Social Media für die Bürgergesellschaft. Beiträge zur NPO-Blogparade 16. - 21. April 2012

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Theresa Bauer | XING-Forum „Zivilgesellschaft und Internet“ Marc Boos | caritas-webfamilie.de Serge Embacher | cccdeutschland.org Marcel Gluschak | marcelgluschak.wordpress.com Alexandra Härtel | cccdeutschland.org Jona Hölderle | sozialmarketing.de Martin Horstmann | diakonisch.de Hannes Jähnert | hannes-jaehnert.de Katrin Kiefer | netzwerkpr.de Brigitte Reiser | nonprofits-vernetzt.de Julia Russau | anerkennung-sozial.de Sophie Scholz | e-fect.de Hans-Karl Schmitz | hans-karl-schmitz.de Simon Wiggen | gemeindemenschen.de Hans-Dieter Zimmermann | esociety.net Stefan Zollondz | net-pilots.de Herausgegeben vom Social Media für die Bürgergesellschaft Beiträge zur NPO-Blogparade 16.-21. April 2012

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In dieser Publikation haben wir die Ergebnisse der NPO-Blogparade "Social Media für die Bürgergesellschaft" zusammengetragen, zu der das CCCD in Kooperation mit Brigitte Reiser im April 2012 eingeladen hat. 13 Blogger/innen haben sich an der Diskussion um die Möglichkeiten und Herausforderungen, die mit Social Media für engagierte Bürger/innen und zivilgesellschaftliche Organisationen einhergehen, mit einem Blogbeitrag beteiligt.Außerdem berichten Serge Embacher, Alexandra Härtel und Sophie Scholz über Diskussionsveranstaltungen zum Thema, die sie von November 2011 bis April 2012, gefördert von der Robert Bosch Stiftung, in Hamburg, Bonn, Stuttgart, Halle und Leipzig durchgeführt haben.

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Theresa Bauer | XING-Forum „Zivilgesellschaft und Internet“

Marc Boos | caritas-webfamilie.de

Serge Embacher | cccdeutschland.org

Marcel Gluschak | marcelgluschak.wordpress.com

Alexandra Härtel | cccdeutschland.org

Jona Hölderle | sozialmarketing.de

Martin Horstmann | diakonisch.de

Hannes Jähnert | hannes-jaehnert.de

Katrin Kiefer | netzwerkpr.de

Brigitte Reiser | nonprofits-vernetzt.de

Julia Russau | anerkennung-sozial.de

Sophie Scholz | e-fect.de

Hans-Karl Schmitz | hans-karl-schmitz.de

Simon Wiggen | gemeindemenschen.de

Hans-Dieter Zimmermann | esociety.net

Stefan Zollondz | net-pilots.de

Herausgegeben vom

Social Media für die Bürgergesellschaft

Beiträge zur NPO-Blogparade

16.-21. April 2012

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NPO-Blogparade: Social Media für die Bürgergesellschaft | Seite 2

Inhalt

Inhalt................................................................................................................................................................................................ 2

Einleitung: Social Web und Bürgergesellschaft – zwei Welten oder kommunizierende Röhren?..................4

Serge Embacher, Politikwissenschaftler und Publizist

Was ist eine Blogparade?......................................................................................................................................................... 5

Dr. Brigitte Reiser, Non-Profit- und Social-Media-Expertin

Einladung zur Blogparade „Social Media für die Bürgergesellschaft“, 16.-21. April 2012 ................................6

Alexandra Härtel | cccdeutschland.org

Social Media für die Bürgergesellschaft – Auswertung der Blogparade vom 16.-21. April 2012..................8

Dr. Brigitte Reiser / Alexandra Härtel | cccdeutschland.org

Soziale Netzwerke und soziale Verantwortung gehen oft nicht Hand in Hand................................................13

Theresa Bauer | Xing-Forum „Zivilgesellschaft und Internet“

Sozial bewegt im Social Web............................................................................................................................................... 15

Marc Boos | caritas-webfamilie.de

Sind wir das noch? Die Agenda-Angst............................................................................................................................. 18

Marcel Gluschak | marcelgluschak.wordpress.com

3 Gründe für Social Media in der Bürgergesellschaft..................................................................................................21

Jona Hölderle | sozialmarketing.de

Den Analogien von diakonischem Selbstverständnis und sozialen Medien auf der Spur.............................23

Martin Horstmann | diakonisch.wordpress.com

Bridge the Gap — auf dem Weg zu einer starken Bürgergesellschaft..................................................................25

Hannes Jähnert | hannes-jaehnert.de

Jugendengagement: Beziehungsarbeit im virtuellen Raum.....................................................................................29

Hannes Jähnert | hannes-jaehnert.de

Kulturschock Social Web: Soziale Medien kennen und leben lernen....................................................................31

Hannes Jähnert | hannes-jaehnert.de

Status Quo zum Social Media Einsatz in gemeinnützigen Organisationen.........................................................37

Katrin Kiefer | netzwerkpr.de

Nonprofits müssen ins Internet und dieses mitgestalten..........................................................................................41

Dr. Brigitte Reiser | nonprofits-vernetzt.de

Sind soziale Organisationen fit für soziale Medien? Ja!.............................................................................................43

Julia Russau | anerkennung-sozial.de

Partizipation der Akteure Sozialer Arbeit durch Web 2.0...........................................................................................48

Hans-Karl Schmitz | hans-karl-schmitz.de

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NPO-Blogparade: Social Media für die Bürgergesellschaft | Seite 3

Kirche, Social Media und die Zivilgesellschaft............................................................................................................... 51

Simon Wiggen | gemeindemenschen.de

Der Einsatz von Social Media im Abstimmungskampf – Beobachtungen aus St. Gallen...............................52

Hans-Dieter Zimmermann | esociety.net

Social Media für die Bürgergesellschaft am Beispiel der Arbeiterwohlfahrt (AWO)........................................60

Stefan Zollondz | net-pilots.de

Social Media für die Bürgergesellschaft: Dokumentation der Podiumsdiskussionen und Werkstattgespräche des CCCD............................................................................................................................................ 64

Podiumsdiskussionen „Internet und digitale Bürgergesellschaft – neue Chancen für Beteiligung“..........64

Serge Embacher | cccdeutschland.org

Hamburg, 10. November 2011...................................................................................................................................... 64

Bonn, 8. März 2012............................................................................................................................................................ 68

Stuttgart, 19. April 2012................................................................................................................................................... 72

Halle, 26. April 2012.......................................................................................................................................................... 75

Social Media & Bürgergesellschaft – Die drängendsten Fragen zivilgesellschaftlicher Institutionen.Ergebnisse der CCCD-Werkstattgespräche..................................................................................................................... 78

Alexandra Härtel / Sophie Scholz | cccdeutschland.org

Über die Autor/innen.............................................................................................................................................................. 82

Impressum................................................................................................................................................................................... 86

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NPO-Blogparade: Social Media für die Bürgergesellschaft | Seite 4

Einleitung: Social Web und Bürgergesellschaft – zwei Welten oder kommunizierende Röhren?

Serge Embacher, Politikwissenschaftler und Publizist

„Internet und digitale Bürgergesellschaft – neue Chancen für Beteiligung“: So heißt der Titel einer im vergangenen Jahr vom CCCD - Centrum für Corporate Citizenship Deutschland herausgegebenen Studie. In ihr werden die heutigen Kommunikationsmöglichkeiten des Internet als ein neuer sozialer Kommunikationsraum beschrieben, der von Social Media geprägt ist. Social Media sind – so die Definition – webbasierte technische Anwendungen, die neue soziale Beziehungen ermöglichen. Ihre Besonderheit liegt darin, dass jeder Empfänger zum potenziellen Sender wird. Die technischen Möglichkeiten haben aus einer „One-to-many-Situation“ eine „Many-to-many-Kommunikation“ gemacht. Auf diese Weise ist eine nicht-hierarchische, dezentrale und beteiligungsorientierte Kommunikationsstruktur entstanden, die interessante Analogien zum „Dritten Sektor“ und seinen Organisationen aufweist. Denn auch hier, in den Welten des bürgerschaftlichen Engagements, geht es um Mitbestimmung (statt Hierarchie), Pluralität (statt Zentralität) und selbstbestimmte Beteiligungsorientierung. Wer sich heute freiwillig und ehrenamtlich engagiert, hat in der Regel ein viel stärkeres Selbstbewusstsein und einen ausgeprägteren Gestaltungswillen als noch vor fünfzehn oder zwanzig Jahren. Social Media bieten für diese neue „mentale Lage“ im Non-Profit-Bereich ideale Bedingungen: Engagierte können sich über Social Media leichter als früher zusammenfinden, um gemeinsam neue Handlungsspielräume zu erschließen.

Vor diesem Hintergrund lotet die von der Robert Bosch Stiftung geförderte Studie des CCCD die Potenziale von Social Media aus und gelangt zu dem Schluss, dass der Aufbruch gerade erst begonnen hat und dass viele gemeinnützige Organisationen sich bislang noch schwer tun mit den neuen digitalen Möglichkeiten. Erst langsam greift die Erkenntnis um sich, dass es für eine gezielte Einbindung von Social Media in das eigene Engagement eines strategischen Ansatzes und eigener organisatorischer Anstrengungen bedarf. Bislang bewegen sich die Akteure des „Dritten Sektors“ und die des Social Web noch eher in zwei Welten, statt nach dem Prinzip der kommunizierenden Röhren voneinander zu lernen und wechselseitig zu profitieren.

Um dieser Lage gerecht zu werden und der Erkenntnis um die Potenziale von Social Media vielleicht ein wenig auf die Sprünge zu helfen, machten sich Alexandra Härtel, Sophie Scholz und Serge Embacher zwischen November 2011 und April 2012 für das CCCD auf den Weg, um die Ergebnisse der Internet-Studie in einigen deutschen Städten zu diskutieren und in intensiven Workshops mit Akteuren und Multiplikatoren der organisierten Bürgergesellschaft zu vertiefen. Zusätzlich hat das CCCD in inhaltlicher Kooperation mit Brigitte Reiser von Nonprofits-vernetzt vom 16. – 21. April 2012 eine Blogparade mit dem Titel „Social Media für die Bürgergesellschaft“ initiiert, um die Diskussion auch dort zu führen, wo ein wesentlicher Teil der Zukunft des bürgerschaftlichen Engagements liegt, nämlich im Internet selber. Die Blogparade fand regen Zuspruch und wurde mit einem Twitchat abgeschlossen. An dieser Stelle sei Brigitte Reiser und allen, die sich an der Blogparade beteiligt haben, sehr herzlich gedankt. Auch die freiwillige und unentgeltliche Beteiligung an solchen Diskussionsformaten ist ein vitaler Beitrag zur Fortentwicklung der Bürgergesellschaft. Es ist das bürgerschaftliche Engagement selber, dass den besten Beitrag zur Förderung des Engagements zu leisten vermag – das wurde mit der Blogparade einmal mehr gezeigt!

In diesem E-Book wollen wir nun die Beiträge der Blogparade und die Ergebnisse unserer Diskussionen vor Ort dokumentieren, auf dass es als Anregung für die weitere Debatte dienen möge. Die Blogparade enthält wichtige Hinweise darauf, wohin die Entwicklung in den nächsten Jahren laufen könnte (oder sollte!). Den Berichten von insgesamt vier Podiumsdiskussionen in Hamburg, Bonn, Stuttgart und Halle

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folgt schließlich eine Dokumentation der vier dazugehörigen Werkstattgespräche, die unter Leitung von Alexandra Härtel und Sophie Scholz durchgeführt wurden.

Social Media – das ist die Quintessenz des Projekts – sind eindeutig eine große Chance für die Organisationen des Dritten Sektors. Sie bieten das Potenzial für mehr Vernetzung, mehr und bessere Kommunikation und mehr Transparenz. Mit ihnen lassen sich Stakeholder-Dialoge organisieren, Fundraising-Aktionen koordinieren, Kampagnen lancieren und neue Engagierte finden. Und sie schaffen mehr Chancen, den diskursiven Austausch mit anderen gesellschaftlichen Bereichen zu suchen. Doch stehen diesen Potenzialen – das haben nahezu alle Blogbeiträge ergeben – eben auch häufig noch große Barrieren im Weg. So gibt es oft weder Social-Media-Strategien noch geeignete Verhaltenskodices. Twitter- oder Facebook-Accounts werden nicht sinnvoll oder nicht konsequent bespielt, und die Social-Media-Aktivitäten sind nicht richtig in der Organisation verankert, sondern hängen ab von einzelnen umtriebigen Personen und deren Engagement.

Es bleibt also für gemeinnützige Organisationen viel zu tun auf der Baustelle Internet. Wir würden uns freuen, wenn unser E-Book und die darin enthaltenen Beiträge die Diskussion befeuern würden und damit die digitale Bürgergesellschaft als Zukunftsvision ein wenig realistischer würde.

Was ist eine Blogparade?

Dr. Brigitte Reiser, Non-Profit- und Social-Media-Expertin

Diskurse führen im Internet

Das Internet ermöglicht es uns, Diskurse mit anderen unabhängig von Ort und Zeit zu führen. Über ganz unterschiedliche Formate – Weblogs, Communities, Wikis, Video- und Fotoplattformen - können wir in einen inhaltlichen Austausch mit anderen treten. Jeder kann das Format wählen, das er bevorzugt – ein eher textbasiertes (wie Weblogs) oder visuell ausgerichtete Tools.

Im Unterschied zu den klassischen Medien bieten die neuen Technologien und Angebote des Internets, das sogenannte „Web 2.0“, den Nutzern einen unmittelbaren Rückkanal. Man kann jederzeit Inhalte kommentieren und auf die Kommentare anderer reagieren. Weil das Web 2.0 auf Vernetzung und Interaktion zielt, werden die neuen Angebote treffend als „soziale Medien“ bzw. „Social Media“ bezeichnet.

Ein Bloggernetzwerk entsteht

Es gibt zwischenzeitlich mehrere deutschsprachige Weblogs („Blogs“) – das sind Online-Journale im Netz - die sich inhaltlich mit gemeinnützigen Organisationen befassen. Häufig liegt der Fokus dieser Blogs auf den Chancen sozialer Medien für Nonprofit-Organisationen. In ihren Beiträgen loten die Bloggerinnen und Blogger aus, wie gemeinnützige Organisationen aus den unterschiedlichen Bereichen soziale Medien für ihre Arbeit nutzen können. Das Marketing, Fundraising und Campaigning wird hier berücksichtigt, aber auch Themen wie bürgerschaftliches Engagement und Beteiligung von Bürgern an Entscheidungen im Nonprofit-Bereich.

Über die Jahre hinweg entstand so ein Netzwerk aus thematisch ähnlich gelagerten Blogs und es kam die Idee auf, regelmäßige „Blogparaden“ über Nonprofit-Themen durchzuführen.

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NPO-Blogparade: Social Media für die Bürgergesellschaft | Seite 6

Was ist eine Blogparade?

Eine „Blogparade“ versucht, das Wissen der Bloggerinnen und Blogger zu einer bestimmten Fragestellung abzurufen, zu sammeln und auszuwerten. Sie ist ein nicht-kommerzielles Projekt und beruht auf der Bereitschaft der Autoren, Wissen zu teilen. Eine Blogparade funktioniert folgendermaßen: ein Blogger oder eine Bloggerin formuliert eine Frage (und wird dadurch zum Gastgeber- bzw. „Host“-Blog) und bittet um Beiträge dazu, die in einem bestimmten Zeitraum mit dem Hostblog verlinkt werden sollten. Die Antworten können – um eine breite Beteiligung zu ermöglichen – nicht nur über Blogs eingehen, sondern auch über andere Plattformen wie bspw. soziale Netzwerke. Initiiert wird so ein öffentlicher Diskurs im Internet zu einem bestimmten Thema.

Das oben erwähnte Blogger-Netzwerk, das auf gemeinnützige Themen spezialisiert ist, rief 2008 die NPO-Blogparade ins Leben, die schon im Namen zeigt, um was es inhaltlich in den unterschiedlichen Fragerunden gehen soll: um einen Austausch über Nonprofit-Organisationen (NPO) bzw. den Dritten Sektor.

Die NPO-Blogparade

Die Einführung einer NPO-Blogparade ist der Versuch, zivilgesellschaftlichen Themen im Netz mehr Aufmerksamkeit zu verschaffen und das Wissen von Bloggerinnen und Bloggern sowie aller, die bereit sind, sich an der Diskussion zu beteiligen, zusammenzuführen und zu bündeln. Im Internet dominiert an vielen Stellen der Kommerz, - die NPO-Blogparade will dem zivilgesellschaftliche Fragestellungen entgegensetzen, die sich insbesondere mit dem institutionalisierten Teil der Zivilgesellschaft befassen, nämlich mit gemeinnützigen Vereinen und Verbänden.

Die NPO-Blogparade, die jeweils mit einem auswertenden Schlussartikel durch das Host-Blog endet, wird in der Regel durch einen einstündigen Live-Chat auf Twitter unter dem Schlagwort #npochat ergänzt, so dass der Kreis der Diskussionsteilnehmer nochmals ausgeweitet werden kann.

In der Vergangenheit erlebte die NPO-Blogparade Höhen und Tiefen, was die Beteiligung angeht, zeitweise ruhte sie auch. Umso erfreulicher ist, dass das CCCD in Kooperation mit mir die Tradition wieder aufgenommen hat und den Themenkomplex „Social Media für die Bürgergesellschaft“ in der Internetöffentlichkeit bzw. der Blogosphäre zur Diskussion stellte.

Das Netz braucht Orte für den Austausch über zivilgesellschaftliche Fragen. Wenn die NPO-Blogparade ein solcher Ort ist, dann freut dies die beteiligten Bloggerinnen und Blogger!

Einladung zur Blogparade „Social Media für die Bürgergesellschaft“, 16.-21. April 2012

Alexandra Härtel | cccdeutschland.org

Bürgergesellschaft und soziale Medien des Internets haben viel gemeinsam. Vor allem basieren sie auf gleichen Grundprinzipien wie Selbstorganisation und Eigenverantwortung, Partizipation und Teilhabe. Social Media können zur Triebkraft für eine aktive Bürgergesellschaft werden und die Möglichkeiten zur Bürgerbeteiligung beträchtlich erweitern. Durch Social Media entstehen neue Chancen und auch neue Herausforderungen für die Transparenz, die Beteiligungsoffenheit und den kommunikativen Austausch zivilgesellschaftlicher Akteure.

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Page 7: Social Media für die Bürgergesellschaft. Beiträge zur NPO-Blogparade 16. - 21. April 2012

NPO-Blogparade: Social Media für die Bürgergesellschaft | Seite 7

Zwar haben schon viele gemeinnützige Einrichtungen und Bürger/innen das Mitmach-Internet für sich entdeckt. Aber in der Fläche gibt es noch unzählige zivilgesellschaftliche Akteure, die soziale Medien gar nicht oder nur sporadisch und sehr unsystematisch nutzen. Viele sehen das Internet nur als Instrument zur Informationsbeschaffung und -vermittlung, nicht aber für Diskurs und Beteiligung, so ein Ergebnis der Untersuchung „Internet und digitale Bürgergesellschaft – neue Chancen für Beteiligung“ des CCCD. Die Autoren Alexandra Härtel und Serge Embacher haben beobachtet, dass sich in der Bürgergesellschaft gewissermaßen zwei Kulturen herausbilden: die Kultur der "Onliner", die Social Media für Initiativen, Kampagnen, Fundraising und innovative Beteiligungsformate nutzen, und die Kultur zivilgesellschaftlicher Organisationen, die häufig eigene Websites betreiben, aber die neuen Medien primär für die sogenannte "One-to-many-Kommunikation“ nutzen und das Potenzial von Social Media (noch) nicht erkennen.

Im Rahmen des Projekts „Social Media für die Bürgergesellschaft“, das von der Robert Bosch Stiftung gefördert wird, will das CCCD die Erkenntnisse der Untersuchung mit anderen teilen und diskutieren, um das Bewusstsein in der Zivilgesellschaft für die Möglichkeiten, die soziale Medien für Bürgergesellschaft und Beteiligungskultur bieten, zu schärfen; aber auch, um die Herausforderungen, die mit dem Internet verbunden sind, zu benennen und weitere relevante Fragestellungen zu identifizieren sowie Wissen zu bündeln. Berichte über Diskussionsveranstaltungen über soziale Medien mit zivilgesellschaftlichen Akteuren vom 10.11.2011 in Hamburg und vom 8.3.2012 in Bonn können Sie in Kürze hier nachlesen.

Die Blogparade „Social Media für die Bürgergesellschaft“, mit der wir an die Tradition der NPO-Blogparade anknüpfen, ist Teil dieses Projekts. In der Woche vom 16.-21. April 2012 laden wir – in inhaltlicher Kooperation mit Brigitte Reiser von Nonprofits-vernetzt - alle Interessierten ein, den Diskurs über die Nutzungsmöglichkeiten von Social Media durch die Bürgergesellschaft sowie die in diesem Kontext identifizierten Chancen, Herausforderungen und Handlungsempfehlungen, online zu führen.

Beteiligen kann sich jede und jeder, indem sie/er einen Blog-Artikel zum Thema "Social Media für die Bürgergesellschaft" veröffentlicht und/oder sich in die Diskussion durch die Kommentierung von Blog-Artikeln einbringt.

Inhaltlich sind viele unterschiedliche Perspektiven und Fragestellungen willkommen:

• Wie steht es um die Nutzung von Social Media in gemeinnützigen Organisationen?

• Wo liegen bis heute die Stolpersteine?

• Wie kann die Social Media-Nutzung in Organisationsstrukturen verankert werden?

• Wie wird das Wissen der Bürger/innen abgerufen, welche Beteiligungsmöglichkeiten werden geboten? Welche guten Beispiele gibt es?

• Welche Möglichkeiten zur digitalen Inklusion existieren und welche Rolle könnten/sollten zivilgesellschaftliche Organisationen dabei spielen?

• Wie könnte das Netz bürgerschaftlicher gestaltet werden?

• Wie kann man Online- und Offline-Strategien gut miteinander verbinden?

• Wo liegen die Grenzen des Webs für die Bürgergesellschaft?

• etc.

Wenn Sie im Rahmen der Blogparade einen Beitrag veröffentlichen, verlinken Sie diesen bis zum 21.4.2012 mit diesem Artikel.

Nutzen Sie dafür bitte diesen Trackback-Link: http://www.cccdeutschland.org/de/trackback/619.

Nach der Blogparade sichten wir die eingegangenen Beiträge (mit Hilfe der Trackback-Links) und

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NPO-Blogparade: Social Media für die Bürgergesellschaft | Seite 8

veröffentlichen einen Artikel, in dem die wesentlichen Aspekte der Diskussion zusammengefasst werden.Wer kein eigenes Blog hat kann auch im Forum der Xing-Gruppe " Zivilgesellschaft und Internet " einen Beitrag zur Blogparade posten (bitte als solchen kenntlich machen).Am Montag, 23. April 2012, findet von 16-17 Uhr auf Twitter ein abschließender Live-Chat mit dem Hashtag #npochat statt.

Das CCCD wird die eingehenden Blogparaden-Beiträge sammeln und in Form eines eBooks veröffentlichen (wer seinen Beitrag nicht im eBook haben möchte, sollte uns bis 21.4.2012 Bescheid geben). Wir behalten uns vor, Beiträge, die wir in inhaltlicher oder formaler Hinsicht (z.B. wegen rechtswidriger Inhalte) für nicht geeignet halten, nicht ins eBook mit aufzunehmen.Die Diskussionsergebnisse der Blogparade wird das CCCD außerdem in die konventionellen Medien zivilgesellschaftlicher Organisationen (Verbandszeitschriften etc.) einbringen und so die Diskurse im und um das Social Web mit den altbewährten Kommunikationsstrukturen zivilgesellschaftlicher Organisationen verknüpfen.

Wir freuen uns auf zahlreiche spannende Beiträge zur Blogparade und im Twitchat und laden Sie ganz herzlich zur Teilnahme ein!

Social Media für die Bürgergesellschaft – Auswertung der Blogparade vom 16.-21. April 2012

Dr. Brigitte Reiser / Alexandra Härtel | cccdeutschland.org

Im April haben wir – das CCCD und Brigitte Reiser von Nonprofits-vernetzt– gemeinsam zu einer Blogparade über die Chancen und Herausforderungen sozialer Medien für die Bürgergesellschaft aufgerufen. Das Feedback aus der Blogsphäre war sehr positiv: es wurden viele spannende Beiträge eingereicht, die das Thema aus unterschiedlichen Perspektiven beleuchten.

Den Anfang machte Jona Hölderle von Sozialmarketing.de. Ihm zufolge eröffnen soziale Medien gemeinnützigen Organisationen die Chance, sich nach außen hin zu öffnen: Transparenz, Kommunikation und Vernetzung würden durch das Internet gefördert, - wobei er hier nicht nur die bilaterale Vernetzung zwischen Organisation und Bürgern im Auge hat, sondern die Vernetzung, die Organisationen zwischen Bürgern initiieren können. Grundsätzlich sollten gemeinnützige Einrichtungen nicht nur auf die Mitgliedschaft zielen, sondern „zwischen Interesse und Mitgliedschaft viele kleine Schritte der Beteiligung schaffen“ (Hölderle).

Julia Russau von anerkennung-sozial.de hält soziale Organisationen für besonders prädestiniert, wenn es um die Nutzung sozialer Medien geht: „Und das hat einen einfachen Grund: Weil Social Media soziale Medien sind – und sie das Netz damit zu einem Teil der Gesellschaft machen, in die soziale Organisationen schon immer hineinwirken“ (Russau). Gerade die dialogische, interaktive Seite sozialer Medien passe sehr gut zu sozialen Organisationen, denn der Dialog mache zum großen Teil deren Wesen aus. Und dennoch würden im Alltag soziale Organisationen diese spezifische Kernkompetenz im Internet vernachlässigen.Laut Russau liegt die Vermutung nahe, „dass die Ausrichtung der Organisationen auch ‚offline‘ ähnliche Tendenzen aufweist. Die großen Themen, mit denen sich soziale Organisationen zurzeit

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NPO-Blogparade: Social Media für die Bürgergesellschaft | Seite 9

beschäftigen, scheinen vor allem drei: Finanzen, Image und Fachkräftemangel. So ist es kaum verwunderlich, dass diese Ausrichtung auch in den Social Media-Aktivitäten deutlich wird, die vornehmlich auf Fundraising, Öffentlichkeitsarbeit oder Personalrekrutierung zielen“ (Russau).

Auch Hans Karl Schmitz sieht einen Fit zwischen sozialen Medien und sozialen Organisationen, weil beide auf Partizipation basieren und Partizipation sei ein „zentrales Handlungsparadigma sozialer Arbeit“ (Schmitz). Seine Aufmerksamkeit gilt nicht der Beteiligung der Adressaten sozialer Dienste, sondern der sozialen Profession selbst. Diese sei durch die Ökonomisierung ihres Arbeitsfeldes tagtäglich mit Finanzengpässen befasst und brächte sich zu wenig in die Gestaltung der Sozialpolitik und der Bedingungen sozialer Arbeit sowie des Internets ein. Er sieht die Lösung in einer stärkeren Qualifizierung der Mitarbeiter von Sozialeinrichtungen, wenn es um IT und soziale Medien geht und setzt die Hoffnung auf Open-Source-Software, von der sozialen Arbeit selbst entwickelt. So könnten sich Einrichtungen des Sozialwesens zu Orten entwickeln, in denen mittels IT „mündige Akteure“ (Schmitz) agieren.

Marc Boos von der Caritas-Webfamilie sieht seinen Verband in der Pflicht, in der Bürgergesellschaft „aktiv und präsent“ zu sein (Boos). Und das gelte nicht nur für das Caritas-Engagement vor Ort, sondern auch für jenes im Internet. Denn der Caritas-Verband habe in seinen Leitlinien festgelegt, dass er nicht nur Anbieter sozialer Dienstleistungen sei oder der Anwalt für eine solidarische Gesellschaft, sondern auch „Teil der sozialen Bewegungen“ (Boos). Die Caritas sage von sich, sie wolle „ein Knoten im Netz vieler Menschen werden (…), die an sozialen Themen interessiert sind. Dazu muss sie sich stärker verbinden mit anderen sozialen Playern und offen sein für Impulse von Menschen, die sich (auch mal kritisch) mit den Ideen und Positionen der Caritas auseinandersetzen“ (Boos).

Als gelungene Beispiele, wie man Freiwilligen, Betroffenen und Interessierten über das Netz Beteiligungsmöglichkeiten bieten kann, nennt Boos die Caritas-Projekte „Mitten am Rand“, die Erarbeitung der Social Media Guidelines des Verbandes und die Young Caritas in Österreich, Luxemburg, Südtirol und der Schweiz.

Auch Marcel Gluschak, Community Manager bei der WWF Jugend, zeigt auf, wie Beteiligung über soziale Medien in einem Verband gelingen kann. In seinem Artikel „Sind wir das noch? Die Agenda-Angst“ beschreibt er das Dilemma von Verbänden, wenn es darum geht, die Inhalte für die Kampagnenarbeit auszuwählen. Einerseits seien Kampagneninhalte, Ressourcen und Budgets schon für größere Zeiträume festgezurrt, andererseits wünschten die Unterstützer eine Möglichkeit zur Mitsprache: „wie fange ich also Initiativen auf, die aus der Community kommen und quasi ‘on top’ betreut werden müssen? Da ergibt sich unweigerlich ein Problem: Entweder ich enttäusche meine beteiligungswilligen Unterstützer, oder ich bekomme nicht alle meine eigenen Themen auf die Agenda“ (Gluschak).

In der WWF-Jugend hat man einen guten Weg für das Miteinander von Verband und Unterstützern gefunden: „In der WWF-Jugend fahren wir eigene Kampagnen, wir lassen aber auch immer Freiraum für Initiativen aus dem Kreis der Jugendlichen, die wir dann mit Ressourcen, Material und Öffentlichkeitsarbeit unterstützen. So entsteht ein buntes Neben- bzw. Miteinander von ‘offiziellen’ WWF Jugend-Aktionen und Freiwilligen-Projekten. Dass der WWF hierfür Teile seiner ‘Themenhoheit’ an die Jugendlichen abgibt, ist kein Nachteil – vielmehr bringt es zusätzliche Aktivität, Identifikation und Authentizität in die WWF Jugend.“ (Gluschak). Drei Dinge sind Gluschak zufolge für erfolgreiche Partizipationsprozesse notwendig: klare Regeln, eine Absage an den Perfektionismus und die Haltung, dass man es nicht immer allen ganz recht machen kann.

Speziell für das Jugendengagement bieten soziale Medien Hannes Jähnert zufolge große Chancen. Sie beinhalten das, was jugendliches Engagement beflügelt, nämlich – Jähnert zitiert hier einen Beitrag von Klaus Farin – keine festen Hierarchien, Spaßkultur, Freundschaften, Action und ein Einsatz auf Zeit. Allerdings steht all dies laut Jähnert in krassem Gegensatz zu traditionellen Dritt-Sektor-Organisationen, an denen das vorhandene Jugendengagement deshalb auch „spurlos vorbeiweht“

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NPO-Blogparade: Social Media für die Bürgergesellschaft | Seite 10

(Farin). „Spülte der Zivildienst früherer Tage junge Männer zu Hauf in den Dritten Sektor, ist die Entscheidung, auch nur einen Fuß in die Sphären traditionellen Freiwilligenengagements zu setzen, heute dem Einzelnen überlassen und steht damit mehr denn je in Konkurrenz zu anderen (normalen?!) Freizeitbeschäftigungen“ (Jähnert). Er plädiert dafür, die gewachsenen Organisationsstrukturen im Dritten Sektor weiterzuentwickeln, Zugänge für sporadisches Jugendengagement zu schaffen und hierfür soziale Medien zu nutzen.

Den hohen Stellenwert von Beteiligung in den sozialen Medien hält auch Martin Horstmann von diakonisch.de fest. Für ihn ist die Gretchen-Frage bezüglich Social Media „‘Wie hältst du es mit der Beteiligung?‘ (und eben nicht: ‚Twitterst du auch?‘)“ (Horstmann). Wie Julia Russau ist er der Ansicht, dass soziale Organisationen – in diesem Fall die Diakonie – und soziale Medien „eigentlich wunderbar zusammenpassen“ (Horstmann). Mit Marc Boos teilt er die Überzeugung, dass die Diakonie mehr ist als ein Verband, der soziale Dienstleistungen anbietet. Die Diakonie bilde vor allem auch Gemeinschaften. „Communities zu bilden ist urdiakonisch. (…) Und ein Kern von social media ist, genau: das Communitybuilding“ (Horstmann). Er empfiehlt, alle Aufgaben/Funktionen/Dimensionen der Diakonie nacheinander abzuklopfen und die Analogien zu sozialen Medien zu suchen. Erst in einem zweiten Schritt – nicht vorher – sollten dann die technischen Formate ausgewählt werden.

Dass soziale Medien ein großes Potential für die Kirche und die in ihr engagierten Ehrenamtlichen bieten, davon ist auch Simon Wiggen vom Portal „gemeindemenschen“ überzeugt. In der EKD engagieren sich mehr als eine Million Freiwillige, - jeder Ehrenamtliche ist gleichzeitig auch ein Öffentlichkeitsarbeiter, wenn er seine Erfahrungen mit der Kirche und seinem Ehrenamt weitergibt. Ja, die Ehrenamtlichen sind für Wiggen sogar die „Schlüsselpersonen der Öffentlichkeitsarbeit“, weil sie als Multiplikatoren über Online-Netzwerke potentiell tausende von Menschen erreichen. Kirchengemeinden haben dieses Potential, die eigene Reichweite über entsprechende Multiplikatoren zu erweitern, schon für sich entdeckt: „In den vergangenen Jahren erstellen immer mehr Gemeinden Facebook- und Twitter-Konten und sind dort mehr oder weniger aktiv. Leider halten viele ihre anfängliche Aktivität nicht durch und die Auftritte werden unattraktiver. Dabei wären Social Media für Kirche und ihre Ehrenamtlichen ein guter Weg, sich zu präsentieren und in die Bürgergesellschaft einzubringen“ (Wiggen).

Katrin Kiefer von Netzwerk-PR ist guter Dinge, dass der deutsche Nonprofit-Sektor trotz aller Schwierigkeiten doch noch den Sprung in die digitale Gesellschaft schafft. Sie sieht auf der Basis ihrer empirischen Untersuchung von 60 mitgliederstarken NPOs in Deutschland „einen sehr positiven Verlauf bezüglich der Nutzungsvielfalt von sozialen Medien im deutschen Nonprofit-Sektor, sowohl in quantitativer als auch qualitativer Hinsicht“ (Kiefer). Ihr zufolge würden die untersuchten Organisationen sich zunehmend von der Praxis distanzieren, das Netz in top-down-Manier als einseitigen Kommunikationskanal zu nutzen. Vielmehr würden der Stakeholder-Dialog, das Online-Fundraising, die Kampagnenarbeit und die Suche nach Ehrenamtlichen und Freiwilligen in den Mittelpunkt ihrer Web-Aktivitäten rücken. Allerdings bleibt nach Ansicht von Kiefer für den Nonprofit-Sektor noch viel zu tun, wenn es um soziale Medien geht. Sie zählt hier auf: den Ausbau der Transparenzmaßnahmen im Netz, den Dialog und die Einbindung von Stakeholdern auf Augenhöhe sowie die Öffnung der Kommunikations- und Organisationsstruktur nach außen.

Ein Defizit des Dritten Sektors liegt sicherlich auch darin, im Hinblick auf soziale Medien zu wenig strategisch vorzugehen. Wie inkrementalistisch sich die Dinge oft entwickeln, zeigt der Beitrag von Stefan Zollondz von Net-pilots auf. Er analysiert – als Mitarbeiter des Arbeiterwohlfahrtsverbandes (AWO) und Fachmann in Sachen Social Media – das Engagement seines Verbandes im Netz. Ihm zufolge fehlt dem AWO-Bundesverband ein Social Media-Konzept, das sich auch auf die Ebene der Landes-, Bezirks-, Kreis- und Ortsverbände übertragen lässt. Ebenso fehlt eine Social Media-Policy, die Regeln für den Umgang mit dem Internet aufstellt. Weil ein Social Media-Konzept des Verbandes fehlt bzw. eine klare Strategie, wie der Verband sich im Netz präsentieren will, entwickelt sich die Nutzung sozialer Medien auf den einzelnen Ebenen eher zufällig, in Abhängigkeit vom Engagement Einzelner.

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NPO-Blogparade: Social Media für die Bürgergesellschaft | Seite 11

Zollondz‘ persönliches Fazit im Hinblick auf das Social Media-Engagement seines Verbandes:

• „Es finden viele engagierte Einzelprojekte statt, die oft hausgemacht und laienhaft wirken und damit den Verband an sich nicht angemessen repräsentieren.

• Ein niedrigschwelliger Aufritt baut mögliche Kontaktängste ab, trägt aber auch zu einem unprofessionellen Erscheinungsbild bei.

• Rechtliche Unwissenheit könnte kostspielige Abmahnungen nach sich ziehen.“ (Zollondz)

Die wichtige Rolle derjenigen in zivilgesellschaftlichen Organisationen, die in Eigeninitiative versuchen, für ihre Organisation eine Präsenz im Social Web zu schaffen, betont auch Hannes Jähnert in einem weiteren Blogbeitrag für die NPO-Blogparade. „Wenn die Sozialen Medien in Dritt-Sektor-Organisationen überhaupt eingesetzt werden, hängt dies vor allem an einzelnen Personen, ‘die Social Media mit Herzblut betreiben‘ “ (Jähnert). Um den digitalen Graben zwischen den ‚Digital Natives‘ und den ‚Digital Outsiders‘ zu überwinden, der die Bürgergesellschaft durchzieht, fordert Jähnert einen Brückenschlag in Form von Veranstaltungsformaten wie BarCamps und Stammtische, die eine niedrigschwellige Beteiligung aller Interessierten zulassen. Und die Förderung eines Verständnisses in Nonprofit-Organisationen, das soziale Medien als „alltägliches Kommunikationsmittel“ (Jähnert) begreift, das alle umschließen muss, - nicht nur einzelne in der Organisation.

Die bisherigen Ausführungen machen deutlich, dass dem Dritten Sektor in der Fläche noch viele Kompetenzen fehlen, wenn es um soziale Medien geht. Und viele gemeinnützige Akteure aus der großen Anzahl von über einer halben Million Vereine in Deutschland haben ihren Weg ins Internet noch gar nicht gefunden. Insofern wäre es dringend notwendig, dass die digitale Inklusion des Dritten Sektors stärker gefördert würde, fordert Brigitte Reiser auf Nonprofits-vernetzt.de: „Staat und Stiftungen sollten in ihre Budgets für gemeinnützige Organisationen Mittel für die IT-Ausstattung und die Vermittlung digitaler Kompetenzen mit aufnehmen. Die sogenannte ‚digitale Inklusion‘ des Dritten Sektors ist kein Randthema, – sondern eines, das existentiell ist für die Weiterentwicklung der hiesigen Zivilgesellschaft.“ Dazu gehöre auch die digitale Inklusion der Stakeholder von Vereinen, um niemanden von den Beteiligungsmöglichkeiten im Internet auszuschließen.

Gleichzeitig seien die gemeinnützigen Akteure selbst gefordert: zum einen in ihrer Bereitschaft, gemeinsam die Nutzung sozialer Medien zu erlernen und hierfür Ressourcen zusammenzulegen, und zum anderen in netzpolitischer Hinsicht. Der Dritte Sektor sollte sich nicht nur „als Konsument von Netzangeboten betrachte(n) (‚Wir sind jetzt auch auf Facebook‘), sondern als aktiver Gestalter des digitalen Raumes zugunsten zivilgesellschaftlicher Akteure und demokratischer Beteiligungsmöglichkeiten“ (Reiser).

Auf die Ambivalenz kommerzieller Netzangebote (‚Faceboogle‘), die Mitmach- und Vernetzungsmöglichkeiten bieten, dafür aber als Preis die persönlichen Daten der Bürger gewerblich nutzen, weisen auch die Beiträge von Theresa Bauer und Alexandra Härtel hin. Bauer sieht gerade bei zivilgesellschaftlichen Organisationen eine erhöhte Verantwortung dafür, dass mit den Daten ihrer Stakeholder verantwortlich umgegangen wird. Deshalb muss ihr zufolge jede Organisation sich mit den vorhandenen Plattformen kritisch auseinandersetzen und sich fragen: „Können wir trotz erheblicher Mängel in diesem Bereich die Online-Plattformen für unsere Zwecke nutzen?“ (Bauer). Wie Reiser appelliert sie an die Organisationen der Zivilgesellschaft, sich verstärkt netzpolitisch einzubringen und politischen Druck auf die Plattformbetreiber auszuüben, damit sich in Sachen Datenschutz die Zustände verbessern.Auch Härtel sieht die zentralisierten Angebote wie Facebook, Google, Apple usw. kritisch. In einem Rückgriff auf einen Artikel von Felix Stadler in der SZ bemängelt sie, dass im Rahmen dieser zentralisierten Infrastruktur eine klare Hierarchie zwischen Plattform-Betreiber und Nutzer existiert – und keine demokratischen Verhältnisse oder Formen von Bürgerbeteiligung. Sie erwähnt konkurrierende Open-Source-Projekte wie Diaspora und ist der Ansicht, dass die Zivilgesellschaft durch die Unterstützung entsprechender Angebote die „Entwicklung und Stärkung von Alternativen zu

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Page 12: Social Media für die Bürgergesellschaft. Beiträge zur NPO-Blogparade 16. - 21. April 2012

NPO-Blogparade: Social Media für die Bürgergesellschaft | Seite 12

kommerziellen Anbietern mit vorantreiben“ kann (Härtel).

Social Media für die Bürgergesellschaft – die Blogbeiträge haben eine ganze Bandbreite von Chancen und Ambivalenzen des Themas deutlich gemacht und aufgezeigt, dass noch viel zu tun bleibt im deutschen Nonprofit-Sektor, wenn es um die Implementation der Social Media-Nutzung in der eigenen Organisation geht.

Wichtig ist, dass trotz neuer sozialer Medien die klassischen Kommunikationskanäle nicht vernachlässigt werden, die nach wie vor viele Menschen erreichen. Hans-Dieter Zimmermann fragt etwa in seinem Blogbeitrag auf dem Weblog des interdisziplinären Forschungsbereichs eSociety der FHS St. Gallen, welche Rolle Social Media tatsächlich gespielt haben bei einer Art Bürgerentscheid in St. Gallen / Schweiz im Mai 2011.

Auch Serge Embacher weist in einem seiner Blogbeiträge darauf hin, dass Soziale Medien eine Ergänzung klassischer Medien sein sollten, nicht deren Ablösung, - so das Feedback aus lokalen Diskussionen mit Nonprofits. „Offline- und Online-Welt dürften nicht gegeneinander ausgespielt werden, sondern müssten zueinander gebracht werden“ (Embacher).

Der Förderung von digitalen Kompetenzen in der Bürgergesellschaft komme große Bedeutung zu: „Ohne die Vermittlung von Medienkompetenz tragen neue Medien eher zur Vertiefung sozialer Gräben bei“, so Embacher. Insofern müsse das Augenmerk aller auf der Stärkung der „digital Literacy“ liegen, - eine Forderung, der sich sicher alle an der Blogparade Beteiligten anschließen können.

Im abschließenden, einstündigen Twitchat der Blogparade am 23. April 2012 (hier nachzulesen) wurde gefragt, wie eine Brücke über den „digitalen Graben“ zwischen On- und Offlinern gebaut werden kann. Um auf lokaler Ebene das digitale Know How von Nonprofits zu stärken wird etwa die Bildung organisationsübergreifender Lerngruppen empfohlen (@npo_vernetzt). Die Socialbar versteht sich als Ort des Lernens, stellt aber fest, dass mehr Ressourcen benötigt werden, um neue Akteure ansprechen zu können. Neben den extern initiierten Lerngruppen müssten Organisationen aber auch selbst mehr Initiative zeigen, meint @JuliaRussau, wenn es darum geht, sich selbstorganisiert mit der Welt der Social Media vertraut zu machen. So lautet dann auch ein Fazit: “Wir brauchen mehr Mittel und Initiativen für die #digitaleInklusion von #NPO und in #NPO einen kulturellen Wandel“ (@npo_vernetzt). Katrin Kiefer betont, dass Potentiale von Social Media „erst voll ausgeschöpft werden, wenn NPOs [eine] offene, partizipative, transparente Kultur schaffen“ (@KatrinKiefer). Werte der Social Media Kultur müssen, wenn sie Eingang gefunden haben in eine Organisation selbstverständlich auch „offline“ gelebt werden. Der kulturelle Wandel einer Organisation braucht entsprechend „Zeit, Kompetenz & Impulse von außen“ (@socialbar).

Auch durch den Twitchat inspiriert, hat Hannes Jähnert einen weiteren Beitrag für die Blogparade verfasst, in dem er Parallelen zieht zwischen der Annäherung an die „Welt der Sozialen Medien“ und den fünf Phasen eines Kulturschocks. Die Überwindung des Kulturschocks, so seine Diagnose, ist „eine individuelle Angelegenheit, die Zeit braucht“ (Jähnert) - und Begleitung durch einen Vermittler, der dabei hilft, ein Verständnis der Netzkultur zu entwickeln und es von der Phase der "Euphorie" bis hin zur Phase des "complete adjustment" zu schaffen.

Wir danken allen genannten Bloggerinnen und Bloggern herzlich für ihre eingereichten Beiträge und dafür, dass sie ihr Wissen so großzügig teilen!

Ende Mai wird es eine neue NPO-Blogparade geben: Katrin Kiefer lädt ein, die Diskussion über Social Media und Bürgergesellschaft mit dem Fokus auf die Themen Social Media Recruiting und Online-Volunteering weiterzuführen. Weitere Informationen dazu und zur Veröffentlichung des eBooks, in dem alle Beiträge zur Blogparade „Social Media für die Bürgergesellschaft“ versammelt sind, demnächst via Twitter unter #npoblogparade.

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Page 13: Social Media für die Bürgergesellschaft. Beiträge zur NPO-Blogparade 16. - 21. April 2012

NPO-Blogparade: Social Media für die Bürgergesellschaft | Seite 13

Soziale Netzwerke und soziale Verantwortung gehen oft nicht Hand in Hand

Theresa Bauer | XING -Forum „Zivilgesellschaft und Internet“

Ein kritischer Beitrag für die Blogparade "Social Media für die Bürgergesellschaft"

Die Nutzerzahlen sozialer Netzwerke nehmen rasant zu und auch immer mehr zivilgesellschaftliche Organisationen setzen Plattformen wie Facebook oder Twitter für ihre Zwecke ein. Soziale Medien bieten neue Möglichkeiten der interaktiven Kommunikation mit einer Reihe von Stakeholdern. Gemeinnützige Organisationen finden neue Wege, um auf ihre Anliegen aufmerksam zu machen und Spenden zu sammeln. Trotzdem sollte bei aller Euphorie nicht vergessen werden: Hinter sozialen Netzwerken stehen gewinnorientierte Unternehmen, die über ständig wachsenden Einfluss verfügen und ihrer Verantwortung der Gesellschaft gegenüber nicht immer ausreichend gerecht werden.

Problematisch ist etwa der mangelnde Schutz der Privatsphäre und der Datenschutz in sozialen Netzwerken. Die Nutzeroberflächen und Nutzereinstellungen sind oft so gestaltet, dass jeder, der auf den Plattformen aktiv ist, möglichst viele seiner Daten preisgibt. Unternehmen wie Facebook und Co. haben in den letzten Jahren immer wieder im Bereich Datenschutz nachgebessert – aber meist erst aufgrund erheblichen öffentlichen Drucks. Die Versuche, möglichst viele Daten zu sammeln und zu nutzen, variieren, aber ein Ende dieser Versuche scheint nicht in Sicht. Wenn gemeinnützige Organisationen soziale Netzwerke nutzen, sollten sie sich also fragen: Sind wir nicht verpflichtet für den Schutz der Daten und der Privatsphäre unserer Mitglieder und Unterstützer zu sorgen? Können wir trotz erheblicher Mängel in diesem Bereich die Online-Plattformen für unsere Zwecke nutzen?

Es geht nicht darum, soziale Netzwerke zu verteufeln. Zu oft wurden Plattformen wie Twitter auch bereits für „gute Zwecke“ genutzt – etwa während der Aufstände der Arabellion. Und zugegeben - es ist zunehmend schwierig, die sozialen Netzwerke zu meiden. Man ist heute einfach online (die Verfasserin eingeschlossen). Aber gerade Organisationen der Zivilgesellschaft sollten sich fragen: Wenn die Betreiber dieser Netzwerke ihrer sozialen Verantwortung nur bedingt gerecht werden – kann ich diese Plattformen trotzdem für mein Anliegen nutzen und wenn ja, auf was sollte ich achten? Problembewusstsein ist gefragt. Der Druck auf die Betreiber sozialer Netzwerke sollte etwa erhöht werden, nicht nur von Seiten der Politik (das geschieht zunehmend). Auch die Organisationen der Zivilgesellschaft können sich dafür stark machen, dass sich etwas ändert. Angefangen bei problematischen Aspekten wie mangelndem Datenschutz, bis zu etwa zu ökologischen Fragen – wie etwa der Nutzung erneuerbarer Energien in den Rechenzentren der sozialen Netzwerkbetreiber.

Antwort von Dr. Brigitte Reiser

Vielen Dank für Ihren interessanten Beitrag!

Tatsächlich sind die kommerziellen sozialen Netzwerke sehr ambivalent: einerseits ein Tool für den Aufbau von sozialem Kapital, andererseits - wie Sie schreiben - gewinnorientierte Unternehmen, die an den persönlichen Daten der Nutzer orientiert sind. Eine kritische Abwägung, ob, inwieweit und wo man sich als Einrichtung einbringen möchte, ist sicher notwendig. Ihre Forderung, dass zivilgesellschaftliche Organisationen stärker auf bürgerfreundliche Angebote drängen und sich netzpolitisch stärker engagieren sollten, kann ich nur unterstreichen.

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Page 14: Social Media für die Bürgergesellschaft. Beiträge zur NPO-Blogparade 16. - 21. April 2012

NPO-Blogparade: Social Media für die Bürgergesellschaft | Seite 14

Antwort von Alexandra Härtel

Danke dafür, dass Sie die Debatte um das netzpolitische Bewusstsein zivilgesellschaftlicher Organisationen hier eröffnet haben. Heute ist in der Süddeutschen Zeitung ein spannender Artikel von Felix Stalder erschienen (http://bit.ly/J68Mpw), in dem er sich mit der zentralisierten Infrastruktur im Netz, für die Facebook, Google, Apple, Twitter u.a. Plattformen stehen, versus "soziale Ökonomie" auseinandersetzt. Letztere "unterscheidet sich von einer kommerziellen Ökonomie dadurch, dass Geldflüsse eingebettet sind in komplexe soziale Austauschbeziehungen". Als Beispiel nennt er Wikipedia, eine kulturelle Gemeinschaft, die "auf kontinuierlicher, offener Kommunikation vieler mit vielen beruht", während die kommerziell orientierten Anbieter „klare Hierarchien zwischen Betreiber und Nutzer“ aufrecht erhalten.

In zwei Werkstattgesprächen zum Thema "Social Media für die Bürgergesellschaft", die das CCCD bisher durchgeführt hat, wurde deutlich, dass Organisationen, die noch keine Social Media-Anwendungen nutzen, verunsichert sind, wie sie mit der Situation umgehen sollen, auf der einen Seite einen Druck, insbesondere durch jüngere Beteiligte, wahrzunehmen, sich ins Social Web und dort dann in erster Linie auf Facebook zu begeben, und auf der anderen Seite eine große Unsicherheit bis hin zu Misstrauen zu spüren gegenüber den Plattformen, die in aller Munde sind und dort nicht nur gut besprochen werden. An dieser Stelle gibt es Informationsbedarf, der wenn, dann häufig jedoch mit Hinweisen auf die "richtigen" Einstellung zum "Schutz der Privatsphäre" bedient wird. Tatsächlich muss ein Bewusstsein für die Strukturen einer Plattform und die damit gesetzten Ziele, häufig, wie Stadler schreibt, "die Aktivitäten der Nutzer so zu organisieren, dass sie Produkte herstellen, mit denen die Eigentümer dieser Räume Handel betreiben und deren Mehrwert sie sich aneignen können", geschaffen werden. (Interessant in diesem Kontext auch die Bemerkung eines Journalisten auf dradio vor kurzem: Noch geht es Facebook gut, aber wie geht das Unternehmen mit den persönlichen Daten um, wenn es finanziell schlechter geht?)

Ich stimme zu, dass sich zivilgesellschaftliche Organisationen intensiver mit den Nachteilen kommerziell betriebener Plattformen auseinandersetzen und sich für Veränderungen einsetzen sollten.

Erwähnt sei an dieser Stelle jedoch auch, dass es z. B. mit DIASPORA seit 2010 eine Community gibt, die ein Social Network-Model unterstützt, das sich dadurch auszeichnet, dass es keinen zentralen Betreiber gibt, das sich im Prinzip in der Hand der Nutzer befindet - mit weltweit, von Nutzern betriebenen Webservern, die zusammenarbeiten (können). Hier dürfen Pseudonyme ausdrücklich genutzt werden und die Rechte an den eigenen Daten liegen ausschließlich beim Nutzer selbst. Finanziert wird Diaspora bisher aus Spenden. (Quelle: Wikipedia http://bit.ly/IVFxGW) Diese Alternative und ihre Funktionsweise ist leider bisher wenig bekannt. Zivilgesellschaftliche Organisationen könnten durch die Unterstützung solcher Projekte die Entwicklung und Stärkung von Alternativen zu kommerziellen Anbietern mit vorantreiben.

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Sozial bewegt im Social Web

Marc Boos | caritas-webfamilie.de

Wie steht es um die Nutzung von Social Media in gemeinnützigen Organisationen? Diese Frage stellt das Centrum für Corporate Citizenship Deutschland (CCCD) derzeit im Rahmen der Blogparade „Social Media für die Bürgergesellschaft“. Dieser Artikel zeigt, wie sich die Caritas in soziale Medien einbringt, welche Chancen sich ihr bieten und weshalb der Verband mehr zu einer sozialen Bewegung werden muss.

Am Ende waren es 728 Stimmen, die die Caritas für ihren Vorschlag beim Online-Voting im Zukunftsdialog der Bundeskanzlerin gesammelt hat. Dabei war die „Abschaffung der Praxisgebühr für arme Menschen“ in der Sache sicher für viel mehr Personen anschlussfähig. Unter den Top 3 – und damit auf dem Schreibtisch der Kanzlerin – landete die Forderung nach der Legalisierung von Cannabis für Erwachsene. 152.056 Mal wurde dafür geklickt.

Wäre der Präsident des Deutschen Caritasverbandes Trainer einer Fußballmannschaft, würde er das eigene Ergebnis vermutlich so erklären: „Wir konnten in diesem Spiel leider nicht unsere volle Leistungsfähigkeit abrufen.“ Damit läge er richtig, denn immerhin arbeiten rund eine Million Menschen ehrenamtlich oder beruflich in den Mitgliedsorganisationen des Verbandes. Dass diese nicht zum Abstimmen verpflichtet werden, versteht sich von selbst. Es ist aber davon auszugehen, dass die meisten die Caritas-Forderung inhaltlich unterstützen. Schließlich basiert diese auf Erfahrungen, die Caritas-Mitarbeiterinnen und -Mitarbeiter täglich im Austausch und in der Beratung mit Menschen am Rand unserer Gesellschaft machen.

Caritas als Teil sozialer Bewegungen

Was also anfangen mit dieser enttäuschenden Erfahrung von Bürgerdemokratie über soziale Medien? Auf die Kanzlerin hoffen, dass sie das Kiffen erlaubt und sich die Welt schönrauchen? Auf die „Diktatur der Doofen“ schimpfen, die wichtige Themen möglicherweise von der politischen Agenda verdrängt? Nur darauf setzen, dass die Caritas bei den Verantwortlichen in Berlin und anderswo immer noch als verlässlicher und fachlich versierter Fürsprecher von Menschen in prekären Lebenslagen wahrgenommen wird?

So verständlich diese Reaktionen wären, sie sind weit entfernt von Auftrag und Anspruch der Caritas. Der Verband versteht sich nicht nur als Anbieter sozialer Dienstleistungen oder als Anwalt für eine solidarische Gesellschaft, sondern auch als Teil der sozialen Bewegungen [vgl. Leitbild des Deutschen Caritasverbandes, III. Organisationsprofil, Nr. 21]. Um dem gerecht zu werden, muss die Caritas in der Bürgergesellschaft aktiv und präsent sein. Das gilt vor Ort, wo sich Caritasvertreter an Bürgerplattformen beteiligen, in sozialraumorientierten Projekten auf die Eigeninitiative und Selbsthilfe der Bevölkerung setzen oder die Freiwilligenzentren des Verbandes mit unterschiedlichen Partnern kooperieren. Und es gilt für das Internet, in dem soziale Medien und soziale Netzwerke neue Formen der Beteiligung und des Dialogs möglich machen.

Offen sein für neue Formen der Beteiligung übers Web

Hier hat der Verband noch Nachholbedarf. In einem Artikel für das 2012er-Jahrbuch der Zeitschrift neue caritas bringt es der Leiter des Berliner Büros des Deutschen Caritasverbandes auf den Punkt. Unter dem Titel “Die Caritas muss mehr Zivilgesellschaft wagen” schreibt Mario Junglas:

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NPO-Blogparade: Social Media für die Bürgergesellschaft | Seite 16

„Die Caritas braucht mehr Handlungs- und Kommunikationsformen, als sie bisher nutzt […] um eine stärkere Beteiligung sowohl von Betroffenen als auch von Unterstützern zu ermöglichen – zugunsten der unter Armut und Ausgrenzung leidenden Menschen.“ [1]

Diese Aufgabe als zivilgesellschaftlicher Akteur schreibt auch Dr. Brigitte Reiser in ihrem Beitrag zur Blogparade den gemeinnützigen Organisationen zu: „Dazu gehört auch, dass sie ihre Arbeit für und mit den Stakeholdern um eine digitale Dimension erweitert und jene mitnimmt, die bisher von den Online-Beteiligungsmöglichkeiten ausgeschlossen sind.“

Plattformen bieten für Menschen am Rand der Gesellschaft

Wie so etwas gelingen kann, zeigte die Caritas bereits im Jahr 2009 mit ihrem Weblog „Mitten am Rand“. Ein Jahr lang bot der Verband Menschen eine Plattform, die sonst nicht gehört werden. Alkoholabhängige, Menschen mit psychischen Problemen und Hartz-IV-Empfänger berichteten aus ihrem Leben. Über das Medium kamen Menschen miteinander in Kontakt, die sich im Alltag selten begegnen. Die Authentizität, Offenheit und Ehrlichkeit der Texte bewegte – was sich in mehr als 350 Kommentaren widerspiegelte und die Autorinnen und Autoren stärkte. Die Verkäuferin von Straßenzeitungen stellte fest,

„dass durch diese Caritas Aktion auch Netze gespannt werden, Netze der Verbundenheit, des Mitgefühls, Freundschaften und weiteres. Ein Anfang, ein Stein der ins Rollen kommt, Bewegungen in vielen Richtungen …“

Ein ehemaliger Junkie fasste es für sich so zusammen:

„Teilnahme ist eine Sache, die man auch alleine machen kann. Teilhabe aber setzt ein Gegenüber voraus. Also vielen Dank dafür, dass Sie mir hier eine Teilhabe ermöglicht haben.“

Herausforderung für die institutionalisierte Caritas

Dieses Projekt zeigt, wie Aufbau und Strukturen des Verbandes hinten angestellt werden können, um anschlussfähig zu bleiben für Leute, die punktuell ihr Know-how einbringen wollen ohne die Hürde einer Mitgliedschaft nehmen zu müssen.

„So kann die Caritas nicht nur Solidaritätsstifter, sondern selbst solidarisch sein“, schreibt Mario Junglas in seinem Artikel und ergänzt, „die Caritas [braucht] Elemente der sozialen Bewegung als Korrektiv. Sie braucht offene Kooperationsformen, über die zum Beispiel kritisch-wohlwollende Partner die ‚institutionalisierte‘ Caritas herausfordern können“.

Jona Hölderle rät gemeinnützigen Organisationen in seinem Beitrag zur Blogparade „die eigenen Strukturen zu öffnen und zwischen Interesse und Mitgliedschaft viele kleine Schritte der Beteiligung zu schaffen“.

Schwarmintelligenz nutzen für Social Media Guidelines

Dass der Verband von so einer Öffnung profitiert, zeigt die Erarbeitung der Social Media Guidelines der Caritas. Diese wurden im Frühjahr 2011 nicht hinter verschlossenen Türen entwickelt, sondern in der Entwurffassung online zur Diskussion gestellt. Ein Novum für ein offizielles Papier des Deutschen Caritasverbandes. Mehr als 50 Rückmeldungen gab es – auch von Personen, die sonst keine Berührungspunkte mit der Caritas haben, aber Experten auf dem Gebiet Social Media sind. In der Webwelt wurde dieses transparente und partizipativ ausgelegte Verfahren positiv bewertet.

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NPO-Blogparade: Social Media für die Bürgergesellschaft | Seite 17

Ein Knoten im Netz sozial interessierter Menschen

Die Social Media Leitlinien wurden aufgrund der Rückmeldungen an einigen Stellen verändert. So wird es auch dem Verband gehen, wenn er nach und nach die strategische Ausrichtung des Papiers umsetzt, das den Titel trägt „Das Soziale ins Netz bringen“. Partizipation, Teilhabe und Transparenz sind zentrale Anliegen der Caritas und integraler Bestandteil sozialer Medien. In seinem Beitrag zur Blogparade formuliert Martin Horstmann das so:

„Die entscheidende Frage für diakonische Einrichtungen und Werke ist daher auch nicht, ob sie eine facebook-Seite (oder was auch immer) vorweisen können, sondern ob sie verstanden haben, was social media im Kern bedeutet. Und was dies mit ihrem Auftrag, ihrem Selbstverständnis zu tun hat.“

In ihren Social Media Leitlinien formuliert die Caritas, dass sie ein Knoten im Netz vieler Menschen werden möchte, die an sozialen Themen interessiert sind. Dazu muss sie sich stärker verbinden mit anderen sozialen Playern und offen sein für Impulse von Menschen, die sich (auch mal kritisch) mit den Ideen und Positionen der Caritas auseinandersetzen. Die Aktionsplattformen der Young Caritas in Österreich, Luxemburg, Südtirol und der Schweiz zeigen, wie das gehen kann und sind Vorbild für die deutsche Caritas. Wenn diese darüber hinaus ihre Ehrenamtlichen, Freiwilligen sowie die beruflichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ermutigt, Teil der digitalen sozialen Bewegung zu werden, leistet sie einen nicht zu unterschätzenden Beitrag zur Weiterentwicklung der Bürgergesellschaft – und sie wird mit einem besseren Ergebnis aus dem nächsten politischen Beteiligungsdialog herauskommen.

[1] Junglas, Mario: Die Caritas muss mehr Zivilgesellschaft wagen. In: neue caritas Jahrbuch 2012, S. 77-82

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NPO-Blogparade: Social Media für die Bürgergesellschaft | Seite 18

Sind wir das noch? Die Agenda-Angst

Marcel Gluschak | marcelgluschak.wordpress.com

Wenn es um Neuheiten geht, sind wir gerne erst mal ängstlich. Das war bei Social Media nicht anders. Nonprofit-Organisationen trauten sich zunächst nicht so richtig ran ans soziale Netz – dabei sind doch gerade Transparenz, Dialog und Vernetzung wie gemacht für Gemeinwohl-Initiativen. Mittlerweile hat sich das Social Media Engagement von NPOs stark gesteigert, wie Katrin Kiefer zeigt. Doch statt der Angst vor Social Media haben wir nun Angst vor den Folgen. Verlieren NPOs im sozialen Netz ihre inhaltliche Deutungshoheit an die Netzgemeinde?

Im Rahmen der Blogparade „Social Media für die Bürgergesellschaft“, zu der das Centrum für Corporate Citizenship Deutschland (CCCD) eingeladen hatte, geht es um die Chancen, Herausforderungen und Handlungsempfehlungen, die Social Media für die Zivilgesellschaft mitbringen. In meinem Beitrag hierzu möchte ich die Frage aufwerfen, wie Social Media die Möglichkeiten des Agenda Setting einer Organisation verändern.

Dass im heutigen Internet mehr Partizipation, mehr Dialog, mehr Diskussion möglich ist, haben inzwischen auch viele NPOs verstanden. Trotzdem nutzen sie diese Möglichkeiten oft nur rudimentär und wenig nachhaltig. Zu sehr auf One-to-Many-Kommunikation beschränkt und zu wenig in die grundlegende Kommunikationsstrategie integriert, bemängeln Kritiker – zu zeitaufwändig und technisch zu komplex, führen gemeinnützige Organisationen als Begründung an, wie unter anderem

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Foto: Marcel Gluschak

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NPO-Blogparade: Social Media für die Bürgergesellschaft | Seite 19

Brigitte Reiser das Dilemma zusammenfasst. “Gemeinnützige Organisationen, die sich auf den Gebrauch sozialer Medien nicht verstehen”, so Reiser, “können in einer digitalen Gesellschaft ihre Funktionen - die Einbindung von Bürgern, die Erbringung von Dienstleistungen, die Interessenvertretung und die Schaffung von Partizipationschancen - auf die Dauer nicht erfolgreich ausüben.” Die NPOs müssen sich also früher oder später öffnen und Social Media nicht nur projektbezogen ‘einstreuen’, sondern ganzheitlich in ihre Projektplanung einbeziehen.

Vielleicht ist es aber auch die Angst (da haben wir wieder die Angst) vor dem Kontrollverlust, und der Aufwand oder die Kosten sind eher vorgeschoben? Denn wenn ich meinen Unterstützern mehr Möglichkeiten zur Mitsprache gebe, dann kann es sein, dass diese ganz andere Inhalte voranbringen wollen, als ich zuvor geplant hatte. Kampagneninhalte, Ressourcen und Budgets sind schon für größere Zeiträume festgezurrt – wie fange ich also Initiativen auf, die aus der Community kommen und quasi ‘on top’ betreut werden müssen? Da ergibt sich unweigerlich ein Problem: Entweder ich enttäusche meine beteiligungswilligen Unterstützer, oder ich bekomme nicht alle meine eigenen Themen auf die Agenda.

NPOs, die dieses Unbehagen spüren, kann man das sicher nicht vorwerfen. Bis vor wenigen Jahren war es selbstverständlich, dass eine Organisation ihre gesamte Kommunikation zentral steuern konnte. Wann welches Thema wichtig war, entschieden die Experten, nicht die Unterstützer. Seit Social Media haben NPOs diese Steuerung nicht mehr komplett in ihrer Hand. Das ist irgendwie unheimlich – doch auf der anderen Seite will man auch bloß keinen Trend verpassen oder neue Zielgruppen ausgrenzen. Das Resultat ist oft ein Social Media-Aktionismus, bei dem es eher darum geht, die Effekte von Social Media zu nutzen, als ihre strukturelle Wirkungskraft.

Damit verbunden sind weitere Ängste, die wie Verstärker noch höhere Hemmschwellen aufbauen können, und die auch kürzlich bei der Podiumsdiskussion “Internet und digitale Bürgergesellschaft” angesprochen wurden: Die Angst vor einem niedrigen Debattenniveau, das das eigene Thema in eine inhaltlich zu flache oder gar falsche Richtung lenken kann. Die Angst vor einer ‘Kommunikation um der Kommunikation willen’, bei der man sich nur noch um die eigene Debatte dreht und dabei die Aufmerksamkeit von den Projekten abzieht. Oder auch die Angst um den Verlust der Glaubwürdigkeit bei denjenigen in der Bürgergesellschaft, die nicht so web-affin sind und nicht nachvollziehen, wieso plötzlich alle Aktivitäten auf Soziale Medien gemünzt sind (Stichwort “Digitale Spaltung”).

Spannend ist, dass genau innerhalb dieses Problems auch seine Lösung liegt. Denn nur, wenn Social Media nicht konsequent in die Kommunikationsstrategie integriert sind, kann es zu einem inhaltlichen Kontrollverlust kommen. Sind die Prinzipien der Sozialen Medien hingegen integraler Bestandteil, dann kann die eigene Agenda sehr effektiv in der Öffentlichkeit verbreitet werden. Darüber hinaus müssen Organisationen die neuen Chancen erkennen, die sich für die Partizipation durch Soziale Medien ergeben. Ein Beispiel aus meinem eigenen Erfahrungsspektrum: In der WWF Jugend fahren wir eigene Kampagnen, wir lassen aber auch immer Freiraum für Initiativen aus dem Kreis der Jugendlichen, die wir dann mit Ressourcen, Material und Öffentlichkeitsarbeit unterstützen. So entsteht ein buntes Neben- bzw. Miteinander von ‘offiziellen’ WWF Jugend-Aktionen und Freiwilligen-Projekten. Dass der WWF hierfür Teile seiner ‘Themenhoheit’ an die Jugendlichen abgibt, ist kein Nachteil – vielmehr bringt es zusätzliche Aktivität, Identifikation und Authentizität in die WWF Jugend.

Natürlich bringt mehr Partizipation auch mehr Unruhe in eine Organisation. Meiner Meinung nach helfen dagegen zwei Dinge: Erstens möglichst klare Regeln aufstellen, zweitens den Perfektionismus ablegen. Den Engagierten in der WWF Jugend ist klar, dass sie zunächst eine gewisse Unterstützung durch eine größere Gruppe organisieren müssen, um mit ihrer Initiative in den Themenkanon einziehen zu können. Dafür müssen sie selbständig eine Anhängerschaft zusammentrommeln und sich konkrete Gedanken für ein Konzept machen. Und trotz dieser Regeln (das ist der zweite Punkt) kann es dann doch passieren, dass ein Freiwilligenprojekt verschoben werden muss, weil zum Beispiel eine größere Umweltkatastrophe plötzlich alle Ressourcen bindet und sich alle darauf konzentrieren müssen. Wenn man mit dem Commitment zur Partizipation die Verpflichtung verbindet, es allen zu jeder Zeit zu 100

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NPO-Blogparade: Social Media für die Bürgergesellschaft | Seite 20

Prozent recht machen zu wollen, dann wäre die anfänglich beschriebene Angst vor Social Media sicher gerechtfertigt. Besser ist es da sicher, Partizipation immer bestmöglich anzustreben, aber auch offen gegenüber der Unterstützerschaft damit umzugehen, wenn das dann doch nicht immer ganz möglich ist. Die Mehrheit der Engagierten wird hierfür Verständnis haben. Es ist sicher besser, diesen Weg zu wählen und eine Öffnung zumindest zu versuchen, als sich aufgrund überhöhter Ansprüche in den eigenen Möglichkeiten zu beschränken.

Außerdem darf Social Media nicht als nächster Schritt der Engagementförderung verstanden werden, sondern als Ergänzung. Konventionelle Instrumente, nicht zuletzt im Offline-Bereich, behalten ihre Bedeutung und funktionieren im Idealfall in der Wechselwirkung mit Social Media. Das soziale Netz bietet großartige Möglichkeiten für die Aktivierung der Zivilgesellschaft – es sollte ebenso wenig unterschätzt wie überschätzt werden.

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Page 21: Social Media für die Bürgergesellschaft. Beiträge zur NPO-Blogparade 16. - 21. April 2012

NPO-Blogparade: Social Media für die Bürgergesellschaft | Seite 21

3 Gründe für Social Media in der Bürgergesellschaft

Jona Hölderle | sozialmarketing.de

Dieser Artikel ist ein Beitrag zur aktuellen Blogparade Social Media für die Bürgergesellschaft. In Ihrem Aufruf zur Teilnahme fragen die Initiatoren: “Wie steht es um die Nutzung von Social Media in gemeinnützigen Organisationen?” Ich möchte die Frage leicht erweitern und fragen: Warum sollte die Bürgergesellschaft soziale Medien nutzen?

Zivilgesellschaftliche Organisationen sind umringt von großen und kleinen Hürden. Auch wenn die Selbstwahrnehmung oft anders ist, wird interessierten Bürgern der Einstieg oft schwer gemacht. Dies liegt zum Teil in der Natur der Organisationen, die sich über Abgrenzungen als etwas Besonderes definieren, schreckt aber oft auch die eigene Zielgruppe ab.

Vereine und Verbände werden wie Firmen und Institutionen oft als eine geschlossene Einheit betrachtet, zu der man selber nicht gehört. Selbst viele Mitglieder sprechen von der eigenen Organisation in der dritten Person. Dabei haben sie die größte Hürde schon genommen. Aber wird aus einem interessierten Menschen auch automatisch ein Mitglied einer Organisation?

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Der Einstieg in eine Organisation ist nicht immer einfach.Foto: Jan Lassen/www.jugendfotos.de | CC-License (by-nc-nd)

Page 22: Social Media für die Bürgergesellschaft. Beiträge zur NPO-Blogparade 16. - 21. April 2012

NPO-Blogparade: Social Media für die Bürgergesellschaft | Seite 22

Jede Vereinswebsite bietet die Möglichkeit sich ein Mitgliedsformular herunterzuladen. Anschließend kann man auf Versammlungen kommen und aktiv am Vereinsleben teilnehmen. Für Vereinsaktive, die seit ihrer Jugend Mitglieder in Vereinen sind, mag das keine große Hürde sein, aber um mit Robert Putnam zu sprechen: “Kids today just aren’t joiners” [1]. Es gibt vielfältige Hinweise darauf, dass jüngere Menschen sich heute „nicht mehr ohne weiteres in herkömmliche hierarchische Strukturen einfügen wollen, dass sie sich Bewegungsfreiheit und Selbstständigkeit, aber auch Verzicht auf Formalien wünschen, dass sie sich so wie sie sind ‘einbringen’ wollen und dass sie in erster Linie für Tätigkeiten zu haben sind, bei denen offenkundig ist, dass sie ihnen selbst und anderen etwas ‘bringen’.“[2]

Gemeinnützige Organisationen müssen sich überlegen, wie sie die eigenen Strukturen öffnen und zwischen Interesse und Mitgliedschaft viele kleine Schritte der Beteiligung schaffen. Sie müssen sich von dem Anspruch lösen, Engagierte exklusiv und für immer zu halten und mehr Fluktuation ermöglichen. Denn das Interesse an ehrenamtlichem Engagement und Beteiligung hat nicht abgenommen!

Bei dieser Öffnung können soziale Medien auf drei Ebenen helfen:

Transparenz

Soziale Medien schaffen Transparenz oder bieten zumindest die Möglichkeit dazu. Richtig gemacht ist Social Media so etwas wie der Tag der offenen Tür an 366 Tagen im Jahr. Interessierte bekommen einen Einblick in die Arbeit und die Funktionsweise der Organisation und sie bilden sich eine Meinung, ob sie das gut finden oder nicht. Dabei beruht die Transparenz nicht nur auf Zahlen, sondern auf der Möglichkeit Einblicke zu bekommen und Nachfragen zu stellen.

Kommunikation

Soziale Medien ermöglichen eine Kommunikation mit Interessierten. Neben der klassischen, eher wenig zielgerichteten Pressearbeit, bieten soziale Medien die Möglichkeit eine Kommunikationsstruktur mit Interessierten aufzubauen und diese mehrmals zu erreichen. Dies lässt sich auch mit Newslettern erreichen, doch bieten soziale Medien zwei zusätzliche Vorteile. Die Kommunikation ist nicht mehr einseitig und baut dadurch weniger Hürden auf. Es ist möglich direkt auf Beiträge zu reagieren oder diese zu initiieren. Zudem gibt es einfachere Verbreitungseffekte. Followen und Fan sein ist öffentlich, durch jede Interaktion haben Organisationen die Chance nicht nur ihre bestehenden Kontakte zu erreichen, sondern auch in deren Netzwerk Spuren zu hinterlassen.

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www.pluralog.de

Je mehr Transparenz, desto mehr Vertrauen wird geschaffen.Je mehr Vertrauen, desto geringer das Bedürfnis nach Transparenz.

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NPO-Blogparade: Social Media für die Bürgergesellschaft | Seite 23

Vernetzung

Soziale Medien sind mehr als Dialog mit Interessierten. Soziale Medien ermöglichen es, die Adressaten auch untereinander zu vernetzen. Dadurch können soziale Medien selber soziales Kapital entwickeln und zum Inkubator neuer Aktionen reifen. Dadurch wird der Flaschenhals einer zentralen Organisation umgangen, in der jede Vernetzung über eine zentrale Stelle stattfindet. Dies ist insbesondere für kleine, flexible Aktionen wie Microvolunteering wichtig, um den Aufwand gering zu halten.

Sicherlich gibt es noch viele Gründe für mehr Social Media für die Bürgergesellschaft. Zu nennen wären da Fundraising, Markenaufbau und SEO. Und auch echte Mitbestimmung lässt sich über soziale Medien organisieren. Die Basis dessen ist aber eine offene Kommunikation auf Augenhöhe.

[1] Putnam, Robert: Bowling Alone: The Collapse and Revival of American Community. Simon & Schuster, 2000, S. 15

[2] Klages, Helmut: Die Deutschen – Ein Volk von ’Ehrenämtlern’? Ergebnisse einer bundesweiten Studie. In: Forschungsjournal Neue Soziale Bewegungen 2 (2000), Nr. 13, S. 45

Den Analogien von diakonischem Selbstverständnis und sozialen Medien auf der Spur

Martin Horstmann | diakonisch.wordpress.com

„Wie steht es um die Nutzung sozialer Medien in gemeinnützigen Organisationen?“ Das ist eine der Leitfragen der gerade laufenden Blogparade „Social Media in der Bürgergesellschaft“ des Centrum für Corporate Citizenship Deutschland (CCCD).

Immer mehr diakonische Einrichtungen und Werke nutzen soziale Medien. In der Regel werden die klassischen Formate genutzt: Facebook-Seite, Twitter-Account, Sharing-Buttons auf der Internetseite, hin und wieder mal ein Youtube-Kanal. Ist das nun eine positive Entwicklung?

Wenn man sich die überschwenglich optimistischen Einschätzungen bezüglich social media zu eigen macht, dann sicherlich. Soziale Medien sind im Trend, und die Diakonie macht mit. Doch mir scheint, dass vor allem die technischen Möglichkeiten im Vordergrund stehen. Dabei ist das Innovative von social media nicht, dass es nun neue mediale Formen gibt, sondern dass diese Formen „sozial“ sind: Weg vom reinen Sender-Modell hin zu ganz neuen Formen der Partizipation und Teilhabe.

Daher interessiert mich auch vor allem die soziale Bedeutung von social media, weniger die technischen Möglichkeiten. Und gerade die soziale Seite der sozialen Medien ist für die Diakonie ein spannendes Thema. Die entscheidende Frage für diakonische Einrichtungen und Werke ist daher auch nicht, ob sie eine Facebook-Seite (oder was auch immer) vorweisen können, sondern ob sie verstanden haben, was social media im Kern bedeutet. Und was dies mit ihrem Auftrag, ihrem Selbstverständnis zu tun hat.

Auch wenn sich im Bereich von Kirche und Diakonie viel tut in Sachen soziale Medien, ist Einiges doch recht ernüchternd. Denn hinter so manchen Web 2.0-Projekten verbergen sich eher Einbahnstraßen-Kanäle, über die man Infos absetzen will. Das hat mit dem „Sozialen“ der sozialen Medien wenig zu tun. Wenn die Twitter- oder Facebook-Accounts hauptsächlich auf rundgelutschte PR-Informationen

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Page 24: Social Media für die Bürgergesellschaft. Beiträge zur NPO-Blogparade 16. - 21. April 2012

NPO-Blogparade: Social Media für die Bürgergesellschaft | Seite 24

verlinken, werden zwar hits und clicks erzeugt, aber keine Teilhabeprozesse ermöglicht.

Deshalb ist die Gretchen-Frage bezüglich social media: “Wie hältst du es mit der Beteiligung?” (und eben nicht: “Twitterst du auch?”). Ist tatsächlich Beteiligung erwünscht? Wenn ja, in welcher Form? Und was ist mit “Beteiligung” eigentlich gemeint? Stellt ein Link oder ein Like schon eine Beteiligung dar? Was passiert, wenn Beteiligung in eine andere Richtung läuft als erwartet oder gewünscht – wird das social media-Format dann wieder eingestellt? Inwiefern sind social media-einsetzende Organisationen eigentlich fähig zur Responsivität?

Meine These ist, dass der Grundgedanke der Diakonie und der Kern von social media eigentlich wunderbar zusammen passen. Um was geht es in der Diakonie, was will die Diakonie? Leider werden die möglichen Antworten zu oft und zu schnell auf “helfen” oder “soziale Dienstleistungen anbieten” eingedampft. Aber Diakonie ist mehr. In meinem Beitrag Was ist Diakonie? (#4) hatte ich ja in Rückgriff auf die Bratislava-Erklärung auf fünf Dimensionen hingewiesen: Dienstleistungsfunktion, kulturelle Dimension, gemeinschaftsbildende Dimension, aktivierende Dimension und gesellschaftspolitische Dimension (ich bin immer noch nicht ganz zufrieden mit dieser Aufzählung, aber belassen wir es für den Moment einmal dabei).

Soziale Medien können Werbung (Spendenakquise, Imagepflege, Mitarbeitergewinnung,…) für die diakonischen Dienstleistungen machen und diesbezüglich zum Markenaufbau und zur Markenpflege beitragen. Okay, nichts dagegen einzuwenden, aber dies allein ist schon eine ziemliche Banalisierung. Spannend wird es doch gerade erst bei den anderen genannten Dimensionen: Soziale Medien können gemeinschaftsbildend sein, sie können einen kulturellen Beitrag leisten (die technische und soziale Beherrschung von sozialen Medien ist ja selbst schon ein kulturelles Gut), sie können aktivieren (und wie!), sie können gesellschaftspolitischen Einfluss generieren.

Alle fünf Dimensionen kann man nun detailliert betrachten, da steckt eine ganze Menge drin. Ich möchte an dieser Stelle nur einen Hinweis zur gemeinschaftsbildenden Dimension geben.

Diakonie und Gemeinschaft gehören eng zusammen. Gemeinschaftsbildung ist in sich schon diakonisch. Und auch umgekehrt: Wenn ich diakonisch handeln will, ist es eine Möglichkeit, Gemeinschaften zu bilden (irgendwie mag ich ja die englische “Community” lieber als die “Gemeinschaft”, sie hat mehr Facetten). Communities zu bilden ist urdiakonisch. Ob zielgruppenspezifische Communities (wie zum Beispiel diese hier), zielgruppenübergreifende Ansätze wie in der Gemeinwesendiakonie, Mitarbeitenden-Communities oder die Community von christlich engagierten Weltverbesserern – und es gibt noch zig Gemeinschaftsformen mehr… Aufgabe der Diakonie ist das Communitybuilding. Und ein Kern von social media ist, genau: das Communitybuildung.

Wie gesagt, man kann nun alle Aufgaben/Funktionen/Dimensionen der Diakonie nacheinander abklopfen und die Analogien zu social media suchen. In einem zweiten Schritt kann man dann schauen, welches technische Format der sich ständig entwickelnden sozialen Medien geeignet ist, den diakonischen Auftrag innovativ umzusetzen. Aber das ist tatsächlich erst der zweite Schritt.

Ist social media nun eine gute Entwicklung für die Diakonie? Voll und ganz. Denn die soziale Dimension der sozialen Medien hat eine Menge gemeinsam mit dem, was Diakonie will. Und sie kann ein Katalysator für die Frage nach dem Selbstverständnis der Diakonie sein.

Das ist doch mal was.

Leseempfehlungen: Das CCCD hat eine Publikation zu neuen Chancen internetgestützer Beteiligung herausgebracht, darin gibt es einen Abschnitt zur Caritas (S. 19-20), der auch für die Diakonie erkenntnisreich ist. Stefan Zollondz (Gruß nach Bielefeld!) bloggt Beobachtungen zum Einsatz von social media in der AWO. Und mein Beitrag über Gunter Duecks Vortrag auf der re:publica 11 könnte auch ganz interessant sein.

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NPO-Blogparade: Social Media für die Bürgergesellschaft | Seite 25

Bridge the Gap — auf dem Weg zu einer starken Bürgergesellschaft

Hannes Jähnert | hannes-jaehnert.de

Dieser Beitrag ist Teil der vom Centrum für Corporate Citizenship Deutschland (CCCD) initiierten NPO-Blogparade zum Thema „Social Media für die Bürgergesellschaft“. Nach einer kurzen Darstellung der Chancen, die die technische Infrastruktur des Internets für eine starke Bürger- und Zivilgesellschaft heute bietet, wird die Schaffung eines anschlussfähigen Verständnisses Sozialer Medien als wesentliche Herausforderung für Dritt-Sektor-Organisationen benannt. Der Frage folgend, wie dieses Verständnis des Wer, Wie und Was der Social-Media-Kommunikation zu schaffen sei, werden Events der Social Media Szene als effektive Bildungsformate ausgemacht. Veranstaltungsformate wie BarCamps aber auch Strukturinnovationen wie die ZiviCloud sind es, die den Geist der Sozialen Medien auch in die Gefilde traditioneller Dritt-Sektor-Organisationen zu tragen vermögen. Erst durch diesen Brückenschlag zwischen dem digitalen In- und Outside der deutschen Bürger- und Zivilgesellschaft werden die Chancen, die die Sozialen Medien zweifellos bieten, ihr volles Potential entfalten können.

Welche Chancen bieten die Sozialen Medien für die Bürgergesellschaft?

Zweifelsohne besteht zwischen der „Welt der Social Media“ und der bürgerschaftlichen Selbstorganisation eine gewisse „Wahlverwandtschaft“, wie sie Alexandra Härtel und Serge Embacher in der CCCDebatte 08 zu „Internet und digitaler Bürgergesellschaft“ aufzeigen. Insbesondere anhand neuer Projekte, Initiativen und Bewegungen lässt sich ersehen, welche Potentiale die Sozialen Medien für eine starke Bürger- und Zivilgesellschaft bereit halten. Anhand einiger, in der NPO-Blogger!nnenszene wohlbekannter Beispiele, beschreiben Embacher und Härtel drei mögliche Bereiche (siehe ebd. S. 16ff.):

1. „Do-it-yourself-Initiativen“ können die Mittel und Möglichkeiten des Internets nutzen, um ohne großen finanziellen Aufwand eine breite Öffentlichkeit anzusprechen. Insbesondere jüngere Engagierte nutzen das Internet, um ihre Ideen zu realisieren. So mobilisieren die Teams von 2aid.org und den Berliner SOZIALHELDEN über das Internet Unterstützer!nnen, tragen Wissen zusammen und sammeln Spenden.

2. Das Agenda-Setting — eine originäre Aufgabe zivilgesellschaftlicher Organisationen — kann mithilfe der Sozialen Medien wirkungsvoll betrieben werden. Dabei ist weniger entscheidend, dass Kampagnennetzwerke wie Campact über ihre E-Mail-Verteiler regelmäßig hunderttausende Menschen erreichen. Vielmehr ist es die Resonanzfähigkeit der Themen, die eine Aufschaukelung der Netze und damit eine virale Verbreitung des jeweiligen Anliegens bewirken kann.

3. Für die Selbsthilfe bietet das Internet die Möglichkeit der Webkommunikation in häufig geschlossenen Gruppen, deren Mitglieder sich mit physischen oder psychischen Erkrankungen und/oder (damit verbundenen) sozialen Problemen befassen. Dabei ist beim Einsatz von Foren, Chats und Mailinglisten in der Selbsthilfe nicht nur die Orts- und ggf. Zeitunabhängigkeit von

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Page 26: Social Media für die Bürgergesellschaft. Beiträge zur NPO-Blogparade 16. - 21. April 2012

NPO-Blogparade: Social Media für die Bürgergesellschaft | Seite 26

Vorteil. Auch ist die internetvermittelte Kommunikation wegen ihrer Beschränkung auf vergleichsweise wenige Zeichen (i.d.R. das geschriebene Wort) niedrigschwelliger als die Kommunikation ‘face-to-face’.

Mit Embacher und Härtel lassen sich hier schon sehr konkrete Ausformungen des Einzugs Sozialer Medien in die Bürger- und Zivilgesellschaft beschreiben. Insbesondere der Punkt zwei verweist allerdings auch auf neue Formen bürgerlicher Assoziationen, die weniger als Organisationen, denn vielmehr als Formen punktueller Vergemeinschaftung zu verstehen sind. Gemeint sind Inszenierungsphänomene wie die Occupy-Bewegung, denen die technische Infrastruktur des Web 2.0 einiges an Vorschub leistet. Gerade die Möglichkeit der reichweitenstarken Inszenierung resonanzfähiger Themen, die die technische Infrastruktur des heutigen Internets möglich macht, bietet eine große Chance für die Bürger- und Zivilgesellschaft.

Peter Kruse fasste dies letztes Jahr in einem dreiminütigen Vortrag für die Enquete Kommission „ Internet und digitale Gesellschaft “ prägnant zusammen: Durch das Zusammenkommen steigender Vernetzungsdichte, verstärkter Spontanaktivität und der Abbildung (Inszenierung!) kreisender Erregungen kommt es zu einer Machtverschiebung vom Anbieter zum Nachfrager. In Form spontan auftretender und nicht vorhersagbarer Bewegungen erlangen Kund!nnen, Mitarbeiter!nnen und Bürger!nnen Macht, die sich zuweilen recht heftig entlädt. Das Bild des „shit storm“ steht mittlerweile metaphorisch für Ausformungen dieser Macht, denen nur mit einem gehörigen Maß an Empathie vorzubeugen und zu begegnen ist.

Welche Herausforderung bergen die Sozialen Medien für die Bürgergesellschaft?

Trotz dieser Chancen, die das Internet für die Bürgergesellschaft heute zweifellos bietet, halten sich zivilgesellschaftliche Organisationen des Dritten Sektors — gemeint sind hier insbesondere die häufig als ‚traditionell‘ bezeichneten Mitgliederorganisationen — mit dem Einsatz Sozialer Medien eher zurück. Zwar lässt sich durchaus auch im Dritten Sektor ein Mehr an Webaktivitäten beobachten (qualitativ dazu Katrin Kiefer; quantitativ dazu der Pluragraph), doch scheinen die Bemühungen im Einzelnen noch eher reaktiv. Zwar gibt es vielerlei Anknüpfungspunkte für potentielle Unterstützer!nnen, die über das herkömmliche Ehrenamt oder die Geld- bzw. Sachspende hinausgehen, doch werden diese mithilfe der Sozialen Medien des Web 2.0 nur selten aktiv kommuniziert.

Auf Google+ habe ich diese Einschätzung bereits im November letzten Jahres zur Diskussion gestellt und bin gemeinsam mit Petra Bormann, Gerald Czech und Stefan Zollondz zu folgendem Fazit gelangt: Wenn die Sozialen Medien in Dritt-Sektor-Organisationen überhaupt eingesetzt werden, hängt dies vor allem an einzelnen Personen, „die Social Media mit Herzblut betreiben“. Aufgrund der weit verbreiteten (und nicht ganz unberechtigten) Annahme, man käme an eignen Auftritten im Social Web nicht vorbei, werden diese Personen mit dem Aufbau und der Betreuung entsprechender Auftritte betraut, ohne allerdings dieses Engagement strukturell verankern und somit verstetigen zu können. Der Einsicht, man müsse dort sein wo die Zielgruppe ist, folgt selten das Gespür für die tatsächliche Relevanz der Stakeholderkommunikation.

Auch wenn größere NPOs, des „Time-Lags zwischen Strategie, Taktik und tatsächlicher Wirkung“ wegen, hier sicherlich vor größeren Herausforderungen stehen als kleinere, verweist die organisationale Fähigkeit der Verankerung und Verstetigung neuer Praktiken wie der Social-Media-Kommunikation — und gemeint ist hier insbesondere der empathische Dialog (eigentlich Polylog) über Facebook & Co. — einmal mehr auf die kulturellen Aspekte der Organisationsentwicklung. Eine wesentliche Herausforderung bei der Implementierung von Social Media in NPOs besteht demnach in der Schaffung eines geteilten Verständnisses dieser Art Kommunikation, die sich nicht nur auf einzelne Personen innerhalb der Organisation beschränken darf und — mindestens in ihren Grundzügen — an das Verständnis Sozialer Medien als ‚alltägliche Kommunikationsmittel‘ anschlussfähig sein muss.

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NPO-Blogparade: Social Media für die Bürgergesellschaft | Seite 27

Wie lässt sich diese Social-Media-Kommunikation lernen?

Es ist dieses anschlussfähige Verständnis des Wer, Wie und Was der Social-Media-Kommunikation, das Katrin Unger und ich im Rahmen unseres Forschungsprojektes „Wissenstransfer aus der SocialBar“ als Orientierung an Standardthemen, -techniken und -formen der Social Media Szene beschrieben (S. 49ff.). Bei dieser von uns so bezeichneten Community handelt es sich um eine „posttraditionale Gemeinschaft“, eine „Themengemeinschaft“ oder eben eine „Szene“, deren Schwerpunkt im Schnittfeld von neuen Medien und sozialen Themen zu suchen ist.

Im Rahmen meiner Masterarbeit beschäftige ich mich nun mit dem Einstieg in diese Szene, wobei hier weniger vom „Einsteigen“ als vielmehr vom Beginn aktiver Teilnahme gesprochen werden muss. Das Thema ist für mich deshalb relevant, weil sich posttraditionale Gemeinschaften — und insbesondere die Social Media Szene — als lernende Gemeinschaften verstehen lassen, die Interessierten einen Einstieg in das jeweilige Feld möglich machen. Im Falle der Social Media Szene geht es dabei nicht nur darum, die Welt der Sozialen Medien kennen zu lernen. Es geht auch darum, sich in diesem sozialen Feld adressierbar zu machen und die sich ändernden Standardformen, -themen und -techniken aktualisieren zu können. Es geht im Grunde also darum, Empathiefähigkeit für die Resonanzmuster einer Gemeinschaft auszubilden, deren ‚Mitglieder‘ es gewohnt sind über Soziale Medien zu kommunizieren.

Der Einstieg in die Gemeinschaft der Social Media Szene ist damit weniger als ein Lernprozess zu verstehen, bei dem man ‘nur’ etwas Neues erfährt (z.B. mit welchen Mitteln und Möglichkeiten andere ihre Vorhaben realisieren). Vielmehr handelt es sich um einen Akkumulationsprozess von sozialen und kulturellen Kapitalien, die nützliche Ressourcen für die Realisierung eigener Projekte darstellen. Damit lassen sich die Events der Social Media Szene wie die SocialBar, das Fundraising 2.0 CAMP oder die Berliner re:campaign als recht effektive Personalentwicklungs- oder (etwas allgemeiner) Bildungsmaßnahmen verstehen, bei denen eine Brücke zwischen der lebendigen Netzkultur und der alltäglichen Praxis traditioneller NPOs geschlagen wird.

Die Bürgergesellschaft des digitalen In- und Outside:

Es ist gerade dieser Brückenschlag, der m. E. nicht wie selbstverständlich aus bürgerschaftlicher Selbstorganisation erwächst. Anhand der Engagementangebote, die bspw. in der Datenbank von Aktion Mensch zu finden sind, habe ich dieses Problem schon einmal angerissen und dazu geschrieben: „Das System operiert in bereits bekannten Mustern und reproduziert die zu Grunde liegenden Strukturen.“ (Immer ähnliche Engagementangebote!) Für die Orientierung in der Welt der Sozialen Medien heißt das, dass sich das Verständnis Sozialer Medien als Massenmedien, die auch einen Rückkanal vom Empfänger beinhalten, als sehr Veränderungsresistent erweist und der Social-Media-Einsatz weit hinter seinen Potentialen zurückbleiben muss.

Mit dem Verständnis Sozialer Medien verhält es sich demnach ähnlich wie mit den Vorstellungen — oder „Mentalen Modellen“ — von freiwilligem Engagement und Ehrenamt. Auch hier werden Muster reproduziert, die bestimmte Bevölkerungsgruppen ansprechen und andere skeptisch werden lassen. Erst kürzlich habe ich versucht zu zeigen, dass die Zielgruppe für neue Wege zum freiwilligen Engagement eher in neuorientierten denn in traditionsverhafteten Milieus zu suchen ist. Dabei habe ich insbesondere auf die Ergebnisse der Studie des Deutschen Instituts für Vertrauen und Sicherheit Internet (DIVSI) hingewiesen, mit der sich die Vermutung unterschiedlicher Verständnisse von Sozialen Medien noch einmal untermauern lässt.

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Page 28: Social Media für die Bürgergesellschaft. Beiträge zur NPO-Blogparade 16. - 21. April 2012

NPO-Blogparade: Social Media für die Bürgergesellschaft | Seite 28

Während die „Digital Outsiders“ hier als Menschen beschrieben werden, die das Internet überhaupt nicht nutzen oder sehr unsicher im Umgang mit dem Web 2.0 sind, werden die „Digital Natives“ als Menschen beschrieben, für die die Welt der Sozialen Medien einen wesentlichen Teil ihres Lebens darstellt (S. 33f.). Bereits aus den Attributen „Festhalten“ und „Bewahren“, die traditionsverhafteten Milieus zugeschrieben werden, lässt sich ableiten, dass deren Angehörige eher mit der Vorstellung des Web 2.0 als Massenmedium konform gehen und sich auch entsprechend adressieren lassen. Angehörige neuorientierter Milieus, denen die Attribute „Machen & Erleben“ bzw. „Grenzen überwinden“ zugeschrieben werden, möchten sich ganz offenbar nicht mehr nur als Adressaten oder Empfänger von Massenkommunikation verstanden wissen — insbesondere dort nicht, wo sie sich gewohnheitsgemäß einbringen können (Blogs und Social Networking Dienste).

Bridge the Gap — auf dem Weg zu einer starken Bürgergesellschaft:

Es scheint sich ein Graben durch die Bürger- und Zivilgesellschaft zu ziehen: Auf der einen Seite die „Digital Outsiders“ auf der anderen die „Digital Natives“. Die Milieus, denen wohl eher die Skeptiker!nnen des sozialen Wandels angehören, den die neuen Medienformate des Web 2.0 mit sich bringen, organisieren seit jeher die Bürgergesellschaft. Aus diesen Milieus wird ein Gros der vielen Millionen Freiwilligen und Ehrenamtlichen rekrutiert, die die organisationale Infrastruktur der deutschen Zivilgesellschaft tragen. Aus den neuorientierten Milieus hingegen stammen vor allem diejenigen, die den sozialen Wandel zu einer digitalen Bürgergesellschaft vorantreiben, weil sie die Chancen der Sozialen Medien zu nutzen wissen. Auch aus diesen Milieus erwachsen Organisationen, die in Punkto zivilgesellschaftlicher Deliberation aber bei Weitem nicht mit den etablierten Organisationen des

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Page 29: Social Media für die Bürgergesellschaft. Beiträge zur NPO-Blogparade 16. - 21. April 2012

NPO-Blogparade: Social Media für die Bürgergesellschaft | Seite 29

Dritten Sektors mithalten können. Ganz entsprechend den hier vorherrschenden Vorstellungen von Sozialen Medien ist die Landschaft der „Social Entrepreneurs“ hochgradig fragmentiert und die digitale Bürgergesellschaft dementsprechend flach. Zivilgesellschaftliche Akteure wie Campact sind nur deshalb fähig das politische System zu irritieren, weil sie auf eine demokratische Legitimation weitgehend verzichten und ihre Vorstellungen einer besseren Welt zu vermarkten wissen.

Wenn es also um die Förderung einer starken Zivilgesellschaft geht, braucht es beide Seiten, braucht es einen Brückenschlag zwischen den digitalen In- und Outsidern. Veranstaltungsformate wie BarCamps und Stammtische, die wohl eher von den pragmatisch denkenden „Digital Immigrants“ organisiert werden, sind dafür gut geeignet. Hier wird eine gewisse Struktur vorgegeben, die den Austausch unter Fremden forciert und damit auch Skeptiker!nnen Raum lässt, sich zu positionieren. Doch sind es m. E. nicht nur Veranstaltungen, denen hier einiges an Potential beigemessen werden sollte. Auch Strukturinnovationen, die die Vorstellungen von Sozialen Medien als alltäglichen Kommunikationsraum in die Gefilde traditioneller Dritt-Sektor-Organisationen tragen, können einiges an Wirkung entfalten. Geschrieben hatte ich dazu bereits vom „ Volunteer-Online-Button “ , auf den Weg gebracht wird nun die ZiviCloud, mit der das Online- und Micro-Volunteering nun auch im deutschsprachigen Europa vorangebracht werden soll.

Jugendengagement: Beziehungsarbeit im virtuellen Raum

Hannes Jähnert | hannes-jaehnert.de

Erst gestern fand ich in meinem Briefkasten die neue Ausgabe der merz (Zeitschrift für Medien und Erziehung), in der sich ein lesenswerter Beitrag zu “Beziehungen in virtuellen Räumen” findet. Einige zentrale Gedanken aus diesem Beitrag will ich gern noch in die (eigentlich beendete) NPO-Blogparade zum Thema “Social Media für die Bürgergesellschaft” geben. Wie in meinem ersten Beitrag zu dieser NPO-Blogparade spielen auch hier neue Formen der Vergemeinschaftung eine wesentliche Rolle …

Wenn es um die Zukunft unserer Bürger- und Zivilgesellschaft geht, wird nicht selten auf ‘die Jugend’ – die Generation 2.0 – verwiesen. Junge Menschen sind es, die fortsetzen sollen, was ‘die Alten’ angefangen haben. Dass dieser Plan nicht so recht aufgeht, sehen wir am oft beklagten Nachwuchsmangel für Vorstandsämter. Es finden sich einfach immer weniger Engagierte, die weiterführen, was andere begonnen haben. Mit der Aussetzung des Wehr- und Wehrersatzdienstes hat sich das Problem nun auch noch verschärft. Spülte der Zivildienst früherer Tage junge Männer zu Hauf in den Dritten Sektor, ist die Entscheidung, auch nur einen Fuß in die Sphären traditionellen Freiwilligenengagements zu setzen, heute dem Einzelnen überlassen und steht damit mehr denn je in Konkurrenz zu anderen (normalen?!) Freizeitbeschäftigungen.

In der aktuellen Ausgabe des BBE-Newsletters (8/2012) meldet sich der langjährige Jugendkulturforscher Klaus Farin zu Wort und attestiert etablierten Organisationen der deutschen Bürger- und Zivilgesellschaft schlechte Karten in diesem Konkurrenzkampf:

„Dass jugendliches Engagement bisher an Parteien, Gewerkschaften, Amtskirchen und zahlreichen traditionellen Jugendverbänden spurlos vorbeiweht, hat seine Ursache nicht in der Politik- und Institutionenfeindlichkeit der Jugend, sondern in der Jugendfeindlichkeit der Politik und der Institutionen – in ihrer autistischen Erstarrung zwischen taktischen Geplänkeln, tradierten Alt-Herren-

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Page 30: Social Media für die Bürgergesellschaft. Beiträge zur NPO-Blogparade 16. - 21. April 2012

NPO-Blogparade: Social Media für die Bürgergesellschaft | Seite 30

Ritualen, bürokratischen Endlosschleifen und der Forderung nach bedingungsloser Anerkennung einer Autorität, die nicht oder nur historisch begründet wird und nicht tagtäglich neu verdient werden muss.“ (Farin 2012: 6).

Wer also jugendliches Engagement aufnehmen will – so lässt sich resümieren –, muss andere Rahmenbedingungen erfüllen als etwa für das Engagement von Erwachsenen. Nicht nur, weil bei Jugendlichen Spaß und Kompetenzerwerb im Vordergrund stünden – das ist auch im Engagement von Erwachsenen nicht unwesentlich –, sondern vor allem weil junge Menschen in anderen Formen des Miteinanders leben, die der Verunsicherung ob ihrer Zukunftsperspektiven besser gerecht werden als Engagementkarrieren in hierarchisch strukturierten Sozialverbänden.

Über eben diese Gemeinschaften schreibt auch Christina Schachtner vom Institut für Medien- und Kommunikationswissenschaften an der Alpen-Adria-Universität Klagenfurt in der aktuellen Ausgabe der merz (2/2012). Explizit befasst sich Schachtner in ihrem Beitrag mit “Beziehungen in virtuellen Räumen”. Ähnlich Farin postuliert sie einen bemerkenswerten Anspruch jugendlichen Engagements, der an der Realität des Dritten Sektors allerdings weitgehend vorbei zu wehen scheint:

„Wir wollen etwas tun und wir wollen durch unser Tun etwas bewirken, etwas, das soziale Haltepunkte schafft in einer Welt, in der das Herausfallen zu einer kollektiven Erfahrung geworden ist“ (ebd.: 46).

Dreh und Angelpunkt der Förderung jugendlichen Engagements scheint also (einmal mehr) der Drang nach Gemeinschaft, Geborgenheit und Selbstverwirklichung bzw. Selbstwirksamkeit zu sein. Jugendliches Engagement – Engagement 2.0 – ist vorhanden. Jugendliche gestalten ihr Umfeld bereits mit den ihnen zur Verfügung stehenden Mitteln, indem sie sich bspw. im Internet darstellen und die Reaktionen anderer provozieren. Für Schachtner dokumentiert dies eine Art Selbstverwirklichung, die die tägliche Praxis der Selbstdarstellung im Social Web immer weiter vorantreibt.

Mit der öffentlichen Selbstdarstellung – an dessen Wie und Was Erwachsene nicht selten Anstoß nehmen – sind sehr fluide Formen der Anerkennung verbunden, die mit herkömmlichen Vorstellungen jugendlicher Gemeinschaft (Peer-Group, Clique etc.) nicht oder nur bedingt zu fassen sind; Anerkennungsformen, die Schachtner mit Kinderspielen wie ‘Guck-Guck’ oder ‘Da-und-Fort’ vergleicht:

„Das Fort-und-Da kennzeichnet auch das Kommunizieren in virtuellen Foren und Chats. Der andere äußert sich und verschwindet dann wieder von der Bildfläche. Meist weiß ich nicht wo er ist, wenn er nicht da ist; aber auf einmal ist er wieder da.“ (ebd.: 44)

Jugendliche Gemeinschaft erwächst also nicht mehr nur aus dem physisch bedingten Einander-Kennen (Nachbarschaftskinder, Sandkastenliebe, Klassenkamerad!nnen usf.), sondern wird durch (Selbst-) Inszenierung hergestellt und aufrecht erhalten. Jugendliche Gemeinschaften sind damit fluide Inszenierungsphänomene, die kein Drinnen und Draußen, keine Hierarchie und keine Kompromisse kennen. Für den Einzelnen bilden sie relativ einfach (ab)wählbare “Teilzeitwelten” (Roland Hitzler), die dort Gemeinschaft und Geborgenheit bieten, wo der Individualisierungsdruck moderner Gegenwartsgesellschaften neue Vorstellungen des Miteinanders kreiert,

• die Kollektivität und Individualität miteinander versöhnen,

• die keine dauerhafte Einbindung vorsehen,

• die Zugehörigkeit und ein Gefühl des Aufgehobenseins auch bei kurzfristigen Engagements versprechen und

• die einen neuen Begriff von Heimat nahe legen, der nicht an einen geographischen Ort geknüpft ist, sondern einzig an den Ort, wo Freunde sind (Schachtner 2012: 45).

Wie nun aber umgehen mit dieser neuen Stammeskultur (Michel Maffesoli)? Jugendliche gelten heute als sehr pragmatisch. Diese Generation greift nicht nach Utopien, wie es die 68er noch taten, sondern setzt auf das Machbare. Sicherlich ist das freiwillige Engagement eine Option, Haltepunkte in einer

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Page 31: Social Media für die Bürgergesellschaft. Beiträge zur NPO-Blogparade 16. - 21. April 2012

NPO-Blogparade: Social Media für die Bürgergesellschaft | Seite 31

Welt zu schaffen, in der Flexibilität und Individualität als Maß aller Dinge verkauft werden, doch scheint es eben nicht die naheliegendste zu sein. Die Welt der Sozialen Medien dagegen bietet, was Farin (ebd.: 3f.) zufolge jugendliches Engagement beflügelt:

1. Keine (festen) Hierarchien

2. Spaß-Kultur – kein Stress!

3. Freundschaften – der Weg ist das Ziel

4. Keine Taktik, keine Kompromisse

5. Action statt Schulungskurse

6. Realistische Ziele

7. Engagement auf Zeit

Eben diese Strukturen, in denen sich Jugendliche und junge Erwachsene schon heute engagieren, sind es, die die Bürgergesellschaft vor große Herausforderungen stellen. Das Fehlen fester – “nicht oder nur historisch begründeter” – Hierarchien steht im krassen Gegensatz zur Verhasstheit traditioneller Dritt-Sektor-Organisationen und der Spaß am Engagement endet oft dort, wo Kompromisse ausgehandelt werden müssen. Engagement auf Zeit und konkret fassbare Ziele sind im herkömmlichen Freiwilligenengagement die Ausnahme, währenddessen Verbands-Taktik und dauerhafte Bindung zur Regel gehören.

Nun bin ich sicher nicht derjenige, der dafür plädiert, den Dritten Sektor vollständig auf den Kopf zu stellen. Ich bin davon überzeugt, dass die “jugendfeindlichen” Strukturen bürgerschaftlicher Selbstorganisation ihre Daseinsberechtigung haben, weil ich weiß, dass sich viele Menschen gerade hier wohlfühlen. Wer allerdings Jugendlichen nicht erst in Zukunft einen Zugang zum freiwilligen Engagement ermöglichen will, muss die gewachsenen Organisationsstrukturen weiterentwickeln und entsprechende Zugänge schaffen. Die Welt der Sozialen Medien bietet dafür zweifelsohne einen Raum, in dem die Inszenierung sozialer Themen möglich ist und Anknüpfungspunkte für sporadisches Jugendengagement angeboten werden können.

Kulturschock Social Web: Soziale Medien kennen und leben lernen

Hannes Jähnert | hannes-jaehnert.de

Beinahe seit Anbeginn der Debatte um den Social-Media-Einsatz in zivilgesellschaftlichen Organisationen wird von einer Kultur der Sozialen Medien gesprochen. Nonprofits, so der Tenor der Debatte, müssten diese Kultur des Social Webs on- und offline leben, um die Chancen, die das Internet schon heute bietet, künftig auch strategisch nutzen zu können. Mit der Kultur des Social Webs werden – sicher nicht zu Unrecht – allerlei Demokratie- und Partizipationsansprüche verbunden, die für traditionelle Dritt-Sektor-Organisationen aber ganz offensichtlich einige Herausforderungen bereit halten.

Es wäre sicher interessant, der Kultur des Social Webs im Einzelnen auf den Grund zu gehen bzw. die Befunde, die bis jetzt dazu publiziert wurden, einmal zu sampeln. Was unterscheidet denn die Kultur des Social Webs objektiv von der ‚außerhalb‘ desselben? Lassen sich überhaupt Grenzen ziehen? Welchen Regeln folgt das alltägliche Miteinander im Social Web und wo werden systematisch Missverständnisse zwischen den ‚Inhabitants‘ und den ‚Immigrants‘ provoziert? Wenngleich Antworten

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Page 32: Social Media für die Bürgergesellschaft. Beiträge zur NPO-Blogparade 16. - 21. April 2012

NPO-Blogparade: Social Media für die Bürgergesellschaft | Seite 32

auf diese Fragen einiges an Klarheit über das Warum der doch weit verbreiteten Verunsicherung unter den „Digital Outsiders“ bieten würden, wäre mit einem solchen Sampling doch nur ein Schlaglicht auf die sich rasch wandelnde Kultur des Social Webs geworfen. Aussagen über Standardformen (dem Wie), -themen (dem Was) und -techniken (dem Womit) der Netzkultur haben eben nur eine sehr begrenzte Halbwertszeit.

Wenn es nun aber darum geht, diese sich rasch wandelnde Kultur der Sozialen Medien kennen und leben zu lernen, bietet das mit „learning by doing“ häufig etwas kurz zusammengefasste Erfahrungslernen John Deweys wohl den Weg mit den geringsten Friktionsverlusten. Analog zur Vorbereitung auf einen längeren Aufenthalt in einem fremden Land kann man sicher auch Bücher und Studien über das Social Web lesen. Man kann Dokumentationen im Fernsehen anschauen und über das Internet Kontakt mit ‚Einheimischen‘ aufnehmen. Sobald man aber seinen Alltag in der fremden Kultur zu leben versucht, gehen die Schwierigkeiten los: Hat der Einheimische im Gespräch noch viel Mühe darauf verwandt, sich verständlich zu machen, reden die anderen doch lieber in ihrer eigenen Sprache. Hat man vielleicht gelesen, dass unter den Einheimischen ein rauer Ton herrscht, ist man doch schnell über die Art und Weise brüskiert, wie auch mit einem selbst umgegangen wird. Und hat man in einer Fernseh-Dokumentation vielleicht etwas über ganz andere Formen der Kriminalität erfahren, fühlt man sich angesichts der permanenten Trickserei schnell hilflos. Auch die noch so ausgiebige Lektüre aller zur Verfügung stehender Informationen sowie die Workshops und Vorträge so genannter Experten schützen also nicht vor dem, was Kalervo Oberg 1954 als „Kulturschock“ präsentierte.

Was ist ein Kulturschock?

Kalervo Oberg spricht beim Kulturschock von etwas, einer (Kinder-)Krankheit ähnlichem, das für die Anpassung an eine fremde Kultur überstanden werden muss. In „Cultural Shock: Adjustment to New Cultural Environments“ beschreibt er dementsprechend den Verlauf, die Symptomatik und mögliche Therapieansätze dieses immer individuell verlaufenden Leidens. Zwar bezieht sich Oberg dabei beinahe ausschließlich auf die Migration (oder längere Aufenthalte) in fremde Länder, doch ist das Phänomen des Kulturschocks mitnichten nur auf solche Migrationserfahrungen zu münzen. Zum einen ist allen Deutschen, die die Wendejahre um 1990 bewusst erlebt haben, ein solcher Kulturschock wiederfahren, obwohl sie ihre Heimat vielleicht nie verlassen haben. Zum anderen provoziert auch der kulturelle Wandel, den wir gemeinhin als „Fortschritt“ kennen und der sich seit Anfang des neuen Jahrtausends im und um das Internet vollzieht, ähnlich verlaufende Schock-Leiden.

Im Zuge der deutsch-deutschen Wiedervereinigung bzw. des Beitritts der DDR zur BRD prallten zwei unterschiedliche Kulturen aufeinander, die fortan ein geeintes Deutschland werden sollten. Angelehnt an den von Oberg beschriebenen Leidensverlaufes, zeigte Wolf Wagner 1996 das erste, 1999 das zweite und 2005 das dritte Mal, dass dieser deutsche Kulturschock bei den Menschen auf beiden Seiten der niedergerissenen Mauer zu wesensgleichen Symptomen führte. Symptome, die sich noch zwei Dekaden später empirisch nachweisen lassen: Noch immer meinen viele, die „Ossis“ an ihrem Hang zur Gleichmacherei und dem Kuschen vor Autoritäten, die „Wessis“ an ihrer Ellenbogenmentalität und der Überheblichkeit erkennen zu können (vgl. Wagner 2005: 18ff.). Wagners Studien zum „Kulturschock Deutschland“ machen vor allem deutlich, dass ein „Clash of Culture“ dieses Ausmaßes nicht in kurzer Zeit zu verdauen ist. Insbesondere, wenn es sich um ein massenhaftes Leiden – wenn man so will eine Epidemie – handelt, dauert es sehr lange Zeit, die fünf Phasen des Kulturschocks zu durchlaufen.

1. „Honeymoon Stage” – die Phase der Euphorie: Die weitgehende Unkenntnis einer fremden Kultur bewirkt zunächst eine große Faszination für all das, was neu und unbekannt erscheint. Euphorisch wird alles begrüßt, was man selbst als Gut und Schön erachtet – alles andere gerät in dieser Phase noch gar nicht in den Blick.

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Page 33: Social Media für die Bürgergesellschaft. Beiträge zur NPO-Blogparade 16. - 21. April 2012

NPO-Blogparade: Social Media für die Bürgergesellschaft | Seite 33

2. „Crisis in the disease“ – die Phase der Entfremdung: Da in der alltäglichen Realität mit der Zeit immer häufiger Abweichungen von den ignoranten Vorstellungen des Gut und Schön aus der Honeymoon-Phase auftreten, wird das eigene Weltbild in Zweifel gezogen. Da diese Selbstzweifel aber mangels Handlungsfähigkeit in dem fremden Kulturraum nicht aufzulösen sind, geht die Phase der Entfremdung sehr bald in die der Eskalation über.

3. „Nervous breakdown“ – die Phase der Eskalation: Mangels kultureller Kompetenz ist die reibungslose Verständigung mit den ‚anderen‘ unmöglich. Da der Mensch nun aber ein positives Selbst- und ein verlässliches Weltbild braucht, um nicht krank zu werden, reagiert er einerseits mit der Verherrlichung der Ursprungskultur und (damit verbunden) mit einer Selbstaufwertung durch die Abwertung anderer: „Instead of criticizing he jokes about people and even cracks jokes about his or her own difficulties“ (Oberg 2006: 143).

4. „Misunderstandings“ – die Phase der Missverständnisse: Erst nach Überstehen der Eskalations-Phase ohne kompletten Rückzug (bzw. Heimkehr) werden die ‚Einheimischen‘ ernst genommen und tatsächlich versucht ihre Handlungsweisen nachzuvollziehen. Dabei gilt: „For a long time the individuals will understand what the national is saying but he is not always sure what the national means“ (Oberg ebd.).

5. „Complete adjustment“ – die Phase der Verständigung: Auf der Grundlage der erworbenen kulturellen Kompetenz ist nunmehr nicht nur ein reibungsloses Miteinander möglich. Die neuen Formen des Miteinanders werden auch geschätzt und ggf. vermisst.

Zentrale Elemente des Kulturschocks – den ich persönlich nicht als zu überstehendes Leiden, sondern lieber als (mehr oder weniger) leidvollen Lern- oder Bildungsprozess betrachten würde – sind demnach kulturelle Kompetenz und Zeit.

• Mit kultureller Kompetenz sind hier nicht nur die zur Verfügung stehenden Handlungsalternativen gemeint, aus denen man auswählen kann. Vielmehr zielt dieser Begriff auf die diffuse Fähigkeit, sich unauffällig in einem bestimmten Feld, einem bestimmten Kulturraum zu bewegen, also nicht erst aus zur Verfügung stehenden Handlungsalternativen auswählen zu müssen, sondern schlicht zu wissen, wann welches Handeln angebracht ist und wann nicht.

• Die Zeit ist hier freilich relativ. Wie lange die einzelnen Phasen des Kulturschocks andauern ist individuell verschieden; hängt z.B. vom Prestige ab, das der Einzelne (auch) in einem anderen Kulturraum genießt. Während also bspw. die Ignoranz international bekannter Stars und Sternchen noch deren Image zugeschrieben werden kann, können ‚unwichtige‘ Menschen nicht auf allgemeines Verständnis für ihr kulturunsensibles Verhalten hoffen.

Damit lässt sich der Prozess des Kulturschocks in einem U-förmigen Verlauf zwischen den Achsen „kulturelle Kompetenz“ und „Zeit“ darstellen.

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Social Media als Kulturschock

Einen Kulturschock bekommt man, wenn man in den Alltag einer fremden Kultur eintaucht. Menschen, die nur kurze Ausflüge und Urlaubsreisen machen, kehren viel zu früh Heim, um auch nur bis zur Phase der Eskalation zu gelangen – von ernsthafter Auseinandersetzung mit anderen Kulturen, keine Spur. Beliebte Ausflugsziele und große Urlauberburgen sind derart auf ihre Zielgruppe (zumeist westliche Mittelständler) zugeschnitten, dass ein Kontakt zur einheimischen Alltagskultur nur ausnahmsweise zu Stande kommt. Und mal ehrlich: Vielen Menschen ist das nur recht. Man bedenke, dass ein Kulturschock nichts Angenehmes ist, was man intuitiv mit Ferien in Verbindung bringen könnte.

Obwohl es kaum Urlaubsrefugien für Ausflügler in der Welt der Sozialen Medien gibt, muss hier doch Gleiches gelten. Ausflüge enden viel zu früh, als dass es zu einer ernsthaften Auseinandersetzung mit dieser fremden Kultur kommen würde. Wer bspw. völlig euphorisch einen eigenen Twitter-Account anlegt und anfängt, wie verrückt über Gott und die Welt zu berichten, wird sich bald der Tatsache

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NPO-Blogparade: Social Media für die Bürgergesellschaft | Seite 35

Gewahr werden, dass diese Berichterstattung (wenn überhaupt) nur sehr wenige Menschen interessiert. Infolge dieser Erkenntnis gibt man sich dann selber die Schuld, weil man ja selbst auf die Verheißung „Micro-Blogging“ hereingefallen ist und lässt das Twittern wieder bleiben – eine Account-Leiche mehr im System. Oder man macht einen Ausflug zu Facebook: Alle haben sie jetzt eine Facebook-Seite und riesig viele Fans, die alles kaufen was ihnen angeboten wird. So eine Facebook-Seite will man auch haben! Nach einiger Zeit kommt man dann aber nicht umhin zu bemerken, dass schon ein paar treue Fans – zu großen Teilen genau die Leute, die man auch schon vorher kannte – einiges an Arbeit bedeuten. Weil sich die ganze Sache nun also auch nicht lohnt – sprich: man selbst nicht genug Geld und Geduld hat – lässt man auch die Facebook-Seite wieder ruhen – noch eine Karteileiche.

Ich könnte jetzt auch noch Ausflüge zu Wikis, Blogs und all den anderen verheißungsvollen Möglichkeiten karikieren, die das Internet zweifellos bietet, doch ist, denke ich, schon jetzt klar, was gemeint ist: Ohne Fleiß, kein Preis! Ohne eine gewisse Ausdauer, kein Erfolg in der Welt der Sozialen Medien. Ohne klares Profil, keine Aufmerksamkeit und ohne Engagement, Geld und Geduld auch keine Community. Die Euphorie mündet in Selbstzweifel und führt geradewegs – und ohne nennenswerte Konsequenzen (!) – zurück zum Ausgangspunkt.

Nun schreiben Menschen wie Annette Mattgey, die Zeit für Experimente sei vorbei und zählen (mehr oder weniger) überzeugende Argumente für ein dauerhaftes Social-Media-Engagement auf. Doch was, wenn die Schwierigkeiten, die schon die kurzen Ausflüge beendeten, weiterhin bestehen bleiben? Was, wenn sich Produktentwicklung, Employer Branding und all die anderen Verheißungen des Social Webs nicht realisieren lassen, obwohl sie doch für die Social-Media-Kommunikation so zentral sind? Ganz einfach: Dann haben die anderen eben Schuld. Dann ist es eben die ewig daddelnde Jugend, die schlicht kein Interesse an einem Job oder Ehrenamt hat. Dann sind es die Social Networking Dienste, die dem verantwortungsvollen Social-Media-Einsatz einen Strich durch die Rechnung machen und dann hat selbstverständlich auch die Regierung, die Konzernleitung oder wer auch immer Schuld, weil ja nicht genügend – oder nur projektbezogene – Mittel für die Beziehungsarbeit im Social Web bereitgestellt werden. Recht bald kursieren dann Witzeleien über hartnäckige Befürworter der Sozialen Medien – diese Nerds und adoleszenten Wichtigtuer – und eigentlich sehnt man sich nur noch in die Zeit zurück, als noch alles gut war. Bücher und Zeitungen werden als Hoch- oder wahlweise Leitkultur gefeiert und der Rechner nur noch als notwendiges Übel betrachtet, mit dem all der Mist angefangen hat.

Um hier meinem Fazit schon voraus zu greifen: Ich glaube in genau dieser Phase, der Phase der Eskalation, befinden sich die allermeisten Mitarbeitenden (zivilgesellschaftlicher) Unternehmen und Organisationen. Witzeleien sind an der Tagesordnung und ich mag nicht mehr zählen, wie oft ich schon mit vorwurfsvoller Miene gefragt wurde, wie viel Zeit ich eigentlich in Facebook verbringe. Ich kann’s auch langsam nicht mehr hören, wie gut sich doch ein echtes Buch anfühlt und welchen Wert die ausgiebige Lektüre großformatiger Wochenzeitungen in der Berliner U-Bahn hat. Das Gerede von der „Generation 2.0“ geht mir schon eine ganze Weile auf den Keks, weil ich hier vor allem anderen den Versuch sehe, neue Kulturpraktiken (Web 2.0) unwissenden und damit potentiell devianten Teenagern und Twens zuzuschreiben. Von ernst zu nehmenden Versuchen, das Handeln der „Digital Natives“ nachzuvollziehen, kann ich leider (noch) nicht berichten.

Eben dieses Verstehen-Wollen müsste aber Raum greifen, um in die nächste Phase, die Phase der Missverständnisse, überzugehen. Wer sich in dieser Phase befindet, akzeptiert die neue Kultur und ihre Praktiken als gleichwertig; begegnet ihnen sozusagen auf Augenhöhe. Eine Diffamierung als irgendwie ‚anders‘ oder ‚unnormal‘ ist in dieser Phase gar nicht mehr sinnvoll, weil man sich mit den Menschen um sich herum um der Verständigung Willen zu verständigen sucht. Man ‚kommuniziert‘ nicht mehr nur, weil es eben notwendig ist oder Profit verspricht, sondern weil man es gerne möchte. Problematisch ist hier lediglich, dass man immer noch in Fettnäpfe tritt und einiges an Humor und Geduld mitbringen muss, um nicht an sich selber zu verzweifeln. Im Gegensatz zur Phase der

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Entfremdung, die alle Ausflüge beendete, ist die Verzweiflung aber nicht all zu nah, weil man hier (mehr oder weniger) bewusst lernt, sich in einer neuen Kultur zu bewegen.

In der Tat kann diese Phase lange Zeit dauern, bevor von Verständigung der Kulturen – der letzten Phase des Kulturschocks – die Rede sein kann. Das Hauptproblem ist dabei die Synchronisation der Beschleunigungsschübe. Die Standardthemen, -techniken und -formen ändern sich weder im Social Web noch irgendwo sonst stetig. Sie ändern sich in Schüben mit schon enormer und in Zukunft steigender Geschwindigkeit. Die technische Verbreitung des Internets ist dafür anschauliches Beispiel: Während es 38 Jahre dauerte, bis 50 Millionen Haushalte auf der Welt ein Rundfunkgerät hatten, dauerte es nur noch 13 Jahre bis in genauso vielen Haushalten ein Fernsehapparat stand. Bis zur Marke von 50 Millionen Internetanschlüssen dauerte es dann gerade noch vier Jahre. Im Klartext heißt das, dass die Phase der Missverständnisse umso länger dauert, je weniger man sich auf dem Laufenden hält.

Was nun?!

Das Fazit meines ersten Artikels zur abgeschlossenen NPO-Blogparade „Social Media für die Bürgergesellschaft“ begann ich mit folgender Zusammenfassung: „ Es scheint sich ein Graben durch die Bürger- und Zivilgesellschaft zu ziehen: Auf der einen Seite die ‚Digital Outsiders‘ auf der anderen die ‚Digital Natives‘ “ . Ich glaube nicht, dass der Schock, den der kulturelle Wandel im und um das Internet im 21. Jahrhundert provoziert, nur die Bürger- und Zivilgesellschaft betrifft. Was man so hört, greift er auch in Wirtschaftsunternehmen um sich. Insofern kann Folgendes für beide Seiten gelten:

Kalervo Oberg schlägt als Therapie des Kulturschocks Sprachlernen und gemeinsame Reflexion vor, schreibt zugleich aber:

“… the difficulty is that culture shock has not been studied carefully enough for people to help you in an organized manner and you continue to be considered a bit queer – until you adjust yourself to the new situation. In general, we might say that until an individual has achieved a satisfactory adjustment he is not able to fully play his part on the job or as a member of the community.” (Oberg 2006: 144)

Damit ist die Überwindung des Kulturschocks – wie jeder andere Prozess des Kompetenzerwerbs auch – eine individuelle Angelegenheit, die Zeit braucht. Im Moment kenne ich keine ernstzunehmenden Kurse oder Bücher zu „Social Media Sprech“, Reflexion aber kann durchaus angeboten werden. Ich spreche hier nicht von „Coaching“ á la wie kommuniziere ich erfolgreich im Social Web! Ich spreche hier von einer Begleitung durch den zuweilen leidvollen Prozess eines Kulturschocks; ohne gute Ratschläge und ohne konkreteres Ziel als das Verständnis der Netzkultur. Wenn es darum geht, diese Kultur der Sozialen Medien kennen und leben zu lernen, ist das der bisher einzige Weg, der uns über die frustrierende (und vor allem spaltende) Phase der Eskalation herausführen kann.

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NPO-Blogparade: Social Media für die Bürgergesellschaft | Seite 37

Status Quo zum Social Media Einsatz in gemeinnützigen Organisationen

Katrin Kiefer | netzwerkpr.de

Dialog, Partizipation, Transparenz – die Chancen von sozialen Medien für gemeinnützige Institutionen und bürgerschaftliches Engagement sind in aller Munde. Doch wie steht es um den tatsächlichen Einsatz sozialer Medien in Nonprofit-Organisationen? Auf welchen Plattformen sind zivilgesellschaftliche Organisationen aktiv und welche Inhalte werden in den Profilen veröffentlicht? Diesen und zahlreichen weiteren Fragen zu den Nutzungsmöglichkeiten des Social Web stellt sich die aktuelle NPO-Blogparade des Centrum für Corporate Citizenship Deutschland (CCCD). In diesem Beitrag soll ein Bild dessen gezeichnet werden, inwiefern Nonprofit-Organisationen soziale Medien für ihre Kommunikationsarbeit einsetzen und worin die zukünftigen Herausforderungen für den Dritten Sektor liegen.

Seit 2009 werden im Rahmen der Studie “NGOs im Social Web” die Webaktivitäten von 60 mitgliederstarken gemeinnützigen Institutionen in Deutschland erhoben. Jedes Jahr wurden dabei weitere relevante Social Media Plattformen wie Flickr und XING sowie die Einbindung mobiler Spendenmöglichkeiten in die Untersuchung aufgenommen.

Die Abbildung verdeutlicht, dass in den vergangenen Jahren nicht nur mehr Organisationen den Einstieg in Social Media gefunden, sondern auch ihr Netzportfolio deutlich erweitert haben. So bieten mittlerweile zwei Drittel der Organisationen drei Social Media Kanäle und mehr parallel an. Lediglich etwas über 10 Prozent der Organisationen verfügen über kein Social Media Angebot. Im Vergleich dazu lag der Anteil der NPOs, die keine sozialen Medien für das Kommunikationsmanagement einsetzen, im Jahr 2009 noch bei knapp 50 Prozent.

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NPO-Blogparade: Social Media für die Bürgergesellschaft | Seite 38

Interessanterweise gilt YouTube seit 2009 kontinuierlich als beliebtester Social Media Kanal. Dies kann einerseits in der relativ einfachen Handhabung der Plattform, andererseits in dem im Vergleich zu sozialen Netzwerken geringeren Betreuungsaufwand begründet liegen. Die Netzwerke Facebook und Twitter sind hinsichtlich ihrer Relevanz für Nonprofits ebenfalls deutlich angewachsen und stellen den zweit- und drittbedeutendsten Kanal für NGOs im Social Web dar. Seit vergangenem Jahr sind zusätzlich mindestens zehn der betrachteten Organisationen im sozialen Netzwerk Google+ aktiv, Tendenz steigend. Die Instrumente und Plattformen MySpace, Podcast/Vodcast und eine eigene unabhängige Community werden nur von vereinzelten zivilgesellschaftlichen Organisationen genutzt. Dass die Relevanz dieser Social Media Anwendungen mit Ausnahme der selbstorganisierten Communities für NPOs in den vergangenen Jahren abnimmt bzw. stagniert, wird auch im Zeitverlauf deutlich.

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NPO-Blogparade: Social Media für die Bürgergesellschaft | Seite 39

Darüber hinaus veranschaulicht die Grafik, dass sich der „Social Media Boom“ der zweiten Hälfte des Jahres 2009 seit 2010 deutlich abschwächt und nur noch vereinzelt neue Netzwerkprofile eingerichtet werden. Lediglich die Einführung neuer Social Media Dienste wie Google+ führt zu weiteren Neuanmeldungen. Insgesamt hat der Großteil der untersuchten gemeinnützigen Institutionen seine Marketing- und Fundraisingkommunikation strategisch um den Einsatz sozialer Medien erweitert und ist im sozialen Netz aktiv. Den Organisationen, die bislang passiv oder nur minimal im Social Web vertreten sind, fehlen entweder auch weiterhin die notwendigen Ressourcen oder für sie besteht keine Notwendigkeit in soziales Internetengagement. Möglicherweise liegt dieser Abstinenz vom Social Web auch der vielfach beklagte Innovationsstau zugrunde, der zuletzt auf dem Fundraising Kongress 2012 in Berlin thematisiert wurde. Das immer wiederkehrende Ressourcenproblem als Ursache für die Nichtteilnahme an digitalen Gesellschaftsprozessen beschreibt zudem Brigitte Reiser in ihrem Beitrag zur aktuellen Blogparade.

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NPO-Blogparade: Social Media für die Bürgergesellschaft | Seite 40

Die letzte Grafik zeigt das Community-Wachstum der verschiedenen sozialen Netzwerke im Zeitverlauf. Auf Facebook beispielsweise ist die durchschnittliche Netzwerkgröße von 2009 nach 2011 auf das über 40-fache angewachsen. Bei der Interpretation der Wachstumsverläufe sind jedoch mehrere Aspekte zu beachten: Im Bezugszeitraum ist auch die Anzahl der deutschen aktiven Facebook-Nutzer auf das 5-fache angestiegen, zudem fällt die Größe der einbezogenen Fangruppen sehr heterogen aus und schwankt zwischen 500 und 47.000 Mitgliedern. Schließlich geht es aber vor allem trotz der visuell erfolgversprechenden Entwicklungen nicht allein um eine Betrachtung quantitativer Messgrößen sondern auch um qualitative Erfolgskriterien wie Verhaltens- oder Wahrnehmungsveränderungen seitens der Stakeholder. Spätestens seit der Einführung des Facebook Edgerank wird deutlich, dass die Zahl der Fans, Follower oder Abonnenten wenig Aussagen über die Anzahl der echten Fans zulässt, nämlich der Stakeholder, die die Botschaften von gemeinnützigen Organisation tatsächlich lesen und teilen, die auch in Krisen das Vertrauen aufrechthalten oder eigenständig Projekte initiieren und in ihrem Familien- und Freundeskreis um Aufmerksamkeit und Ressourcen für zivilgesellschaftliche Institutionen werben.

Hinsichtlich der qualitativen Entwicklung der Social Media Profile lässt sich ein allmählicher Wandel weg vom Prinzip der „alten Kommunikation in neuen Kanälen“ nachvollziehen. Stattdessen werden die Netzwerkkanäle intensiver für Stakeholderdialog, Online-Fundraising, Kampagnenarbeit und die Suche nach Ehrenamtlichen und Freiwilligen eingesetzt. Die Professionalisierung des Social Web Engagements liegt unter anderem im Ausbau der Personalressourcen zur Betreuung der Social Media Auftritte begründet. So leisten sich insbesondere die großen Nonprofit-Organisationen für ihr Onlineengagement teils sogar mehrere Social Media und Community Manager.

Zusammenfassend betrachtet zeigen die Entwicklungen in den vergangenen Jahren einen sehr positiven Verlauf bezüglich der Nutzungsvielfalt von sozialen Medien im deutschen Nonprofit-Sektor, sowohl in quantitativer als auch qualitativer Hinsicht. Dennoch stehen zivilgesellschaftlichen Institutionen auch zukünftig vor zahlreichen Herausforderungen: dem Ausbau der Transparenzmaßnahmen im Netz, dem Dialog und der echten Einbindung von Stakeholdern auf Augenhöhe sowie der Öffnung der Kommunikations- und Organisationsstruktur nach außen. Die

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NPO-Blogparade: Social Media für die Bürgergesellschaft | Seite 41

“offene Kommunikation” als Grundlage für Social Media Engagement betont auch Jona Hölderle in seinem aktuellen Beitrag. Es geht nicht nur darum, soziale Netzwerkplattformen als “Konsument” (Reiser, 2012) zu betrachten, sondern die besonderen Eigenschaften der Social Media wie Partizipation, Koproduktion und Pluralisierung bewusst in der gemeinnützigen Organisation gemeinsam mit seinen Stakeholdern zu leben.

Nonprofits müssen ins Internet und dieses mitgestalten

Dr. Brigitte Reiser | nonprofits-vernetzt.de

Die Publikations-, Austausch- und Vernetzungsmöglichkeiten des Internets (“soziale Medien”) eröffnen gemeinnützigen Organisationen die Chance, ihre Verbindungen zur Zivilgesellschaft zu stärken und Ressourcen der Bürger vermehrt abzurufen. Es geht darum, “support relationships” (Burt/Taylor 2011) zwischen Bürgern und freien Trägern aufzubauen, – und zwar in beide Richtungen. Eine stärkere Unterstützung seitens der Bürger setzt Beteiligungsmöglichkeiten für diese in Nonprofit-Organisationen voraus, nicht nur, wenn es um die Umsetzung von Projekten geht, sondern schon in der Planungsphase.

Das Centrum für Corporate Citizenship Deutschland (CCCD) lädt in einer aktuellen Blogparaden-Runde zum Diskurs über die Nutzungsmöglichkeiten von Social Media ein, die sich für die Zivilgesellschaft, d.h. für Bürger und Vereine, auftun. Dabei sollen auch die Herausforderungen und möglichen Grenzen diskutiert werden.

In diesem Beitrag möchte ich drei Punkte ansprechen, die ich in Zusammenhang mit dem Thema für essentiell halte:

1. Das Ressourcenproblem – oder die Frage, wie die digitale Inklusion des Dritten Sektors vorangetrieben werden kann

2. Offliner ins Netz bringen – eine Aufgabe für den gemeinnützigen Bereich

3. Netzpolitik – in einer digitalen Gesellschaft ein wichtiges Aufgabenfeld für den Dritten Sektor

Zu Punkt 1:

Aus den gemeinnützigen Organisationen kommt immer wieder das Feedback, dass das Ressourcenproblem (“kein Geld, keine Zeit, keine Mitarbeiter, kein Fachwissen”) eine enorme Hürde für die Nutzung sozialer Medien darstellt. Davon betroffen sind nicht so sehr die großen Wohlfahrtsverbände, sondern die unzähligen kleinen Vereine und Initiativen auf kommunaler Ebene. Es gibt über eine halbe Million Vereine in Deutschland. Sehr viele davon sind in den sozialen Medien nicht präsent, – weil sie niemanden haben, der sich mit den neuen Medien auskennt oder genug Zeit dafür aufbringen könnte. In der Regel fehlt auch das Geld für eine professionelle Unterstützung.

Es müsste potentiellen Geldgebern – dem Staat, den Kommunen und Stiftungen – ein Anliegen sein, den Dritten Sektor in der Fläche für das Mitmach-Web fit zu machen. Denn gemeinnützige Organisationen, die sich auf den Gebrauch sozialer Medien nicht verstehen, können in einer digitalen Gesellschaft ihre Funktionen - die Einbindung von Bürgern, die Erbringung von Dienstleistungen, die Interessenvertretung und die Schaffung von Partizipationschancen - auf die Dauer nicht erfolgreich ausüben. Es reißt so eine Kluft auf zwischen vielen zivilgesellschaftlichen Institutionen und

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NPO-Blogparade: Social Media für die Bürgergesellschaft | Seite 42

internetkundigen Bürgern, die den Dritten Sektor schwächt.

Staat und Stiftungen sollten in ihre Budgets für gemeinnützige Organisationen Mittel für die IT-Ausstattung und die Vermittlung digitaler Kompetenzen mit aufnehmen. Die sogenannte “digitale Inklusion” des Dritten Sektors ist kein Randthema, – sondern eines, das existentiell ist für die Weiterentwicklung der hiesigen Zivilgesellschaft.

Allerdings ist der Dritte Sektor hier selbst nicht aus der Verantwortung zu nehmen. Es gibt viele Möglichkeiten, wie man auch mit wenig Mitteln die eigenen Kenntnisse und Handlungschancen ausweiten kann, – in erster Linie durch einen stärkeren Austausch innerhalb des Sektors und mit Bürgern. Das Wissen über soziale Medien kann durch gemeinsame Arbeitsgruppen, über Webseiten und die Nutzung vorhandener Foren und Plattformen gefördert werden. Im Stiftungsbereich startete letzten Sommer die stiftungsübergreifende Arbeitsgruppe “Stiftungen 3.0“. Was darüber hinaus möglich ist, zeigen die folgenden Beispiele: Social Media Surgeries auf der lokalen Ebene in Großbritannien, Online-Communities zum Thema ICT für Gemeinnützige wie das ICT Café, crowdsourcing-Webseiten wie KnowHow NonProfit, die Vermittlung von freiwilligen IT-Fachleuten an den gemeinnützigen Sektor IT4Communities, die Socialbar als Austauschort über die Chancen sozialer Medien, Veranstaltungen und BarCamps wie die re:campaign für den gemeinnützigen Sektor.

Schließlich könnte auch eine professionelle Unterstützung im Hinblick auf den Umgang mit dem Internet von vielen Vereinen gemeinsam finanziert oder von der örtlichen Gemeinde für den Nonprofit-Sektor getragen werden, – siehe die britische Einrichtung der Circuit Riders (“Circuit Riders are third sector technology development and support workers, each of whom supports a caseload of organisations the same way a development worker might”, UK Riders).

Zu Punkt 2:

Viele Vereine – besonders jene mit einer älteren Mitgliederschaft– haben das Problem, dass ihre Zielgruppen nur zum Teil (oder auch gar nicht) im Netz präsent sind. Dadurch entgehen diesen Bürgern Informations- und Beteiligungsmöglichkeiten. Es muss auch zum Aufgabenbereich einer Nonprofit-Organisation gehören, die digitale Inklusion ihrer Stakeholder voranzutreiben.Aber dafür fehlen in der Regel die Mittel. Allerdings könnte man auch hier Ressourcen der gemeinnützigen Akteure vor Ort poolen.

Für manche Organisationen im Dritten Sektor ist die digitale Inklusion ihrer Mitglieder und Klienten aber kein Thema, für das sie sich verantwortlich halten. Viele bleiben ganz eng ihrem Dienstleistungszweck verhaftet, und der hat in der Regel nichts mit dem Internet zu tun. Aber eine gemeinnützige Organisation ist mehr als nur ein Dienstleister. Sie ist Teil unseres demokratischen Gemeinwesens und spielt eine wichtige Rolle als zivilgesellschaftlicher Akteur. Dazu gehört auch, dass sie ihre Arbeit für und mit den Stakeholdern um eine digitale Dimension erweitert und jene mitnimmt, die bisher von den Online-Beteiligungsmöglichkeiten ausgeschlossen sind.

Vermittelt werden müssen in Zusammenhang mit dem Internet nicht nur technische Fertigkeiten. Sondern eine Reihe weiterer Kompetenzen, die zur “digital literacy” gehören: die Fähigkeit, Online-Netzwerke zum Aufbau von sozialem Kapital zu nutzen, die Kompetenz zur Zusammenarbeit, zur Partizipation, zur Aufmerksamkeit und zur Beurteilung der Qualität von Informationen.

Zu Punkt 3:

Gemeinnützige Organisationen müssen sich stärker um netzpolitische Fragen kümmern. Damit ist gemeint, sie müssen sich mit den Rahmenbedingungen des Internets, dessen Struktur und Angebote befassen und Einfluss auf die Ausgestaltung des Netzes nehmen.

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NPO-Blogparade: Social Media für die Bürgergesellschaft | Seite 43

Das Netz ist nicht statisch, – es kann und wird jeden Tag von Menschen und Organisationen verändert. Die Zivilgesellschaft muss ein Interesse daran haben, das Internet so bürgerschaftlich wie möglich zu gestalten und gemeinnützige Angebote zu stärken. Die Weiterentwicklung des Internets sollte nicht kommerziellen Interessen überlassen bleiben. Wir alle bezahlen die meisten der neuen Mitmach-Möglichkeiten zwar nicht mit Geld, aber mit unseren persönlichen Daten. Es ist wichtig, dass von zivilgesellschaftlicher Seite Alternativen zu “Faceboogle” entwickelt und Unternehmen Grenzen aufgezeigt werden, wenn es um deren Datensammelwut und die Monopolisierung der Netzangebote geht. Über die Ambivalenz kommerzieller, hierarchischer Netzwerke- “soziale Fabriken” (F. Stalder) – und dezentrale Alternativen siehe auch die Beiträge von Bauer und Härtel zur aktuellen Blogparade.

Durch die jahrelange Abstinenz vieler wichtiger Nonprofit-Organisationen in Deutschland von den sozialen Medien wurden hier Handlungs- und Gestaltungschancen verpasst. In manchen gemeinnützigen Einrichtungen wird das Internet noch heute inhaltlich abgewertet und nicht ernst genommen als ein neuer mächtiger und globaler öffentlicher Raum.

Es ist an der Zeit, dass der Dritte Sektor sich nicht nur als Konsument von Netzangeboten betrachtet (“Wir sind jetzt auch auf Facebook”), sondern als aktiver Gestalter des digitalen Raumes zugunsten zivilgesellschaftlicher Akteure und demokratischer Beteiligungsmöglichkeiten.

Überfordert man damit Vereine? Nicht jeder gemeinnützige Akteur wird sich mit digitalen Fragen auseinandersetzen wollen. Andererseits geht es um unseren gemeinsamen öffentlichen Raum im Netz, – dessen Freiheit zu erhalten und die nicht-kommerziellen Räume und bürgerschaftlichen Handlungschancen zu stärken, sollte ein wichtiges Anliegen aller im Dritten Sektor sein.

Ein wichtiges Thema ist auch die Förderung von Zivilität im Netz bzw. die Frage: wie gehen wir miteinander im Internet um? Die Akzeptanz von Pluralität ist Voraussetzung für ein vitales und konstruktives zivilgesellschaftliches Leben online. Auch hier sind Dritte-Sektor-Organisationen als Vorbilder und Lernorte gefordert.

Sind soziale Organisationen fit für soziale Medien? Ja!

Julia Russau | anerkennung-sozial.de

„Wie können soziale Organisationen soziale Medien nutzen?“ fragen das Centrum für Corporate Citizenship Deutschland (CCCD) und Brigitte Reiser von nonprofits-vernetzt in der aktuellen Blogparade.

Häufig, so meine Beobachtung, beginnen Diskussionen, in denen nach den Möglichkeiten der Social-Media-Nutzung in sozialen Organisationen gefragt wird, mit möglichen Stolpersteinen. Also mit dem, was soziale Organisationen daran hindert, im Netz aktiv zu sein: „Wir kennen uns nicht mit der Technik aus“, „Dafür haben wir keine Zeit“, „Das ist keine echte Beziehungsarbeit“, „Das ist nur etwas für Jüngere“, „Das ist nicht wichtig genug“ …

Eher selten beginnen Diskussionen mit den positiven Seiten. Also mit dem, was soziale Organisationen dazu qualifiziert, sich der Gesellschaft übers Netz zu öffnen. Der Eindruck „Soziale Organisationen und das Internet sind zwei Welten für sich“ oder „Hier müssen wir bei Null anfangen“ wird durch den Defizit-Fokus der Diskussionen oft verschärft.

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Page 44: Social Media für die Bürgergesellschaft. Beiträge zur NPO-Blogparade 16. - 21. April 2012

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Passen soziale Organisationen und Social Media zusammen? Haben die Organisationen Stärken, auf die sie ihre Social Media-Nutzung bauen können?

Ganz klar: Ja! Und das hat einen einfachen Grund: Weil Social Media soziale Medien sind – und sie das Netz damit zu einem Teil der Gesellschaft machen, in die soziale Organisationen schon immer hineinwirken.

Die Frage, welche Qualifikationen und Kompetenzen notwendig und förderlich sind, ist natürlich eng gekoppelt mit der Sichtweise, die Organisationen von Social Media haben. Wer in Social Media zuoberst ein technisches Instrument sieht, wird zunächst technische Kompetenzen fordern. Wer in Social Media eine Möglichkeit der Werbung sieht, wird auf Personen setzten, die Marketing-Kompetenzen vorweisen können. Je nachdem, welche Sichtweise dominiert und welche Aufgaben fokussiert werden, verändern sich entsprechend die Kompetenzen, die den Akteuren für eine erfolgreiche Social Media-Nutzung wichtig erscheinen.

Aufgaben aus verschiedenen Perspektiven können z.B. sein:

• Aus einer technik-orientierten Perspektive: Programmieren, Nutzung von Content-Management-Systemen (CMS), Wartung der Geräte, Aktualisieren der Software usw.

• Aus einer informations-orientierten Perspektive: Recherche, Clustern/Selektieren von Informationen, Schreiben von Pressemitteilungen …

• Aus einer marketing-orientierten Perspektive: Akquirieren von Kunden und Geldgebern/Spendern, Brand Management, Marktforschung …

• Aus einer politisch-orientierten Perspektive: Partizipation an politischen Entscheidungsprozessen, Anwalt sein für die Klientel, Engagement für Demokratie und Menschenrechte …

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Foto: Dagmar Zechel/pixelio.deSoziale Organisationen – Knotenpunkte im Sozialen Netz?

Page 45: Social Media für die Bürgergesellschaft. Beiträge zur NPO-Blogparade 16. - 21. April 2012

NPO-Blogparade: Social Media für die Bürgergesellschaft | Seite 45

• Aus einer wissens-orientierten Perspektive: Verknüpfung von Theorie und Praxis, Interdisziplinärer Austausch, Anstoßen und Fortführen von Fachdiskussionen …

• Aus einer sozial-orientierten Perspektive: Beziehungsaufbau und –pflege, Initiieren von Kooperationen und Netzwerken, Konfliktlösung, Moderation, Reflexion …

Natürlich: sich in und mit Social Media im Netz zu bewegen und dieses gemeinschaftlich mitzugestalten ist immer eine ganzheitliche Aufgabe. Insofern gehört jeder der oben genannten Teilbereiche in der einen oder anderen Form zu einer professionellen Social Media-Nutzung dazu. Allerdings mit unterschiedlichen Schwerpunkten.

Social Media bedeuten in erster Linie Interaktion. Also eine Kommunikation, die nicht einseitig verläuft, sondern die den Dialog sucht. Selektiert man die verschiedenen o. g. Perspektiven nach ihrem Interaktionsgrad, so beinhalten gerade die letzten Drei – politisch, wissen(schaftlich) und sozial – Aufgaben und Kompetenzen, für die dieser Dialog mit anderen essentiell ist.

Wie stehen soziale Organisationen zu diesen drei Teilbereichen?

Ich möchte behaupten, dass gerade die dialogischen Bereiche das Wesen sozialer Organisationen zum großen Teil ausmachen. Soziale Organisationen sind – logisch – sozial ausgerichtet. Sie orientieren ihren Dienst an ethischen Werten, für die sie (auf allen Ebenen der Gesellschaft) Vorbildcharakter haben. Ein wesentlicher Teil der Fachlichkeit sozialer Berufsgruppen basiert auf sozial-kommunikativen und wissenschaftlich-analytischen Kompetenzen. Das freiwillige Engagement, als weitere Säule der praktizierten Gemeinnützigkeit, ist per se sozial. Darüber hinaus sind soziale Organisationen politisch. Sie sind Anwälte ihrer Klienten, sie fördern das demokratische Miteinander, sind Spezialisten in Sachen Barrierefreiheit und mahnen an, wenn die Politik ins Ungleichgewicht gerät. Aus wissenschaftlicher Perspektive sind sie Mittler. Sie bilden die Schnittschnelle zwischen universitärer Forschung und Bürgerwissen, vermitteln zwischen Theorie und Praxis und leisten einen wesentlichen Beitrag zur Analyse gesellschaftlicher Tendenzen.

Diese Kernkompetenzen müssten sich folglich in der Social Media Nutzung niederschlagen. Ja, sie prädestinieren soziale Organisationen geradezu, in den sozialen Medien aktiv zu werden, oder?

Die meisten sozialen Organisationen sind heutzutage im Internet vertreten und insbesondere die großen Wohlfahrtsverbände, aber auch kleinere Initiativen, können z. B. eine Seite bei Facebook oder einen Twitter-Account vorweisen. Beobachtet man die Netzaktivitäten sozialer Organisationen genauer, so lässt sich jedoch feststellen, dass viele der Social Media-Aktivitäten vor allem zwei Bereiche abdecken: Information und Marketing. Die dialogischen Bereiche, in denen soziale Organisationen m. E. das größere Potential aufweisen, sind in den Social Media-Aktivitäten dagegen wenig bis kaum ausgeprägt.

Interaktion und Dialog, so könnte man den Eindruck gewinnen, bedeutet für viele Akteure sozialer Organisationen noch immer und in erster Linie Face-to-Face. Politisches Engagement bedeutet noch immer und in erster Linie Engagement vor Ort, am runden Tisch, in Gremien. Wissensgenerierung bedeutet noch immer und in erster Linie Forschung autorisierter Wissenschaftler oder Erfahrungswissen der Fachkräfte. Obwohl die drei Teilbereiche sozial, politisch und wissenschaftlich quasi zu einem Aushängeschild sozialer Organisationen in den Social Media werden könnten, verläuft gerade ihre Ausweitung in die Netzgemeinschaft nur zäh. Warum? Und wie kann dieses Potential aktiviert werden?

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NPO-Blogparade: Social Media für die Bürgergesellschaft | Seite 46

Also doch zu den Stolpersteinen. Die Gründe, weshalb in das große Potential, das soziale Organisationen für die Social Media-Nutzung qualifiziert, nicht umfassend investiert wird, sind sicherlich vielfältig und je nach Organisation verschieden ausgeprägt. Letztlich können nur die Organisationen selber wissen, welche Beweggründe sie haben, sich für oder gegen die Nutzung sozialer Medien zu entscheiden. Ich selbst kann nur Vermutungen anstellen. Dennoch möchte ich abschießend einige dieser Vermutungen zur Diskussion stellen:

Ist die technische Barriere zu hoch?

Um im Netz aktiv zu werden, ist ein sicherer Umgang mit der Technik unumgänglich. Zwar sind viele Anwendungen mittlerweile weitgehend leicht bedienbar, sodass der einzelne User kein Spezialist mehr sein muss. Ein grundlegendes Wissen über die Möglichkeiten einzelner Anwendungen und ihrer Bedienbarkeit bleibt jedoch notwendig. Technische Barrieren lassen sich am besten durch Schulungen, Mentoren etc. überwinden. Besteht vielleicht Bedarf an solchen Schulungen?

Geht es um kurzfristigen, quantitativen Erfolg?

Es geht schneller, auf Facebook hundert Menschen dazu zu bewegen auf den Like-Button zu klicken, damit sie zu „Freunden“ werden, als zehn Beziehungen aufzubauen, die langfristig halten. Informationen zu verbreiten geht schneller, als mit den Usern ausführliche Dialoge zu führen. Die Übertragung des Social Media-Ressorts an den (eh schon vorhandenen) Pressebeauftragten (oder eine vergleichbare Person) ist leichter, als viele MitarbeiterInnen ins Boot zu holen und mit der neuen Aufgabe vertraut zu machen. Marketing-Kampagnen zu starten erfordert weniger Prozesse, als ein wertebasiertes Leitbild für Social Media-Aktivitäten zu erstellen.

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Foto: Buchart/pixelio.deStolpersteine auf dem Weg zur Social Media-Nutzung?

Page 47: Social Media für die Bürgergesellschaft. Beiträge zur NPO-Blogparade 16. - 21. April 2012

NPO-Blogparade: Social Media für die Bürgergesellschaft | Seite 47

Natürlich unterliegen auch soziale Organisationen einem Rechtfertigungsdruck. Wer sich auf Social Media einlässt, muss auch belegen können, wofür sie gut sind. Quantitative Erfolge sind leicht zu beweisen. Qualität dagegen weniger. Welche Kriterien gibt es, auch die Qualität von Social Media-Aktivitäten zu messen bzw. sichtbar zu machen?

Steht Fürsorge der Kollaboration entgegen?

Soziale Organisationen leisten einen Dienst für Menschen. Damit sind sie in vielen Bereichen tätig, die sensible, vertrauensvolle Beziehungen erfordern. Social Media-Aktivitäten machen Organisationen transparenter. Sie bieten Einblicke in die Organisationswelt und fördern die Kollaboration. Sie machen aber auch angreifbar. Nicht nur, was ihre allgemeinen Strukturen oder Werte angeht, sondern auch, was vertrauensvolle, mitunter schweigepflichtige, fürsorgliche Beziehungen angeht.Transparenz kann Vertrauen schaffen. Ein Übermaß an Transparenz kann in zu schützenden Bereichen aber auch das genaue Gegenteil bewirken. Entsprechend ist es wichtig Social Media-Aktivitäten passgenau auszurichten und gemeinsame Regeln (Guidelines) zu finden. Wie können diese Regeln aussehen? In welchen Bereichen sind soziale Medien sinnvoll, in welchen weniger?

Spiegelt die Netz-Ausrichtung nur das wieder, was außerhalb des Netzes auch passiert?

‚Online’ und ‚Offline’ lassen sich immer weniger voneinander trennen. Beides ist Teil derselben Gesellschaft, wird von denselben Menschen gestaltet und wirkt in derselben Weise aufeinander ein. Wenn soziale Organisationen in den sozialen Medien ihre Kernkompetenzen vernachlässigen, so liegt die Vermutung nahe, dass die Ausrichtung der Organisationen auch „offline“ ähnliche Tendenzen aufweist. Die großen Themen, mit denen sich soziale Organisationen zurzeit beschäftigen, scheinen vor allem drei: Finanzen, Image und Fachkräftemangel. So ist es kaum verwunderlich, dass diese Ausrichtung auch in den Social Media-Aktivitäten deutlich wird, die vornehmlich auf Fundraising, Öffentlichkeitsarbeit oder Personalrekrutierung zielen.Wissensgenerierung, soziale/moralische Verantwortung oder politisches Engagement, so hat es den Anschein, werden von aktuellen Entwicklungen und Krisensituationen überlagert. Zumindest erscheinen sie (von außen betrachtet) nachrangig. Damit verändert sich natürlich auch der Fokus der Diskussion pro oder contra Social Media und schließlich auch der Blick auf die Aufgaben und Kompetenzen, die für eine Social Media-Nutzung als wichtig angesehen werden. Die Integration eines breit angelegten Social Media-Konzepts kann jedoch nur gelingen, wenn es auf breite Zustimmung und Mitarbeit stößt. Dafür ist es wichtig, dass jeder einzelne Akteure sowohl die Vorteile des Konzepts kennt als auch Anknüpfungspunkte hat, über die er sich mit seinen Kompetenzen einbringen kann. Sollte also – analog zur klassischen Organisationsentwicklung – auch für die Entwicklung sozialer Medien gefragt werden: Was wollen wir? Was sollen wir tun? Was können wir?

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Page 48: Social Media für die Bürgergesellschaft. Beiträge zur NPO-Blogparade 16. - 21. April 2012

NPO-Blogparade: Social Media für die Bürgergesellschaft | Seite 48

Partizipation der Akteure Sozialer Arbeit durch Web 2.0

Hans-Karl Schmitz | hans-karl-schmitz.de

Partizipation der Akteure Sozialer Arbeit durch Web 2.0 - Ein Beitrag zur Frage: „Wie können soziale Organisationen 'Social Media' nutzen?“

Es geht mir hier um die effektive Nutzung von IT im Dienst der Kooperation in der Sozialen Arbeit.

• es geht mir hier nicht allgemein um das 'soziale Netz' als Simulation des Sozialen im Virtuellen zur Kommerzialisierung derer, die sich Kunde wähnen und Produkt sind

• es geht nicht um politische Partizipation in diesem allgemeinen Sinne: Bürgerbeteiligung ergänzt / ersetzt parlamentarische Demokratie

• es geht mir hier nicht um die Partizipation der Adressaten Sozialer Arbeit durch 'neue Medien'

• es geht mir hier nicht um Sozialinformatik im Sinne von Software, die auf soziale Zwecke zugeschnitten ist

• es geht mir hier auch nicht um Öffentlichkeitsarbeit von Sozialunternehmen im Web

Ich war Teilnehmer der „2. Socialbar Köln: Politische Partizipation in digitalen Netzen“ - eine offline-Veranstaltung (am 25.11.2011 – real life, nicht virtuell). Die Selbstbeschreibung von Socialbar:

„Die Socialbar ist ein Treffen von Weltverbesserern. Web-Aktivisten, Social Entrepreneurs, NGOs, ehrenamtliche Helfer, Politiker und Unternehmen mit sozialer Verantwortung kommen bei der Socialbar zusammen, um sich kennen zu lernen, Kontakte zu knüpfen, Erfahrungen auszutauschen und Kooperationen einzugehen.“ [http://socialbar.de/wiki/Hauptseite ; rev. 21.04.2012]

Ich habe nach Berufskolleg/innen (Profession Soziale Arbeit und/oder Erziehungswissenschaften) Ausschau gehalten. Ich habe keine gefunden.

Interessenvertreter, die nicht im gesellschaftlichen Auftrag handeln, sondern Eigeninteressen verfolgen okkupieren den Kernbereich der Sozialen Arbeit. Wenn dieser dann einmal übernommen sein wird, wenn die Definitionsmacht dessen, was Soziale Arbeit ist, nicht mehr in den Händen der Profession liegt, ist es wohl zu spät.

Das Fehlen der Akteure Sozialer Arbeit macht mich wütend auf die eigene Zunft. Am liebsten würde ich losschimpfen: Ihr müsst euch beteiligen, sonst werdet ihr beteiligt: z. B. als ehrenamtliche Helfer oder 1-Euro-Kraft ohne jegliche Einflußnahme-Möglichkeiten; vielleicht bei der Tafel – im ersten Arbeitsmarkt seid ihr ja unvermittelbar, weil potenziell subversiv und kritisch. Wäre ja auch schade um

die Lebensmittel, die sonst verderben würden.

Das Thema 'Partizipation und Internet' ist in der Öffentlichkeit präsent. In der Politik entwickelt sich langsam eine Diskussion um die Veränderungen, die die seit 20 Jahren explodierende Kommunikation durch das Medium Internet auf die politische Kultur nimmt. Noch wird dieses Thema in der Öffentlichkeit hauptsächlich dem politischen Raum zugeordnet.

Aber es geht hier ja darum, die demokratischen Rollen des dritten, gemeinnützigen Sektors, speziell der Sozialen Arbeit zu thematisieren. Schließlich ist Partizipation ein zentrales Handlungsparadigma Sozialer Arbeit:

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Page 49: Social Media für die Bürgergesellschaft. Beiträge zur NPO-Blogparade 16. - 21. April 2012

NPO-Blogparade: Social Media für die Bürgergesellschaft | Seite 49

• zum Einen ist die Partizipation der Adressaten zu gewährleisten,

• zum Anderen ist die Partizipation der Profession an Sozialpolitik sicher zu stellen.

Partizipation ist kein beliebiges, austauschbares Element in der Sozialarbeit und -politik neben vielen anderen, sondern konstitutiver Bestandteil, zentrales fachliches Prinzip und handlungsanleitendes Leitbild. Die Frage der Partizipation der Adressaten soll hier nicht weiter behandelt werden. Mein Fokus liegt auf der Beteiligung der Akteure der Sozialen Arbeit:

• Partizipation am sozialpolitischen Diskurs - trotzend der Ökonomisierung im Sozialwesen,

• Partizipation an Netzwerken, bevor man kooperieren und diese Kooperationen steuern und nutzen kann,

• Partizipation der Mitarbeitenden an der Fortschreibung der sozialen Einrichtungen,

• Partizipation der Profession an der Scientific Community

• et cetera

Internet-Technik, Web 2.0 kann ein Werkzeug zur Partizipation sein. Und selbstverständlich muss Netzpolitik als Teil der Sozialpolitik betrachtet werden.

Mein Credo

Ich bin überzeugt, dass Beteiligung (Teilhabe, Partizipation) ein zentrales Ziel der Sozialen Arbeit ist und dass nicht nur die Adressaten, sondern auch die Akteure Sozialer Arbeit mangelhaft partizipieren.

Die meisten Akteure beschäftigen sich mit Finanz-Engpässen und bangen um die Zukunft ihrer Einrichtung. Adressatenbezogene Soziale Arbeit wird oft durch wirtschaftliches Handeln im sozialen Sektor ersetzt.Sie haben kaum Ressourcen, um Teil zu haben an der Gestaltung der Sozialen Arbeit: die Rückmeldung der professionellen Akteure der Sozialen Arbeit an die Steuernden.

Ich bin ebenso überzeugt, dass das Internet neue Möglichkeiten der Partizipation und Kooperation eröffnet und die Profession Soziale Arbeit sich voran schreitend und nicht hinterher hechelnd damit auseinandersetzen sollte. Schließlich ist Partizipation ihr gesellschaftlicher Auftrag, nicht nur die (Adressaten-) Partizipation mittels neuer Medien, sondern auch die eigene, professionelle Partizipation an Sozialpolitik.

Menschenwürdige Arbeitsverhältnisse und angemessene Bezahlung sind in pflegerischen und sozialen Berufen nicht selbstverständlich. Normal-Arbeitsverhältnisse sind die Ausnahme, befristete Verträge sind die Regel. Promovierte als Praktikanten sind keine exotischen Privilegierten, sondern spiegeln außerordentlich starke soziale Verwerfungen wider: Den Akteuren Sozialer Arbeit droht Armut und Verwahrlosung.

Verwahrlosung trifft nicht nur die Adressaten der Sozialen Arbeit: Der Wohlfahrtsstaat selbst verwahrlost.

Diese Verwahrlosung “… geht Hand in Hand mit dem Siegeszug der sozialen Netze, die das Soziale nur simulieren ….“ (CT 08-2012 : S. 47) und kommerzialisieren. Ich widerspreche hier also Meinungsträgern, die naiv 'social media' für etwas (normativ) Soziales halten. Was wir brauchen sind politisch konzipierte Gegenentwürfe – und keine Produkte kleiner Startups, die sich für Kapitalgeber aufhübschen oder Global Player, die unsere Ressourcen ausbluten [vergl. ebenda].

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Page 50: Social Media für die Bürgergesellschaft. Beiträge zur NPO-Blogparade 16. - 21. April 2012

NPO-Blogparade: Social Media für die Bürgergesellschaft | Seite 50

Zum einen haben sich im Feld der Sozialen Arbeit Informationstechnologien breit gemacht (beispielsweise ist E-Mail nicht mehr weg zu denken im Praxisvollzug), zum anderen existieren kritische bis ablehnende Haltungen gegenüber der Ideenlandschaft der Bürokraten und Verwaltungsfachleute a la „gute Software macht gute Soziale Arbeit“ – und das meines Erachtens völlig zu Recht.

Lösungen

Wie gestalten wir also die Einrichtungen des Sozialwesens so, dass in ihr und mittels IT mündige Akteure agieren können?

Natürlich braucht es Qualifizierung; so etwas wie Führerscheine im Umgang mit sozialen Medien, im Umgang mit neuen Medien in der persönlichen Lern- und Arbeitsumgebung (PLE), im Umgang mit Datenschutz und Persönlichkeitsrechten angesichts der Neuerungen durch neue Medien.

Es gibt spannende Initiativen, wie Open-Source, one laptop per child, Open Educational Ressources, Eduhacking [1], Open Access, etc., in denen die Soziale Arbeit noch nicht ausreichend präsent ist – und das in ihrem originären Feld: Bildung, Erziehung, Partizipation.

Sich als Produzent und nicht Rezipient von Software zu verstehen, hat kaum nennenswerten Einzug in die Soziale Arbeit genommen. Dabei wäre es recht einfach zu realisieren, zur Verfügung stehendes Geld für EDV in die der Sozialen Arbeit dienlichen Weiterentwicklung von Open-Source-Software zu stecken, statt proprietäre Quasi-Standards zu bedienen und knappe Ressourcen an Software- und Betriebssystemlizenzen zu verschleudern.

• Die Stadt München arbeitet seit Jahren mit Open-Source-Software und rechnet Einsparungen in Millionenhöhe vor (vergl. http://www.heise.de/open/meldung/LiMux-Billiger-und-robuster-als-Windows-1485410.html).

• Programmierer sind sicherlich bereit, sich dafür bezahlen zu lassen, Open-Source-Software weiter zu entwickeln und auf die Bedürfnisse eines Trägers der Sozialen Arbeit zuzuschneiden – zum Nutzen aller Träger.

Das Internet kann als Plattform dienen,

• um den räumlich-körperlichen Zusammenschluss kritischer Sozialarbeiter/innen virtuell zu ergänzen [vergl. Lothar Böhnisch in SozialExtra Jan. und Feb. 2012 : S. 47] und die Initiativen zu vernetzen

• zur Effizienzsteigerung: profitmaximierende Unternehmen haben längst entdeckt, dass IT die interne, unternehmensübergreifende und interprofessionelle Kooperation effizienter macht

Die Hochschulen können – auch mittels IT – einen Beitrag leisten

• zur Vermittlung und Vernetzung von Zusammenschlüssen kritischer Sozialarbeiter/innen

• als regionale Drehscheibe sozialpolitischer Einmischung

• als Ort der Lehre von den Strategien der Einmischung und der Öffentlichkeitsherstellung – mittels Open Access

[vergl. ebenda]

Eben Moglen, Free Software Foundation, schlägt einen eigenen Server für jeden Haushalt vor – ich schlage das für Träger und Mitarbeitende in Sozialer Arbeit vor. So kann den Online-Unternehmen die Verfügungsgewalt über die Daten genommen und den Nutzern das soziale Netzwerk in die eigenen Hände gelegt werden – für die Kooperation der Akteure Sozialer Arbeit ist das unbedingt notwendig:

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Page 51: Social Media für die Bürgergesellschaft. Beiträge zur NPO-Blogparade 16. - 21. April 2012

NPO-Blogparade: Social Media für die Bürgergesellschaft | Seite 51

• Soziale Arbeit ist eine wissensintensive Tätigkeit – und mit eigenem Server ist der

Wissensarbeiter im Besitz der Produktionsmittel

• Widerstand von unten gegen das Stahlgehäuse der Bürokratie in Wohlfahrtsorganisationen ist

möglich – gemeinsam und vernetzt

• Das Internet war immer schon ein dezentrales Netz und darf nicht zum Distributionskanal der

Herrschenden verkommen

• #npoblogparade zum Thema „Social Media für die Bürgergesellschaft“

• Trackback: http://www.cccdeutschland.org/de/trackback/619

Die Kommentare zu diesem Beitrag sind hier zu finden:

bueroblog-von-hans-karl-schmitz.posterous.com

[1] Eduhacking heißt, Software innovativ und subversiv zu missbrauchen zu edukativen Zwecken. Hacken wird hier verstanden als der kreative Umgang mit einem Service oder System, um Produkte zu erstellen, für die der Service/das System nicht zur Verfügung gestellt wurde.

Kirche, Social Media und die Zivilgesellschaft

Simon Wiggen | gemeindemenschen.de

Dieser Artikel ist ein Beitrag zur aktuellen Blogparade Social Media für die Bürgergesellschaft. In Ihrem Aufruf zur Teilnahme fragen die Initiatoren des CCCD (Centrum für Corporate Citizenship Deutschland): “Wie steht es um die Nutzung von Social Media in gemeinnützigen Organisationen?” Die Blogparade wird im Rahmen des Projekts „Social Media für die Bürgergesellschaft“ von der Robert Bosch Stiftung gefördert.

Jeder fünfte Ehrenamtliche in Deutschland ist in der Kirche aktiv (allein in der EKD sind es mehr als eine Million). Diese Ehrenamtlichen gestalten mit ihrem Engagement in vielen Bereichen die Gesellschaft mit, sei es in der Jugend- und Seniorenarbeit einer Kirchengemeinde, im Kirchen- oder Posaunenchor (Kultur) oder in der Arbeit mit Migranten oder Behinderten. Die Kirche ist damit ein Akteur neben anderen in der Bürgergesellschaft (Zivilgesellschaft), die sich als demokratische Gesellschaftsform versteht und durch die aktive Teilnahme und das Engagement ihrer Mitglieder am öffentlichen Leben gestaltet und weiterentwickelt wird.

Gehör verschaffen mit Social Media

Wichtig ist es daher, dass sich die Kirche und ihre Ehrenamtlichen als wesentlicher Bestandteil der Bürgergesellschaft Gehör verschaffen. Nicht nur bundesweit durch Funktionsträger, sondern gerade vor Ort in den Stadtteilen. Eine wirksame Rolle dabei können die sogenannten Sozialen Medien im Internet spielen, wie zum Beispiel Facebook, Google+, Twitter oder Youtube. Sie spiegeln die realen Vernetzungen im virtuellen Raum wider.

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Page 52: Social Media für die Bürgergesellschaft. Beiträge zur NPO-Blogparade 16. - 21. April 2012

NPO-Blogparade: Social Media für die Bürgergesellschaft | Seite 52

Denn im Prinzip ist jeder Ehrenamtliche einer Kirchengemeinde auch ein Öffentlichkeitsarbeiter. Sie sind beruflich und privat Multiplikatoren für die Kirchengemeinde und ihre Werte. Eine iSPO-Studie unter evangelischen Ehrenamtlichen im Saarland hat vorgerechnet, dass die 5000 evangelischen Ehrenamtlichen im Saarland rund 250.000 Menschen erreichen können, wenn sie Kontakt zu etwa 50 Personen haben und (nebenbei) positiv von ihrer Arbeit als Ehrenamtliche erzählen.

Ehrenamtliche sind Schlüsselpersonen der Öffentlichkeitsarbeit

Verbunden mit Social Media wird der Status der Ehrenamtlichen als Öffentlichkeitsarbeiter noch größer. Ein Bild vom Gemeindefest ist schnell bei Facebook oder Twitter veröffentlicht, ein Video vom Posaunenchorkonzert ganz einfach bei Youtube hochgeladen. Über die „Gefällt mir“- und „Mit anderen teilen“-Funktionen verbreiten sich die Inhalte schnell und erreichen innerhalb kurzer Zeit viele andere Nutzer. Darunter nicht nur gleichgesinnte Gemeindemitglieder, sondern auch die Freunde und Bekannten aus Sportverein, Schule oder Büro. Einfacher kommt eine Kirchengemeinde nicht an so eine große Reichweite.

Dieses Potenzial entdecken immer mehr Kirchengemeinden und diakonische Einrichtungen. In den vergangenen Jahren erstellen immer mehr Gemeinden Facebook- und Twitter-Konten und sind dort mehr oder weniger aktiv. Leider halten viele ihre anfängliche Aktivität nicht durch und die Auftritte werden unattraktiver. Dabei wären Social Media für Kirche und ihre Ehrenamtlichen ein guter Weg, sich zu präsentieren und in die Bürgergesellschaft einzubringen.

Der Einsatz von Social Media im Abstimmungskampf – Beobachtungen aus St. Gallen

Hans-Dieter Zimmermann | esociety.net

Am vergangenen Sonntag hat die Bürgerschaft der Stadt St. Gallen über das Projekt zur Neugestaltung von Marktplatz, Bohl und Blumenmarkt abgestimmt. Bei einer Beteiligung von 46.8 % der Stimmberechtigten wurde die städtische Vorlage mit 11177 zu 9785 Stimmen abgelehnt.

Gemäss TAGBLATT hat es einen heftigen Abstimmungskampf gegeben.

Gegenwärtig wird allenthalben eine verstärkte Bürgerbeteiligung in politischen Prozessen gefordert. Als Mittel dazu werden vor allem die Werkzeuge der Social Media als geeignet angesehen, also Facebook, Twitter und Co. In diesem Kontext wird auch von ePartizipation (eParticipation) gesprochen.

In den letzten beiden Wochen vor der Abstimmung haben wir den Abstimmungskampf in den Online- und Social Media beobachtet. Nachdem die Marktplatzgestaltung etwas sehr Greifbares für jeden stagller Bürger ist, lag die Vermutung nahe, dass die durchaus intensive Auseinandersetzung zwischen Befürwortern und Gegnern sich auch Online reflektiert.

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Page 53: Social Media für die Bürgergesellschaft. Beiträge zur NPO-Blogparade 16. - 21. April 2012

NPO-Blogparade: Social Media für die Bürgergesellschaft | Seite 53

Wie waren also Befürworter und Gegner der Vorlage Online aktiv?

Die Stadt St. Gallen hat auf der Website www.marktplatz.stadt.sg.ch offiziell über das Vorhaben informiert. Im Zentrum der Seite steht eine grafische Animation der Planung, auf der rechten Seite wird zu den Planungsunterlagen verlinkt. Weitere Links sind hier nicht anzutreffen.

Auf der städtischen Bürgerplattform MySG.ch wurde ebenfalls auf der Seite ‚Aktuell‘ über die Vorlage informiert.

Neben den offiziellen Informationen der Stadt wird hier aber auch auf weitere Onlinequellen verwiesen.

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www.marktplatz.stadt.sg.ch, 15. Mai 2011

Page 54: Social Media für die Bürgergesellschaft. Beiträge zur NPO-Blogparade 16. - 21. April 2012

NPO-Blogparade: Social Media für die Bürgergesellschaft | Seite 54

Im Diskussionsforum auf MySG.ch gibt es eine entsprechende Diskussion. Der erste Beitrag wurde am 14. April 2011 erfasst. Insgesamt wurden bis zum 14. Mai 2011 elf Beiträge erfasst, die ca. 1500 Mal abgerufen wurden.

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MySG – Aktuell (15. Mai 2011)

Page 55: Social Media für die Bürgergesellschaft. Beiträge zur NPO-Blogparade 16. - 21. April 2012

NPO-Blogparade: Social Media für die Bürgergesellschaft | Seite 55

Die folgende Grafik zeigt die Verteilung der Beiträge über die Zeit vom 14.4. bis 14.5.2011:

Das Komitee vernünftiger Marktplatz St. Gallen dokumentiert auf der Website www.wlc.ch diverse Informationen und Argumente gegen die städtische Vorlage. Das Motto „We love Caltrava“ ist auch Namensgeber der Website. Man findet auf der Site Texte, Grafiken, pdf-Dateien und Videos. Die Website besteht aus einer einzigen Seite, die sich über zig Bildschirmseiten erstreckt. Dazu gibt es Hinweise auf die entsprechenden Gruppen auf Facebook.

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MySG Forum (15. Mai 2011)

Page 56: Social Media für die Bürgergesellschaft. Beiträge zur NPO-Blogparade 16. - 21. April 2012

NPO-Blogparade: Social Media für die Bürgergesellschaft | Seite 56

Die Facebook Gruppe Calatrava-Halle St. Gallen muss bleiben & mehr Bäume auf den Marktplatz! wurde gegründet von Marcus D. Waltenberg. Der erste Eintrag datiert bereits vom 16. Januar 2009. Am 16. Mai 2011 hatte die Gruppe 2464 Mitglieder. Die Beiträge auf der Wall stammen zum überwiegenden Teil vom Gründer der Gruppe.

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www.wlc.ch (16. Mai 2011)

Page 57: Social Media für die Bürgergesellschaft. Beiträge zur NPO-Blogparade 16. - 21. April 2012

NPO-Blogparade: Social Media für die Bürgergesellschaft | Seite 57

Die meisten Beiträge bestehen aus Links auf andere Medien, die zum Teil kommentiert werden. ‚Likes‘ oder Kommentare von Nutzern gibt es nur sehr selten.

Interessant zu beobachten ist der Rückgang der Mitglieder der Gruppe in den letzten zwei Wochen vor der Abstimmung:

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(15. Mai 2011)

Page 58: Social Media für die Bürgergesellschaft. Beiträge zur NPO-Blogparade 16. - 21. April 2012

NPO-Blogparade: Social Media für die Bürgergesellschaft | Seite 58

Die Facebook Gruppe Kein Ground Zero in St. Gallen: Calatrava muss bleiben wurde gegründet von Hans Peter Oberle. Der erste Eintrag datiert vom 17. Jan. 2009. Die Gruppe hatte am 16. Mai 2011 639 Mitglieder.

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Page 59: Social Media für die Bürgergesellschaft. Beiträge zur NPO-Blogparade 16. - 21. April 2012

NPO-Blogparade: Social Media für die Bürgergesellschaft | Seite 59

Auf Twitter war die Diskussion um #MarktplatzSG kaum wahrnehmbar. Kaum ein Dutzend Tweets waren im Zeitraum 1. bis 14. Mai, also in der eigentlich heißen Phase des Abstimmungskampfes, zu registrieren. Vor allem die Stadt St. Gallen (@sanktgallen) hat via Twitter über die Abstimmung informiert (z.B. hier, hier, hier, hier).

Und auch das Abstimmungsergebnis wurde mit einem Tweet bekanntgegeben.

Und auf dem Stadtratblog finden wir genau einen Eintrag zur Abstimmung, und zwar vom 31. März 2011.

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(15. Mai 2011)

Page 60: Social Media für die Bürgergesellschaft. Beiträge zur NPO-Blogparade 16. - 21. April 2012

NPO-Blogparade: Social Media für die Bürgergesellschaft | Seite 60

Fazit

Eine intensive Diskussion in den Online- bzw. Social Media war in den zwei Wochen vor der Abstimmung kaum wahrnehmbar.

Auf MySG.ch wurden in vier Wochen lediglich elf Beiträge verfasst, die ca. 1500 Mal abgerufen wurden. Und es ist auch keine Intensivierung der Diskussion kurz vor der Abstimmung festzustellen, eher eine rückläufige Entwicklung. Dies wäre bei einem „heftigen Abstimmungskampf“ aber durchaus zu erwarten gewesen.

Die beiden Facebook Gruppen zeigen, dass sich die Gegner bereits früh formiert haben und bereits 16 Monate vor der Abstimmung via Facebook aktiv wurden. Allerdings ist festzustellen, dass in beiden Facebook Gruppen vor allem die Gründer der jeweiligen Gruppen Beiträge verfasst bzw. andere Quellen verlinkt haben, eine intensive Diskussion ist auch hier nicht zu erkennen. Auffällig ist, dass in einer der beiden Gruppen in den zwei Wochen vor der Abstimmung die Zahl der Mitglieder sogar zurück ging.

Auch via Twitter bzw. dem Stadtratblog fand faktisch keine Diskussion oder Meinungsäusserung statt. Insbesondere der Blog des Stadtrates wurde schlichtweg nicht für die Kommunikation genutzt: Ein einziger Beitrag zum Thema, dazu bereits Ende März verfasst.

Wie sind diese Wahrnehmungen zu interpretieren? Sicherlich fand zumindest in den Online- und Social Media keine intensive Debatte statt. Über die Gründe lässt sich nur spekulieren. Möglicherweise haben sich die Stimmbürger bereits frühzeitig festgelegt und waren an einer Auseinandersetzung nicht interessiert. Oder fand die Auseinandersetzung doch maßgeblich Offline statt? Oder informieren sich die Bürger möglicherweise gern Online, aber sind nicht an einer Diskussion interessiert? Oder sind gar die Social Media (noch) nicht das Mittel, um die Bürger zur Diskussion über eine Abstimmung zu motivieren?

Es wäre sicher spannend, diesen Fragen einmal intensiver auf den Grund zu gehen.

Social Media für die Bürgergesellschaft am Beispiel der Arbeiterwohlfahrt (AWO)

Stefan Zollondz | net-pilots.de

Dieser Beitrag erscheint im Rahmen der vom Centrum für Corporate Citizenship Deutschland (CCCD) organisierten Blogparade zum Thema “Social Media für die Bürgergesellschaft”.

Bereits im November vergangenen Jahres habe ich mich hier im Blog mit der Frage beschäftigt “Wie steht es um das Engagement der Wohlfahrtsverbände im Bereich Social Media?”Damals – und das ist ja noch gar nicht lange her – habe ich festgestellt, dass ein breites Interesse der Arbeiterwohlfahrt (AWO) am Thema Social Media aus meiner persönlichen Sicht nicht zu erkennen ist. Natürlich ist der Bundesverband auch in Facebook vertreten, Kreisverbände oder gar einzelne Einrichtungen waren aber praktisch nicht vertreten oder nicht zu finden. Bezogen auf den Kreisverband Bielefeld habe ich als Hindernisse die fehlende Personalkapazität benannt und auch eine Skepsis (vielleicht gerade von Sozialarbeitern und Sozialpädagogen?) im Umgang mit Sozialen Netzwerken, Datenschutz und Auftreten in der Öffentlichkeit.

Anfang dieses Jahres hat überraschenderweise ein Umdenken begonnen. Und das auf eine Weise, die vielleicht für die AWO typisch, auf jeden Fall aber bemerkenswert ist.

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Page 61: Social Media für die Bürgergesellschaft. Beiträge zur NPO-Blogparade 16. - 21. April 2012

NPO-Blogparade: Social Media für die Bürgergesellschaft | Seite 61

Innerhalb eines Kreisverbandes in Ostwestfalen-Lippe gibt es eine Mitarbeiterin, die privat bei Facebook ganz aktiv ist und sich überlegt hat, dass ein Facebook-Auftritt eine gute Methode wäre, um die Aktivitäten der Ortsvereine darzustellen. Dazu ist anzumerken, dass das Durchschnittsalter der meisten Ortsvereine sich an der Grenze zum Renteneintrittsalter bewegt. Mit dieser Idee hat sich die Mitarbeiterin an den Bezirksverband gewandt, der daraufhin die anderen Kreisverbände eingeladen hat, bei einer Präsentation die Möglichkeiten auszuloten, die Facebook einem Wohlfahrtsverband bietet.Bei dieser Präsentation handelte es sich um eine Schritt-für-Schritt-Anleitung, wie ich mich bei Facebook anmelde und eine persönliche Seite (am Beispiel eines Ortsvereins) erstelle.

Mit dieser Idee, die sehr engagiert vorgetragen wurde, kamen unsere Vorgesetzten sehr angetan zurück. Zeitnah wurde überlegt, wie eine Umsetzung aussehen könnte, ob für den gesamten Kreisverband oder für einzelne Einrichtungen und auf diesem Weg die Angebote des Verbandes gut präsentiert werden könnten. An dieser Stelle wurde ich einerseits in meiner Rolle als Mitarbeiter hinzugezogen und andererseits auch, weil ich seit mehreren Jahren freiberuflich im Bereich Internet, Webseiten-Erstellung und auch Social-Media tätig bin.

Um mir einen Überblick zu verschaffen, habe ich auf Facebook nach Angeboten der AWO gesucht.

Nach Sichtung verschiedener AWO-Facebookprofile war ich allerdings erst mal ernüchtert. Praktisch kaum eine Seite hält sich an die in Deutschland geltenden Rechtsvorschriften. Beispielsweise findet sich kein Impressum und nahezu alle Seiten sind als persönliche Profile angelegt. Wenn ich die Facebook-Richtlinien richtig verstanden habe, müssen sich Organisationen und Firmen als Fanpages darstellen. Abgesehen davon wirkt es merkwürdig, wenn der AWO-Bundesverband ein Geburtsdatum angibt und sich dabei auf das Gründungsdatum der AWO bezieht oder der AWO Ortsverein Versmold “hat bei AWO gearbeitet” und “wohnt in Versmold”, oder der AWO Kreisverband in Norden “arbeitet bei Kreisvorsitzende Frau X, Geschäftsführer Herr Y” und “ist in einer Beziehung”. Aha!? Da stellt sich der geneigte Leser doch schnell die Frage, wer denn hier mit wem in einer Beziehung ist…

Mit diesen Beispielen möchte ich deutlich machen, dass eine Facebook-Seite für einen Verband nicht mal eben so schnell angelegt ist, wie ein persönliches Profil.

Weiter geht es mit den Persönlichkeits- und Urheberrechten. Im Qualitätsmanagement der AWO ist festgeschrieben, dass Personen nicht ohne ihre schriftliche Einwilligung auf Fotos für die Außendarstellung veröffentlicht werden dürfen. Natürlich werden bei Facebook schnell ein paar Schnappschüsse eines Akkordeonspielers eingestellt. Es ist ja auch Sinn und Zweck eines sozialen Netzwerks, Erfahrungen und schöne Momente mit seinen Freunden zu teilen. Gleichzeitig fällt es aber schwer mit einer schriftlichen Erklärung auf der Veranstaltung unterwegs zu sein und jemandem, der gar keinen Computer besitzt zu erklären, dass er auf Facebook erscheinen und bitte seine Einverständniserklärung dazu abgeben soll.

Und noch ein letztes Beispiel: Das Thema Social Media Policy ist ebenfalls weitgehend unbekannt. Während andere Wohlfahrtsverbände ihre Social Media Policies bereits veröffentlicht haben, besteht hier noch der Erklärungsbedarf wofür und warum.

Die allgemeine Denkweise geht im Moment noch in die strategische Richtung “One-to-Many”. Wer kann die Aufgabe der Social-Media-Betreuung übernehmen und was kann sie/er da reinschreiben?Erst wenn eine breite Mitarbeiter-Beteiligung in Betracht gezogen wird, hin zu einer “Many-to-Many-Strategie”, wird Social Media funktionieren und es zu einem für beide Seiten fruchtbaren Dialog kommen.

Meine auszugsweise und natürlich subjektive Wahrnehmung des aktuellen Standes zusammengefasst:

• Es finden viele engagierte Einzelprojekte statt, die oft hausgemacht und laienhaft wirken und damit den Verband an sich nicht angemessen repräsentieren.

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Page 62: Social Media für die Bürgergesellschaft. Beiträge zur NPO-Blogparade 16. - 21. April 2012

NPO-Blogparade: Social Media für die Bürgergesellschaft | Seite 62

• Ein niedrigschwelliger Aufritt baut mögliche Kontaktängste ab, trägt aber auch zu einem unprofessionellen Erscheinungsbild bei.

• Rechtliche Unwissenheit könnte kostspielige Abmahnungen nach sich ziehen.

Wie kann die Social Media-Nutzung in Organisationsstrukturen verankert werden?

Aus meiner Sicht sollte sich der AWO-Bundesverband grundlegend mit dem Thema Social Media beschäftigen und ein Konzept entwickeln, dass sich auch auf die unterstellten Gliederungen der Landes-, Bezirks-, Kreis- und Ortsverbände übertragen lässt und im Qualitätsmanagement implementiert wird.Ein Social-Media-Beauftragter könnte als Ansprechpartner zur Verfügung stehen, rechtliche Rahmenfragen klären, eine Social-Media-Policy entwickeln, Vorschläge für ein einheitliches, wiedererkennbares Erscheinungsbild einbringen und Handlungsanweisungen geben, die in den entsprechenden Organisationen und Einrichtungen leicht umgesetzt werden können.Bei Bedarf, gerade auch in Hinblick auf kurzfristige Veränderungen, können Schulungen und Fortbildungen vor Ort angeboten werden.

Wie könnte das Netz bürgerschaftlicher gestaltet werden?

Funktioniert ein so aufgebautes Soziales Netzwerk innerhalb der Organisation mithilfe der aktiven Beteiligung von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, können in einem zweiten Schritt freiwillig Engagierte angesprochen werden. Die Online-Freiwilligenarbeit bietet Menschen aller Altersgruppen eine flexible Möglichkeit, sich zu engagieren, ihre Kompetenzen einzubringen und die verschiedensten Menschen zu erreichen.Neben dem klassischen Ehrenamt bestände so die Möglichkeit, verkrustetes Denken aufzubrechen, über den Tellerrand zu schauen, neue Angebote zu entwickeln und damit neue Zielgruppen zu erreichen.

Wie kann man Online- und Offline-Strategien gut miteinander verbinden?

In erster Linie muss ein permanentes Bewusstsein für das Online-Angebot vorhanden sein. Für Besucher und Mitarbeiter muss es ein lohnenswertes Ziel sein, über ihre Aktivitäten auch online zu berichten. Eine Erwähnung, beispielsweise der Facebook-Seite, auf Print-Medien oder Plakaten innerhalb der Organisation führt zu Aufmerksamkeit und Präsenz.Im Rahmen des Bundesmodellprojekts Mehrgenerationenhäuser haben sich auch die öffentlich zugänglichen Internetterminals bewährt. Dort kann die eigene Seite des Hauses besucht werden und auch die Nutzung der Social-Media-Angebote ist möglich.

Dabei wird es immer drei Gruppen von Aktiven, sowohl unter den Besuchern, als auch unter den Mitarbeitern geben:

1. Die rein Offline-Aktiven

2. Die sowohl On- und Offline-Aktiven

3. Die rein Online-Aktiven

Den On- und Offline-Aktiven wird dabei die entscheidende Rolle der Vermittler zukommen. Sie können zwischen beiden Welten aktiv sein und als authentische Vertreter die Offline-Aktiven über die Online-Aktivitäten informieren und den rein Online-Aktiven die Offline-Angebote näher bringen.

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Page 63: Social Media für die Bürgergesellschaft. Beiträge zur NPO-Blogparade 16. - 21. April 2012

NPO-Blogparade: Social Media für die Bürgergesellschaft | Seite 63

Mittelfristig werden sich die Grenzen zwischen den beiden Formen des Engagements dadurch auflösen.

Wo liegen die Grenzen des Webs für die Bürgergesellschaft?

An manchen Stellen wird über das virtuelle Begegnungszentrum diskutiert, einen rein virtuellen Ort der Begegnung.In dieser reinen Form wird ein solches Angebot die heute bestehenden realen Begegnungszentren und Treffpunkte vor Ort nicht ersetzen können. Bis zu einem gewissen Grad wird es möglich sein, Kontakte über das Internet zu knüpfen und sich zu engagieren. Letztendlich braucht aber auch ein solches Engagement einen realen Ort, an dem sich Menschen von Angesicht zu Angesicht begegnen können.In Zeiten knapper öffentlicher Mittel wird der Ruf immer lauter, an den präventiven Angeboten, wie Begegnungszentren und Treffpunkten im Stadtteil, zu sparen.Die mögliche Schließung solcher Einrichtungen kann nicht der richtige Weg sein. Vielmehr gilt es, die heutigen Angebote weiter zu entwickeln.Ein bemerkenswerter Ansatz in dieser Richtung ist das Generationenhaus Möhringen in Stuttgart, ein Netzwerk aus Möhringer Bürgerinnen und Bürgern, Sozialeinrichtungen, Schulen, Vereinen und dem Möhringer Bezirksamt. Ziel des Hauses, das kein Gebäude aus Stein ist, ist ein neues Miteinander zwischen den Generationen durch reale Begegnungen und konkrete Projekte zu schaffen.Hier lohnt ein genauerer Blick, denn ein solches Modell könnte Zukunft haben.

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NPO-Blogparade: Social Media für die Bürgergesellschaft | Seite 64

Social Media für die Bürgergesellschaft: Dokumentation der Podiumsdiskussionen und Werkstattgespräche des CCCD

Im Rahmen des Projekts „Social Media für die Bürgergesellschaft“, das von der Robert Bosch Stiftung gefördert wird, hat sich das CCCD zur Aufgabe gemacht, die Erkenntnisse der Untersuchung „Internet und digitale Bürgergesellschaft“ mit Akteuren der Bürgergesellschaft zu teilen und zu diskutieren, um das Bewusstsein in der Zivilgesellschaft für die Möglichkeiten, die Soziale Medien für Bürgergesellschaft und Beteiligungskultur bieten, zu schärfen; aber auch, um die Herausforderungen, die mit dem Internet verbunden sind, zu benennen und weitere relevante Fragestellungen zu identifizieren sowie Wissen zu bündeln. Serge Embacher, Alexandra Härtel und Sophie Scholz berichten in den folgenden Artikeln über die Ergebnisse der Podiumsdiskussionen und der Werkstattgespräche, die das CCCD in Kooperation mit regionalen Partnern zwischen November 2011 und April 2012 in Hamburg, Bonn, Stuttgart, Leipzig und Halle veranstaltet hat.

Podiumsdiskussionen „Internet und digitale Bürgergesellschaft – neue Chancen für Beteiligung“

Serge Embacher | cccdeutschland.org

Hamburg, 10. November 2011

Teilnehmende:

Volker Gaßner, Presse, Recherche und Neue Medien, Greenpeace Deutschland

Serge Embacher, Politikwissenschaftler und Publizist

Alexandra Härtel, wissenschaftliche Referentin, CCCD

Moderation: Dr. Michael Bürsch, CCCD

In der CCCD-Studie unter dem Titel "Internet und Digitale Bürgergesellschaft - Neue Chancen für Beteiligung" wird dargestellt, wie engagierte Bürger/innen und organisierte Akteure der Zivilgesellschaft in Deutschland aktuell das Social Web für ihre Zwecke nutzen und welche neuen Chancen Soziale Medien für bürgerschaftliches Engagement und Beteiligung bieten.Mit diesem Thema befasste sich am 10. November 2011 eine Diskussionsrunde in Hamburg, zu der das CCCD – Centrum für Corporate Citizenship Deutschland in Kooperation mit der Behörde für Arbeit, Soziales, Familie, Integration Hamburg eingeladen hatte. Zu Gast waren Akteure gemeinnütziger Organisationen und aus der Hamburger Verwaltung sowie Multiplikatoren der regionalen Bürgergesellschaft.

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NPO-Blogparade: Social Media für die Bürgergesellschaft | Seite 65

Strukturelle Analogien zwischen Social Web und Bürgergesellschaft

Zum Auftakt hob Serge Embacher – Co-Autor der CCCD-Studie – die strukturellen Analogien zwischen Sozialen Medien und den neueren Entwicklungen der Bürgergesellschaft und des bürgerschaftlichen Engagements in Deutschland hervor. Die aktuellen Tendenzen weg vom klassischen Ehrenamt hin zum projektförmigen Engagement, zur Verstärkung der politischen Dimension des Engagements und zu stärker nutzenorientierten Motivationslagen bei den Engagierten rücken Partizipation als Schlüsselbegriff in den Mittelpunkt der Engagementdebatte. „Wer anpackt, will auch mitbestimmen“, könnte man das neue Credo des Engagements betiteln. Mitbestimmung und Partizipation bedeuten Anerkennung von Zugehörigkeiten und Verschiedenheit, verlangen verbindliche Regeln, Rechte und Verfahren, brauchen sichtbare Folgen des Engagements in der „realen“ Welt. Das neue, beteiligungsorientierte Engagement unserer Tage ist – und das geht als zentrale Erkenntnis aus der CCCD-Studie hervor – mit den Bedingungen und Strukturen von Social Media „wesensverwandt“. In Sozialen Medien wie Plattformen, Blogs, Wikis und Foren geht es um Zugehörigkeit, Heterogenität und Vielfältigkeit genauso wie um Regeln und Verfahrensweisen. Außerdem ist auch Online-Kommunikation letztlich nur sinnvoll, wenn sie in der Offline-Welt Wirkungen zeitigt. Wenn diese strukturellen Analogien von bürgerschaftlichem Engagement und Social Media plausibel sind, dann liegt es fast schon auf der Hand darüber nachzudenken, wie man Social Media für partizipativ orientierte Engagementprozesse einsetzen kann.

Was sind und wie funktionieren Social Media?

Alexandra Härtel beschrieb anschließend das Social Web als einen neuen sozialen Kommunikationsraum, der von Social Media geprägt ist. Social Media sind webbasierte technische Anwendungen, die neue soziale Beziehungen ermöglichen. Netzwerkplattformen (wie Facebook), Multimediaplattformen wie YouTube, Blogs oder Mikro-Blogs, Kollaborationsplattformen (wie Wikipedia) oder auch Anwendungen für Informationsmanagement (wie Delicious) verkörpern Formen von Social Media, die sich in letzten Jahren entwickelt haben und die sich für Aktionen und Projekte aller Art, Fundraising usw. nutzen lassen. Soziale Medien ermöglichen vor allem neue Wege der Selbstorganisation, was das Vernetzungspotenzial zivilgesellschaftlicher Organisationen erweitert oder erweitern kann. Sie können dabei helfen, die Aktivitäten einer Organisation auszuweiten und bekannter zu machen, die Selbstorganisationsfähigkeit von Menschen zu stärken und Freiwilligenmanagement zeitgemäß zu professionalisieren, das heißt vor allem dem Mediengebrauch junger Menschen anzupassen.

Greenaction.de als Beispiel

Volker Gaßner, Teamleiter Presse, Recherche und Neue Medien bei Greenpeace Deutschland, übernahm daraufhin den Part, die Plattform Greenaction.de vorzustellen. Zum Hintergrund: Greenpeace hat immer schon sehr stark vom ehrenamtlichen Engagement profitiert. Ohne freiwillige Helfer und Aktivisten wären die spezifischen Aktionsformen von Greenpeace nicht denkbar. Die Kommunikation der professionell organisierten und aus Spenden finanzierten „Zentrale“ mit den Ehrenamtlichen hatte daher immer schon eine wichtige Bedeutung. 1996 wurde die Internet-Plattform Gaja entwickelt, um die Kommunikation mit den Ehrenamtlichen und damit auch das Freiwilligenmanagement zu verbessern. Diese Plattform wurde sukzessive so weiterentwickelt, dass die Ehrenamtlichen auch untereinander in Austausch treten konnten. Der im Gegensatz zum „Web 1.0“ für das Social Web typische Kommunikationsmodus „Many to many“ war damit etabliert, woraus sich die Kampagnenplattform Greenaction in ihrer heutigen Form entwickeln ließ.

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Auf Greenaction.de kann sich jeder beteiligen und in jeder Stadt in Deutschland eine Kampagne zu jedem ökologischen Thema (Müll, Wald, Tierschutz usw.) platzieren. Damit die Plattform nicht von Macht- oder Wirtschaftsinteressen „okkupiert“ werden kann, haben Unternehmen und Parteien keinen Zugang. Die Plattform ist so konzipiert, dass immer die Sache, d. h. das Ziel der jeweiligen Kampagne, im Mittelpunkt steht. Auf diese Weise ist sichergestellt, dass nicht einzelne Organisation mit ihrem Logo Kampagnen für sich in Anspruch nehmen können. Auch Greenpeace selbst hält sich auf Greenaction.de im Hintergrund, damit sich tatsächlich jeder (einzelne Engagierte und gemeinnützige Organisationen) beteiligen kann. So würde sich etwa der World Wildlife Fund (WWF) nicht ohne weiteres an einer Greenpeace-Kampagne beteiligen, wohl aber an Aktionen auf Greenaction.de.

In der Organisationsstruktur von Greenpeace Deutschland kümmert sich eine Person hauptamtlich nur um Greenaction.de. In Anlehnung an den Begriff des Audit gibt es ein so genanntes Greenit zur Bewertung der einzelnen Kampagnen. Greenaction.de ein Teil von Greenpeace, der es sich auf die Fahnen geschrieben hat, ansonsten heterogen und verstreut agierende Umwelt-Engagierte zu „poolen“, so dass man sich für Natur- und Umweltschutz engagieren kann, ohne auf eine Organisation festgelegt zu sein. Bislang wurden etwa 1200 Kampagnen über Greenaction.de organisiert. Greenpeace will mit Greenaction.de zeigen, dass man eine offene Organisation mit echtem Interesse am Dialog ist. Außerdem wirkt Greenaction.de wie eine Ideenschmiede und eröffnet für Greenpeace Möglichkeiten, neue Engagierte für die eigene Organisation zu gewinnen. Alle diese Ziele lassen sich aber nur mit einem professionellen Community-Management und festgelegten Regeln erreichen.

Erfahrungen mit Social Media aus der öffentlichen Verwaltung

Die Diskussion mit dem durchweg gut informierten Publikum drehte sich vor allem um den Austausch von Erfahrungen und die Erörterung von offenen Fragen im Zusammenhang mit Social Media und Bürgergesellschaft. So berichtete etwa eine Vertreterin der Bücherhallen Hamburg, dass es dort schon lange eine internetbasierte Informationsplattform gebe, die von vielen Ehrenamtlichen genutzt werde. Über den Einsatz von Social-Media-Formaten wurde auch dort bereits diskutiert, doch würden vor allem finanzielle Gründe dagegensprechen, da die Einrichtung neuer Dialogformen kontinuierliche Betreuung erfordert und damit Geld kostet.

Auch in der Hamburger Stadtplanungsbehörde denkt man über den Einsatz von Social Media für mehr Bürgerbeteiligung in der Stadtplanung nach. Hier drehen sich die offenen Fragen vor allem um das Datenschutzproblem etwa im Zusammenhang mit Facebook sowie das Problem der schnellen und adäquaten Reaktion auf Anfragen und Kommentare: Sobald man anfängt, Bürgerinnen und Bürger ernsthaft an der Stadtplanung via Social Media zu beteiligen, muss man Wege aus der starren Logik der Behördenhierarchie suchen. Die Prozesse im Internet sind schnell und unmittelbar, dem steht der klassische Weg der Pressemitteilung über mehrere Schreibtische mit hohem Abstimmungsbedarf entgegen. Zudem sind Soziale Medien um ihrer selbst Willen sinnlos, wenn man nicht weiß, was genau man eigentlich damit erreichen will. Online-Kommunikation braucht Verbindlichkeit, wenn das Vertrauen in staatliches Handeln tatsächlich gestärkt werden soll. Die Nutzung von Social Media erfordert – egal ob es sich um staatliche oder gesellschaftliche Organisationen handelt – eine passende Organisationskultur.

„Slacktivism“ und das Verhältnis von „Onlinern“ und „Offlinern“

Ein Teil der Diskussion widmete sich dem „Slacktivism“-Phänomen, also dem Vorwurf, dass das Engagement für oder wider eine Sache mit ein paar Mausklicks am heimischen Bildschirm nicht eigentlich als gesellschaftliches Engagement gewertet werden kann. Dabei wurde herausgearbeitet, dass das „Mausklick-Engagement“ und tatsächliches Engagement in der „wirklichen Welt“ keine

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Widersprüche sein müssen. Vielmehr gehen in der Praxis Online- und Offline-Engagement häufig ineinander über und ergänzen sich wechselseitig. Offline- und Online-Welt dürften nicht gegeneinander ausgespielt werden, sondern müssten zueinander gebracht werden, was am Beispiel der Feuerwehr und ihrer Verbände illustriert wurde: So gibt es viele Vorstände in den Gliederungen der Verbände, die viel von der Feuerwehr, aber wenig von Kommunikation in Sozialen Medien verstünden. Umgekehrt kennen sich Internet-Experten sehr gut mit dem Einsatz von Social Media aus, haben aber wenig Kenntnis von den Erfordernissen an eine funktionierende Feuerwehr. Wenn man beide Seiten zusammenbringen würde, könnte man die klassischen Kommunikationsstrukturen eines Feuerwehrverbandes weiterentwickeln, ohne dabei fachliche Standards unterlaufen zu müssen.

„Digital Literacy“ als Herausforderung für die Zukunft

Kritisch wurde auch die Anonymität des Internet und Unterbelichtung der Qualitätsaspekte in Social Media diskutiert. Dabei wurde unterstrichen, dass klare Kommunikationsstrukturen und gute Moderation Voraussetzungen für gelingende Online-Debatten sind. Schließlich ging es um die gesellschaftspolitischen Herausforderungen im Zusammenhang mit Social Media. Ohne die Vermittlung von Medienkompetenz tragen neue Medien eher zur Vertiefung sozialer Gräben bei. Insofern kommt dem Thema mediale Fortbildung („digital Literacy“) eine große Bedeutung bei.

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Bonn, 8. März 2012

Teilnehmende:

Robert Dürhager, Online Communications Manager, Oxfam Deutschland e. V.

Dirk Lahmann, Projektleiter für Bürgerbeteiligung bei der Stadt Bonn

Hanns-Jörg Sippel, Vorstandsvorsitzender Stiftung MITARBEIT

Alexandra Härtel, wissenschaftliche Referentin, CCCD

Moderation: Serge Embacher

Zur Podiumsdiskussion in Bonn hatte das CCCD am 8. März 2012 gemeinsam mit der Stiftung MITARBEIT und der Stadt Bonn eingeladen. Zu Gast waren Akteure gemeinnütziger Organisationen, Multiplikatoren der regionalen Bürgergesellschaft und interessierte Bürger/innen.

In seiner Begrüßung beschrieb Dirk Lahmann, Beauftragter der Stadt Bonn für Bürgerbeteiligung, die aktuellen Bonner Bemühungen in Sachen Online-Bürgerbeteiligung. Dabei ging es um die Weiterentwicklung des Bürgerhaushalts ebenso wie um Leitlinien für Bürgerbeteiligung in Bonn, ein öffentliches Beteiligungsportal und die Einrichtung einer Ehrenamtsbörse. Alexandra Härtel vom CCCD konnte hier anschließen, indem sie die von Lahmann genannten Elemente auf Basis der CCCD-Untersuchung grundsätzlich erläuterte. Im Anschluss daran beschrieb Hanns-Jörg Sippel, Vorsitzender des Vorstands der Stiftung Mitarbeit, die Arbeit der Stiftung und erinnerte an das ursprüngliche Motiv der Stärkung der Demokratie („Demokratieentwicklung von unten“). Die Stiftung unterstützt Engagierte bei Fragen der Mittelakquise, der Projektdurchführung und der Öffentlichkeitsarbeit. Außerdem thematisiert sie Fragen der Bürgerbeteiligung in der politischen Debatte.

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Stiftung Mitarbeit: Neue Formen der Beteiligung

Das Bedürfnis nach mehr Beteiligung hat sich in den letzten Dekaden stark entwickelt, weshalb die Stiftung Mitarbeit vorrangig versucht, dialogorientierte Beteiligungsverfahren zu fördern. Das erweist sich oft als sehr schwierig, weil politische Akteure die Einbindung der Bürgergesellschaft mitunter als Macht- oder Kontrollverlust verstehen und deshalb keine fördernde Haltung einnehmen. Genau hier sieht die Stiftung Mitarbeit ihr genuines Betätigungsfeld. Die Rolle der Sozialen Medien besteht für sie darin, neue Formen der Beteiligung zur Verfügung zu stellen. Der Diskurs um Social Media schließt also unmittelbar, so lässt sich festhalten, an die Auseinandersetzung um bessere demokratische Prozesse an. Die Bedürfnisse von Engagierten wie etwa Selbstorganisation und Vermehrung der Beteiligungskanäle stehen in dieser Sichtweise im Mittelpunkt von Politik.

Oxfam Deutschland: durch Social Media Nutzung die eigene Wirkung erhöhen

Einen Einblick in die berufliche Praxis eines Online Communication Managers gab anschließend Robert Dürhager von Oxfam Deutschland. Oxfam Deutschland fördert Projekte zur Entwicklung und Konfliktbewältigung in Ländern südlich der Sahara und in Südasien und beteiligt sich weltweit an Hilfsmaßnahmen in humanitären Krisen. Außerdem betreibt Oxfam Lobby- und Kampagnenarbeit im Kontext der Entwicklungszusammenarbeit. Oxfam ist im Wesentlichen eine international operierende Organisation, für die Social Media einen idealen Kommunikationsraum darstellen. Seit 2008 ist auch Oxfam Deutschland im Social Web aktiv. Dürhager, der seit 2009 für Oxfam tätig ist, beschrieb den Aufbau der Social-Media-Präsenz, wobei von Anfang an auch Schulungen und Workshops für die Mitarbeiter ein zentraler Bestandteil der Arbeit sind. Dies gilt auch für die Entwicklung einer Social-Media-Strategie.

Die Potenziale von Social Media können nur dann richtig erschlossen werden, wenn man die Nutzer von bloßen Besuchern der Homepage zu tatsächlichen Benutzern macht. Dazu braucht man eine gute Zielgruppenanalyse ebenso wie den Aufbau eines „Customer Relationship Management“. Die „User Journey“ beginnt bei der Verbindung der Web-Präsenz mit dem Zweck einer Organisation und endet – im Idealfall – bei persönlichem Engagement vieler Einzelner für die Ziele der Organisation, hier der globalen Armutsbekämpfung. Die Website und die darin eingebundenen Kommunikationsmöglichkeiten müssen den Nutzer tatsächlich mitten in die Möglichkeiten zum Mitmachen führen. Engagement- und Verantwortungsbereitschaft entsteht aus Gelegenheiten, welche durch den Einsatz von Social Media sichtbar und erlebbar gemacht werden können.

Heute beschäftigt Oxfam Deutschland drei Angestellte im Social-Media-Bereich und fünf im Web-Bereich, die sich um die Organisation von Kampagnen und Online-Streams zu Oxfam-Themen kümmern. Durch die konsequente Ausrichtung von Oxfam Deutschland auf neue Formen der Online-Kommunikation hat sich auch die Organisation selbst verändert. Neben schnellerer Kommunikation mit Interessenten und „Stakeholdern“ ohne umständliche Abstimmungsprozesse zwischen den Hierarchieebenen (im Unterschied zur herkömmlichen Pressearbeit) bildete sich sukzessive die Bereitschaft heraus, sich selbst als „lernende Organisation“ zu verstehen. Social-Media-Einsatz erfordert Flexibilität und Fehlertoleranz, erhöht aber im Gegenzug auch die Wirkung der Organisation und dient damit direkt dem eigentlichen Organisationszweck. Zudem haben Social-Media-Aktivitäten (im Unterschied zu allen anderen Aktionsformen) den Vorteil, dass sich ihre Wirkungen direkt und präzise messen lassen. Durch Instrumente wie Google Analytics lässt sich die Resonanz auf Aktivitäten der Organisation, ihre Effektivität und auch die Streuverluste, genau erfassen.

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Aus der Diskussion mit den Gästen

Pseudo-Engagement via Social Media?

Die Diskussion mit dem Publikum förderte viele Aspekte zutage, die heute im Zusammenhang mit Sozialen Medien zur Debatte stehen. Die neuen Medien böten, so wurde mehrfach geäußert, nicht nur Chancen, sondern hätten auch ihre Grenzen. Sie dürften auch nicht als Ablösung, sondern lediglich als Ergänzung der klassischen Medien verstanden werden. In diesem Zusammenhang wurde auch die Frage nach der inhaltlichen Substanz im neuen Kommunikationsraum thematisiert: Social Media laden zum Pseudo-Engagement per „Like Button“ ein („Slacktivism“), weshalb ein wirklicher Effekt für bürgerschaftliches Engagement nicht unbedingt erkennbar sei. Alexandra Härtel entgegnete, dass eine Voraussetzung für Engagement via Social Media auch die Beteiligungsoffenheit von Organisationen sei. Ist diese nicht gegeben, gibt es auch weniger Anknüpfungspunkte für Engagement online.

Das Internet als „Cash-Cow“?

Ein weiterer Diskussionspunkt betraf die Kritik der „Glorifizierung“ von Fundraising durch Soziale Medien. Das Internet erscheine häufig als „Cash-Cow“, ständig und überall würde zu Spenden aufgerufen, was ein problematischer Weg sei. Robert Dürhager pflichtete dem insofern bei, als dass Spendenaufrufe nicht inflationär verwendet werden dürften. Fundraising via Social Media sei am Ende nur sinnvoll, wenn es mit konkreten Kampagnen, Aktionen und Projekten verbunden werde.

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Beteiligung und Transparenz vs. Filter und Beschränkungen

In der Debatte wurde außerdem infrage gestellt, ob Social-Media-Kanäle tatsächlich den hohen Ansprüchen an Beteiligung und Transparenz genügen oder ob nicht vielmehr auch hier Filter und Beschränkungen eingebaut seien. So könne man beobachten, wie etwa in Blogs und Foren durch hierarchische Moderationsstrukturen Meinungen unterdrückt würden. Kritische Debatten würden oft nicht zugelassen. Darauf antwortete Hanns-Jörg Sippel mit Blick auf die Erfahrungen der Stiftung Mitarbeit mit Online-Dialogen, dass für einen freien und gleichen Austausch via Social Media eine gute, d. h. professionelle und neutrale Moderation sowie eine adäquate technische Einrichtung der Plattform nötig seien.

Neues Medium, neue Meinungen?

Als ein weiteres Problem wurde das häufig sehr niedrige Debattenniveau auf Online-Plattformen beklagt. Die debattierende Community sei allzu häufig nicht viel mehr als eine sich selbst bestätigende „Gefällt-mir-Gemeinschaft“, wie ein Teilnehmer formulierte. Dem entgegnete Robert Dürhager, die Erwartung, dass sich durch das Internet das Debattenniveau automatisch heben würde, sei unrealistisch. Zwar seien die Möglichkeiten zur freien Meinungsäußerung durch das Internet wesentlich ausgeweitet worden, doch könne sich die Fähigkeit, niveauvoll zu diskutieren, auch im Internet nicht „über Nacht“ entwickeln. Bei der Online-Kommunikation gehe es vor allem darum, dass ein neuer Interaktionskanal erfunden wurde, der sich kreativ nutzen lässt und der die Chance bietet, sich tatsächlich auf anderen Wegen als bislang zu engagieren. Ob die politische Kultur dauerhaft mit Hilfe von Online-Kommunikation verbessert werden kann, sei eine offene Frage. Doch lasse sich, so eine Ergänzung aus dem Publikum, bereits heute sehen, wie groß das Potenzial der „Weisheit der Vielen“ sei. Die große Stärke der Online-Kommunikation könnte demnach künftig darin liegen, Meinungen hervorzubringen, die man sonst nicht vernehmen würde.

Gefahr der „digitalen Spaltung“

Schließlich erwiderte Hanns-Jörg Sippel auf die Frage nach dem Bonus, der sich für die Bürgergesellschaft aus Sozialen Medien ergebe, dass diese neuen Medien nicht automatisch einen „Mehrwert“ für die Bürgergesellschaft mit sich brächten. Vielmehr sei hier ein neues Potenzial entstanden, das man nutzen könne oder auch nicht. Genauso könnten Soziale Medien gesellschaftliche Spaltung ebenso überwinden helfen wie vertiefen. Das hänge von ihrer Nutzung ab. Die Gefahr einer „digitalen Spaltung“ der Gesellschaft sei real. Aus ihr ergebe sich die Notwendigkeit der Einbeziehung auch benachteiligter Gruppen in Beteiligungsprozesse unter anderem durch aktives Aufsuchen und Gemeinwesenarbeit.

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NPO-Blogparade: Social Media für die Bürgergesellschaft | Seite 72

Stuttgart, 19. April 2012

Teilnehmende:

Dr. Brigitte Reiser, Non-Profit- und Social-Media-Expertin

Kerim Arpad, Geschäftsführer, Deutsch-Türkisches Forum Stuttgart

Alexandra Härtel, wissenschaftliche Referentin, CCCD

Moderation: Serge Embacher

Am 19. April 2012 fand im Generationenhaus Stuttgart-Heslach eine weitere Podiumsdiskussion zum Thema "Internet und digitale Bürgergesellschaft" statt. Diesmal hatte das CCCD in Kooperation mit Stuttgart Connection e. V. eingeladen. Zu Gast waren wieder Freiwilligenmanager/innen, Kommunikationsverantwortliche und andere Akteure gemeinnütziger Organisationen sowie Multiplikatoren der regionalen Bürgergesellschaft.

Zu Beginn des Abends stellte Alexandra Härtel die Grundzüge der von der Robert-Bosch-Stiftung geförderten Studie des CCCD vor. Im Anschluss daran erläuterte Brigitte Reiser, Non-Profit- und Social-Media-Expertin, die Chancen, die das Internet und insbesondere Social Media für zivilgesellschaftliche Organisationen bergen. Soziale Medien sind ihr zufolge hervorragende Tools, um Vernetzungsstrukturen auf- und auszubauen. Dabei geht es aber nicht um PR oder Öffentlichkeitsarbeit, sondern um eine bereichsübergreifende soziale Vernetzung des Dritten Sektors. Gemeinnützige Organisationen müssen das Internet besser nutzen, um ihre Interessen zu vertreten. Die Vernetzung muss über die eigene „Sparte“ hinweg geschehen (Kirche mit Kirche, Umwelt mit Umwelt). Es geht darum, Grenzen zu überwinden, um voneinander zu lernen und Wissen und Informationen zu „poolen“.

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NPO-Blogparade: Social Media für die Bürgergesellschaft | Seite 73

Außerdem geht es um die stärkere Einbindung von Engagierten und Bürgern in die Aktivitäten von Organisationen. Im Sinne der immer bedeutender werdenden „Koproduktion“ von Sozialstaatlichkeit ist es heute im Grunde unabdingbar, Menschen stärker partizipativ in Entscheidungsprozesse und Organisationsabläufe einzubinden. Neue soziale Dienstleistungen, bessere Planung und Aktivierung der Energie des Engagements werden sich daher ohne moderne Kommunikationsformen kaum finden lassen. Denn das Internet bietet die Chance, über die lokalen Gegebenheiten hinaus am Aufbau einer besseren zivilgesellschaftlichen Struktur zu arbeiten.

Doch wird durch die Online-Kommunikation nichts von alleine besser. Ohne echten Öffnungsprozess und den Willen, Teilhabe tatsächlich zuzulassen, wird sich am Status quo auf absehbare Zeit nichts ändern. Wenn man auf das Internet und seine medialen Möglichkeiten setzt, bedarf es einer neuen „Kultur der Teilhabe“. Brigitte Reiser unterstrich ganz klar die demokratiepolitische Perspektive im Zusammenhang mit den Sozialen Medien. Nur beteiligungsorientierte Organisationen können zu „Schulen der Demokratie“ werden. Dazu gehört auch eine Dezentralisierung von Entscheidungen. Träger müssen zulassen, dass Netzwerke vor allem lokal und dezentral entstehen können.

Ein grundlegendes Problem der aktuellen Debatte ist die allseits dominante „Tool-Orientierung“. Wenn über den Einsatz Sozialer Medien diskutiert wird, dann meist im Zusammenhang mit spezifischen Werkzeugen (Twitter oder Facebook etc.). Ohne Definition des Ziels, vor allem aber der Art und des Grades der Beteiligung, müssen solche Anstrengungen ins Leere laufen. Der Einsatz von Social Media kann nicht lediglich eine Fortsetzung der „analogen“ Kommunikation im digitalen Raum sein. Er erfordert vielmehr neues Denken. Dahinter steckt die Frage, wie Profession in den Organisationen mit ehrenamtlich Engagierten umgeht – und umgekehrt. Die Frage nach neuen Koproduktionsmodellen entscheidet sich genau an diesem Punkt. „Working Wikily“ ist hier der neue Terminus.Bislang krankt die Entwicklung aber vor allem am Ressourcenproblem, das man dadurch lösen kann, dass Kräfte gebündelt und Ressourcenpools gebildet werden. Die organisatorischen, aber auch „mentalen“ Hindernisse auf dem Weg dorthin lassen sich am besten dadurch überwinden, dass sich gemeinnützige Organisation stärker als „Gestalter des Gemeinwesens“ verstehen. Es gilt – so Brigitte

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Page 74: Social Media für die Bürgergesellschaft. Beiträge zur NPO-Blogparade 16. - 21. April 2012

NPO-Blogparade: Social Media für die Bürgergesellschaft | Seite 74

Reiser weiter – Wege aus dem „Dienstleistungsghetto“ zu finden. Zum Profil von Non-Profit-Organisationen gehört vor allem Beteiligung und Interessenvertretung für Betroffene: Der Non-Profit-Sektor wird künftig eine viel stärkere Rolle für die Entwicklung der Demokratie spielen. Ein Bewusstsein dafür würde den Einsatz von Social Media auf eine neue und tragfähige Grundlage stellen.

Kerim Arpad vom Deutsch-Türkischen Forum in Stuttgart rekapitulierte kurz die Geschichte seiner Organisation, bei der es von Beginn an darum ging, mit Hilfe bürgerschaftlichen Engagements Perspektiven für Integration zu gewinnen. Dabei geht es vor allem um Kultur- und Bildungsangebote, mit deren Hilfe man gesellschaftliche Teilhabe fördern will. Social Media (vor allem Facebook und Twitter) kamen im Deutsch-Türkischen Forum zunächst als Instrumente der Öffentlichkeitsarbeit zum Einsatz. Heute kann man sagen, dass sich durch Soziale Medien vor allem die Erreichbarkeit von Zielgruppen und der Bekanntheitsgrad der Organisation verbessert hat (neue und viel jüngere Zielgruppe). Es geht vor allem um verbesserte Information und ein klareres „Agenda Setting“. Außerdem werden Social Media vor allem in Jugendprojekten als Debatten- und Koordinierungsinstrumente genutzt.

Die abschließende Diskussion mit dem Publikum hob einige zentrale Aspekte zutage, die heute im Zusammenhang mit Sozialen Medien zur Debatte stehen, noch einmal hervor:

1. Zeit- und Organisationsressourcen: Social Media können nur sinnvoll eingesetzt werden, wenn man dafür Ressourcen einplant. Die sprichwörtliche Praktikantin, die den Facebook-Account betreut, reicht dazu nicht aus. Hier bedarf es umfassender Strategien, wozu etwa die Einbindung Ehrenamtlicher in die Nutzung und Betreuung von Social Media gehört. Außerdem lassen sich Ressourcen organisationsübergreifend „poolen“, was bislang noch kaum geschieht. Ein Teil der Verantwortung liegt aber auch beim öffentlichen Sektor, der im Interesse an einer lebendigen Zivilgesellschaft Ressourcen für die Entwicklung von Social-Media-Strategien und -kompetenzen zur Verfügung stellen müsste. Förderung der elektronischen Kommunikation gehört zur Förderung der Infrastruktur für bürgerschaftliches Engagement, und Stiftungen und öffentliche Hand könnten hier ihre spezifische Verantwortung wahrnehmen. Letzteres wurde jedoch auch kritisch betrachtet, da das zumindest staatliche Interesse an einer solchen Förderung fragwürdig erscheint.

2. Social Media als Instrumente für mehr Demokratie: In der klassischen Politik ist der Einsatz von Social Media nach wie vor stark begrenzt. Die Beteiligung von Bürgerinnen und Bürgern an der verfassten Politik war vor der Einführung von Social Media gering, und sie ist auch heute nach wie vor gering. Erst wenn der Einsatz von Sozialen Medien tatsächlich zu mehr Entscheidungskompetenzen (im Sinne von konkreten Mitspracherechten) führt, werden diese Instrumente zu voller Wirkung gelangen. Ansonsten wird noch mehr Information und noch mehr Kommunikation die meisten Menschen überlasten.

3. Online- und Offline-Engagement: Von einer Teilnehmerin wurde die Frage thematisiert, inwiefern die Existenz einer vitalen Online-Community auch zu tatsächlichem Engagement führt. Der Übergang von Online- zu Offline-Aktivitäten ist bislang unklar und auch schwer zu beschreiben. Allerdings gibt es – wie Alexandra Härtel am Beispiel von Oxfam Deutschland erläutert – auch Beispiele für gelungene Übergänge von „Online“ zu „Offline“.

4. Social Media und soziale Integration durch Vereine: Wie kann man kleine Vereine und Organisationen dabei unterstützen, gesellschaftliche Integration zu befördern? Diese Frage wurde in den Zusammenhang von Sozialen Medien gestellt. Fördern Social Media überhaupt klassische Vereine, oder drängen sie das klassische Engagement nicht eher zurück? Brigitte Reiser verwies hier noch einmal auf den Zusammenhang von Social Media und Transparenz bzw. neue Beteiligungsmöglichkeiten. Nur wenn man zu einer neuen demokratischen Kultur der Teilhabe kommt, können Social Media auch klassischen Organisationen wie Vereinen nützen. Um den Vereinen hier Entwicklungsmöglichkeiten zu bieten, bedürfte es kleiner

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NPO-Blogparade: Social Media für die Bürgergesellschaft | Seite 75

Fördertöpfe (von wem auch immer), um Know How und das richtige Verständnis für Sinn und Einsatzmöglichkeiten von Sozialen Medien zu fördern.

Halle, 26. April 2012

Teilnehmende:

Karen Leonhardt, Freiwilligen-Agentur Halle-Saalkreis e. V.

Ulrike Rühlmann, Geschäftsführerin Bürgerstiftung Halle

Mark Westhusen, Geschäftsführer Radio Corax e. V.

Alexandra Härtel, wissenschaftliche Referentin, CCCD

Moderation: Serge Embacher

Am 26. April 2012 fand im Stadtarchiv Halle die letzte Podiumsdiskussion zum Thema "Internet und digitale Bürgergesellschaft" statt, zu der das CCCD in Kooperation mit der Freiwilligen-Agentur Halle-Saalkreis e.V. eingeladen hatte. Zu Gast waren wie schon bei den vorangegangenen Veranstaltungen Freiwilligenmanager/innen, Kommunikationsverantwortliche und andere Akteure gemeinnütziger Organisationen sowie Multiplikatoren der regionalen Bürgergesellschaft.

Im Anschluss an die Vorstellung der Studie des CCCD zum Thema durch Alexandra Härtel stellte Ulrike Rühlmann von der Bürgerstiftung Halle die zentralen Aufgaben ihrer Organisation dar. Die Bürgerstiftung Halle wurde 2004 von rund 70 Bürgerinnen und Bürgern in Halle gegründet. Heute verfügt die Stiftung über mehr als 300 Mitglieder und ein Vermögen von ca. 230.000 Euro. Sie fördert vor allem Kultur- und Bildungsprojekte in Halle. Seit einem Jahr ist die Bürgerstiftung auf Facebook aktiv, weil man sich davon in erster Linie eine Ausweitung der Kommunikationsmöglichkeiten verspricht (besserer Kontakt zu Mitgliedern und Förderern). Grundsätzlich besteht aber das Problem

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NPO-Blogparade: Social Media für die Bürgergesellschaft | Seite 76

fehlender Ressourcen für den strategischen Einsatz von Social Media.

Mark Westhusen von Radio Corax e. V. begründete hingegen, warum der Radiosender, der als gemeinnütziges Projekt betrieben wird, keinen Facebook-Account hat. Im Mittelpunkt steht dabei die Datenschutzproblematik und damit verbunden das problematische Geschäftsmodell von Facebook. Stattdessen arbeitet Radio Corax mit vielen anderen Social-Media-Anwendungen wie Wikis, Twitter, einem Chat und eigenen Blogs, auf denen Interessierte mit eigenen Inhalten das Radioprogramm mitgestalten können. Das passt sehr gut zu den, nach den Kriterien Transparenz, Beteiligung und Basisdemokratie gestalteten, Strukturen von Radio Corax. Social Media werden hier als eine organische Erweiterung der eigenen Struktur verstanden. Sie bieten die Möglichkeit, die basisdemokratische Struktur intern auszubauen und zudem die Organisation nach außen besser darzustellen.

Karen Leonhardt beschrieb zunächst die Tätigkeiten der Freiwilligen-Agentur Halle-Saalkreis e.V. seit 1999, die sich in die fast schon klassisch gewordenen Sparten Vermittlung (Freiwilligen ins Ehrenamt), Qualifizierung (von Freiwilligen für das Ehrenamt) und Vernetzung (von Organisationen und Freiwilligen) gliedert. Social Media werden bislang erst in Ansätzen genutzt (z. B. ein eigener YouTube-Kanal), zugleich gibt es seit einiger Zeit eine organisationsinterne Debatte über einen sinnvollen bzw. strategischen Einsatz Sozialer Medien. Vorbehalte und Skepsis halten sich dabei mit der Hoffnung auf positive Impulse bislang die Waage. So wird zum Beispiel diskutiert, ob sich eine Freiwilligenagentur nicht selbst überflüssig macht, wenn sie etwa die Vermittlung von Freiwilligen ins Ehrenamt via Social Media in den virtuellen Raum verlagern würde. Andererseits vermutet man große Potentiale in der Nutzung Sozialer Medien.

Die Podiumsgäste symbolisierten also am Ende der Diskussionsreihe durchaus den derzeitigen Stand der Dinge: Während die einen bereits sehr organisch mit Social Media operieren, ist man andernorts noch in einer explorativen Phase und diskutiert Potentiale und Risiken oder probiert schlicht Möglichkeiten aus.

Die abschließende Diskussion mit dem Publikum förderte denn auch die meisten der nun schon geläufigen Argumente zutage, die heute im Zusammenhang mit Sozialen Medien zur Debatte stehen. Davon wurden vier besonders betont:

1. Grenzen von Facebook: Als erhebliches Problem bei der Nutzung von Netzwerken wie Facebook wird deren Geschäftsmodell gesehen, das notwendig mit einem mangelhaften Datenschutz einhergeht. Facebook kann kommerziell nur erfolgreich sein, wenn die Nutzer ihre Daten gratis für Werbezwecke aushändigen. Dieser Umstand wird auch oder gerade in gemeinnützigen Organisationen viel diskutiert. Das Datenschutzproblem trübt die Vernetzungs- und Kommunikationspotenziale, die Social Media bieten, oft erheblich ein.

2. Freiheit vs. Beschränkung der Social-Media-Kommunikation: Die freie und selbst organisierte Kommunikation und Koordination der Mitglieder via Social Media ist in vielen Organisationen (bislang) nicht gewollt. Dort geht es beim Social-Media-Einsatz viel eher um koordinierte und breitere Information als um Diskurs und Meinungsbildung, wie der Vertreter einer Hilfs- und Rettungsorganisation anmerkte. Es geht darum, die hergebrachte Struktur der Organisation in den virtuellen Raum zu übertragen. Dem wurde jedoch entgegen gehalten, dass eine sinnvolle Nutzung von Social Media letztlich nur möglich sein wird, wenn sich die Organisationen in Richtung mehr Beteiligung auch strukturell wandeln.

3. Bedeutung von Social Media für (Kommunal-)Politik: Immer häufiger wird versucht, Soziale Medien als kommunalpolitische Instrumente der Bürgerbeteiligung einzusetzen. Bislang ist der Erfolg hier aber noch nicht durchschlagend, da eine adäquate Nutzung Sozialer Medien eine neue, offene und tatsächlich auf Beteiligung angelegte Diskurskultur erfordern würde. Diese ist bislang – wenn überhaupt – erst in Anfängen erkennbar. Denn einer Ausweitung der Kommunikationsverhältnisse steht das Problem des drohenden oder zumindest befürchteten Machtverlusts politischer Eliten oder Funktionsträger entgegen. Ein Vertreter der Piratenpartei

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griff diesen Aspekt auf und verwies darauf, dass man bei den Piraten nach innovativen Lösungen für dieses Problem suche und dabei eine zentrale Rolle von Social Media sehe.

4. Bildung und Social Media: Ein wichtiger Faktor bei der weiteren Entwicklung der Social-Media-Nutzung ist die Übung im Umgang mit diesen Medien. Bei bislang jedem historischen Medienwechsel hat es eine Zeit gebraucht, bis das neue Medium (Buch, Telefon, Fernsehen etc.) kulturell hinreichend verankert war. Ähnlich verhält es sich auch mit dem Internet und den Sozialen Medien. Es dürfte noch eine Weile dauern, bis sich hier Standards der Nutzung eingespielt und so breit etabliert haben, dass die Chance auf mehr Beteiligung und Kooperation via Internet nicht nur von wenigen genutzt wird, sondern als realer Bestandteil in die Kommunikationskultur der späten Moderne eingehen kann. Der Qualifizierung und Fortbildung von bürgerschaftlich Engagierten kommt daher in diesem Zusammenhang eine zentrale Bedeutung zu.

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Social Media & Bürgergesellschaft – Die drängendsten Fragen zivilgesellschaftlicher Institutionen.Ergebnisse der CCCD-Werkstattgespräche

Alexandra Härtel / Sophie Scholz | cccdeutschland.org

In vielen zivilgesellschaftlichen Organisationen wird zurzeit diskutiert: Müssen auch wir im Social Web aktiv sein? Haben wir die Ressourcen und das Know How für die Kommunikation online? Können und vor allem wollen wir unsere Prozesse der Logik von Social Media anpassen? Die Entscheidung für die Kommunikation via Social Media stellt neue Anforderungen an eine Organisation – auch an ihre Kultur. Um den Veränderungsprozess bewältigen zu können, brauchen die „Change Agents“, die Veränderer in einer Organisation, die Unterstützung der hochrangigen Verantwortlichen. Häufig fehlen jedoch gerade den Entscheidern Gelegenheiten, ein Verständnis für das Potenzial von Social Media zu entwickeln und den Wert für die eigene Organisation zu erkennen.

Mit der Reihe „Werkstattgespräch: Soziale Medien für die Bürgergesellschaft“ hat das CCCD gemeinsam mit der Robert Bosch Stiftung und regionalen Partnern in Hamburg, Bonn, Stuttgart und Leipzig solche Gelegenheiten geschaffen. Führungskräfte aus gemeinnützigen Organisationen sowie Protagonisten der digitalen Bürgergesellschaft waren eingeladen, im Rahmen von Werkstattgesprächen über die Potentiale und Herausforderungen von Social Media für die Bürgergesellschaft und insbesondere für zivilgesellschaftliche Organisationen ins Gespräch zu kommen.

Zu Beginn der Werkstattgespräche wurden die Teilnehmer/innen befragt, ob und wofür ihre Organisationen Social Media nutzen. Deutlich wurde, dass die Mehrzahl der Organisationen Social Media bereits einsetzen: meist für die Vernetzung und den Dialog mit Anspruchsgruppen (Stakeholder), in einigen Fällen für Zwecke der Interessensvertretung und selten für Fundraising und konkrete Beteiligungszwecke. Die Teilnehmer/innen hatten teilweise erste Schritte im Social Web gemacht, einige waren selbst für die Kommunikation ihrer Organisation online verantwortlich und verfügten über Wissen, das sie teilen konnten. Die Mehrzahl der Teilnehmer hatte jedoch noch keine Erfahrung im Umgang mit Social Media Anwendungen und suchte einen ersten Zugang.

Die drängendsten Fragen der Teilnehmer/innen

In der Diskussion kristallisierten sich die drängendsten Fragen der Teilnehmer/innen zum Einsatz der neuen Medien heraus. Die Top 5 sollen hier aufgegriffen werden:

Top 1: „Wie viel Zeit muss in die Aktivitäten im Social Web investiert werden?“

Mit einer Angabe in Stunden und Minuten ist diese Frage nicht zu beantworten. Vielmehr müssen verschiedene Faktoren berücksichtigt werden wie Erfahrungsgrad im Umgang mit den Social Media-Anwendungen sowie die Aktivitäten und deren Ziele („Zuhören“, Aufbau einer Community, Organisation eines Beteiligungsprozesses). Auch Disziplin ist für das Zeitmanagement ein relevanter Faktor, kann man sich doch leicht in der Informationsflut online von seinen eigentlichen Aktivitäten ablenken. Lesenswerte Artikel zum Thema Zeitmanagement im Social Web haben Beth Kanter und

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Aliza Sherman verfasst. Sie geben weitere Anhaltspunkte, wie notwendige zeitliche Ressourcen abgeschätzt werden können.

Top 2: „Auf welcher Plattform erreiche ich meine Zielgruppe(n) am besten?“

Bei der Suche nach einer Antwort können Statistiken und Analysen helfen, die über Nutzergruppen der verschiedenen Plattformen berichten und damit Aufschluss darüber geben, wo welche Nutzer anzutreffen sind. In vielen Organisationen geht die Diskussion um die Nutzung von Social Media mit der Frage einher, ob sie auf Facebook präsent sein sollten oder nicht. Mit 900 Mio. Nutzern weltweit und über 20 Mio. davon aus Deutschland, ermöglicht die Plattform theoretisch eine hohe Reichweite. Gleichzeitig ist das Geschäftsmodell der Plattform, das auf Verwendung der Nutzerdaten basiert, ein umstrittenes, zu dem jede zivilgesellschaftliche Organisation eine Position entwickeln sollte.

Top 3: „Geht auch „ein bisschen“ Social Media?“

Auf einer Social Media-Plattform präsent zu sein, aber sich nicht für den Dialog zu öffnen, sondern lediglich auf die eigene statische Website zu verweisen ist ganz sicher keine Lösung für Organisationen, die sich noch nicht bereit fühlen für die Interaktion im Social Web. „Ein bisschen“ Social Media nach diesem Prinzip ist nicht empfehlenswert. Was jedoch durchaus sinnvoll ist und sich gerade für den Einstieg ins Social Web eignet, ist die Nutzung weniger oder gar nur einer Social Media-Anwendung(en), um mit dem Kommunikationsprinzip vertraut zu werden und seine Ressourcen nicht zu strapazieren. Organisationen können sich der Social Media-Kommunikation auch zunächst intern öffnen, etwa indem Termine kollektiv, z. B. via Doodle, abgestimmt werden und Dokumente gemeinsam in Echtzeit bearbeitet werden, etwa via EtherPad oder Google Docs.

Top 4: „Wie kriege ich Masse hin?“

Mit dem Anlegen eines Profils auf einer Online-Plattform des Social Webs und regelmäßigen Hinweisen auf die neueste Pressemeldung der Organisation lässt sich kaum erreichen, dass eine Vielzahl an Nutzern ihr Interesse an einer Organisation und ihren Themen entdeckt. Hinterfragt werden sollte, ob tatsächlich „Masse erreichen“ für die Organisation einen Mehrwert bietet oder doch eher „genau die Richtigen erreichen“ den Schlüssel zum Erfolg darstellt. Genau wie „offline“, gilt es „online“ zunächst Beziehungen aufzubauen, „Hände zu schütteln“ und die Themen der Organisation ins Gespräch zu bringen. Die Inhalte sollten an die Ziele der Organisation anknüpfen und den Nutzern einen Mehrwert bieten. Es gilt: Qualität geht vor Quantität. Den Mitgliedern des eigenen Netzwerks zuzuhören und auf das Feedback einzugehen, ist essentiell, genau wie die Gestaltung der Inhalte entsprechend der „Social Media-Werte“ (s. dazu weiter unten). Es bietet sich außerdem an, Multiplikatoren einzubinden, und zwar genau diejenigen, die mit der eigenen Zielgruppe in Kontakt sind.

Top 5: „Wie kann ich „Follower“ und „Fans“ für die Ziele meiner Organisation aktivieren?“

Responsivität im Social Web und eine transparente Darstellung der Aktivitäten einer Organisation und ihrer Unterstützer sind Grundlagen dafür, dass Nutzerinnen und Nutzer gegenüber der Organisation Vertrauen aufbauen. Auf dieser Basis können konkrete Unterstützungsanfragen ins eigene Netzwerk erfolgreich sein und Kräfte gewonnen werden fürs Engagement on- und offline.

Die Gespräche mit den Teilnehmer/innen haben gezeigt, dass wenn sie bereits privat in den Sozialen

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Medien aktiv sind, es für sie leichter ist, ein Verständnis zu entwickeln, wie und mit welchem Mehrwert Social Media auch für die eigene Organisation eingesetzt werden können.

Für Erleichterung bei den Teilnehmer/innen sorgte, den Einsatz von Social Media nicht von den Techniken her anzugehen („Wir müssen Facebook machen“), sondern den Einsatz von Social Media von der Zielsetzung einer Organisation her zu denken (wie z. B. „mehr Freiwillige einbinden“). Mit diesem Ansatz werden Social Media für die Teilnehmer/innen wieder handhabbar, denn dann sind sie kein „großes, vielverheißendes Etwas, dessen Mehrwert nicht wirklich klar ist“, sondern lassen sich von den Zielen der Organisation her planen und einsetzen. Relevante Fragen, die sich eine Organisation bei der Entwicklung einer Social Media Strategie stellen sollte, haben wir in einem Frageleitfaden zusammengestellt.

Das Konzept der Werkstattgespräche

Das zweistündige Werkstattgespräch mit Dr. Michael Bürsch, Dr. Serge Embacher und Alexandra Härtel im November 2011 in Hamburg stellte den Auftakt dar und diente auch dazu, die spezifischen Fragen der Vertreter/innen von Vereinen, Verbänden und Stiftungen zur Nutzung von Social Media kennenzulernen. Auf dieser Grundlage konzipierten wir, Sophie Scholz und Alexandra Härtel, drei weitere, jeweils vierstündige, Werkstattgespräche, die im März und April 2012 in Bonn, Stuttgart und Leipzig stattfanden. Strukturiert wurden diese durch Wissensangebote und Diskussionsrunden. Thematische Schwerpunkte bildeten das Potential von Social Media und die Entwicklung einer Social Media-Strategie unter Berücksichtigung der „Social Media-Werte“.

Welche neuen Handlungsspielräume bieten Social Media engagierten Bürger/innen und zivilgesellschaftlichen Organisationen? Mit einem Überblick zu dieser Frage eröffnete Alexandra Härtel die Werkstattgespräche und lieferte anschauliche Beispiele hinsichtlich des Aufbaus und der Pflege von Beziehungen mit Anspruchsgruppen, der Nutzung von Ressourcen des eigenen Netzwerks und der Ermöglichung örtlich und zeitlich flexibler Beteiligung an organisationalen Prozessen. In kleineren Runden konnten die Teilnehmer/innen anschließend diskutieren und gemeinsam erarbeiten, wie Social Media für die Gewinnung und Stärkung von Freiwilligen, für Kampagnen- und Öffentlichkeitsarbeit im Social Web und für Beteiligungsmöglichkeiten in Organisationen genutzt werden können.

Sophie Scholz (e-fect) verdeutlichte in ihrem Vortrag zur Entwicklung einer Social Media-Strategie, dass für eine wirkungsvolle Interaktion im Social Web Werte der „Social Media-Kultur“ berücksichtigt werden müssen. Sie stellt fest, dass die Einbeziehung von Social Media in die Kommunikationsstrukturen für viele zivilgesellschaftliche Organisationen häufig nicht nur bedeutet, Ressourcen und Kompetenzen für den Dialog online bereitzustellen, sondern auch, einen Kulturwandel innerhalb der Organisation vollziehen zu müssen. Will eine Organisation im Social Web durch ihre Inhalte überzeugen, sollten diese entsprechend der kulturellen Werte des Social Web gestaltet werden und bestimmte Eigenschaften aufweisen, wie:

• partizipativ (Wird dazu eingeladen „Teil der Bewegung“ zu werden?),

• sozial (Werden Menschen zusammengebracht? Wird zwischen „online“ und „offline“ eine Brücke geschlagen?),

• offen (Werden Daten zur Verfügung gestellt, mit denen andere weiterarbeiten können?),

• transparent (Werden Inhalte angeboten, die Organisationen und ihre Projekte überprüfbar machen?),

• teilbar (Generieren die Inhalte einen subjektiven Mehrwert?) und

• aktiv (Werden Zielgruppen aktiviert und machen Selbstwirksamkeitserfahrungen?).

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Es versteht sich von selbst, dass diese Werte auch offline gelebt werden müssen, will man das Potential der Social Media nutzen.

Ein Ziel unserer Werkstattgespräche, an denen 47 Personen, größtenteils Vertreter/innen zivilgesellschaftlicher Organisationen teilgenommen haben, war es auch, einen Impuls dafür zu geben, dass die Teilnehmer/innen miteinander zum Thema Social Media im Gespräch bleiben und Erfahrungen und neu erworbenes Wissen teilen. Treffpunkte und Anlässe dafür können etwa die Socialbars in Hamburg, Bonn und Stuttgart und der „Webmontag“ in Leipzig sein. Zum Weiterlesen und -lernen haben wir außerdem eine Reihe von Wissensquellen zusammengestellt.

Ermöglicht wurden die Werkstattgespräche, die für die Teilnehmer/innen kostenfrei waren, durch eine Förderung der Robert Bosch Stiftung und die Unterstützung regionaler Partner. An dieser Stelle recht herzlichen Dank für die gute Kooperation an die Körber Stiftung in Hamburg, den Wissenschaftsladen Bonn e. V., den Stuttgart Connection e. V., das Generationenhaus Heslach der Rudolf Schmid und Hermann Schmid Stiftung, das Diakonische Werk Innere Mission Leipzig e. V. und die Robert Bosch Stiftung.

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Über die Autor/innen

Theresa Bauer

Theresa Bauer ist als PR-Beraterin bei Mandelkern Management & Kommunikation in Frankfurt vor allem im Bereich Onlinekommunikation tätig. Als Doktorandin am Institut für Management der Humboldt-Universität zu Berlin forscht sie zu den Themen CSR, Lobbying und CSR Kommunikation. Sie twittert unter @Suspolbiz.

Marc Boos

Marc Boos ist als Online-Redakteur des Deutschen Caritasverbandes inhaltlich verantwortlich für www.caritas.de. Darüber hinaus pflegt er die Kampagnenwebsites des Verbandes sowie dessen Präsenzen in sozialen Netzwerken. Der PR-Berater (DAPR) und Diplom-Medienpädagoge betreut außerdem das Weblog www.caritas-webfamilie.de.

Dr. Serge Embacher

Dr. Serge Embacher lebt in Berlin. Er ist Politikwissenschaftler und Publizist. Seine Arbeitsschwerpunkte sind Bürgergesellschaft und Demokratiepolitik. 2010 leitete er für das Bundesnetzwerk Bürgerschaftliches Engagement (BBE) die Koordinierungsstelle des Nationalen Forums für Engagement und Partizipation. Zahlreiche Publikationen zu Demokratie und Bürgergesellschaft, zuletzt: Baustelle Demokratie. Die Bürgergesellschaft revolutioniert unser Land (edition Körber Stiftung, Hamburg 2012).

Marcel Gluschak

Marcel Gluschak arbeitet seit 2009 als Community Manager beim WWF Deutschland und betreut dort die Online-Community der WWF Jugend. Vorher hatte er Soziologie, Geographie und Politikwissenschaft studiert, mehrere Jahre als Journalist gearbeitet und anschließend den Einstieg in sein Leidenschaftsthema Naturschutzkommunikation beim NABU, beim Bundesumweltministerium und im Kampagnenteam des WWF gefunden.

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Alexandra Härtel

Alexandra Härtel hat Kulturanthropologie und Europäische Ethnologie sowie Theater-, Film und Medienwissenschaft in Frankfurt/Main und Warschau studiert. Seit 2008 arbeitet sie als wissenschaftliche Referentin, u. a. mit dem Schwerpunkt Social Media, für das CCCD – Centrum für Corporate Citizenship Deutschland. Sie ist, neben Serge Embacher, Autorin der CCCD-Studie „Internet und digitale Bürgergesellschaft – neue Chancen für Beteiligung“, die 2011 veröffentlich wurde. Twitter: @aiexandrah | Xing-Profil

Jona Hölderle

Jona Hölderle wurde eingeschult im Jahr, als das World Wide Web erfunden wurde, wohnt in Berlin, ist Verwaltungswissenschaftler (Dipl.) und Naturschützer (einfach so). Weil er Organisationen mag, will er sie gestalten und verändern. Dies tut er mit Schwerpunkt auf Social-Media-Strategien und Online-Fundraising unter dem Namen Pluralog. Die große Fragen dahinter: Wie ist es möglich die Aktivitäten von Vereinen und Verbänden mit den neuen, sozialen Medien zu verknüpfen? Twitter: @Pluralog | Xing-Profil

Martin Horstmann

Martin Horstmann, Dr. phil., Dipl.-Sozialarbeiter, bloggt seit Sommer 2010. Sein Blog diakonisch.de beschäftigt sich mit Themen rund um die Diakonie, also der sozialen Arbeit der evangelischen Kirche. Der Fokus liegt dabei auf der Frage nach Identität und Profil des konfessionellen Wohlfahrtsverbands und des christlichen Handelns – kritisch und konstruktiv. Martin Horstmann ist wissenschaftlicher Mitarbeiter bei der evangelischen Kirche und arbeitet freiberuflich als Coach, Trainer und Seminarleiter in diakonischen Einrichtungen und Verbänden.

Hannes Jähnert

Hannes Jähnert ist Diplom-Sozialpädagoge und ausgebildeter Freiwilligenmanager. Er schließt derzeit seinen Master of Arts im Bereich Bildungswissenschaft – Organisation und Beratung an der TU-Berlin ab. Seit über drei Jahren beschäftigt er sich in seinem Weblog hannes-jaehnert.de regelmäßig mit den Schwerpunktthemen Interneteinsatz in der Freiwilligen-arbeit, freiwilliges Online-Engagement, Zivilgesellschaft in Zeiten von Social Media und sozialer Geschlechtlichkeit.

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Katrin Kiefer

Katrin Kiefer berät und unterstützt seit 2007 als Kommunikationsberaterin gemeinnützige Organisationen. Nach ihrem Medienmanagement-Studium spezialisierte sie sich auf Nonprofit-Management, Public Relations und soziale Medien im Internet. In ihrem Blog www.netzwerkpr.de analysiert Kiefer seit 2009 kontinuierlich das Social Media Engagement des Dritten Sektors und ist darüber hinaus als Referentin, Lehrbeauftragte und Organisatorin der Socialbar Frankfurt tätig.Twitter: @katrinkiefer | Facebook-Profil

Dr. Brigitte Reiser

Dr. Brigitte Reiser ist Beraterin für Nonprofit-Organisationen, Autorin und Vortragende mit Sitz in Stuttgart. Sie publiziert seit 2007 das Weblog nonprofits-vernetzt.de. Themen: Social Media für gemeinnützige Organisationen, Zukunft des Dritten Sektors, Bürgerbeteiligung in Nonprofits, Koproduktion, Netzwerke, Transparenz und Open Data. Twitter: @npo_vernetzt | stakeholder-management.de

Julia Russau

Julia Russau ist Dipl.-Pädagogin, Bloggerin und Autorin. Auf ihrem Blog anerkennung-sozial.de schreibt und forscht sie über die Anerkennungs- und Organisationskultur sozialer Organisationen, den Wert sozialer Berufe sowie den Einsatz von Social Media in der Sozialen Arbeit. Besonders interessiert sie die Social-Media-Kultur und das Social-Media-Lernen. Sie twittert unter @JuliaRussau

Hans Karl Schmitz

Hans Karl Schmitz ist Experte für Kooperationsmanagement, Erziehungswissenschaftler und Problemlöser für Anbieter im Sozialbereich, die effizienter und effektiver arbeiten, besser kooperieren und zu einer lernfähigen Organisation erwachsen, das Internet innovativ nutzen wollen. Er ist spezialisiert auf die sichere, effektive und effiziente Nutzung des Internets als Kommunikationskanal und Kooperationsmedium.

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Sophie Scholz

Sophie Scholz ist Dialoggestalterin, Moderatorin und Trainerin. Als Mitgründerin der e-fect dialog evaluation consulting Genossenschaft gestaltet sie on- und offline Dialog- und Partizipationsprozesse im Bereich Nachhaltigkeit. Das Thema Zivilgesellschaft & Social Media verfolgt sie im Rahmen ihres freiwilligen Engagements für die Initiative „Socialbar - online vernetzen offline bewegen“, welche sie 2008 in Berlin initiiert hat.Twitter: @socialbar| Social-Bar-Profil

Simon Wiggen

Simon Wiggen ist Online-Redakteur bei gemeindemenschen.de, dem Portal für Ehrenamtliche in Kirche und Diakonie. Wir bieten ab Herbst 2012 Wissen und Beratung für evangelische Engagierte an. Getragen wird das Portal vom Medienverband der Evangelischen Kirche im Rheinland.

Hans-Dieter Zimmermann

Hans-Dieter Zimmermann ist Dozent für Wirtschaftsinformatik an der FHS St. Gallen Hochschule für Angewandte Wissenschaften in St. Gallen. Sein Interessens- und Arbeitsbereich umfasst die Nutzung neuer Medien zur Bewältigung von Herausforderungen in Wirtschaft und Gesellschaft. Darüber hinaus ist er Mitherausgeber der wissenschaftlichen Zeitschrift Electronic Markets sowie aktiver Blogger und Social Media Enthusiast.

Stefan Zollondz

Als Diplom Sozialarbeiter (FH), Sozialmanager, NLP-Master (DVNLP) und Coach berate ich mit meinem Unternehmen Net-Pilots GmbH mit Sitz in Bielefeld Unternehmen, Organisationen und Einzelpersonen aus dem Gesundheits- und Sozialbereich in Fragen der internen und externen Kommunikation. Im Bereich der gemeinwesenorientierten Sozialarbeit bin ich seit 1995 aktiv. Auf meinem sozialarbeiterblog.de beschäftige ich mich mit aktuellen Entwicklungen im Bereich Sozialmanagement und Sozialarbeit.

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