PZ vom 14.03.1980 Seite 19

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Genscher

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Ehefrau beobachtete „Liebesnest" des ungetreuen Ehemannes — Nebenbuhlerin angefahrenSzenen einer Ehe diesmal nicht auf

Leinwand oder Bildschirm, sondern imPforzheimer Gerichtssaal. Im vorläufigletzten Akt des Melodramas wurde ge-stern das Urteil gesprochen: acht Mo-nate aiff Bewährung und 400 MarkGeldbuße. Der Führerschein wird füracht Monate entzogen für die 39 Jahrealte Mutter dreier Kinder. Oberstaats-anwalt Dr. Werner Botz hatte auf zehnMonate mit Bewährung und ein JahrFührerscheinentzug plädiert. Der Ver-teidiger forderte Freispruch. Auch farden Oberstaatsanwalt saß in diesemFall die Falsche auf der Anklagebank.Ihr Ehemann (35) habe sie „zum Opfermenschlicher Leidenschaften ge-macht".

Zwei Jahre hatte die geprellte Ehe-frau um das Liebesverhältnis ihresMannes zu der um sieben Jahre jünge-ren Nebenbuhlerin gewußt. EndgültigGewißheit hatte sie, als sie erfuhr, daßder Mann mit seiner Geliebten in Tune-sien frohe Ferien verbrachte, währendsie sich zu Hause grämte.

Die betrogene Ehefrau, seit 1963 ver-

heiratet, holte den „Ausreißer" vomMünchner Flughafen ab und wolltesich mit ihm aussprechen. Er stritt zu-nächst alles ab, versprach dann frei-lich, sein Verhältnis aufzugeben.

Am 23. November letzten Jahres er-reichte das Ehedrama seinen Höhe-punkt. Um 18.30 Uhr schloß die Ange-klagte die Ladentür zu. Mit ihremMann hatte sie sich verabredet. Derwollte jedoch zum Tennistraining ge-hen. Die allein gelassene Ehefrau rief inder Halle an. Der Mann war nicht da.Um 21.30 Uhr hielt sie's zu Hause nichtmehr aus. Sie fuhr nach Eutingen undging rund ums Quartier, in dem dasLiebesnest war. Es war bitterkalt. Kurznach 23 Uhr wollte sie nach Hausefahren — ohne Mann und Neben-buhlerin entdeckt zu haben. Sie wende-te kurz, aber zügig. Im nächsten Mo-ment krachte es schon. Ausgerechnetden Wagen der Nebenbuhlerin hatte sieerwischt. Die konnte sich — nach eige-nen Aussagen — gerade noch eng anden Wagen drücken. Dann flog sie zuBoden. Aus Angst, die geprellte Ehe-frau wollte ihr ans Leben, zog sie eine

Gaspistole. Den Schuß feuerte sie in dieLuft ab.

Von der Anklage wegen Mordver-suchs blieb am Schluß nicht mehr vielübrig. Zwar hatte sie vorher mal ge-sagt: „Am besten ist's das Flugzeugstürzt ab". Oder: „Ich fahr mit meinemMann gegen den Baum". Doch von ei-ner echten Bedrohung war kaum nochdie Rede. Sie war die Betrogene. Als derUnfall passierte befand sich die Ange-klagte in einem psychischen Ausnah-mezustand, wie ihr beiläufig zugebil-ligt wurde. So konnte sie sich nichtmehr erinnern, ob sie auf die Bremsetrat, als sie die Geliebte ihres Mannessah und ob sie die Scheinwerfer einge-schaltet hatte.

Unklar bleibt indes auch das Endedes Ehedramas. Der ungetreue Ehe-mann gestern: „Das Verhältnis zur an-deren besteht noch". Gelitten hatte sei-ne Frau inzwischen schon hinter Git-tern. Einen Monat lang saß sie in Unter-suchungshaft — ausgerechnet überWeihnachten und Silvester letzten Jah-res, wma

Im Rahmen der „Woche der Brü-derlichkeit" wird heute, um 19 Uhrim großen Saal des ReuchlinhausesDr. h. c. Arthur Emsheimer geehrt.Dr. Emsheimer, der am 8. März die-ses Jahres sein 80. Lebensjahr voll-endet hat, ist gebürtiger Pforzhei-mer. Er besuchte hier nach derVolksschule das humanistischeReuchlin-Gymnasium und bestand1918 das Abitur. Nach einer kurzenMilitärzeit studierte er von 1918 bis1922 in Heidelberg, München und

lassen und lebte bis 1938 bei Be-kannten im Schwarzwald. 1938emigrierte er in die Schweiz. Erwurde im Wallis interniert. In derFolgezeit kam Dr. Emsheimer mitder schweizerischen Zentralstellefür Flüchtlingshilfe in Verbindung,deren Leiter er später wurde. Auf-grund seiner Verdienste um das in-ternationale Flüchtlingswesen er-hielt er am 1. November 1978 dieEhrendoktorwürde der UniversitätZürich.

Den Passanten auf der Westlichen inBrötzingen saß der Schreck in allenGliedern, als sie gestern um 16.15 Uhraus den Fenstern im ersten Stock desWohnhauses Nummer 297 helle Flam-men schlagen sahen. Die schnell alar-mierte Feuerwehr rückte mit einemDrehleiter- und Tanklöschfahrzeug an.Nach 20 Minuten war der Brand ge-

löscht, doch zurück blieb die verwüste-te Drei-Zimmer-Wohnung einer türki-schen Familie. Sie wohnt mit vier Kin-dern seit einigen Jahren als einzigerMieter in dem Altbau, der der StadtPforzheim gehört.

Laut Feuerwehrkommandant Haagging das Feuer mit Sicherheit im Be-

reich des Ölofens an. Die genaue Bran-dursache ist jedoch noch nicht geklärt.Verletzt wurde zum Glück niemand,doch das Feuer zog noch ein mittleresVerkehrschaos nach sich. Da die West-liche im Unglücksbereich gesperrt war,staute sich der Feierabendverkehr biszur Fritz-Erler-Schule.

bo/Bilder: Ketterl

„Salz im Kaffee"

Blickensdörfer imGemeindezentrum

Die Autorenlesung von Hans Blik-kensdörfer am Dienstag kommenderWoche findet wegen Platzmangel nichtin den Räumen der BuchhandlungGondrom statt, sondern um 19.30 Uhrim Evangelischen Gemeindezentrum inder Pestalozzistraße. Zuvor um 16.30Uhr wird der gebürtige Pforzheimerund Schriftsteller von internationalemRang in der Buchhandlung eine Si-gnierstunde abhalten. Selbstverständ-lich wird der Autor seine Bücher miteiner persönlichen Widmung signieren.Sein neuestes Buch, „Salz im Kaffee",das in Pforzheim seine Premiere erlebt,gilt in der Kriti k als ähnlich gut gelun-gen wie sein Weltbestseller „Di e Bas-kenmütze". Als nächster Gast wird am26. März Erich von Dänicken bei Gon-drom erwartet.

Pforzheimer Zeitung — Nr. 63 — Freitag, 14. März 1980 — Seite 19

Vor mehr als tausend Zuhörern sprach Bundesaußenminister Hans Dietrich Genschergestern auf dem Pforzheimer Marktplatz. ImVordergrund der FDP-Landtagskandidat für die Stadt, Martin Schmid, und rechts im Hintergrund Landtagsvizepräsident HansAlbrecht, der FDP-Kandidat für den Enzkreis. Einige Spätaussiedler übergaben an Genscher Briefe mit der Bitte, bei derFamilienzusammenführung aus den Ostblockländern zu helfen. Bild: Ketterl

Kino ausverkauft

Von Ann e Frankwar man betroffe n

Betroffen hat die meist jüngerenKinogänger die Verfilmung des Ta-gebuchs der Anne Frank gemacht,die in der Inszenierung von GeorgeStevens am Mittwoch zur „Wocheder Brüderlichkeit" im Rex-Kino-center wieder zu sehen war. Undwomit niemand gerechnet hatte:All e drei Vorstellungen waren aus-verkauft: 588 Besucher, davon 447Schüler, sahen sie. Ein Zeichenwohl auch dafür, daß die Bewälti-gung des Holocaust in der jungenGeneration spürbarer denn je wird.Vor allem dann, wenn, wie im Tage-buch der Anne Frank (Bild) und indem Ende der fünfziger Jahre ge-

drehten Film die ganze Wahrheitgesagt wird — und nichts als dieWahrheit. wma

Flammen verwüstete n Wohnun g in Brötzinge n

Das ist das Ziel der Freien Demokrate n

Mit absolute r Mehrhei t der CDU inBaden-Württember g Schlu ß machenFreie Journalisten für Funktionieren der Demokratie unentbehrlich —1000 Zuhörer

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Brandursache noch nicht geklärt

Einfluß der Bundesrepublik auf die in-ternationale Politik basiere auf der po-litischen wie auf der sozialen und wirt-schaftlichen Stabilität. WichtigstesZiel sei die Sicherung des Friedens. Aufdiesem Wege wäre man schon längst einStück weitergekommen, wenn diekommunistischen Staaten etwas weni-ger Geld in die Rüstung und etwas mehrGeld in den Konsum gesteckt hätten.

Das Bündnis mit den USA sei derGarant des Friedens, betonte Außenmi-nister Genscher, wiederholt von Bei-fallskundgebungen unterbrochen. ZurSicherung des Westens sei ein deut-scher Beitrag der Bundeswehr aufdeutschem Boden unabdingbar, eskomme aber überhaupt nicht in Frage,daß, wie gelegentlich von CDU-Spre-chern gefordert, ein einziger deutscherSoldat am Persischen Golf stehe.

Wer vom olympischen Boykott spre-che, müsse denjenigen nennen, der tat-sächlich den olympischen Boykott ge-fährde, und dies sei die Sowjetunion.Unter nachhaltigem Beifall der Zuhö-rer setzte sich Genscher für eine Rück-kehr der Olympischen Spiele nachGriechenland ein, damit diese Spielenicht noch mehr zu politischen Selbst-darstellungen der Mächtigen ausarte-ten. Der Vorschlag, Afghanistan denStatus eines blockfreien Staates zu ge-ben, gewinne immer mehr an Boden.Hier gelte es, zäh zu bleiben, denn der-jenige, der nicht schießen wolle, müssein Geduld verhandeln.

Abschließend bat der Außenminister,dem Pforzheimer FDP-Landtagskan-didaten Martin Schmid am Sonntagdas Vertrauen zu geben. In einer freiendemokratischen Republik sei Wahl-recht Wahlpflicht, h. b.

„Di e Freien Demokraten führen den Landtagswahlkampf mit derklaren Aufforderung , mit der absoluten Mehrheit der CDU in Baden-Württember g Schluß zu machen." Dies sagte gestern am späten Nachmit-tag der FDP-Vorsitzende und Bundesaußenminister Hans Dietrich Gen-scher bei einer Kundgebung auf dem Pforzheimer Marktplatz . Hattensich zuvor in Wildbad bei einer Ansprache von Genscher rund tausendZuhörer eingefunden, so dürft e die Zahl in Pforzheim eher über derMark e tausend gelegen gelegen sein. Eine dritt e Veranstaltung mit demAußenminister fand gestern abend in Mühlacker statt. Der PforzheimerFDP-Landtagskandidt Marti n Schmid hatte die Freude, eine unerwartetgroße Anzahl von Bürgern willkommen zu heißen. Bis zum Eintreffen desMinister s unterhielten der Fanfarenzug „Vorwärts " und dessen Tanzgar-de die Besucher.

Die absolute Mehrheit der CDU, soführte Genscher aus, müsse schon des-halb in Baden-Württemberg gebrochenwerden, da solche Mehrheiten zuMachtmißbrauch führten. Das beginnebei Reformen über die Köpfe der Bür-ger hinweg und ende bei der Besetzungaller wichtigen Positionen, bei denendas Parteibuch oder gar das Gesang-buch vor der fachlichen Qualifikationrangierten. Was absolute Mehrheitenbedeuteten, sehe man in den LändernNiedersachsen (CDU), Schleswig-Hol-stein (CDU) und Hamburg (SPD). Vondiesen Machtzentren aus werde derVersuch unternommen, den Norddeut-schen Rundfunk zu zerschlagen unddaraus einen Schwarzfunk und einenRotfunk zu machen.

Es gelte, wie der Außenminister fort-fuhr, mit allen Mitteln zu verhindern,daß aus den Rundfunksendern Partei-lautsprecher von CDU und SPD wür-den. Eine Demokratie stehe und fallemit der Kriti k von freien Journalistenan allen politischen Parteien.

Auf dem Gebiet des Bildungswesensmüsse mehr Vielfalt als bisher angebo-

ten werden. Es komme darauf an, ver-schiedene Schulformen miteinanderkonkurrieren zu lassen. Maßgebenddürften dabei nicht linke oder rechteBildungsideologen sein, allein ent-scheidend sei das Recht der Eltern aufBestimmung der geeigneten Schule fürihre Kinder. Einen kommunistischen„Einheitsbrei" werde man nicht dul-den. Es sei doch ein merkwürdiger Vor-gang, daß Kommunisten die Höhle desgeschmähten Kapitalismus dem Para-dies des hochgelobten Kommunismusvorzögen.

Großen Wert, so fuhr der Außenmini-ster fort, lege die FDP auf eine ausge-wogene Wirtschaftspolitik. Wenn hierdie Bundesrepublik im Vergleich derIndustrieländer gut abschneide, dannsei dies dem Fleiß der Arbeitnehmer,dem Ideenreichtum der Unternehmerund dem Maßhalten der Tarifparteienzuzuschreiben. In Baden-Württembergorientiere sich die Wirtschafts- undStrukturpolitik vor allem an den mitt-leren und kleinen Betrieben. Wirt-schaftliche Stabilität sei Vorausset-zung für soziale Gerechtigkeit. Der

„Woche der Brüderlichkeit"

Dr. Emsheime rwir d geehr tBerlin Jura und wurde 1923 zum Dr.jur. promoviert. Von 1925 bis 1933war er als Jurist im Staatsdienst— zuletzt als Amtsgerichtsrat inLörrach —tätig. Im April 1933 wur-de er aufgrund seiner Rassenzuge-hörigkeit aus dem Staatsdienst ent-

Diesmal live in Pforzheim

Szenen einer Ehe vor Gerich t

PZ

vom 14.03.1980