„Lost in Dictation“ · „Lost in Dictation“ Gitte Wehming M. A. I Düsseldorfer Str. 3 I D -...

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„Lost in Dictation“

Gitte Wehming M. A. I Düsseldorfer Str. 3 I D - 10719 Berlin gittewehming@live.de I 030 - 51 63 50 30 I Universität Hamburg - Institut für Soziologie

Forschungs-ErgebnisDarstellungen von Fluchtereignissen aus der DDR sind Zeugnisse kon�igierender Interessen im Kon�ikt um Deutungshoheit, Erinnerungs- und Gedächtnispolitik. Die Aneignungvon Ereignissen erfolgt, wie der Akt der Erinnerung, über Fragmentierung und VerDichtung. Ein Fortschreiben normierender Diskurse führt zur eigenen anerkannten Situiertheit. Sinn ist jedoch nie starr und eindeutig, sondern �üchtig und unkon-trollierbar – wie das Fluchtereignis im November 1980.

ProblemHistorische Aufarbeitungsliteratur resümiert Akten des Ministeriums für Staatssicherheit unter immer gleichen Topoi, Entitäten und Kontinuitäten.Das Schreiben der „Anderen“ – der sogenannten imperialistischen Feinde und auch das eigene Schreiben bleiben häu�g ein blinder Fleck.

Beispiel: Grenzverletzung DDR - November 1980Geheimdienstliche Aufklärung erfolgt vor dem Hintergrund zahlreicher Richtlinien und Dienstanweisungen. Legendenbildung ist das probate Instrument zur Erreichung der tschekistischen Ziele. Akte der Täuschung / Verstellung / Kontrolle / De-Kontextualisierung und Belohnung erfolgen aber auch von westdeutscher Seite für – die Story.

Methodische SchlussfolgerungIn Aufarbeitungsfragen wird die „mystische Autorität“ nicht hinreichend re�ektiert. Das Modell des Palimpsest ermöglicht Einblicke in Macht- semantiken. Mit der Strategie der Dekonstruktion lassen sich Texte als regierungstechnologische Instrumente von Erinnerungs- und Gedächtnis-politik analysieren. Dekonstruktive Lektüre wirkt als epistemologischesKorrektiv für scheinbar evidente Wahrheits- und Deutungsansprüche. Gerade das Verborgene, Marginalisierte und Ausgelöschte o�enbaren den Ur-Text.

Dissertationsprojekt„Lost in Dictation“ Grenzverletzung – Ein Ereignis, seine Sekretäre und deren Poetiken. Die mikroanalytische Studie erö�net poststrukturalistische Perspektiven auf einen DDR-Fluchtversuch und dessen Ereignisvarianzen. Über die Idee einer Sekretärspoetik lässt sich zeigen, dass Sekretäre als hegemoniale Komposit�guren fungieren die Ereignisse nicht nur verwalten, sondern mit ihren Poetiken zentrovertiert Gedächtnispolitik betreiben. Ergo beansprucht das Theoriemodell - über den Einzelfall hinaus - Geltung.

AppellStudierende werden gegenwärtig wohl kaum noch vom Derrida‘schen „Archiv�eber“ erfasst. Für eine zeitintensive Arbeit im Archiv und für einen fundierten Umgang mit archivalischen Quellen bleiben wenig Zeit. Der-zeitige Hochschulstrukturreformen leisten somit einem unkritischen Umgangmit Geschichte Vorschub.

QuellenDes Bundesbeauftragten für die

Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen DDR(Tgb.-Nr.: 14608/13 Z)

Akten des MfS und Medienspiegel - OV - „Leiter“

LiteraturBourdieu, Pierre (1998) - Die feinen Unterschiede. F/M. Suhrkamp

Derrida, Jacques (1983) - Grammatologie. F/M. SuhrkampFoucault, Michel (1981) - Archäologie des Wissens. F/M. Suhrkamp

Genette, Gérard (1993) - Palimpseste. Die Literatur auf zweiter Stufe. F/M. Suhrkamp