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VERGABEKAMMER SCHLESWIG-HOLSTEIN beim Ministerium für Wissenschaft, Wirtschaft und Verkehr Reventlouallee 2-4, 24105 Kiel Leitsätze: 1. Selbst wenn die Nichteignung eines von mehreren Bewerbern im Verhandlungsverfahren nachträglich festgestellt würde, stellt dies keinen Grund für eine Aufhebung des Vergabeverfahrens dar. 2. Die Antragsbefugnis für einen Nachprüfungsantrag fehlt, wenn das Angebot des Antragstellers auf einem wirtschaftlich aussichtslosen Rang liegt, hinsichtlich der übrigen Angebote kein Ausschlussgrund vorliegt und insoweit ausgeschlossen erscheint, dass die Nachrangigkeit der Antragstellerofferte im Vergleich zu den anderen Angeboten kompensiert werden kann. 3. Eine Fristverlängerungsbitte für den Fall, dass eine bestimmte Bedingung eintritt, stellt keine Rüge dar; die Rüge ist grundsätzlich bedingungsfeindlich. 4. Die Feststellung der Eignung verlangt eine Wertungsentscheidung des Auftraggebers, die dieser unter Beachtung der vergaberechtlichen Grundsätze zu treffen hat; im eigentlichen Sinne handelt es sich um eine Prognoseentscheidung. Es verbleibt der Vergabestelle daher ein Beurteilungsspielraum – allein ob dessen Grenzen eingehalten wurden, kann durch die Vergabekammer überprüft werden. Die Nachprüfungsinstanzen können insoweit grundsätzlich nicht an die Stelle des Auftraggebers treten. BESCHLUSS Az.: VK-SH 11/07 In dem Vergabenachprüfungsverfahren des Bieterkonsortiums XXX - Antragstellerin (ASt) -

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RReevveennttlloouuaalllleeee 22--44,, 2244110055 KKiieell Leitsätze:

1. Selbst wenn die Nichteignung eines von mehreren Bewerbern im Verhandlungsverfahren nachträglich festgestellt würde, stellt dies keinen Grund für eine Aufhebung des Vergabeverfahrens dar.

2. Die Antragsbefugnis für einen Nachprüfungsantrag fehlt, wenn das Angebot des Antragstellers auf einem wirtschaftlich aussichtslosen Rang liegt, hinsichtlich der übrigen Angebote kein Ausschlussgrund vorliegt und insoweit ausgeschlossen erscheint, dass die Nachrangigkeit der Antragstellerofferte im Vergleich zu den anderen Angeboten kompensiert werden kann.

3. Eine Fristverlängerungsbitte für den Fall, dass eine bestimmte Bedingung eintritt, stellt keine Rüge dar; die Rüge ist grundsätzlich bedingungsfeindlich.

4. Die Feststellung der Eignung verlangt eine Wertungsentscheidung des Auftraggebers, die dieser unter Beachtung der vergaberechtlichen Grundsätze zu treffen hat; im eigentlichen Sinne handelt es sich um eine Prognoseentscheidung. Es verbleibt der Vergabestelle daher ein Beurteilungsspielraum – allein ob dessen Grenzen eingehalten wurden, kann durch die Vergabekammer überprüft werden. Die Nachprüfungsinstanzen können insoweit grundsätzlich nicht an die Stelle des Auftraggebers treten.

BESCHLUSS Az.: VK-SH 11/07

In dem Vergabenachprüfungsverfahren

des Bieterkonsortiums XXX

- Antragstellerin (ASt) -

Verfahrensbevollmächtigte: XXX

g e g e n

XXX

- Antragsgegner (Agg) -

Verfahrensbevollmächtigte: XXX

betreffend das Ausschreibungs- und Vergabeverfahren „Beratung, Lieferung und

Installation von Systemtechnik bis zur Inbetriebnahme einschließlich Service,

Wartung und Schulung für zwei polizeiliche und zwei kooperative

Regionalleitstellen an Standorten in Schleswig-Holstein”

hat die Vergabekammer Schleswig-Holstein am 12.07.2007 ohne mündliche

Verhandlung durch die Vorsitzende Tahal, den hauptamtlichen Beisitzer

Frankenstein und den ehrenamtlichen Beisitzer Mann beschlossen:

1. Der Nachprüfungsantrag wird zurückgewiesen.

2. Akteneinsicht wird nicht gewährt.

3. Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens.

4. Die Hinzuziehung von Verfahrensbevollmächtigten durch den Antragsgegner

wird für notwendig erklärt.

5. Für diese Entscheidung wird eine Gebühr in Höhe von 5.016,63 Euro

festgesetzt.

Die Gebühr ist mit Bestandskraft dieser Entscheidung fällig. Auf die Gebühr wird der

Kostenvorschuss in Höhe von 2.500,00 € angerechnet. Der fehlende Betrag in Höhe

von 2.516,63 € wird nach der Bestandskraft dieser Entscheidung von der

Geschäftsstelle angefordert.

Gründe:

I.

Die Projektgruppe XXX beabsichtigt, für zwei polizeiliche und zwei kooperative

Regionalleitstellen in Schleswig-Holstein im Wettbewerb einen Auftrag über die

Lieferung und Installation von Systemtechnik zu vergeben. Mit der Durchführung des

Vergabeverfahrens wurde die XXX AöR (XXX) beauftragt. Diese veröffentlichte im

eigenen Namen unter der Ausschreibnummer 4122-2006-405 im Supplement zum

Amtsblatt der Europäischen Union eine europaweite Bekanntmachung über ein

Verhandlungsverfahren mit vorhergehendem Teilnahmewettbewerb. Der

Auftragswert wurde mit ca. 20 Millionen Euro angegeben.

Voraussetzungen für die Teilnahme waren laut Vergabebekanntmachung u.a. in

Ziff.II.2 der Vergabebekanntmachung (Teilnahmebedingungen):

„4. Nachweis des Bewerbers hinsichtlich seiner fachlichen Eignung gem. § 7a

VOL/A, im Sinne einer Liste der wesentlichen in den letzten drei Jahren erbrachten

Leistungen mit Angabe des Auftragswertes, der Leistungszeit sowie der öffentlichen

Auftraggeber“

und in Ziff, III.2.3 (Technische Leistungsfähigkeit):

„18. Angaben über Referenzen für vergleichbare Leistungen (polizeiliche und nicht

polizeiliche Leiststellen oder gemeinsame) im deutschsprachigen Raum der letzten

drei Jahre mit Nennung von Auftraggeber, Leistungsumfang, Jahr, Ansprechpartner

und Telefonnummer“.

Als Zuschlagskriterien wurden bekannt gemacht:

1. Technischer Wert/ Erfüllungsgrad lt. technischem Pflichtheft,

Gewichtung: 50%

2. Preis, Gewichtung: 30%

3. Präsentation, Gewichtung: 10 %

4. Service- und Support, Gewichtung: 10 %

Aus den eingegangenen neun Teilnahmeanträgen wurden fünf Bewerber - darunter

die ASt - für das weitere Verfahren ausgewählt. Diese erhielten eine Aufforderung

zur Abgabe eines Angebots bis zum 09.03.2007.

In der der Angebotsaufforderung beigefügten „Konzeptionellen Beschreibung“,

wurden folgende Punkte als Optionen angeführt:

1.2.1 Entsorgung vorhandener Systemtechnik (Option)

3.1.4 n. die Vermittlung des vertragsärztlichen Notfalldienstes (optional)

3.1.6 Herausgabe des Quellcodes (Option)

3.3.17.3 Unabhängige Fahrzeugzustandsanzeige (FZA) Option

3.4.6.15.1 Darstellung von Schadstoffausbreitungen (Option) 8.7 e. Optional:

1. Möglichkeit des Überleitens von Intercomgesprächen von / zu BOS –

Funkkanälen, z.B. Aufschaltung auf Funkkanäle dergl. zwecks Mithören.

2. Kombination einiger Gegensprechmodule mit Kleinstkameras für

Videokonferenzen begrenzt auf das Gebäude.

8.9 Videoübertragungssystem (Option)

8.12. 1-5 Grenzkurzwellen- Anschaltungen (Option)

1. Telefongespräche sollen über die hauseigene Telefonanlage in Verbindung

mit dem Postman zu den Küstenseefunkstellen hergestellt werden.

2.Überleitung von Funkgespräche der Schiffe in das BOS- Digitalfunknetz

erfolgen manuell über den ESB. Hierfür muss eine Funküberleiteinrichtung

vorhanden sein (Lieferumfang AN).

3. Über eine WAN- Verbindung zu den Küstenfunkstellen (Landesnetz SH)

sollen Funkgespräche in den HF- Grenzkurzwellenbereich

(Festfrequenzmode) ermöglicht werden. (Lieferumfang AN: VoIP- Interface /

Überleiteinrichtung)

4. Des Weiteren sollen GPS- Daten übermittelt werden.

5. Die Übermittlung von E-Mails und Faxnachrichten erfolgt über beigestellte

Technik (unabhängig vom ELSY)

8.13 Chipkartensystem (Option)

9.3 Technische Ausstattung zur Verwaltung der Technik (Option)

9.6. 1-7 Service-, Instandhaltungs- und Softwarepflegeleistungen durch den AN

(Option)

9.7 Ersatzteile (Option)

9.8 Service- und Diagnosemittel (Option) 10.1.3.8 Multiplikatorenschulung (Option)

10.2.2 Schulung in den anderen RLS (Option)

Die Bewerbungsfrist wurde aufgrund der komplexen Thematik und der

bevorstehenden Bekanntgabe der Schnittstellen durch die Firma XXX auf den

30.03.2007 verlängert. Die auf einer CD enthaltenen Erläuterungen zu der

Schnittstelle versandte der Agg an die Bewerber mit Schreiben vom 15.03.2007.

Taggleich wurde dies allen Bewerbern per Email mitgeteilt und diese aufgefordert

den Erhalt der CD zu bestätigen. Die ASt erhielt die CD nicht, was sie am 21.03.2007

telefonisch dem Agg meldete. Die CD wurde daraufhin am gleichen Tag nochmals

versendet. Mit Email vom 21.03.2007 erbat die ASt Informationen zum Inhalt der CD.

Unter Nr. 3 dieser Email heißt es:

„… 3. befindet sich auf der CD eine detaillierte Spezifikation des digitalen BOS

Funksystems und erwarten Sie, dass wir in unserem Angebot eine auf dieses System

abgestimmte detaillierte Systembeschreibung abgeben? Wenn ja, dann bitte ich Sie

um eine Verlängerung der Angebotsfrist um zwei Wochen. …“

Die Antwort zu der unter Frage 170 im Fragen/Antwortkatalog veröffentlichten

Anfrage, lautete:

„… Wir erwarten vom Bieter ein Angebot über die Nutzung des BOS-

Digitalfunksystems mittels der angebotenen Systemtechnik. Die exakte Anzahl von

TCS-Servern und TCS-Clients werden im Rahmen eines Projektgesprächs nach

Auftragsersteilung festgelegt.“

Mit Email vom 23.03.2007 erhielten allen Mitbewerber die Bewertungsmatrix, welche

der Prüfung der Angebote und Präsentation zugrunde gelegt werden sollte.

Alle Bewerber reichten ihr Angebot fristgerecht bis zum 30.03.2007 ein. Sie wurden

mit Email vom 25.04.2007 aufgefordert ergänzend zu den Kapiteln 9.6.1 bis 9.6.7

vorzutragen. Alle kamen dieser Aufforderung fristgerecht bis zum 02.05.2007 nach.

Mit gleichem Datum wurde die ASt zur Präsentation mit anschließender Verhandlung

am 08.05.2007 eingeladen. In diesem Schreiben wurde ihr mitgeteilt, dass für die

gesamte Präsentation 2,5 Stunden angesetzt seien und 40 Minuten auf Fragen und

Verhandlungen entfallen sollten.

Nachdem sämtliche Mitbewerber ihre Angebote präsentiert hatten, forderte die XXX

diese mit Schreiben vom 10.05.2007 auf, die Angebote nochmals zu überprüfen und

entsprechend der Erkenntnisse der Verhandlungsgespräche sowie bestimmter im

Schreiben genannter Kriterien anzupassen. Unter anderem teilte die XXX mit, dass

der Auftraggeber beabsichtige, folgende optional abgefragte Positionen in Auftrag zu

geben:

12. Kapitel 9.7: Ersatzteile bis zu einer Höhe von 50.000 € pro RLS

13. Kapitel 9.8: Service- und Diagnosemittel bis zu einer Höhe von 25.000 €

pro RLS

Diese Angaben wurden durch Email vom 11.05.2007 dahingehend konkretisiert, dass

für die Positionen 12. und 13. die vorgegebenen Zahlen (50.000 € bzw. 25.000 €)

eingetragen werden sollten.

Die Bewertung der Angebote anhand der Wertungsmatrix ergab, dass die Fa. XXX

mit 96.482 Punkten als beste Bewerberin, dann eine weitere Bewerberin mit 83.331

Punkten und dann die ASt mit 82.823 Punkten abschloss. Mit Schreiben vom

21.05.2007 teilte der Agg der ASt mit einem Informations- und Absageschreiben mit,

dass nicht sie sondern die Fa. XXX (im folgenden XXX genannt) den Zuschlag

erhalten werde. Dies rügte die ASt mit Schreiben vom 24.05.2007 mit der

Begründung, es entziehe sich der Kenntnis der ASt, dass die Fa. XXX überhaupt die

Anforderungen gemäß III. 2.1-2.3 der Bekanntmachung erfülle; vielmehr verfüge

diese nicht über die geforderten vergleichbaren Referenzprojekte. Im Übrigen sei die

Bewertung nicht nachvollziehbar und intransparent. Aus der Bewertungsmatrix sei

nicht zu erkennen, unter welchen Voraussetzungen die Höchstpunktzahl erreicht

werden könne und ob und in welchem Umfang die Angebote als auch die Aussagen

aus dem Fragen/Antwortenkatalog in die Bewertung eingegangen seien. Zudem sei

die Ausschreibung in Bezug auf die Ausführungskomponenten der zentralen

Koordinierungsstelle unvollständig erfolgt. Außerdem sei die TETRA

Schnittstellenbeschreibung zu spät übersandt worden, weshalb es als möglich

erscheine, dass die ASt aus diesem Grunde negativ bewertet worden sein könnte.

Bereits mit Schreiben vom 21.03.2007 habe sie mit Blick auf den zu erwartenden

Umfang der Unterlagen und der Notwendigkeit der sorgfältigen Prüfung um eine

zweiwöchige Fristverlängerung gebeten. Diese Bitte inkludiere bereits die Rüge, dass

die Frist zur Ausarbeitung zu kurz, damit nicht angemessen und vergaberechtswidrig

sei. Außerdem sei sie benachteiligt worden, da ihr die Fragen zu den Nummern 21

bis 29 nicht zugesendet worden seien. Im Übrigen sei sie im Ganzen zu schlecht

bewertet worden. Darüber hinaus seien bei der technischen Bewertung des

Kriteriums Service und Support alle Optionen einbezogen worden, bei dem Preis

dagegen nur bestimmte Optionen. Zudem habe die Vergabestelle für zwei Positionen

feste Preise angeben und damit nachträglich in die Preisangebote eingegriffen.

Der Agg wies die Vorwürfe mit Schreiben vom 30.05.2007 zurück. Er habe in der

konzeptionellen Beschreibung und besonders in dem technischen

Leistungsverzeichnis gefordert, dass alle Bieter die gestellten Forderungen

entsprechend ihrer Technikphilosophie detailliert zu beschreiben hätten. Nur auf

diese Weise sei es ihm möglich die Vor- und Nachteile einzelner Angebote zu

unterscheiden. Die ASt sei diesen Anforderungen teilweise nicht nachgekommen,

sondern habe lediglich den Hinweis „wird realisiert“ gegeben. Eine Bewertung sei

daher nicht möglich gewesen. Vielmehr habe sich die Bewertungskommission darauf

geeinigt, trotz Nichterfüllung der Leistungsforderungen die Angaben mit „erfüllt“ zu

bewerten und die detaillierten Forderungen der Mitbewerber entsprechend höher zu

bewerten.

Aus der Bewertungsmatrix ergebe sich eindeutig, dass der Gesamtpunktzahl eine

Referenzwertberechnung zugrunde läge.

Dem Agg habe keine schriftliche Anfrage oder Rüge von Seiten der ASt vorgelegen,

in welcher diese um eine Fristverlängerung aus diesem Grunde gebeten hätte. Auch

hätte diese ihrer Mitwirkungspflicht, über den Nichterhalt der CD zu informieren,

deutlich früher nachkommen müssen.

Mit Schreiben vom 31.05.2007 hat die ASt einen Nachprüfungsantrag bei der

erkennenden Kammer eingelegt. Darin wiederholt und vertieft sie ihr bisheriges

Vorbringen.

Sie ist der Ansicht, für die Beurteilung der Eignung eines Mitbewerbers komme es

nicht auf das Ermessen des Agg an. Vielmehr hätten in der Ausschreibung unter den

Teilzahlen III. 2.1 – 2.3 objektive Kriterien vorgelegen, welche ein Ermessen nicht

eröffnen. Da zumindest ein Mitbewerber über die erforderlichen Kriterien nicht

verfüge – „dass die Firma XXX diese Kriterien erfülle, habe der ASt nicht behauptet“

– und daher nicht hätte zugelassen werden dürfen, stelle sich das gesamte

Vergabeverfahren als mit einem so schwerwiegenden Mangel behaftet dar, dass es

insgesamt aufgehoben werden müsse.

Bezüglich der Bewertungsmatrix trägt sie ergänzend vor, dass es eines

Referenzwertes für die Kriterien „technischer Wert“, „Präsentation“ und „Preis“ nicht

bedurft hätte.

Die Frist zur Angebotsausarbeitung sei unangemessen kurz gewesen. Mit Schreiben

vom 21.03.2007 habe die ASt dieses gerügt, indem sie eine Fristverlängerung

erbeten habe. Diese Anfrage sei vom Agg nicht beantwortet worden. Dass das

Schreiben nicht als „Rüge“ bezeichnet wurde, ändere an deren Vorliegen nichts, da

eine solche Bezeichnung nicht erforderlich sei.

Entgegen der Ansicht des Agg sei das Angebot der ASt vollständig gewesen. Eine

pauschale Bewertung mit „erfüllt“ sei daher ungerechtfertigt.

Vergaberechtswidrig sei auch, dass unter dem Kriterium „Service und Support“ alle

technischen Werte, bei dem Preis jedoch nur einzelnen Punkte einbezogen worden

seien. Hierdurch sei es zu einer Ungleichbehandlung gekommen. Ein Bieter, der bei

Optionen, die nicht beauftragt werden sollen eine gute Wertung erhalte und sonst

schlechter abschneide, werde bevorteilt. Durch die Festsetzung der Preise unter

Kapitel 9.7 und 9.8 habe der Agg in die freie Preisgestaltung eingegriffen und damit

eine Preiserhöhung zu Lasten günstigerer Preise vorgenommen.

Die ASt beantragt,

1. das Vergabeverfahren wegen Verfahrensfehlern aufzuheben,

hilfsweise, die Vergabestelle zu verpflichten, die Wertung der Angebote unter

Berücksichtigung der Auffassung der Vergabekammer neu durchzuführen,

2. die Hinzuziehung eines anwaltliches Bevollmächtigten der Antragstellerin für

notwendig zu erklären,

3. Akteneinsicht in die Vergabeakten zu gewähren.

Der Agg beantragt,

den Nachprüfungsantrag zurückzuweisen.

Er ist der Ansicht, der Antrag sei bereits unzulässig. Dies ergebe sich aus einer

mangelhaften Darstellung eines drohenden Schadens, sowie teilweise aus dem

Fehlen einer rechtzeitigen Rüge.

Die ASt behaupte zwar eine Reihe von Vergabefehlern, führe jedoch nicht aus,

inwieweit ihr hierdurch ein Schaden entstanden sei oder zu entstehen drohe. Ein

solcher Schaden müsse zumindest insoweit schlüssig dargelegt werden, als dass die

ASt ohne die behaupteten Rechtsverletzungen eine Chance auf Erteilung des

Zuschlags gehabt hätte. Hieran fehle es vorliegend.

Die ASt liege mit 82.823 Punkten an Platz drei der Bewertungsreihenfolge. Selbst

wenn das Angebot der Firma XXX nicht berücksichtig werde, erhalte die ASt nicht

den Zuschlag; vielmehr läge noch der Zweitplatzierte vor ihr.

Der Nachprüfungsantrag sei hinsichtlich der Intransparenz der Bildung von

Referenzwerten, einer unzureichenden Verhandlungsmöglichkeit sowie bezüglich der

unzulässigen Vorgabe von Preisen, wegen Verletzung der Rügeobliegenheit als

unzulässig zurückzuweisen. Darüber hinaus sei er auch unbegründet.

Hinsichtlich der Eignung der Fa. XXX gehe die ASt von unzutreffenden Wertungen

aus; auch sei die Fa. XXX in tatsächlicher Hinsicht als geeignet anzusehen.

Auch die Bewertung des Angebots der ASt sei nicht pauschal, sondern differenziert

erfolgt. Hinsichtlich der Bewertung der optionalen Positionen, führt der Agg aus, dass

er sich bei der Aufforderung zur Abgabe der modifizierten Angebote festgelegt habe,

welche Optionen beauftragt werden sollten. Die Option unter Punkt 8.13 sollte nicht

gewertet werden; diese sei daher auch preislich nicht gewertet worden und der

Einfachheit halber innerhalb des technischen Wertes gleich bepunktet worden, so

dass sie keinen wettbewerbsrelevanten Einfluss gehabt habe. Selbst wenn hierin ein

Verstoß gegen das Vergaberecht gesehen würde, so müsste die Bewertung ohne

Berücksichtigung des Punktes 8.13 erfolgen, was aufgrund der gleichen Wertungen

bloßer Formalismus wäre.

Bei der Festlegung von Preisen der Positionen 9.7 sowie 9.8 handle es sich lediglich

um eine Budgetierung, welche zur Folge habe, dass dieser Wert aus der Wertung

genommen worden sei. Dieser Änderung des Leistungsgegenstandes sei zulässig,

weil die transparent und diskriminierungsfrei erfolgt sei.

Unter dem 18.06.2007 hat die Kammer den rechtlichen Hinweis gegeben, dass das

Nachprüfungsverfahren nach vorläufiger Einschätzung der Kammer unzulässig bzw.

offensichtlich unbegründet sei und der ASt die Gelegenheit eingeräumt, hierzu

ergänzend vorzutragen. Die ASt nahm diese Gelegenheit mit Schriftsatz vom

21.06.2007 wahr.

Wegen des sonstigen Sachverhalts und des weiteren Vortrags der Beteiligten wird

auf die beigezogenen Vergabeakten und die eingereichten Schriftsätze Bezug

genommen (vgl. § 117 Abs. 3 VwGO, § 313 Abs. 2 ZPO).

II.

Die ASt bleibt mit ihren Sach- und Verfahrensanträgen insgesamt erfolglos, da der

Nachprüfungsantrag überwiegend unzulässig (1.) und im verbliebenen Umfang

offensichtlich unbegründet ist (2.). Diese Umstände rechtfertigen es, das

Akteneinsichtsbegehren zurückzuweisen (2c.) und ohne mündliche Verhandlung zu

entscheiden (2d.) sowie auf eine Beiladung der in der Bieterreihenfolge vor der ASt

liegenden Bieter zu verzichten (2e.).

1. Der Nachprüfungsantrag ist überwiegend schon unzulässig.

a) Zwar handelt es sich um einen öffentlichen Dienstleistungsauftrag (§ 99 Abs. 4, 1

GWB) eines öffentlichen Auftraggebers gemäß § 98 Nr. 1 GWB, der den

maßgeblichen Schwellenwert von 211.000 Euro (§ 100 Abs. 1 GWB i.V.m. § 2 Nr. 3

VgV) überschreitet.

Es erscheint der Kammer aus verfahrenstechnischen Gründen auch sachgerecht, als

Verfahrenbeteiligten den Agg anzusehen (vgl. ebenso erkennende Kammer,

Beschluss vom 07.03.2005, VK-SH 3/05) und nicht die mit der Durchführung der

Beschaffung beauftragte XXX, wie es auch die ASt nunmehr in ihren Schriftsätzen

unter Änderung ihres ursprünglichen Passivrubrums annimmt. Der Umstand, dass

sich der Agg der XXX für die Abwicklung der Ausschreibung bedient hat, ändert an

seiner Auftraggebereigenschaft nichts. Die Benennung der XXX als Auftraggeber

unter Ziffer I. 1) der Vergabebekanntmachung vom 15.11.2006 begegnet keinen

durchgreifenden Bedenken, da die Transparenz des Verfahrens hinlänglich

gewährleistet war, insbesondere deshalb, weil in Ziff.1.2 darauf hingewiesen worden

ist, dass die XXX für einen anderen öffentlichen Auftraggeber beschafft. Nach einer

internen schriftlichen Vereinbarung (vgl. Vergabeakten Bl. 21-23) waren sich der Agg

und die XXX darüber einig, dass „die Zuschlagserteilung im Namen und für

Rechnung“ des Agg erfolgen soll. Dies wurde nach außen nicht nur in der

Vergabebekanntmachung unter Ziff. I.2 und II.1.5 angedeutet, sondern auch konkret

in den versandten Unterlagen, insbesondere der konzeptionellen Beschreibung.

Hinzu kommt, dass dies ebenso wie die Änderung des Rubrums weder von Seiten

des Agg noch von Seiten der XXX streitig gestellt worden ist.

b.) Es ist indes bereits zweifelhaft, ob der Nachprüfungsantrag den Erfordernissen

des § 107 Abs. 2 Satz 1 GWB genügt. Zwar handelt es sich bei der ASt um eine

Bietergemeinschaft, die durch Abgabe eines Angebots und Teilnahme an dem

Verhandlungsverfahren ihr Interesse am Auftrag deutlich gemacht. Indes bestehen

erhebliche Zweifel an einer Antragsbefugnis der ASt.

Die ASt macht geltend, in ihren subjektiven Rechten verletzt zu sein; insbesondere

leide das Vergabeverfahren an so schwerwiegenden Mängeln, dass dieses

aufgehoben werden müsse. Als Aufhebungsgrund führt sie die nach ihrer Auffassung

rechtsfehlerhafte Berücksichtigung des Angebots der Fa. XXX im

Verhandlungsverfahren an. Unabhängig von der Frage, ob dieser pauschale Vorwurf

der Nichteignung der Fa. XXX wegen Nichtvorlage geeigneter Referenzen den

Anforderungen an die Behauptung einer konkreten Rechtsverletzung überhaupt

erfüllt und unabhängig davon, ob einem Bewerber in einem Verhandlungsverfahren

wegen der „Nichtausschreibung“ überhaupt ein subjektives Recht aus § 26 VOL/A

analog zustehen kann (vgl. zu diesem Streit in der Rspr.: VK Brandenburg,

Beschluss vom 17.09.2002, VK 50/02; VK Detmold, Beschluss vom 19.12.2002,

VK.21-41/02; 1. VK Bund, Beschluss vom 28.04.2003, VK 1-19/03; OLG Naumburg,

Beschluss vom 13.10.2006, 1 Verg 12/06; Beschluss vom 13.10.2006, 1 Verg 11/06;

Schleswig-Holsteinisches OLG, Beschluss vom 30.06.2005, 6 Verg 5/05; erkennende

Kammer, Beschluss vom 01.04.2004, VK-SH 05/04), kann die Nichteignung eines

Bewerbers bereits rechtlich aus keinem Blickwinkel heraus einen Aufhebungsgrund

darstellen, der sich zu Gunsten oder Ungunsten der ASt auswirken kann. Mit

anderen Worten: Durch den nachträglichen (zwingenden) Ausschluss eines

Angebots von der Wertung mangels Eignung werden die Angebote der anderen

Bewerber oder Bieter nicht berührt, weshalb die Chancen auf die Zuschlagserteilung

oder den Vertragsschluss der verbliebenen Bieter/Bewerber nicht geschmälert

werden. Im Gegenteil: Wird nachträglich die Nichteignung eines Bewerbers im

Verhandlungsverfahren festgestellt, erhöhen sich durch den dann zwingenden

Ausschluss des Bewerbers von der Wertung dem Grunde nach die Chancen der

verbliebenen Bewerber (hier von einem Fünftel auf ein Viertel). Keinesfalls würde ein

nachträglicher Ausschluss der Fa. XXX mangels Eignung zur Aufhebung des

Vergabeverfahrens führen können. In der Rspr. ist anerkannt, dass vor dem

Hintergrund, dass Bedenken an der Eignung eines Bieters grundsätzlich in jedem

Stadium des Vergabeverfahrens zu prüfen sind, in welchem sie (erstmals) auftreten

oder bekannt werden, eine verspätete Eignungsprüfung nicht dazu führen kann, dass

subjektive Rechte anderer Bieter beeinträchtigt werden (vgl. nur OLG Düsseldorf

Beschluss vom 04.09.2002, Verg 37/02). Eine verspätete Eignungsprüfung – also im

Verhandlungsverfahren mit Teilnahmewettbewerb erst im Verhandlungsverfahren

selbst – kann allein den hiervon betroffenen Bieter/Bewerber in seinen Rechten

berühren, wenn nach Angebotsauforderung und Abgabe eines Angebots sein

Angebot ausgeschlossen wird, weil er die für die Erfüllung der vertraglichen

Verpflichtungen erforderliche Eignung nicht besitzt (und sich in Folge dessen nach

den Grundsätzen der culpa in contrahendo die Frage einer

Schadensersatzverpflichtung des Auftraggebers stellt; vgl. hierzu auch Prieß in:

Beck'scher VOB-Kommentar, A § 2 Rn. 25, m. w. N.) Die insoweit von der ASt

vorgetragenen theoretischen und hypothetischen Konstruktionen sowohl in der

Antragsschrift als auch im Schriftsatz vom 25.06.2007 für den Fall, dass die Fa. XXX

„rechtzeitig“ im Rahmen des Teilnahmewettbewerbs ausgeschlossen worden wäre,

vermögen daran nichts zu ändern. Insoweit läuft der Antrag auf Aufhebung des

Verfahrens diesbezüglich mangels subjektiven Rechts ins Leere. Da die ASt jedoch

hilfsweise die Neubewertung der Angebote (wohl unter Ausschluss des Angebots der

Fa. XXX) beantragt hat, ist die Antragsbefugnis unter diesem Aspekt gegeben und

wird im Rahmen der Begründetheit zu erörtern sein.

Der weitere von der ASt vorgebrachte (vermeintliche) Aufhebungsgrund, nämlich die

Nichtnachvollziehbarkeit und Intransparenz der Wertung anhand der verwendeten

Wertungsmatrix, reicht für die Antragsbefugnis an dieser Stelle aus.

Allerdings bestehen bereits erhebliche Zweifel an einem behaupteten Schaden. Zwar

sind nach höchstrichterlicher Rechtsprechung keine überzogenen Anforderungen an

die Behauptung eines drohenden Schadens zu stellen. Sie muss lediglich schlüssig

sein und ein Schaden muss denkbar sein (BVerfG, Beschluss vom 29.07.2004, 2

BvR 2248/03); alles andere ist eine Frage der Begründetheit des Antrags. Die

Darlegung oder gar der substantiierte Nachweis, dass der Antragsteller bei einem

rechtmäßigen Vergabeverfahren den Zuschlag erhalten oder das er eine „echte

Chance" auf den Zuschlag gehabt hätte, sind somit nicht erforderlich, um den

Zulässigkeitsanforderungen an einen Nachprüfungsantrag zu genügen (vgl. BVerfG,

a.a.O.; BGH, Beschluss vom 18.05.2004, X ZB 7/04).

Die Antragsbefugnis für einen Nachprüfungsantrag fehlt jedoch, wenn das Angebot

des Antragstellers auf einem wirtschaftlich aussichtslosen Rang liegt, hinsichtlich der

übrigen Angebote kein Ausschlussgrund vorliegt und insoweit ausgeschlossen

erscheint, dass die Nachrangigkeit der Antragstellerofferte im Vergleich zu den

anderen Angeboten kompensiert werden kann. Durch die Bestimmung des § 107

Abs. 2 Satz 2 GWB soll (auch) ausgeschlossen werden, dass ein Bieter oder

Bewerber, dessen Angebot in der Wertung weit hinten liegt und offenbar keine

Chance hat, in die engere Wahl zu kommen, durch ein Nachprüfungsverfahren den

Abschluss des Vergabeverfahrens verhindern kann. Selbst wenn man einen

Vergaberechtsverstoß unterstellte, weshalb ein Vertragsschluss mit dem

vorgesehenen Bewerber nicht vorgenommen werden dürfte, fehlt es an der

ernsthaften Schadensmöglichkeit auf Seiten eines Antragstellers, wenn dieser als

abgeschlagen Platzierter auch bei Wegfall der für den Zuschlag vorgesehenen

Bewerbers keine realistische Aussicht auf den Vertragsschluss hat. Daher ist zur

Bejahung der Antragsbefugnis zu fordern, dass seitens des Antragstellers aufgezeigt

wird, dass er ohne die (behaupteten) Rechtsverstöße eine echte Chance gehabt

hätte, den Zuschlag zu erhalten, da ihm nur dann aus dem Vergabeverstoß ein

wirtschaftlicher Nachteil im Sinne einer darzulegenden Verschlechterung der

Zuschlagschancen erwachsen ist oder zu erwachsen droht. Pauschale

Behauptungen oder subjektive Wertungen genügen nicht. Bei Anwendung dieser

Grundsätze bedarf es daher substantiierter Ausführungen, weshalb nicht nur die für

den Zuschlag vorgesehenen sondern auch die anderen vor dem Antragsteller

platzierten Bewerber auszuschließen sind. Die Antragsbefugnis eines Bieters ist nur

dann trotz einer aussichtslosen Position in der Wertungsreihenfolge zu bejahen,

wenn diese Position durch die unterstellten Vergaberechtsverstöße der

Antragsgegnerin hervorgerufen worden ist (vgl. nur erkennende Kammer, Beschluss

vom 31.01.2006, VK-SH 33/05, IBR 2006, 219, m.w.N.).

Die ASt hat nicht überzeugend darlegen können, weshalb ihre Offerte, die in der

Bieterreihenfolge an dritter Stelle liegt, durch den Ausschluss der Fa. XXX wegen

mangelnder Eignung in der Bieterreihenfolge an die erste Stelle rücken würde. Auch

Ihre hypothetischen Ausführungen bezüglich möglicher Konstellationen der

Bieterreihenfolge für den Fall, dass die Fa. XXX nicht zur Angebotsabgabe

aufgefordert worden wäre, ändert daran nichts. Entgegen der Auffassung der ASt

hätte sie bei Nichteignung der Fa. XXX auch keinen Anspruch auf Aufhebung des

Verfahrens, sondern lediglich darauf, dass das Angebot der Fa. XXX nicht in die

Angebotswertung einbezogen würde und insoweit auf eine Wiederholung der

Angebotswertung. Weshalb dann bei einer möglichen Neubewertung das vor ihr

liegende Angebot der zweitplatzierten Bieterin ebenso aus der Wertung genommen

werden müsste, hat die Ast nicht vorgetragen können. Letztlich kann aber an dieser

Stelle offen bleiben, ob die Voraussetzungen für die Verneinung eines drohenden

Schadens hier vorliegen, was angesichts des Umstandes, dass die ASt nicht an weit

abgeschlagener Stelle sondern an dritter Stelle in der Bieterreihenfolge liegt,

zweifelhaft ist. Dies führt jedenfalls zur offensichtlichen Unbegründetheit ihrer

Nachprüfungsbegehrens.

c.) Der Nachprüfungsantrag ist im Übrigen unzulässig, da die ASt mit ihrem

Vorbringen präkludiert ist. Gemäß § 107 Abs. 3 Satz 1 GWB ist der

Nachprüfungsantrag unzulässig, soweit der Antragsteller den gerügten Verstoß

gegen Vergabebestimmungen bereits im Vergabeverfahren erkannt und gegenüber

dem öffentlichen Auftraggeber nicht unverzüglich gerügt hat.

Erforderlich ist dabei die positive Kenntnis von dem Rechtsverstoß. Zur Kenntnis

gehört zum einen das Wissen von denjenigen Tatsachen, aus denen sich der geltend

gemachte Vergabefehler ergibt; notwendig ist außerdem die zumindest laienhafte

rechtliche Wertung, dass es sich in dem betreffenden Punkt um ein rechtlich zu

beanstandendes Vergabeverfahren handelt. Bloße Vermutungen oder ein Verdacht

sollen hingegen ebenso wenig wie grob fahrlässige Unkenntnis eine

Rügeobliegenheit auslösen. In der Regel soll ein Bieter, der einen

Vergaberechtsverstoß vermutet, genauso wenig gehalten sein, seine in tatsächlicher

oder in rechtlicher Hinsicht ungenügenden Kenntnisse zu vervollständigen,

insbesondere rechtlichen Rat einzuholen (vgl. nur erkennende Kammer, Beschluss

vom 12.06.2006, VK-SH 12/06, m.w.N.)

Die Kenntnis ist dabei eine innere Tatsache, die dem direkten Beweis nur zugänglich

ist, wenn sie von dem, auf dessen Kenntnis es ankommt, eingeräumt wird. In allen

anderen Fällen ist an die objektive Tatsachenlage anzuknüpfen. Lässt diese bei

lebensnaher Beurteilung nur den Schluss zu, dass der Antragsteller den geltend

gemachten Vergaberechtsverstoß bereits zu einem bestimmten (frühen) Zeitpunkt

erkannt oder sich mutwillig der Erkenntnis verschlossen hat, so obliegt es ihm (wie

sich auch aus § 108 Abs. 2 GWB ergibt), dies zu entkräften. Für die dem zugrunde

liegenden Tatsachen trägt er die Darlegungs- und Beweislast (vgl. nur Weyand, ibr-

online-Kommentar Vergaberecht, Rn. 1891 zu § 107 GWB, m.w.N.). Bleibt bei

eindeutig für Kenntnis sprechender Faktenlage offen, ob die vom Antragsteller

dagegen vorgebrachten Tatsachen zutreffen oder nicht, ist eine Rügepräklusion

anzunehmen (vgl. Summa in: jurisPK-VergR, 1. Aufl., Rn. 130 ff. zu § 107 GWB). Da

die Rügeobliegenheit zum einen der Beschleunigung des Vergabeverfahrens dient

und zum anderen dazu, der Vergabestelle möglichst frühzeitig Gelegenheit zu geben,

Rügen zu überprüfen und Fehler ggf. abzustellen, darf mit der Rüge auch nicht

gewartet werden, bis eine zweifelsfreie Kenntnis über einen Vergabefehler, der auch

in jeder Hinsicht nachweisbar ist, gegeben ist (vgl. OLG Schleswig, Beschluss vom

05.04.2005, 6 Verg 1/05, m.w.N.).

Stellt sich positive Kenntnis ein, ist unverzüglich zu rügen. Die rechtzeitige Rüge im

Vergabeverfahren erkannter Verstöße gegenüber dem Auftraggeber ist ihrer

Rechtsnatur nach eine Obliegenheit. Erfolgt die Rüge nicht rechtzeitig, ist der darauf

bezogene Antrag als unzulässig zurückzuweisen, d.h. der Anspruch auf Nachprüfung

geht in diesem Punkt verloren (vgl. OLG Saarbrücken, Beschluss vom 09.11.2005, 1

Verg 4/05).

Für eine unverzügliche Rüge im Sinne von § 107 Abs. 3 Satz 1 GWB gilt der

Maßstab des § 121 BGB, wonach unverzüglich nur derjenige handelt, der dies "ohne

schuldhaftes Zögern" tut. Angesichts der kurzen Fristen im Vergaberecht muss die

Rüge grundsätzlich binnen ein bis drei Tagen erfolgen (vgl. nur OLG Koblenz,

Beschluss vom 18.09.2003, 1 Verg 4/03, IBR 2003, 695 m.w. Nachw. aus der Rspr.),

höchstens bis 14 Tagen. Allerdings ist auf den jeweiligen Einzelfall abzustellen, was

bedeutet, dass auch die Zeiten für eine interne Abstimmung innerhalb eines

Unternehmens Berücksichtigung finden muss. Dabei obliegt dem Bieter eine

Beschleunigungspflicht. Eine Rügefrist von 2 Wochen, die in der Rechtssprechung

als absolute Obergrenze anerkannt wird, kann einem Bieter lediglich in dem

Ausnahmefall zugestanden werden, wenn eine verständliche Abfassung der Rüge

durch eine schwierige Sach- und/oder Rechtslage erschwert wird und die

Inanspruchnahme fachkundiger Hilfe erfordert (OLG Koblenz, Beschluss vom

19.09.2003, 1 Verg 4/03). Nach diesen Maßgaben gilt für den streitgegenständlichen

Fall folgendes:

(1) Alle Rügen, die sich auf die Bewertungsmatrix und deren Inhalt beziehen,

unterliegen der Rügepräklusion. Dies gilt insbesondere für den Vorwurf der

Intransparenz und der behaupteten fehlenden Nachvollziehbarkeit der Bewertung

auf Grund einer nicht erforderlichen Referenzwertberechnung bezüglich der

Zuschlagskriterien „technischer Wert“, „Präsentation“ sowie „Preis“. Das bedeutet

gleichzeitig, dass sämtliches Vorbringen, mit dem die ASt eine Aufhebung des

Vergabeverfahrens zu begründen versucht, welches nicht bereits mangels fehlender

Antragsbefugnis unberücksichtigt zu bleiben hat, der Rügepräklusion unterfällt. Nur

zur Klarstellung bleibt darauf hinzuweisen, dass die Rüge der ASt, die Wertung der

Angebote sei vergaberechtswidrig erfolgt, da die technische Bewertung aller

Optionen eingeflossen sei, obwohl diese nicht mehr beauftragt werden sollten, auf

eine Neubewertung der Angebote abzielt und nicht auf eine Aufhebung des

Vergabeverfahrens aufgrund der Verwendung vergaberechtswidriger

Wertungskriterien. Die Klärung dieser Frage ist daher der Begründetheit vorbehalten.

Mit Email vom 23.03.2007 erhielten alle Bieter, darunter unstreitig auch die ASt, die

Bewertungsmatrix für jedes Zuschlagskriterium, aus welcher die geplante

Referenzwertmethodik für die Bewertung der Offerten und der Präsentation

hervorging. Sowohl die einzelnen Leistungspunkte, die Bewertungspunkte als auch

die maximal zu erreichenden Punktzahlen waren darin ebenso aufgelistet wie eine

rechnerische Darstellung der Referenzwertberechnung. Gleichfalls wurde erläutert,

welche Teile der konzeptionellen Beschreibung und Leistungsverzeichnisse

bewerten werden sollen und welche nicht. Damit lagen der ASt alle Details vor, um

erkennen zu können, ob für die Wertungskriterien „technischer Wert“, „Präsentation“

und „Preis“ die Wertung anhand einer transparenter oder – wie sie behauptet –

anhand einer nicht transparenten Wertungsmatrix erfolgen wird.

Auch der Vortrag der ASt, sie könne die Berechnungsformel persönlich nicht

nachvollziehen, vermag der Rüge nicht zum Erfolg zu verhelfen. Unabhängig davon,

dass der Vorwurf der ASt hier pauschal bleibt und für sich genommen schon

zweifelhaft ist, ob dadurch den Rügeanforderungen nach § 107 Abs. 3 GWB Genüge

getan wird, wäre dies allenfalls Anlass für eine Bieterfrage gewesen oder eine Rüge

unverzüglich nach Erhalt der genannten Email mit der Bewertungsmatrix. Die

Berechnungsformel und die damit zusammenhängende Interpretation rügte die ASt

jedoch erstmals mit Schreiben vom 24.05.2007, mithin also fast zwei Monate nach

Zugang der Matrix, gegenüber dem Agg. Dies ist aus jedem Blickwinkel betrachtet

als verspätet anzusehen.

Das Vorbringen der ASt, die Intransparenz der Bewertungsmatrix sei erst nach Erhalt

der Vorabinformation (21.05.2007) erkennbar geworden, vermag nicht zu

überzeugen und erweist sich als Schutzbehauptung. Wie bereits festgestellt, ergeben

sich aus der übermittelten Bewertungsmatrix eindeutig die Höhe der Leistungspunkte

sowie die Kriterien, nach denen Bewertungspunkte vergeben werden sollten. Wenn

nun die Bewertung anhand der bereits bekannten Bewertungsmatrix tatsächlich auch

vorgenommen wurde, ändert dies an der zu Grunde gelegten Matrix und der

Berechnungsformel nichts; es wurde lediglich die bekannte Matrix angewandt. Die

ASt erhielt mit dem Vorabinformationsschreiben keine neuen Tatsachenkenntnisse

über die Verwendung der Matrix, sondern nur das Wertungsergebnis ihres Angebots.

Insoweit ist ihr Vortrag, erst aufgrund des Vorabinformationsschreibens die

Intransparenz der Bewertungsmethodik erkannt zu haben, als Schutzbehauptung

zurückzuweisen.

(2) Auch hinsichtlich der behaupteten zu kurzen Angebotsfrist durch die verspätet

übersandte TETRA Schnittstellenbeschreibung ist die ASt ihrer Verpflichtung zur

rechtzeitigen Rüge nicht nachgekommen. Entgegen der Auffassung der ASt kann

nicht dahingestellt bleiben, „ob eine Vergaberüge vorlag oder nicht“. Die

Verpflichtung zur unverzüglichen Rüge wird nicht durch ein anschließend

durchgeführtes Nachprüfungsverfahren entbehrlich. Die angeblich zu kurze

Angebotsfrist ist nicht rechtzeitig gerügt worden. Entgegen der Auffassung der ASt

liegt in ihrem Verlangen nach Fristverlängerung in ihrer Email an den Agg vom

21.03.2007 keine Rüge –weder ausdrücklich noch konkludent. Die Rüge ist zwar an

keine Form gebunden, weshalb sie grundsätzlich auch mündlich oder per Email

erfolgen kann. Allerdings muss sich für die Auftraggeberseite eindeutig erkennen

lassen, wer sich gegen den Verfahrensablauf wendet, in welchem Sachverhalt der

Verfahrensverstoß gegen das Vergaberecht gesehen wird und dass die Änderung

dieses Sachverhaltes ernsthaft begehrt wird. Es muss – zumindest durch Auslegung

nach dem objektiven Empfängerhorizont – eindeutig erkennbar sein, dass ein

Rechtsfehler geltend gemacht wird und nicht lediglich Anregungen zur Optimierung

des Vergabeverfahrens gegeben werden (vgl. Reidt in Reidt/Stickler/Glahs,

Vergaberecht, 2. Aufl., § 107 Rn. 38b). Der Auftraggeber muss erkennen können,

welchen vergaberechtswidrige Fehler er abstellen soll (vgl. Reidt, aaO, Rn 38c),

wobei es indes nicht darauf ankommt, dass die Rüge auch als solche bezeichnet

wird. Nach alledem kann in der Email der ASt vom 21.03.2007 auch nicht nur

ansatzweise eine Rüge gesehen werden. Die ASt stellte einige Fragen an den Agg

über die noch nicht eingetroffene CD mit der Schnittstellendefinition der EADS.

Frage 3 lautet wörtlich: „Befindet sich auf der CD eine detaillierte Spezifikation des digitalen BOS

Funksystems und erwarten Sie, dass wir in unserem Angebot eine auf dieses System abgestimmte

detaillierte Systembeschreibung abgeben? Wenn ja, dann bitte ich Sie um eine Verlängerung der

Angebotsfrist um 2 Wochen. Bislang haben wir diese CD und damit diese Informationen noch nicht

erhalten und sehen uns daher nicht in der Lage, innerhalb der wenigen dann noch verbleibenden tage

diese Aufgabe in der für die Bedeutung dieses Projekts angemessene Qualität zu erledigen.“

Selbst bei wohlwollender Auslegung handelt es sich hierbei lediglich um eine

Fristverlängerungsbitte für den Fall, dass eine bestimmte Bedingung eintritt. Nicht

nur, dass die Rüge grundsätzlich bedingungsfeindlich ist; die Bitte kann entgegen

dem klaren Wortlaut auch nach dem objektiven Empfängerhorizont nicht in eine

Beanstandung vergaberechtswidriger Fehler umgedeutet werden.

Die erst im Schreiben vom 24.05.2007 enthaltene Rüge der zu kurz bemessenen

Angebotsfrist ist nicht unverzüglich erhoben worden. Kenntnis von dem

vermeintlichen Vergabeverstoß hatte die ASt spätestens nach dem Telefonat am

21.03.2007. Dazwischen liegen nahezu 2 Monate.

(3) Sofern die ASt unzureichende Verhandlungszeit im Präsentationstermin

beanstandet, mangelt es ebenfalls an einer unverzüglichen Rüge. Mit Schreiben vom

02.05.2007 teilte ihr der AG mit, dass für den Präsentations- und

Verhandlungstermin insgesamt 2,5 Stunden anberaumt und davon lediglich

40 Minuten für Fragen, Diskussionen und Verhandlungen vorgesehen waren. Eine zu

kurze Erörterung und die damit nach Auffassung der ASt verbundene unzureichende

Grundlage für die Bewertung der Zuschlagskriterien rügte diese jedoch weder in dem

Verhandlungsgespräch selbst, noch zeitnah im Anschluss. Die erstmals im

Nachprüfungsverfahren vorgebrachte Rüge ist unzweifelhaft verspätet.

(4) Mit dem Vorbringen, bei der Vorgabe fester Preise durch den Agg für die

Positionen 9.7 und 9.8 handle es sich um einen Vergaberechtsverstoß, ist die ASt

ebenfalls präkludiert. Erstmals macht sie dies mit dem Antrag auf Nachprüfung vom

31.05.2007 geltend. Bereits durch das Scheiben des Agg vom 10.05.2007, welches

durch Email vom 11.05.2007 konkretisiert wurde, hat die ASt von dem Vorhaben des

AG Kenntnis erlangt, diese Positionen durch die Vorgabe fester Preise aus der

Wertung zu nehmen, so dass sie auch diesen angeblichen Verstoß (nach 3 Wochen)

verspätet gerügt hat.

(5) Die anderen in Betracht kommenden Vergaberechtsverstöße, nämlich die

Beanstandung der Einbeziehung des Angebots der Mindestfordernden in die

Wertung sowie die vergaberechtswidrige Wertung ihres eigenen Angebots, sind

rechtzeitig durch die Antragstellerin gerügt worden, da ihr diese erst durch das

Vorabinformationsschreiben vom 21.05.2007 bekannt geworden sind und unmittelbar

danach mit Rügeschreiben vom 24.05.2007 beanstandet wurden.

2. Der Antrag auf Aufhebung des Vergabeverfahrens ist – soweit er überhaupt

zulässig ist – offensichtlich unbegründet.

Entscheidend kommt es hier darauf an, ob materiell Vergaberechtsfehler vorliegen,

die eine Wiederholung der Angebotswertung rechtfertigen würden, wie die ASt mit

ihrem Hilfsantrag begehrt. Dies ist jedoch nicht der Fall, da die behaupteten

Ausschlussgründe für das Angebot der Firma XXX offensichtlich nicht vorliegen und

da selbst bei einer Neubewertung unter Berücksichtigung der von der ASt

behaupteten Vergaberechtsfehler diese keine Chance auf Erhalt des Zuschlags

hätte.

a) Die ASt hat pauschal behauptet, dass die Fa. XXX nach „Markterkenntnissen nicht

über Referenzen im Bereich polizeilicher Einsatzleitstellen verfügt“, ohne dies näher

zu konkretisieren. Damit wäre nach Auffassung der ASt die Fa. XXX von der

Wertung der Angebote auszuschließen. Die Feststellung der Eignung verlangt jedoch

eine Wertungsentscheidung des Auftraggebers, die dieser unter Beachtung der

vergaberechtlichen Grundsätze zu treffen hat; im eigentlichen Sinne handelt es sich

um eine Prognoseentscheidung. Es verbleibt der Vergabestelle daher ein

Beurteilungsspielraum – allein ob dessen Grenzen eingehalten wurden, kann durch

die Vergabekammer überprüft werden. Die Nachprüfungsinstanzen können insoweit

grundsätzlich nicht an die Stelle des Auftraggebers treten (vgl. nur Noch in: Müller-

Wrede, VOL/A-Kommentar, Rn. 184 ff zu § 25 VOL/A; Kulartz in: Daub / Eberstein,

VOL/A-Kommentar, Rn. 31 ff zu § 25; Weyand, ibr-online-Kommentar, Stand

02.01.2007, Rn. 396 ff zu § 97 GWB, m.w.N.). Danach könnte ein Ausschluss gemäß

§ 25 Nr. 2 Abs. 1 VOL/A allenfalls dann von der Vergabekammer angeordnet

werden, wenn der Agg das ihm zur Beurteilung der Eignung zustehende Ermessen

fehlerhaft ausgeübt hätte.

Eine Überschreitung des Beurteilungsspielraumes ist anzunehmen, wenn das

vorgeschriebene Verfahren nicht eingehalten wurde, wenn nicht von einem

zutreffenden und vollständig ermittelten Sachverhalt ausgegangen wurde, wenn

sachwidrige Erwägungen in die Wertung einbezogen wurden oder wenn der sich im

Rahmen der Beurteilungsermächtigung haltende Beurteilungsmaßstab nicht

zutreffend angewendet wurde. Ein Beurteilungsfehler liegt auch dann vor, wenn der

Auftraggeber von dem ihm eingeräumten Beurteilungsspielraum gar keinen

Gebrauch macht, z.B. weil er diesen nicht mit einer eigenen

Abwägungsentscheidung ausfüllt. Subjektiv ist allerdings zu berücksichtigen, was der

Auftraggeber in seiner Lage als für seine Ziele und Bestrebungen richtig ansieht;

entscheidend ist letztlich, dass die subjektive Bewertung des Auftraggebers

vertretbar und nicht völlig haltlos ist (vgl. Weyand, a.a.O., m.w.N.). Hinsichtlich des

Vorliegens derartiger Mängel bestehen für die Kammer indes in Bezug auf die

Fachkunde, die Leistungsfähigkeit und die Zuverlässigkeit Fa. Eurofunk keinerlei

Anhaltspunkte.

Unabhängig davon, dass Überwiegendes dafür spricht, dass es sich bei dem

Vorbringen der ASt um eine Rüge ins Blaue hinein handelt und es deshalb schon an

einer substantiierten Rüge fehlt, ist durch einen kurzen Blick in die Vergabeakten

erkennbar, dass die ASt offensichtlich mit ihren Vermutungen falsch liegt: Denn die

Fa. XXX hat die unter III. 2. 3) 18. der Ausschreibung geforderten Referenzen

erbracht. Hier wurden „Angaben über Referenzen für vergleichbare Leistungen

(polizeiliche und nicht polizeiliche Leitstellen oder gemeinsame) im

deutschsprachigen Raum der letzten 3 Jahre mit Nennung von Auftraggeber,

Leistungsumfang, Jahr Ansprechpartner und Telefonnummer“ gefordert. Auf den

Seiten 241-260 des Teilnahmeantrags der Fa. XXX sind Referenzen für

verschiedene „Leitstellen-Projekte“ und „Funkprojekte“ aufgelistet. Für polizeiliche

Leitstellen sind 14 Projekte aufgeführt; wobei lediglich zwei dieser Projekte aus dem

geforderten Zeitrahmen von 3 Jahren herausfallen, mithin also älter sind. Darüber

hinaus haben alle Projekte im deutschsprachigen Raum stattgefunden und es

werden die geforderten Daten genannt. Darüber hinaus werden verschiedene

Projekte für Banken / Versicherungen, Feuerwehr, Flughäfen, Rettungsdienste und

Industrie benannt. Auch diese insgesamt 12 Projekte, von denen wiederum zwei

wegen Überschreitung des Zeitrahmens unbeachtlich sind, erfüllen im Übrigen die

Anforderungen des Agg an die Referenzen. Für integrierte Feuerwehr- und

Rettungsleitstellen werden 10 Projekte genannt, die alle Anforderungen erfüllen. Zwei

weitere fallen aus dem zeitlichen Rahmen und hinsichtlich drei weiterer Projekte

wurden in dem Zeitrahmen lediglich Erneuerungen vorgenommen.

Damit ist überdeutlich, dass die pauschale Behauptung der ASt, die Fa. XXX verfüge

über keine Referenzprojekte, ihrem Antrag nicht zum Erfolg verhelfen kann.

Bewertungsfehler sind dem Agg nicht vorzuwerfen. Darüber hinaus bleibt offen, wie

die ASt mit einer ihrer Ansicht nach ungeeigneten Bewerberin als Teil einer

Bietergemeinschaft oder als Nachunternehmerin eine eigene erfolgreiche Bewerbung

um den Vertragsschluss hätte abgeben wollen.

b) Es ist aus keinem Blickwinkel heraus erkennbar, dass die von der ASt

behaupteten Wertungsfehler Einfluss auf die Wertungsreihenfolge hätten mit der

Folge, dass der ASt der Zuschlag zu erteilen wäre.

Sofern die ASt die Wertung ihres eigenen Angebotes rügt, bleibt zunächst

festzustellen, dass hinsichtlich der Vergabe von Wertungspunkten der Vergabestelle

ein Ermessen zusteht, welches von der Kammer nur begrenzt überprüft werden

kann. Die Vergabekammer ist bei der Beurteilung der Rechtmäßigkeit der

Entscheidung darauf beschränkt, ob das Ermessen bei der Entscheidungsfindung

rechtmäßig ausgeübt wurde; sie ist nicht zur eigenen Ermessensausübung befugt.

Bei der Bewertung der eingereichten Unterlagen steht dem Auftraggeber ein weiter

Beurteilungsspielraum zu. Dieser ist nur dann überschritten, wenn das

vorgeschriebene Verfahren nicht eingehalten wird, wenn nicht von einem

zutreffenden und vollständig ermittelten Sachverhalt ausgegangen wird, wenn

sachwidrige Erwägungen in die Wertung einbezogen werden oder wenn der sich im

Rahmen der Beurteilungsermächtigung haltende Beurteilungsmaßstab nicht

zutreffend angewendet wird (vgl. OLG München, Beschluss vom 26.06.2007, Verg 6

/ 07).

Insoweit dringt der Vorwurf der pauschalen Bewertung hier nicht durch. Die

Wertungen der einzelnen Kapitel wurden differenziert vorgenommen. Hierüber ist ein

Protokoll angefertigt worden, welches die Begründung zu den einzelnen Wertungen

wiedergibt. Anhaltspunkte, dass es sich um eine pauschale Bewertung handelt, sind

diesem nicht zu entnehmen. Vielmehr hat sich der Agg mit den einzelnen

Anforderungen auseinandergesetzt und Vergleiche zu den anderen Mitbewerbern

angestellt. Ebenso kann die durchs nichts konkretisierte Behauptung, insgesamt sei

die ASt zu schlecht bewertet worden, kein Anlass für eine Neubewertung sein.

Das Vorbringen der ASt, es seien Optionen, die nicht in Auftrag gegeben werden

sollen, bei der Wertung zwar in preislicher Hinsicht nicht aber im technischen Teil der

Bewertungsmatrix berücksichtigt worden, was zu einer nicht zutreffenden Wertung

geführt hätte, weshalb ihr Angebot nicht das bestplatzierte gewesen sei, verhilft dem

Nachprüfungsverfahren nicht zum Erfolg, da selbst bei unterstellter Richtigkeit der

Behauptung die ASt nie an die erste Stelle der Bieterreihenfolge gelangt wäre.

Im Einzelnen:

Nach der „Konzeptionellen Beschreibung“, wurden folgende Punkte als Optionen

angeführt:

1.2.1 Entsorgung vorhandener Systemtechnik (Option)

3.1.4 n. die Vermittlung des vertragsärztlichen Notfalldienstes (optional)

3.1.6 Herausgabe des Quellcodes (Option)

3.3.17.3 Unabhängige Fahrzeugzustandsanzeige (FZA) Option

3.4.6.15.1 Darstellung von Schadstoffausbreitungen (Option) 8.7 e. Optional:

1. Möglichkeit des Überleitens von Intercomgesprächen von/ zu BOS –

Funkkanälen, z.B. Aufschaltung auf Funkkanäle dergl. zwecks Mithören.

2. Kombination einiger Gegensprechmodule mit Kleinstkameras für

Videokonferenzen begrenzt auf das Gebäude.

8.9 Videoübertragungssystem (Option)

8.12. 1-5 Grenzkurzwellen- Anschaltungen (Option)

1. Telefongespräche sollen über die hauseigene Telefonanlage in Verbindung

mit dem Postman zu den Küstenseefunkstellen hergestellt werden.

2.Überleitung von Funkgespräche der Schiffe in das BOS- Digitalfunknetz

erfolgen manuell über den ESB. Hierfür muss eine Funküberleiteinrichtung

vorhanden sein (Lieferumfang AN).

3. Über eine WAN- Verbindung zu den Küstenfunkstellen (Landesnetz SH)

sollen Funkgespräche in den HF- Grenzkurzwellenbereich (

Festfrequenzmode) ermöglicht werden. (Lieferumfang AN: VoIP- Interface /

Überleiteinrichtung)

4. Des Weiteren sollen GPS- Daten übermittelt werden.

5. Die Übermittlung von E-Mails und Faxnachrichten erfolgt über beigestellte

Technik (unabhängig vom ELSY)

8.13 Chipkartensystem (Option)

9.3 Technische Ausstattung zur Verwaltung der Technik (Option)

9.6. 1-7 Service-, Instandhaltungs- und Softwarepflegeleistungen durch den AN

(Option)

9.7 Ersatzteile (Option)

9.8 Service- und Diagnosemittel (Option) 10.1.3.8 Multiplikatorenschulung (Option)

10.2.2 Schulung in den anderen RLS (Option)

Mit Schreiben vom 10.05.2007 teilte die AG der ASt mit, dass beabsichtigt ist,

lediglich folgende Positionen der Optionen in Auftrag zu geben; 1.2.1; 3.3.17.3;

3.4.15.1; 8.9; 8.12a; 8.12c; 9.3; 9.6.1; 9.6.5; 9.6.6; 9.7; 9.8 sowie 10.2.2.; der Vorwurf

der ASt kann sich daher zunächst nur auf diese Positionen beziehen.

Die Positionen 3.1.4 und 3.1.6 haben beim Technischen Wert keine Wertung

erhalten, wurden also bereits vom Agg – wie es die ASt fordert – nicht berücksichtigt.

Die Kriterien 9.6.1; 9.6.5 und 9.6.6 dagegen sind ausschließlich für das

Zuschlagskriterium „Service und Support“ verwendet geworden.

Damit verbleiben die Positionen 8.7e; 8.12b; 8.12d; 8.13 sowie 10.1.3.8, die im

Rahmen des Zuschlagskriteriums „Technischer Wert / Erfüllungsgrad vermeintlich

falsch bewertet worden sein sollen. Es ist schon fraglich, ob diese Kriterien, die mit

Ausnahme des 8.13 sämtlich Unterkriterien darstellen und nicht gesondert bewertet

wurden, überhaupt entscheidenden Einfluss auf die Bewertung des Oberkriteriums

hätten haben können. Eine Chancenverschlechterung auf eine Zuschlagserteilung ist

damit jedoch auf keinen Fall einhergegangen:

Selbst wenn man zu Gunsten der ASt davon ausgeht, dass die Nichtbewertung der

optionalen Kriterien, welche nicht beauftragt werden sollten, einen entscheidenden

Einfluss auf die Oberkriterien 8.7; 8.12; 8.13 und 10.1.3 gehabt hätten, würde bei

einer Neubewertung der Angebote in diesen Punkten nicht das von der ASt

gewünschte Ergebnis erreicht werden können: Würde die ASt bei diesen

Oberkriterien die volle Punktzahl erhalten und die anderen Mitbewerber sämtlich mit

0 Punkten bewertet, so bliebe die ASt dennoch mit insgesamt 84.106 Punkten

hinter der Fa. XXX mit 96.482 zurück. Die Punktzahl der Fa. XXX bleibt deshalb

unverändert, weil sie hinsichtlich des Zuschlagkriteriums „Technischer Wert“ die

Höchstpunktzahl erreicht hat, an welcher auch eine neue Bewertung nichts

veränderte.

Hinsichtlich der Positionen 9.6.2; 9.6.3; 9.6.4 und 9.6.7, welche für das Kriterium

„Service und Support“ relevant geworden sind, gilt das Gleiche. In Bezug auf den

technischen Wert dieses Zuschlagskriteriums hat die ASt 3.000 Referenzwertpunkte,

also die Maximalpunktzahl erhalten. Selbst wenn man den anderen Mitbewerbern für

die nicht beauftragten Optionen 0 Punkte erteilte, bliebe die ASt in der Neubewertung

mit 84.106 Punkten dennoch hinter der Fa. XXX mit 95.972 Punkten zurück.

Nach alledem kann der Nachprüfungsantrag keinen Erfolg haben.

c) Die ASt hat im vorliegenden Verfahren kein Recht auf Akteneinsicht.

Das Recht zur Akteneinsicht ist nur insofern erforderlich, als es zu Durchsetzung der

subjektiven Rechte der Verfahrensbeteiligten aus § 97 Abs. 7 GWB dienlich ist.

Maßgeblich ist dabei die Entscheidungsrelevanz der Unterlagen, deren Einsicht

begehrt wird (vgl. OLG Naumburg, Beschluss vom 11.06.2003, 1 Verg 06/03,

m.w.N.). Vor diesem Hintergrund hat die ASt keinen Anspruch auf Einsichtnahme in

die Angebote der Konkurrenten und die sonstigen Unterlagen des Agg. § 111 GWB

dient nicht der Befriedigung allgemeiner Informationsinteressen eines Bieters,

sondern unterstützt nur eine in statthafter Weise begründete verfahrensrechtliche

Rechtsposition eines Beteiligten am Nachprüfungsverfahren (vgl. OLG Dresden,

Beschluss vom 12.09.2005, Verg 5/05). Dies ist nach der Rechtsprechung der

Obersten Landesgerichte und einer Reihe von Vergabekammern bei einem

unzulässigen Nachprüfungsantrag nicht der Fall (vgl. erkennende Kammer,

Beschluss vom 17.03.2006, VK-SH 02/06, m.w.N.).

Akteneinsicht wird grundsätzlich demjenigen nicht gewährt, dem das GWB gerade

das Nachprüfungsverfahren nicht eröffnet. Die Tatsache, dass der hier vorliegende

Nachprüfungsantrag zwar teilweise zulässig ist, führt zu keinem anderen Ergebnis,

da der Antrag im Übrigen offensichtlich unbegründet ist (vgl. Düsterdiek, NZBau

2004, 605, 606). Ein Rechtschutzinteresse der ASt, sich trotz des offensichtlich

unbegründeten Nachprüfungsantrags über die Teilnahmeanträge der anderen

Bewerber sowie über Einzelheiten der durch den Agg als geheim zu haltend

eingestuften Verdingungsunterlagen zu informieren, ist nicht ersichtlich.

d) Die Zurückweisung eines Nachprüfungsantrag ohne mündliche Verhandlung als

„offensichtlich” unbegründet sollte zwar die Ausnahme bleiben (vgl. OLG Schleswig,

Beschluss vom 30.06.2005, 6 Verg 5/05); angesichts der eindeutigen Sach- und

Rechtslage sind die Voraussetzungen des § 112 Abs. 1 Satz 3 Alt. 2 und 3 GWB hier

jedoch gegeben.

Ob die Vergabekammer bei Vorliegen der in § 112 Abs. 1 Satz 3 GWB genannten

Voraussetzungen von einer mündlichen Verhandlung absieht, liegt in ihrem

pflichtgemäßen Ermessen; dabei hat sie auch zu berücksichtigen, ob von einer

mündlichen Verhandlung neue Erkenntnisse zu erwarten wären, die zu einer anderen

Bewertung führen können (vgl. BayObLG, Beschluss vom 20.8.2001, Verg 11/01).

Aufgrund der Sachlage und des bisherigen Vorbringens der Beteiligten ist die

Kammer davon überzeugt, dass dies nicht der Fall ist.

Die ASt hatte in ausreichendem Maß Gelegenheit, ihre Standpunkte in tatsächlicher

und in rechtlicher Hinsicht anzubringen, so dass der maßgebliche Sachverhalt aus

Sicht der Kammer hinreichend aufgeklärt ist und eine mündliche Verhandlung

insofern keinen weiteren Erkenntnisgewinn verspricht.

Die Kammer ist auch dem Untersuchungsgrundsatz des § 110 Abs. 1 GWB

hinreichend nachgekommen und hat den Sachverhalt hinlänglich erforscht. Nachdem

danach an der Richtigkeit der tatsächlichen Feststellungen vernünftigerweise kein

Zweifel mehr bestehen kann, nach dem Vorbringen der ASt für diese unter keinem

Gesichtspunkt Erfolgsaussichten bestehen und sich die Zurückweisung des Antrages

damit geradezu aufdrängt, kann der Antrag als offensichtlich unbegründet qualifiziert

werden (vgl. Boesen, GWB-Kommentar, 1. Aufl., Rn. 23 f. zu § 112; 2. VK Bund,

Beschluss vom 06.10.2003, VK 2-94/03).

Die Kammer ist ebenfalls überzeugt, der ASt im vorliegenden Nachprüfungsverfahren

hinreichend rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) gewährt zu haben. Zu

berücksichtigen ist weiterhin, dass der Grundsatz des rechtlichen Gehörs ohnehin

keinen Selbstzweck darstellt, sondern – wie § 321a Abs. 1 Nr. 1 ZPO zeigt – nur

dann berührt ist, wenn die selbst ohne hinreichende Gewährung rechtlichen Gehörs

getroffene Entscheidung nicht mehr in der Rechtsmittelinstanz anfechtbar ist und der

Verfahrensbeteiligte somit auch nachträglich kein Gehör findet (vgl. OLG Jena,

Beschluss vom 14.10.2003, 6 Verg 8/03), was hier nicht der Fall wäre. Auch ist die

ASt zu dem beabsichtigten Verzicht auf die mündliche Verhandlung angehört worden

(vgl. Reidt, a.a.O., § 112 GWB, Rn. 19).

Wenn daher – wie im vorliegenden Fall – nach Eingang der Akten und Austausch der

Schriftsätze erkennbar ist, dass eine mündliche Verhandlung keine rechtliche

Verbesserung für den Antragsteller erbringen kann, muss bei einer solchen Sach-

und Rechtslage von einer offensichtlichen Unbegründetheit des Antrages

ausgegangen werden und eine Entscheidung der Vergabekammer (nach Erteilung

eines rechtlichen Hinweises) nach Aktenlage auch dann zulässig sein, wenn einer

der Beteiligten – hier die ASt – einer solchen Entscheidung entgegentritt (vgl. VK

Sachsen, Beschluss vom 14.02.2006, 1/SVK/5-06; VK Arnsberg, Beschluss vom

07.09.2005, VK 16/05).

e) Auf eine Beiladung der in der Reihenfolge vor der ASt platzierten Bieter gemäß §

109 GWB konnte verzichtet werden, weil die Entscheidung der Kammer für diese

Bieter keine rechtsgestaltende Wirkung hat.

Eine Beiladung wäre im streitgegenständlichen Verfahren mit unnötigen

Zeitverzögerungen sowie einem nicht zu rechtfertigenden Aufwand verbunden

gewesen und hätte unnötige Kosten verursacht. Dennoch bleibt das Recht dieses

Bieters auf rechtliches Gehör gewahrt. Im Falle eines Beschwerdeverfahrens stünde

der Wortlaut des § 119 GWB einer Beiladung nicht im Wege, falls das

Beschwerdegericht eine solche für erforderlich halten würde (vgl. erkennende

Kammer, Beschluss vom 17.03.2006 - VK-SH 02/06, m.w.N.).

III.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 128 Abs. 3, Abs. 4 GWB. Danach hat ein

Beteiligter die Kosten (Gebühren und Auslagen) der Vergabekammer zu tragen,

soweit er im Verfahren unterliegt (1.). Zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung

notwendige Kosten hat er zu erstatten, soweit die Anrufung der Vergabekammer

erfolgreich ist (2.).

Im vorliegenden Fall ist die ASt als unterlegen anzusehen, da ihre Anträge

zurückgewiesen wurden.

1. Nachprüfungsverfahren nach § 107 ff. GWB sind gebührenpflichtig. Die Gebühr

beträgt mindestens 2.500,00 Euro und soll den Betrag von 25.000,00 Euro nicht

überschreiten (§ 128 Abs. 2 Satz 2 und 3 GWB).

Die Höhe der Gebühr bestimmt sich nach dem personellen und sachlichen Aufwand

der Vergabekammer unter Berücksichtigung der wirtschaftlichen Bedeutung des

Gegenstandes des Nachprüfungsverfahrens (§ 128 Abs. 2 Satz 1 GWB). Entspricht

die wirtschaftliche Bedeutung dem Durchschnitt, ist grundsätzlich eine mittlere

Gebühr angemessen.

Zur Bemessung ihrer Gebühren wendet die Kammer eine Gebührenstaffel an,

wonach die in § 128 Abs. 2 GWB normierte Mindestgebühr von 2.500 Euro bei

Auftragswerten bis zu 80.000 EUR anfällt, die gesetzliche Höchstgebühr von 25.000

Euro bei Auftragswerten von 70 Mio. Euro und mehr entsteht und bei der für die

dazwischen liegenden Auftragswerte die jeweilige Gebühr durch lineare Interpolation

(Gebühr = 2.500 Euro + [25.000 Euro – 2.500 Euro] / [70 Mio. Euro – 80.000 Euro] x

[Auftragsvolumen – 80.000 Euro]) ermittelt wird. Mit der Anknüpfung an die jeweilige

Auftragssumme wird nicht nur der wirtschaftlichen Bedeutung der im

Nachprüfungsverfahren zu kontrollierenden Auftragsvergabe Rechnung getragen,

sondern zugleich auch der personelle und sachliche Aufwand, den die

Vergabekammer zur Erledigung des Nachprüfungsbegehrens aufzuwenden hat, in

hinreichender Weise berücksichtigt. Denn in aller Regel steigt mit der Höhe der

Auftragsumme auch die Komplexität und Schwierigkeit des Streitfalles in

tatsächlicher und in rechtlicher Hinsicht und mithin auch der zur Bewältigung des

Nachprüfungsverfahrens erforderliche Aufwand der Vergabekammer. Lediglich dann,

wenn im Einzelfall der Sach- und Personalaufwand aus dem Rahmen dessen fällt,

was ein Nachprüfungsantrag der betreffenden wirtschaftlichen Größenordnung und

Bedeutung üblicherweise mit sich bringt, muss dem durch eine angemessene

Erhöhung oder Herabsetzung der in der Gebührenstaffel ausgewiesenen

Basisgebühr Rechnung getragen werden (vgl. nur OLG Düsseldorf, Beschluss vom

12.05.2004, Verg 28/04, m.w.N.).

Unter dieser Prämisse gilt hier Folgendes: Der Gegenstand des

Nachprüfungsverfahrens ist von besonders hoher wirtschaftlicher Bedeutung für alle

Verfahrensbeteiligten. Das wird bereits durch das streitgegenständliche

Auftragsvolumen in Höhe von ca. 15,7 Mio. Euro brutto (Auftragssumme plus Preis

„Service und Support“) deutlich. Der personelle und sachliche Aufwand bei der

Vergabekammer ist als durchschnittlich anzusehen, da die Verfahrensbeteiligten im

üblichen Rahmen vorgetragen haben; der Umfang der von der Vergabekammer

auszuwertenden Vergabeakten war ebenfalls durchschnittlich. Von daher erscheint

der Kammer vorliegend zunächst eine Gebühr in Höhe von 7.524,95 Euro als

angemessen.

Gemäß § 128 Abs. 2 Satz 2 GWB kann die Gebühr aus Gründen der Billigkeit bis auf

ein Zehntel ermäßigt werden. Als Billigkeitsgründe sind dabei nur solche

Gesichtspunkte zu berücksichtigen, die im Zusammenhang mit der wirtschaftlichen

Bedeutung sowie dem erforderlichen Verwaltungsaufwand stehen. Im vorliegenden

Fall ist der sachliche und personelle Verwaltungsaufwand bei der Vergabekammer

insoweit als leicht durchschnittlich anzusehen, als auf eine mündliche Verhandlung,

die Beiladung und Gewährung von Akteneinsicht verzichtet wird. Daher erscheint

eine Ermäßigung der Gebühr um ein Drittel, mithin auf 5.016,63 Euro angemessen.

Auslagen, welche nicht bereits durch die Gebühr abgegolten wären, sind nicht

angefallen.

Rechtsbehelfsbelehrung

Gemäß § 116 Abs. 1 GWB kann gegen diese Entscheidung sofortige Beschwerde

eingelegt werden. Sie wäre innerhalb einer Notfrist von 2 Wochen nach Zustellung

dieser Entscheidung schriftlich beim Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgericht,

Gottorfstraße 2, 24837 Schleswig, einzulegen. Die sofortige Beschwerde ist zugleich

mit ihrer Einlegung zu begründen. Die Beschwerdebegründung muss enthalten:

1. die Erklärung, inwieweit die Entscheidung der Vergabekammer angefochten und

eine abweichende Entscheidung beantragt wird,

2. die Angabe der Tatsachen und Beweismittel auf die sich die Beschwerde stützt.

Die Beschwerdeschrift muss durch einen bei einem deutschen Gericht zugelassenen

Rechtsanwalt unterzeichnet sein. Dies gilt nicht für Beschwerden von juristischen

Personen des öffentlichen Rechts. Mit Einlegung der Beschwerde sind die anderen

Beteiligten des Verfahrens vor der Vergabekammer vom Beschwerdeführer durch

Übermittlung einer Ausfertigung der Beschwerdeschrift zu unterrichten (§ 117 Abs. 4

GWB).

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