Value Reporting in der Finanzkrise

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Value Reporting in der Finanzkrise Value Reporting ergänzt das Financial Reporting und schafft mehr Transparenz für Investoren. Doch wann lohnt sich dies? Die Universität zu Köln hat unter- sucht, ob die DAX 30-Unternehmen während der Finanzkrise ihr Value Reporting ausgebaut haben, um die restriktivere Vergabe von Bankkrediten durch die Er- schließung neuer Finanzierungsquellen zu kompensieren. Thomas Gronwald, Julia Nasev 50 Controlling & Management Review 6 | 2013 Spektrum | Value Reporting

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Value Reporting in der FinanzkriseValue Reporting ergänzt das Financial Reporting und schafft mehr Transparenz für Investoren. Doch wann lohnt sich dies? Die Universität zu Köln hat unter-sucht, ob die DAX 30-Unternehmen während der Finanzkrise ihr Value Reporting ausgebaut haben, um die restriktivere Vergabe von Bankkrediten durch die Er-schließung neuer Finanzierungsquellen zu kompensieren.

Thomas Gronwald, Julia Nasev

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Seit Beginn der Finanzkrise sieht sich eine Vielzahl von Unternehmen mit dem Problem konfrontiert, dass sie keine Bankkredite oder nur solche mit schlechten Konditionen erhalten. In der Folge müssen Unternehmen ver-mehrt auf Finanzierungen über die Kapitalmärkte setzen, beispielsweise über die Emission von Wertpapieren (vgl. Deutsche Bank AG DB Research 2012, S. 4). Angesichts der veränderten Umstände ist anzunehmen, dass erstens Unternehmen und deren CEOs und CFOs zunehmend auf eine wertorien-tierte Berichterstattung setzen, um den Anforderungen des Kapitalmarktes Rechnung zu tragen, und zweitens die Finanzkrise als exogener Schock den Nutzen-Kosten-Trade-off des Value Reportings geändert hat. Inwiefern sich diese Annahmen bestätigen und das Value Reporting der DAX 30-Unterneh-men sich in der jüngeren Vergangenheit tatsächlich verändert hat, hat die Universität zu Köln in einer empirischen Analyse untersucht.

Abgrenzung von Value ReportingValue Reporting ist „die regelmäßige, strukturierte externe Berichterstattung eines Unternehmens, die geeignet ist, die Informationsasymmetrie zwischen interner und externer Sicht des Unternehmens zu verringern und die Er-mittlung des Unternehmenswertes durch die (potentiellen) Investoren zu ermöglichen bzw. zu verbessern“ (Heumann 2005, S. 7).

Sowohl das Value Reporting als auch das Rechnungslegungssystem sind Bestandteile des Business Reportings (Ruhwedel/Schultze 2002). Das Value Reporting erweitert hierbei das verpflichtende Financial Reporting um be-wertungsrelevante Aspekte, wodurch ein umfassendes Business Reporting möglich ist. Abbildung 1 zeigt, dass durch IFRS der Anteil des Financial Re-portings am Business Reporting größer wird. Zudem ist Value Reporting ein Bestandteil der Investor Relations, es gehört somit auch zur Unternehmens-kommunikation.

Ein aussagekräftiges Value Reporting sollte Informationen über den Wert-zuwachs des Unternehmens (Value Added Reporting), über die gesamte Wertschaffung aus Sicht der Kapitalgeber (Total Return Reporting) sowie über die nachhaltigen Wertschaffungspotenziale (Strategic Advantage Re-porting) enthalten.

Die Angabe des Steuerungskonzeptes sowie die unternehmensspezifische Definition der Spitzenkennzahl sind für die Beurteilung der Wertgenerie-rung eines Unternehmens durch (potenzielle) Investoren von wesentlicher Bedeutung. Derartige Informationen sind Gegenstand des Value Added Re-portings. Ferner lassen sich durch die Gegenüberstellung des mittels wert-orientierter Performancemaße ermittelten und kommunizierten Unterneh-menswertes mit der Marktkapitalisierung Wertlücken aufdecken. Diese kön-nen auf eine Unter- bzw. Überbewertung des Unternehmens hindeuten und somit als Grundlage der Investitionsentscheidung der Investoren dienen.

Im Rahmen des Total Return Reportings soll das Unternehmen insbeson-dere Informationen veröffentlichen, die im Zusammenhang mit der Ent-wicklung des Aktienkurses und der Dividende stehen und somit dem Anteilseigner die Möglichkeit geben, die gesamte Rendite aus seinem Invest-

Dr. Julia NasevUniversität zu Köln, Seminar für ABWL und Controlling, E-Mail: nasev@wiso. uni-koeln.de

Thomas GronwaldUniversität zu Köln, Seminar für ABWL und Controlling, E-Mail: [email protected]

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ment, den Total Shareholder Return, abzuschätzen. Aus Ak-tionärssicht sind Informationen zur Volatilität der Aktie so-wie ihrer Entwicklung in der Vergangenheit, vor allem im Vergleich zu Marktindizes oder Wettbewerbern, von wesent-licher Bedeutung. Zweckmäßig erscheint hierbei die Kom-mentierung starker Kursschwankungen, um die Aktienper-formance besser beurteilen zu können.

Die Höhe des Unternehmenswertes wird wesentlich durch zukünftig realisierte Cashflows determiniert, sodass das Stra-tegic Advantage Reporting im Rahmen des gesamten Value Reportings eine herausragende Stellung einnimmt. Neben Informationen über die Ziele des Managements sowie ihre

Strategien und Maßnahmen zur Zielerreichung sind auch die wichtigsten marktfeldspezifischen Charakteristika wie Res-sourcen, Risiken und Beziehungen des Unternehmens darzu-legen, um eine Prognose über die Entwicklung zukünftiger Wertschaffungspotenziale treffen zu können.

Abbildung 2 illustriert anhand der RWE AG, wie Informa-tionen zu diesen drei Bereichen des Value Reportings im Ge-schäftsbericht aussagekräftig publiziert werden.

Value Reporting Trade-offValue Reporting vs. strategisches Non-Value ReportingDie Nachfrage nach über die traditionelle Berichterstattung hinausgehenden Informationen deutscher kapitalmarktorien-tierter Unternehmen ist insbesondere auf das zunehmende Investment ausländischer Investoren (vgl. Ernst & Young GmbH 2012, S. 5 ff.) sowie den steigenden Anteil des Grund-kapitals im Streubesitz zurückzuführen (vgl. Fehre et al. 2011, S. 3). Der zunehmende Streubesitz erschwert die Kommuni-kation der Unternehmen mit einzelnen Investoren und ist somit ein wesentlicher Treiber für eine Unternehmenspub-lizität, die den Anforderungen aller Investoren genügt. Dieser Entwicklung wurde auch mit dem Deutschen Corporate Governance Kodex (DCGK) Rechnung getragen, indem man die Gleichbehandlung aller Aktionäre bei der Übermittlung von Informationen kodifiziert hat (DCGK 6.3).

Das Value Reporting ist ein Instrument, mit dem die Infor-mationsasymmetrie zwischen Kapitalgebern und Managern

Quelle: eigene Darstellung in Anlehnung an Heumann 2005, S. 9; Ruhwedel/Schultze 2002, S. 608

Abb. 1 Einordnung des Value Reportings in das System der externen Unternehmens-kommunikation

Public Relations: Gesamte Unternehmenskommunikation

Investor Relations: Gesamte Kapitalmarktkommunikation

Value ReportingFinancial ReportingFinancial Reporting

Business Reporting

Zusammenfassung•Das Value Reporting hat sich im Untersuchungszeit-raum 2008 bis 2011 bei einigen DAX 30-Unternehmen beträchtlich geändert.•Eine signifikante Veränderung bedingt durch die Finanzkrise lässt sich für die DAX 30-Unternehmen jedoch im Durchschnitt nicht empirisch beobachten.•Die Kosten, die für Unternehmen mit zunehmender Transparenz durch Value Reporting einhergehen, übersteigen wohlmöglich den damit verbundenen Nutzen.

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reduziert werden kann. Unternehmen werden jedoch auf eine wertorientierte Berichterstattung verzichten, wenn die damit verbundenen Kosten größer sind als die Einsparungen, die hierdurch erzielt werden können. Auf Kostenseite sind z. B. wettbewerbsinduzierte Kosten aufgrund der Preisgabe sen-sibler Informationen oder erhöhtes Prozess risiko zu nennen, auf Einsparungsseite beispielsweise die Senkung der Finan-zierungskosten, Erschließung neuer Kapitalquellen sowie die Bedienung der Eigenkapitalgeberansprüche.

Value Reporting während der FinanzkriseSeit der Finanzkrise kann zum einen die frühzeitige und um-fassende über die traditionelle Berichterstattung hinausge-hende Information des internationalen Kapitalmarkts einen

Beitrag dazu leisten, die Verunsicherung an den Finanzmärk-ten zu überwinden. Zum anderen müssen Unternehmen den Mangel an Fremdkapital aufgrund der restriktiveren Vergabe von Fremdkapitaltiteln durch Banken vermehrt durch alter-native Finanzierungsformen kompensieren (vgl. Deutsche Bank AG DB Research 2012, S. 4). Eine ausgeweitete Unter-nehmenspublizität sollte daher an Relevanz gewonnen haben. Abbildung 3 zeigt, dass Unternehmen in Europa in der aku-ten Phase der Jahre 2008 und 2009 der Finanzkrise versucht haben, die rückläufige Nettokreditvergabe durch Wertpapier-emissionen auszugleichen.

Im vierten Quartal 2008 ging die Nettokreditvergabe an den Unternehmenssektor zurück, wohingegen die Netto-Wert-papier emissionen im gleichen Zeitraum anstiegen. In den

Quelle: Geschäftsbericht 2011 der RWE AG

Abb. 2 Konzeptioneller Rahmen der wertorientierten Berichterstattung am Beispiel der RWE AG

Value Added Reporting

„Renditeorientierte Unternehmenssteuerung:

Im Zentrum unserer Strategie steht die Steigerung des Unternehmenswertes. Zu-sätzlicher Wert wird dann geschaffen, wenn die Rendite auf das eingesetzte Ver-mögen die Kapitalkosten übersteigt. Wir messen die Redite als Return on Capital Employed (ROCE). Der ROCE zeigt die rein operative Rendite. Er ergibt sich als Ver-hältnis des betrieblichen Ergebnisses zum betrieblichen Vermögen.“(Quelle: RWE Geschäftsbericht 2011, S. 64)

Ausführliche Erläuterung der unterneh-mensspezifischen Definition der Spitzen-kennzahl auf S. 65 des Geschäftsberichts

„Aktienmärkte im Sog der Staatsschuldenkrise.

[…] Der deutsche Leitindex DAX 30 fiel im Jahresverlauf von 6.914 auf 5.898 Punkte. Damit hat er 15 % seines Wertes einge-büßt. Zeitweise hat er mit 25 % im Minus gelegen. […] Auch für den Versorgersek-tor war 2011 ein schwaches Börsenjahr. Der europäische Branchenindex Dow Jones STOXX Utilities gab um 12 % nach.Bei den Aktien der deutschen Energiever-sorger und den RWE-Aktien zeigte sich ein noch schwächeres Bild. Unsere Stämme, die Ende 2010 noch mit 49,89 Euro gehan-delt wurden, fielen auf 27,15 Euro zurück. Der Börsenkurs unserer Vorzüge sank von 47,99 auf 25,44 Euro. Das entspricht einer Performance (Rendite aus Kursverände-rung und Dividende) von – 41 % (Stäm-me) bzw. – 42 % (Vorzüge). […] Ein we-sentlicher Faktor für die schwache Perfor-mance der RWE-Aktien ist der Kurswechsel in der deutschen Energiepolitik nach dem Unglück im japanischen Fukushima. […] Der von der Bundesregierung beschlos-sene vorzeitige Kernenergieausstieg führt zu erheblichen Belastungen für uns. Außer-dem sehen die Kapitalmarktteilnehmer Ri-siken im Hinblick auf die Umsetzung unse-res laufenden Desinvestitionsprogramms und den Ausgang der Preis revisionen für unsere verlustbringenden ölindexierten Gasbezugsverträge.“(Quelle: RWE Geschäftsbericht 2011,S. 24 – 25)

„Unsere Strategie: RWE wird …

... nachhaltiger– Ausbau des Anteils der erneuerbaren

Energien an unserer Stromerzeugungs-kapazität auf mindestens 20 % bis 2020

– Minderung unserer spezifischen C02-Emissionen um mehr als 20 % bis 2020 gegenüber dem Basisjahr 2005

– Verbesserung der Effizienz unseres Kraftwerksparks und Förderung eines sparsameren Einsatzes von Energie bei unseren Kunden

… internationaler– Sicherung hoher Ergebnisbeiträge in

unseren Kernmärkten Deutschland, Großbritannien und den Niederlanden

– Organisches Wachstum vorrangig in den Regionen Zentralost- und Südost-europa

… robuster

– Stabile Erträge durch Präsenz auf allen Wertschöpfungsstufen im Energiesektor

– Ausgewogenes Portfolio aus regulier-ten und nicht regulierten Aktivitäten

– Leitlinie unseres Wachstums: Steige-rung des Unternehmenswertes“

(Quelle: RWE Geschäftsbericht 2011, S. 30)

Ausführliche Erläuterung der Strategie auf den Seiten 30 – 35 des Geschäftsberichts

Total Return Reporting Strategic Advantage Reporting

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Monaten bis Juli 2009 erreichte die Nettokreditvergabe der Banken ihren Tiefstand (vgl. Deutsche Bank AG DB Research 2012, S. 4).

Die Finanzkrise könnte jedoch auch dazu führen, dass Un-ternehmen ihre wertorientierte Berichterstattung einschrän-ken. Liegt die Performance eines Unternehmens unter den Erwartungen der Kapitalgeber, so besitzt die Unternehmens-

leitung wohlmöglich geringere Anreize, über die gesetzlich vorgeschriebene Rechnungslegung hinaus zu informieren.

Value Reporting der DAX 30-UnternehmenFür die empirische Untersuchung der Geschäftsberichte 2011 der DAX 30-Unternehmen wurde der Analyserahmen von Laier (2011) zugrunde gelegt, damit die Ergebnisse gegen-übergestellt werden können (vgl. Laier 2011, S. 236 ff.). In Abbildung 4 wird der Umfang der wertorientierten Bericht-erstattung der DAX 30-Unternehmen in 2011 mit der Bericht-erstattung in 2008 verglichen. Die Ergebnisse aus 2008 sind der Studie von Laier (2011) entnommen.

Der Umfang der wertorientierten Geschäftsberichterstat-tung der DAX 30-Unternehmen hat sich in dem Zeitraum von 2008 bis 2011 bei einigen Unternehmen beträchtlich geändert. Eine signifikante Veränderung für die DAX 30-Unternehmen ist jedoch im Durchschnitt nicht empirisch beobachtbar. So hat sich der durchschnittliche Total Score, also die im Rah-men der Analyse erzielte Gesamtpunktzahl (vgl. Methodik), von 10,1 auf lediglich 11,3 Punkte erhöht.

Gründe für die Veränderung des Value Reportings Gründe für den Anstieg des durchschnittlichen Total Scores sind:•Commerzbank, Fresenius, Fresenius Medical Care und

Infineon, die 2008 keine wertorientierten Informationen in

Kernthesen•Ausländische Investoren und Grundkapital im Streu-besitz führen zu einer erhöhten Nachfrage nach Value Reporting.•Aussagekräftiges Value Reporting reduziert die Infor-mationsasymmetrie zwischen Unternehmen und Kapi-talgebern.•Value Reporting trägt dazu bei, die seit der Finanz-krise an den Finanzmärkten herrschende Verunsiche-rung zu überwinden.•Ein möglicher Treiber von Value Reporting ist die Unternehmensperformance – wenn sie gut ist.•Neue CEOs und CFOs in Unternehmen können ein Grund für verändertes Value Reporting sein.

Quelle: Deutsche Bank DB Research 2012, S. 4

Abb. 3 Auswirkungen der Finanzkrise auf Nettokreditvergabe und Netto-Wertpapier-emissionen im Euro-Raum

80

60

40

20

0

– 20

– 40

Feb 03 Feb 05 Feb 07 Feb 09 Feb 11

3-Monats-Durchschnitt, Milliarden Euro Netto-Wertpapieremissionen von Unter-nehmen außerhalb des Finanzsektors

Nettokreditvergabe an Unternehmen außerhalb des Finanzsektors

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ihrem Geschäftsbericht bereitstellten, haben sich in der Zwischenzeit für die Publikation solcher Informationen entschieden. Bei Fresenius und Fresenius Medical Care führt die Angabe des Kapitalkostensatzes in 2011 zu einer Berücksichtigung des Return on Operating Assets (ROOA) bzw. Return on Invested Capital (ROIC) als wertorientier-te Kennzahlen, da bei der Verwendung von wertorientier-

ten Rentabilitätskennziffern erst aus deren Gegenüberstel-lung mit den Kapitalkostensätzen eine Aussage über die Wertbeiträge möglich ist.

•Adidas, BMW, HeidelbergCement und Siemens haben den Umfang ihrer wertorientierten Berichterstattung beträcht-lich ausgeweitet. So hat Adidas mit dem CACC (Contribu-tion After Capital Charge), eine modifizierte Kennzahl auf

Quelle: eigene Darstellung

Abb. 4 Umfang der wertorientierten Berichterstattung der DAX 30-Unternehmen2008 vs. 2011

ADIDAS

Allianz

BASF

Bayer

Beiersdorf

BMW

Commerzbank

Daimler

Deutsche Bank

Deutsche Börse

Deutsche Lufthansa

Deutsche Post

Deutsche Telekom

E.ON

Fresenius

Fresenius Medical Care

HeidelbergCement

Henkel

Infineon

K+S

Linde

MAN

Merck

Metro

Munich Re

RWE

SAP

Siemens

ThyssenKrupp

VW

5 12 17 10 % 18 18 16 16 4 0 6 17 0 8 20 20 0 0 8 2 18 20

18 18

6 4

19 19 0 8 0 11

1 9

17 17 0 4

16 16

1 10 %

20 18 0 0

19 18

11 11

20 20

2 2

6 14

19 18

16 16

2008 2011 Ø 2008 Ø 2011

Total Score (max. 20)

DAX 30-Unternehmen 10,1 11,3

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Basis des Economic Value Added (EVA), erstmals eine wert-orientierte Kennzahl im Geschäftsbericht kommuniziert. Auch BMW, die 2008 den Return on Capital Employed (ROCE) als wertorientierte Spitzenkennzahl publiziert haben, ohne jedoch die Kapitalkosten anzugeben, haben mit dem Wertbeitrag in ihrem Geschäftsbericht 2011 nun eine Kennzahl auf sehr transparente Weise veröffentlicht, die eine Beurteilung der Wertsteigerung in der Berichtspe-riode ermöglicht. HeidelbergCement hat entgegen 2008, in-dem der Konzern lediglich den Kapitalkostensatz als wert-orientierte Information veröffentlicht hat, erstmals in sei-nem Geschäftsbericht 2011 mit dem ROCE und ROIC Kennzahlen veröffentlicht, die diesem Kapitalkostensatz gegenübergestellt werden können. Die Siemens AG kom-muniziert in ihrem Geschäftsbericht 2011 entgegen 2008 wesentlich ausführlicher ihr Bekenntnis zur Wertorientie-rung. Zudem hat man sich auch für die Veröffentlichung der Kapitalkosten sowie einer wertorientierten Zielvorgabe auf Konzernebene entschieden.

•Die Deutsche Lufthansa konnte ihr bereits sehr gutes Ergebnis aus 2008 (18 Punkte) auf 20 Punkte erhöhen und gehört damit neben Daimler und RWE zu denjenigen Unternehmen, die die maximal erreichbare Punktzahl von

20 erzielt haben. Entgegen 2008 geht seit dem Geschäftsjahr 2011 die wertorientierte Spitzenkennzahl Cash Value Ad-ded (CVA) des Konzerns in die Berechnung der variablen Vergütung der Vorstände ein.

Neben diesen genannten Gründen, die zu einer Erhöhung des durchschnittlichen Total Scores geführt haben, gab es auch gegenläufige Effekte:•Ein überraschendes Ergebnis erbrachte die Auswertung des

Geschäftsberichts 2011 der Allianz. 2008 veröffentlichte sie noch in ausgeprägter Weise wertorientierte Informationen, indem ausführlich ein Bekenntnis zur Wertorientierung abgegeben wurde sowie das wertorientierte Management-System, eine wertorientierte Kennzahl (EVA) mit Erläute-rung der Berechnungsweise, wertorientierte Zielvorgaben des Konzerns und deren Relevanz bei der Ermittlung der variablen Vergütungsbestandteile des Vorstands veröffent-licht wurden. Im Geschäftsbericht 2011 hat man bis auf ein schwaches Bekenntnis zur Wertorientierung auf sämtliche wertorientierte Informationen verzichtet. Eine Erklärung für diese Vorgehensweise ist in dem Geschäftsbericht 2011 des Konzerns nicht enthalten. Auf Nachfrage bei der Inves-tor-Relations-Abteilung wurde erklärt, dass man sich für diesen Schritt entschieden hat, da aus Sicht des Allianz-

Abb. 5 Veränderung des Value Reportings der DAX 30-Unternehmen zwischen 2008 und 2011

Leichte Veränderung Moderate Veränderung Starke Veränderung

Ausw

eitu

ng d

es

Valu

e Re

port

ings

Deutsche Lufthansa CommerzbankFreseniusFresenius Medical CareInfineon

ADIDASBMWHeidelbergCementSiemens

Rück

gang

des

Va

lue

Repo

rtin

gs

Deutsche TelekomMANMetroThyssenKrupp

BeiersdorfDeutsche Börse

Allianz

Keine Veränderung

BASFBayerDaimlerDeutsche BankDeutsche Post

E.ONHenkelK+SLindeMerck

Munich ReRWESAPVW

Quelle: eigene Darstellung

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Konzerns die im Rahmen dieser Analyse untersuchten wert orientierten Informationen keine Relevanz für (poten-zielle) Investoren des Konzerns besitzen.

•Beiersdorf veröffentlicht entgegen 2008, als sie zumindest ihr wertorientiertes Konzept (EVA) sowie die wertorientier-te Zielvorgabe für die Vorstandsvergütung publiziert haben, in 2011 keine wertorientierten Informationen mehr. Die Deutsche Börse informiert nur noch über die Höhe und Er-mittlungsweise ihrer Kapitalkosten.

•Die Deutsche Telekom und MAN (– 2 Punkte) sowie Metro und ThyssenKrupp (– 1 Punkt) erzielten gegenüber 2008 einen geringfügig schlechteren Total Score. Der Rückgang um zwei Punkte ist bei der Deutschen Telekom vor allem auf die isolierte Publikation des ROCE, d. h. ohne gleichzeitige Be-kanntgabe des Kapitalkostensatzes, zurückzuführen, sodass dieses Performancemaß nicht als wertorientierte Kennzahl in der empirischen Analyse berücksichtigt wird. 2008 verwen-dete der Konzern den EVA als wertorientierte Spitzenkenn-zahl. Bei MAN ist die Änderung ebenfalls auf die Änderung der Spitzenkennzahl zurückzuführen (von MAN Value Added

zum ROCE). Da MAN lediglich den ROCE an exponierter Stelle und nicht zusätzlich die Weighted Average Cost of Capital (WACC) veröffentlicht, erzielt der Konzern bei Bewer-tungskriterium vier nur einen Punkt. Bei Bewertungskrite-rium acht erzielt der Konzern ebenfalls nur einen Punkt, da der WACC nicht für Vorperioden angegeben und somit kein Vergleich mit Überrenditen aus den Vorjahren möglich ist. Bei Metro erfolgt die Angabe des Kapitalkostensatzes und somit die Ableitung einer wertorientierten Zielvorgabe im Gegen-satz zu 2008 nur noch auf Konzernebene. ThyssenKrupp hat im Vergleich von 2008 und 2011 auf die Darlegung der kon-kreten Ermittlungsweise des Kapitalkostensatzes verzichtet.

Die restlichen Unternehmen konnten in 2011 den gleichen Total Score wie im Jahr 2008 erreichen.

Mögliche Motive Ein möglicher Treiber von Value Reporting ist die Unterneh-mensperformance. Good News lassen sich gegenüber dem Kapitalmarktpublikum besser verkaufen als Bad News. So könnte z. B. der starke Anstieg des Gewinns der BMW AG in

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2011 ein Grund für die starke Ausweitung des Value Reportings sein. Eine restriktivere Veröffentlichung wertorientierter Infor-mationen im Geschäftsbericht hingegen könnte unter Umstän-den auch auf eine schlechte Aktienkursperformance zurück-zuführen sein. Bei der Deutschen Börse AG korrespondierte eine Reduzierung des Value Reportings mit einem Aktienkurs-rückgang zwischen 2009 bis Ende 2011 um 21 %.

Der vermutete positive Zusammenhang zwischen den Wertpapieremissionen von Unternehmen und dem Value Reporting ist auch bei Unternehmen des DAX 30 beobacht-

bar. Soweit von den DAX 30-Unternehmen veröffentlicht, wurden im Rahmen dieser Analyse deren Wertpapieremissi-onen ausgewertet. HeidelbergCement (Total Score +8) hat z. B. von 2008 bis 2011 das den Aktionären zustehende Eigen-kapital von 7.720 Millionen Euro auf 12.617 Millionen Euro erhöht. Dies hat zu einer Steigerung der Eigenkapitalquote um 14,1 Prozentpunkte geführt. Grund hierfür ist insbesondere eine Kapitalerhöhung von 375 Millionen Euro auf 562,5 Mil-lionen Euro mit einhergehender Erhöhung der Kapitalrück-lage von 3.262 Millionen Euro auf 5.387 Millionen Euro. Dies

Methodik

Für die empirische Analyse wurden die Geschäftsberichte 2011 der DAX 30-Unternehmen ausgewertet und mit den Ergebnissen der Geschäftsberichtsauswertung 2008 aus der Studie von Laier (2011) verglichen. Zuletzt hat Wenzel (2005) für den Zeitraum 1999 bis 2002 die Entwicklung des Value Reportings von DAX 30-Unternehmen untersucht. Mit dieser empirischen Analyse wird an die Untersuchung von Wenzel angeknüpft und untersucht, wie sich das Value Reporting dieser DAX 30-Unternehmen der jüngeren Vergangenheit entwickelt hat.

Für die empirische Untersuchung der Geschäftsberichte 2011 der DAX 30-Unternehmen wurde die sozialwissen-schaftliche Datenerhebungsmethode der qualitativen Inhaltsanalyse gewählt. Sie erlaubt es, die Aussagenbreite und -komplexität der Geschäftsberichte zu verringern und dennoch die Qualität der Aussagen zu erhalten. Der empirischen Untersuchung liegt der Analyserahmen von Laier (2011) zugrunde, damit die Ergebnisse gegenübergestellt werden können (vgl. Laier 2011, S. 236 ff.).

Die Qualität der wertorientierten Berichterstattung wurde anhand eines Scoring-Modells bewertet. Damit lässt sich untersuchen, inwieweit Untersuchungsgegenstände die vorgegebenen Zielkriterien erfüllen. Die erzielten Punktzahlen bei jedem Zielkriterium lassen sich zu einem Gesamtscore (Total Score) aggregieren und ermöglichen somit eine Rang-folge der Untersuchungsobjekte.

Die Zielkriterien entsprechen denen der Untersuchung von Laier (2011, S. 242). Sie sind ausschließlich qualitativ und lauten:

1. Bekenntnis zur Wertorientierung,2. Vorhandensein eines explizit wertorientierten Kapitels,3. Beschreibung des wertorientierten Managementsystems,4. Nennung einer wertorientierten Kennzahl,5. Wertangabe und Ermittlungsweise der Kapitalkosten,6. Erläuterung der Berechnungsweise der wertorientierten Kennzahl,7. Darstellung des Berechnungsschemas der wertorientierten Kennzahl,8. Angabe des wertorientierten Ergebnisses,9. Quantifizierung der wertorientierten Zielvorgaben für Konzern und Unternehmensbereiche und

10. Kommunikation der wertorientierten Zielvorgaben für die Vergütung des Vorstands.Der Umfang, in dem DAX 30-Unternehmen ihr wertorientiertes Steuerungskonzept nach außen kommunizieren, lässt sich anhand der Zielkriterien ermitteln. Die Bewertung der Zielkriterien erfolgt anhand einer dreistufigen Skala (null, ein oder zwei Punkte), sodass nicht nur das Vorhandensein, sondern auch die Intensität und Qualität der wertorien-tierten Berichtselemente berücksichtigt werden (vgl. Laier 2011, S. 243). Die maximal erzielbare Punktzahl beträgt 20 Punkte je Unternehmen.

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wurde durch die Ausgabe von 62,5 Millionen neuer Aktien gegen Bareinlage im September 2009 erreicht.

Diese vermuteten Zusammenhänge können in der empiri-schen Studie nicht für alle Unternehmen bestätigt werden. So hat sich beispielsweise der Total Score der Commerzbank um acht Punkte erhöht, gleichzeitig ist jedoch der Aktien-kurs um 73 % gefallen. Ferner muss berücksichtigt werden, dass dem Stetigkeitsprinzip des Value Reportings eine we-sentliche Bedeutung zukommt. Investoren sind sich dessen bewusst, dass Unternehmen hohe Anreize haben, Good News zu veröffentlichen. Schränkt ein Unternehmen ohne Angabe glaubwürdiger Gründe den Umfang seiner wertori-entierten Berichterstattung ein, so werden Investoren geneigt sein, die Bad News zu antizipieren (vgl. Eccles et al., S. 192).

CEOs und CFOs haben zumeist eine genaue Vorstellung davon, welche Kommunikationspolitik ihr Unternehmen be-treiben sollte. Personalwechsel auf diesen Stellen können also ebenfalls ein verändertes Value Reporting begründen. Dies wäre ein möglicher Erklärungsansatz für den starken Rück-gang der wertorientierten Berichterstattung der Allianz SE von 2008 auf 2009, da im September 2009 mit Oliver Bäte die Position des CFOs im Konzern neu besetzt worden ist.

FazitDie empirische Analyse zeigt eine nicht signifikante Zunahme des Value Reportings der DAX 30-Unternehmen zwischen 2008 und 2011. Dieses Ergebnis legt den Schluss nahe, dass die Unter-nehmen dem Value Reporting nicht die Fähigkeit zusprechen, ihre Konditionen am Kapitalmarkt zu verbessern, z. B. ihre Kapitalkosten zu senken. Aus Sicht der Unternehmen stehen den Kosten der Transparenz womöglich keine kompensierenden

Vorteile gegenüber. Um eine vollständige Aussage über den Ein-fluss der Finanzkrise auf das Value Reporting der DAX 30-Un-ternehmen treffen zu können, müssten zusätzliche Einfluss-faktoren kontrolliert werden, die sich ebenfalls im Betrachtungs-zeitraum geändert haben könnten. Die Untersuchung verdeutlicht jedoch, wie unterschiedlich die Kapitalmarktteilnehmer mit wertorientierten Informationen über die Geschäftsberichte von den analysierten Unternehmen versorgt werden.

LiteraturDeutsche Bank AG DB Research (Hrsg.): Die Kosten der Kredit-klemme, 2012, http://www.dbresearch.de/PROD/DBR_INTER-NET_DE-PROD/PROD0000000000286211.PDF (letzter A bruf: 24.08.2012).

Eccles, R. G./Herz, R. H./Keegan, E. M./Phillips, D. M. H.: The Value Reporting Revolution: Moving Beyond the Earnings Game, New York u. a. 2001.Ernst & Young GmbH (Hrsg.): Wem gehört der DAX? Analyse der Aktionärsstruktur der DAX-Unternehmen (Stand: 24.04.2012).Fehre, K./Rapp, M. S./Schwetzler, B./Sperling, M. O.: The disappea-ring ‘Deutschland AG’ – An analysis of blockholdings in German large caps, in: Problems and Perspectives in Management, Vol. 9 (2011), No. 4, S. 46 – 58.Heumann, R.: Value Reporting in IFRS-Abschlüssen und Lage-berichten, Düsseldorf 2005.

*a Laier, R.: Value Reporting: Analyse von Relevanz und Qualität der wertorientierten Berichterstattung von DAX-30 Unternehmen, Wiesbaden 2011. (ID: 2356540)Ruhwedel, F./Schultze, W.: Value Reporting: Theoretische Konzeption und Umsetzung bei den DAX 100-Unternehmen, in: Zeitschrift für betriebswirtschaftliche Forschung, 54. Jg. (2002), Heft 11, S. 602 – 632.Wenzel, J.: Wertorientierte Berichterstattung (Value Reporting) aus the-oretischer und empirischer Perspektive, Frankfurt am Main u. a. 2005.* Abonnenten des Portals Springer für Professionals erhalten diesen Beitrag im Volltext unter www.springerprofessional.de/ID

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Von der Verlagsredaktion empfohlenGrundel, T.: Der EVA als Grundlage für das Value Reporting, in: Grundel, T.: Der EVA® als Management- und Bewertungsinstrument, Wiesbaden 2012, S. 227 – 243,

www.springerprofessional.de/2359156

Schiemann, F./Richter, K./Günther, T.: Voluntary disclosure of intellectual capital items in roadshows and investor conferences: an empirical analysis of DAX30-companies, in: Journal of Management Control, Vol. 21 (2010), S. 255 – 275,

www.springerprofessional.de/2388406

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