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Uwe Janatzek Sozialinformatik in der Sozialen Arbeit Diplomarbeit Geisteswissenschaft

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Uwe Janatzek

Sozialinformatik in der Sozialen Arbeit

Diplomarbeit

Geisteswissenschaft

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Uwe Janatzek

Sozialinformatik in der Sozialen Arbeit

GRIN Verlag

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SOZIALINFORMATIK IN DER SOZIALEN ARBEIT

Diplomarbeit an der Ev. Fachhochschule Rheinland-Westfalen-Lippe im Studiengang Sozialarbeit

von

UWE JANATZEK

Bochum, 08.08.2006

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Inhaltsverzeichnis:

0. - Einleitung: 6 1. - Begriff und Geschichte der Sozialinformatik: 7 1.1. - Das mechanistische Zeitalter und die Folgen der Industrialisierung: 9 1.2 - Digitale Revolution und gesellschaftliche Entwicklungen in den

1970er Jahren: 14

1.3 - Entwicklungen der 1980er Jahre bis heute: 20 2. - Bezüge und Zuordnungen der Sozialinformatik zur Informatik: 26 2.1 - Kerninformatik, angewandte Informatik und Sozialinformatik: 26 2.2 - Gegenstand, Aufgaben und Fragestellungen der Sozialinformatik -

eine kritische Bestandsaufnahme: 31

2.3 - Separierungstendenzen zwischen Sozioinformatik und Sozialinforma-tik:

37

3. - Sozialinformatik in der Lehre - Untersuchung konkreter Lehrin-halte und sozialinformatischer Bezüge sowie Aktivitäten an deutschsprachigen Hochschulen:

40

3.1 - In der Auswertung berücksichtigte Hochschulen: 41 3.2 - Hochschulen mit Seminarangeboten zur Sozialinformatik: 41 3.3 - Andere Hochschulen mit Bezügen zur Sozialinformatik: 51 3.4 - Auswertung: 53 3.4.1 - Seminaranzahl: 53 3.4.2 - Seminarinhalte: 53 3.4.3 - Fachliche Bezüge der Seminare: 54 3.4.4 - Anteil der Hochschulen mit Seminaren sozialinformatischen Inhalts

an der Gesamtanzahl der Hochschulen, die den Studiengang Soziale Arbeit anbieten:

55

3.5 - Zusammenfassung und Kritik: 56 3.6 - Weitere Aktivitäten zur Sozialinformatik: 59 3.7 - Relevanz von sozialinformatischen Fähigkeiten und Kenntnissen am

Stellenmarkt: 61

4. - Plädoyer für ein neues Verständnis der Sozialinformatik: 64 4.1 - Sozialarbeitswissenschaft - Versuch einer Abeitsdefinition: 65 4.1.1 - Gegenstandsbereich der Sozialarbeitswissenschaft: 67 4.2 - Sozialinformatik in der Sozialen Arbeit: 71 4.2.1 - Die Sozialinformatik in ihrem Klientenbezug: 72 4.2.2 - Die Sozialinformatik in einem hermeneutischen Verständnis: 73 4.2.3 - Die Sozialinformatik als Erzeuger von Forschungswerkzeugen: 77 4.2.3.1 - Projekt EKIR: 80 4.2.3.2 - Tortendiagramm-Erstellung: 82 4.2.4 - Die Sozialinformatik als Produzent von Handlungskompetenz: 84 4.2.4.1 - Inklusionsansatz und Realkonzept: 86 4.2.4.2 - Zur Problematik der Begriffe der computerbezogenen Interaktion und

Interaktivität: 88

4.2.4.3 - Technische Kompetenzen: 91 4.2.5 - Die Sozialinformatik als Instrument der Hilfe: 91 4.2.6 - Die Sozialinformatik als Professionalisierungsinstrument: 92 4.2.7 - Die Sozialinformatik und ihre Gestaltungsaufgabe: 92 4.3 - Sozialinformatik auf neuer Grundlage: 93 4.3.1 - Gegenstand der Sozialinformatik: 93 4.3.2 - Aufgaben der Sozialinformatik: 93 4.3.3 - Sozialinformatik als Methode oder Disziplin? 94

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5. - Sozialinformatik lehren: 96 5.1 - Anknüpfungspunkte zu Bezugswissenschaften und Fächern: 96 5.1.1 - Abschließende Erläuterungen: 99 5.2 - Bisherige Curricula - eine kritische Bestandsaufnahme: 100 5.3 - Vorschlag zu einem erweiterten Curriculum: 105 5.3.1 - Der Begriff des Curriculums: 105 5.3.2 - Kompetenzfelder: 106 5.3.2.1 - Einführung in die Sozialinformatik: 107 5.3.2.2 - Kompetenzfeld A - Auswahl von Software: 108 5.3.2.2.1 - Konstruktive IT-Kritik: 108 5.3.2.2.1.1 - Geschichtliche Zusammenhänge: 109 5.3.2.2.1.2 - Kontroll- und Trackingmöglichkeiten: 110 5.3.2.2.1.3 - Technikfolgeabschätzung: 112 5.3.2.2.1.3.1 - Gesellschaftliche Folgen: 112 5.3.2.2.1.3.2 - Kosten- / Nutzenerwägungen für Felder der Sozialen Arbeit: 113 5.3.2.2.1.4 - Grenzen des Computers bei sprachbasierter Informationsverarbei-

tung: 116

5.3.2.2.2 - Die Istzustandsanalyse und ihre Voraussetzungen: 118 5.3.2.2.2.1 - Hardwarekenntnisse: 119 5.3.2.2.2.2 - Softwarekenntnisse: 120 5.3.2.2.2.3 - Konfigurationsmöglichkeiten und Usability: 121 5.3.2.2.2.4 - Open Source, Freeware, kommerzielle Software: 123 5.3.2.2.3 - Bewertungsmethodik von Software: 124 5.3.2.2.4 - Vorschläge zu praktischen Übungen: 124 5.3.2.3 - Kompetenzfeld B - Planung von Software und Erweiterung der Hand-

lungskompetenz: 125

5.3.2.3.1 - Auslagerung von Texten, Grafiken und grundlegenden Daten: 125 5.3.2.3.2 - Auswahl von Programmiersprachen: 127 5.3.2.3.3 - Autorensysteme und WYSIWYG-Editoren: 128 5.3.2.3.4 - Pseudocode und HTML: 129 5.3.2.3.5 - Agile Entwurfsmodelle und Vorgehensweisen des Softwareenginee-

rings: 130

5.3.2.3.5.1 - Anwendungsbeispiele: 135 5.3.2.3.5.1.1 - Zuordnungsübungen 1.8: 135 5.3.2.3.5.1.1.1 - Klientenbezug: 136 5.3.2.3.5.1.1.2 - Anmerkungen: 136 5.3.2.3.5.1.2 - Umgang mit Alkohol: 137 5.3.2.3.5.1.2.1 - Klientenbezug: 138 5.3.2.3.5.1.2.2 - Anmerkung: 138 5.3.2.3.6 - Vorschläge zu praktischen Übungen: 138 5.3.2.4 - Kompetenzfeld C - Erstellung von Software: 138 5.3.2.4.1 - Erlernen einer Programmiersprache: 138 5.3.2.4.1.1 - Basic: 139 5.3.2.4.1.2 - PHP: 142 5.3.2.4.2 - Programmstruktur und Modularisierung: 146 5.3.2.4.3 - Testläufe: 147 5.3.2.4.4 - Vorschläge zu praktischen Übungen: 147 5.3.3 - Zeitliche Verteilung: 147 5.3.4 - Relevanz der Sozialinformatik im Studium: 149 6. - Abschließende Erörterung: 150

Literatur 152

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Abbildungsverzeichnis:

Abb. 01 - Kartenentwurf der Deutschen Hollerith Maschinen Gesellschaft m. b. h. Abb. 02 - Erfolgreiche Microcomputer Abb. 03 - Einige wichtige Prozessoren Abb. 04 - Homecomputer-Einsteigermodelle Abb. 05 - Sozialinformatik Abb. 06 - Seminaranzahl der einzelnen Hochschulen Abb. 07 - Aufschlüsselung der Seminarinhalte Abb. 08 - Grafische Darstellung der Anteile fachlicher Zuordnungen der sozialinforma-

tischen Seminarinhalte Abb. 09 - Grafische Darstellung des Verhältnisses von Hochschulen mit Sozialinforma-

tikangeboten zu solchen ohne diese Seminarangebote Abb. 10 - Unterschiedliche Möglichkeiten der Referenzierung, Textlink und Submit-Button Abb. 11 - Das informativ-logische Schleifenmodell Abb. 12 - Projekt EKIR Abb. 13 - Eingabeoberfläche der Charts-Anwendung Abb. 14 - Beispielausgabe Diagramm Abb. 15 - Ja- / Nein-Dialog Abb. 16 - Innenansicht einer Festplatte (HD) Abb. 17 - Beispiel Programmeldung Abb. 18 - Beispiele für Buttons Abb. 19 - Wasserfallmodell Abb. 20 - Screenshot Zuordnungsübungen, Version 1.8, Windows-Anwendung Abb. 21 - Screenshot Umgang mit Alkohol Abb. 22 - Beispiel-Programm Basic Abb. 23 - Entwicklungsumgebung / Editor des Basic-Dialekts FreeBasic Abb. 24 - HTML-Eingabeoberfläche Abb. 25 - Durch PHP generierte Ausgabe

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"Wenn wir plötzlich etwas sähen, das uns fremd vorkommt, etwa eine Wolke

mit rechtwinkligen Ecken, dann würden wir bestimmt wissen wollen, was es

ist. Und wenn man uns dann sagte, es sei eine Fuba, dann würden wir fra-

gen, was eine Fuba ist. Aber die vielen Dinge, die uns umgeben, sind schon

so lange zu einem Bestandteil unseres Lebens geworden, daß sie uns nicht

fremd sind und wir auch nicht fragen, was das für Dinge sind." (Joseph Weizenbaum)

"Sapere aude." (Horaz)

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0. - Einleitung: Die Sozialinformatik und das, was damit verbunden wird, wird seit ca. zehn Jahren diskutiert.

Dabei haben sich differente Verständnisweisen herausgebildet, von denen sich jedoch keine

tatsächlich durchgesetzt hat.

Die vorliegende Arbeit versucht zum einen, einen allgemeinen Überblick über den Stellen-

wert der Sozialinformatik im Rahmen der Sozialen Arbeit und ihre unterschiedlichen Ver-

ständnisweisen zu geben. Dazu erfolgt anfangs im ersten Abschnitt die Klärung des Begriffs

sowie eine historische Betrachtung zur Entstehung des Computers sowie der Sozialen Arbeit

und ihr Verhältnis zur technischen Entwicklung, die letztendlich in der Sozialinformatik ihren

Niederschlag findet. Danach erfolgt im zweiten Abschnitt eine kurze Erläuterung des Informa-

tikbegriffs sowie eine kritische Erörterung der derzeitigen sozialinformatischen Ansätze, Ge-

genstandsbeschreibungen und Aufgabenzuweisungen.

Um einen umfassenderen Überblick zu liefern, wird zudem im dritten Abschnitt die Berück-

sichtigung der Sozialinformatik bzw. sozialinformatischer Inhalte im Rahmen der derzeitigen

Studiengänge für Sozialarbeit bzw. Sozialpädagogik oder Soziale Arbeit an deutschsprachi-

gen Hochschulen untersucht sowie weitere Aktivitäten zur Sozialinformatik aufgezeigt. Dar-

über hinaus erfolgt eine kurze Betrachtung zur Relevanz sozialinformatischer Kenntnisse am

Stellenmarkt für Arbeitsfelder der Sozialen Arbeit.

Zum anderen verfolgt die vorliegende Arbeit aber auch den Zweck, ein alternatives Ver-

ständnis der Sozialinformatik als Disziplin zu entwickeln, das auf einer hermeneutischen Ba-

sis und auf einem klientenbezogenen Ansatz beruht und mit der Sozialarbeitswissenschaft

weitestgehend korreliert. Dazu wird im vierten Abschnitt aufgezeigt, welche Aufgaben der

Sozialinformatik auf dieser Grundlage zufallen können hinsichtlich der Gestaltung und Erstel-

lung soziotechnischer Systeme, der Professionalisierung der Sozialen Arbeit, der Sozialar-

beitsforschung sowie der Erweiterung der Handlungskompetenz und auf welcher theoreti-

schen Grundlage dies geschehen könnte.

Darauf aufbauend wird im fünften Abschnitt ein Curriculum vorgeschlagen, um sowohl die

theoretischen Grundlagen als auch die technischen Inhalte der im vierten Abschnitt entwi-

ckelten Sozialinformatik in der Lehre umzusetzen. Obwohl hierbei auch Korrelationen zu den

Bezugswissenschaften der Sozialen Arbeit erörtert werden, liegen die Schwerpunkte des

Curriculuminhalts zum einen auf der Konstruktiven IT-Kritik, die im wesentlichen dazu dient,

zur realistischen und kritischen Einschätzung des Computereinsatzes in Feldern der Sozia-

len Arbeit zu befähigen und zum anderen auf der Vermittlung der notwendigen technischen

Kompetenzen, die zur aktiven Gestaltung informationsverarbeitender soziotechnischer Sys-

teme im Rahmen der Sozialen Arbeit benötigt werden bzw. als sinnvoll erscheinen.

Abschließend erfolgt im sechsten Abschnitt eine zusammenfassende Erörterung.

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1. - Begriff und Geschichte der Sozialinformatik: Der Begriff Sozialinformatik wurde möglicherweise ca. 1996 erstmals von Mehlich verwendet,

was aber keineswegs als sicher gelten kann. Ebenso wenig wie die Herkunft des Begriffs mit

Sicherheit bestimmt werden kann läßt sich auch die Frage beantworten, was Sozialinformatik

sei oder sein könnte, welche Inhalte sie aufweist bzw. aufweisen sollte, ob es sich dabei ü-

berhaupt um eine Informatik handelt und welche Position sie innerhalb der Sozialen Arbeit

einnimmt, Punkte, die durchaus strittig sind - dazu trägt auch die ungünstige Quellenlage bei.

Bis auf eine kurze Zusammenfassung von Wendt (2000) und ein schmaler Band von Krei-

denweis (2004) beschränken sich Besprechungen zu möglichen Inhalten, Erörterungen hin-

sichtlich des Begriffs und der Verankerung der Sozialinformatik in der Lehre auf diverse Arti-

kel in Fachmagazinen und Einträge in Weblexika wie z.B. der Wikipedia oder auf kurze Er-

läuterungen auf Webseiten von Dozenten bzw. Hochschulen und einigen Interessierten.

Hierfür kommen zwei mögliche Gründe in Frage, nämlich daß sich hier zum einen ganz ein-

fach das Nicht-Interesse der Entscheidungsträger, Lehrenden und professionell Tätigen in

der Sozialen Arbeit an diesem Gegenstand ausdrückt, oder zum anderen ein Interesse mög-

licherweise vorhanden ist, der Gegenstand aber als zu "technisch" bzw. fachfremd und / oder

zu voraussetzungsvoll angesehen wird, um sich mit diesem näher auseinanderzusetzen.

Natürlich sind noch weitere Gründe oder auch eine Gemengelage von Gründen denkbar,

was in der vorliegenden Arbeit aber kein weiterer Diskussionsgegenstand sein wird. Mit den

obigen Ausführungen sollte lediglich auf das Spannungsfeld verwiesen werden, das an-

scheinend zwischen einem (scheinbar) äußerst technischen Thema und dem Anspruch der

Sozialen Arbeit, die professionell helfende Handlung zugunsten des Klienten in den Mittel-

punkt von Theorie und Praxis zu stellen, existiert.

Die schon angesprochene nicht gerade optimale Quellenlage und die Unschärfe des Begriffs

wird auch gespiegelt durch die verschiedenen Synonyme, mit der Sozialinformatik belegt ist

bzw. belegt wurde. Sozialinformatik wird bzw. wurde auch bezeichnet als Sozioinformatik1

oder Angewandte Informatik in der Sozialarbeit / Sozialpädagogik2, bisweilen wird synonym

darunter auch EDV in der Sozialen Arbeit oder Informatik Sozialer Arbeit verstanden. Stahl-

mann hingegen schlägt statt des Begriffs der Sozialinformatik die Bezeichnung Sozialberufe-

informatik vor "weil dieser Begriff bereits von der Informatik besetzt und seine Konnotation

auch breiter ist.3" Weiterhin weist die Sozialinformatik auch in ihrer Reflexion des Ineinander-

1 Anzumerken ist, daß hier eine Differenzierung zwischen Sozioinformatik und Sozialinformatik festzustellen ist, worauf weiter unten noch näher eingegangen wird. 2 Vgl. Jurgovsky, M.: Was ist Sozialinformatik?, in: Neue Praxis, H. 3, 32. Jg. 2002, S. 297-303. 3 Stahlmann, G. in: "Informationsgesellschaft" und Soziale Arbeit. Einige essayistische Bemerkungen, unter: http://www2.fh-fulda.de/fb/sw/projekte/swin/texte/ingesell.htm, 01.07.2006

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greifens von technologischen und sozialen Entwicklungen Bezüge zur Soziotechnik auf4 und

bei Integration auch soziologischer Ansätze weitere Bezüge zur Sozionik5. Diese unter-

schiedlichen Begrifflichkeiten ergeben sich aus historisch gewachsenen Deutungen und dif-

ferierenden Verständnisweisen der jeweiligen Vertreter der einen oder anderen Richtung, so

daß es sinnvoll erscheint, die Entwicklung der bisherigen Diskussion über den Stellenwert

und den Zweck des Computereinsatzes im Rahmen der Sozialen Arbeit zumindest kurz an-

zuschneiden und in einem weiteren Schritt den Bezug der Sozialinformatik zur Informatik zu

klären. Als ein weiterer Grund für die folgende Betrachtung kommt hinzu, daß der Begriff der

Sozialinformatik ansonsten einer einseitigen Definitionsmacht einiger Akteure in diesem Be-

reich unterliegen würde, deren Begriffsdeutung und -zuordnung allerdings zumindest hinter-

fragt werden kann, wovon später noch zu sprechen sein wird.

Zudem kann der Computer (muß es aber nicht!) hinsichtlich professioneller Hilfeleistungen

der Sozialen Arbeit eine Rolle spielen, sowohl was die Lebenswelt des Klienten wie auch des

Sozialarbeiters / Sozialpädagogen betrifft - der Klient wird in zunehmendem Maße mit Hilfe

des Computers "verwaltet" (Kostenkontrolle, Dokumentationssysteme usw.) und ihm mit

technischer Hilfe Leistungen bewilligt oder nicht, der Sozialarbeiter als "Bediener" oder "An-

wender"6 der Maschine verwaltet den Klienten als Datensatz, möglicherweise benutzen beide

in ihrem häuslichen Umfeld ebenfalls einen Computer oder der Klient gehört zu den informa-

tion poor, jenen Personen, die aufgrund unzureichender Mittel (finanzieller Art oder sozialisa-

tionsbedingt) keinen Zugang zu den modernen Techniken finden können oder wollen. Kurz

gesagt läßt sich die Informations- und Kommunikationstechnologie sowohl aus der Lebens-

welt des Klienten wie auch aus vielen Hilfeprozessen und somit aus Vorgängen professionel-

ler Art nicht einfach ausblenden, was immer auch auf die Bedeutung der Technik und ihres

Einsatzes verweist - Bedeutung und ihr Verständnis ergibt sich aber nicht einfach aus dem

Augenblick heraus, sondern steht immer im Zusammenhang mit individuellen und soziokultu-

rellen sowie soziotechnischen Entwicklungen. Diese Erkenntnis ist keineswegs neu, verweist

aber trotzdem immer wieder auf die Notwendigkeit der Reflexion auch historischer Hinter-

gründe und Zusammenhänge.

Weiterhin ist m.E. nach das Verständnis dessen, was Sozialinformatik ist oder sein soll dem-

entsprechend auch in engem Zusammenhang mit der technischen und allgemeinen gesell-

schaftlichen Entwicklung zu sehen, so daß es zu einer sehr eingeengten Betrachtung führen

4 Soziotechnik (oder auch Soziotechnische Systeme) beinhalten die "Gesamtheit von Technischem und Sozialem" im soziokul-turellen Umfeld der Gesellschaft. Vgl. Schneider, G.: Naturwissenschaftlich - Technische Allgemeinbildung und Soziotechnik, Erweiterter Vortrag zur Internationalen Konferenz "Natur - Mensch - Technik" - Geschichte, Probleme und Entwicklung Techni-scher Bildung, Pädagogische Hochschule Erfurt 1999 5 Sozionik bezeichnet ein interdisziplinäres Forschungsgebiet zwischen Soziologie und KI-Forschung (also zur Künstlichen Intelligenz). Dabei geht u.a. darum, soziale Entwicklungs- und Lernpotentiale, die sich aus Interaktions- und Organisationssys-temen ergeben, zur Herstellung sozial lernender Software verfügbar zu machen. Vgl. Malsch (Hrsg.) 1998: 9 6 Beide Begriffe, sowohl der des Bedieners wie auch der des Anwenders implizieren schon einen Teil der Problematik, die sich aus dem Verhältnis von professioneller Hilfe und Klientenzentrierung ergibt - "bedient" der Sozialarbeiter / Sozialpädagoge die Maschine in dem Sinne, daß er nur die Daten eingibt und dann auf das Ergebnis wartet? Oder wendet er die Maschine an, und wenn ja, in welchem Sinne? Wendet er sie auf den Klienten bzw. einen Sachverhalt an oder wendet er sie im Sinne eines Werkzeugs für den Klienten an?

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würde, würden diese Einflußfaktoren nicht erwähnt - denn wenn über Informatik (auch So-

zialinformatik) geschrieben wird, so kann dies nur vor dem Hintergrund der Soziotechnik und

auch der Entwicklung des Computers geschehen7. Und "wenn wir über Computer sprechen,

so gehen wir dabei im Allgemeinen von den technischen Grundlagen, also von Hard- und

Softwarekonfigurationen aus. Deren Entwicklung ist jedoch jeweils eingebettet in ein allge-

meines soziokulturelles Umfeld. Es mag überraschen, daß ein so materialistisches Gerät wie

ein Rechenautomat letztlich in Denkmodellen und Vorstellungen von Philosophen wurzelt,

deren Überlegungen eine ganze Epoche geprägt haben" (Matis 2002: 51).

1.1. - Das mechanistische Zeitalter und die Folgen der Industrialisierung: Verwiesen wird mit dem obigen Zitat insbesondere auf das mechanistische Zeitalter, dessen

Grundlage in den Denkschemata des cartesianischen Rationalismus, in Newtons physikali-

schem Imperativ des Naturverständnisses8 sowie in dem durch Bacon explizit formulierten

Machtanspruch des Menschen gegenüber der Natur9 wurzelt, ohne die eine Entwicklung

moderner Informationstechnologie als eine der späteren Folgen der industriellen Revolution

nicht denkbar wäre. Die (negativen) sozialen Auswirkungen der Denkmodelle und Produkti-

onsformen des mechanistischen Zeitalters führten bekanntlich erst überhaupt zu den ersten

Anfängen einer staatlichen Sozialpolitik, wenn diese sich anfangs allerdings - in Deutschland

schon sehr frühzeitig vor allem als Reaktion auf die desolaten gesellschaftlichen Zustände

als Spätfolgen des Dreißigjährigen Kriegs10 - meist nur auf die Einrichtung von Zucht- und

Arbeitshäusern11 zur Disziplinierung künftiger bzw. möglicher karg bezahlter Lohnarbeiter

beschränkte12. Eine gewisse Zäsur brachte die französische Revolution von 1789 mit sich,

zumindest im Hinblick auf mögliche Staats- und Gesellschaftsordnungen. In Deutschland

hingegen (oder besser gesagt in den vielen deutschen Kleinstaaten insbesondere nach der

Auflösung des Kaiserreichs 1806) blieb die Mehrklassengesellschaft weitestgehend erhalten,

von egalité konnte keine Rede sein. Die zunehmende Industrialisierung und der ungebändig-

te Kapitalismus in Verbindung mit einer schnell wachsenden Bevölkerung, der Landflucht

und einer hohen Arbeitslosigkeit führte bekanntlich zur Verelendung ganzer Volksmassen,

die im 19. Jahrhundert die Elendsquartiere der Städte bevölkerten oder in Dörfern am Rande

des Existenzminimums oder darunter dahinvegetierten. Staatliche Eingriffe und Verbesse-

rungsversuche gab es kaum, sieht man von einzelnen (nur wenig erfolgreichen) gesetzlichen 7 Wobei die folgenden Ausführungen keinesfalls den Anspruch auf Vollständigkeit erheben und dies auch gar nicht können, da selbst unter vielerlei Auslassungen der Rahmen der vorliegenden Arbeit dafür nicht ausreichen würde - vielmehr sollen die historischen Entwicklungen als eine (nur oberflächliche) Darstellung einiger grundlegender Zusammenhänge verstanden wer-den. 8 Vgl. Matis 2002: 52 9 Vgl. Gloy 1995: 179 10 Vgl. Frevel / Dietz 2004: 18 11 Die allerdings auch Produktionsstätten waren und durch den Einsatz extrem billiger Arbeitskräfte Arbeitsplätze in umliegen-den Manufakturen vernichteten, die Lage also nur noch verschärften. Vgl. Frevel / Dietz 2004: 18

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Vorgaben wie der Einschränkung der Kinderarbeit in Preußen ab 1839 ab13 - auch die Auf-

hebung der Leibeigenschaft in Preußen 1807 (tatsächlich im Sinne der Aufklärung vollzogen)

und die damit in Zusammenhang stehende Bodenreform von 1811 (die allerdings nach der

Niederlage gegen Napoleon zur Stärkung des preußischen Staates dienen sollte) führte zwar

bis 1850 tatsächlich zu einer Verdoppelung der landwirtschaftlichen Erträge, allerdings auch

dazu, daß viele Bauern aufgrund der gesetzlich vorgeschriebenen Ausgleichszahlungen für

die früheren adligen Landbesitzer und vor allem die landlosen, Kleinvieh haltenden Dorfbe-

wohner durch die Auflösung der Allmenden verarmten und so das Heer der dörflichen Heim-

arbeiter und der Lohnarbeiter in den Städten noch vergrößerten14.

Neben diesen wenigen und unzureichenden (um nicht zu sagen kontraproduktiven15) staatli-

chen Regulierungen entwickelten sich allerdings sowohl private wie auch kirchliche Initiativen

zur "Linderung" der materiellen Not der Lohn- und Heimarbeiter. Diesbezüglich sind insbe-

sondere die Tätigkeiten von Wichern16 und Fliedner17 zu nennen (aber auch z.B. von Kol-

ping). Allerdings muß gesagt werden, daß diese Bemühungen aus einem bestimmten Geist

heraus resultierten, insofern also einerseits zwar an den Lebensbedingungen der Zielgrup-

pen orientiert waren, andererseits aber auch als reaktionär angesehen werden können, da es

nicht darum ging, grundlegende (bzw. politische) Änderungen durchzusetzen. Auch die

"Deutsche Revolution" von 1848/4918 führte aufgrund ihres Scheiterns nicht zu Verbesserun-

gen hinsichtlich der sozialen Lage der Lohn- und Heimarbeiter19. In anderer Hinsicht war das

Jahr 1848 ebenfalls nicht unbedeutend - so verfaßte zum einen Karl Marx zusammen mit

Friedrich Engels das "Manifest der Kommunistischen Partei", zum anderen wurde auf der

Grundlage der Arbeit von Wichern und Fliedner (sowie vieler weiterer Aktivitäten in protes-

tantischen Gemeinden) der "Centralausschuss für die Innere Mission" gegründet20 (was auch

in direktem Zusammenhang mit den zunehmenden kommunistischen Strömungen gesehen

werden kann). Später kamen weitere religions- bzw. politisch intendierte Wohlfahrtsorganisa-

tionen hinzu21, die jedoch teilweise erst in der Weimarer Republik gegründet wurden und dort

auch erstmalig in der rechtlichen Stellung eines an staatlichen Sozialmaßnahmen beteiligten 12 Vgl. Sagebiel, J.: Geschichte der Sozialen Arbeit - Die Mütter der Sozialen Arbeit, FH München FB Sozialwesen, in: http://www.fhm.edu/fb11/Lehrmaterial/Sagebiel/Material/Skript_Geschichte_Sozialen_Arbeit.pdf, 01.06.2006 13 Vgl. Hug / Danner / Busley 1977: 174. Hierzu ist allerdings anzumerken, daß dies keineswegs aus humanitären Gründen geschah, sondern weil festgestellt wurde, daß die für das Militär benötigten Rekruten in körperlich zu schlechter Verfassung für den Dienst waren. Wirtschaftliche Bestrebungen auf (zwischen-)staatlicher Ebene wurden allerdings weit rigoroser verfolgt und führten 1834 zur Gründung des Zollvereins, also einem Zusammenschluß von 18 deutschen Staaten, die hierdurch einen grö-ßeren Markt für industrielle Produkte eröffnen und Handelsbarrieren abschaffen wollten (vgl. Hug / Danner / Busley 1977: 167 f). 14 Vgl. Hug / Danner / Busley 1977: 158 ff. Anzumerken ist, daß es auch zu einer ganzen Reihe von Auswanderungen kam, eine regelrechte Auswanderungswelle setzte insbesondere nach der durch Preußen niedergeschlagenen "Deutschen Revolution" ein. 15 Zu erinnern hier an den Aufstand der schlesischen Weber 1844. 16 Gründete 1833 das "Rauhe Haus" in Hamburg als "Rettungsanstalt" für verwahrloste Kinder. Vgl. Boeßenecker 2005: 122 17 Gründete 1836 das Diakonissenhaus Kaiserswerth für die Arbeit mit weiblichen Strafgefangenen. Vgl. Boeßenecker 2005: 122 18 Die sowieso eher eine bürgerliche Revolution war, was sich auch in der Besetzung des Parlaments äußerte (vgl. Ribhegge 1998). 19 Eine tatsächliche Besserung trat bekanntlich erst nach der Konstituierung des Kaiserreiches 1871 ein, als Bismarck nach und nach die Sozialversicherungen einführte (zwar als Instrument der Herrschaftssicherung im Sinne von divide et impera, aber nichtsdestotrotz reale Verbesserungen). 20 Vgl. Boeßenecker 2005: 122

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Wohlfahrtsverbands bestätigt wurden22, ein Status, der nach der Gleichschaltung bzw. der

Auflösung der Verbände durch die NSDAP nach dem zweiten Weltkrieg in der Bundesrepu-

blik wiederhergestellt wurde.

Die Wohlfahrtsverbände stellen heute 74 % aller Einrichtungen sozialer Dienste (mit ca. 1,2

Millionen hauptberuflich Beschäftigten ein nicht unwesentlicher Anteil am Arbeitsmarkt23), in

denen insbesondere zu Verwaltungszwecken und zur Mittelverteilung (bisweilen auch für

andere Zwecke) Computer eingesetzt werden, ein nicht unwesentlicher Gesichtspunkt hin-

sichtlich der hier behandelten Sozialinformatik.

Die Idee, sich mithilfe mechanischer oder anderer Hilfsmittel die Arbeit zu erleichtern, kam

bekanntlich aber nicht erst mit dem mechanistischen Zeitalter oder der Industrialisierung

auf24, auch nicht auf dem Sektor der Rechenarbeit, also der grundlegenden Funktion eines

Computers. Tatsächlich sind schon seit dem Altertum Geräte und Hilfsmittel bekannt, die der

Rechenvereinfachung dienten, die ältesten Geräte dürften dabei Kerbhölzer und Rechenbret-

ter gewesen sein, auch die schon im Altertum verbreitete Fingerrechnerei (von der auch He-

rodot berichtet25) kann dazu gezählt werden, zur gleichen Zeit (also ca. 500 v.u.Z.) war in

Ägypten bereits der Abakus bekannt26. All diese Rechenhilfen blieben über Jahrtausende in

Gebrauch, der Rechentisch (ähnlich dem antiken Rechenbrett) wurde in Frankreich sogar

erst im 18. Jahrhundert im Zuge der Revolution im Schulunterricht abgeschafft27, der Abakus

blieb (als Kinderspielzeug) noch weit länger im Gebrauch. Daneben waren schon seit der

Antike verschiedene Rechentabellen und Anweisungen für die Berechnung von Brüchen und

auch zur Umrechnung von Werten (Längen, Maße) bekannt, ab dem ausgehenden Mittelal-

ter kamen vermehrt arithmetische und logarithmische Tafeln hinzu, die insbesondere für die

Navigation in der Schiffahrt, für Geländeberechnungen und andere Zwecke benötigt wurden.

Gerade die Erstellung dieser teilweise sehr umfangreichen Tafeln bzw. die damit verbundene

stupide und langwierige oder auch als unwürdig empfundene Anwendung einfacher, mecha-

nisch ablaufender Operationen weckte immer wieder den Wunsch, diese Arbeiten zu auto-

matisieren. So ist sowohl von Schickard, Pascal, Leibniz und Charles Babbage als auch

von Konrad Zuse und Howard H. Aiken bekannt, daß sie aus diesem Wunsch eine wesentli-

che Motivation für die Entwicklung ihrer Rechenmaschinen zogen.

Daneben steht die Geschichte des Computers (und damit der angewandten Informatiken)

aber auch in engem Zusammenhang mit der Entwicklung der Automaten, die zwar schon seit

21 Caritas 1897, AWO 1919, DPWV 1924, DRK 1863, ZWST 1917. 22 Vgl. Hüppe / Schrapper (Hrsg.): 1989: 83 ff 23 Vgl. Boeßenecker 2005: 59 ff 24 Wobei nach Bernal (1967: 74) zumindest die Arithmetik auch älter ist als die Schrift, woraus der Schluß gezogen werden kann, daß Zahlensymbole bzw. die Darstellung von Werten durch Gegenstände (z.B. Steine) die ältesten nicht-kultischen Sym-bole sind. 25 Vgl. Matis 2002: 30 26 Vgl. Asimov 1996: 41 27 Vgl. Matis 2002: 34

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der Antike28 (und auf einfacher Basis auch zuvor29) gebaut wurden, die aber erst seit den

Anfängen der Neuzeit aufgrund der verbesserten handwerklichen Fähigkeiten30 und des

durch den zunehmenden Handel gesteigerten Ideenflusses in Verbindung mit der Entste-

hung naturwissenschaftlicher Methoden in größerer Stückzahl hergestellt werden konnten31,

was sich insbesondere auf die Einführung von Heim- und Manufakturarbeit als eine Verände-

rung der bisherigen Art der Arbeits- und Produktionsformen und als Vorläuferform der späte-

ren Industrialisierung bezieht (dies steht natürlich auch in Zusammenhang mit der Kolonisie-

rung anderer Kontinente durch die europäischen Staaten, wodurch einerseits Materialien für

die Massenproduktion erschlossen wurden und andererseits [auch] die Absatzmärkte für

industriell gefertigte Massenprodukte, was besonders für die Stahlerzeugung32 und Baum-

wollprodukte33 gilt. Diese Zusammenhänge sollen hier jedoch aufgrund ihrer Komplexität

nicht weiter verfolgt werden34).

Zemanek (1991: 34 f) verdeutlicht die Verbindung zwischen Computer und Automat und ihre

Bedeutung in prägnanter Weise: "Ein Automat ist eine technische Einrichtung, welche eine

Aufgabe - oder ein ganzes Bündel von Aufgaben - nach einer Auslösung selbsttätig ausführt.

Es kann dabei um Verkauf, Transport, Verarbeitung, Musik - um jede technisch lösbare Auf-

gabe gehen, um Material, Energie oder Information.

Der programmierte Automat arbeitet mit einem Programm, einer Kette von Befehlen, und

er wird immer mehr zum computergesteuerten Automaten, weil die dafür geeigneten Mic-

rocomputer leistungsfähig und billig sind. Damit werden Computer und Automat fast identi-

sche Begriffe - denn die Informationsverarbeitung ist die zentrale Funktion des Automaten,

und schon beim Rechengerät kommen als >>Sinnes-<< und >>Ausführungs-<<Organe Ein-

und Ausgabe hinzu. Bei allen anderen Automaten sind es Varianten künstlicher Sensoren

und künstlicher Effektoren, welche die automatische Informationsverarbeitung in die rechten

Bahnen lenken und die Ergebnisse auf die Umwelt übertragen. Die Analogie mit dem Lebe-

wesen ist dabei offensichtlich; [...] Der Unterschied zum Lebewesen ist ebenso evident. Nicht

nur dient ein Automat stets einem speziellen Zweck; er kann somit auf jede Ähnlichkeit mit

dem Menschen oder einem Tier verzichten. Ähnliches Aussehen verrät daher immer entwe-

28 Zu erinnern hierbei insbesondere an die nach dem Düsenprinzip arbeitende "Dampfmaschine" von Heron (ca. 100 v.u.Z.). Vgl. Bernal 1965: 141 29 Zemanek (1991: 31) verweist hier auf die Wildfallen, die einem Automatismus folgen, (Lock-)Informationen bereithalten, über eine Energieversorgung verfügen (z.B. ein gespanntes Seil) und mehrfach verwendet werden können - dies trifft jedoch auch auf einen Automaten ganz anderer Art zu, der das Zeitalter der Moderne nachhaltig einläutete, nämlich die schon lange vorher unter verschiedenen Namen bekannte Guillotine (vgl. Barring 1967: 147 ff), wenn hier die Information auch eher im Ergebnis als in der "Eingabe" lag. 30 Was insbesondere für die Feinmechanik gilt und z.B. die Entwicklung relativ exakter Uhrwerke nach sich zog (obwohl die erste mechanische Uhr wahrscheinlich bereits zwischen 1270 und 1330 entwickelt wurde. Vgl. Schow, E. in: maßstäbe # 6 2005, S. 27). 31 Dyson (2000) weist explizit auf die enge Verbindung zwischen den Anfängen der modernen Naturwissenschaften und den technischen Entwicklungen hin. 32 In Verbindung mit der Kohleförderung, für die schon frühzeitig Dampfmaschinen zur Grubenentwässerung eingesetzt wurden. Vgl. zu diesem Themenkomplex Bernal 1965: 372 ff. 33 Zu erinnern hierbei an den weltweit verbreiteten lochkartengesteuerten Webstuhl von Jean Marie Jacquard (1752 - 1834), der wiederum auf die früheren (vorwiegend zum Amüsement der Privilegierten geschaffenen) Arbeiten des Automatenbauers Vau-canson zurückgriff (vgl. Zemanek 1991: 48). 34 Vgl. zu diesem Themenkomplex ausführlichst Hobsbawm 2004 und Paczensky 1970.