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Der Autor

Jürgen Sarnowsky, geboren 1955, Studium derGeschichte, Physik und Philosophie an derFreien Universität Berlin; Promotion 1985,Habilitation 1992. Nach Lehrstuhlvertretun-gen in Chemnitz und Hamburg seit 1996 Pro-fessor für mittelalterliche Geschichte am His-torischen Seminar der Universität Hamburg.Forschungsschwerpunkte sind die Geschichteder geistlichen Ritterorden des Mittelalters, die

Hanse, das Ordensland Preußen und der Ostseeraum, England, dieGeschichte der Bildung und der Entdeckungsreisen sowie digitale Edi-tionen. Zu den teilweise in Kooperation mit anderen Mitarbeiternerarbeiteten Veröffentlichungen zählen drei Bände mit Regesten zuBriefen des Deutschen Ordens in Preußen (2012–2017), vier Bändemit Editionen zum Deutschordenshandel und zu untergeordnetenAmtsträgern (2008–2015) und eine Überblicksdarstellung zu den Ent-deckungsreisen des 13.–18. Jahrhunderts (2015).

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Jürgen Sarnowsky

Die geistlichen Ritterorden

Verlag W. Kohlhammer

Anf´ê nge Strukturen Wirkungen – –ä

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1. Auflage 2018

Alle Rechte vorbehalten© W. Kohlhammer GmbH, StuttgartGesamtherstellung: W. Kohlhammer GmbH, Stuttgart

Print:ISBN 978-3-17-022579-4

E-Book-Formate:pdf: ISBN 978-3-17-034388-7epub: ISBN 978-3-17-034389-4mobi: ISBN 978-3-17-034390-0

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Titelbild: Rps 44/III, fol. 168r, Bibliothek der Universität Toruń, Photograph: Wacław Górski

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Inhaltsverzeichnis

1 Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9

2 Die Anfänge der Ritterorden im 12. und 13. Jahrhundert 142.1 Die Kreuzzüge und die Ritterorden . . . . . . . . . . . . . . . 142.2 Die Anfänge der Templer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 202.3 Die »Militarisierung« der Johanniter und des

Deutschen Ordens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 312.4 Die Anfänge der spanischen Ritterorden . . . . . . . . . . 422.5 Gründungen im baltischen Raum und andere

kleinere Ritterorden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 50

3 Die Etablierung der Ritterorden im 12. und13. Jahrhundert . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 573.1 Burgen und Siedlungen im Heiligen Land . . . . . . . . . 573.2 Die Rolle der Ritterorden im Heiligen Land

und in den weiteren Einsatzregionen . . . . . . . . . . . . . . 633.3 Die Ausbreitung in den Herkunftsregionen . . . . . . . . 703.4 Die Rekrutierung von Brüdern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 773.5 Militärische Einsätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 83

4 Die Entwicklung der Strukturen der Ritterordenim späteren Mittelalter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 944.1 Die ordensinterne Gesetzgebung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 944.2 Die Führungsschicht der Orden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1014.3 Die Stellung der untergeordneten Ämter . . . . . . . . . . 1154.4 Die Statusgruppen in den Orden . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1224.5 Die Wirtschaftsführung der Orden . . . . . . . . . . . . . . . . 129

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4.6 Frömmigkeit, Schriftlichkeit und Kultur . . . . . . . . . . 141

5 Das Spätmittelalter als Krisen- und Umbruchszeit . . . . . . . 1515.1 Der Templerprozess . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1515.2 Die Ausbildung der Landesherrschaft der

Ritterorden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1585.3 Strukturen der Landesherrschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1645.4 Johanniter, Deutscher Orden und die Kreuzzüge

des 14. Jahrhunderts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1715.5 Krisen der Landesherrschaft am Ausgang des

Mittelalters . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1765.6 Die kleinen und die spanischen Ritterorden

im späteren Mittelalter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 184

6 Die Ritterorden zwischen Reformation, katholischerReform und Französischer Revolution . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1916.1 Erste Auswirkungen der Reformation . . . . . . . . . . . . 1916.2 Die Ausbildung protestantischer und reformierter

Zweige der Ritterorden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1966.3 Die katholischen geistlichen Ritterorden im

16. und 17. Jahrhundert . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2056.4 Das 18. Jahrhundert und die Krisenzeit um 1800 215

7 Die Ritterorden in der Moderne . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2217.1 Der Neuanfang der katholischen und

protestantischen Ordenszweige . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2217.2 Krisen und Wandlungen des 20. Jahrhunderts . . . . 2277.3 Die Wahrnehmung der mittelalterlichen

Ritterorden im 19. und 20. Jahrhundert . . . . . . . . . . 231

8 Ausblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 237

Quellen und Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 239Quellen allgemein . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 239Literatur allgemein . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 240Literatur zu Kapitel 2 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 243

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Literatur zu Kapitel 3 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 243Literatur zu Kapitel 4 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 244Literatur zu Kapitel 5 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 245Literatur zu Kapitel 6 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 246Literatur zu Kapitel 7 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 246

Abbildungsnachweis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 248

Index . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 249

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1 Einführung

Die geistlichen Ritterorden des Mittelalters und der Neuzeit, Templer,Johanniter, Deutscher Orden und all die anderen, könnten auf den ers-ten Blick als längst überholte Institutionen erscheinen, als Relikte einesfernen Zeitalters, das nicht nur durch zahlreiche Kriege, sondern auchdurch intensiven Glauben geprägt war, als Gemeinschaften, deren Ge-schichte uns heute wenig vermitteln kann und nur ein Randgebiet derForschung bildet, nur ein »Anhängsel« der ungleich intensiver öffentlichwahrgenommenen Kreuzzugsgeschichte. Dieser Eindruck wäre falsch.Als ein im gesamten lateinischen Europa und darüber hinaus wirkenderOrdenszötus, als eigene Kategorie geistlicher Institutionen, kommt denRitterorden eine für das Verständnis der mittelalterlichen, frühneuzeitli-chen und modernen Geschichte wesentliche Bedeutung zu. Das betrifftzum einen jene Regionen und Epochen, in denen die Orden und ihreMitglieder den Gang der Ereignisse und die Ausbildung grundlegenderStrukturen beeinflussten, zum anderen auch die von ihnen ausgehendenImpulse, die bis heute in gewissem Rahmen vorbildhaft wirken könnten.

Der Zötus der Ritterorden entstand mit der Gründung des Templer-ordens in den 1120er Jahren im Heiligen Land. Die Mitglieder ver-band mit den älteren monastischen Gemeinschaften, dass sie ebenfallsdie drei Gelübde der Keuschheit, der Armut und des Gehorsams abzu-legen hatten. Sie lebten also wie Mönche ohne Frauen, ohne persönli-chen Besitz und in Unterordnung unter die Ordensoberen gemein-schaftlich und mit festem Tagesablauf in eigenen Häusern zusammen.Dazu mussten sie sich aber einer vierten Verpflichtung unterwerfen,dem »Heidenkampf«, d. h. der Verteidigung der Christenheit gegenihre äußeren Gegner, und mussten stets darauf vorbereitet sein, sichdieser Aufgabe zu stellen.

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Für die Kriegführung galten für die Brüder dieselben Normen, die derKirchenvater Augustinus am Anfang des 5. Jahrhunderts formulierthatte, um Christen generell die Teilnahme am Krieg zu ermöglichen.Krieg durfte danach nur geführt werden, wenn es dafür einen gerech-ten Grund gab, also zum Beispiel, um verlorenen Besitz wieder zu er-langen, verlorene Rechte wiederherzustellen oder um Personen der ei-genen Gruppe, Verwandte oder Landsleute, zu schützen oder zubefreien. Weiter bedurfte es für den Aufruf zu einem gerechten Kriegeiner rechtmäßigen Autorität, eines Fürsten oder – in späterer Zeit –einer geistlichen Autorität. Drittens wurde die richtige Einstellung derKämpfer gefordert. Sie sollten sich insbesondere mit ihrem Sold begnü-gen und nicht auf Beute ausziehen, rauben und plündern.

Die im Heiligen Land, später in Spanien und im Baltikum gegrün-deten Institutionen erhielten bald Schenkungen und Verstärkungen ausallen Teilen Europas. Die Erfüllung ihrer Stiftungsaufgaben, zu denenauch die Hospitalität, die Pflege von Kranken, Armen und Alten, ge-hörte, erforderte einen intensiven personellen, finanziellen und mate-riellen Austausch zwischen den Regionen, in denen die Orden vertre-ten waren. Insbesondere mussten Brüder und finanzielle und materielleRessourcen aus den Herkunftsregionen in die Einsatzgebiete gebrachtwerden. Das stellte eine neue Herausforderung dar. Die alten monasti-schen Gemeinschaften hatten sich wesentlich auf einen Ort oder ihreRegion beschränkt. Nun entstanden noch vor den ähnlich organisier-ten Bettelorden des 13. Jahrhunderts übergreifende, flexible Struktu-ren, die eine Verwaltung des europäischen wie des außerhalb gelege-nen Besitzes ermöglichten.

Die bis zum Ende des 12. Jahrhunderts gegründeten geistlichen Rit-terorden gewannen nicht nur in der Verteidigung der mehr und mehrreduzierten christlichen Stützpunkte im Heiligen Land stetig an Bedeu-tung. Sie waren im christlichen Königreich Armenien und auf Zypernpräsent, beteiligten sich auf der Iberischen Halbinsel an der Recon-quista, der Eroberung der islamischen Reiche durch die christlichenKönigreiche des Nordens, und prägten die religiöse und politische Ent-wicklung im südöstlichen Ostseeraum. In der Frühen Neuzeit beteilig-ten sie sich an den Abwehrkämpfen gegen das Osmanische Reich, imMittelmeer wie in Ungarn.

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Gerade die Ausbildung von Landesherrschaften der Ritterorden erwiessich vielerorts als folgenreich. War die Übernahme Zyperns durch dieTempler (1192) noch zu kurz, um bleibende Spuren zu hinterlassen,trugen die Eroberungen des Schwertbrüderordens in Alt-Livland undEstland nach 1207 zur Entstehung eines komplexen Herrschaftsgebil-des bei, das bis heute in den souveränen Staaten Lettland und Estlandnachwirkt. Für die deutsche Geschichte erwies sich die Herrschaftsbil-dung des Deutschen Ordens in Preußen (ab 1230) als besonders fol-genreich. Es entstand eine neue, durch den Austausch zwischen Pru-ßen, Deutschen, Polen und Litauern geprägte Region Preußen, die1466 zwischen dem Königreich Polen und dem Orden geteilt wurde,aber als ideelle Einheit weiterlebte. Mit der Säkularisierung des Or-denslandes ging der östliche Teil Preußens an die Hohenzollern über,der schließlich nach der Krönung Kurfürst Friedrichs III. (I.) zum Kö-nig in Preußen (1701) namensgebend für den gesamten Besitz der Fa-milie wurde. Das Königreich Preußen entwickelte sich schließlich im18. und 19. Jahrhundert zu einem führenden deutschen Teilstaat, bisdie Alliierten 1947 seine staatliche Existenz beendeten.

Bei den Johannitern hatte die Landesherrschaft auf Rhodos unddem Dodekanes nur insofern politische Nachwirkungen, als Italien1912 die Schwäche des Osmanischen Reiches nutzte, um Rhodos unddie Nachbarinseln zu besetzen (bis 1946). 1928 wurde dann auch eineVersammlung der Malteserritter in der Stadt Rhodos abgehalten, unddem Orden wurden die Schlüssel zum Großmeisterpalast übergeben.Größere Bedeutung erlangte die Übergabe Maltas und Gozos an dieJohanniter durch Karl V. im Jahr 1530. Darauf gründet nicht nur dieSouveränität des modernen, heute in Rom residierenden Malteseror-dens, sondern letztlich auch die Eigenstaatlichkeit Maltas. Die eigenenLandesherrschaften der spanischen Ritterorden im Süden der Iberi-schen Halbinsel sind dagegen ebenso ohne größere Nachwirkung ge-blieben wie die kleineren Territorien des Deutschen Ordens im Südendes Heiligen Römischen Reiches.

Vielfach lassen sich in der Geschichte der geistlichen Ritterorden»moderne« Züge entdecken, die gleichwohl in den Kontext der Zeiteingeordnet werden müssen. Als erstes überrascht vielleicht, dass dieOrden trotz der Stiftungsaufgabe des »Heidenkampfes« keineswegs in

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erster Linie auf Krieg und Unterwerfung aus waren, sondern in der Re-gel einen pragmatischen Weg suchten und die christlichen Stützpunkteund Gebiete sowie ihre Bewohner mit allen, also auch mit diplomati-schen, Mitteln zu verteidigen suchten. So stritten Templer und Johan-niter im 13. Jahrhundert im Heiligen Land nicht nur über möglicheAngriffsziele, sondern auch über die richtigen Bündnispartner, denEmir von Damaskus oder den Sultan von Ägypten. Der DeutscheOrden übertrug den Prußen 1249 für ihre Christianisierung umfang-reiche persönliche Freiheitsrechte und schloss trotz der zahllosen Feld-züge gegen die Litauer mit diesen immer wieder Verträge, die an ersterStelle der Christianisierung dienen sollten. Auch die Johanniter verein-barten im 15. Jahrhundert mehrfach Waffenstillstände oder Friedens-verträge mit den Mamluken-Sultanen in Ägypten oder dem Osmani-schen Reich, selbst unmittelbar nach mamlukischen oder osmanischenAngriffen auf Rhodos oder Zypern. Die von den Ritterorden geschlos-senen Waffenstillstände und Friedensverträge, ihre Verhandlungsfüh-rung wie die Formen der Konfliktbeilegung müssten noch intensivererforscht werden.

Manches Andere bedarf ebenfalls der Aufmerksamkeit. Die Johanni-ter entwickelten für ihren Konvent auf Rhodos ein Modell für interna-tionale Zusammenarbeit, das auch für die Europäische Union und ver-gleichbare Institutionen Anregungen vermitteln könnte. So wurden dieZungen als Vertretungen der Herkunftsregionen am Ende weitgehendgleichberechtigt an den Entscheidungen beteiligt, auch wenn sie zahlen-mäßig sehr unterschiedlich im Konvent präsent waren. Beim DeutschenOrden reagierten die Hochmeister, die sich seit dem Ausgang des14. Jahrhunderts als gute Landesherren in Preußen darstellen ließen,mit ihrer Landesgesetzgebung gelegentlich überraschend auf Problemeder Zeit. So legte Konrad Zöllner von Rotenstein 1386 einen Höchst-satz für Zinsforderungen fest (8,33 %), der lange seine Gültigkeit be-hielt, und Ulrich von Jungingen verzichtete 1408 bei der »Entführungvon Jungfrauen« auf Strafen, wenn das Mädchen der Entführung durchden – so ist zu vermuten – jugendlichen Liebhaber zugestimmt und diesauch vorher vor Zeugen bekannt hatte. Beides lässt sich aber leichtdurch die Bindung des Ordens ans Kirchenrecht erklären. Dieses lehntedie Zinsnahme völlig ab – das Statut Zöllner von Rotensteins war da-

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mit schon ein durch Überlegungen Thomas von Aquins gestützter Kom-promiss – und verlangt für die Eheschließung den Konsens beider Part-ner. Johanniter und Deutscher Orden unterstützten im Übrigen ihreUntertanen in Notlagen.

Zwar haben die geistlichen Ritterorden im Zuge der neuzeitlichenEntwicklungen an Einfluss verloren, doch leben insbesondere Johanni-ter/Malteser und Deutscher Orden in ihren verschiedenen Zweigen bisheute fort, auch wenn der katholische Deutsche Orden seit 1923 keineRitterbrüder mehr aufnimmt. Beide wirken heute vor allem karitativ,in Hospitälern, Schulen, Altenheimen und ähnlichen Einrichtungen.Auch darüber hinaus sind die Ritterorden immer noch durch ihre Bau-ten wie die Marienburg, das Schloss in Mergentheim oder die Groß-meisterpaläste auf Rhodos und Malta präsent. Die Erforschung derGeschichte der Ritterorden bleibt so immer noch ein lohnendes The-ma. Vielleicht kann der vorliegende Band dazu einige Anregungen ge-ben.

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2 Die Anfänge der Ritterorden im12. und 13. Jahrhundert

2.1 Die Kreuzzüge und die Ritterorden

Die Geschichtsschreibung der geistlichen Ritterorden hat mehrfachihre gemeinsamen Ursprünge betont. So beginnt die von ihrem Entde-cker so bezeichnete »Chronik der vier Orden von Jerusalem«, dieEnde des 15. Jahrhunderts in der Deutschordensballei Franken ver-fasst wurde, mit den Worten:

»Wir finden vier gegründete Orden der Kreuzherren, die verdient haben,ihren Ursprung, Würde und Namen alle von der heiligen Stadt Jerusalemabzuleiten […]: der Orden der geistlichen Chorherren des Heiligen Grabeszu Jerusalem mit einem zweifachen und roten Kreuze, […] der Orden […]der Brüder des Hospitals Sankt Johannes zu Jerusalem, die tragen einschwarzes Kleid mit einem weißen Kreuze […], der Orden der Ritterschaftdes Tempels zu Jerusalem […] mit weißen Mänteln und einem roten Kreuzauf der Brust [… und danach] die Brüder des Spitals Unser Lieben Frau desDeutschen Hauses zu Jerusalem, [die] tragen weiße Kleidung […] mit einemschwarzen Kreuz.« (Scriptores rerum Prussicarum, 6, 110)

Die wenig spätere Deutschordenschronik aus der Ballei Utrecht ergänztfür Johanniter und Deutschen Orden noch den Bericht über die Grün-dung zweier Hospitäler durch die Mutter Konstantins, Kaiserin Helena,aus denen später diese beiden Orden hervorgingen. Schon um 1220 be-schreibt der Bischof von Akkon, Jacques de Vitry, in seiner »Orientali-schen Geschichte« die drei großen geistlichen Ritterorden als »dreifachgeflochtenes Seil«, das »nur schwer zerrissen werden kann« (Jacques deVitry, Histoire orientale, Kap. 66). Diese engen Bindungen, die auch zuden spanischen und anderen Ritterorden bestanden, erklären sich ausihrem gemeinsamen Ursprung aus der Kreuzzugsbewegung.

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Die frühen Christen standen lange, wohl nicht nur aufgrund des bibli-schen Tötungsverbots, sondern auch angesichts der Erfahrung ihrerVerfolgung, der Anwendung von Gewalt und der Teilnahme am Kriegablehnend gegenüber. Das änderte sich mit der Christianisierung desRömischen Reichs unter Konstantin und der folgenden Erhebung desChristentums zur Staatsreligion. Damit stellte sich ganz praktisch dieFrage, ob ein Christ Soldat werden konnte. Es war der KirchenvaterAugustin († 430), der in mehreren Schriften Lösungen für das Pro-blem fand. Auf antiken Grundlagen entwickelte er das Konzept eines»gerechten Krieges«. Dieser setzte einen gerechten Grund voraus, wiedie Verteidigung des eigenen Besitzes, das Vorgehen gegen Unrecht,die Befreiung in der Fremde gefangener Verwandter oder die Rückge-winnung verlorenen Gutes. Ebenso wichtig war, dass nicht jeder einenKrieg beginnen konnte, sondern dass es dazu auch einer legitimen Au-torität bedurfte. Schließlich musste man Krieg mit der richtigen Ein-stellung führen, nicht, um Beute zu machen oder Rache zu üben, son-dern um, wenn es denn keine Alternative gab, auf diesem Wegewieder gerechte Verhältnisse herzustellen. Christliche Soldaten solltensich daher mit ihrem Sold begnügen. Allerdings durchbrach Augustinsein Netz von Bedingungen an anderer Stelle durch die These, es gäbeauch im göttlichen Auftrag geführte Kriege, die per se gerecht seien,ohne dass er dafür Kriterien entwickelte.

Die augustinischen Vorstellungen über Krieg und Frieden wurdenseit dem Hochmittelalter wieder stärker rezipiert und gingen durch dieAufnahme in das Decretum, die Sammlung des Bologneser JuristenGratian, in das Kirchenrecht ein. Für die Ritterorden spiegelt sich dasschon in der Verteidigungsschrift Bernhards von Clairvaux für dieTempler, der »Lobrede auf das neue Rittertum«. Dort heißt es etwa:»Wenn nun die Sache des Kämpfenden eine gerechte ist, da wird ihrAusgang nicht schlecht sein können, wie auch der Zweck nicht als gutbeurteilt werden kann, wo ihm kein guter Beweggrund und keine rech-te Absicht vorausgehen« (Bernhard, Liber, 273). Das Konzept des ge-rechten Krieges findet sich auch in der Historiographie der geistlichenRitterorden, etwa in der »Chronik des Preußenlandes« des Deutschor-denspriesters Peter von Dusburg.

2.1 Die Kreuzzüge und die Ritterorden

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Damit war der Weg dafür offen, militärisch gegen äußere und innereFeinde der Christenheit vorzugehen. In Südfrankreich kämpften seitdem 10. Jahrhundert Pax-Milizen oder Friedensheere unter kirchlicherLeitung gegen Fehden und Unruhestifter, und die Päpste des früheren11. Jahrhunderts organisierten Feldzüge gegen arabische Angriffe odergegen die Normannen in Unteritalien. Leo IX. warb 1053 Krieger ge-gen die Normannen an, indem er ihnen den Erlass der von der Kircheverhängten Bußstrafen zusagte. Auf der Iberischen Halbinsel machtedas Ziel der Rückeroberung des einst christlichen, westgotischen Spa-nien die Unternehmungen dort schon per definitionem zum gerechtenKrieg. So versprach Alexander II. schon 1064 französischen Kriegern,die sich an einem Feldzug gegen das noch in muslimischer Hand be-findliche Barbastro beteiligen wollten, einen Ablass. Einen ersten Hö-hepunkt markierte der Orientplan Gregors VII. von 1074, der einenFeldzug gegen die Normannen auch für ein Unternehmen zur Unter-stützung der seit 1071 von den Seldschuken bedrängten orientalischenChristen nutzen wollte. Vor diesem Hintergrund wandelte sich der Be-griff der militia Christi. Bezeichnete er zunächst den Kampf gegen dasBöse mit geistlichen Waffen, vor allem der Mönche gegen die eigeneSündhaftigkeit, ging er nun auf die Ritterschaft über. Es kam zu einer»Christianisierung des Rittertums«, einer Neuorientierung der weltli-chen Krieger an christlichen Idealen.

Die politische und religiöse Situation im östlichen Mittelmeer warvor Beginn des Ersten Kreuzzugs äußerst komplex. Der Süden des Mit-telmeerraums war bis zum Anfang des 8. Jahrhunderts von Muslimenerobert worden, die islamische Welt reichte vom Zentrum Spaniens bisin den Westen Indiens. Seit der Mitte des 9. Jahrhunderts konnte aberauch das alte Oströmische Reich, Byzanz, seine Position im nordöstli-chen Mittelmeer konsolidieren und erreichte unter Kaiser Basileos II.(976–1025) einen Höhepunkt seiner Macht. Der Westen wirkte dage-gen rückständig und zersplittert. Dann aber zerfiel der islamische Herr-schaftsbereich in drei Teile, Ägypten und Tunesien unter der vorher al-lein herrschenden Dynastie der Fatimiden, Marokko und die IberischeHalbinsel unter der Reformbewegung der Almoraviden, und das Gebietzwischen dem heutigen Kasachstan und dem Roten Meer unter denseldschukischen Türken. Byzanz geriet durch Erbstreitigkeiten nach

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dem Tode Basileos’ in eine Krise, erlitt 1071 bei Mantzikert gegen dieSeldschuken eine vernichtende Niederlage und verlor große Teile Klein-asiens. 1092 löste sich dort das Sultanat Ikonion (Rum) aus dem seld-schukischen Gesamtreich. Nach einer Zeit wechselnder Herrscherkonnte erst Kaiser Alexios I. Komnenos (1081–1118) Byzanz wiederstabilisieren.

Obwohl die Beziehungen zum lateinischen Westen seit 1054 durchkirchliche Konflikte belastet waren, wandte sich Alexios I. an den Wes-ten, um Hilfe zu bekommen, Verstärkungen für seine aus dem Westenangeworbenen Söldnertruppen. Seine Gesandten trafen im März 1095in Piacenza auf einer kirchlichen Synode mit Papst Urban II. zusam-men, und der Papst reagierte schließlich im November 1095 auf demKonzil von Clermont mit einem nachdrücklichen Appell zur Hilfe fürdie orientalischen Christen. Nach dem Bericht Fulchers von Chartresforderte Urban zunächst die Christen auf, die Kämpfe untereinander zubeenden, und fuhr dann fort:

»[…] [2] Es ist nämlich notwendig, dass ihr euren Brüdern, die im Ostenleben, umgehend die von ihnen oft erbetene Hilfe leistet, die sie brauchen.[3] Denn, wie den meisten von euch schon gesagt wurde, sind die Türken,das persische Volk, bis zum Mittelmeer eingefallen, bis zu dem, was sie denArm des heiligen Georg [Bosporus] nennen, und haben mehr und mehr derLänder jener Christen bis zu den Grenzen der Romania [des ByzantinischenReichs] erobert und sie in sieben Schlachten geschlagen. Dabei haben sieviele getötet und gefangen, die Kirchen zerstört, das Reich Gottes verwüstet.Wenn ihr ihnen erlaubt, für eine Weile in Ruhe weiter zu machen, werdendie Gläubigen Gottes noch mehr von ihnen überwältigt werden. [4] Deshalbermahne nicht ich euch, vielmehr ermahnt euch der Herr, dass ihr alsHerolde Christi Menschen aller Stände überzeugt, Fußsoldaten und Ritter,arm und reich, diesen Christen umgehend Hilfe zu bringen, damit diesesüble Geschlecht auf dem Land der Unseren ausgelöscht wird. [5] Ich sage esden Anwesenden, ermahne die Abwesenden, aber Christus befiehlt es […].«(Fulcher, Historia, Lib. I, Kap. 3, 132–35)

Der Aufruf des Papstes hatte eine überwältigende Wirkung. ObwohlUrban in dieser ältesten Version seiner Rede nur von der Hilfe für dieChristen des Orients sprach, wurde bald daraus die Befreiung des Hei-ligen Landes und Jerusalems, und der von ihm versprochene Ablassder zeitlichen Bußstrafen entwickelte sich mit Hilfe der Kreuzzugspre-diger schnell zu einem vollen Ablass, der auch die jenseitigen Sünden-

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strafen einschloss. Urban scheint sich, folgt man seinen Briefen nach1095, diesen Entwicklungen geöffnet zu haben. Eine schriftliche Fixie-rung der Kreuzzugsprivilegien erfolgte aber erst in der ersten Kreuz-zugsbulle unter Eugen III. beim Aufruf zum Zweiten Kreuzzug 1145.

Beeindruckt durch Urbans Predigt und ihre Verbreitung durch dieKreuzzugsprediger, machten sich nacheinander drei große Gruppenauf den Weg. Die erste Gruppe bestand aus unorganisierten Scharenaus allen Schichten der Bevölkerung, die spontan aufgebrochen waren,unzureichend ausgerüstet waren und keine Vorstellung davon hatten,welche Entfernung sie bis Jerusalem zu überwinden hatten. Das zweiteHeer bildeten die von Urban besonders angesprochenen Fürsten undRitter insbesondere aus dem Norden und Süden Frankreichs sowie ausSüditalien, unter denen Graf Raimund IV. von Toulouse und der Nor-manne Bohemund von Tarent eine führende Rolle spielten. Eine dritteGruppe brach erst nach der Nachricht von der Eroberung Antiochiasim Jahr 1100 auf. Der »Volkskreuzzug«, die erste Welle, wurde nachPogromen im Rheinland und endlosen Plünderungen auf dem Wegnach Konstantinopel schließlich in Kleinasien durch ein seldschuki-sches Heer vernichtend geschlagen; und die Heere der dritten Gruppekamen ebenfalls aufgrund schwerer Niederlagen gegen die Seldschu-ken 1101 nie im Heiligen Land an.

Nur der Kreuzzug der Fürsten und Ritter erwies sich letztlich als er-folgreich und wurde so zum Vorbild und Ansporn für alle weiterenKreuzzugsunternehmen. Die gut organisierten, aber miteinanderkonkurrierenden Verbände konnten zunächst mit byzantinischer Hilfegegen die Seldschuken bestehen, nahmen dann im Juni 1098 Antiochiaund schließlich im Juli 1099 Jerusalem ein. Ein erster Kreuzfahrerstaatwar schon vor der Eroberung Antiochias unter Balduin von Boulognein Edessa entstanden, Bohemund von Tarent etablierte seine Herr-schaft im Fürstentum Antiochia, Raimund von Toulouse und seine Er-ben nach 1102 in der Grafschaft Tripolis, nachdem zuvor die Herr-schaft in Jerusalem auf Gottfried von Bouillon als »Vogt des HeiligenGrabes« übertragen worden war. Ihm folgte 1100 sein Bruder BalduinI. als erster König.

Die christliche Herrschaft im Heiligen Land konnte erst langsamstabilisiert werden, auch durch die Eroberung der Küstenstädte (Tyrus

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1124, Askalon 1153), der Golanhöhen und des Jordanlandes (bis1118). Dennoch bot der Erfolg des Ersten Kreuzzugs den Anstoß, das»Modell« Kreuzzug auch auf andere Konflikte mit Nicht-Christen undFeinden der Kirche zu übertragen. Dies lag vor allem für die IberischeHalbinsel nahe, die häufig von französischen Rittern und Pilgern auf-gesucht wurde, die auch den Kreuzzugsgedanken mitgebracht habendürften. Bald vermischte sich die Reconquista mit den Kreuzzügen,auch wenn Bündnisse mit den islamischen Reichen immer noch an derTagesordnung blieben. Urban II. nahm dann zwischen 1096 und 1099eine Gleichsetzung von Kämpfen im Heiligen Land und in Spanienvor, wenn er zugunsten Tarragonas an spanische und französischeFürsten und Herren schreibt:

»Wenn also die Ritter der übrigen Länder einstimmig beschlossen haben, derKirche Asiens zu Hilfe zu kommen und ihre Brüder von der Tyrannei derSarazenen zu befreien, so stehet auch ihr – dazu mahnen wir euch – eurerNachbarkirche in ausdauernden Mühen bei gegen den Ansturm der Saraze-nen! Wer auf diesem Feldzug aus Liebe zu Gott und seinen Brüdern fällt, derzweifle nicht, dass er den Erlass seiner Sünden und das ewige Leben nachGottes gnädigem Erbarmen finden wird. Wenn also einer von euch den Zugnach Asien beschlossen hat, der soll vielmehr hier seinen frommen Drangbetätigen. Denn es ist kein Verdienst, die Christen an einem Orte von denSarazenen zu befreien, sie am andern der sarazenischen Tyrannei und Bedrü-ckung auszuliefern.« (Papsturkunden Spanien, 1, 287; übers. Erdmann, Ent-stehung, 294–95)

Urbans Nachfolger, Paschalis II., untersagte den spanischen Rittern1100 sogar die Teilnahme an Kreuzzügen im Heiligen Land. Ähnlichspielten Kreuzzüge bei der Zwangsbekehrung slawischer und balti-scher Völker eine Rolle. Das erste Beispiel ist der »Wendenkreuzzug«von 1147, für den Papst Eugen III. den deutschen Fürsten erlaubte,statt ins Heilige Land in die Regionen zwischen Elbe und Oder zu zie-hen, auch wenn der Feldzug vor einer christlichen Stadt endete. Seit1199 organisierte Bischof Albert von Livland regelmäßige Kreuzzügezur Unterwerfung der heidnischen Letten, Liven und Esten, und 1222/23 kam es zu den ersten Kreuzzügen gegen die heidnischen Prußen.Die Päpste riefen dazu jeweils ausdrücklich auf und ließen für dieKreuzzüge im lateinischen Westen predigen.

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2.2 Die Anfänge der Templer

Die Entstehung der geistlichen Ritterorden, nicht zuletzt die des erstenRitterordens, der Templer, war eine Folge der Kreuzzugsbewegungund ihrer Entwicklung im 12. Jahrhundert. In den frühen 1180er Jah-ren, als sich Templer und Johanniter schon fest etabliert hatten, be-schrieb der Erzbischof Guillaume de Tyr bereits aus gewisser Distanzdie Anfänge des Templerordens so:

»In demselben Jahre [1118] beschlossen einige Edle aus dem Ritterstande,gottergebene und gottesfürchtige Männer, als regulierte Kanoniker demDienste Christi zu leben, und legten in die Hand des Herrn Patriarchen dasGelübde der Keuschheit, des Gehorsams und der Armut ab. Die ersten undausgezeichnetsten unter ihnen waren die ehrwürdigen Männer Hugues dePayns und Geoffroi de Saint-Omer. Weil sie weder eine Kirche noch ein be-stimmtes Haus hatten, wies ihnen der König für die nächste Zeit in dem Teilseines Palastes, der gegen Süden an den Tempel des Herrn grenzt, eine Woh-nung zu. […] Der König mit seinen ersten Rittern wie auch der Patriarch mitden Prälaten seiner Kirche wiesen ihnen von ihrem Eigentum […] die nötigenEinkünfte an. Ihre erste Aufgabe, die ihnen auch von dem Herrn Patriarchenund den übrigen Bischöfen, als ein Mittel, Vergebung der Sünden zu erhal-ten, besonders anempfohlen wurde, war die Wege, hauptsächlich der Pilgerwegen, nach ihren Kräften vor Überfällen der Räuber zu sichern. In den ers-ten neun Jahren trugen sie weltliche Kleider, wie sie ihnen das Volk, um eingutes Werk zu verrichten, schenkte. […] In diesen ersten neun Jahrenbestand ihr Orden auch aus nicht mehr als neun Rittern, von da an aber fingihre Zahl sich zu vermehren an, und ihre Besitzungen erweiterten sich […].«(Willemi Tyrensis Archiepiscopi Chronicon, lib. 12, vii; dt.: Wilhelm vonTyrus, Geschichte, S. 294–95, modernisiert)

Wie bei vielen Berichten, nicht nur späteren, mischen sich bei Guillau-me plausible Informationen mit eigenen Annahmen und späterer Stili-sierung. Sehr wahrscheinlich bildete aber der als erste Aufgabe der Ge-meinschaft geschilderte Pilgerschutz tatsächlich den zentralen Anstoßfür die Gründung. Auch nach der festen Etablierung und weiteren Ex-pansion des Königreichs Jerusalem blieben die Landwege zwischen derKüste und der Heiligen Stadt unsicher, gerade für die jetzt in größererZahl anreisenden, oft unbewaffneten Pilgergruppen. Ein einschneiden-des Ereignis war, dass um Ostern 1119 eine Gruppe von 700 schondurch die Reise geschwächten Pilgern in einen Hinterhalt geriet, dabei

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300 von ihnen getötet wurden und 60 in Gefangenschaft gerieten. DieGründung der Templer könnte so eine Reaktion auf diesen Überfallsein, auch wenn Guillaume die Anfänge der Gemeinschaft schon indas Jahr 1118 setzt, ähnlich, wie er auch andere Geschehnisse zu frühdatiert. Der Pilgerschutz wird ebenfalls in den – sonst eher wenigaussagekräftigen – frühen Zeugnissen erwähnt. Allgemeiner heißt esdaneben zum Beispiel in der um 1135 entstandenen Klosterchronikdes Simon de St. Bertin, die Brüder führten ein Leben ohne persönli-chem Besitz und in Keuschheit, um das Land gegen die Angriffe derHeiden zu verteidigen.

Abb. 1: Templer-Siegel nach Matthäus Parisiensis, Chronica maiora, British Lib-rary Royal MS 14 C VII, fol. 42v.

Richtig ist weiterhin, wenn Guillaume berichtet, dass die Ritter diedrei monastischen Gelübde ablegten, auch wenn sie vorerst nur weltli-che Kleidung trugen. Das Neue an der Gemeinschaft war zweifellosdie Verbindung monastischer oder allgemein geistlicher Elemente mitdem Kampf gegen die Feinde der Christenheit. Dabei dürfte die an-fänglich als sehr eng geschilderte Verbindung mit dem Patriarchen vonJerusalem eine wichtige Rolle gespielt haben. Folgt man den eher indi-rekten Hinweisen beim Kreuzzugschronisten Albert von Aachen, ver-sorgten die Patriarchen mit ihren Einkünften auch Ritter, die die Pilgerund die Kirche im Heiligen Land schützen sollten. Ein auch in der For-schung mehrfach diskutierter Zusammenhang ergibt sich aus der Dar-

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stellung des um 1230 schreibenden Chronisten Bernard le Trésorier,der auf frühere Schriften aus der Zeit um 1180/90 zurückgreifen konn-te. Bernard suggeriert, dass die späteren Templer ursprünglich ein Teileiner dem Prior des Heiligen Grabes unterstehenden Gemeinschaft ge-wesen seien, zusammen mit den späteren Johannitern. Diese enge Ver-bindung von letztlich drei Institutionen findet sich auch im TestamentAlfons’ I. von Aragón, der sein Reich im Oktober 1131 unter dieChorherren vom Heiligen Grab, die Johanniter und die Templer auf-teilen wollte. Beim Prior des Heiligen Grabes hätte damit eine sinnvol-le Aufgabenteilung zwischen drei Gruppen der Gemeinschaft bestan-den: Die Chorherren waren für die seelsorgerische Betreuung derPilger und für die liturgischen Pflichten zuständig, die Brüder am Hos-pital für deren körperliches Wohl und die Ritter für den Schutz aufden Wegen zu den Heiligen Stätten.

Bei Bernard heißt es dann weiter, die Ritter hätten sich untereinan-der beraten, weil sie unter der Leitung des Priors nicht genügend zumEinsatz gekommen seien. Sie hätten beschlossen, sich mit Zustimmungdes Priors einen Anführer zu wählen, der sie in die Schlacht führe, undhätten sich an den König gewandt, um zu erfahren, was sie für denSchutz des Landes tun könnten. Der König habe das begrüßt und ih-nen Rat und Hilfe versprochen.

»Dann rief der König den Patriarchen, die Erzbischöfe und Bischöfe und dieBarone des Landes zur Beratung zusammen. Sie berieten und einigten sichdarauf, dass alles so geschehen soll. Den König ging zu den Rittern undübergab ihnen Land und Burgen und Dörfer. Weiter übten der König undseine Ratgeber solchen Druck auf den Prior des Heiligen Grabes aus, dass ersie aus seinem Gehorsam entließ […].« (Chronique d’Ernoul et de Bernard leTrésorier, 8; engl. Übersetzung: The Templars, hrsg. Barber/Bate, 30)

Es ist sicher richtig, in diesen Vorgängen die Anfänge des Templeror-dens zu sehen. Die Versammlung des Königreichs Jerusalem, die dieBildung der Gemeinschaft gebilligt haben soll, könnte mit einer Zu-sammenkunft zu Nablus im Januar 1120 identisch sein, die durch eineReihe von Dekreten belegt ist. Die Verselbständigung der ritterlichenGemeinschaft erfolgte auf jeden Fall im Konsens mit den mit den füh-renden geistlichen und weltlichen Vertretern des Königsreichs Jerusa-lem.

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Die ältere Forschung, angefangen vom Orientalisten Joseph von Ham-mer-Purgstall, hat einen Zusammenhang zwischen den muslimischen ri-bats und den Templern vermutet, für den es jedoch keine Belege gibt. Ineinem ribat fanden sich sehr verschiedene Gruppen, von professionellenKämpfern bis zu Freiwilligen, zusammen, die aber nur für kurze Zeit,für 40 Tage oder während des Ramadan, im befestigten Haus blieben,um von dort aus die äußeren Feinde des Islam zu bekämpfen, aber nichtzur Verteidigung der Heiligen Stätten. Zudem lassen sich keine derarti-gen Gemeinschaften im Umfeld des Heiligen Landes nachweisen, die alsVorbild hätten dienen können. Es liegt näher, die Gründung des Temp-lerordens mit einer anderen, im Umfeld des Patriarchen und des Heili-gen Grabes belegten Organisationsform in Verbindung zu bringen, mitdenmilites ad terminum. Wie schon bei Albert von Aachen und Bernardle Trésorier angedeutet, verpflichteten sich immer wieder Ritter zumKriegsdienst in Palästina. Die späteren Templer könnten ebenfalls zudieser militia Sancti Sepulchri (»Ritterschaft vom Heiligen Grab«) ge-hört haben, und auf jeden Fall rekrutierte die Gemeinschaft auch späternoch milites ad terminum für einen zeitlich begrenzten militärischenEinsatz für den Orden, wie aus den ältesten Statuten erkennbar wird.

Guillaume de Tyr hebt die bescheidenen Anfänge der Templer her-vor, sicher auch in der Absicht, die Templer seiner Zeit für ihr Vorge-hen kritisieren zu können. Die Templer haben sich zwar später auchselbst als pauperes commilitones Christi (»arme Mitstreiter Christi«)stilisiert und ähnlich wie mit dem Siegebild, auf dem sich zwei Brüderein Pferd teilen müssen, auf ihre (nicht unbedingt materielle) Armutund ihre demütige Haltung verwiesen. Dennoch sind die von Guillau-me genannten Zahlen von Brüdern, nicht mehr als neun in den erstenneun Jahren, sicher nicht richtig, und auch die Schenkungen begannenschon vor 1129. Diese setzten schon mit der namensgebenden Überlas-sung von Räumen und Boden für den Bau von Magazinen beim vorge-blichen Templum Salomonis ein, die die Gemeinschaft zur militiaTempli (Salomonis), der »Ritterschaft vom Tempel (Salomons)«, wer-den ließ. Es folgten die Schenkungen der geistlichen und weltlichenGroßen des Königreichs Jerusalem, die die Versorgung sichergestellthaben dürften, auch wenn Guillaume berichtet, die frühen Templerhätten nur gestiftete Kleidung getragen.

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Schon 1120/21 hielt sich Graf Fulk V. von Anjou bei den Templernauf, der die Brüder seither kontinuierlich förderte und 1131 als Ehe-mann Königin Melisendes Nachfolger Balduins II. von Jerusalemwurde. Im Oktober 1127 schließlich begann die Reihe der Besitz-übertragungen im lateinischen Europa mit einer Schenkung GrafTheobalds IV. von Blois und der Champagne, die Förderung durchdie Grafen von Flandern und Poitou schloss sich an. Als Hugues dePayns 1127 mit der Gesandtschaft aufbrach, die Fulk endgültig alsHerrscher ins Heilige Land holen sollte, reisten fünf weitere Brüdermit ihm. Da kaum nur drei Brüder zurückgeblieben sein dürften,trifft wahrscheinlich eher die Zahl bei Michael dem Syrer zu, nachdem sich ursprünglich 30 Ritter gegenüber König Balduin I. auf dreiJahre zum Kriegsdienst verpflichteten.

Für die frühe Ausbreitung der Gemeinschaft spielten sicher adligeNetzwerke eine große Rolle, die teilweise auch mit dem Reformordender Zisterzienser verknüpft waren. Die beiden von Guillaume de Tyrnamentlich genannten Ritter, Hugues de Payns (de Paganis) undGeoffroi de Saint-Omer, entstammten miteinander verbundenen nord-französischen Adelsfamilien. Hugues kam aus der Champagne, viel-leicht aus einer Seitenlinie der Grafen von Troyes. Sein Lehnsherr warGraf Hugues von der Champagne, der 1104, 1114 und erneut 1125ins Heilige Land zog und zuletzt in den Orden eintrat. Hugues dürftemit ihm, wohl schon 1114, ins Land gekommen sein. Zu den frühenMitgliedern der Gemeinschaft gehörte wahrscheinlich auch der zweiteMeister des Ordens, Robert de Craon, ebenso André de Montbard, einVerwandter Bernhards von Clairvaux. Die Reise in den lateinischenWesten sollte nunmehr den endgültigen Durchbruch bringen.

Die Förderung durch Fulk von Anjou und der Eintritt Graf Hugosvon der Champagne dürfte die neue Institution schon früh im lateini-schen Westen bekannt gemacht haben. Die neue geistliche Lebensformstieß dabei nicht nur auf positive Reaktionen, sondern auch auf Zwei-fel und Kritik. So stand Bernhard von Clairvaux, der sich zum Förde-rer der Gemeinschaft entwickeln sollte, 1125 dem Eintritt Graf Hugoseher ablehnend gegenüber, weil er einen Widerspruch zwischen derStellung des Grafen und der Ordensmitgliedschaft sah. Guigo, der Pri-or von La Grande Chartreuse, dem Mutterhaus der Kartäuser, begrüß-

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te zwar die Gründung, ermahnte Hugues de Payns aber in einem wäh-rend oder nach seiner Reise verfassten Brief, dass es für die Erfüllungder Aufgaben der Gemeinschaft der richtigen inneren Einstellung undder Reinigung der Seelen von der Sünde bedürfe.

Nicht untypisch dürften auch die Vorwürfe gewesen sein, die noch20 Jahre später, um 1150, von Henry of Huntingdon und vom Zister-zienser Isaac von Étoile erhoben wurden. Henry beschrieb die Verbin-dung von Mönch und Ritter als eine neue Art von Monstrum, und fürIsaac machte schon der Versuch, Ungläubige mit Gewalt gegen Perso-nen und deren Besitz zum Glauben zu bringen, den Orden zu einemUngeheuer. Petrus Venerabilis, Abt des Klosters Cluny, lobte dieTempler zwar um 1150 in einem Brief an Papst Eugen III. für ihren Ei-fer, ordnete sie aber als eine Form der Ritterschaft dem Rang nachklar hinter Mönchen, Kanonikern und Eremiten ein.

Diese Kritik war in der Gemeinschaft selbst nicht unbekannt, wiesich aus dem Brief eines nicht näher identifizierbaren Hugo peccator(»Sünders Hugo«), wohl nicht Hugues’ de Payns, sondern eher einesgelehrten Klerikers, an milites Christi ergibt, der im Kontext der ältes-ten Regel überliefert ist. Offenbar hatten die Reaktionen von außenauch bei den Brüdern zu erheblichen Zweifeln geführt. Die militäri-schen Einsätze, so die im Schreiben referierte Kritik, würden jede Kon-templation verhindern, und das gewaltsame Vorgehen gegen die Fein-de des Glaubens stände dem Weg zum Heil entgegen. Überdies wurdeden Brüdern Überheblichkeit vorgeworfen, weil sie sich eine ihnennicht zukommende Stellung anmaßen würden. Der unbekannte Ver-fasser weist diese Kritik als Verleumdung und Einflüsterung des Teu-fels zurück. Er will den Brüdern Mut machen und fordert sie auf, sichnicht von ihrem Weg abbringen zu lassen. Der Kampf gegen die Feindedes christlichen Glaubens bedarf für ihn keiner Rechtfertigung, viel-mehr sollten sich die Brüder in Demut und mit der richtigen Einstel-lung ihren Aufgaben zuwenden.

Hugues de Payns begann mit der Werbung für Unterstützung inseiner Heimatregion, im Norden Frankreichs, wo sowohl Graf Theo-bald IV. von Blois und der Champagne wie auch der Graf von Flan-dern, William Clito, für ihre Gebiete die Übertragung von Besitz andie Templer erlaubten. In der Normandie wurde er von König Hein-

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rich I. von England ehrenvoll empfangen und reich beschenkt, undauch die anschließende Reise nach England und Schottland führte zuumfangreichen Schenkungen und zur Anwerbung neuer Brüder. Auchin Frankreich und Spanien machte es der Erwerb von Ländereien er-forderlich, dass Brüder zur Verwaltung des Besitzes zurückblieben.Gleichzeitig konnten immer neue Verstärkungen ins Heilige Land ge-sandt werden, selbst nach einer dramatischen Niederlage im Dezem-ber 1129, als ein großer Teil der Neuankömmlinge im Kampf gegenmuslimische Gegner fiel.

Ein wichtiger Schritt zur kirchlichen Anerkennung der Gemein-schaft war die Synode von Troyes im Januar 1129, die nach dem Pro-log zur lateinischen Regel auf Bitten Hugues’ zusammentrat. Eine be-sondere Rolle für die Einberufung der Synode wird dort auchBernhard von Clairvaux zugewiesen, der wohl inzwischen durch einSchreiben König Balduins aus der Zeit um 1126 für den Orden gewon-nen worden war. Zudem war es Bernhards Schreiber Jean Michel, derden einleitenden Bericht schriftlich niederlegte. Die Synode wurde voneinem päpstlichen Legaten, Mathieu du Remois, dem Kardinalbischofvon Albano, geleitet. Anwesend waren weiterhin die Erzbischöfe vonReims und Sens, dazu zehn Bischöfe, acht Äbte, Graf Theobald vonder Champagne und weitere geistliche und weltliche Große. Es heißtim Text:

»Wir wurden für würdig befunden, aus dem Munde des Meisters Huguessowohl die Gewohnheiten wie auch die Regeln dieser ritterlichen Gemein-schaft nach jedem Kapitel anzuhören, und wir haben gelobt, was im Lichtunseres begrenzten Wissens gut und nützlich schien, was uns aber absurdschien, haben wir verworfen. Alle Angelegenheit der gegenwärtigen Synode[…] haben wir einhellig, auf den Rat der allgemeinen Versammlung, derVoraussicht und Diskretion unseres verehrungswürdigen Vaters, [Papst]Honorius’ [II.], und Étienne [de la Ferté], dem ehrwürdigen Patriarchen vonJerusalem, überlassen […].« (Ursprüngliche Templerregel, hrsg. Schnürer,130–31; engl. Übersetzung: The Templars, hrsg. Barber/Bate, 32)

Hugues de Payns berichtete also zunächst von den Lebensnormen, diesich bereits bei den Templern ausgebildet hatten. Dann wurden alleGewohnheiten und Regeln im Einzelnen diskutiert, und die Ergebnisseder Beratungen in der ersten, lateinischen Regel von 71 Artikeln zu-sammengefasst. Dies war ein wichtiger Schritt, doch fehlte immer

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noch die wohl von Hugues erhoffte päpstliche Bestätigung der Ge-meinschaft.

Auf der Synode von Troyes spielten die Zisterzienser eine wichtigeRolle. Bernhard von Clairvaux dürfte an der Redaktion der Regel be-teiligt gewesen sein, und neben ihm nahmen die Äbte des Mutterklos-ters Cîteaux, Stephen Harding, und eines weiteren der ersten vierTochterklöster, Pontignys, teil. Ihr Interesse war wahrscheinlich darinbegründet, dass die Zisterzienser wie die Templer ihre ersten Mitglie-der aus denselben ritterlichen Schichten rekrutierten. Bernhard schei-nen die Templer in Troyes beeindruckt zu haben, obwohl er der tradi-tionellen monastischen Lebensform weiterhin klar den Vorrang gab.So folgte er schließlich mehrfachen Bitten Hugues’ de Payns, zuguns-ten der neuen Gemeinschaft Stellung zu nehmen, wohl vor 1136/37,da Hugues noch direkt angesprochen wird. Dies geschah mit derSchrift De laude novae militiae, »Über das Lob der neuen Ritter-schaft«, die auch die Grundlagen für die anderen geistlichen Ritteror-den legte.

Diese neue Ritterschaft zeichnet sich für Bernhard durch einen zwei-fachen Kampf aus, den der weltlichen Ritter mit irdischen Waffen ge-gen körperliche Feinde und den der Mönche mit geistlichen Waffen ge-gen die bösen Geister, Laster und Dämonen. Die Brüder leben undsterben in der Gewissheit, dass ihnen das Ewige Leben sicher ist. An-ders als das überaus negativ beschriebene weltliche Rittertum, dasdurch Streit- und Prunksucht sowie die eitle Suche nach Ruhm und Be-sitz geprägt ist, müssen die Ritter Christi keine Sünde fürchten.

»Denn der Tod, den man für Christus erleidet oder verursacht, trägt keineSchuld an sich und verdient größten Ruhm. Hier nämlich wird für Christus,dort Christus (selbst) erworben. […] Wenn er einen Übeltäter umbringt, ister nicht ein Menschenmörder, sondern sozusagen ein Mörder der Bosheit,und mit Recht wird er als Christi Rächer gegen die Missetäter und als Ver-teidiger der Christenheit angesehen. Wenn er aber selbst umgebracht wird,ist es klar, dass er nicht untergegangen, sondern ans Ziel gelangt ist. […].«(Bernhard, De Laude, 277)

In Anspielung auf die Zweischwerterlehre des Papstes Gelasius I.spricht Bernhard davon, dass gegen die »halsstarrigen Feinde« beideSchwerter, das geistliche wie das weltliche, zum Einsatz kommen sol-

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