Schweinefleischerzeugung – Schwerpunkt im...

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78 Nationalatlas Bundesrepublik Deutschland – Unternehmen und Märkte Schweinefleischerzeugung – Schwerpunkt im Nordwesten Hans-Wilhelm Windhorst gierungsbezirks Weser-Ems und im nördlichen Westfalen ist seit 1950 eine der größten Verdichtungen der Schwei- nehaltung entstanden. Die Nähe der Produzenten zu den Seehäfen, über die Rohkomponenten für das Mischfutter eingeführt werden konnten, spielte dabei offensichtlich eine Rolle. Ein wei- terer steuernder Faktor ist in den wenig tragfähigen Sandböden der Geest sowie den ursprünglich kleinen Betriebsflä- chen der Höfe zu sehen. Kleinere Zen- tren haben sich auf einer eigenen Fut- tergrundlage in Baden-Württemberg und Bayern ausgebildet. Hierbei beste- hen enge funktionale Beziehungen zwi- schen den Mastbetrieben in den südol- denburgischen Landkreisen Vechta und Ferkelaufzucht in Großgruppenbuchten. Großgruppen ermögli- chen eine bessere Strukturierung der Buchten – die Tiere haben auf gleicher Fläche mehr Bewegungsspielraum, Aktivitäts- und Ruhezonen sowie einen Kotplatz. Mit einem Produktionswert von mehr als 3,1 Mrd. Euro ist die Schweinemast nach der Milcherzeugung der zweit- wichtigste Zweig der deutschen Land- wirtschaft. Sie stellte im Wirtschafts- jahr 2001 etwa 14% der gesamten Ver- kaufserlöse. Die Ursache für diese be- deutende Stellung ist in dem hohen Pro-Kopf-Verbrauch zu sehen, der im Jahre 2001 bei 53,6 kg lag. Trotz der ho- hen Produktionsleistung sind die Schweine haltenden Betriebe nicht in der Lage, die Nachfrage des inländi- schen Marktes zu erfüllen. Bei einem Selbstversorgungsgrad von 88,5% muss- ten 2001 etwa 1 Mio. t Schweinefleisch nach Deutschland eingeführt werden . Hauptlieferländer waren Belgien, Dänemark und die Niederlande. Strukturen der Schweinehal- tung Von den 26 Mio. Schweinen, die im Jahre 2001 in Deutschland gehalten wurden, entfielen 85,8% auf die alten und nur 14,2% auf die neuen Länder. Hinsichtlich der Betriebe mit Schwei- nehaltung war das Ungleichgewicht noch größer, denn nur etwa 6% der Schweine haltenden Betriebe liegen in den neuen Ländern. Hier haben nach der Wiedervereinigung sehr viele ehe- malige LPG und auch Kombinate indus- trieller Mast die Produktion nicht wei- tergeführt. Es kam zu einem sehr star- ken Einbruch in den Bestandszahlen, was zu einer deutlichen Unterauslastung der Schlacht- und Zerlegebetriebe führ- te. Die durchschnittlichen Bestandsgrö- ßen in den einzelnen Bundesländern weichen sehr stark voneinander ab . Während in Hessen und im Saarland nur 67 bzw. 82 Schweine pro Betrieb ge- halten wurden, waren es in Schleswig- Holstein 506 und in Mecklenburg-Vor- pommern sogar 819 Tiere. Auch bei der Zuchtsauenhaltung liegt eine große Schwankungsbreite vor. Insgesamt er- reichen die Ferkel erzeugenden Betriebe in den neuen Ländern deutlich größere Bestandszahlen als die der alten Länder. Der Nord-Süd-Gegensatz in den alten Ländern und der West-Ost-Gegensatz zwischen den alten und den neuen Län- dern wird besonders deutlich, wenn man die Anteile betrachtet, die auf Be- stände mit mehr als 1000 Stallplätzen entfallen. Während in den alten Län- dern im Jahre 1999 nur 25,3% der Schweine in Betrieben dieser Größen- ordnung standen, waren es in den neu- en Ländern 92%. Durch die Wiedervereinigung haben sich die in den alten Ländern vorhande- nen Strukturunterschiede noch weiter verstärkt. Dies zeigt sich besonders deutlich in der Zuchtsauenhaltung . Räumliche Verteilung der Betriebe Die Schweinehaltung konzentriert sich auf die beiden Länder Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen , auf die 2001 mehr als 53% der Bestände, aber nur 33% der Halter entfielen. In den neuen Ländern sind die Schweinebe- stände sehr gleichmäßig verteilt, Hoch- burgen wie in Nordwestdeutschland ha- ben sich dort bislang nicht ausgebildet. In den südlichen Landkreisen des Re-

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78Nationalatlas Bundesrepublik Deutschland – Unternehmen und Märkte

Schweinefleischerzeugung – Schwerpunkt im NordwestenHans-Wilhelm Windhorst

gierungsbezirks Weser-Ems und imnördlichen Westfalen ist seit 1950 eineder größten Verdichtungen der Schwei-nehaltung entstanden. Die Nähe derProduzenten zu den Seehäfen, über dieRohkomponenten für das Mischfuttereingeführt werden konnten, spieltedabei offensichtlich eine Rolle. Ein wei-terer steuernder Faktor ist in den wenigtragfähigen Sandböden der Geest sowieden ursprünglich kleinen Betriebsflä-chen der Höfe zu sehen. Kleinere Zen-tren haben sich auf einer eigenen Fut-tergrundlage in Baden-Württembergund Bayern ausgebildet. Hierbei beste-hen enge funktionale Beziehungen zwi-schen den Mastbetrieben in den südol-denburgischen Landkreisen Vechta und

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Ferkelaufzucht in Großgruppenbuchten. Großgruppen ermögli-chen eine bessere Strukturierung der Buchten – die Tiere habenauf gleicher Fläche mehr Bewegungsspielraum, Aktivitäts- undRuhezonen sowie einen Kotplatz.

Mit einem Produktionswert von mehrals 3,1 Mrd. Euro ist die Schweinemastnach der Milcherzeugung der zweit-wichtigste Zweig der deutschen Land-wirtschaft. Sie stellte im Wirtschafts-jahr 2001 etwa 14% der gesamten Ver-kaufserlöse. Die Ursache für diese be-deutende Stellung ist in dem hohenPro-Kopf-Verbrauch zu sehen, der imJahre 2001 bei 53,6 kg lag. Trotz der ho-hen Produktionsleistung sind dieSchweine haltenden Betriebe nicht inder Lage, die Nachfrage des inländi-schen Marktes zu erfüllen. Bei einemSelbstversorgungsgrad von 88,5% muss-ten 2001 etwa 1 Mio. t Schweinefleischnach Deutschland eingeführt werden�. Hauptlieferländer waren Belgien,Dänemark und die Niederlande.

Strukturen der Schweinehal-tungVon den 26 Mio. Schweinen, die imJahre 2001 in Deutschland gehaltenwurden, entfielen 85,8% auf die altenund nur 14,2% auf die neuen Länder.Hinsichtlich der Betriebe mit Schwei-nehaltung war das Ungleichgewichtnoch größer, denn nur etwa 6% derSchweine haltenden Betriebe liegen inden neuen Ländern. Hier haben nachder Wiedervereinigung sehr viele ehe-malige LPG und auch Kombinate indus-trieller Mast die Produktion nicht wei-tergeführt. Es kam zu einem sehr star-ken Einbruch in den Bestandszahlen,was zu einer deutlichen Unterauslastungder Schlacht- und Zerlegebetriebe führ-te.

Die durchschnittlichen Bestandsgrö-ßen in den einzelnen Bundesländernweichen sehr stark voneinander ab �.Während in Hessen und im Saarlandnur 67 bzw. 82 Schweine pro Betrieb ge-halten wurden, waren es in Schleswig-Holstein 506 und in Mecklenburg-Vor-pommern sogar 819 Tiere. Auch bei derZuchtsauenhaltung liegt eine großeSchwankungsbreite vor. Insgesamt er-reichen die Ferkel erzeugenden Betriebein den neuen Ländern deutlich größereBestandszahlen als die der alten Länder.

Der Nord-Süd-Gegensatz in den altenLändern und der West-Ost-Gegensatzzwischen den alten und den neuen Län-dern wird besonders deutlich, wennman die Anteile betrachtet, die auf Be-stände mit mehr als 1000 Stallplätzenentfallen. Während in den alten Län-dern im Jahre 1999 nur 25,3% derSchweine in Betrieben dieser Größen-ordnung standen, waren es in den neu-en Ländern 92%.

Durch die Wiedervereinigung habensich die in den alten Ländern vorhande-nen Strukturunterschiede noch weiterverstärkt. Dies zeigt sich besondersdeutlich in der Zuchtsauenhaltung �.

Räumliche Verteilung derBetriebeDie Schweinehaltung konzentriert sichauf die beiden Länder Niedersachsenund Nordrhein-Westfalen �, auf die2001 mehr als 53% der Bestände, abernur 33% der Halter entfielen. In denneuen Ländern sind die Schweinebe-stände sehr gleichmäßig verteilt, Hoch-burgen wie in Nordwestdeutschland ha-ben sich dort bislang nicht ausgebildet.In den südlichen Landkreisen des Re-

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79Schweinefleischerzeugung – Schwerpunkt im Nordwesten

Cloppenburg, die pro Jahr etwa 2 Mio.Ferkel zukaufen müssen, und den Ge-bieten mit hohen Ferkelüberschüssen inBaden-Württemberg.

Der SchlachtsektorIn Deutschland verfügen nahezu 300Schlachtbetriebe – davon 38 in denneuen Ländern – über eine EU-Zulas-sung, also über bestimmte Voraussetzun-gen hinsichtlich des Hygienestandardsund der Ausstattung mit Kühlhäusernfür die geschlachteten Tiere. In diesenSchlachtstätten werden pro Jahr etwa42 Mio. Schweine geschlachtet. In Dä-nemark sind es demgegenüber nur 17Schlachtbetriebe, die jährlich etwa 22-23 Mio. Schweine schlachten und zerle-gen können. Der Konzentrationsgrad istin Deutschland folglich weitaus gerin-ger, was zu Kostennachteilen führt.Marktführer in Deutschland sind zweigenossenschaftlich organisierte Unter-nehmen: einmal die Nordfleisch-Grup-pe mit Sitz in Hamburg � und zum an-deren die Westfleisch mit Sitz in Müns-ter. Im Jahr 2000 schlachteten dieNordfleisch-Gruppe 5,5 Mio. und dieWestfleisch etwa 3,5 Mio. Schweine.Beide Unternehmen sind vertikal inte-griert, d.h. sie vereinigen mehrere Stu-fen der Erzeugung von Schweinefleischund dessen Verarbeitung unter einemDach. Ferkelerzeugung und Mast findenin landwirtschaftlichen Betrieben statt,die z.T. vertraglich an die Unternehmengebunden sind. Im Herbst 2003 wurdedie Nordfleischgruppe an das niederlän-dische Unternehmen Bestmeat ver-kauft. Es ist noch offen, ob in Zukunftalle Standorte erhalten bleiben.

Herausforderungen und Pers-pektivenDie deutschen Schweinehalter undSchweinefleischproduzenten sehen sich

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Herausforderungen gegenüber, auf diereagiert werden muss, um sich in Zu-kunft zu behaupten: wachsende interna-tionale Konkurrenz durch die EU-Oster-weiterung und die weitere Liberalisie-rung der Agrarmärkte sowie verändertepolitische Rahmenbedingungen. DieAspekte Produktsicherheit, Umweltver-träglichkeit und Wahrung der Auflagen

des Tierschutzes werden Anpassungenin den Haltungsformen notwendig ma-chen. In den Zentren der Schweinehal-tung können das erhöhte Seuchenrisikound die Überversorgung mit tierischenExkrementen eine Reduzierung derTierbestände erforderlich machen.�