe ich auch einmal die Opfer-perspektive miterlebt. Das Gefühl, „seinem Schläger“ vor Gericht gegenüberzusitzen, ist keine schöne Sache. Aber noch prägender war für mich, dass mir niemand gehol-fen hat. Mein Kollege und ich wurden am helllichten Tag angegriffen, wir hatten ein geheimes Nazi-Treffen gefilmt und flüchteten in einen Supermarkt. Es war ein Samstag, gegen 10 Uhr morgens. In Brandenburg. Das Geschäft war voller Leute. Da habe ich gemerkt: man kann sich vor allem auf die Kollegen verlassen. Von Polizisten oder Umherstehenden kann man oft keine Hilfe erwarten. Die sind damit überfordert. Das ist erschreckend.

und Wozu WuRde deR angReiFeR VeR-uRteilt?

Der Angriff war 2006 und das Urteil ist erst seit einigen Monaten rechtskräftig. Der Täter hat noch nichts bezahlt. Mir haben auch schon dreimal Nazis die Kamera beschä-digt. Dafür habe ich noch keinen Pfennig Entschädigung erhalten. Aber ich habe schon einige Unterlassungskla-gen gegen die NPD durchgebracht; beispielsweise dürfen sie nicht mehr behaupten, ich würde „schwarze Listen für militante Linke“ zusammen stellen. Ich wehre mich.

Wieso haBen sie sich dann damals entschieden mit ihRem gesicht und ihRem namen an die öFFentlichKeit zu gehen?

Das war einerseits eine Schutzmaßnahme, die ich ergrif-fen hatte, auch nachdem ich im Supermarkt niederge-schlagen wurde. Wenn ich den Schutz der Medien nicht hätte, würde vielleicht noch mehr passieren. Das sehe ich an Kollegen, die diesen Schutz nicht genießen. An-dererseits wurde ich immer häufiger zu den eigenen Recherchen und Reportagen interviewt, da musste ich irgendwann zu stehen.

hat ihRe BeKanntheit auch nach-teile?

Die Entscheidung, ob man an die Öffentlichkeit geht oder nicht, sollte man sich gut überlegen. Es ist auch ein-

schränkend, wenn man so bekannt ist. Bei der Recherche habe ich oft größere Probleme. An viele Veranstaltungen und Informationen komme ich gar nicht mehr ran, weil ich oft gleich erkannt werde. Was erwarten Sie sich von Polizei und Behörden?Die Polizei und die Behörden, zum Beispiel die Jugen-dämter, sollten ihre Mitarbeiter besser über Erschei-nungsformen, Professionalisierung und Strategien der modernen Neonazis aufklären. Gerade junge Bereit-schaftspolizisten scheinen bei ihren Einsätzen häufig zu wenig informiert und wissen nicht, mit wem sie es zu tun haben. Dadurch können sie auch nicht einschätzen, wie gewaltbereit die Szene ist. Aber ich glaube, dass die Polizei an manchen Stellen dieses Problem inzwischen selbst erkannt hat.

tRotz all deR geFahRen und hindeR-nisse aRBeiten sie schon seit JahR-zehnten zum thema RechtsextRemis-mus. WaRum ist ihnen das so Wichtig?

Das Thema wird von der Gesellschaft und den Medien viel zu sehr ausgeblendet. Ich habe einen Hang zu so-zialen Themen, die in den Medien zu schwach darge-stellt werden. Gesellschaftskritische Themen sind oft un-populäre Themen. Darum ist es ganz wichtig, dass wir Fachjournalisten uns nicht mit dem Mainstream treiben lassen, sondern den Mut haben, uns gegen den medialen Hype zu stellen. Es geht vor allem um die Nachhaltigkeit. Dazu gehört es, zwölf Monate im Jahr auch daran zu er-innern, dass es das Thema Rassismus und Menschenver-achtung in der Gesellschaft noch gibt. Beim Fernsehen heißt es manchmal lapidar: „Rechtsextremismus ist ein Quotenkiller. Da schalten die Leute weg.“ Und trotzdem müssen wir es immer wieder versuchen, Missstände an-zuprangern. Wir dürfen uns nicht erst dann damit be-schäftigen, wenn es zu extremen Ereignissen wie zum Beispiel den Anschlägen in Norwegen kommt.

» RechtsextRemismus ist ein QuotenKilleR«

Anoja Perinpanathon18 Jahre, Aachen

Anoja ist Schülerin der Gustav-Heine-mann-Gesamtschule und engagiert sich in der Schülerzeitung und in der Jugend-redaktion der Aachner Zeitung

gegen den medialen Hype weR gegen RecHte scHReibt, muss daRauf gefasst sein, angegRiffen und bedRoHt zu weRden. Viele jouRnalisten scHReckt das ab. andRea Röpke ist keine dieseR jouRnalisten. anoJa perinpanathon

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Du bist HSV-Fan oder?“, frage ich und zeige auf Janniks blaues

Shirt, auf dem eine Bierflasche mit HSV-Symbol abgebildet ist und im Hintergrund eine Bordüre mit der Aufschrift „achtzehn“ prangert. Er blickt mich erstaunt an, anscheinend rechnete er nicht damit, dass ich ihn ansprechen würde. Doch schließlich antwortet er: „Ehm… ja! HSV ist mein Verein, der einzig Wahre“. Es war mei-ne erste Begegnung mit Jannik, der mich tief in eine schreckliche Szene zog. Denn ich erfuhr erst später, dass „achtzehn“ für Adolf Hitler steht.

Falsche hoFFnungen

Letzten Winter zog ich von Berlin direkt aufs Land. Meine Eltern glaub-ten, dass die Großstadt zu gefährlich geworden sei und ein kleines Dorf uns eine friedliche Idylle bieten könnte. Doch was ich dort erlebte, war alles andere als friedlich. Meine größte Angst am Anfang war, keinen An-schluss zu finden. Das war auch mein größter Fehler.

deR eRste eindRucK zählt

Man merkte meiner neuen Klasse rasch an, dass sie voreingenommen gegenüber Stadtkindern war. Nur von einem nahm ich hin und wieder einen Blick oder Lächeln wahr. Ich kann nicht genau sagen wieso, aber schon am ersten Tag war ich von ihm faszi-niert, sein Name war Jannik. Beson-ders im Geschichtsunterricht war er anders als die anderen. Ich habe noch nie jemanden erlebt, der sich so ange-tan mit der deutschen Geschichte be-schäftige wie er. So war ich auch sehr froh, als meine Lehrerin sagte, dass Jannik im selben Dorf wohnte wie ich und mir den Heimweg zeigen könne. Nach Schulschluss folgte ich ihm auf Schritt und Tritt. Auch wenn er so tat, als würde ich nicht existieren, bemerk-te ich, dass er beim Umsteigen auf mich wartete. Auf dem Weg zum Bus näherten wir uns einem kleinen, far-bigen Mädchen. Janniks Reaktion ließ mich erschaudern. Seine Rockmusik, die ich zuvor nur leise aus den Kopf-hörern wahrgenommen hatte, wurde lauter und lauter. Schließlich konnte ich den schrecklichen Text verstehen: „Auf Kameraden zum Gruß die Hand –wir lassen uns nicht unterkriegen von Zecken und den Parasiten“.

Ich war total perplex. Ich schubs-te Jannik an und fragte, wieso er eine

solche Musik höre und das Mädchen so einschüchtern müsse. Seine Ant-wort war eisig: „Ach erstens hat sie eh nichts verstanden. Und zweitens: wenn doch, merkt sie jedenfalls früh genug, dass sie hier nicht hergehört!“ Aus Jannik sprudelte es plötzlich nur so heraus. Wie im Wahn zählte er Ar-gumente auf, wie die Ausländer der deutschen Gesellschaft schadeten und auch, wie meine Familie oder ich un-ter ihnen litten. Es passierte etwas, worauf ich nicht gefasst war. Ich spür-te ein starkes Interesse für Janniks Einstellung. Lag das daran, dass ich im Begriff war, Anschluss zu finden? Nicht nur. Ich erschrak.

Ich zeigte Jannik mein Interesse für seine Musik und er erzählte vol-ler Begeisterung über seine Lieblings-band: „Landser“. Deren Leadsänger Michael Regner war 2001 für über drei Jahre ins Gefängnis gekommen, weil ihm unter anderem Bildung einer kri-minellen Vereinigung zur Last gelegt worden war. Seine Inhaftierung war nach vielen Jahren auch das Ende für „Landser“, trübte aber nie Regners Kultstatur. Nach seiner Freilassung gründete er eine neue Band: „Die Lu-nikoff Verschwörung“. Doch Jannik erklärte mir, dass sich ein Konzert nicht mehr lohne, da bei jedem Auf-tritt Personenkontrollen stattfänden. „Das ist einfach zu nervig“, sagte er. Aber bei den mittlerweile 152 Bands, die auf dem rechtsextremen Index ste-hen, gebe es noch genug Konzerte, die nicht unter Polizeikontrolle stünden, berichtet Jannik.

ein WahReR FussBallVeR-ein

Kurze Zeit später lud er mich zum Fußballgucken ein und ich sagte sofort zu. Dabei bin ich nun wirklich kein Fußballfan. Als ich bei Jannik ankam, begrüßte ich ihn mit einem freundlichen „Hi“. Er funkelte mich an und erwiderte: „Sag das nächste Mal ,Hallo’ oder ,Guten Tag’. ,Hi’ ist die Sprache des Feindes. Man muss die deutsche Sprachkultur doch auf-recht erhalten.“ An diesem Tag lernte ich nicht nur Janniks Vorliebe für die deutsche Sprache, sondern auch seine Freunde aus dem Dorf kennen. Alle schienen vom HSV begeistert und sangen vor dem Spiel schon einmal lauthals die üblichen Fanlieder. Doch plötzlich schaltete Jannik die Musik seines Computers an und es dröhnte aus den Lautsprechern: „Deutschland

dein Trikot das ist schwarz und weiß, doch leider auch die Farbe deiner Spieler“.

Kleidung zieht an

Schon bald sah ich Jannik und seinen Freundeskreis wieder. Das Dorf ist klein, ich war froh, hier Leu-te kennen gelernt zu haben. Beim nächsten Treffen verwunderte mich vor allem die Kleidung meiner neuen Bekannten. Teilweise trugen sie Pali-stinensertücher oder Anstecker mit einer schwarz-roten Flagge. Zeichen, die ich nur von links eingestellten Per-sonen kannte. Doch klärte mich Jan-nik gleich auf: „Wir versuchen uns so zu kleiden, dass wir Interesse wecken. Dass klappt besonders bei Leuten in unserem Alter. Von diesen Linken kann man uns erst unterscheiden, wenn man uns nahe ist. Das schafft Kontakt. Auch bei Demonstrationen ist es von Vorteil, erst spät erkannt zu werden.” Ich lernte: Rechte wandeln oft die typischen Symbole um und deuten sie nach ihrer eigenen Ideolo-gie.

gut VeRnetzt

Später am Abend klickte ich mich durch die Facebook-Seite von Janniks Freunden und nahm dessen Profil als völlig normal wahr. Es war nichts mehr komisch daran, dass de-ren Freundlisten den Namen „Kame-raden“ hatten oder typische rechte Symbol-Buttons auf den Profilbildern klebten, wie zum Beispiel ein Eisen-kreuz. Dies war meine neue Welt, in der ich Anschluss fand und mich wortwörtlich am rechten Platz sah. Schließlich sah ich Janniks Status-nachricht: „Ich HASSE Kompromisse und ich HASSE Dich, es gibt zu viel von deiner Sorte und das gefällt mir nicht!!!!!“

Wen er meinte? Egal. Ich war mittlerweile so unverfroren und drückte, ohne lange zu überlegen, auf den Gefällt-mir Button. Was mir gefiel: Ich gehörte zur Gruppe.

nichts Wie Raus

Doch das alles ist nun zwei Jah-re her. Die Deutschlandfahnen wehen immer noch durchs Dorf. Jedes Jahr wird auch weiterhin zu Hitlers Ge-burtstag ein Festlauf unternommen. Nur ich sitze ganz alleine zuhause. Ob ich es bereue? Nein, ich bin froh, mich

aus dem braunen Sumpf gerettet zu haben. Denn ich habe gemerkt, dass man seiner Überzeugung treu bleiben muss. Lieber alleine als in schlechter Gesellschaft.

Melanie Bumann18 Jahre, Schleswig-Holstein

geht in die 13. Klasse der Richard-Hallmann Gemeinschaftsschule und baute dort die Schüler-zeitung auf.

man VeRsinkt scHnell im bRaunen sumpf sie fReute sicH auf die döRflicHe idylle. docH iHR wunscH nacH neuen fReunden Riss sie tief Hinein, in eine gRausame paRallelwelt. dies ist die gescHicHte Von miRiam, basieRend auf eineR waHRen begebenHeit. von Melanie bUMann

inFoRmation

Wie Jugendliche in die rechte Szene geraten – und wieder herausfinden können

Obwohl Politik jeden etwas angeht, engagieren sich nur die wenigsten Jugendlichen in diesem Bereich. Es gibt zwar viele verschiedene Jugend-gruppen von Parteien, doch keine sind so beliebt, wie die von rechtsextremen Gruppierungen. Die Mehrheit aller in der Politik aktiven Jugendlichen fühlt sich der rechten Szene zugehörig. Diese Entwicklung ist mehr als nur er-schreckend.

Miriam ist kein Einzelbeispiel. Jugend-liche fühlen sich aus unterschiedlichen, nicht immer politischen Gründen, von der rechten Szene angezogen. Grup-penzwang, Unwissen und die Angst, plötzlich ganz alleine dazustehen, können eine Rolle spielen. Aber es gibt Auswege. Die Alternativen lau-ten nicht: entweder mitdemonstrieren oder alleine zuhause rumsitzen.

Es gibt viele, die gegen Rechtsextre-mismus vorgehen wollen. Oft wissen sie nur nicht, wie. Vergesst also nicht, dass ihr nicht auf euch allein gestellt seid. Zuerst kann man versuchen, Ak-tionen mit der Schülervertretung zu planen und sich mit anderen Schulen zu vernetzen. Auch Eltern, Lehrer oder sogar die Stadtverwaltung können oft helfen. Tipps und Hilfe findet ihr unter ande-rem hier:www.schule-ohne-rassismus.orgwww.netz-gegen-nazis.de/lexikontext/beratungsstellen-fuer-opfer-rechtsex-tremer-und-rassistischer-gewalt

Page 11: politikorange - Randthema

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FRuchtFleisch Wie nehmen sie Rechtsextremismus in den medien wahr?

mehmet ahmi, 45 JahReaRBeitslos

„REchTSRADIkALISMUS? Ich kRIEGE DAVOn kAUM ETWAS MIT. AUch nIchT In

DEn MEDIEn.“

„aBWesend“

maRgot Von metzen, 64 JahReangestellte

„In DER DEUTSchEn PRESSE WIRD REchTSRADIkALISMUS ZU WEnIG BEhAn-DELT. nAch DEM ZWEITEn WELTkRIEG IST

ES LEIDER IMMER nOch EIn ThEMA.“

„thematisieRen“

FaBio caRRass, 19 JahReschüleR

„In DEn MEDIEn hABE Ich ZULETZT VIEL MEhR DEn LInkSExTREMISMUS WAhR-

GEnOMMEn.“

„auFstieg“

Foto

s: a

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lang

geFestigte stRuKtuRen: neonazis am Rande eines RechtsRocK-KonzeRtsFoto: otto belina

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oB in ecKKneiPen

odeR auF FamilienFesten. FRüheR odeR sPäteR haut sie immeR Jemand Raus, die stammtischPaRolen.

oFt WideRsPRicht KeineR. doch RechtsPoPulistisches gePlänKel ist Kein scheRz, es hat einen

geFähRlichen BeigeschmacK. da diese PaRolen aBeR eh nicht stimen, Kannst du dich leicht zuR

WehR setzen. hieR ein PaaR VoRschläge:

scHlag aufscHlag am stammtiscH

Wieso sollten wir auch eine Währung wollen, mit der man auch in anderen europä-ischen ländern problemlos zahlen kann? im schwarz-wald ist es eh am schönsten, wer will schon urlaub in italien machen? Wir könnten die paar euros, die uns noch geblieben sind, einfach den ausländern mitgeben, als Wegegeld sozusagen. und sie dann hinauswerfen.

echt? erst nehmen sie euch die arbeitsplätze weg und jetzt auch noch die Plätze im gefängnis! und beides horten sie dann gleichzeitig - wirklich gemein!

Weißt du, warum sich viele im deutschen arbeitsmarkt schwer tun, trotz hoher Bil-dung? Weil ihre abschlüsse oft nicht anerkannt werden und weil sie aufgrund ihres namens – obwohl sie fachlich genauso gut qualifiziert sind – schlechtere chancen haben. merkst du was? leute wie du mit deinen rassistischen ansichten sind schuld!

mit deR d-maRk waR alles besseR

alle ausländeR sind kRiminell!

die ausländeR sind ja alle sozial-

scHmaRotzende HaRz iV-empfängeR!

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stimmt nicht, es gibt genug freie stellen. Fachkräftemangel lautet das stichwort. du musst nur zum arbeitsamt gehen. Vielleicht geben sie dir dort sogar einen arbeitsplatz, der von einem ausländer geschaffen wurde! so sind zum Beispiel viele türken in deutschland erfolgreiche unternehmer, die jedes Jahr milli-arden erwirtschaften und unter den ungefähr 160 000 arbeitnehmern viele, viele deutsche beschäftigen.

man sieht es ja an den Wahlen, dass ihr laut aussprecht, was viele den-ken! 2009 wählten nur 1,5 Prozent die nPd: das heißt, ihr fallt unter den überbegriff „sonstige“. damit gibt es in deutschland weniger nPd-Wähler als computerspiel-süchtige.

Weißt du, warum Juden nicht dieselben gene ha-ben können? sie sind eine Religionsgemeinschaft, kein Volk. und selbst Völker haben keine „gleichen“ gene, sie unterscheiden sich nur mini-mal von den genen anderer Völker auf der erde. außer-dem gibt sarrazin in seinem Buch selbst zu, dass es sich bei seinen „muslime-werden-in-deutschland-die-macht-übernehmen-Rechnung“ nur um modellrechnungen und nicht um ernstzunehmende Prognosen handelt.

die ausländeR neHmen uns die aRbeitsplätze

weg!

wiR sind docH nuR die, die laut ausspRecHen,

was Viele denken!

tHilo saRRazin Hat docH RecHt!

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Vor sieben Jahren startete der Sport-lehrer Stefan Herre im Alleingang

den Blog. Heute schreiben zahlreiche Autoren für PI-News. Die Nachfrage ist schnell gestiegen. Vorwiegend erscheinen rechtspopulistische Beiträge, mit einer auffällig anti-islamischen Einstellung. Die Hauptthesen des Blogs sind: In Deutsch-land vollzieht sich eine schleichende Is-lamisierung, die von der Öffentlichkeit nicht in ihrem bedrohlichen Ausmaß er-kannt wird; Europa wird von einer Welle der Überfremdung überrollt; die kommer-ziellen Medien verzerren absichtlich die Realität und behandeln Themen, die mit Migranten und dem Islam zusammenhän-gen, nicht ausführlich genug. Der Blog spricht in seinen Leitlinien von schweren Menschenrechtsverletzungen in Deutsch-land, die „aufgrund der Befolgung isla-mischer Gesetze und Ethik“ zustande kommen. Sie konstruieren ein diffuses Bedrohungsszenario - und machen dafür pauschal den Islam und seine Glaubens-anhänger verantwortlich.

Politische KoRReKtheit, nein danKe!

Dies ist die Grundüberzeugung der PI-Blogger. Sie sind der Ansicht, dass die kommerziellen Medien über gewisse Themen „nicht angemessen“ berichten. Angeblich, um öffentliche Debatten zu beschwichtigen oder ganz abzuwürgen. Laut PI veröffentlichen die kommerzi-ellen Medien nur Artikel, die „politisch korrekt“ sind. Die PI-Leitlinien richten sich explizit dagegen. Sie setzen sich ge-gen „die politische Korrektheit und das Gutmenschentum“ ein, das ihrer Ansicht nach „heute überall die Medien“ domi-niert.

Der Name des Blogs kann daher als Statement verstanden werden, das lautet: Wir lassen uns den Mund nicht verbieten, wir sprechen die Probleme un-serer Gesellschaft offen an, auch wenn es denen da oben nicht passt! Mit dieser Einstellung sehen sich die PI-Blogger im Kampf gegen Zensur und stilisieren sich selbst zu heroischen Kämpfern, die für Meinungsfreiheit eintreten.

PRoBlemQuelle multiKultu-Ralismus

PI macht besonders den sogenann-ten Multikulturalismus für gesellschaft-liche Probleme verantwortlich. Wer für Vielfalt ist, ist ein naiver Gutmensch. Die-se würden die Realität ausblenden und ihre Augen vor Problemen verschließen.

Frank Furter will nicht zu den na-iven Gutmenschen gehören. Auf PI schreibt er über Menschen mit Migrati-onshintergrund: „Sie wurden als Söhne und Töchter von Einwanderern geboren, (…) ohne Fähigkeiten, ohne Ausbildung, ohne Nutzen für den hiesigen Arbeits-markt.“ Dieses Zitat zeigt, mit welch ei-ner Verachtung und Aggressivität PI seine Meinung im Netz vertritt. Mit pauschalen Urteilen, oft aber auch mit polemischer Sprache oder satirischer Übertreibung machen die Autoren Stimmung gegen de-mokratische Strukturen und Einwanderer.

Kein VeRBot Wegen PRo-isRaelischeR haltung

2008 versuchte der sozialdemokra-tische Politiker Sebastian Edathy eine Beobachtung des PI-Blogs durch den Verfassungsschutz durchzusetzen. Im Gespräch mit Spiegel Online sagte Eda-thy: „Das ist nicht mehr grenzwertig, da ist eine Grenze überschritten.“ Trotz der fremdenfeindlichen Äußerungen auf PI-News hatte Edathys Aufforderung keinen Erfolg. Die Begründung: PI bezeichnet sich selbst als pro-amerikanisch und pro-israelisch und bekennt sich zum deut-schen Grundgesetz. Daher kann PI kein Verfassungsverstoß vorgeworfen werden.

Auch Volksverhetzung - worauf ein Verbot folgen könnte - wirft der Verfas-sungsschutz PI nicht vor. Denn Muslime sind keine Volksgemeinschaft, sondern eine Religionsgemeinschaft. Daher ist eine anti-islamische Haltung keine Volks-verhetzung.

Bei genauerer Betrachtung wird jedoch klar, dass es Politically Incorrect nicht um eine sachliche Religionskritik geht. Auf ihrem Blog schreiben die Auto-ren: „Wir sehen den Islam in erster Linie nicht als eine Religion, sondern als ein Gesellschaftssystem, das sich religiös legi-timiert.“ Yasemin Shooman vom Zentrum für Antisemitismusforschung der TU Ber-lin bezeichnet die angebliche Religions-kritik von PI als Tarnungsstrategie, um sich gegen den Vorwurf des Rassismus zu schützen.

Mit Stereotypen konstruiert PI ein Feindbild. Den Islam. Damit bedient sich das Blog den gleichen Mechanismen, die auch Rassisten verwenden, um einzelne Gruppierungen auszuschließen.

zuRücKsehnen nach etWas, Was es nie gaB

Rechtsradikale sehnen sich oft nach etwas „zurück“, zum Beispiel nach ei-

ner Gesellschaft ohne Ausländer. Die hat es jedoch so nie gegeben. Völker haben schon immer mit anderen Völkern zusam-mengelebt. Die rechtsradikale Vorstel-lung von Vergangenheit entbehrt damit jeder historischen Grundlage. Auch die Rechtspopulisten bei PI betreiben diese Art der Vergangenheitsverklärung, wenn sie sich zurück sehnen an eine Zeit, bevor Migranten nach Europa kamen.

RechtsPoPulistisches ge-samtPaKet

Die Werbung auf dem PI-Blog un-terstreicht die fremdenfeindliche und rechtspopulistische Einstellung der Be-treiber. Angefangen bei Werbehinweisen auf Veranstaltungen des niederländischen Rechtspopulisten Geert Wilders, über einen Aufruf mit einem Nein gegen den EU-Beitritt der Türkei zu stimmen, bis hin zu Anzeigen für die rechtspopulistische Bürgerbewegung Pax Europa – auf dem PI-Blog lassen sich durch die Bank Bei-spiele für rechtspopulistisches Gedanken-gut finden.

Um die Ansichten und Weltan-schauungen auch außerhalb von Artikeln zu veröffentlichen, hat PI einen eigenen „Fanshop“. Hier werden unter anderem T-Shirts, Kaffeetassen, Jacken oder Taschen mit rechtspopulistischen Sprüchen und Symbolen angeboten. So erhält PI mit sei-nen Ansichten auch Einzug ins Alltagsle-ben vieler Leser.

hohe Beteiligung

Leser des Blogs werden auch zum Mitmachen animiert. Sie sollen sich selbst einbringen, Medien-Meldungen weiterleiten oder selbst Kommentare schreiben. Mit dieser Aufforderung und dem Angebot, selbst auf PI veröffentli-chen zu können, schafft PI Nähe zu sei-nen Usern. Das Resultat ist: unter den Artikeln stehen oft über hundert oder sogar zweihundert Leserkommentare, in denen viele ihrer Unzufriedenheit mit der politischen und gesellschaftlichen Situati-on Luft machen. Dabei fallen nicht selten Beschimpfungen, die auf Migranten und Andersdenkende abzielen.

Auch die vielen Regionalgruppen von PI, die sich in den letzten Jahren gebildet haben, spiegeln ein hohes Enga-gement der PI-Community wieder. 2011 haben sich bereits über 50 Gruppen über das ganze Bundesgebiet verteilt – und auch in Tschechien, der Schweiz und in Österreich haben sich bereits Gruppen ge-bildet. Zum Vergleich: Im März 2010 zählt

die Süddeutsche Zeitung in Deutschland 38 PI-Gruppen.

Vor allem in Westdeutschland und insbesondere in Nordrhein-Westfahlen lässt sich eine große Anzahl von PI Gruppen feststellen. Sie organisieren Demonstrationen gegen islamische Ein-richtungen, Infostände und treffen sich am Stammtisch. In ostdeutschen Städ-ten haben sich bisher vergleichsweise wenig Gruppen zusammengeschlossen. Wahrscheinlich liegt dieser West-Ost-Unterschied unter anderem auch daran, dass der Gründer des Blogs aus der Nähe von Köln stammt. Die Kölner PI-Gruppe ist mit Veranstaltungen und regelmäßigen Treffen die aktivste der Regionalgruppen.

gemischtes PuBliKum

Neben den rechtspopulistischen Äu-ßerungen auf PI-News lassen sich auch Artikel zu gesellschaftlichen Themen finden, mit denen die Blogger eine breite Bevölkerungsgruppe ansprechen.

Einem Artikel der Süddeutschen Zeitung zufolge bezeichnen sich manche Nutzer selbst als konservativ – sie wählen CDU oder FDP. Der Blog greift die vagen Ängste dieser Wählerschaft auf und bie-tet leicht verständliche Antworten an. So gewinnen sie die Zustimmung von einem wachsenden Bevölkerungsanteil. Ein ein-heitliches Porträt des typischen Users gibt es nicht.

Ein Trend, der sich im gesamten rechtspopulistischen Spektrum abzeich-net, ist: Sie haben immer mehr Akademi-ker in ihren Reihen. Auch Blog-Gründer Stefan Herre hat studiert und ist nun Mit-glied bei der rechten Partei die Freiheit.

Wo diese Art der politischen Stim-mungsmache hinführt, bliebt offen. Denn eine Plattform, die von einer wachsen-den Bevölkerungsgruppe Zustimmung erfährt, kann nicht ignoriert werden. Die Entwicklungen stimmen bedenklich.

politiscHe einstellung:inkoRRekt politically incoRRect ist eines deR gRössten deutscHen inteRnetblogs. täglicH klicken sicH übeR 50.000 besucHeR duRcH die seiten und scHReiben kommentaRe. die bloggeR Von pi scHReiben jedocH nicHt übeR lifestyle odeR mode. sie VeRöffentlicHen aRtikel mit RecHtspopulistiscHen und islam-feindlicHen inHalten. von Franziska baUr

Franzika Baur26 Jahre, Erlangen

studiert derzeit den Jour-nalismusmaster „Medien-Ethik-Religion“. Zuvor hat sie Politikwissenschaften (Bachelor) in Erlangen und Wien studiert.

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RecHtsVeRkeHR aldeR netzentHusi-ast joHannes baldauf foRscHt im inteRnet nacH den wegen deR RecHten und kläRt übeR deRen stRategien auf. von Franziska baUr

Johannes Baldauf ist Fachreferent beim Berliner „Netz-gegen-Nazis“ und arbeitet aktiv gegen die Verbreitung von rechtsextremem Gedankengut. Sein Arbeitsschwer-punkt liegt auf Rechtspopulismus im Internet. In einem Gespräch mit politikorange erklärt er seine Einschätzung des islamfeindlichen und rechtspopulistischen Internet-blogs „Politically Incorrect” (PI).

heRR BaldauF, Wie sind sie das eRste mal auF den Blog Von Politically in-coRRect gestossen?

Mir ist der Blog zunächst durch seine pro-israelische Berichterstattung aufgefallen. Aus heutiger Sicht scheint das vielleicht erstaunlich, aber zu Beginn war der Blog eher durch seine Zustimmung zu Israel populär gewor-den - und nicht etwa für seine islamfeindlichen Aussa-gen. Das hat sich aber in den vergangenen Jahren deut-lich geändert. Heute dominieren eher fremdenfeindliche und anti-muslimische Inhalte.

WoRin sehen sie die geFahR Bei einem Blog Wie Politically incoRRect?

Zum einen nimmt PI eine extrem islamfeindliche Hal-tung ein; das allein halte ich für sehr bedenklich. Dann kommt aber noch hinzu, dass rassistische Aussagen im

Blog mit einer pro-israelischen und pro-amerikanischen Haltung kombiniert werden. Dieses Nebeneinanderstel-len sehe ich als gefährliche Verbindung. Zunächst schei-nen sich diese Einstellungen ja auszuschließen. Diese pro-israelische und pro-amerikanische Haltung ist aber der Grund dafür, dass der Verfassungsschutz PI nicht auf dem Schirm hat.

Was unteRscheidet Pi Von andeRen RechtsPoPulistischen und islam-Feindlichen Blogs BeziehungsWeise inteRnetseiten? PI ist kein rechtsextremes, sondern ein rechtspopulis-tisches Portal. In den Reihen der PI-Autoren lassen sich eigentlich keine harten Vordenker der rechtsextremen Szene finden. PI ist eher wie ein Sammelbecken mit vie-len Themen, die eine breitere Gesellschaftsschicht an-sprechen. Sie müssen gar nicht so krass sein, um Erfolg zu haben. Zudem sind sie gut vernetz – in Deutschland, aber auch im Ausland.

zieht Pi eine leseRschaFt aus dem neonazistischen sPeKtRum an?

Nein, das würde ich nicht so sagen. Die PI Leser sind keine Nazis. Ich würde sie eher als „rechtsoffen“ be-

schreiben. Sie betreiben rechtspopulistische Propaganda, mit der sie die besorgten Bürger aus der Mitte der Ge-sellschaft ansprechen. Mit ihren Artikel und Beiträgen streuen und verstärken sie eine vage Angst gegen eine Überfremdung in Deutschland. Vor allem nach den An-schlägen am 11. September 2001 ist diese Angst gewach-sen. Sie fußt vor allem auf einer Dämonisierung des Is-lam. Die Äußerungen von Thilo Sarrazin im vergangen Jahr haben diese Stimmung wieder befeuert.

giBt es eine aRt eRFolgstRend Von Pi?

PI wird immer populärer. Das ist ganz deutlich zu beo-bachten. Allerdings ist es schwer zu sagen, ob es dafür eine Art Initialzündung gab. Das Gedankengut von PI findet heute wesentlich mehr Akzeptanz in der Bevölke-rung als noch vor zehn Jahren.

Wie schätzen sie die haltung des VeR-Fassungsschutzes ein, die Pi nicht als VeRFassungsWidRig einstuFt. WiRd sich diese haltung ändeRn?Das wäre sehr wünschenswert. Aber ich glaube nicht, dass sich die Einschätzung des Verfassungsschutzes in absehbarer Zeit ändern wird. Dazu bezieht sich PI zu sehr auf die Mitte der Gesellschaft.

» Politically incoRRect WiRd immeR PoPuläReR«

FRuchtFleisch Wie nehmen sie Rechtsextremismus in den medien wahr?

KRiemhilde haagen, 55 JahReeinzelhandelsKauFFRau

„Ich hABE WERBUnG EInER REchTEn ORGAnISATIOn AUS DEM BRIEfkASTEn

GEfISchT.UnD SOfORT WEGGEWORfEn. DAVOn WILL Ich nIchTS WISSEn.“

„WegWeRFen“

ViRginie henzen, 22 JahRestudieRt modeJouRnalismus

„JEGLIchE fORM VOn REchTSExTRE-MISMUS IST SchLIMM. Ich WILL nIchTS

DAMIT ZU TUn hABEn UnD VERfOLGE ES DAhER AUch nIchT In DEn MEDIEn“

„unVeRFolgt“

PieRRe stRoBBe, 29 JahReeinzelhandelsKauFmann

„Ich LESE SO ETWAS, ABER Ich kAnn DAMIT nIchTS AnfAnGEn. In MEInER

GEGEnD hänGEn SEhR VIELE REchTS-ExTREMISTISchE PLAkATE. DAS nERVT!“

„neRVFaKtoR“

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Page 16: politikorange - Randthema

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Alisa Fluhrer21 Jahre, Bamberg

studiert seit einem Jahr Liberal Arts in den Nie-derlanden.

Schon einmal etwas von Geert Wilders gehört? Wahrscheinlich. Der rechtspo-

pulistische Blondschopf aus den Nieder-landen lächelt regelmäßig von den Titel-seiten großer deutscher Tageszeitungen. Dem Politiker der Partij voor de Vrijheid scheint es geradezu ein Genuss zu sein, seine provozierenden Thesen in sämt-lichen europäischen Printmedien wie-derzufinden. Wilders streitet gerne. Und wie könnte er Konflikte besser zur Eska-lation treiben, als mit Aussagen wie der, den Koran verbieten zu wollen? Zuwider ist ihm die Konsensdemokratie der ewig nach Kompromissen suchenden Politi-ker Den Haags. Einer dieser Politiker ist

der rechtsliberale Mark Rutte. Der Name Rutte sagt dir nichts? Keine Sorge, du bist kein Einzelfall. Vielen Europäern ist der Name des niederländischen Regierungs-chefs nicht bekannt. Was allerdings sehr wohl ein Grund zur Sorge sein sollte: Die-ser Umstand beweist, dass Rechtspopu-listen wie Wilders mit ihren Strategien er-folgreich sind. Ihre überdurchschnittliche Medienpräsenz lässt sie bedeutender er-scheinen, als sie es tatsächlich sind. Man spricht über sie und vor allem über das, was sie zu sagen haben – und das über die Grenzen ihrer Heimatländer hinaus.

Und genau das tun wir jetzt auch. Hier stellen wir euch Europas Europa-

feinde vor. Warum? Sind diese Politiker nicht schon in genug anderen Medien vertreten?

Tatsächlich wurde Geert Wilders von diversen deutschen Zeitungen inter-viewt: unter anderem von der Frankfurter Allgemeinen Zeitung und vom Spiegel. Und Mark Rutte? Den findet man auch, im Spiegel-Archiv. Geert Wilders erwähnt ihn in seinem Interview. Oppositions-politiker müssen sich nicht mit lästigen Details wie Finanzierbarkeit oder kon-kreten Zeitplänen herumärgern. Deswe-gen können sie sich manchmal radikaler und bestimmter äußern als Regierende. Konsensdemokratie ist pragmatisch, aber

langweilig. Doch Populisten sind nicht nur feurige Oppositionelle, ihre Strategie geht noch weiter.

Rechtspopulisten werden in Euro-pa immer einflussreicher. Diese Ansicht wird wahrscheinlich von sensationsgie-rigen Redakteuren verstärkt, die gerne provozierende Parolen abdrucken. Und dadurch vielleicht auch mitverschuldet. Wir stellen sie euch trotzdem vor, die Populisten Europas. Aber nicht nur ihre Ansichten und ihre Machtposition. Son-dern ihre Taktik, den Populismus. Wer ihn durchschaut, durchschaut auch die Politiker, die ihn benutzen.

Populismus ist keine Erscheinung der jüngsten Vergangenheit. Tatsächlich

stammt der Begriff von der Populist Party, die 1892 in den USA gegründet wurde. Die Partei ging aus den Bauernrevolten hervor und setzte sich besonders für die Interes-sen der Farmer des mittleren Westens und damit gegen die der kapitalistischen Eli-ten ein. Bisher konnten Wissenschaftler und Medienmacher sich nicht einigen, ob es sich bei Populismus um eine Ideologie oder lediglich um einen rhetorischen Stil in der Politik handelt.

stil odeR ideologie?

Rechtspopulistischen Ideen haftet ein zwiespältiges Gleichheitsverständnis an. Einerseits wird das Volk dazu aufge-fordert, sich gegen das herrschende Es-tablishment zu verbünden. Andererseits findet eine scharfe Abgrenzung gegenüber anderen Volksgruppen und Kulturkreisen statt. In Westeuropa wird der Begriff erst seit den 1980er Jahren verwendet, ist aber überwiegend negativ assoziiert. Charak-teristisch für populistische Parteien in der

Europäischen Union ist die Art und Weise ihres Auftretens und nicht unbedingt ihrer Programme. Weltbild, Wertesystem und Ziele unterscheiden sich oft grundlegend. Gemeinsam bleibt ihnen aber allen, dass sie die Ängste und Notlagen bestimmter Bevölkerungsschichten nutzen, um gegen eine andere Bevölkerungsgruppe zu mo-bilisieren.

eine Welt lösBaReR PRo-Bleme

Einfach gehaltene politische Paro-len brennen sich in unser Gedächtnis wie Werbesprüche aus dem Fernsehen. Pro-bleme scheinen eindeutig zu sein, ebenso wie ihre Lösungen. Politiker wie Wilders erheben für sich den Anspruch, Defizite in der Gesellschaft anzusprechen und zu benennen, von denen andere lieber die Finger lassen. Dabei malen Rechtspopu-listen zumeist nur mit Schwarz und Weiß, die Ursache des Missstandes scheint klar und muss angegangen werden. Auch das Wie können sie beantworten. Die Welt der Rechtspopulisten scheint eine Welt

lösbarer Probleme zu sein.

PoPulismus ist nicht zWangsläuFig Rechts

Betrachtet man Populismus als po-litischen Stil gibt es rechten und linken Populismus. Auf inhaltlicher Ebene bil-den die beiden einen Gegensatz: Linke wie rechte Populisten wollen sich gegen Herrschende auflehnen. Jedoch unter-scheiden Linke nur aufgrund sozialer Un-gleichheiten und nicht nach Hautfarbe, Religion oder Kultur. Linkspopulisten sind nicht ausländerfeindlich oder rassistisch. Die meisten der europäischen Populisten, wie die Französin Marine Le Pen, sind allerdings Vertreter einer rechten Welt-anschauung. So glauben einige der euro-päischen Populisten, dass der Islam der christlichen Kultur unterlegen ist.

„menschenhass auF eine neue gRuPPe PRoJizieRt“

Rechtspopulisten lassen keinen Zweifel daran, dass sie Angehörige

bestimmter Ethnien als minderwer-tig erachten. Sie distanzieren sich von Antisemiten, Nationalsozialisten und gewaltbereiten Radikalen. Doch auch Rechtspopulisten benutzen Muster der Ausgrenzung. Für Wilders sind gläubi-ge Muslime die Feinde, Sarrazin wettert gegen Sozialleistungsempfänger mit Mi-grationshintergrund. Die neuen Rechten geben sich oft pro-israelisch und ame-rikafreundlich. „Aber“, so bringt es der Zeit-Journalist Johannes Radke auf den Punkt, „Menschenhass bleibt Menschen-hass, hier ist das gleiche Phänomen auf eine andere Gruppe projiziert“.

euRopas anti-euRopäeR RecHtspopulistiscHe paRteien eRHielten in den VeRgangenen monaten in Vielen eu-ländeRn die meisten wäHleRstimmen seit dem zweiten weltkRieg. iHRe VoRsitzenden polaRisieRen duRcH extReme paRolen. diese sind nicHt nuR gegen mindeRHeiten, sondeRn oft aucH gegen ein geeintes euRopa geRicHtet. von alisa FlUhrer

was ist RecHtspopulismus? populisten weHRen sicH gegen das HeRRscHende system. iHRe gegneR sind Vielfältig: mal sind es muslime, mal die euRopäiscHe union, mal flücHtlinge. und tRotzdem Haben RecHtspopulisten etwas gemein-sam. sie VeRbReiten angst und gRiffige paRolen. von alisa FlUhrer

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Bei der Parlamentswahl im Juni 2010 wählte rund je-der sechste Niederländer die rechtspopulistische Par-tei für die Freiheit (PVV). Die Partei, dessen einziges Mitglied Wilders selbst ist, duldet die Minderheiten-regierung aus Rechtsliberalen und Christdemokraten. Wilders bezeichnet den Islam als eine totalitäre und gewalttätige Ideologie und will den Handlungsspiel-raum der EU einschränken.

Soinis Wahre Finnen erhielten 19 Prozent der Stim-men bei den letzten Parlamentswahlen im April. An der neuen finnischen Regierung sind sie allerdings nicht beteiligt. Im Wahlkampf begeisterte Soini vor allem mit Kritik an der EU. Der ehemalige Europa-abgeordnete spricht sich außerdem gegen weitere Zuwanderung, Abtreibung und die Homo-Ehe aus.

Kjærsgaard ist Mitbegründerin und derzeitige Vor-sitzende der Dänischen Volkspartei. Schwerpunkt ihrer Politik ist die Hetze gegen Multikulturalismus und Einwanderung. Im Jahr 2000 stimmte die EU-Kritikerin gegen die Einführung des Euros. Bei den Europawahlen erhielt ihre Partei 15,3 Prozent der Wählerstimmen.

Der Vorsitzende der österreichischen Freiheitlichen (FPÖ) provoziert besonders mit Hasstiraden gegen EU und Islam. In Umfragen schafft es die FPÖ regel-mäßig, die Sozialdemokraten auf den zweiten Platz zu verdrängen. Es scheint auch nicht mehr ausge-schlossen, dass der 41-jährige Ultrarechte Kanzler werden könnte.

Le Pen ist die Parteichefin der ultrarechten franzö-sischen Front National. Die Anwältin ist seit 2004 Mitglied des Europäischen Parlaments. Sie kündigte an, bei der Präsidentschaftswahl im kommenden Jahr zu kandidieren. Umfragen sagten ihr dafür be-reits 23 Prozent der Wählerstimmen voraus, womit sie vor Staatspräsident Nicolas Sarkozy läge. Im Falle eines Sieges würde Le Pen mit Frankreich aus der NATO austreten und den Euro wieder abschaffen.

Bossi ist Vorsitzender der drittstärksten politischen Kraft in Italien: der norditalienischen Regionalpartei Lega Nord. Seit 2008 ist er zum zweiten Mal in der Regierung Berlusconis. Der Politiker nutzt die Äng-ste der Italiener in seinen Hetzen gegen Immigranten gezielt aus. Außerdem schimpft er gegen die EU und den ärmeren Süden Italiens.

Der Ungar ist Vorsitzender der Partei Fidesz – Un-garischer Bürgerbund - und seit Mai 2010 Minister-präsident. Im vergangenen Halbjahr bereitete die EU-Ratspräsidentschaft des Rechtspopulisten vielen Bauchschmerzen. Er setzte eine neue Verfassung durch, die das Parlament erheblich schwächt und schränkte das Pressegesetzt massiv ein. Mit einer Zwei-Drittel-Mehrheit verabschiedete seine Partei in Ungarn eine neue Verfassung die das Parlament erheblich schwächt.

Mit 5,7 Prozent zogen Åkessons Schwedendemo-kraten im Jahr 2010 erstmals in das schwedische Par-lament ein. Die Rechtspopulisten haben wegen eines Patts zwischen Mitte-Rechts-Regierung und linker Opposition großen Einfluss im Reichstag.

„Ich möchte, dass sie alle gefeuert werden!“, ver-kündete der Brite im Europäischen Parlament. Der Vorsitzende der United Kingdom Independence Par-ty fordert einen Austritt Großbritanniens aus der EU. Anti-Islam-Politik ist im Königreich zwar wenig beliebt - dafür aber kann Farage mit der Ablehnung Europas und seiner Institutionen punkten. Bei den letzten Europawahlen gewann der EU-Hasser auf die-se Weise 16 Prozent der Stimmen.

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malica chRist, 19 JahReschüleRin

„ES WIRD ZU WEnIG DARüBER BERIch-TET UnD nIchT GEnUG AUfGEkLäRT.

DAS MUSS BESSER WERDEn.“

„ausBauFähig“

geRd nessleR, 57 JahRehaRtz iV - emPFängeR

„Ich BIn GEGEn GEWALT UnD InTERES-SIERE MIch AUch GEnERELL nIchT füR POLITIk. DEShALB SEhE Ich MIR SOWAS

AUch nIchT An.“

„uninteRessant“

chRistian schlegel, 44 JahReselBstständigeR

„In LETZTER ZEIT höRE Ich IM ZUSAM-MEnhAnG MIT REchTSExTREMISMUS

häUfIG VOn üBERfäLLEn. AUfkLäRUnG WIRD DABEI nIchT GEnUG GELEISTET.“

„auFKläRung“

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Endlich greift mal einer durch. Endlich zeigt mal jemand diesen blöden Aus-

ländern ihre Grenzen auf. Massimo Bitonci weiß, was zu tun

ist. Der Bürgermeister der norditalie-nischen Kleinstadt Cittadella hat gerade eine bedeutende Schlacht gewonnen, für den Erhalt nationaler Traditionen: In Cit-tadellas Innenstadt ist nun der Döner-Ke-bab verboten. Offizielle Begründung: der Döner stinke. Stimmt! Natürlich kommt auch noch dazu, dass diese Dönerver-käufer mit total miesen und lügnerischen Parolen für sich werben. Döner macht schöner? Von wegen!

Statt mit Pizza oder Kaffee den neu-esten Streifen aus Hollywood zu schau-en, sollten wir lieber alle Ausländer ver-treiben. Die NPD hat schon einen Plan erstellt, wie man in fünf Schritten alle Ausländer in deren Heimatländer zurück-führen kann. Und wenn wir dann endlich unsere Ruhe haben, machen wir uns ei-nen leckeren Bohneneintopf und gucken

„Schwarzwaldmädel“. Da das viel interes-santer als diese ausländischen Filme ist, brauchen wir dazu auch keinen Kaffee. Den abendlichen Wodka sparen wir uns auch.

Wenn alle Ausländer wieder zurück in ihren Ländern sind, können wir auch

endlich unsere Schrebergärten vergrößern und dort Müllberge anlegen, mit allen ausländischen Produkten, die eh keiner braucht: Laptops, Handys, Reiseführer fürs Ausland und so weiter und so weiter. Aber keine Angst, wenn dieser Müllberg so groß wird, dass er den ganzen Schre-bergarten einnimmt. Gegen den Schre-cken helfen ein paar entspannte Urlaubs-tage auf dem Land. Da kann man bequem mit dem deutschen Auto hinfahren. Bei vielen Autos müsste man die Reifen aller-dings abnehmen. Aber das macht ja gar nichts, schließlich müssen wir von nun an gar nicht mehr ins weit entfernte Spa-nien, sondern haben die schöne Ucker-mark direkt vor der Haustür.

Ohne Ausländer und deren Pro-dukte wäre alles wirklich viel besser. Wer braucht schon Vielfalt, wenn es auch Ein-falt gibt?

Nur eins wäre wirklich schade: Die armen Rechtsextremen hätten dann leider gar nichts mehr zum Anziehen. Denn eine ihre liebsten Kleidermarken, Thor Steinar, wurde von einem Araber gekauft. Wer deutsch sein will muss frieren!

Von wegen döneR macHt scHöneR immeR meHR Von diesen ausländeRn kommen in unseR deutscHes land und eRscHweRen uns allen unseR leben. oHne ausländiscHe pRodukte wäRe unseR land Viel scHöneR. ein satiRiscHeR ausblick Von anoja peRinpanatHan von anoJa perinpanathan

FRuchtFleisch Wie nehmen sie Rechtsextremismus in den medien wahr?

Foto: pro deutschlanditalien macht es VoR: den döneR in die tonne tReten

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im RecHten licHt -odeR nicHt? RecHtsextReme sind eine gefaHR füR die gellscHaft und müssen tHematisieRt weRden. dazu geHöRen sie aucH VoR die kameRa, meint fRitz Habekuss - damit die zuscHaueR die mecHanismen duRcHscHauen kön-nen. anna lang findet das gefäHRlicH: im inteRView können RecHte iHRe menscHenVeRacHtende Hetze losweRden, jouR-nalisten düRfen iHnen keine plattfoRm bieten. eine gegenü-beRstellung. von Fritz habekUss Und anna lang

PRO Niemand will sie sehen, niemand will sie reden

hören. Und trotzdem: Rechte sollen vor Kameras und Mikrofonen sprechen dür-fen. Was heißt dürfen – sie müssen!

Wer solch ein verqueres Weltbild hat, wird sich von allein seiner Men-schenverachtung und seinem Populismus entlarven. Journalisten müssen ihren Zuschauern zutrauen, die Maschen zu durchschauen. Schließlich kommen diese auch im Alltag mit rechter Propaganda in Berührung – warum sollten Medien so tun, als gäbe es die Wirrköpfe nicht?

Auf keinen Fall darf dürfen Rechts-extreme und Rechtspopulisten jedoch unkommentiert und unvorbereitet auf die Zuschauer gelassen werden. Journalisten müssen das Gesagte einordnen.

Dazu gehören auch gut ausgebil-dete und vorbereitete Journalisten – denn gefährlich ist es allemal, Rechte vor die Kamera zu bitten. Reporter oder Modera-toren müssen die Tricks kennen und wis-sen, wie man ihnen begegnet. Sonst ge-schieht es tatsächlich, dass Kameras und Mikrofone der Sender zu Sprachrohren von Ultrarechten werden.

Außerdem haben Journalisten die Aufgabe alle politischen Akteure zu Wort kommen zu lassen. Dazu gehören

– leider – auch Rechtsextreme. Es wäre schön, wenn es nicht so wäre. Doch aussuchen können es sich Journalisten nicht – schließlich sind Parteien und Po-litiker vom Volk gewählt worden. Das zu ignorieren, ist ein Fehler. Denn es ist ein Problem, das thematisiert werden muss. Aber bitte nur von Journalisten, die gut recherchiert haben und auch gegen rhe-torisch gut Geschulte argumentieren kön-nen. Denn Rechte wissen oft nur zu ge-nau, die Verunsicherung im Umgang mit ihnen zu nutzen.

Beispiele dafür gibt es einige. Ich erinnere mich an eine Runde, bei der ein NPD-Mann vor dem MDR-Mikrofon

schnell seine menschenverachtenden Pa-rolen aufgesagt hat. Die Reporterin war sichtlich hilflos. Ein gelungenes Beispiel zeigt die Sendung extra3 des NDR, die der NDP mit Satire begegnet. Die Drag Queen Olivia Jones hält als Reporterin böse bli-ckenden NPD-Männern das Mikro unter die Nase und fragt einfach drauflos. Die Gefragten können auf die naiven Fragen kaum reagieren, wirken verloren und alles andere als clever. Niemand würde der NPD zugestehen, diesen Beitrag für die eigene Propaganda ausschlachten zu können. Doch Satire ist nur ein Weg um extremen Rechten zu begegnen – eine wirkliche Auseinandersetzung muss an-ders aussehen.

Das ist nicht einfach, denn das Grundproblem in der Diskussion bleibt bestehen: Rassisten müssen nicht als Ge-sprächspartner akzeptiert werden. Doch anscheinend sehen viele Menschen das anders – so viele, dass Ultrarechte in Regional- und Kommunal-Parlamente in Deutschland einziehen.

Dieser Bedrohung müssen sich Jour-nalisten stellen – nach reiflicher Abwä-gung und intensiver Vorbereitung. Denn Rechtsextreme stellen eine Gefahr für die Gesellschaft dar – vor allem wenn sie in deutschen Parlamenten sitzen. Auch wenn es schwer ist: Journalisten dürfen sich vor der Verantwortung nicht drücken.

contRa Er plaudert über seine

Jugend als Fußballfan - und schimpft nebenbei über ehemalige türkische Mit-schüler, die seine ganze Realschulklasse mit mangelnden Sprachkenntnissen auf-gehalten hätten. Ein authentischer Rück-blick auf Leben und Motivation eines Politikers oder gefährliche Propaganda? Diese Szene stammt aus einem Interview mit Holger Apfel, dem Chef der NPD im Sächsischen Landtag. Gesendet wurde es im MDR 1 Radio Sachsen. Wollen wir so etwas wirklich hören?

Jede Erwähnung rechtsextremer oder rechtspopulistischer Organisationen kommt einer Werbung für diese gleich. Wenn Rechtsradikale ihre Parolen und Ansichten frei mitteilen können, werden sie bekannter und eventuell auch popu-lärer. Publicity für Rechte – das steht au-ßer Frage.

Trotzdem hoffen oder erwarten man-che Journalisten einen Rechtsextremisten als solchen entlarven zu können. Aber das klappt eigentlich nie. Wie radikal ei-nige Rechte sind, ist oft eh schon bekannt. Zu hoffen, einem rhetorisch geschulten Politiker ein verfassungsfeindliches Zitat zu entlocken, ist illusorisch.

Darum hat rechtsradikales Gedan-kengut nichts in den Medien zu suchen. Vor allem im Internet sind rechtsradika-le Parteien eh schon aktiv genug. Die selbst geschaffenen Plattformen, auf de-nen Rechtsradikale ihre Ansichten aller Welt mitteilen, sind von beunruhigender Größe. Rechte von der NPD und anderen Organisationen haben auch noch mehr PR-Tricks auf Lager: dazu gehören eigene Publikationen, die kostenlos als schein-bar neutrale Lokalzeitungen verteilt wer-den. Rechtsradikale Aussagen sind also weit verbreitet. Seriöse Medien dürfen dies nicht noch zusätzlich unterstützen.

Ein Interview mit einem NPD-Abge-ordneten zu verweigern ist keine Zensur.

Menschen, die sich rassistisch oder aus-länderfeindlich äußern, sollte man nicht ungefiltert reden lassen. Es spricht aber nichts dagegen, Rechtspopulisten oder sogar Rechtsradikale in einem Text zu zitieren. Wichtig ist der kritische Zusam-menhang.

Medien müssen ihre Nutzer über Politik und Gesellschaft aufklären. Nicht mit Parolen beeinflussen oder verwirren. Rechtsradikalismus kann nicht außer Acht gelassen oder gar totgeschwiegen werden. Es ist ein wichtiges Thema, da-rüber müssen alle informiert werden. Doch moralisch verwerfliche Aussagen darf man nicht wiedergegeben ohne sie gleichzeitig als solche zu entlarven. Nicht jeder kann rechtes Gedankengut richtig einordnen.

Nach einem Interview bedanken sich oft Journalist und Interviewpartner für das Gespräch. Rechtsradikale dürfen keinen Anlass dazu bekommen. Nein danke. Das wollen wir gar nicht hören. Rechtsradikale, behaltet eure Gedanken lieber für euch!

Fritz Habekuß21 Jahre, Dortmund

studiert Wissenschaft-journalismus, Biowissen-schaften und Medizin in Dortmund. Er schreibt für SPIEGEL Online und den Tagesspiegel.

Anna Lang18 Jahre, Aschaffen-burg

studiert bald Politikwis-senschaften und Soziolo-gie in Würzburg.

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Foto: pro deutschland

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Laura Ilg18 Jahre, Dettingen

macht nächstes Jahr Abitur und schreibt als freie Mitarbeitern u.a. für die Neu-Ulmer Zei-tung, den Schekker und TO4KA-Treff.

Ein knallroter Strich verdeckt die Mo-schee. Darunter prangt der Slogan:

„Wählen gehen für Thilos Thesen!“ Das reißerische Plakat der ultrarechten Partei Pro Deutschland findet sich Anfang Au-gust an vielen Orten in Berlin. Mal gegen-über der Dönerbude, mal hochoben an ei-ner Straßenlaterne. 15.000 Plakate sollen laut Angaben der Partei berlinweit aufge-hängt worden sein. Diese Wahlkampfof-fensive ist nicht weiter verwunderlich

– am 18. September stehen die Wahlen zum Berliner Abgeordnetenhaus und der Bezirksverordnetenversammlung an.

Diese Plakate sind typisch für die PR-Strategie rechtsgerichteter Parteien. Sie setzen auf medienwirksame Provoka-tionen, um sich in die Öffentlichkeit zu spielen

In diesem Fall berichtete die Öffent-lichkeit nicht nur über die Plakataktion, sondern auch ihr juristisches Nachspiel. Thilo Sarrazinsah sah sein Recht ver-letzt, wollte nicht für Pro Deutschland werben. Daraufhin untersagte das Land-gericht Berlin die Plakataktionen. Für Pro Deutschland ist das eine juristische Schlappe. Und ein Riesenerfolg in Sachen Publicity.

um ein seRiöses eRschei-nungsBild Bemüht

Längst hat sich der Auftritt der ul-trarechten Parteien nach außen gewan-delt. Dieses Auftreten ist gut organisiert: interne Pamphleten der NPD geben Ver-haltensregeln für verschiedene Veranstal-tungen vor. Beispielsweise sollen sich NPD-Mitglieder in der Öffentlichkeit grau und gedeckt kleiden, unauffällig eben.

Ebenso vertrauensvoll wollen die Kandidaten auf Wahlplakaten wirken. Da ist beispielsweise Jens Gatter von der NPD, der 2008 zum Nordsächsischen Kreisrat gewählt wurde. Auf seinem Wahlplakat präsentiert er sich mit wei-ßem Hemd und schwarzem Pullunder. Im Hintergrund steht eine Windmühle – ein ländliches Idyll. Dazu der Spruch: „Verga-be von öffentlichen Aufträgen an örtliche Unternehmen, um Arbeit und Kaufkraft in der Region zu halten.“

An dieser Stelle zeigt sich eine wei-tere beliebte PR-Strategie ultrarechter Par-teien. Sie versuchen, über kommunale Themen Wähler zu ködern. So setzt Pro Deutschland in Berlin auf Bürgernähe, auf den Wahlkampf direkt im Kiez. Die selbsternannte Bürgerbewegung ist mit Kundgebungen und nahezu täglichen In-foständen im Berliner Stadtbild präsenter als die etablierten Parteien.

Das zeigt sich auch im Wahlkampf der NPD in Mecklenburg-Vorpommern. Sie positioniert sich gegen Abwande-rung, kämpft für das „Hierbleiben“. Die

NPD als Kummerkasten, als diejenigen, die als Einzige die Bedürfnisse vor Ort kennen. Der Wähler soll den Eindruck bekommen: Egal, ob es um das extreme Verkehrsaufkommen von Bundesstraßen oder die mangelhafte Ausstattung der lo-kalen Feuerwehr geht. Die NPD kümmert sich. Schwingt nicht nur Reden, sondern nimmt das Problem in die Hand. Laut des Internetportals „Mut gegen rechte Gewalt“ ziehen NPD-Mitglieder dafür schon mal mit der Spendenbüchse durch ein Dorf, um für die lokale Feuerwehr zu sammeln. Mitglieder der freiwilligen Feuerwehr, die ihren Verein unterstützen wollen, schlie-ßen sich den Kameraden der NPD an. So lassen sich Aktionen wie diese wunder-bar mit der Anwerbung neuer Mitglieder verbinden.

Rassistische sPRüche zu-hauF

Erst umschmeicheln, dann zu-schlagen. NPD-Wahlkampf kann zuerst harmlos wirken, aber auch knallhart sein. Im Wahlkampf für die Landtagswahl in Mecklenburg-Vorpommern 2011 wird aus Rassismus und Islamfeindlichkeit kein Hehl gemacht: „Kriminelle Ausländer raus! Damit Sie sich auch noch morgen auf die Straße trauen können!“, „Arbeits-plätze sichern – Grenzen dicht! Polen of-fen? Arbeit futsch! Auto weg!“ Mal zeigt sich die NPD als Beschützer, mal zeigt sie, wie nötig dieser Schutz ist.Sie schürt Äng-ste vor zunehmender Arbeitslosigkeit und sinkenden Löhnen.

„Die NPD befindet sich auf einer Gradwanderung. Sie muss vom rechten CDU-Rand bis zur Nazi-Szene alles bedie-nen“, erklärt Journalist Johannes Radke. Beispielhaft für eine an die Nazi-Szene gerichtete Werbeaktion ist das Kreuzwort-rätsel in der Wahlkampfzeitung der Berli-ner NPD. Diese ist ohne weiteres über die Homepage der Berliner NPD abzurufen. Gesucht sind Begriffe wie „Abkürzung für Nationalsozialismus“ und ein „deut-scher Politiker („Friedensflieger“) des 20. Jahrhunderts“. Die Rede ist von Rudolf Heß, ein nationalsozialistischer Politiker, den Hitler 1933 zu seinem Stellvertreter ernannte. Das anstelle von Internet ver-wendete Wort „Weltnetz“ ist klassischer Nazi-Jargon. Des Rätsels Lösungswort:

„Adolf“. Wer den „deutschen Vornamen, der etwas aus der Mode gekommen ist“ errät, kann sogar auf den Gewinn eines Fahrrads hoffen. Mit Aktionen wie dieser sendet die Partei eine klare Botschaft an die Nazi-Szene: Wir lassen uns nicht ein-schüchtern, sind echt und werden nicht weich.

Hier wird der Unterschied zwischen rechtspopulistischen Parteien wie Pro Deutschland und der NPD besonders

deutlich. Pro Deutschland gibt sich bür-gerlicher und biederer. Sie lehnt den hi-storischen Nationalsozialismus ab und ist im Gegensatz zur NPD pro-israelisch und pro-amerikanisch.

PRoFessionelle PR-aRBeit

Ultrarechten Parteien stellen sich in Wahlkampf und Internet immer professi-oneller dar. Sie haben erkannt, wie wich-tig PR ist. Dazu zählt auch ein modernes und ansprechendes Design. 2002 wirkte die NPD-Homepage noch wie das Werk eines Amateurs, heute ist sie ansprechend gestaltet und wird fast täglich aktualisiert

Längst hat die NPD eigene Grafiker an der Hand, auch einzelne Werbeagen-turen lassen sich dem rechten Milieu zuordnen. In Aschaffenburg gibt es die Werbeagentur „Propagandakompanie“, die Cover für die CDs von Nazibands und Motive für Nazi-T-Shirts entwirft. Allein der Name der Agentur ist vorbelastet. Die Propagandakompanie war zur Zeit des Nationalsozialismus eine Truppengattung der Wehrmacht. Der Inhaber der Agentur, Falko Schüßler, ist bekannt in der rechten Szene.

Wie sich die NPD einen Wahlkampf und PR leisten kann? Finanziert werden sie aus öffentlichen Geldern, die die Partei für ihre mehr als 300 Kommunal-mandate und das Mandat im sächsischen Landtag erhält. Trotzdem ist die NPD sehr auf Spendengelder angewiesen. „Der Wahlkampf wird auch aus eigener Ta-sche finanziert. Die Kandidaten nehmen eigene persönliche Belastungen in Kauf“, erklärt die freie Journalistin Andrea Röp-ke. Die finanziellen Mittel für den Wahl-kampf sind also längst nicht so üppig wie bei anderen Parteien. Geringe Kosten und dennoch maximale Aufmerksamkeit – mit Provokation geht diese Rechnung oft auf.

pRoVokationpuR mit knallHaRten slogans geHen ultRaRecHte paRteien auf wäHleRfang. die deVise lautet: möglicHst Viel aufmeRksamkeit. von laUra ilg

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mit mut VoRan wenn alljäHRlicH tausende menscHen in dResden gegen den gRössten naziauf-maRscH euRopas pRotestieRen, VeRbindet sie VoR allem mut. eR ist deR motoR iHRes ziVilen ungeHoRsams. und deR motoR deR demokRatie. ein kommentaR von Florian hirsch

Thomas Schulz, Hans-Peter Zarse, Yeliz Arslan, Klaus Dieter Harms, Olaf Sch-

midke ... – die Liste der Todesopfer rech-ter Gewalt ist lang. Viel länger, als es die Angaben der Bundesregierung vermuten lassen. Von 47 Opfern seit 1990 wird offi-ziell berichtet. Seit 1990 sind in Deutsch-land aber wahrscheinlich über 140 Men-schen von Rechten getötet worden. Die Schere zwischen beiden Zahlen ist gewal-tig. Dass es überhaupt eine realistische Statistik gibt, ist engagierten Journalisten und Initiativen zu verdanken. Durch aufwändiges Recherchieren und konse-quentes Nachfragen ist es ihnen gelun-gen, auch dort einen rechten Hintergrund nachzuweisen, wo zuvor die Sicherheits-behörden von einem Raubüberfall oder einem Streit zwischen Jugendlichen mit tödlichem Verlauf sprachen.

Ihre Arbeit ist mühselig. Sie stöbern tagelang in Archiven, reisen von einem Naziaufmarsch zum nächsten, sprechen mit Opfern, Sicherheitsbehörden und Ex-perten. Sie robben mitunter durch Wälder oder verstecken sich auf Dachböden, um auch konspirative Treffen fotografieren und filmen zu können. Wie bei einem Puzzle gilt es, die kleinsten Details zu einem vollständigen Bild zusammenzufü-gen. Die entstehenden Bilder geben tiefe Einblicke in die Strukturen und Aktivi-täten der rechten Szene. Netzwerke, Wirt-schaftskreisläufe, die Vergangenheit von Spitzenkandidaten. Um braunen Umtrie-ben etwas entgegensetzen zu können, ist mitunter das kleinste Detail wichtig.

Die Arbeit ist körperlich anstren-gend, psychisch belastend und mitunter auch gefährlich. Wer rechte Gewalt selbst erlebt hat, weiß, welche Ohnmacht sie hervorrufen kann. So weit braucht es nicht einmal zu kommen. Schon allein die Eindrücke und Erlebnisse, die bei der Recherche vor Ort gesammelt werden, die Schicksale von Opfern und die fanatische Gedankenwelten der Rechten rütteln an den Nerven. Es lässt sich manchmal nur schwer verdauen, auf welche Unglaub-lichkeiten die Auseinandersetzung mit Rechten ans Licht bringen kann. Etwa die Geschichte der Lehrerin einer Grund-schule, die ihren Schützlingen Spenden-aufrufe für „gefangene Kameraden“ per E-Mail schickt und gleich mit „88“ oder

„Heil Hitler“ unterschreibt. Oder eine Reit-schule, die „national Gesinnten“ Rabatte gewährt und im selben Atemzug auch si-cherstellt, dass die Kinder „gemäß ihrer Weltanschauung“ in den Reitstunden ein-geteilt werden.

noch immeR WiRd zu oFt Weggeschaut.

Was die Menschen im Kampf gegen die rechte Szene verbindet ist vor allem

Mut. Mut, die Augen nicht zu verschlie-ßen, wenn andere schon längst weg-schauen. Mut, sich nicht einschüchtern zu lassen, Anfeindungen und Drohungen auszuhalten. Mut nachzufragen, auch dann noch, wenn man selbst von Demo-kraten als nervender Querulant diskredi-tiert wird. Mut, nicht aufzugeben.

Doch gerade diese Courage fehlt an vielen Stellen. Noch immer wird zu oft weggeschaut. Wenn Rassisten pöbeln, schlagen und morden. Wenn die rechte Mutter zum Kuchenbasar eine Haken-kreuztorte bäckt. Oder wenn Jugendliche

„Störkraft“ oder „Kategorie C“ als Lieb-lingsband nennen. Zu oft schauen auch offizielle Stellen weg und ducken sich, wenn eine klare Position dringend nötig ist. Wenn es unangenehm wird, sprechen sie von Imageschädigung, Hysterie oder negativen Folgen für den Tourismus. Aber ein Naziproblem, das sehen sie nicht. In-formationen zurückzuhalten, Situationen zu beschönigen oder Geschichten solange zu verdrehen, bis die Nazigegner selbst kriminalisiert werden, spricht vor allem für Opportunismus und Selbstgefällig-keit. Für Opfer rechter Gewalt hat solch ein Verhalten eine doppelte Auswirkung. Zum einen ergänzt fehlende Solidarität mit Opfern rechter Gewalt ihre körper-lichen Narben um seelische. Zum ande-ren steigt die Gefahr für all jene, die von Rechten als Feine markiert sind, bei aus-bleibendem Gegenwind.

Und auch aus der Bundespolitik kommen elf Jahre nach dem „Aufstand der Anständigen“ wieder falsche Signale.

Die Etats der Bundesprogramme gegen Rechts werden zusammengestrichen. In-itiativen und Organisatoren müssen in einigen Bundesländern die sogenannte

„Extremismusklausel“ unterzeichnen. Die soll sie verpflichten, sicherzustellen, dass sie nicht mit Organisationen oder Refe-renten zusammenarbeiten, denen „ex-tremistische Bestrebungen“ vorgeworfen werden. Gemeint sind damit vor allem unbequeme Linke. Der Verfassungsschutz und auch viele Ministerien bedienen sich noch immer der sogenannten „Hufeisen-theorie“. Sie zeichnet eine Gesellschaft, deren Mitte demokratisch und deren Rän-der extremistisch sind. Doch zahlreiche Studien belegen, dass es solch eine Mitte gar nicht gibt. In allen Teilen der Bevölke-rung sind rassistische Ressentiments ver-breitet, gelten chauvinistische Ansichten und antisemitische Stereotype. Auch die Gleichsetzung von Links und Rechts hält keiner wissenschaftlichen Untersuchung stand. Ein Blick in die Welt zeigt außer-dem: Kein anderes Land kennt einen Ex-tremismusbegriff, wie ihn die Bundesre-publik nutzt.

ohne mut Keine demoKRatie.

Demokratie lebt von Kommunika-tion, von Anstrengung, von Streit. Mut ist dabei impliziert. Nur mit Mut können Missstände angesprochen und aufgezeigt werden. Nur mit Mut können sie abge-schafft werden. Nur mit ihm können Minderheiten ihr Recht einklagen. Nur mit ihm sind gesellschaftliche Diskurse

möglich. Mut füllt Demokratie mit Leben und ist Grundvoraussetzung für demo-kratische Entwicklung.

Die Zivilgesellschaft darf den Mut nicht verlieren. Sie muss auch zukünftig mit gehobenem Haupt und klarem Blick voran gehen, um den braunen Umtrieben in unserer Gesellschaft Einhalt zu gebie-ten. Aufklärung und Bildung sind dabei ebenso wichtig, wie ziviler Ungehorsam und ein aus der Geschichte abgeleitetes, antifaschistisches Demokratieverständnis. Ob ReachOut, die Amadeu-Antonio-Stif-tung, das Netz-gegen-Nazis oder lokale Initiativen und Antifagruppen: Die Arbeit, die sie tagtäglich leisten, wird so lange bitter nötig sein, wie rechtes Gedanken-gut Verbreitung und Akzeptanz findet. Es gilt, sich nicht abschrecken zu lassen und mutig weiterzumachen.

Florian Hirsch25 Jahre, Berlin

leitet das Medienprojekt politikorange. Neben den Redaktionen und Work-shops organisiert erauch Partys und Kulturver-anstaltungen.

stendal ist mutig und demonstRieRt gegen nazis Foto: Marcus scholz /jugendfotos.de

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A ls Veranstaltungszeitung, Magazin, Onlinedienst und Radioprogramm

erreicht das Mediennetzwerk politikoran-ge seine jungen Hörer und Leser. Krieg, Fortschritt, Kongresse, Partei- und Ju-gendmedientage – politikorange berichtet jung und frech zu Schwerpunkten und Veranstaltungen. Junge Autoren zeigen die große und die kleine Politik aus einer frischen, fruchtigen, anderen Perspektive.

PolitiKoRange – das multimedium

politikorange wurde 2002 als Veranstal-tungszeitung ins Leben gerufen. Seit da-mals gehören Kongresse, Festivals und Jugendmedienevents zum Programm. 2004 erschienen die ersten Themenma-gazine: staeffi* und ortschritt*. Während der Jugendmedientage 2005 in Hamburg wurden erstmals Infos rund um die Ver-anstaltung live im Radio ausgestrahlt und eine 60-minütige Sendung produziert.

Wie Komm’ ich da Ran?

Gedruckte Ausgaben werden direkt auf Veranstaltungen, über die Landesver-bände der Jugendpresse Deutschland e.V. und als Beilagen in Tageszeitungen verteilt. In unserem Online-Archiv ste-hen bereits über 50 politikorange-Ausga-ben und unsere Radiosendungen sowie Videobeiträge zum Download bereit. Dort können Ausgaben auch nachbe-stellt werden.

WaRum eigentlich PolitiKoRange?

In einer Gesellschaft, in der oft über das fehlende Engagement von Jugend-lichen diskutiert wird, begeistern wir für eigenständiges Denken und Han-deln. politikorange informiert über das Engagement anderer und motiviert zur Eigeninitiative. Und politikorange selbst ist Beteiligung – denn politikorange ist frisch, jung und selbstgemacht.

WeR macht PolitiKoRange?

Junge Journalisten – sie recherchieren, berichten und kommentieren. Wer neu-gierig und engagiert in Richtung Journa-lismus gehen will, dem stehen hier alle Türen offen. Genauso willkommen sind begeisterte Knipser und kreative Köpfe fürs Layout. Den Rahmen für Organisa-tion und Vertrieb stellt die Jugendpresse Deutschland. Ständig wechselnde Redak-tionsteams sorgen dafür, dass politikoran-ge immer frisch und fruchtig bleibt. Viele erfahrene Jungjournalisten der Jugend-presse stehen mit Rat und Tat zur Seite.

Wer heiß aufs schreiben, fotogra-fieren, mitschneiden ist, findet Infos zum Mitmachen und zu aktuellen Ver-anstaltungen im Internet oder schreibt einfach eine eMail.. Die frischesten Mit-machmöglichkeiten landen dann direkt in Deinem Postfach

[email protected]

frisch, fruchtig, selbstgepresst – [email protected]

diese ausgabe von politikorange entstand während des medienworkshops „medien und Rechtsradikalismus“, der vom 09. bis 12. august 2011 in Berlin stattfand.

herausgeber und Redaktion: politikorange – netzwerk Demokratieoffensive, c/o Jugend-presse Deutschland e.V., Wöhlertstraße 18, 10115 Berlin, www.politikorange.de

chefredaktion (V.i.s.d.P.): nora Lassahn ([email protected]),Adrian Bechtold([email protected])

Redaktion: Laura Ilg, Anita Schedler, Anna Lang, Melanie Bumann, fritz habekuß, Anoja Perinpanathan, franziska Baur, Alisa fluhrer, Jennifer Töpperwein

Bildredaktion: Jonas fischer(www.jonas-fischer.com)

layout: Jakob Bahr ([email protected])

Koordination: florian hirsch([email protected])

druck: BVZ Berliner Zeitungsdruck Gmbh)

auflage: 5.000 Exemplare

imPRessum

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acHtung, HieR spRicHt deRnationalsozialismus du dacHtest, übeR RecHtsextRemismus wüRden wiR Heutzutage nicHt meHR genug Reden? VielleicHt tust du es docH HäufigeR, als du denkst. diese Rede-wendungen Haben es gescHafft, sicH aus deR ns-zeit Hinaus unbemeRkt diRekt in unseRen woRtscHatz zu scHleicHen.

„Jedem das seine“

Nicht nur im Alltagsgespräch rutscht dieser Satz Einigen über die Lip-pen. Auch Tchibo und Esso warben bei einer PR-Aktion mit dem Slogan

„Jedem den Seinen“, mussten diese aber wegen massiver öffentlicher Beschwerden einstellen. Denn diese Redewendung stand auch über dem Eingang des Konzentrationslagers Buchenwald.

„seleKtion/seleKtieRen“Biologen sprechen bei der Evolution von Selektion. Einige entdecken da-ran einen negativen Beigeschmack. Ab den sechziger Jahren verwende-ten Wissenschaftler diesen Begriff, um damit die durchgeführte „Abson-derung“ der Häftlinge in den Konzen-trationslagern zu bezeichnen.

„mädel“Die meisten denken sich nichts dabei, wenn sie von einem „Mädel“ spre-chen. Dabei kann man diesen Begriff durchaus kritisch sehen. Durch die

„Jungmädel des Nationalsozialismus“ und dem „Bund deutscher Mädel“ wurde dieser Begriff negativ belegt. Letzteres war übrigens 1944 die größte weibliche Jugendorganisation der Welt.

„sondeRBehandlung“

Bei Streitigkeiten fällt vielleicht öf-ters der Satz: „Junge, du brauchst eine Sonderbehandlung“. Doch die-ses Wort ist bedenklich: Es war eine Tarnbezeichnung der SS für die Er-mordung von Menschen. So etwas sollte man einem Freund lieber nicht an den Kopf werfen.

„dachoRganisation“Während es heute Dachorganisati-onen für harmlose Dinge wie Sport-vereine oder Handelskammern gibt, wurde der Begriff damals von den Nationalsozialisten stark geprägt. Es gab sogar eine Dachorganisation des deutschen Katzenwesens.

„sicheRgestellt“

„Das Beweismaterial wurde sicher-gestellt.“ Solche Sätze hört man oft. Doch woher stammt eigentlich dieses Wort aus dem Fachjargon? Es wurde benutzt, wenn die Gestapo privaten jüdischen Besitz raubte. Sie wollten nicht als Diebe bezeichnet werden.

„du Bist deutschland“

Was eigentlich als bunte Kampagne für Optimismus und Offenheit ge-plant war, hat einen bitteren Beige-schmack. Der schwungvolle Spruch stammt nämlich nicht nur aus der Feder einer kreativen Agentur. Schon um 1930 wurde „Denn du bist Deutschland“ propagiert - gemeint war damals aber nicht das Volk, son-dern Hitler.

„mutteRtag“Die Nazis haben den Muttertag nicht erfunden. Sie haben ihn aber als of-fiziellen Gedenktag in ihrer rassisti-schen Ideologie verankert. Die Frau als Gebärinstrument für die Herren-rasse - damit identifizieren wir den heutigen Muttertag zum Glück nicht mehr.

„oRganisieRen“

Statt etwas zu kaufen, wurde in der Nazizeit alles organisiert, denn es gab ja kaum noch etwas zu kaufen. Auch heute noch organisiert man sich ein Taxi, oder am nächsten Ki-osk ein Bier.