Sanierungsmaßnahmen am Dom St. Marien in Zwickau

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423 Fachthemen © Ernst & Sohn Verlag für Architektur und technische Wissenschaften GmbH & Co. KG, Berlin · Bautechnik 81 (2004), Heft 6 gen der Pfeiler bis zu 16 mm/m und große Risse in den Strebepfeilern auf. 1978 wurde der Zwickauer Stein- kohlenbergbau eingestellt. Nach dem Abklingen der Bergsenkungen im Zeitraum zwischen 1960 und 1976 zeigten sich ab 1989 überraschend Hebungen des Geländes um den Dom, die allerdings in den letzten Jahren wieder im Abklingen begrif- fen sind. Von Prof. Fenk (TU Bergaka- demie Freiberg) wurde festgestellt, daß eine von Nordost nach Süd- west gerichtete tektonische Bruch- linie diagonal durch den Untergrund des Doms verläuft und zur Unregel- mäßigkeit der Bergsenkungen bzw. Berghebungen beigetragen hat. Bild 1 zeigt den Grundriß des Doms und Bild 2 die Schieflagevektoren, die [1] entnommen sind. 1 Einleitung Die Standsicherheit des Zwickauer Doms ist wesentlich vom früheren Steinkohlenbergbau in diesem Re- vier beeinflußt. Seine Blütezeit lag etwa zwischen 1850 und 1950. Un- ter dem Zwickauer Stadtzentrum wurde die Steinkohle hauptsächlich zwischen 1920 und 1940 abgebaut, wobei es vielseitige Überlegungen und Verhandlungen über die Aus- wirkungen des Bergbaus an der Ta- gesoberfläche gab. Für den Dom- bereich waren zunächst nur 0,6 m Bergsenkung erwartet worden, tat- sächlich wurden es nahezu 4 m [1]. Diese auch ungleichmäßigen Sen- kungen führten zu außerordentli- chen Beanspruchungen des gesam- ten Baukörpers und zu Schäden. So traten u. a. erhebliche Schiefstellun- Der Dom St. Marien in Zwickau ist Zeugnis einer 880 Jahre alten und sehr wechselvollen Baugeschichte. Das Gebiet um die spätgotische dreischiffige Hallen- kirche hat sich durch den Steinkohlenbergbau um durchschnittlich 4 m gesenkt und 1,30 m nach Süd- osten bewegt. Dadurch sind am Bauwerk erhebliche Beanspruchungen, Risse und andere Schäden ent- standen. Maßnahmen zur Instandsetzung und zur Dauerüberwachung des Bauwerks werden beschrie- ben. Rehabilitation measures at the St. Marien’s Ca- thedral in Zwickau. St. Marien’s Cathedral in Zwic- kau is the evidence of an 880 years old and very changing history. The region around the three-span Gothic hall church subsided 4 m and shifted 1,30 m to south-east as a result of the coal mining. Consi- derable stresses, cracks and other damages occur- ed in the structure. Measures of repair and rehabili- tation and some aspects of monitoring of the struc- ture are described in this paper. Michael Kühn Heinz Opitz Sanierungsmaßnahmen am Dom St. Marien in Zwickau Bild 1. Grundriß des Doms (Emporengeschoß) Fig. 1. Plan view of the Cathedral (gallery floor)

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© Ernst & Sohn Verlag für Architektur und technische Wissenschaften GmbH & Co. KG, Berlin · Bautechnik 81 (2004), Heft 6

gen der Pfeiler bis zu 16 mm/m undgroße Risse in den Strebepfeilern auf.1978 wurde der Zwickauer Stein-kohlenbergbau eingestellt. Nach demAbklingen der Bergsenkungen imZeitraum zwischen 1960 und 1976zeigten sich ab 1989 überraschendHebungen des Geländes um denDom, die allerdings in den letztenJahren wieder im Abklingen begrif-fen sind.

Von Prof. Fenk (TU Bergaka-demie Freiberg) wurde festgestellt,daß eine von Nordost nach Süd-west gerichtete tektonische Bruch-linie diagonal durch den Untergrunddes Doms verläuft und zur Unregel-mäßigkeit der Bergsenkungen bzw.Berghebungen beigetragen hat.Bild 1 zeigt den Grundriß des Domsund Bild 2 die Schieflagevektoren,die [1] entnommen sind.

1 Einleitung

Die Standsicherheit des ZwickauerDoms ist wesentlich vom früherenSteinkohlenbergbau in diesem Re-vier beeinflußt. Seine Blütezeit lagetwa zwischen 1850 und 1950. Un-ter dem Zwickauer Stadtzentrumwurde die Steinkohle hauptsächlichzwischen 1920 und 1940 abgebaut,wobei es vielseitige Überlegungenund Verhandlungen über die Aus-wirkungen des Bergbaus an der Ta-gesoberfläche gab. Für den Dom-bereich waren zunächst nur 0,6 mBergsenkung erwartet worden, tat-sächlich wurden es nahezu 4 m [1].Diese auch ungleichmäßigen Sen-kungen führten zu außerordentli-chen Beanspruchungen des gesam-ten Baukörpers und zu Schäden. Sotraten u. a. erhebliche Schiefstellun-

Der Dom St. Marien in Zwickau ist Zeugnis einer 880Jahre alten und sehr wechselvollen Baugeschichte.Das Gebiet um die spätgotische dreischiffige Hallen-kirche hat sich durch den Steinkohlenbergbau umdurchschnittlich 4 m gesenkt und 1,30 m nach Süd-osten bewegt. Dadurch sind am Bauwerk erheblicheBeanspruchungen, Risse und andere Schäden ent-standen. Maßnahmen zur Instandsetzung und zurDauerüberwachung des Bauwerks werden beschrie-ben.

Rehabilitation measures at the St. Marien’s Ca-thedral in Zwickau. St. Marien’s Cathedral in Zwic-kau is the evidence of an 880 years old and verychanging history. The region around the three-spanGothic hall church subsided 4 m and shifted 1,30 mto south-east as a result of the coal mining. Consi-derable stresses, cracks and other damages occur-ed in the structure. Measures of repair and rehabili-tation and some aspects of monitoring of the struc-ture are described in this paper.

Michael Kühn Heinz Opitz

Sanierungsmaßnahmen am Dom St. Marien in Zwickau

Bild 1. Grundriß des Doms (Emporengeschoß)Fig. 1. Plan view of the Cathedral (gallery floor)

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Eine Sanierung der Strebepfei-ler war dringend notwendig gewor-den, weil nicht nur die Ästhetikdurch die vorhandenen großen undbreiten Risse verletzt wurde, sondernauch ernste Bedenken zur ausrei-chenden Tragsicherheit bestanden.

2 Untersuchungen zur Stand-sicherheit der Strebepfeiler

2.1 Statische Untersuchungender Strebepfeiler Nordseite

Zur Standsicherheitsbewertung dertragenden Konstruktion des Domsin Zwickau wurden im Rahmen desModellvorhabens zur Beseitigungund Verhütung bergbaubedingterSchäden am Dom St. Marien eineReihe von Untersuchungen durch-geführt (vgl. z. B. [2], [3], [4]). Ineiner Diplomarbeit von Pannier [5]wurden sie letztlich zusammenge-faßt und Instandsetzungsvariantenvorgeschlagen. Darauf aufbauendwurde die Planung zur Sanierungder Pfeiler Nordseite [6] durchge-führt.

Bei der Spannungsberechnungergaben sich im Lastfall Eigenge-wicht Druckspannungen, die sichnoch über die gesamte Querschnitts-fläche des Pfeilers erstrecken undim zulässigen Bereich bleiben. BeiWindbeanspruchung wird die Druck-fläche wesentlich kleiner und reichtgerade noch bis zur Schwerelinie.Die berechneten maximalen Druck-spannungen betragen 1,73 N/mm2.Nach dem vereinfachten Berech-nungsverfahren der DIN 1053-1424

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gegeben. Diese auf der sicherenSeite liegenden Grundwerte der zu-lässigen Druckspannungen gelten imPrinzip für Neubauten. Auch wer-den die in DIN 1055 angegebenenWindlasten im Inneren der StadtZwickau wahrscheinlich nicht auf-treten. In [5] durchgeführte Berech-nungen der Mauerwerksdruckfestig-keit aus den Steindruckfestigkeitendes Zwickauer Kohlesandsteins undder Mörteldruckfestigkeit ergebenbei einer großen Streubreite im Mit-tel ca. 6 N/mm2, so daß noch eineausreichende Sicherheit vorhandenwäre, wenn die für die Berechnungangenommenen idealen Bedingun-gen eines Quadermauerwerks zu-treffen würden. Bohrungen zeigtenaber, daß dies nicht der Fall ist, son-dern im Inneren der Mauerwerks-pfeiler Hohlräume und Unregelmä-ßigkeiten anzutreffen sind (Bild 3)

Abschließend wurde festge-stellt, daß bei Zusammentreffen al-ler ungünstigen Einwirkungen und

wird für Güteklasse N 4, Steinfestig-keit ≥ 20 N/mm2, Mörtelgruppe Ider Grundwert der zulässigen Druck-spannung mit �0 = 1,2 N/mm2 an-

Bild 3. Bohrprofile aus Pfeiler 31 und Pfeiler 33Fig. 3. Drilling profiles from the pillar 31 and pillar 33

Bild 2. Schieflagevektoren beim Senkungsprozeß im Dombereich nach [1]Fig. 2. Inclined vectors at the settlement in the part of the Cathedral

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Materialwiderstände ein weiteresAufreißen der Strebepfeiler und eineGefährdung der Tragfähigkeit ein-treten kann. Deshalb mußte die In-standsetzung eine Verfestigung desMauerwerks vor allem im Innerenund eine Sicherung des Zusammen-haltens der Pfeiler zum Ziel haben.

2.2 Ertüchtigung desMauerwerks

Zur Ertüchtigung des Mauerwerkswurden folgende Teilmaßnahmenvorgesehen:– Verschließen der offenen Risse anden Pfeileroberflächen mit Rajasil-Injektionsmörtel oder Rajasil-Feinst-suspension in Abhängigkeit der je-weils vorhandenen Rißbreiten.– Nachdem eine Schließung deräußeren Risse und eine sorgfältigeVerdämmung erfolgt war, wurdendie inneren Hohlräume mit demgleichen Rajasil-Injektionsmörtelverfüllt. Die dadurch erreichte Sta-bilisierung des Kernes der Pfeilerbringt den Vorteil der Druckfestig-keitserhöhung des mehrschaligenMauerwerks. Nach Dahmann läßtsich so eine Riß- und Bruchfestigkeitvon 90 % des einschaligen Mauer-werks erreichen.

Beim Verfüllvorgang war dar-auf zu achten und nachzuweisen,daß die Steighöhe des noch flüssi-gen Injektionsguts begrenzt wird,damit durch hydrostatischen Druckund evtl. zusätzlichen geringen Ver-preßdruck keine unzulässigen De-formationen und Rißbildungen ander Mauerwerksaußenschale entste-hen. Erst nach Aushärten des inji-zierten Materials der einzelnen vonunten beginnenden Bauteilabschnittewurden die Arbeiten in dem nächsthöhergelegenen Abschnitt fortge-setzt.

2.3 Vernadelung der Strebe-pfeiler

Eine Vernadelung der Strebepfeilerwar aus folgenden Gründen unbe-dingt erforderlich:– Bei dem vorliegenden mehrscha-ligen Mauerwerk verbinden die Na-deln die Außenschalen durch diebeim Verfüllen/Verpressen verfestigteInnenschale hindurch.– Wenn weitere Verdrehungen oderVerschiebungen der Strebepfeilernach außen auftreten, muß gesichertwerden, daß der jetzt z. T. abgeris-

sene Pfeilerquerschnitt den Bewe-gungen mit folgt und nicht abreißt,weil sonst die Standsicherheit derPfeiler erheblich gefährdet wäre.

Für die Vernadelung wurdenKohlefaserstäbe angewendet. Sieweisen folgende wesentlichen Kenn-daten auf:Dichte 1,6 g/cm3

Durchmesser 7,5 mmQuerschnittsfläche 44 mm2

Zugfestigkeit 2300 MPaE-Modul 130 GPaScherfestigkeit 150 MPaThermischer Ausdehnungs-koeffizient �T 0,7 · 106 K–1

Kohlefasernadeln stellen eineneuartige Anwendung dar und wei-sen gegenüber Stahlnadeln ein duk-tileres und weniger temperaturemp-findliches Verhalten auf. Ihre Zug-festigkeit ist außerordentlich hoch.Nachzuweisen waren noch das– Verbundverhalten der Kohlefaser-stäbe im Mörtel und der VerbundMörtel-Natursteinmauerwerk unddas– Verhalten der Kohlefaserstäbe beiScherbeanspruchungen im Natur-steinmauerwerk.

Bei der im Bild 4 dargestelltenNadelanordnung erhalten aufgrundeiner statischen Berechnung die Na-deln maximale Zugkräfte von ca.

10 kN. Dabei wurde davon ausge-gangen, daß der durch die Rißbil-dung quasi abgerissene innere Teildes Strebepfeilers durch die Nadelnwieder angeschlossen und zum Tra-gen aktiviert werden muß.

Um die Zugübertragung durchdie Nadeln nachzuweisen, wurdeneine Reihe von Versuchen im Otto-Mohr-Laboratorium am Institut fürTragwerke und Baustoffe der TUDresden und vor Ort am ZwickauerDom durchgeführt. Die ersten Aus-ziehversuche von 3 Nadeln aus denepoxidharzgebundenen profiliertenKohlefasern mit rauher Oberflächedurch Quarzkörnungen (siehe aucho. g. Kenndaten) und einer Stahl-nadel mit ∅ 16 mm (BSt 500, ge-rippt) zum Vergleich erfolgten imJanuar 2001. Alle Nadeln waren inWürfel mit 20 cm Kantenlänge ausCottaer Sandstein eingemörtelt. DieBohrlöcher hatten ∅ 42 mm. AlsMörtel wurde Rajasil-Injektionsmör-tel verwendet. Es trat in allen Fäl-len Gleiten in der Verbundzone Na-del–Mörtel bei Ausziehkräften von11,5 bis 14,7 kN, bei der Stahlnadelschon bei 6,8 kN auf.

Weitere Versuche wurden mitneu ausgewählten Verpreßmörtelndurchgeführt, die ein besseres Bruch-verhalten zeigten (Bild 5). Es kamen

Bild 4. Vernadelung der StrebepfeilerFig. 4. Arrangement of the needles in the pillars

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waren ähnlich denen der Nordseite([7]), so daß auch hier die gleichenSanierungsmaßnahmen wie bei denStrebepfeilern an der Nordseite vor-genommen wurden. Es zeigte sich,daß bei ungünstigster Beanspru-chung die gerissene Zugzone 5 cmüber die Querschnittsschwerachsehinausgeht, das sind 2 % der Ge-samthöhe. Es wurde deshalb über-legt, eine nachträgliche Verstärkungder Pfeilerinnenseite z. B. mit Car-bonfasergelegen vorzunehmen. Da-mit kann erreicht werden, daß diebereits im ungünstigsten Fall aufge-rissene Zugzone nicht noch weiteraufreißt. Weil aber die Einleitungder Zugkräfte in den unteren Pfei-lerbereich konstruktiv sehr schwie-

Zementquellmasse 202 von HASITund Vandex-Verpreßmasse zum Ein-satz. Zur Prüfung wurden zwei Kalk-sandsteinblöcke mit je 3 in Kern-bohrungen (∅ 50 mm, � = 800 mm)eingemörtelte Kohlefaserstäbe (mit7,5 mm ∅) in das Otto-Mohr-Labo-ratorium angeliefert. 3 Kohlefaser-nadeln waren mit Zement-Quell-masse 202 von HASIT und 3 wei-tere mit Vandex-Verpreßmörtel ein-gebaut. Die Belastung erfolgte bisca. 50 kN (mit Sicherheit ausrei-chende Tragkraft), danach wurdeentlastet, um eine Schädigung derMeß- und Belastungstechnik durchein evtl. plötzliches Versagen desAnkers auszuschalten. Alle Ankerzeigten ein bis ca. 25 kN annä-hernd lineares Last-Verformungs-verhalten, und die nach Höchstbe-lastung und Entlastung erhaltenenbleibenden Verformungen warennicht größer als ca. 0,3 mm (s.Bild 6).

Beide eingesetzten Mörtel er-füllten im Versuch die gefordertenVerbundeigenschaften und zeigtenauch bei Ausziehversuchen vor Ortkeine Anzeichen einer Schädigung.Die Verträglichkeit der untersuchtenVerpreßmörtel zum Altmörtel undzu dem Kohlesandstein wurde vomLehrstuhl Baustoffe der TU Dres-den nachgewiesen.

Die Scherversuche zeigten biszu einer Querkraft von 10 kN so-wohl für RIPINOX-Nadeln als auchfür die Kohlefasernadeln ein annä-hernd lineares Kraft-Verschiebungs-

verhalten. Bei den RIPINOX-Nadelntrat darüber hinaus ein zunehmendnichtlinearer Verlauf bis 30 kN auf.Nach Ent- und Wiederbelastung warjedoch eine deutliche Entfestigungzu erkennen. Die Querlast bei denKohlefasernadeln konnte nur bis15 kN aufgebracht werden. NachEnt- und Wiederbelastung war je-doch ein annähernd gleiches gün-stiges lineares Kraft-Verschiebungs-verhalten wie bei der Erstbelastungzu beobachten.

2.4 Untersuchungen zur Stand-sicherheit der StrebepfeilerSüdseite

Die Beanspruchungen der Strebe-pfeiler an der Südseite des Doms

Bild 5. Ausziehversuche an Kohlefasernadeln mit Verpreßmörtel auf ZementbasisFig. 5. Pull-out tests with CFRP-needles in cement mortar

Bild 6. Kraft-Wegdiagramme bei den Ausziehversuchen von Kohlefaser-stäben unter Anwendung von Verpreßmörtel HASIT 202Fig. 6. Force-displacement curves of the pull-out tests of CFRP-needleswith the injection material HASIT 202

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rig realisierbar ist, wurde von die-ser Maßnahme zunächst abgesehenund vorerst nur eine Dauerüber-wachung relevanter Verformungenbzw. Rißbreiten angeordnet.

3 Meßtechnische Überwachung(Monitoring)

3.1 Zusammenfassung bisheri-ger Untersuchungen

Die am Zwickauer Dom Anfang der1990iger Jahre wiederaufgenomme-nen geodätischen Messungen zeig-ten weitere Bewegungen im Baukör-per. Die in diesem Zusammenhangveranlaßten statischen Untersuchun-gen ergaben u. a. Überschreitungender zulässigen Spannungen in eini-gen Pfeilern. Um diese kritische Si-

tuation genau beurteilen und wei-ter verfolgen zu können, wurde eineDauerüberwachung an den am mei-sten gefährdeten Stellen eingeleitet.Die Installation erfolgte zunächstdurch die TU Braunschweig [8] undwurde später von der TU Dresdenübernommen und erweitert. Dabeiwurde das in Bild 7 dargestellte Sy-stem gewählt.

Sehr kritisch wurden Änderun-gen der Schiefstellung der Innenpfei-ler 6 und 23 am Triumphbogen be-funden, so daß am Pfeiler 6 von derMPA Braunschweig ein Laserlot in-stalliert wurde (Bild 8). Die damit ge-messenen Lotabweichungen im Zeit-raum 1993 bis 1997 zeigt Bild 9.

Temperaturverläufe, Längen-änderungen des Zugankers amTriumphbogen und Rißbreitenän-derungen im Mauerwerk wurdenbis 1997 gemessen. Dabei wurde

Bild 7. Von der MPA Braunschweig eingebautes ÜberwachungssystemFig. 7. Monitoring system installed by the MPA Braunschweig

Bild 8. Prinzipskizze des LaserlotesFig. 8. Principle of the laser gravitysensor

11,3

0m

50 cm

GummimatteÖlwanne

kardanischeLagerung

Sendestrahl(Laser)

EmpfängerLaserlot

SenderLaserlot

Bild 9. Lotabweichungen am Strebepfeiler 6Fig. 9. Perpendicular deflection of the pillar 6

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auch ein System zur Datenfernüber-tragung entwickelt ([9]) und aufseine Anwendungsfähigkeit mit posi-tivem Ergebnis getestet. Es kam abernicht zum Einsatz.

3.2 Weitere meßtechnischeDauerüberwachung

Bei der bisherigen Erfassung derMeßwerte hatten sich eine Reihevon Nachteilen ergeben. Schober(Otto-Mohr-Laboratorium der TUDresden) entwickelte deshalb einverbessertes Dauerüberwachungssy-stem ([10]). Danach erfolgt die Erfas-sung der Daten an einer zentralenStelle in einem neu eingerichtetenSchaltraum im Dom. Dorthin wur-den alle Meßkabel und ein ISDN-Anschluß geführt. Mit einem PCwerden die Daten erfaßt, gespei-chert und über das Internet versen-det. Zur Steuerung des Zeitablaufsund der einzelnen Geräte wurdenvon Schober spezielle Programmeentwickelt. Die gesamte Konfigura-tion zeigt Bild 10. Der Meßstellen-plan für die Dauerüberwachung istin Bild 11 dargestellt.

4 Anwendungsbeispiele vonKohlefaserverstärkungen beider Sanierung

Im Jahre 1890 wurde an die West-seite des Doms St. Marien eine Wen-deltreppe außen angebaut, um einenseparaten Zugang zur Orgelemporezu ermöglichen. Die aus schlankenSandsteinteilen hergestellte rundeAußenwand wurde mit kreisbogen-förmigen Stahlankern (Querschnitt14/14 mm2) stabilisiert, wobei ca.10 cm lange Stahldollen in denWerksteinteilen verankert wurden.Im jeweiligen Fensterbereich warendie Anker ungeschützt der Witte-rung ausgesetzt. Durch temperatur-bedingte Längenänderungen hattendie Anker die Mörtelfugen in denAuflagerbereichen aufgesprengt, undder Zutritt von Niederschlagswas-ser war möglich. Durch Rosttreib-erscheinungen (Bild 12) wurden nundie schlanken Naturwerksteinteilezersprengt, so daß die Standsicher-heit des Bauteils nicht mehr gege-ben war. Nach Herstellung von Ab-gußformen des ausgebauten Stahl-ankers wurden Formteile aus Koh-lefasergewebe hergestellt (Bild 13),die eine bei Temperaturänderungen

Bild 10. Hard- und Softwarekonfiguration für die Dauerüberwachung [10]Fig. 10. Hardware and software system of monitoring [10]

Bild 11. MeßstellenplanFig. 11. Plan of control points

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dem Stein ähnliche Längenänderungaufweisen.

Die Formteile bestehen aus ei-nem Ankerkörper, der mit 10 Kohle-fasergewebestreifen umwickelt ist,in denen die Steckdübel eingebun-den sind. Die einzelnen Schichtenwurden mit Epoxidharz gegenseitigverklebt. Zur Verbesserung des Haft-verbundes mit dem Mörtel wurdedie äußere Epoxidharzschicht miteiner Quarzsandauflage versehen.Zum Schutz vor direkter Sonnen-einstrahlung wurde der jeweils frei-liegende Teil des Ankers mit Walz-blei geschützt. Die Formteile zeigenim experimentell ermittelten Kraft-Durchbiegungsdiagramm (Bild 14)bis zu einer maximal erwartetenAuslenkung von 10 mm ein etwasweicheres aber ähnliches Verhaltenwie die Stahlanker.

Es soll noch darauf hingewie-sen werden, daß auch bei der stati-schen Sicherung des bekannten Wol-gemut-Altars im Zwickauer DomKohlefaserwerkstoffe zum Einsatzkamen, indem die Rahmenecken desWandaltars mit eingeklebten Kohle-faserlaminatplatten verstärkt wur-den.

5 Schlußbemerkung

Die Sanierungsmaßnahmen amDom St. Marien in Zwickau warenintegriert in das Vorhaben „Besei-tigung altbergbaubedingter Ge-bäudeschäden am Dom St. Marien Zwickau“, die maßgeblich von derDeutschen Bundesstiftung Umweltgefördert und somit überhaupt mög-lich wurden. Die Verfasser dankenan dieser Stelle der DBU für dieFörderung des Vorhabens und demOtto-Mohr-Laboratoriums an derTU Dresden für die Unterstützungbei den experimentellen Arbeiten.

Literatur

[1] Brause, H.: Abschließende Ein-schätzung zu bergbauinduziertenHöhenveränderungen am Dom St. Marien zu Zwickau. Bericht desProjekts der DBU: „Modellvorha-ben zur Beseitigung und Verhütungbergbaubedingter Schäden am DomSt. Marien Zwickau“. Parchim,Zwickau 23. 11. 2002.

[2] Graf, W., Hoffmann, A.: Sensibi-litätsanalyse Dom St. Marien zuZwickau. TU Dresden 1995.

Bild 12. Zerstörung des Naturwerksteins durch die bogenförmigenStahlankerFig. 12. Destruction of the natural stone masonry by the voulted steelanchors

Bild 13. Ausgebauter Stahlanker (unten) und Formteile aus Kohlefaser-gewebeFig. 13. Removed steel anchor (below) and formed components of CFRP

Bild 14. Kraft-Durchbiegungsdiagramme der ausgebauten Stahlanker undder Formteile aus Kohlefasergewebe Fig. 14. Force-displacement curves of the removed steel anchors andformed components of CFRP

10

ausgebauterStahlanker

Anker aus Kohlefasergelege

Erstbelastung

1. Faserriß

Bruch

f

1 5 10 15

1000

F

20 mmDurchbiegung f

Kra

ft F

in k

N

5

1

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[3] Opitz, H., Suleiman, A.: Berech-nungen zum Dachstuhl des DomsSt. Marien Zwickau. TU Dresden,1994.

[4] Viertel, A.: Ausarbeitung einesKonzepts und von Planungsunter-lagen zur Ertüchtigung der Wandund Chorpfeiler im Zwickauer Dom.Diplomarbeit TU Dresden ITuB1999.

[5] Pannier, A.: Beurteilung des ak-tuellen Bauzustandes der Pfeiler imZwickauer Dom und Ausarbeitungvon Instandsetzungsvarianten sowieeines Konzepts zur Dauerüberwa-chung. Diplomarbeit TU DresdenITuB 2000.

[6] Kühn, M.: Rißsanierung der Pfei-ler Nordseite am Dom St. Marien

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[10] Opitz, H., Schober, T.: Zur Stand-sicherheit der Pfeiler im Dom St.Marien in Zwickau. Forschungsbe-richt TU Dresden, Institut für Trag-werke und Baustoffe, Otto-Mohr-Laboratorium, 2003.

Autoren dieses Beitrages:Dr.-Ing. Michael Kühn, Bau-Service, ÖbuvSachverständiger für Restaurierung undSanierung historischer Bauten, Kleine Bier-gasse 5, 08056 ZwickauProf. Dr.-Ing. habil. Heinz Opitz, Gesellschaftfür Wissens- und Technologietransfer derTU Dresden mbH, Geschäftsbereich „Ex-perimentelle Tragsicherheitsbewertung vonBauwerken“, Chemnitzer Straße 48b, 01187 Dresden

Zwickau. Statische Berechnung/Baubeschreibung. Zwickau 2000.

[7] Kühn, M.: Statische Sicherung des5. Strebepfeilers an der Südseitedes Doms St. Marien in Zwickau.Zwickau 2002.

[8] Rostásy, F. S., Warnecke, P., Wigger,H.: Untersuchungen am Dom St.Marien zu Zwickau. 1. Zwischenbe-richt, April 1994, Nr. 8023/8424 – 2.

[9] Opitz, H., Suleiman, A.: Meß-technische Dauerüberwachung vonFormänderungen und Erfassungstatischer Größen am ZwickauerDom. In: Tagungsbericht „Konso-lidierung von historischem Natur-steinmauerwerk“ am 6. und 7. 11.1997. IBMB/TU Braunschweig,H. 135.