Zitronenfalter 1-2011

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Rückblick Die Geburt der Zitrone – wie kfm entstanden ist Ausblick Jürgen Moltmann über die Kirche der Zukunft Weitblick Persönlichkeiten aus Kirche und Gesellschaft gratulieren kfm zum 10. Geburtstag 1.2011 www.kirchefuermorgen.de Blick zurück nach vorn 10 Jahre Kirche für morgen

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Blick zurück nach vorn - 10 Jahre Kirche für morgen

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RückblickDie Geburt der Zitrone – wie kfm entstanden ist

AusblickJürgen Moltmann über die Kirche der Zukunft

WeitblickPersönlichkeiten aus Kirche und Gesellschaft gratulieren kfm zum 10. Geburtstag

Ausblick - Jürgen Molt-

mann über die Kirche der

Zukunft

1.2011

www.kirchefuermorgen.de

Blick zurück nach vorn

10 Jahre Kirche für morgen

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Editorial & Inhaltsverzeichnis

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vor zwölf Jahren haben sich zwei kreative Köpfe mit ihren Ideen ge-genseitig befruchtet. Auch wenn es etwas mehr als neun Monate dauerte – aus der Befruchtung wurde eine Schwangerschaft und im Februar 2001 wurde sie „ge-boren“: Kirche für morgen – die

neue kirchenpolitische Kraft in Württemberg. Nicht weniger als eine „Initiative zur Reform der Evange-lischen Kirche in Württemberg“ sollte sie werden. (Mehr „Märchenhaftes“ über diese Geburt finden Sie auf der letzten Seite dieser Ausgabe).

Und wie das halt so ist mit dem neugeborenen

Nachwuchs: Er meldet sich, wenn ihm etwas nicht passt – und Kirche für morgen hat oft lautstark das Wort ergriffen. Wie das aussah? Lesen Sie selbst: Auf S. 14-15 erzählen die beiden „kreativen Köpfe“ einiges zur Entstehungsgeschichte von kfm.

Frisch, fromm, fröhlich, frei – so sieht Kirche für morgen auch nach 10 Jahren noch aus. Aber an-statt mit verklärtem Blick in der Vergangenheit zu verharren, wollen wir es machen wie ein Diskus-werfer: Die Wendung nach hinten dient dazu, den notwendigen Schwung für den Wurf nach vorne zu bekommen. Deshalb richten wir mit dieser Jubilä-umsausgabe des Zitronenfalters einen Blick zu-rück nach vorn.

Einen Blick zurück können Sie auf S. 10-13 wer-fen: 10 Jahre „Zitronenpresse“, liebevoll und sprit-zig aufbereitet. Den Blick nach vorn wagen wir gleich mehrfach: Wie sieht eine „Kirche 2030“ aus, die zentrale Anliegen von Kirche für morgen umge-setzt hat? Über diesen Traum von Kirche erzählt unser Vorsitzender Friedemann Stöffler auf S. 3-4.

Dass dieser Blick in die Zukunft keine Schaum-schlägerei ist, sondern seinen theologischen Grund hat, darüber schreibt Prof. Dr. Jürgen Molt-mann. Er fragt nach der „wahren Zukunft“ der Ge-meinde, konkret: „Wie wird aus einem Kirchenbe-zirk oder einer Seelsorgeeinheit eine selbständige Gemeinde, die ihre eigenen Dinge selbst in die Hand nimmt? Wie wird aus der Kirche ‚für das Volk’ eine Kirche ‚des Volkes’?“ Seine Antworten – und was das alles mit dem Verhältnis von sogenannten „Laien“ und „Pfarrern“ zu tun, lesen Sie auf S. 8-9.

Eine erfrischende Lektüre wünscht IhnenIhr

Liebe Leserinnen und Leser,

Blick zurück nach vorn – 10 Jahre kfm

Editorial/Impressum . . . . . . . . . . . . . . . . . Seite 2

Ein Traum von Kirche . . . . . . . . . . . . . . . . . Seite 3kfm-Positionslicht

10 Jahre kfmFür eine Erneuerung der Kirche . . . . . . . Seite 5Persönlichkeiten über kfm

Zitronen über Zitronen . . . . . . . . . . . . . . . Seite 7Was Mitglieder zu kfm sagen

Kirche für morgenDie Kirche und ihre Zukunft . . . . . . . . . . . Seite 8Ein Statement von Jürgen Moltmann

Blick zurück nach vorn10 Jahre Zitronenpresse . . . . . . . . . . . . . Seite 10Aktionen und Reaktionen

Die Geburt der Zitrone . . . . . . . . . . . . . . . Seite 14Die Entstehungsgeschichte von kfm

BausteineSich regen bringt Segen . . . . . . . . . . . . . Seite 16Zitronengelbe Gemeindearbeit

Blick hinter die KulissenWer steckt hinter kfm? . . . . . . . . . . . . . . . Seite 18Der Leitungskreis und das Zitronenfalter-Redaktionsteam

Blick in die SynodeZitronenfrische in der Landessynode . . . . . . . . . . . . . . . . Seite 20Die sieben Synodalen von kfm

Blick nach vornUnd was sollte kfm noch anpacken? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Seite 22Gedanken von „außen“

Zu guter Letzt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Seite 24

Markus Haag, 2. Vorsitzender von Kirche für morgen

IMpReSSuMDer Zitronenfalter wird herausgegeben von Kirche für morgen e.V., Am Auchtberg 1, 72202 NagoldFon: 0700-36693669 Fax: 07071 959 [email protected], www.kirchefuermorgen.de

Erscheinungsweise3 x jährlich. Bestellung (auch weitere Exemplare) bei der Geschäftsstelle. Die Zusendung ist kostenlos.

BankverbindungEKK Stuttgart, BLZ 520 604 10, Konto 419 435Wir danken allen, die durch ihre Spende die kostenlose Weitergabe des Zitronenfalters ermöglichen.

RedaktionsteamMarc Stippich, Steinenbronn; (ViSdP)Claudia Bieneck, Malmsheim; Pina Gräber-Haag, Gronau; Markus Haag, Gronau; Tabea Hieber, Markgröningen; Dr. Heiko Hörnicke, Stuttgart; Thomas Hofmann-Dieterich, Haigerloch; Cornelia Kohler, Ostfildern; Werner Lindner, Winnenden; Gerhard Müller, Sigmaringen; Johannes Stahl, Eschenbach; Karlfriedrich Schaller, Tübingen.

Layout: AlberDESIGN, FilderstadtDruck: Druck + Medien Zipperlen GmbH, DornstadtVersand: Tobias und Magdalene Zipperlen, WeissachRedaktionsadresse: [email protected] und über die GeschäftsstelleAnzeigenpreise: [email protected], FAX: 07195-979759Anzeigenenschluss für die nächste Nummer: 11. 02. 2011

Bildnachweis Titel: IKO©Fotolia.com

Der Oberkirchenrat ermutigt Haus-gruppen und Kreise, sich am urgemeind-lichen Beispiel zu orientieren und das Abendmahl in den Häusern zu feiern.

Es gibt eine Vielfalt von Gottesdienst-zeiten sowie Gottesdienstformen mit un-terschiedlichen Zielgruppen, Schwer-punkten und Musikstilen. Dass Nicht-Theologen die Predigt in einem Gottes-dienst übernehmen – begleitet und unterstützt von Pfarrerinnen und Pfarrern – ist selbstverständlich geworden. Kanto-rinnen und Kantoren unterstützen Bands, Gospelchöre und Lobpreisgruppen ge-nauso wie klassische Orgelmusik und Kantoreien.

Kirche ist für alle spirituell und religi-ös suchenden Menschen – auch jene ohne kirchliche Sozialisation – ein wichti-ger Gesprächspartner und Anstoßgeber zum Wagnis des Glaubens geworden. Got-tesdienste werden immer mehr von sol-chen Menschen aufgesucht. Die Zahl der Neu-Eintritte ist größer als die Zahl derer, die in die Kirche hineingeboren werden.

Durch klare Schritte der Reformation hat sich die Kirche in Württemberg gewandelt:

Während 2010 die meisten Menschen mit dem Begriff „Kirche“ vor allem Pfarrer und Kirchengebäude assoziiert haben, rückt nun Kirche als Bewegung von mün-digen, dynamischen Gemeinden und Ge-meinschaften als Leib Christi in den Blick.

Während 2010 die Kirche sich fast ausschließlich über Kirchensteuer finan-zierte, ist nun eine gleich starke zweite Säule mit freiwilligen Gaben entstanden, die durch Kirchensteuermittel verdoppelt wird.

Während 2010 Kirche sich meist als „Hauptamtlichenkirche“ darstellte und es vor allem darum ging, wie Ehrenamtliche die Hauptamtlichen, insbesondere Pfarrer in ihrem Dienst unterstützen können, hat sich nun ein vollkommener Mentalitäts-wandel vollzogen: Hauptamtliche sehen ihre Hauptaufgabe darin, Ehrenamtliche zu befähigen, selbst Kirche und Gemein-de zu gestalten. Die Gemeinden wählen ihre Pfarrer frei und direkt.

Der Oberkirchenrat fühlt sich nicht mehr als „Kirchenleitung“, sondern ver-netzt und unterstützt, berät und ermutigt die Gemeinden vor Ort. Eine neue demo-kratische Mitwirkungskultur hat sich her-ausgebildet.

Während 2010 noch darüber diskutiert wurde, wie und ob Tauferinnerung mit Un-tertauchen geschehen darf, hat sich der Schwerpunkt hin zur Erwachsenentaufe verlagert. Es gibt inzwischen ganz selbstverständlich viel-fältige Formen der Taufe und Tauferinnerung mit und ohne Un-tertauchen.

ein Traum von Kirche

Kirche als

Bewegung von

mündigen,

dynamischen

Gemeinden und

Gemeinschaften.

Die Gemeinden

wählen ihre

Pfarrer frei

und direkt.

kfm-Positionslicht

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„ Kirche für morgen –

nicht rechts,

nicht links,

sondern vorne.“

Friedemann Stöffler, Vorsitzender von Kirche für morgen, träumt davon, wie sich die württembergische Landeskirche im Jahr 2030 darstellen könnte.

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tolia

.com

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rerepudam as es ad quamet acerio experio re-hendae eos quatet doluptat autationet elenis et illatqui comnihi lluptia

10 Jahre kfm

Wir haben Verantwortliche in Kirche und Gesellschaft gefragt, was sie an Kirche für morgen schätzen und was sie in Zukunft von ihr erwarten. Neun Statements zu 10 Jahren kfm.

Für eine erneuerung der Kirche

Kirche für morgen hat Fragen zum Leben und zur Gestaltung der Kirche neu aus eigenen Pers-pektiven gestellt und teilweise erfrischende Ant-worten vorgelegt. Scheinbar unverrückbare Trennlinien, die in unserer Landeskirche viele Jahre das Aufeinanderhören schwer gemacht haben, sind in den letzten Jahren aufgelöst wor-den.

Wir dürfen dabei in der Kirche nicht den Blick und dann den Weg in die Gesellschaft vergessen. Die Kirche für morgen wird die Kirche von heute nicht vergessen und deshalb das Evangelium von Jesus Christus mit anderen Tag für Tag durch-buchstabieren. Dafür wünsche ich einen langen Atem und Gottes Geleit.

Dr. h.c. Frank Otfried July, Landesbischof

Wolfgang Drexler, MdL, erster stellvertretender Landtagspräsident

Prof. Dr. Martin Plümicke, Reutlingen, für die „Offene Kirche“

In der Kirche ist es wie in der Politik: Überkom-mene Strukturen und Entscheidungen über die Köpfe der Menschen hinweg sorgen für Verdros-senheit. Offenheit für Neues und direkte Beteili-gungsformen lauten stattdessen die Zauberworte. Beide hat sich Kirche für morgen zum Programm gemacht. Das ist es, was ich an ihr schätze – und um was ich sie beneide. Weil die Politik hier ler-nen kann.

Kirche für morgen will keine außerparlamenta-rische Opposition sein. Als Parlamentarier mit Leib und Seele begrüße ich das und wün-sche mir, dass sie den langen Atem hat, der für Veränderungen aus den Gremien heraus nötig ist. Und dass sie trotzdem nie den Mut verliert,neue Herausforde-rungen anzugehen.

Was mich an Kirche für morgen von der ersten Minute an fasziniert hat, ist der Ideenreichtum für eine Erneuerung der Kirche. Dabei geht es so-wohl um die Hoffnung für Menschen in unserer Gesellschaft, die bisher noch nichts mit Kirche zu tun haben, als auch um die Hoffnung für un-sere württembergische Landeskirche. Kirche für morgen hat sich hier als Bindeglied und Anstifter für wichtige Diskussionen erwiesen. Ein kon-struktiver Mahner, der nicht Ruhe gibt und Verän-derungen immer wieder einfordert.

Ich wünsche mir, dass noch mehr von dem um-gesetzt wird und dass die zitronenfrischen Ideen für Kirche für morgen immer weiter um sich grei-fen.

Prof. Dr. Jörg Knoblauch, Unternehmer, Giengen

Kirche für morgen ist vor 10 Jahren entstanden, weil es Menschen gab und gibt, die diese Lan-deskirche verändern wollen. Das macht sie uns von der „Offenen Kirche“ sehr sympathisch. Auch wir sind als Reformbewegung in den 70ern entstanden. Kfm hat steile Vorlagen gegeben, z.B. mit den Forderungen nach der Urwahl des Landesbischofs oder nach der Einführung von Le-bensweltgemeinden. Das ist für uns eine neue Herausforderung, die wir gerne annehmen.

Wir wünschen uns von kfm bei allem Re-formeifer, bei dem wir durchaus auch

große Gemeinsamkeiten sehen, dass sie den Blick für Dinge nicht ver-liert, die auch heute in der Kirche schon oder noch gut sind.

Zitat aus dem Oberkirchenrat:

„Die Synode darf den Oberkirchenrat nur bitten.

Ob und wenn ja wie und wann der Oberkirchen-

rat darauf antwortet, ist allein seine Sache.“

(so Kirchenrat Lautenschlager auf eine Anfrage

von Kirche für morgen).

„Wir fallen den Schönrednern ins Wort, die uns weis-machen wollen, dass alles so bleiben kann, wie es ist. Wir wenden uns aber auch gegen das Jammern, das keinen Willen zur Veränderung erkennen lässt.“ (Aus dem ersten kfm-Wahlprogramm 2001)

Kirche für morgen setzt sich dafür ein, dass dies Realität wer-den kann:

dass Kirche mehr von unten gestaltet als von oben verwaltet wird.

dass Kirche von einer „Kirche für das Volk“ zu einer „Kirche des Volkes“ wird (Jürgen Moltmann, S. 8), von einer Betreu-ungskirche zu einer Beteiligungskirche.

dass wir vom Jammern um das Immer-Weniger wegkommen und hoffnungsvoll und mutig im Heute Schritte gehen zu einer „Kirche für morgen“.

dass wir aus alten Denkschemata zwi-schen rechts und links, fundamentalis-tisch und liberal, fromm und politisch ausbrechen und mutig miteinander eine Kirche gestalten, die in versöhnter Vielfalt Raum zur Erfahrung und Gestaltung des Glaubens und Lebens eröffnet.

dass wir getrost sagen können – nicht weil wir auf uns vertrauen, sondern auf den Herrn der Kirche, Jesus Christus:Kirche? – Das Beste kommt noch!

Deshalb … flattert unser Zitronenfalter in viele

Häuser.… wurden wir initiativ, um das Pfarrer-

wahlgesetz zu verändern.… wollen wir Jugenddelegierte in der Syn-

ode.… fordern wir eigene Jugendgemeinden

und andere an der Lebenswelt orien-tierte Gemeinden (wie jetzt schon die Studierendengemeinden).

… möchten wir die Unterstützung von För-dervereinen und die Verdoppelung von Spenden durch Kirchensteuermittel.

… haben wir Aktionen zum Reformations-tag gestartet wie Churchnight, alterna-tive Gottesdienstzählung und Thesen-anschlag.

… setzen wir uns für neue Formen der Taufe und Tauferinnerung ein.

… fordern wir die Abendmahlserlaubnis auch für Hausgruppen und Kreise.

… engagieren wir uns in und außerhalb der Synode für unsere Landeskirche.

Selbstverständlich wählt jeder frei seine Gemeinde. Lebensweltgemeinden werden von bestehenden „Parochiege-meinden“ nicht bekämpft, sondern un-terstützt und finanziert. So sind Gemein-den mit unterschiedlichem Profil auf viel-fältige Weise miteinander vernetzt. Wenn man erzählt, dass man sich 2011 zwar umgemeinden lassen konnte, aber wei-terhin alle finanziellen Mittel an die alte Gemeinde flossen, kann man das fast nicht glauben.

Die Kirche hat in der Gesellschaft eine wichtige Stimme – von allen gehört und von vielen ernst genommen. Sie engagiert sich für Frieden, Gerechtigkeit und Be-wahrung der Schöpfung im Sinne der Bergpredigt. Das Kennzeichen der Kirche ist, dass Gemeinschaften in unserer Kir-che dies selbst in vielfältiger Weise als „Stadt auf dem Berge“ vorleben und um-setzen. Es ist selbstverständlich gewor-den, dass Menschen in prekären Situatio-nen zur Kirche gehören, sich dort einbrin-gen können und ihnen geholfen wird.

Kirchliche Jugendarbeit gestaltet flä-chendeckend Ganztagesschulen mit. Der Religionsunterricht wird selbstverständ-lich konfessionell-kooperativ gegeben und ist gefragt. Es gibt mehr evangelische Schulen, die wegen ihres Profils, ihrer Wertevermittlung und ihrer Atmosphäre äußerst gefragt sind.

Kirche ist selbst so vielfältig gewor-den, dass Charismatiker, Pietisten, Hoch-kirchliche und politisch Engagierte gerne und mit Überzeugung zur Kirche gehören, ja sich gegenseitig wertschätzen und als Bereicherung erleben. Die Vernetzung mit der katholischen Kirche und einer Vielzahl an Freikirchen ist zur Selbstverständlich-keit geworden.

Kirche mehr

von unten

gestalten

als von oben

verwalten.

Friedemann Stöffler, Pädagoge und Theologe aus Tübingen, ist einer der Geburtshelfer von Kirche für morgen und heute immer noch ganz vorne mit dabei.

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10 Jahre kfm

Zitronen über Zitronen

Vier kfm-Mitglieder geben Einblick, warum sie bei Kirche für morgen sind und was sie sich davon erhoffen:

Steffen Kern, Pfarrer und Journalist, Vorsitzender der Apis, Sprecher der „Lebendigen Gemeinde“

An kfm schätze ich die frischen Impulse, die sie in die Synode einbringen. Ich freue mich darüber, dass wir gut zusammen arbeiten und oft an einem Strang ziehen. Da ist viel Vertrauen unter uns gewachsen. Uns verbindet das Anliegen, Menschen aus ver-schiedenen Lebenswelten in unserer Kirche zu be-heimaten, Gemeinden in verschiedener Form zu stärken und die Jugendarbeit zu fördern. Als „Le-bendige Gemeinde“ freuen wir uns über viele Ideen der „Zitronen“ und alle Unterstützung.

Ich wünsche mir, dass wir uns in theologischen Fragen weiter verständigen. Manches müssen wir noch klären, dazu bleiben wir im Gespräch. Kfm wünsche ich weiter einen festen Platz in der Syno-de und Gottes Segen.

Siegfried Zimmer, Professor für evangelische Theologie und Religions-pädagogik an der PH Ludwigsburg

Für mich ist Kirche für morgen eine sehr erfreuli-che und erfrischende Erscheinung, die schon man-ches in Bewegung gesetzt hat. Ihr Engagement ba-siert auf der wichtigen Erkenntnis: Es muss in der Kirche nicht weitergehen wie bisher. Es kann we-sentlich besser werden.

Ich wünsche mir von Kirche für morgen, dass sie arm bleibt an Selbstzufriedenheit und reich an Wa-gemut, der aus dem Glauben kommt. Dass sie auf andere Landeskirchen ausstrahlt und intensiv mit anderen christlichen Erneuerungsbestrebungen zusammenarbeitet und sich entschlossen einsetzt für ein besseres Kennen- und Verstehenlernen von Christen und Muslimen.

Manfred Bittighofer, Pfarrer i.R., Weissach im Tal

Das schätze ich an Kirche für morgen: Den Mut und die Freiheit, einfach Neues anzupacken, „auf-zumischen“ und Strukturen zu hinterfragen. Die Anregungen zum Nachdenken fordern heraus – auch wenn man anderer Auffassung ist und bleibt.

Das wünsche ich mir von Kirche für morgen: Wei-terhin ein konsequentes Eintreten für die Stärkung der Gemeinde vor Ort. Förderung vielfältiger For-men gottesdienstlichen Lebens in den Gemeinden – und keine Geringschätzung des „traditionellen“ Gottesdienstes bis hin zur Form der Messe. Ermu-tigung der Gemeinden zu ihrem missionarischen Auftrag – unbeschadet von „messbaren Erfolgen“.

Winfried Dalferth, Dekan, Crailsheim, für „Evangelium und Kirche“

Der Gesprächskreis „Evangelium und Kirche“ gratuliert herzlich zum Jubiläum! Die Synodalen von kfm bereichern die Landessynode. Nach einer längeren Phase des Staunens bei den ers-ten kfm-Synodalen arbeiten sie heute ruhig und verantwortlich mit. Orientiert an Sachthemen bringen sie sich kooperativ ein. Wir von „Evan-gelium und Kirche“ freuen uns auf weitere ge-meinsame Schritte.

Wünschenswert wäre eine größere Offenheit für normale württembergische Kirchengemein-den, die über die Fokussierung auf Jugendge-meinden oder freie Pfarrerwahl hinausgeht. Wünschenswert wäre ebenfalls ein weiteres Herz, das über die Interessen von Diakonen und Jugendreferenten alle kirchlichen Berufe im Blick behält.

Christoph Zehendner, Journalist und Liedermacher(www.christoph-zehendner.de)

Herrlich, diese Vielfalt in der württembergi-schen Kirche! Ich freue mich, Mitglied einer Kir-che zu sein, die in ihrer Synode solche verschie-dene Richtungen in sich vereint. Ist das nicht ein Anspruch für alle Christinnen und Christen: „Le-bendige Gemeinde“ zu sein und gleichzeitig eine „Offene Kirche“ zu pflegen, „Evangelium und Kirche“ im Blick zu haben und daraus immer neu eine „Kirche für morgen“ zu entwickeln?

Wenn Kirche für morgen weiterhin ihrem eige-nen im Namen festgelegten Anspruch gerecht wird und gleichzeitig offen bleibt für Kooperati-onen und Projekte gemeinsam mit den anderen Gruppen, dann wünsche ich ihr eine lange, er-folgreiche und von Gott gesegnete Zukunft!

Ich schätze es sehr, bei kfm auf eine Ansammlung kreativer Querköpfe zu treffen, die sich trauen, aus-getretene Pfade zu verlassen. Die Anregungen und Ideen nicht deshalb von vornherein beson-ders gut oder besonders verwerf-lich finden, weil sie ins eigene dezi-diert lebendige oder offene Schema pas-sen – oder auch nicht. Und die sich auch nicht zu schade dafür sind, Zukunftsthemen immer wieder in die Diskussionslandschaft einzubrin-gen, auch wenn sie es riskieren, dafür von den Etablierten nur ein mitleidiges Lächeln zu ernten.

Ich wünsche mir, dass kfm der Stachel im Fleisch unserer Landeskirche ist und bleibt, der immer wieder daran erinnert, die Zukunft mit Phantasie und Geist zu gestalten. Und der ein Be-wusstsein dafür schafft, dass der Wandel in un-serer Kirche kein notwendiges Übel ist, sondern große Chancen in sich trägt, das Evangelium auch in Zukunft glaubwürdig in Wort und Tat zu bezeugen.

Andreas Arnold, Pfarrer z. A. in den Kirchengemeinden Tieringen und Oberdigisheim

An kfm schätze ich, dass sich hier Menschen aufgemacht haben, die Normativität des Fakti-schen nicht zu akzeptieren. Es gilt, das Vorhan-dene immer wieder zu überprüfen und zu fragen, ob es dem Ursprünglichen noch dient. Sind z.B. unsere kirchlichen Strukturen noch in der Lage, den Auftrag Jesu zu erfüllen, alle Menschen in allen Milieus zu seinen Nachfolgern zu machen? Kfm ist hier bereit, konsequent neue Wege zu gehen.

Von kfm wünsche ich mir, dass sie sich auch weiterhin für eine Kirche stark macht, die aus mündigen Christen in mündigen Gemeinden be-steht. Kirche soll nicht in erster Linie Organisati-on oder Veranstaltung sein, sondern gemeinsam gelebtes Leben in der Gemeinschaft derer, die miteinander auf dem Weg des Glaubens sind.

Markus Haag, Pfarrer in den Kirchengemeinden Gronau und Prevorst

„Am Ende wird alles gut. Wenn es nicht gut wird, ist es noch nicht das Ende.“ (Oskar Wilde)

Ich schätze an kfm das Gespür dafür, dass noch nicht alles gut ist und damit Raum geschaf-fen wird für Veränderungen. Auf dem Weg von der „Betreuungskirche“ zur „Beteiligungsgemeinde“ ist kfm eine beflügelnde Wegbegleitung!

Ich wünsche kfm für die Zukunft weiterhin Mut, auf neue und ungewöhnliche Ausdrucksformen des Glaubens hinzuweisen und Möglichkeiten zu schaffen, diese auch umzusetzen. Eine Ver-netzung mit ähnlich innovativen Gruppierungen in anderen Landeskirchen wäre sicher ein loh-nendes Projekt. Dabei sollte dann die Methode der „best practice“ angewandt werden: vonein-ander lernen und miteinander Neues initiieren und durchsetzen.

Els Dieterich, Pfarrerin in Haigerloch

Seitdem ich Kirche für morgen näher kennen-gelernt habe, schöpfe ich wieder Hoffnung, dass notwendige Reformen auch in der Landeskirche erreicht werden können. Daran möchte ich mitar-beiten.

Prof. Dr. Heiko Hörnicke, Stuttgart

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2. Wer ist pfarrer(in) oder priester? Nach dem Neuen Testament ist das Volk

Gottes selbst schon ein „priesterliches Volk“. In der Gemeinde Jesu gilt das „all-gemeine Priestertum aller Gläubigen“. Jede Frau und jeder Mann, ob alt oder jung, kann das Evangelium verkündigen, den Glauben bezeugen, Sünden vergeben und Kranke heilen. Alle Glaubenden haben das Recht zu taufen und das Abendmahl auszuteilen. Wie oft stehen wir im Kreis zusammen und reichen einan-der Brot und Wein mit den Einsetzungs-worten: „für dich gegeben“, „für dich ver-gossen“? Auch Paulus sah die Gemeinde so: „Wenn ihr zusammenkommt, hat jeder (jede) einen Psalm, eine Lehre, eine Of-fenbarung, Zungenreden und Auslegung. Lasst alles geschehen zum Aufbau der Gemeinde“ (1. Kor 14, 26). Was ist dann aber das spezielle Amt? Nach meiner Auf-fassung ist es eine Funktion der Gemein-de. Sie werden speziell ausgebildet, sie kommen aus der Gemeinde und treten vor die Gemeinde, um das Evangelium zu ver-kündigen, aber es ist kein besonderer Stand der Kleriker. Ich war 5 Jahre lang Ge-meindepfarrer, jetzt bin ich es nicht mehr, ich bin „Laie“, der gelegentlich predigt.

Die gelebte Gemeinde besteht aus Ge-meinschaften, nicht aus Einzelnen, die gelegentlich zur Kirche gehen. Sie besteht aus Hauskreisen oder – wie es in China heißt – aus Familienkirchen. Diese Ge-meinschaften in der Gemeinde gestalten gemeinsame Gottesdienste und die Ge-meindediakonie. Solch eine Gemeinde kann auch einmal ohne einen „Geistli-chen“ leben, denn sie ist in jedem Mann und jeder Frau geisterfüllt. Wir müssen den Reichtum nur entdecken. Er ist da!

basisdemokratisch durch „Bruderräte“ gegen das Führerprinzip der Nazis und der „Deutschen Christen“. Es war ein schwe-rer Fehler der Evangelischen Kirchen in Deutschland, nach 1945 zu den Verhält-nissen vor 1933 zurückzukehren und die Gemeindeerfahrungen der Bekennenden Kirche als Ausnahme- oder Notsituation der Kirche zu verdrängen.

In dem heute notwendigen Übergang von der Kirche zur Gemeinde werden wir das Erbe und die Verheißung der Beken-nenden Kirche. Dafür brauchen wir auch eine neue Sprache:

1. Wer ist ein Laie? Hier ist umgangssprachlich ein totales

Missverständnis eingetreten, durch die katholische Kirche veranlasst. Wenn wir sagen, einer sei ein „blutiger Laie“, dann meinen wir: Er ist kein Profi, er versteht nichts, ist ungelernt und ungebildet. Im katholischen „Laizismus“ sind die Laien als die Nichtpriester gegen den „Klerika-lismus“ versammelt. In Wahrheit jedoch sind „Laien“ Glieder des Volkes Gottes, im Griechischen „laos“ genannt. Jeder, der zum „Volk Gottes“ gehört, ist ein Laie, also sind auch Bischöfe und der Papst „Laien“ wie wir. „Laien“ sind keine „ehrenamtlichen“ Mitarbeiter der Pfarrer und Priester, sondern Pfarrer, Pfarrerin-nen und Priester im „allgemeinen Pries-tertum aller Gläubigen“. Laien sind darum „mündige Christen“, die den Mut haben, sich ihres eigenen Verstandes selbst zu bedienen und ihres eigenen Glaubens gewiss zu werden, ohne „Lei-tung durch einen anderen“, wie Immanu-el Kant treffend sagte.

Kirche für morgen

Die Gemeinde ist die Kritik der Kirche und ihre Zukunft

Das Verhältnis von „Pfarrern“ und „Laien“ gehört zu den ersten Themen von kfm. Karlfriedrich Schaller bat Prof. Dr. Jürgen Moltmann um ein zukunftsweisendes Statement und wurde nicht enttäuscht. Sein Artikel ist kritisch und hoffnungsvoll – typisch Moltmann!

Wie wird Kirche von den meisten Men-schen wahrgenommen? Als wir nach Tü-bingen kamen, wohnten wir in der Haus-serstraße und „gehörten“ darum zur Mar-tinskirche. Als wir in die Biesingerstraße umzogen, „gehörten“ wir zur Stiftskirche. Das ist das alte System der Amtskirche und der Kirchenbezirke. Als „Kirche“ wer-den die Veranstaltungen der Pfarrer und Priester für das Volk erlebt. Zu Weihnachten funktioniert das auch sehr gut. Gehen wir „zur Kirche“, dann werden wir als Gottes-dienst“besucher“ gezählt, so als wären wir da nicht zuhause, sondern nur zu Besuch. Gehen wir zum Abendmahl, werden wir als Abendmahls“gäste“ gezählt, so als gehör-ten wir nicht zur Familie Jesu. Für die Betei-ligung der Menschen an der Kirche werden „ehrenamtliche“ Mitarbeiter gesucht, die den „hauptamtlichen“ Pfarrern helfen sol-len. Das ist die alte Kirche von oben, die re-ligiöse Betreuungskirche für das Volk, die Kirche im religiösen und kulturellen Ange-bot für ihre „Kunden“. Sind aber die Ge-meinden nur die Bezirke der Amtskirche? Sind die Ortsgemeinden nur die Ortsverei-ne der Landeskirchen? Das kann es doch wohl im Sinne Jesu nicht gewesen sein!

Die selbständige und widerständige Ge-meinde ist die reale Kritik an dieser Form der Kirche. Sie ist für mich die wahre Zu-kunft. Die heute spannende Frage ist: Wie wird aus einem Kirchenbezirk oder einer Seelsorgeeinheit eine selbständige Ge-meinde, die ihre eigenen Dinge selbst in die Hand nimmt? Wie wird aus der Kirche „für das Volk“ eine Kirche „des Volkes“? Wie wird aus einer passiven Betreuungs-kirche eine aktive Beteiligungsgemeinde? Was muss entstehen, wenn wir wirklich sagen können: „Wir sind die Kirche“?

Ein erstes evangelisches Vorbild für diese Umgestaltung der Kirche zur Ge-meinde war in Deutschland die Entste-hung der „Bekennenden Kirche“ im Nazi-deutschland der „Deutschen Christen“ 1934-1945. Aus den Bekenntnissynoden von Barmen und Dahlem (1934) entstan-den die bekennenden Gemeinden, die freiwillig und aus gutem Grund zusam-menkamen, oft im Widerstand nicht nur gegen den Nazistaat, sondern auch gegen die gleichgeschaltete Kirchenleitung. Mit-glieder erhielten die „rote Karte“. Die Be-kennenden organisierten sich selbst sehr

Wie wird aus der

Kirche „für das

Volk“ eine Kirche

„des Volkes“?

Die gelebte

Gemeinde

besteht aus

Gemeinschaften.

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Wie wird aus einer

passiven Betreu-

ungskirche eine

aktive Beteili-

gungsgemeinde?

Professor Dr. Jürgen Moltmann ist einer der bekanntesten evange-lischen Theologen welt-weit. Er lehrte bis 1994 an der Uni Tübingen systematische Theologie.

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„ �Es�müsste�ein�Ruckdurch�unsre�Kirche�gehen...“

„Sind Sie auch der Meinung:.. . die drei bestehenden Gesprächskreise in der

Synode bräuchten dringend eine „vierte Kraft“?.. . es bedarf in unserer Evangelischen Landeskirche

in Württemberg dringend neuer Impulse, die nach vorne weisen?“

So beginnt eine Einladung zu den ersten Veran-staltungen von Kirche für morgen, im Januar 2001. Mal ehrlich, hätten wir am Anfang gewusst, was diese „vierte Kraft“ in den folgenden Jahren so alles zum „Ruckeln“ bringen würde, ob wir uns dann auch getraut hätten…

Ein paar dieser „Ruckeleien“ sollen hier noch einmal ans Licht geholt werden… und es werden bestimmt nicht die Letzten sein!

Kirche für morgen ist von Anfang an eine Bewe-gung in der Kirche gewesen, aber mit der Zielset-zung, sowohl in der Synode, als auch auf der Stra-ße präsent zu sein, um auf bestimmte Problemla-gen unserer Landeskirche öffentlich aufmerksam zu machen. Dieses Programm hat damals bis in die Presse hinein Wellen geschlagen.

warten“ schrieb ein Kommentator und fuhr fort: „Zu wünschen wäre es – der Initiative und vor allem der Kirche.“ (Heilbronner Stimme)

2001: Noch ein „Ruckler“ im gleichen Jahr. Die Synodal-wahl stand an – und plötzlich gab es Unruhe im trauten Trio der bis dahin unter sich gebliebenen Gesprächskreise. „Wir brauchen keine vierte Grup-pierung!“ hieß es nicht nur einmal. Und man trau-te uns auch nichts zu, was den Wahlkampf, die Kandidatenaufstellung und das Programm betraf. Aber die Werbetrommel wurde kräftig gerührt! Während die anderen Gesprächskreise schon die Büfettabfolge am Wahlabend besprachen, such-ten wir noch nach Kandidaten – und hatten schließlich welche für die Hälfte der Wahlkreise! Und natürlich auch ein Wahlprogramm, das mit den Worten begann: „Kirche für morgen ist nah an den Menschen!“ – und ab November 2001 waren wir dann nah an den Synodalen, wenn zunächst auch nur zu zweit. Manche betrachteten uns als „Wurmfortsatz“ und konstatierten: „Rechnet man die beiden Abgeordneten von Kirche für morgen zur „Lebendigen Gemeinde“ in der Vermutung, dass sie meist miteinander stimmen werden…“ (Newsletter der Offenen Kirche, 1/2002). Aber un-sere beiden Synodalen haben in den kommenden sieben Jahren bewiesen, dass sie mit allen können und wollen, wenn auch nicht bei allem!

2003: Mit einer alternativen Zählaktion der Gottes-

dienstbesucher haben wir anlässlich des Reforma-tionstages 2003 auf die Tatsache aufmerksam ge-

2001: Noch richtig „feucht hinter den Ohren“, machte

sich Kirche für morgen im fahlen Mondlicht einer Oktobernacht auf, um auf die Kirchen in unserer Landeskirche einen Anschlag zu verüben – genau-er gesagt, einen Thesenanschlag auf die Kirchen-türen. Und zwar in der Nacht zum Reformations-fest. Mit der Unterstützung von rund 300 enga-gierten Jugendlichen wurden 1000 Plakate an eben jenen Türen angebracht. Unter der Über-schrift: „Jetzt aber! Ein feste Burg ist unser Trott?“ prangten am nächsten Morgen jeweils fünf neue Thesen zum Reformationsfest – natürlich auf zit-ronengelbem Hintergrund! – vor den Augen so mancher Pfarrer, Mesner und Kirchenbesucher.

Die Reaktionen? – Nun ja, mancherorts liefen die pfarramtlichen Telefonleitungen heiß, bis in den Oberkirchenrat: „Was man sich da erlaube… und wer hätte das überhaupt erlaubt… Sachbe-schädigung… wir wurden nicht informiert…“ Also die übliche Biedermeier- und Brandstifter-Routine. Dabei hatten wir nicht einen einzigen Nagel be-nutzt, aber das Augenmerk so manches Betrach-ters ruhte anscheinend eher auf diesem nicht vor-handenen Detail, als auf dem Inhalt – auch etwas, auf das man gerade in kirchlichen Kreisen immer wieder stößt. Aber es gab auch positive Reaktio-nen bei Pfarrern, Mitarbeitern und Gemeindeglie-dern – endlich hatte sich mal wer etwas getraut, nach fast 500 Jahren Reformstau! Auch in vielen Zeitungen wurde berichtet und in Herrenberg war sogar das (Regional-)Fernsehen da. „Ob durch eine bisher kleine Schar nun aus der Theorie tat-sächlich Wirklichkeit wird, bleibt skeptisch abzu-

Ein kleiner Rückblick auf Aktionen und Reaktionen.

10 Jahre „Zitronenpresse“Blick zurück nach vorn

macht, dass in unseren Hauptgottesdiensten Ju-gendliche, Familien und Männer schlichtweg feh-len.

Was beim sonntäglichen Kirchgang augenfällig ist, sollte durch Zahlen, mehr oder weniger reprä-sentativ, belegt werden. In 47 von 51 Kirchenbe-zirken der Württembergischen Landeskirche wur-den am 12. und 19. Oktober 2003 von rund 200 freiwilligen Mitarbeitern 123 zufällig ausgewählte Gottesdienste besucht und die jeweiligen Kirch-gänger gezählt. Nach fünf Altersgruppen aufge-schlüsselt kamen wir zu dem Ergebnis, dass wir es mit einer „Seniorenkirche“ zu tun haben. Die Gruppe der 40 bis über 60-Jährigen ist mit über 75%, die unter 20-Jährigen und die 20 bis 40-Jäh-rigen (ohne Konfirmanden) aber nur mit insge-samt etwas über 23% im sonntäglichen Haupt-gottesdienst vertreten. Eine Riesenlücke klaffte zwischen Anspruch und Wirklichkeit des Haupt-gottesdienstes. „Übers Ziel hinaus geschossen“, „Schwarzweißmalerei“, „zu einfach“ – so laute-ten einige der Reaktionen (vornehmlich aus der Pfarrerschaft) auf die Zählung. (Quelle: meinekir-che.de [Ludwigsburg], vom 9.11.2003)

2005: Wieder einmal zum Reformationsfest ging Kir-

che für morgen an die Öffentlichkeit – dieses Mal zum Thema Pfarrerwahl.

Zu diesem Zeitpunkt gab es für die Gemeinden in unserem Land keine Möglichkeit, ihre Pfarrer und Pfarrerinnen wirklich frei zu wählen. Zumin-dest beim „echten“ Wahlverfahren, so unser An-liegen, sollten sich Pfarrer direkt und ohne Vor-

reformationstag 2001 November 2001 reformationstag 2003 reformationstag 2005Thesenanschlag Kirchenwahl

Barbara Hering (geb. Gehrig) und Markus Munzinger Auf Anhieb schaffen zwei „Zitronen“ den Sprung in die Landessynode.

Alternative Zählaktion Appell zur Pfarrerwahl

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12 13

Michael Josupeit ist Verantwortlicher für Presse- und Öffentlichkeitsarbeit bei kfm.

sieht man von Hypes wie den Themen Missbrauch und in jüngster Zeit die Debatte um homosexuelle Partnerschaften im Pfarrhaus einmal ab. Aber es kann nicht darum gehen, dass man – gefragt oder ungefragt – erst einmal was „zum Besten“ gibt und dann darüber nachdenkt, ob und was man zu die-sem Thema zu sagen hat. Vielmehr gilt: „Zuverläs-sig da sein, wo es brennt. Schnell sein, improvisie-ren können – und dabei saubere Arbeit abliefern.“ Die Themen werden uns nicht ausgehen, das hat sich in den letzten zehn Jahren immer wieder ge-zeig – und die Zukunft ist in Bewegung.

Die Wiedergabe aller Artikel von uns und über uns zu den oben angesprochenen Kampagnen würde den Rahmen dieses Artikels sprengen. Für alle Inter-essierten gibt es das Material auf unserer Homepa-ge unter der Rubrik „10 Jahre kfm“ (www.kirchefuer-morgen.de).

amt.“ Man solle dieses Amt nicht weiterhin filetie-ren und die „Filetstücke auf alle möglichen Mitar-beiter in der Kirche verteilen“, so der damalige theologische Dezernent im Oberkirchenrat, Heiner Küenzlen. Man sei auf diesem Weg wohl schon „eher zu weit gegangen“. Andere sprachen von einer „Zersplitterung der Landeskirche“ (Offene Kirche).

2007: „Aktion Gelbsucht“ – so lautete der „Deckna-

me“ einer Kampagne zur Synodalwahl 2007. Ge-plant war, dass in allen Bezirken, in denen es Kan-didaten von Kirche für morgen gab, Plakate zur Kir-chenwahl aufgehängt werden sollten. Geziert mit markanten Fotos und Texten, sollten sie die Wahl auch jenseits des kirchlichen Zaunes bekannt und auch die Presse aufmerksam machen.

Immerhin zeigten sich die anderen Gesprächs-kreise zum Teil mehr als überrascht von dieser Ak-tion, die sich ganz bewusst jenseits des gewohn-ten kirchlichen Dunstkreises bewegte. Wir sind ge-spannt, welchen Schilderwald die nächste Syno-dalwahl mit sich bringt!

auswahl bei den Gemeinden bewerben können. Unser Anliegen wurde belächelt, kritisiert und im Verlauf der Zeit – erst im Jahr 2010 beschloss die Synode eine Änderung des Pfarrerwahlgesetzes, bei dem unsere Forderungen zum Teil mit einflos-sen – immer wieder als realitätsfremd hingestellt: „Die Gemeinden sind noch nicht soweit.“ „Viele wissen nicht um die konkrete Arbeit und das Be-rufsverständnis der Pfarrerschaft und meinen dann, undifferenziert und populistisch idealisti-sche Ziele verfolgen zu können.“ (Quelle: Pfarrver-ein Württemberg, Bericht des Vorsitzenden 2008)

Schön, dass wir in unseren Reihen mittlerweile über 20 Pfarrerinnen und Pfarrer haben, die die-ses Anliegen teilen.

Eine weitere Aktion, die bis heute andauert, ist unser Anliegen, das Abendmahl in Hauskreisen feiern zu dürfen, auch wenn kein Pfarrer anwe-send ist. Die Reaktionen auf entsprechende Anfra-gen in der Synode, hier vor allem von Seiten des Oberkirchenrates, sprechen für sich: „Das Amt für die öffentliche Wortverkündigung und die Sakra-mentsverwaltung in unserer Kirche ist das Pfarr-

Immerhin sind es seit dieser Wahl sieben „Zitro-nen“, die in der Landessynode sitzen! „Die kleins-te Gruppierung“, so der Evangelische Presse-dienst, „[war] der größte Gewinner der Kirchen-wahl“. Ähnlich lautete auch die Meldung im SWR.

2011: Zehn Jahre Kirche für morgen. Für uns Grund,

auf die vergangene Zeit zurückzublicken – und dabei im Auge zu halten, was eine Kirche von heute für morgen fit macht. Unsere „Geburtstags-feier“ war Ausdruck dieser begründeten Sehn-sucht, „Back to the future“ war sie überschrieben. Die Reaktionen auf die Veranstaltung und auf un-sere Arbeit waren wohlwollend (Gesprächskreise) bis positiv (Presse).

So bezeichnete uns die Zeitschrift Chrismon als „Entkalker“ und eine Zeitung in ihrem halbseitigen Artikel als „Querdenker“.

Pressearbeit, zumal im kirchlichen Bereich, ist manchmal ein undankbares Geschäft. Kirche und das tägliche Kleinklein sind nicht gerade ein „Ren-ner“ im normalen Pressealltag. Nur selten wird eine kirchliche „Sau“ durchs mediale Dorf getrieben –

Oktober 2007 Kirchenwahl 2007 Januar 2011„Aktion Gelbsucht“ Sieben auf einen Streich Back to the future – 10 Jahre kfm

plakate zur Synodalwahl2007

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dieses Forum eine intensive Plattform der Begegnung und wegweisend für weitere danach.

Am 31.10.2001 fand eine Churchnight von Kirche für morgen in Esslingen-Weil statt. Eine ganze Nacht lang, von acht bis acht, gab es Konzerte und Gottesdienste mit rund 1300 jugendlichen Besuchern. Was Kirche für morgen wollte, wurde so für junge Menschen erlebbar. Quasi pa-rallel lief die Aktion unter dem Deckna-men „Martin Luther“. In der Nacht vom 30. auf 31.10.2001 wurden landesweit an 1200 Kirchentüren gelbe Plakate mit fünf Thesen angeschlagen, was ein großes Presse-Echo auslöste. Über 300 Aktive waren im Einsatz. Von Anfang an hatten wir die Formel „Synode und Straße“ ge-wählt. Wir wollten neben dem „langen Marsch durch die synodalen Institutio-nen“ auch mit basisnahen Aktionen ein wenig Greenpeace-Flair ins betuliche Kir-chenmilieu bringen.

Alles hat klein begonnen...„Das Zitronenvolk verläuft sich nach

der Wahl von selber“, dachten manche. Andere bei Kirche für morgen träumten von einem synodalen Sturmlauf. Die neue Gruppierung holte am 11.11. 2001 auf An-hieb in den Wahlkreisen, in denen sie an-trat, 13,5 bis 25% der Stimmen. Bei einer politischen Wahl wäre das als riesiger Überraschungserfolg gewertet worden. In zwei Wahlkreisen gelang tatsächlich die Überraschung: Markus Munzinger und Barbara Gehrig wurden als junge Synodale ins Kirchenparlament gewählt und schlu-gen sich in den folgenden sechs Jahren tapfer, sammelten Erfahrungen, erwarben sich Respekt. Heute sind die sieben Syno-dalen von Kirche für morgen in allen wich-tigen Ausschüssen vertreten.

Zum Schluss soll noch ein gut gehüte-tes Geheimnis gelüftet werden. Welch ge-niale Überlegungen standen hinter der Entscheidung, ausgerechnet eine Zitrone als Logo einer synodalen Gruppierung zu nehmen? Die Wahrheit ist: Was soll einem schon einfallen, wenn man unter massi-vem Zeitdruck ist, bei der Grafikerin vor ihrem PC sitzt und ständig auf einen ange-bissenen Apfel als Logo starrt?

gewinnen. Wenn jetzt einige angesteckt sind, darf man das nicht einfach versan-den lassen.“ Gegen unseren Plan drehten wir noch eine Runde auf Tübinger Feldwe-gen, kippten unseren Beschluss. „Doch, wir probieren es noch einmal“, sagten wir uns. Wider Willen war die Leitung der „Le-bendigen Gemeinde“ zum Geburtshelfer von Kirche für morgen geworden.

Auch die Reutlinger ejw-Kollegen, Gerd Voss und Karin Schlenker-Gutbrod, hat-ten unsere Absage einfach nicht akzep-tiert. Und Jens Plinke, verantwortlicher Pfarrer für die Hauskreisarbeit, brachte sich ein. Im Sommer 2000 stand der Rohtext zu „Was will Kirche für morgen“.

Vom Red Baron zum Zitronenfalter Bei den folgenden Infoabenden waren

Neugierige aus anderen Gruppierungen zum Teil irritiert, dass diese mit gemein-samem Beten schlossen. Aber allen „Zit-ronen“ war klar: Mit so wenig Ressourcen ist der Anspruch, eine „Initiative zur Re-form der Evangelischen Landeskirche“ zu sein, menschlich gesehen lächerlich, wenn nicht Beistand von oben kommt. Der „Oasentag“, der bis heute am Ende der Sommerferien zur Einkehr einlädt, hat hier seinen Ursprung. Gebetstreffen fan-den parallel zu aller organisatorischen Ar-beit statt.

Am 13.2.2001 versammelten sich 27 Gründungsmitglieder in Herrenberg. Der Verein erblickte das Licht der Welt. Als Vorstand wurden Reinhold Krebs, Karin Schlenker-Gutbrod und Alexander Dap-pen gewählt, in den Leitungskreis Friede-mann und Matthias Stöffler, Eva Buck, Gerd Voss, Jens Plinke, Annedore Beck und Ralf Dörr. Die Pressekonferenz dazu fand im „Red Baron“, dem Restaurant auf dem Stuttgarter Flughafen statt, um durch die Wahl der Lokalität zu verdeutlichen, dass wir eine Kirche mitten im Leben woll-ten. Damals ging auch der erste Zitronen-falter-Newsletter ins Land. Heute ist dar-aus ein wegweisendes Magazin von Kir-che für morgen geworden.

Dreifacher paukenschlagGleich drei große Aktionen standen im

Herbst 2001 ins Haus. Am 15.9. fand mit über 200 Besuchern das erste Forum von Kirche für morgen in Reutlingen statt. Unser Referent, Prof Dr. Darrell Guder (Princeton, USA), fiel kurzfristig aus – der 11.9.2001 war nur wenige Tage davor und alle Flüge waren gestrichen. Trotzdem war

Friedemann Stöffler und Reinhold Krebs, aktueller und ehemaliger Vorsitzender von Kirche für morgen

Innerer Kompass war das englische „love it, change it or leave it“. Das Letzte-re kam für uns nie in Frage, beim Ersten hatten wir Probleme. Wir vermissten eine Beteiligungskultur in unserer Kirche, eh-renamtliche Freiräume, spirituelles Feuer, schlicht: die Bereitschaft zur Reform in der Kirche der Reformation. Deshalb: „change it“. Könnte man das „trinitari-sche System der württembergischen Ge-sprächskreise“ ein wenig zum Tanzen bringen? Das alte „Lagerdenken“ aufbre-chen? „Rechts, links und die Mitte sind besetzt – aber vorne hat es noch Platz“, formulierten wir frech. Und selbst eine kleine Gruppierung, das zeigten die Grü-nen, kann Agenda-Setting betreiben, The-men ins Spiel bringen, Etablierte in eine neue Richtung ziehen.

Schwanger werden ist nicht schwer, schwanger sein dagegen sehr.

Die Idee fanden viele klasse. Aber nie-mand litt unter Langeweile. So dümpelte das vor sich hin nach dem Motto „Andere sollten hier initiativ werden, ich hab leider keine Zeit...“ In einer Einladung ein Jahr später stand deshalb der Satz: „Für uns ist die Gründung eines Gesprächskreises so wichtig, dass es mich etwas kosten darf: Wöchentlich zwei Stunden Zeit und ein Prozent meines Einkommens.“

Damals setzten wir uns das Ziel, dass 15 Personen zu diesem Engagement be-reit sein müssten, wenn die Sache starten sollte. Es waren aber weniger als ein Dut-zend. „Synodalgesprächskreis beerdigt. Das gibt wieder Luft“, schrieb Reinhold Krebs am 22.3.2000 in sein Tagebuch, durchaus erleichtert.

Allerdings hatte uns auf April die Lei-tung der „Lebendigen Gemeinde“ einge-

laden. Dieses Gespräch wollten wir zum Abschluss noch wahrnehmen. Natürlich versuchte man die neue Initiative an die mütterlich-pietistische Brust zu nehmen, was für uns nicht in Frage kam. Nachdenk-lich aber machte der Satz: „Es ist so müh-sam, Menschen für die Kirchenpolitik zu

Wozu ein Blick zurück bei einer Initiati-ve, die doch Kirche für morgen heißt? Viel-leicht macht es das Bild deutlich, das Prof. Dr. Peter Wick bei der Jahrestagung 2011 von Kirche für morgen beschrieb: Das Hinhören auf Vergangenes gleiche dem Diskuswerfer, der sich nach hinten dreht, und gerade durch die Bewegung in die Gegenrichtung Schwung holt für den weiten Wurf nach vorne. Wenn hier also auf die Anfänge zurückgeblickt wird, dann soll dies Ermutigung sein für einen Wurf nach vorne.

Diskussion in der BesenwirtschaftIm Februar 1999 am Rande einer Klau-

sur des Ev. Jugendwerks in Württemberg (ejw) saßen wir abends in einer Besen-wirtschaft. War es die heitere Stimmung, war es das volksnahe Ambiente, jeden-falls diskutierten wir dort zum ersten Mal ernsthaft die Gründung eines neuen Ge-sprächskreises. Jammern und klagen ist zu billig, sagten wir uns, wo man doch, wenn man sich einmischt, was verändern

könnte. Schließlich ist „Mutter Kirche“ demokratisch strukturiert in Würt-

temberg.

Wie begann Kirche für morgen? Friedemann Stöffler und Reinhold Krebs beschreiben Hintergründe, den Zauber und die Mühen des Anfangs, eben die Geburtsumstände der Zitrone.

Die Geburt der Zitrone

Der „Oasentag“,

der bis heute am

Ende der Som-

merferien zur

Einkehr einlädt,

hat hier seinen

Ursprung.

Heute sind die

sieben Synoda-

len von Kirche

für morgen in

allen wichtigen

Ausschüssen

vertreten.

Innerer Kompass

war das englische

„love it,

change it,

or leave it.“

Blick zurück nach vorn

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Karlfriedrich Schaller war 18 Jahre lang Pfarrer der Jakobusgemeinde Tübingen und ist seit zwei Jahren im Unruhestand.

Diesen Segen erleben viele Gemeinden, die veraltete Strukturen aufbrechen: Weg vom „One-Man-Pfarrer-Event“ hin zum „Many-People-Together-Erlebnis“. Zwei kfm-Pfarrer berichten von konkreten Veränderungen in ihren Gemeinden. Es funktioniert – mit der neuen Beteiligungsstruktur!

Sich regen bringt Segen

eigenen Begabung zum „Hausbau“ der Gemeinde beitragen (1. Kor 14,26).

Zwei Fragen und drei Verben (Tun-Wör-ter) zeigen das Vertrauen und die Zielrich-tung an: 1. Wozu? und 2. Warum eigent-lich nicht?

Und dann gilt: Zu-hören, Zu-lassen, Zu-muten! Immer wieder in dieser Reihenfol-ge von dem geistlichen Gremium des Kir-chengemeinderates bis zu jeder/m Betei-ligten. Durch regelmäßige Gemeindever-sammlungen (mind. zweimal jährlich) und Abkündigungen, durch Abstimmungen der Basis über sie betreffende Themen (z.B. Gottesdienstreform), durch Anerken-nung und Lob der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter entsteht ein Bewusstsein: Wir gehören zusammen und wissen, weshalb wir und wohin wir unterwegs sind.

Die Gefahr bei solch einer „Expedition zum Wir“ ist eben das „Wir-Gefühl“, der verengte Horizont. Aber einerseits gilt das Bonmot von Berthold Brecht: „Wer sich nicht in die Gefahr begibt, kommt darin um“ und andererseits hat der Weg zur Be-teiligungsgemeinde gezeigt, dass es ge-nügend Andockmöglichkeiten für „Neuzu-gänge“ gibt. Dass Gemeinde manchmal ein Durchlauferhitzer ist und dass das „Unter-Uns-Bewusstsein“ immer wieder gesprengt wird. Christus als Gemeinde existierend ist attraktiv für die Mühseli-gen und Beladenen und ein Abenteuer des dichten Lebens.

uns nicht mehr denkbar. Wir sind froh!Die Eltern der Konfirmanden laden wir

jedes Jahr zu einem Glaubenskurs ein. Das Interesse schwankt. Zwischen acht und 25 Teilnehmer treffen sich dann sechs Mal zum „Emmaus-Kurs“, der uns zu offe-nen und oft auch sehr persönlichen und bewegenden Gesprächen führt. Jedes Jahr finden so Menschen in die Gemeinde und manches Mal auch zum Glauben.

Aus der Jakobusgemeinde in Tübingen: Da gibt’s kein drinnen und draußen

„Wenn der Schaller geht, ist der ganze Spuk vorüber!“ Das war die Hoffnung so mancher Kolleginnen und Kollegen. Der „Spuk“ bestand aus jahrelang vollen Got-tesdiensten, einer Gemeinde, die an den vorgeschriebenen Parochiegrenzen nicht Halt machte und die zunehmend kriti-scher den kirchlichen Betreuungsbetrieb hinterfragte.

Nun ist „der Schaller“ schon vor zwei Jahren gegangen und – sie spuken mit ihrem neuen Pfarrersehepaar weiter. Die Jakobusgemeinde ist erwachsen gewor-den. Das sichert die „Nachhaltigkeit“ aller Reformen. Die Gemeinden sind „die Kritik der Kirche und ihre Zukunft“ (s. Artikel von Prof. Moltmann). In einem langen, nicht immer konfliktfreien Prozess hat sich die Jakobusgemeinde seit 1991 auf-gemacht, durch Transparenz und Beteili-gungsmöglichkeiten Menschen Heimat zu bieten. Da gibt es kein drinnen und drau-ßen, keine Kerngemeinde und „Weltkin-der“, sondern Menschen, die mit ihrer je

In vier 10-er Gruppen verteilen wir uns dann im Haus, vertiefen das Thema und kommen miteinander ins Gespräch. Pfar-rer, Diakon und zwei ehrenamtliche Mitar-beiterinnen leiten die Gruppen. Aufhören tut jede Gruppe dann, wenn sie fertig ist. Eine Gruppe bleibt noch zum Aufräumen.

17 Uhr: Wir Mitarbeiter halten noch eine kurze Nachbesprechung, freuen uns über das, was gelungen ist und ärgern uns über Schiefgegangenes. Seit September 2010 praktizieren wir diese Form und sind immer noch begeistert davon!

und darüber hinaus…… treffen sich jeweils fünf Konfirman-

den mit einem Bibelpartner (meist ehema-lige Konfi-Eltern) mindestens zehn Mal zwischen Juni 2010 und der Konfirmation im Mai 2011. Nach Pizzabacken, Sport-schau gucken oder Eis essen im Wohnzim-mer der insgesamt acht Bibelpartner lesen die Konfirmanden in der Bibel und profitieren von den Erfahrungen ihres Be-gleiters. Hier wird jeder der Konfirmanden persönlich wahrgenommen. Außer ein paar wenigen, die ab und zu versuchen sich zu drücken, schätzt die ganz Mehr-heit der Konfirmanden und der Bibelpart-ner diese Treffen sehr und alle freuen sich darauf. Manche können gar nicht aufhö-ren und machen nach der Konfirmation noch ein paar Mal weiter.

Zum Kanuwochenende auf dem Neckar nach den Sommerferien gehen die Bibel-partner sowie weitere Ehrenamtliche na-türlich mit – und auch das abschließende Wochenende in Tieringen, das vier Wo-chen vor der Konfirmation stattfindet, las-sen sie sich nicht entgehen.

Ein gutes Dutzend ehrenamtliche Mitar-beiterinnen und Mitarbeiter sind so jedes Jahr im Team dabei. Konfirmandenunter-richt als Ein-Mann-Veranstaltung ist für

Aus der Martinskirche in Gechingen: Herzenssache Konfirmandenarbeit

Mittwoch, 15.00 Uhr: Wir vier Mitarbei-tende sind seit einer halben Stunde im Ge-meindehaus. Die ersten zehn Konfirman-den treffen ein, stellen Bistro-Tische auf, richten Chips und Getränke her und stel-len einen großen Stuhlkreis. Drei Konfir-mandinnen bringen ihre Gitarren mit, einer sein Cajon. Peter Kögler, unser Dia-kon, leitet sie dabei an.

15.30 Uhr: Alle 40 Konfirmanden sind da. Sie stehen rum und knabbern, tau-schen die neuesten Klingeltöne fürs Handy aus. Ein paar sind beim Kicker im Jugend-bereich. Andere suchen den Kontakt mit dem Pfarrer wegen ihres Gemeindeprakti-kums oder der Fahrt zur Vesperkirche.

15.45 Uhr: Es geht los. Wir sitzen im Kreis, es gibt ein paar Ansagen, wir singen Lieder und drei Sprecher beten unsere kleine Anfangsliturgie mit uns. Es folgt eine 10 bis 15- minütige Einführung in das Thema des Nachmittags. Heute geht es um die Reich-Gottes-Gleichnisse. Auf der Leinwand erscheinen in schneller Folge Bilder von einem Schatz, von Perlen, Scha-fen, Senfkörnern, Münzen, einem Kind usw. Ein Spiel wird daraus: Wer kann sich alles merken? Beim anschließenden ruhi-gen Betrachten der einzelnen Bilder nä-hern wir uns den Gleichnissen an.

Zu-hören,

Zu-lassen,

Zu-muten!

Attraktiv für die

Mühseligen und

Beladenen.

Seit September

2010 praktizieren

wir diese Form und

sind immer noch

begeistert davon.

Konfirmanden-

unterricht als

Ein-Mann-Veran-

staltung ist für

uns nicht mehr

denkbar.

Michael Beck ist seit 23 Jahren Pfarrer in Gechingen.

... da gibt’s kein drinnen und draußen

Herzenssache pur ...

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Bausteine

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Blick hinter die Kulissen

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Wir wollen Themen aufgrei-fen, die viele Christen bewe-gen, und sie aus der Zitronen-perspektive von kfm beleuch-ten.

Im Team selbst kommen un-terschiedliche Interessen und Begabungen zum Tragen.

Derzeit dabei sind die bei-den Diakoninnen Tabea Hieber und Claudia Bieneck, Cornelia Kohler (systemische Familien-therapeutin und Pfarrfrau), Thomas Hofmann-Dieterich (Religionswissenschaftler und Pfarrmann), Werner Lindner (Künstler und Eventmanager), Dr. Heiko Hörnicke (Professor im Ruhestand), Pina Gräber-Haag (Sozialarbeiterin und Pfarrfrau), Gerhard Mül-ler (Pfarrer im Schuldienst) und die beiden Pfarrer Karlfriedrich Schaller und Marc Stippich. Mit Ruth Alber und Brigitte Keck haben wir sehr engagierte Layouterinnen.

Wer steckt hinter kfm?

Die Aufgabe des Leitungskreises ist es, die Geschäfte des Vereins zu führen, Kirche für morgen weiter zu entwickeln, theologisch zu arbeiten, Projekte zu planen und zu begleiten und eng mit den Synodalen von Kirche für morgen zusammenzuarbeiten. Dreizehn ganz verschiedene Persönlichkeiten gehören dazu und stellen sich vor.

müde! Ich will mitdenken, mitgestalten und Ver-antwortung übernehmen. Was bringt es, wenn ich unsere Kirche nur kritisiere? Ich will mich für mei-nen Herzenswunsch einsetzen: Dass möglichst viele Gemeindeglieder zu mündigen Christen wer-den, die Gemeinde „kreativ“ denken und leben! Kfm inspiriert mich dabei, weil dort Leute mutig und scheuklappenfrei nach vorne denken und auch handeln.

Michael Beck, Pfarrer, GechingenIch bin bei kfm dabei, engagiere mich seit einem Jahr im Leitungskreis und bringe gerne meine Er-fahrung als Gemeindepfarrer ein, weil frisch nach vorne gedacht wird und ich mithelfen möchte, wichtige Themen in Kirche und Synode vorwärts-zubringen.

Friedemann Stöffler, Studiendirektor i.K., TübingenGründungsmitglied und 1. Vorsitzender von Kirche für morgen. Es geht uns nicht um kosmetische Kor-rekturen an unserer Kirche, sondern um einen Wechsel von einer Betreuungs- zu einer Beteili-gungskirche. Ich bin bei kfm, um Schritte in diese Richtung anzumahnen und umzusetzen.

Reinhold Krebs, ejw-Landesreferent, Herrenberg Wer Menschen heute neugierig machen möchte auf Christsein und Glauben, braucht Gemeinden, die auch für nichtkirchliche Menschen und ihr Milieu relevant sind. Es braucht deshalb nichts so sehr wie „Gemeinde 2.0“ und neue Formen von Kirche. Dieses Kernanliegen der Zitronen unterstütze ich mit jeder Faser meines Herzens. Deshalb bin ich auch seit Beginn von kfm dort im Vorstand aktiv.

Martin Mielke, Steuerberater, BalingenIch bin bei kfm, weil unsere Kirche kreative Men-schen und Querdenker unterstützen soll und ein-fach mehr Mut haben sollte, Neues auszuprobie-ren, ohne Angst davor zu haben zu scheitern.

Tabea Hieber, Diakonin, MarkgröningenSeit sieben Jahren engagiere ich mich im Leitungs-kreis und als 2. Vorsitzende von kfm, weil es mir wichtig ist, dass die Kirche nahe bei den Men-schen ist und bereit ist, neue Wege zu gehen.

Markus Haag, Pfarrer, Oberstenfeld-GronauDie Kirche von morgen wird wie die Kirche vom An-fang sein (müssen!): mündig, lebensnah, einfach und beziehungsorientiert – und dadurch unglaub-lich dynamisch und flexibel. Dazu braucht es Men-schen, die bereit sind umzudenken und gerade auch strukturell neue Wege zu gehen. Die finde ich bei kfm! Deshalb bin ich seit der Gründung als Mit-glied dabei und seit Januar 2011 im Vorstand und im Leitungskreis.

Jens Plinke, Pfarrer i.R., GomaringenAls Gründungsmitglied bin ich seit 10 Jahren gerne im Leitungskreis dabei. Dass eine Abendmahlsfei-er auch in kleinen Gruppen möglich sein müsste, war und ist mein besonderes Anliegen. Ich bin auch als „Rentner“ weiterhin dabei, weil ich einfach Christen um mich brauche, die die Kir-che noch nicht ganz aufgegeben haben, sondern ihr eine Zukunft zutrauen – und dazu tapfere Schritte „im Sinne der ersten Christen und der mu-tigen Reformatoren“ finden und auch wagen.

Simone Heimann, Jugendreferentin, SchönaichIch engagiere mich seit vier Jahren im Leitungs-kreis von kfm, weil ich von einer Kirche träume, die die Gesellschaft von heute in ihrer Breite anspricht und in ihr eine wichtige Rolle spielt. Die befreien-de Botschaft unseres Glaubens soll alle Men-schen erreichen! Dafür braucht es Formen und Möglichkeiten, die frisch und frech die manchmal verrosteten Türen unserer Kirche öffnen…!

Stefan Taut, Pfarrer, ReichenbachSeit 2003 bin ich im Leitungskreis dabei. Für meine Arbeit als Gemeindepfarrer konnte ich dort immer Visionen nach vorne diskutieren und sogar dazu beitragen, dass erste Dinge in der Praxis ver-wirklicht werden konnten. Der Rückhalt des Lei-tungskreises z.B. für unsere Tauffeier in Reichen-bach in der Fils war und ist mir außerordentlich hilfreich.

Manfred Geywitz, Gärtner, IllingenSeit einem Jahr im Leitungskreis von kfm: Ein Gärtner sät immer den Samen für die Blüten von morgen aus. Er denkt nicht rückwärtsgewandt. Deshalb engagiere ich mich für eine Kirche, die heute alle ihre Rosen verschenken kann, weil sie sicher weiß, dass schon morgen tausend Neue erblühen.

Matthias Böhler, Orgelbaumeister und Synodaler, BönnigheimIch engagiere mich bei Kirche für morgen, weil wir die Kirche heute so verändern müssen, dass sie auch noch morgen Bestand hat!

Michael Josupeit, Theologe, HerrenbergSeit Anfang 2005 bin ich im Leitungskreis dabei. Die Mischung macht’s für mich aus: wichtige An-liegen von kfm gemeinsam zu diskutieren, zu for-mulieren und sich dann auch gemeinsam darüber zu freuen, wenn man sieht, wie die kleinen Pflänz-chen heranwachsen.

Cornelia Kohler, Systemische Familientherapeutin und Pfarrfrau, KemnatEin Jahr Leitungskreis – und noch kein bisschen

Marc Stippich, Redaktionsleiter des Zitronenfalters

Das Redaktionsteam des ZitronenfaltersDer Zitronenfalter flattert nun schon fünf Jahre lang dreimal jährlich in die Briefkästen vieler Häuser, Gemeinden und kirchlicher Werke.

Der Leitungskreis

Friedemann Stöffler

Reinhold Krebs

Martin MielkeTabea Hieber

Markus Haag

Jens plinke Simone Heimann

Stefan Taut

Manfred Geywitz

Matthias Böhler

Michael Josupeit

Cornelia Kohler

Michael Beck

Wer Interesse hat, in unser Team einzusteigen, kann gerne bei einem der Mitarbeitenden nähere Informationen einholen.

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Blick in die Synode

wird? Wie können wir in der Öffentlichkeit, in den vielen unterschiedlichen Milieus unsere Werte und unseren Glauben ver-ständlich und greifbar machen? Dafür möchte ich gerne mitdiskutieren und mit-arbeiten.

Martin Allmendinger, Diakonieausschuss, Landeskir-chenausschuss, Vorsitzender Sonderausschuss Diakonat

Im Landeskirchenausschuss setze ich mich für am Priestertum aller Gläubigen orientierte Personalentscheidungen ein.

Der Diakonieausschuss berät allerlei Strukturfragen. Dabei ist mir eine gemein-denahe Diakonie und eine diakonische Lebenshaltung aller Menschen in der Ge-meinde besonders wichtig.

Im Sonderausschuss Diakonat beraten wir Fragen zur Zukunft des Diakonats. Dabei stehen für mich die vielfältigen Anstel-lungsformen und die Überprüfung der Zu-kunftsfähigkeit im Vordergrund.

Angela Schwarz, Theologischer Ausschuss, Unterausschuss Gemeinde-gründung, Stellvertretung Gesprächskreisleitung

Theologischer AusschussWir haben uns sehr ausführlich mit den Chancen und Grenzen neuer Gemeindefor-men befasst. Manche Synodale gilt es noch zu überzeugen. Auch hier heißt es: Dicke Bretter bohren. Aber wir kommen voran. Zum Beispiel bei der rechtlichen Veranke-rung von Jugendgemeinden und Jugendkir-chen. Ziel ist, sie an die Ordnungen und Strukturen der Jugendarbeit anzubinden. Das ejw hat dazu einen guten Vorschlag erarbeitet und ich denke, dass wir dafür

Kerstin Leuz, Ausschuss Mission, Ökumene und Entwicklung, Pressearbeit der Synodalen

Ausschuss Mission, Ökumene und entwicklungWas bedeutet heute „Mission“? Unter wel-chen Bedingungen, Schwierigkeiten und Chancen leben Christen in anderen Län-dern? Welche Voraussetzungen finden Christen anderer Herkunft in unserer Kir-chenlandschaft? Welche Unterstützung benötigen Missionsgesellschaften von der Evangelischen Landeskirche? Welche Zu-sammenarbeit zwischen den unterschied-lichen christlichen Kirchen und Glaubens-gemeinschaften ist wichtig? Wo wird hilf-reiche „Entwicklungsarbeit“ geleistet? Herkunft, Prägung und Frömmigkeit prä-gen unser Verständnis vom Missionsauf-trag der Kirche und von Ökumene. Die Ver-schiedenheit dient der Bereicherung. Diese möchte ich in der Kirche erleben und mich dafür einsetzen.

Sonderausschuss „arm und reich“ Der Sonderausschuss bereitete die Schwer-punkttagung während der Sommersyno-de 2010 vor und befasste sich mit der Frage, inwieweit Menschen mit geringe-rem Lebensunterhalt in unseren Kirchen-gemeinden wahrgenommen und zu Veran-staltungen eingeladen werden. Dies be-trifft die grundsätzliche Frage nach den Milieus in unseren Gemeinden. Wer fühlt sich von den Angeboten angesprochen, wen möchten wir einladen?

Markus Brenner, Ausschuss Kirche, Gesellschaft und Öffentlichkeit, Spezialaufga-ben für die Synodalgruppe

Wie können wir Kirche so gestalten, dass sie besser in der Gesellschaft nicht nur wahrgenommen, sondern auch erlebt

Im 10. Jahr von Kirche für morgen ist der Gesprächskreis mit sieben Synodalen in der Landessynode vertreten. Wer arbeitet in welchem Ausschuss, was sind die aktuellen Themen und welche Perspektiven sehen unsere Synodalen? Auch für die Zitronen in der Landessynode gilt: 10 Jahre und kein bisschen müde!

Sieben Synodale – Zitronenfrische in der Landessynode

Verschiedenheit

dient der

Bereicherung.

Diese möchte ich

in der Kirche

erleben und mich

dafür einsetzen.

Eine gemeindenahe

Diakonie und eine

diakonische

Lebenshaltung aller

Menschen.

Ich wünsche mir

Gottesdienste, in

denen manches

selbstverständlich

wird, von dem wir

heute noch

träumen.

Reiner Klotz, Finanzausschuss, AG Zukunft

FinanzausschussIn Zeiten nicht mehr prall gefüllter Kirchen-steuerkassen ist es wichtig, nüchtern zu diskutieren, was wir tun und was wir las-sen (wo man sparen kann) und in welchen Bereichen innovativ investiert werden muss. Die AG Zukunft muss ihren Auftrag ernst nehmen und nicht nur Sparbeschlüs-se vorlegen, sondern mit viel Phantasie, Risikobereitschaft und Gottvertrauen Vor-schläge für eine zukunftsfähige Kirche machen. Wir dürfen uns nicht tot sparen! Das Reich Gottes will gebaut werden und dazu braucht es neben gut ausgebildeten Ehrenamtlichen und hauptamtlichen Mit-arbeitern solide finanzielle Ressourcen.

Markus Munzinger,Rechtsausschuss, Ältestenrat, Geschäftsführender Ausschuss, Sonderausschuss Pfarrplan, Gesprächskreisleitung

RechtsausschussDie Landessynode hat das Recht zur Ge-setzgebung. Dies bedeutet, sie kann alles, auch die Kirchenverfassung ändern. Darum ist es mein Ziel im Rechtsaus-schuss, das „ständige Reformieren“ der Kirche (Luther: „ecclesia semper refor-manda“) wach zu halten. Der Weg dazu ist oft lang, da viele Gesetzesänderungen eine 2/3-Mehrheit brauchen.

eine Mehrheit finden.Mit Spannung blicken wir auf das „Jahr des Gottesdienstes“ 2012. Wird es gelin-gen, einen neuen Gottesdienst-Hype zu entfachen? Ich wünsche mir Gottesdiens-te, in denen manches selbstverständlich wird, von dem wir heute noch träumen.

Matthias Böhler, Ausschuss Bildung und Jugend, Sonderausschuss Musik in der Kirche

Ausschuss für Bildung und JugendIm Sommer war der Zwischenbericht des Projekts „Schulseelsorge“ auf der Tages-ordnung. Mit diesem Projekt bringt die Lan-deskirche ihre Kernkompetenzen öffentlich ins Spiel und leistet einen Beitrag zur Mit-gestaltung des Lebensraums Schule. Uns ist wichtig, dass diese Arbeit auch über die Projektphase hinaus weitergeführt wird. Wer sich mit der Situation junger Men-schen und der Frage, was Kirche für sie tun kann, auseinandersetzt, muss Jugendli-che an diesen Prozessen beteiligen. Des-halb setzen wir uns für die Zuwahl von Ju-genddelegierten und für ein Wahlrecht ab 14 Jahren ein.

Sonderausschuss „Musik“Vom Schwerpunkttag der Landessynode „Musik in der Kirche“ erhoffe ich mir zu-kunftsweisende Impulse für die konse-quente Weiterentwicklung der Kirchenmu-sik und die Förderung der Popularmusik. Kirchenmusik kann noch wesentlich mehr Menschen erreichen als bisher, wenn sie mit ihren unterschiedlichen Stilen genera-tions- und milieuübergreifend wirkt.

Wer sich mit

der Situation

junger Menschen

auseinandersetzt,

muss Jugendliche

beteiligen.

Kirchenmusik

kann noch

wesentlich mehr

Menschen

erreichen als

bisher.

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Blick nach vorne

unsere kirchlichen Gremien mit Reformen durchdringen

Kfm habe ich erst während der Vakaturzeit in un-serer Gemeinde im Herbst 2008 durch ein Bewer-bungsgespräch mit unserem neuen Pfarrer ken-nengelernt.

Bei ihm erlebe ich in der täglichen Gemeindear-beit, was Kirche für morgen für die Gesamtkirche auf dem Herzen hat: Partnerschaftlich eine Nähe zu Gott und zu den Menschen im Alltag praktizieren und dadurch ein-ladend für den Glauben an Jesus werben.

Das schätze ich sehr und wünsche mir von Her-zen, dass es Kirche für morgen in den kommenden zehn Jahren noch mehr gelingt, unsere kirchlichen Gremien auf allen Ebenen mit diesen notwendigen Anliegen und Reformen zu durchdringen.

William Fraser ist KGR-Vorsitzender der Kirchengemeinde Steinenbronn im nördlichen Schönbuch.

Noch mehr für die Jugendarbeit

Mir gefällt an Kirche für morgen, dass sie eine lebendige Vorstellung von Gemeinde hat. Nur eine solche Gemeinschaft kann es schaffen, wieder neue Menschen von der christlichen Botschaft zu begeistern. Ich denke auch, dass viele Normen, die in der heutigen Kirche selbstverständlich sind, nicht unbedingt zu einem guten Gemeindeleben beitragen. Kirche für morgen liefert da einige wich-tige Impulse. Zum Beispiel, dass sie den Gemein-den bei der Wahl ihrer Pfarrer mehr Rechte einräu-men will oder dass Menschen ihre eigene Gemein-de wählen können und sie nicht allein durch ihren Wohnort schon festgelegt sind. Für die Zukunft wünsche ich mir, dass Kirche für morgen sich noch mehr für die Jugendarbeit in den Gemeinden ein-setzt.

Jonas Armbruster ist Abiturient und Leiter der Jungschar-gruppe an der Kreuzkirche in Sigmaringen.

Mehr Tanz, Comedy, Hiphop, Salsa... in unserer Kirche

Mir fallen spontan zwei Bereiche ein, deren Stär-kung und Inblicknahme ich mir in einer „Kirche für morgen“ wünsche. 1. Musik: Mit Orgelmusik können meine Freunde

und ich nur noch wenig anfangen. Was ist mit Jazz, HipHop, Pop, Salsa in der Kirche, in unse-ren Liedern? Haben „die Bachs unserer Zeit“ mit ihren Talenten in der Kirche überhaupt Platz?

2. Kreativität bei: Raumgestaltung, Einsatz von Medien, Predigtgestaltung, Internetauftritten, Gottesdienstgestaltung, Abkündigungen, Flyern, Gemeindefesten. Evangeliumsverkündigung geht über Wortverkündigung hinaus. Deshalb bin ich für mehr Tanz, Comedy, Kunst, Pantomi-me, Theater, Poetik... in unserer Kirche.

Nikolai Kohler studiert im 10. Semester ev. Theologie in Tübingen und freut sich über Mut zur Reformation.

Abendmahl: Vielleicht trägt der Zitronen-baum ja auch hier Früchte

Danke, kfm, dass Ihr „was schon immer war“ über-denkt und Veränderung anstoßt. Mein Wunsch: Die Erweiterung des Priestertums aller Gläubigen auf das Abendmahl!

Steif und förmlich erlebte ich es als Konfirman-din. Mit angespannter Andacht dachte ich vor allem daran, alles richtig zu machen. Was, wenn roter Wein weißen Altarteppich trifft?

Als Studentin in einem charismatischen Haus-kreis: Dichte geistliche Gemeinschaft. Spontan und unkonventionell feierten wir Abendmahl. Ein heiliger Moment. Leidenschaftlich feiere ich seit-dem Abendmahl in Hauskreisen, Mitarbeiter-teams. Und leide, dass es in der Landeskirche nur Pfarrer und andere Bevollmächtigte dürfen. Doch wer weiß – vielleicht trägt der Zitronenbaum ja auch hier Früchte der Veränderung!

Frauke Junghans, Beraterin für Gemeindeentwicklung, hat mit ihrer Familie in der Tübinger Jakobuskirche Abendmahl auch im Gottesdienst FEIERN gelernt.

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Darüber haben sich vier Leute Gedanken gemacht, die von „außen“ hoffnungsvoll auf Kirche für morgen schauen: ein Abiturient, ein Student, ein KGR-Vorsitzender und eine freiberufliche Beraterin für Gemeindeentwicklung.

und was sollte Kirche für morgen noch anpacken? Praxis für

Therapie und Beratung

Zeppelinstraße 1073760 Ostfildern-KemnatTel. (07 11) 93 31 76 [email protected]

Lebenskrisen

Stress, Angst, Depressionen

Schuldgefühl, Trauer

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Cornelia KohlerSystemische FamilientherapeutinHeilpraktikerinEvangelische Theologie (Staatsexamen)

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Unser Tipp

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Zu guter Letzt

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es war einmal...… vor langer Zeit, als unser aller Mutter Kirche ein großes Bauchweh bekam! Das war nun nichts sonder-lich Neues in ihrem bewegten Leben. Aber diesmal schien es ande-rer Natur zu sein. Da war diese Be-wegung in ihrem Innern, diese tiefe Gefühlswallung. Sollte sie gar schwanger sein? Nein, das schien gänzlich ausgeschlossen! Sie lebte doch keusch und züchtig in ihrem El-fenbeinschloss.Als die Beschwerden und Unpäss-lichkeiten aber zahlreicher wurden, machte sich auch Mutter Kirche Ge-danken, was denn nun da auf sie zu-kommen könnte. Denn allein die Frage der Vaterschaft war völlig un-geklärt. War es ein Engel, eine Ein-gebung, ein Ausrutscher? Oder sind da gar viele Väter am Werk gewe-sen? Was gerade bei ihr ja wiederum nichts Neues wäre, wie man wohl weiß, oder zu wissen glaubt, oder Gerüchten zufolge wissen müsste − oder… Noch war alles reine Spekulation und noch war alles nur in den Köp-fen. Bei der Kirche beginnt meist alles in den Köpfen, nicht unten! Und es dauert – ja, alles dauert seine Zeit. Bis da etwas auf die Welt kommt, das Hand und Fuß hat, das dauert erst recht! Und bestimmt mehr als neun Monate. Aber inzwi-schen war es nicht mehr zu überse-hen. Die Kirche war – wieder einmal – gegen alle Erwartungen schwan-ger geworden…

Dies ist der Beginn des „Märchens“ vom Feier-Abend beim kfm-Jubiläum am 14.1.2011. Der komplette Text findet sich unter www.kirchefuer-morgen.de/jahrestagung 2011

Der Schwung der ersten Jahre und das Versprechen zu bleiben 10 Jahre Kirche für morgen

„Zurück in die Zukunft“ – unter diesem Motto standen die Mit-gliederversammlung, der „Feier-Abend“ und die Jahrestagung am 14. und 15. Januar 2011 in Herrenberg.

„Wir werden uns auch zukünftig daran messen lassen, wie und wo wir Impulse setzen zum Umbau unserer Landeskirche“, so Friedemann Stöffler in seinem Jah-resbericht, „damit aus einer Betreuungskirche eine Beteiligungskirche, aus einer Kirche für das Volk eine Kirche des Volkes wird“.

Beim „Feier-Abend“ standen Kirchenkabarett, Theater und freche Lieder auf dem Pro-gramm. Der rote Faden der Ver-anstaltung war das Märchen „10 Jahre Kirche für morgen“. Vertre-ter der anderen Gesprächskreise in der Synode äußerten in Inter-views ihre Wertschätzung für Kirche für morgen und waren u.a. der Meinung, kfm habe dazu beigetragen, „verkrustete Positionen und Strukturen in der Synode aufzubrechen“.

Die Geburtstagsfeier endete nicht ohne das Versprechen, dass kfm auch jenseits des Alters von 10 Jahren trotz begin-nenden Flegelalters und der damit zusammenhängenden Ab-nabelung von den „allmächtigen Eltern“ weiterhin in der Kirche präsent bleiben wird.

Der Samstag stand erneut unter dem Thema „Impulse für die Zukunft der Kirche von heute“. Prof. Dr. Peter Wick (Bochum, Foto oben), der den Hauptvortrag hielt, forderte nach seiner Darstellung der „Gottesdienstpraxis der ersten Christen“ dazu auf, heute Freiräume zu nutzen, zum Beispiel in Form eines „Abendmahls“ im ursprünglichen Sinn, das in einem Privat-haus angeboten wird – viel Zündstoff für die anschließenden Arbeitsgruppen und die Plenumsdiskussion.

Michael Josupeit, kfm-Pressereferent

„Kirche für morgen hat auch dazu beigetragen, verkrustete Positionen und Strukturen in der Synode aufzubrechen und immer wieder Anstöße für ein gemeinsames Nachdenken zu geben.“ Andreas Schäffer, Pfarrer,

Gesprächskreis „Lebendige Gemeinde“

„Für Kirche für morgen

ist es wichtig, dass sie sich

auch den Weltkindern

zuwendet.“

Georg Eberhardt,

Persönlicher Referent

des Landesbischofs

„Ich selber will Beiträge bringen,

wie eine ›Kirche für morgen‹

aussieht.“

Frank O. July,

Landesbischof

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