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Marc Hofer Vom Arsenal der Staatsgewalt zum eGovernment Eidgenössische Archivpolitik zwischen retrospektiver Archivierung und prospekti vem Recordsmanagement Abschlussarbeit am Institut des hautes études en administration pu blique bei Prof. Matthias Finger (rapporteur), Prof. Peter Knoepfel (corapporteur) und Frau Regula Nebiker (externe Expertin) Bern und Chavannes, Oktober 2002

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Marc  Hofer        

Vom  Arsenal  der  Staatsgewalt  zum  eGovernment        

 

Eidgenössische  Archivpolitik  zwischen  retrospektiver  Archivierung  und  prospekti-­vem  Recordsmanagement    

 

 

Abschlussarbeit   am   Institut  des  hautes   études  en  administration  pu-­blique   bei   Prof.   Matthias   Finger   (rapporteur),   Prof.   Peter   Knoepfel  (co-­rapporteur)  und  Frau  Regula  Nebiker  (externe  Expertin)  

 

Bern  und  Chavannes,  Oktober  2002

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Inhalt  

 I. Einleitung ..............................................................................................Seite 5 1. Methode ..................................................................................................... 7 2. Terminologie ................................................................................................. 9 II. Vom Papier zum digitalen Dossier ........................................................................... 10 1. Das Produkt der Bürokratie ........................................................................... 10 2. Der persönliche Computer revolutioniert das Büro ....................................... 11 3. eGovernment und Recordsmanagement ...............................................…...... 15 III. Archivierung als politisches Programm ................................................................... 19 1. Der Paradigmawechsel ................................................................................... 19 a) Das individuelle Recht auf Akteneinsicht .......................................... 19 2. Die traditionelle Definition des Problems ...................................................... 20 a) Das Ungenügen der Rechtsgrundlagen .............................................. 21 3. Die neue Definition des Problems durch das Bundesarchiv .......................... 22 4. Die Programmierung der neuen Archivpolitik .............................................. 23 a) Das Archivierungsgesetz .................................................................. 23 b) Die Verordnungen ............................................................................. 26

c) Die Weisungen und die Praxis ......................................................... 28

5. Der Aktionsplan ............................................................................................ 28 a) Die Mehrjahresplanung des Bundesarchivs ..................................... 28 b) Die Akteure ...................................................................................... 29 c) Geschobener oder gezogener Prozess? ............................................ 33 6. Der Output ................................................................................................... 34 a) Inspektionen der Aktenführung ....................................................... 35

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b) Bewertungen ..................................................................................... 36 c) Konsultationen des Archivguts ......................................................... 36 7. Die Evaluation .............................................................................................. 36 a) Inspektionen ...................................................................................... 37 b) Bewertungen .................................................................................... 37 c) Konsultationen des Archivguts ........................................................ 38 8. Abweichungen und Erweiterungen .............................................................. 38

a) „Das Bundesarchiv garantiert das Recht der freien Einsichtnahme in das Archivgut.“ ................................................................................. 39 b) „Das Bundesarchiv sichert alle rechtlich, politisch, wirtschaftlich, historisch, sozial oder kulturell wertvollen Unterlagen des Bundes.“ .. 40 c) „Das Bundesarchiv ist das Kompetenzzentrum des Bundes für Recordsmanagement.“ .......................................................................... 40 d) Abweichungen und Erweiterungen .................................................. 41

IV. Der Stand der Informationssicherung in der Bundesverwaltung .......................... 43 1. Ein Abbild der Reichweite der Archivpolitik .............................................. 52

a) Was ist ein Aktenbildner? .............................................................. 53

b) Priorisierung ..................................................................................... 53 2. Statistische Auswertung ............................................................................... 54 a) Evaluation der Organisationsvorschriften ........................................ 54 b) Evaluation der Registraturpläne ....................................................... 55 c) Evaluation der Geschäftsbildung ...................................................... 56 3. Die Departemente im Vergleich ................................................................... 57 a) Kommentare zu den einzelnen Departementen ................................ 58 4. Fallstudien .................................................................................................... 60 a) Direktion für Entwicklung und Zusammenarbeit ............................. 60 b) Bundesamt für Statistik .................................................................... 64

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c) Parlamentsdienste ............................................................................. 67 d) Vergleich der Fallstudien ................................................................. 72 V. Prüfung der Hypothesen ......................................................................................... 74 1. Wissensmanagement ≠ Recordsmanagement ............................................ 74 2. Die Interaktion der Akteure ......................................................................... 75 VI. Schluss ................................................................................................... 77 VII. Abkürzungsverzeichnis ....................................................................................... 78 VIII. Quellen- und Literaturverzeichnis ..................................................................... 81 IX. Anhänge ................................................................................................... 86 Anhang 1: Fragebogen für Inspektionen der Aktenführung ............................ 86 Anhang 2: Interview-Fragen zu den Fallstudien ............................................. 90

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I.  Einleitung   „Wissen ist Macht.“ Diese an sich banale Aussage erfährt eine interessante Verfeinerung, wird sie auf bürokratische Herrschaft bezogen. Unter allen Formen legitimer Herrschaft ist die bürokratische die am höchsten formalisierte und am feinsten ausdifferenzierte. Es ist die Herr-schaft nicht einer Person oder einer Personengruppe, sondern die Herrschaft des Apparats. Dieser Apparat ist nicht möglich ohne ein eigenes, institutionelles Wissen. Die Kanalisierung der Wissensströme, die mehr oder weniger restriktive Verbreitung von Informationen in ei-nem institutionellen Gefüge, aber auch die Organisation eines institutionellen Gedächtnisses gehören zu jedem bürokratischen System. Um herrschen zu können, benötigt die Bürokratie Wissen, muss aber gleichzeitig den Zugang für Dritte kontrollieren: geteiltes Wissen ist ge-teilte Macht. Das Wissensmanagement bildet stets einen impliziten Bestandteil der Bürokra-tie. Denn auch der interne Zugang zum Wissen soll einerseits das bürokratische System effek-tiv machen in der Durchsetzung der Herrschaft, durch eine feine Dosierung des internen Zu-gangs wird aber auch die Aufrechterhaltung von Herrschaft gegen innen ermöglicht. Nicht jeder Beamte soll alles wissen. Er muss aber mit allen Informationen versehen sein, dass er seine Aufgabe als Rad im bürokratischen Getriebe optimal erfüllen kann. Bürokratische Herr-schaft hat sich als adäquates Steuerungssystem komplexer Gesellschaften durchgesetzt. Der Output der Bürokratie besteht aus Entscheidungen, die in das Leben des Individuums eingrei-fen . Ihr Rohstoff ist das Wissen. Die Bürokratie muss deshalb eine eigentliche Ökonomie des Wissens betreiben. Der möglichst sparsame Umgang mit dieser Ressource und der möglichst restriktive, d. h. auf einen kleinen Personenkreis beschränkte Zugang zum Wissen bildeten in der Vergangenheit eine wesentliche Grundlage bürokratischer Herrschaft. Das Archiv als Wissensspeicher war eine gut gehütete Schatzkammer. „Das Bundesarchiv ist das Gedächtnis der Nation.“1 Dieser Anspruch geht weit über das hinaus, was als klassische Aufgabe eines staatlichen Archivs verstanden werden kann. Das Bundesarchiv gibt sich damit den Auftrag, nicht bloss das staatliche Verwaltungshandeln zu dokumentieren, es gibt sich auch die Verantwortung für die Bewahrung des Wissens der Na-tion. Sinnvollerweise kann damit nur dasjenige Wissen gemeint sein, das für die Nation we-sentlich ist oder Teil ihrer Identität bildet. Würde man vom Bundesarchiv verlangen, schlechthin alles Wissen der Schweiz aufzubewahren, wäre dies eine heillose Überforderung nicht nur des Archivs selber, sondern auch seiner Benutzer. Alles aufzubewahren ist nicht hilfreich. Und für ein Individuum ist das Gedächtnis eine unabdingbare Voraussetzung, sich seiner eigenen Identität zu versichern. Auf der anderen Seite ist aber auch das Vergessen geradezu überlebensnotwendig. So will das Bundesarchiv dasjenige Wissen aufbewahren, das in Form von „Zeugnissen der Vergangenheit“ den „gegenwärtigen und zukünftigen Genera-tionen als eine Grundlage zur Lösung ihrer Aufgaben und Probleme“2 dient. Damit ist die Problematik angesprochen, dass nicht alles der Archivierung würdig ist. Die digitale Revolution bedeutet auch eine explosionsartige Zunahme der gespeicherten In-formation. Parallel dazu entstanden Möglichkeiten, diese Information dezentral weltweit zugänglich zu machen. Ein grosser Teil davon ist aber eigentlicher Datenschrott oder Infor-mationsmüll ohne wirklich „Information“ zu sein. Aber auch die Information wird erst dann zum Wissen, das aus dem Gedächtnis abgerufen werden kann, wenn sie erschlossen und zu-gänglich gemacht wird. Schon immer waren Archive nicht bloss Informationsspeicher, son-dern mussten als institutionelle Gedächtnisse Wissen organisieren. Die neuen Techniken

1 Leitbild (2001) 2. 2 Ebenda.

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digitaler Informationsverarbeitung lassen aber das Problem der Organisation des Wissens viel dringender werden als zu der Zeit, da Akten noch aus Papier oder Pergament bestanden. Konnte man früher noch darauf vertrauen, einen chaotischen Aktenbestand später einmal in Ruhe ordnen zu können, stellt sich das Problem heute mit aller Dringlichkeit schon dort, wo Information entsteht. Sind digitale Informationen nicht von Beginn weg richtig organisiert, ist jeder Versuch einer späteren Erschliessung zum Scheitern verurteilt. Damit ist aber die traditionelle Funktion des Archivs als „Arsenal der Staatsgewalt“, wie sie durch den französischen Historiker Pierre Nora analysiert wurde, allein durch die technische Entwicklung in Frage gestellt3. Eine bloss retrospektive Archivierung, die das anfallende Schriftgut sichtet, bewertet und erschliesst, wäre mit der anfallenden Menge digitaler Daten heillos überfordert. Auch der Staat könnte sich im Arsenal nicht mehr seine Waffen holen, wenn dort nur noch Datenschrott aufbewahrt wird. Nicht nur die technischen Voraussetzun-gen haben sich geändert, auch die Ansprüche der Öffentlichkeit waren und sind einem starken Wandel unterworfen. Aus dem „Arsenal“ wurde ein Dienstleistungsunternehmen, das Infor-mationen der Öffentlichkeit zur Verfügung stellt. Das Recht auf Information wird heute als unabdingbare Voraussetzung für Rechtsstaatlichkeit und Demokratie aufgefasst. Im Rahmen der eGovernment-Offensive des Bundes sollen die Voraussetzungen geschaffen werden, dass der Zugang zu den Informationen des Staates auf digitalem Weg gewährleistet werden kann. Dem Bundesarchiv kommt hier als Kompetenzzentrum für Recordsmanagement eine Schlüs-selfunktion zu. Nur durch eine qualitativ hoch stehende Aktenführung kann sicher gestellt werden, dass Staat und Öffentlichkeit gleichermassen im „Arsenal der Staatsgewalt“ Infor-mationen abholen und sich diese als Wissen aneignen können. Die digitalen Produktionsmittel entwickeln ihre eigene Dynamik und bestimmen die Mög-lichkeiten, Wissen überhaupt verfügbar zu machen. Die beteiligten Akteure - der Staat, ein-zelne Verwaltungseinheiten, aber auch die Öffentlichkeit - versuchen die daraus entstehenden Probleme zu meistern beziehungsweise die digitalen Produktionsmittel für ihre Zwecke ein-zusetzen. Es ist diese Problematik, die mich veranlasst hat, folgende Hypothesen zu formulie-ren:

« Die digitale Revolution ist der Motor der effizienten Umsetzung der Archivpoli-tik im Bereich Aktenführung.» (Kausalhypothese I) « Die Archivpolitik wird durch digitale Überlieferungslücken in der Aktenführung unterlaufen.» (Kausalhypothese II)

Die Antwort auf diese beiden Hypothesen wird auf alle Fälle differenziert ausfallen. Vor allem gilt es zu berücksichtigen, dass die Einflussmöglichkeiten verschiedener Akteure und deren Wille, diese Möglichkeiten tatsächlich wahrzunehmen, sehr stark differieren. Für alle beteiligten Akteure steht sehr viel auf dem Spiel: Es geht um den Zugang zum Wissen, der möglicherweise bedeutendsten Ressource im 21. Jahrhundert.

3 Graf (2001) 65f.

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1.  Methode   Zu Beginn möchte ich kurz die Methode beziehungsweise Methoden der vorliegenden Arbeit darlegen. Die Untersuchung folgt bei der Darstellung des politischen Programms der Archi-vierung folgendem Schema: Definition des Problems – Verwaltungsprogramm – Behördenar-rangement – Aktionspläne – Output – Evaluation4. In der vorliegenden Untersuchung be-schränke ich mich allerdings auf die Darstellung derjenigen Etappen, die für das Verständnis der Archivpolitik im Bereich Recordsmanagement unerlässlich sind. Die einzelnen Etappen der Politikprogrammierung sind dabei nicht streng chronologisch zu verstehen. Zwar muss ein Problem zuerst definiert werden, bevor man versuchen kann, es auf dem Wege der Gesetzge-bung zu lösen. Schon auf der Stufe des Verwaltungsprogramms können aber neue Tatsachen oder Akteure auftauchen, die eine Neudefinition des Problems erzwingen. Ebenso kann die Umsetzung des Programms im Behördenarrangement und in den Aktionsplänen beginnen, bevor alle Ausführungsverordnungen verabschiedet sind. So ist die Politikprogrammierung in beständiger Bewegung, in deren Verlauf sich Formulierungen der einzelnen Etappen dauernd ändern. Die Definition des Problems habe ich um eine kurze Vorgeschichte erweitert, wie das Pro-blem rund um die Archivierung früher wahrgenommen wurde. Dies schien mir notwendig, um die neue Definition des Problems verstehen zu können. Aufgrund der durch das Bundes-archiv seit dem Jahr 2000 durchgeführten Inspektionen der Aktenführung steht auch eine Datenbasis zur Verfügung, die quantitative Aussagen zur Qualität des Recordsmanagements in der Bundesverwaltung erlaubt. Politikprogrammierung geschieht durch die Handlungen verschiedener institutioneller, aber auch nicht institutioneller Akteure. Um eine öffentliche Politik darstellen und analysieren zu können, müssen deshalb die beteiligten Akteure identifiziert und deren Handlungsspielraum bestimmt werden. Ich gehe dabei von der Annahme aus, dass jeder Akteur den ihm zur Ver-fügung stehenden Handlungsspielraum benutzt, um seine Interessen durchzusetzen. Diese Interessen dürfen aber nicht mit einem rein egoistischen Interesse gleichgesetzt werden. Auch trifft es nicht zu, dass alle Akteure eine hidden agenda haben, die es aufzudecken gilt. minde-stens diejenigen Akteure, die als staatliche Institution auftreten - Parlamentarier, Ämter, ein-zelne Beamte - sind auf ihre Weise bestrebt und wahrscheinlich auch persönlich davon über-zeugt, einem allgemeinen Interesse zu dienen. Sie tun dies aber jeder auf seine Weise, mit eigenen Vorstellungen des „allgemeinen Interesses“ und immer danach trachtend, den eigenen Gestaltungsspielraum auszuweiten5. Im wesentlichen folgt diese Analyse dem Ansatz von Michel Crozier und Erhard Friedberg, erweitert durch die institutionelle Dimension, wie sie von Fritz W. Scharpf dargestellt wurde. Ein bloss auf die Institutionen konzentrierter Ansatz genügt insofern nicht zur Analyse des impacts der neuen Kommunikationstechnologien, als er die bestimmende Rolle der Produkti-onsmittel ausblendet. Ein kruder Materialismus behauptet, dass die Entwicklung der Produk-tionsmittel in jedem Fall die gesellschaftliche Entwicklung bestimme. Was der einfache Mate-rialismus als Antwort präsentiert, ist aber im Grunde das Problem, wie ich es in den beiden Kausalhypothesen zu formulieren versuche. Die Bürokratie als Produktionssystem bildet mit den durch dieses System angewendeten Produktionsmitteln eine Einheit, in der beide Teile

4 « Etapes et produits d’une politique publique : Définition du problème - programme politico-administratif - arrangement politico-administratif - plans d’action - actes des mises en œuvre (outputs) - énoncés évaluatifs sur les effets (impacts et outcomes) » Knoepfel (2001) 129. 5 Vgl. dazu Scharpf (2001) 117.

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sich gegenseitig beeinflussen und es keineswegs klar ist, welcher von beiden der letztlich bestimmende ist. Die grundlegende Frage ist aber, ob die Entwicklung noch steuerbar ist. Die Einführung von eGovernment soll von ihrem Anspruch her nicht einfach die Reaktion auf eine als Schicksal akzeptierte technologische Entwicklung sein, sie soll dem Staat und vor allem dem einzelnen Bürger, der Bürgerin neue Gestaltungs- und Einflussmöglichkeiten er-öffnen, das Geheimnis der Bürokratie soll zur „gläsernen Verwaltung“ werden6. Die Frage nach der Steuerbarkeit der Entwicklung ist deshalb von entscheidender Bedeutung für die weitere Entwicklung der Demokratie. Zu berücksichtigen ist dabei stets die generelle ökono-mische und technische Entwicklung, die einen eminenten Einfluss auf das Verhältnis zwi-schen Staat und Bürger hat. Aus Staatsbürgern werden mehr und mehr Konsumenten, die dem Staat als Kunden gegenüber treten und die selbstverständlich staatliche Leistungen mit kon-kurrierenden privaten Angeboten zu vergleichen gewohnt sind. Die empirische Basis der vorliegenden Untersuchung stammt aus vier Quellen: Erhebungen über den Stand der Aktenführung in der Bundesverwaltung, Interviews, Auswertung schriftli-cher Quellen und teilnehmende Beobachtung. Die Erhebungen über den Stand der Aktenfüh-rung wurden durch die Inspektionsteams des Bundesarchivs an Hand eines Fragebogens vor-genommen (s. Anhang 1). Die daraus gewonnenen wesentlichen Informationen habe ich in einer Tabelle zusammengefasst und nach qualitativen wie statistisch-quantitativen Kriterien ausgewertet. Die Interviews für die Fallstudien wurden nur im Hinblick auf eine qualitative Auswertung durchgeführt. Der entsprechende Fragebogen enthält deshalb nur offene Fragen (s. Anhang 2). Unentbehrlich ist die Auswertung schriftlicher Quellen, da sich meist nur dar-aus die Abläufe rekonstruieren lassen, die zu einem Ergebnis geführt haben, das in einem Fragebogen oder Interview erhoben wurde. Der Natur der Sache entsprechend handelt es sich bei den schriftlichen Quellen vor allem um Rechtstexte, aber auch um weitere publizierte oder nicht publizierte Schriften, welche die normativen Texte erklären und kommentieren. Am schwierigsten zu handhaben war für mich die teilnehmende Beobachtung. Da ich als Mitar-beiter des Bundesarchivs selber Akteur in der Archivpolitik bin und deshalb gegenüber ande-ren Akteuren nicht als neutraler Beobachter auftreten kann, war ich stets gezwungen, meine beiden Rollen - Teilnehmer und Beobachter - zu reflektieren, was nicht immer einfach war. Immerhin wird diese Schwierigkeit mehr als aufgehoben durch die Tatsache, dass einem teilnehmenden Beobachter Informationen und Erfahrungen zur Verfügung stehen, die durch andere empirische Methoden nicht erhoben werden können.

6 Muralt (2001) 5.

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2.  Terminologie   Um Missverständnissen vorzubeugen und bestehende terminologische Unschärfen zu beseiti-gen, seien hier drei Schlüsselbegriffe kurz definiert:

− Geschäftsverwaltungssystem (GeVer): Datenbank zur Verwaltung von Geschäfts-prozessen und Registrierung von Dokumenten. Dokumente werden in der Regel kon-ventionell abgelegt.

− Dokumentenmanagementsystem (DMS): System zur Verwaltung digital gespei-cherter Dokumente ohne integrierte Geschäftsverwaltung

− Recordsmanagementsystem (RMS): System zur Verwaltung und Steuerung von Geschäftsprozessen (evtl. mit integriertem work flow) und für die Verwaltung und di-gitale Speicherung der mit den Geschäftsprozessen verbundenen Dokumente.

Diese Definitionen schliessen nicht aus, dass diese Begriffe anderswo in abweichender Be-deutung gebraucht werden. Meine Definitionen orientieren sich an der gegenwärtigen begriff-lichen Praxis des Bundesarchivs.

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II.  Vom  Papier  zum  digitalen  Dossier  

1.  Das  Produkt  der  Bürokratie   Vordergründig erscheinen „Akten“ als das Produkt der Verwaltung. Wenn man die Unmen-gen von Papier vor Augen hat, welche Bürokratien weltweit jeden Tag ausstossen, ist man geneigt, dieser Ansicht zuzustimmen. In der Tat handelt es sich bei diesem materiellen Aus-stoss aber nur um die unvermeidliche Begleiterscheinung eines Produktionsprozesses, dessen Produkt und Ziel der Entscheid oder die „Verfügung“ ist. Deshalb wäre es auch ein Unding, die Leistung von Beamten am täglichen Papierausstoss messen zu wollen7. Akten wie auch digitale Unterlagen sind unverzichtbare Arbeitsinstrumente für jede Behörde. Irgendwann benötigt sie aber die Verwaltung nicht mehr und sie werden zu einem „Überrest“, zur Spur vergangener Behördenaktivität, die der Auswertung durch Historiker harrt. Die Verwaltung produziert nichts - sie stellt nichts her im materiellen Sinn. Der Output der Bürokratie ist grundsätzlich immateriell: sie produziert Entscheidungen zwecks Steuerung von Staat und Gesellschaft. Der zweite wesentliche Unterschied zu einem Fertigungsprozess besteht im offenen Ergebnis des bürokratischen Entscheidprozesses8. Das Ergebnis steht nicht von vorneherein fest. Im Gegenteil besteht der Zweck des Verwaltungshandelns darin, eine offene oder mehrdeutige Situation durch einen gemäss vorgegebenen Regeln gefällten Ent-scheid eindeutig zu machen. Die Konsequenzen dieses immateriellen Verwaltungshandelns sind oft materieller Natur, man denke nur etwa an Baubewilligungen, Stipendien, Steuerrabat-te usw. Aber auch wo der Staat in Ausübung seines Gewaltmonopols direkt eingreift, werden die Auswirkungen materiell greifbar, man denke nur auf den direkten Zugriff eines Polizisten auf eine verdächtige Person bei einer Festnahme. Die Aufgabe der Bürokratie besteht in der Ausübung von Herrschaft gemäss rationalen oder formalisierten Regeln9. „Herrschaft“ meint in diesem Zusammenhang nichts anderes als die Steuerung von Staat und Gesellschaft gemäss nachvollziehbaren, formalen Regeln. Die Ver-waltung in ihrer Gesamtheit kann demnach aufgefasst werden als hochgradig arbeitsteilig organisierte Unternehmung, die Entscheide herstellt. Ämter und Dienststellen sind deren Produktionseinheiten, die auf die Herstellung bestimmter Produkte spezialisiert sind. Ihr eige-nes Wissen ist die entscheidende Ressource, welche die Bürokratie benötigt, um ihre Produkte herstellen zu können. Der Satz, dass Wissen Macht ist, offenbart sich hier in seiner ganzen Wahrheit. Ohne ihr organisationelles Wissen kann die Verwaltung nichts entscheiden bezie-hungsweise nichts produzieren. Aber auch der Gegenpart, all die Einzelnen, die durch Ver-waltungsentscheide betroffen sind, benötigen den Zugang zur Ressource Wissen. Nur organisierte und gespeicherte Information kann als Ressource ausgebeutet werden. Die Bürokratie ist deshalb untrennbar mit dem Prinzip der Schriftlichkeit verbunden. Wo eine formalisierte, staatliche Verwaltung existiert, beginnen die Aktenberge zu wachsen. Schriftlichkeit und nach rationalen Prinzipien organisierte Verwaltung bedingen einander. Die Schriftlichkeit des bürokratischen Ablaufs dient nicht nur der Formalisierung und Gleichför- 7 Wie mir ein befreundeter Ethnologe versicherte, wurde in Indonesien die Leistung der Beamten noch bis vor kurzem an der Anzahl Briefe gemessen, die pro Tag versandt wurden. Mindestens die Schreibfreudigkeit der Beamten dürfte dadurch eine wesentliche Förderung erfahren haben. 8 Menne-Haritz (2000) 287. 9 Vgl. Weber (1972) 825.

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migkeit des Verwaltungshandelns, sie ermöglicht auch deren effiziente Kontrolle. Die Tätig-keit der Verwaltung wird überprüfbar in dem Masse, in dem die Tätigkeit der Beamten schriftlich dokumentiert ist. Diesen Zweck können Akten aber nur erfüllen, wenn sie nach rationellen Grundsätzen aufbewahrt und verzeichnet werden, wenn die gesuchte Information in nützlicher Frist wieder gefunden werden kann. Diesem Zweck dienen Registrierung und Archivierung10. Entsprechende Techniken wurden schon lange vor dem Aufkommen der modernen Verwaltung angewandt. Schon die griechischen Poleis und die römische Republik führten Archive, in denen nicht nur Staatsverträge, sondern auch Bürger- und Steuerlisten aufbewahrt wurden.

„Die moderne Amtsführung beruht auf Schriftstücken (Akten), welche in Urschrift oder Konzept auf-bewahrt werden, und auf einem Stab von Subalternbeamten und Schreibern aller Art. Die Gesamtheit der bei einer Behörde tätigen Beamten mit dem entsprechenden Sachgüter- und Aktenapparat bildet ein „B ü r o“ (in Privatbetrieben oft „Kontor“ genannt). Die moderne Behördenorganisation trennt grund-sätzlich das Büro von der Privatbehausung. Denn sie scheidet überhaupt die Amtstätigkeit als gesonder-ten Bezirk von der privaten Lebenssphäre, die amtlichen Gelder und Mittel von Privatbesitz des Beam-ten.“11 „Der naive Gedanke des Bakunismus: durch Vernichtung der Akten zugleich die Basis der ‚erworbenen Rechte‘ und die ‚Herrschaft‘ vernichten zu können, vergisst, dass unabhängig von den Akten die Einge-stelltheit der M e n s c h e n auf die Innehaltung der gewohnten Normen und Reglements fortbesteht.“12

Akten beziehungsweise „Unterlagen“ bilden ein wesentliches Element der voll ausgebildeten bürokratischen Herrschaft. Nur so kann das durch die Organisation produzierte, unpersönliche Wissen gespeichert und bei Bedarf abgerufen werden. Eine gute Aktenführung ist unerlässli-che Voraussetzung, dass der moderne Staatsapparat sein eigenes Handeln nachvollziehen und die Rechtssicherheit gewährleisten kann. In einem Staat, der nach demokratischen Grundsätzen regiert wird und der der Respektierung der Grundrechte verpflichtet ist, dienen Akten nicht bloss der Bürokratie, damit sie darin gespeicherte Informationen sich als organisationelles Wissen aneignen kann, sie sind auch ein unverzichtbares Instrument der Verwaltungskontrolle durch die Öffentlichkeit. Durch das in den Archiven gespeicherte Wissen legt der Staat wenigstens im nachhinein Rechenschaft ab vor der Öffentlichkeit und vor der Geschichte.

2.  Der  persönliche  Computer  revolutioniert  das  Büro   Während Jahrhunderten blieben die Produktionsmittel im Büro dieselben: Papier oder Perga-ment wurden mit Griffel oder Federkiel beschrieben. Erst mit der Erfindung der Schreibma-schine und des Durchschlagpapiers hielt die industrielle Revolution am Ende des 19. Jahrhun-derts auch im Büro Einzug. Gegen Ende der zwanziger Jahre gehörte die Schreibmaschine zur Standardausrüstung eines Büros13. Erstmals war es möglich, in einem Arbeitsgang mehrere Schriftstücke mit identischem Text herzustellen. Wurde früher das Konzept eines Briefes abgelegt, während das Original versandt wurde, war man nun in der Lage, eine wortgetreue Kopie eines jeden versandten Schreibens zu registrieren und im Dossier abzulegen. Aus der Registratur wurde ein Informationsspeicher, der mit Recht als Vorläufer der modernen digita-len Speicher anzusehen ist14. Mit der Schreibmaschinentastatur war die erste technische Vor- 10 Menne-Haritz (1996) 21 f. 11 Weber (1972) 552. 12 Weber (1972) 570. 13 Vismann (2000) 273. 14 Vismann (2000) 275.

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aussetzung zur maschinellen Erfassung und Bearbeitung von Texten geschaffen worden. Der direkte, maschinelle Zugriff auf den Text selber blieb aber lange Zeit unmöglich. Schon früh standen zwar mechanische Speichermedien zur Verfügung. Deren Einsatzmöglichkeiten blie-ben aber auf besondere Anwendungen beschränkt. Lochkarten fanden vor allem für die Bear-beitung statistischer Daten oder für Buchhaltungsoperationen Anwendung, Lochstreifen wur-den für die Telegrammübermittlung mittels Fernschreiber verwendet. Die elektronische Datenverarbeitung wurde während dem Zweiten Weltkrieg erfunden. Der erste funktionsfähige Rechner mit elektronischen Schaltkreisen war der ENIAC, welcher 1946 in den USA in Betrieb genommen wurde. Er war mit Elektronenröhren bestückt, den Vorläu-fern der Transistoren und der integrierten Schaltkreise15. Die Grossrechner der fünfziger und sechziger Jahre liessen den Büroalltag aber noch weit gehend unberührt. Wie zu Beginn des 20. Jahrhunderts wurden Briefe getippt und Durchschläge abgelegt. Der Schritt von der reinen Daten- zur Textverarbeitung liess lange auf sich warten. Daten wurden zentral verarbeitet und gespeichert, der Umgang mit digitaler Technologie war das Werk von Spezialisten, die durch angelernte Hilfskräfte unterstützt wurden. Dieses Produktionsmittel war deshalb ideal für die Anwendung in grossen, zentral gesteuerten Betrieben und leistete selber wiederum der Zen-tralisierung Vorschub. Grosse staatliche Bürokratien, die viele Daten zu verarbeiten hatten, aber auch die Verwaltungen von grossen Produktionsbetrieben waren die idealen Anwender. Erst als 1983 der PC beziehungsweise der Macintosh auf den Markt kamen, wurde die Com-putertechnologie für eine breite Bevölkerung überhaupt nutzbar16. Zu Beginn war die „per-sönlichen“ Computer im Büro erst bessere Schreibmaschinen, die es erlaubten, Texte zu spei-chern und zu bearbeiten. Briefe konnten einfach korrigiert und abgeändert werden, ohne dass dafür der ganze Text neu getippt werden musste17. Alle anderen Anwendungen blieben die Angelegenheit von Freaks, die eigene Programme entwickelten. Erst die Vernetzung machte aus einer besseren elektronischen Schreibmaschine ein Produktionsmittel, das die Welt verän-derte. Von jedem Schreibtisch aus kann man heute beliebige Informationen abrufen und mit beliebigen Partnern - auch solchen, die man gar nicht kennt - kommunizieren. Schlagartig erweiterte sich die Autonomie eines jeden Beamten. Aus einem Akteur, dessen Handlungs-spielraum in der Regel durch die hierarchische Einbindung sehr limitiert war, wurde nun ein Akteur, dessen Kommunikationsspielräume beinahe unendlich gross sind18. War früher für die Kommunikation das persönliche Gespräch - direkt oder per Telefon - notwendig, reicht heute ein Mausklick, um mit einer beliebigen Person in Kontakt zu treten. Die Verteilung der Information richtet sich nicht mehr nach dem Dienstweg. In Wirklichkeit tat sie dies schon früher nicht. Wer informiert sein wollte, musste sich aber besonders darum bemühen, musste Zugang zu „wichtigen“ Personen haben und die Technik des Korridorgesprächs beherrschen. Heute genügt eine simple Gesprächsanbahnung per eMail. Die Einführung neuer Informationstechnologien führte nicht zwangsläufig zu einer Intensivie-rung der Arbeitsteilung, welche wiederum eine Intensivierung sozialer Kontrolle am Arbeits-platz und einen Verlust persönlicher Autonomie zur Folge hätte. Die neuen Informationstech-nologien können als dezentral eingesetzte, aber weltweit vernetzte Produktionsmittel die Au-tonomie des Individuums stärken. Der Computer wurde nicht zum big brother, der die Men-schen in jeder Lebenslage überwacht und kontrolliert, er wurde zum Helferlein, das den Be-

15 Als Erfinder des Computers gilt Konrad Zuse, der in Deutschland 1941 mit dem Z3 den ersten programmge-steuerten und frei programmierbaren Rechner in Betrieb nahm. Der ENIAC benötigte noch eine Grundfläche von 300 m2. Wurster (2002) 18 –21. 16 Wurster (2002) 231 f. 17 Propyläen Technikgeschichte (1997) 375. 18 Dollar (1992) 54.

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nutzern während der Arbeit, aber auch zu Hause zur Verfügung steht und das sich der Kon-trolle jeder Zentralgewalt entzieht. Die Entwicklung ist noch nicht absehbar, aber die Tendenz zeichnet sich ab, dass der persönliche Computer für eine technische Revolution steht, die im Gegensatz zu früheren industriellen Revolutionen keine Zentralisierung und Intensivierung von Herrschaft bewirkt, sondern die individuelle Autonomie stärkt. Statt der totalen Überwa-chung und Kontrolle der Information Vorschub zu leisten, wird der Computer zum Instrument für den direkten und unzensurierten Zugang zur Information19. Die persönliche Arbeitsorganisation wurde völlig verändert. Es entstanden elektronische Ab-lagen, auf die zum Teil mehrere Personen Zugriff haben. Einzelne und Gruppen konnten sich spontan und autonom organisieren, Dokumente elektronisch austauschen, gemeinsame Ordner eröffnen und so weiter. Der vernetzte PC ermöglicht es nicht nur, Texte elektronisch zu pro-duzieren, sondern auch elektronisch abzulegen. Die Ordnungen dieser Ablagen entstehen meist spontan und entsprechen den Bedürfnissen derjenigen, die damit arbeiten. Der Compu-ter führte zu einem bedeutenden Autonomiegewinn der einzelnen Mitarbeiter. Traditionelle Arbeitsteilungen wurden durchbrochen. So verschwand die frühere Trennung zwischen Sach-bearbeiter und Stenotypistin beinahe völlig. Briefe schreibt man heute selber und legt sie auch gleich selber in einem elektronischen Speicher ab, dessen Ordnung sich ausschliesslich nach den persönlichen Bedürfnissen des Autors richtet. Mit etwas Glück findet vielleicht auch eine Kopie des Schriftstückes seinen Weg in die Registratur, wo es zusammen mit dem eingegan-genen Brief, der das Geschäft ausgelöst hat, in ein Dossier abgelegt wird. Und wenn alles ordentlich organisiert ist, gelangt dieses Dossier nach 10, 20 Jahren im Archiv. Das heisst, dass alle Dokumente, die bloss elektronisch abgelegt wurden, für die Nachwelt verloren sind, wenn nicht Gegenmassnahmen ergriffen werden. Aber schon in der Gegenwart entstehen gewaltige Probleme, wenn Geschäftsprozesse nicht mehr vollständig dokumentiert, weil die betreffenden Dokumente in den quasi privaten elektronischen Ablagen der verschiedenen Mitarbeiter verstreut sind. Es kann im Ernst niemand verlangen, Briefe wieder auf der guten alten Schreibmaschine zu tippen. Der aktuelle Ausstoss der Verwaltung an Schriftgut wäre mit diesem alten Produkti-onsmittel schlicht nicht leistbar. Aber auch die institutionellen Akteure in der Verwaltung selber wollen auf die digitale Vernetzung nicht mehr verzichten. Zu offenkundig sind die Vorteile der Vernetzung. Die Arbeit in den Büros kann viel rationeller organisiert werden, wenn die einzelnen Mitarbeitenden direkten Zugriff auf die sie betreffenden Dokumente ha-ben. Statt papierener Dossiers zirkulieren elektronische Dokumente. Der Brief kann in real time dem Direktor zur Unterschrift vorgelegt werden. Von dort verlässt er unterschrieben das Haus, während die elektronische Version in einer ungeordneten digitalen Ablage auf Nim-merwiedersehen verschwindet. Der Registrator hütet derweil in seiner konventionellen Abla-ge ein leeres Dossier. Diese Gefahr ruft nach Gegenstrategien. Dabei nützen die beteiligten Akteure ihren jeweili-gen Gestaltungsspielraum aus. Die einzelnen Mitarbeitenden versuchen, selber ihre eigene digitale Ablage zu organisieren und nach ihren Bedürfnissen zu ordnen. Sie setzen den ihnen durch das Produktionsmittel Computer verliehene grössere Autonomie für die Selbstorganisa-tion ihrer Arbeit ein. Sie handeln dabei aus ihrer Sicht effizient und bezogen auf ihre indivi-duellen Ziele bei Arbeit vielleicht sogar effektiv. Nur sind so geordnete Ablagen für andere nicht mehr zugänglich. Die in der Ablage gespeicherte Ressource „Wissen“ steht dem Kollek-tiv nicht mehr direkt zur Verfügung. Durch diesen exklusiven Zugang zu einer essenziellen Ressource vergrössern die einzelnen Mitarbeitenden wiederum ihre Handlungsspielräume, was wiederum die Tendenz zur individuellen Arbeitsgestaltung und -Organisation fördert. 19 Vgl. Lübbe (2001) 146 ff.

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Die Gegenstrategie der institutionellen Akteure muss darauf abzielen, die individuellen Abla-gen wieder zu kollektivieren. Der Zugang zur Ressource „Wissen“ soll der Institution zur Verfügung stehen, was nicht gleichzusetzen ist mit einem allgemeinen und gleichberechtigten Zugang für alle Mitarbeitenden. Die Leitung eines institutionellen Akteurs muss vielmehr bestrebt sein, den Zugang zu den Informationen so zu gestalten, dass die Verfahrensabläufe unterstützt und die Kompetenzabgrenzungen respektiert werden. Die Vergabe der Zugriffs-rechte auf digitale Ablagen orientiert sich deshalb häufig am Organigramm: Die Amtsleitung hat auf alles Zugriff, die einzelnen Dienste können aber nur auf ihre eigenen Domänen des Servers zugreifen. Das mag dort gut gehen, wo Kompetenzen fein säuberlich getrennt sind. Sobald aber Prozesse mehrere Dienste durchlaufen oder sogar weitere Ämter und Departe-mente impliziert sind, kann dies nicht mehr funktionieren. Eine Lösung des Problems kann darin bestehen, für den Informationsfluss von Dienst zu Dienst oder Amt zu Amt weiterhin das konventionelle, papierene Dossier einzusetzen. Das Geschäft beziehungsweise Dossier wandert wie früher auf dem Dienstweg von Sachbearbeiter zu Sachbearbeiterin, um am Ende in der Registratur zu landen. Diese konservative Strategie wird aber ihr Ziel verfehlen. Zu schnell wird sie unterlaufen, indem eMails statt Papier ausge-tauscht werden, zu ineffizient ist die Prozessorganisation. Das Produktionsmittel Computer kann nicht so ohne Weiteres zu einer blossen Schreibmaschine zurückgestuft werden. Diese konservative Strategie kann höchstens als Übergangslösung dienen. Als adäquates Instrument bietet sich der Einsatz von Dokumentenmanagementsystemen an. Mittels DMS kann der Zugang zu Dokumenten so gesteuert werden, dass alle Mitarbeitenden diejenigen Lese- und Schreibrechte erhalten, die sie zur Erfüllung ihrer Aufgabe benötigen. Wird ein DMS noch mit einem work flow kombiniert und zu einem Recordsmanagementsystem erweitert, kann die elektronische Ablabe die Produktionsprozesse einer Verwaltung beinahe optimal unterstützen. Work flow bedeutet aber auch die Rückkehr der Fabrik in das Büro, diesmal aber nicht unter dem Vorzeichen der Massenherstellung, sondern der just in time production. Dossiers bleiben nicht mehr liegen und sind auch nicht mehr monatelang unauffindbar. Der Lauf der Informa-tion und die jeweilige Verantwortung für jeden einzelnen Arbeitsschritt lässt sich genau nachweisen. Mehr noch: die Arbeitsleistung der Mitarbeitenden kann genau evaluiert werden. Kein Wunder also, dass derartige Systeme bei den Anwendern nicht besonders beliebt sind. War der PC erst ein Produktionsmittel, das die Autonomie der Mitarbeitenden erhöhte, droht nun mit der Einführung des work flow der back lash. Will ein Amt ein DMS oder ein RMS einführen, enthält dieses in der Regel auch Funktionen, die den Arbeitsfluss steuern und kon-trollieren sollen. Es muss also mit Widerständen gerechnet werden, für die mit „Akzeptanz-problem“ eine eher beschönigende Bezeichnung gefunden wurde. Die Amtsleitung als Vertre-terin des institutionellen Akteurs sieht sich mit einer Vielzahl einzelner Akteure konfrontiert, welche die Einführung eines work flow-Systems als Bedrohung oder gar als Proletarisierung auffassen. Der meist diffuse Widerstand der Masse einzelner Akteure kann zum schliesslichen Scheitern eines work flow-Projektes führen. Innerhalb einer bürokratischen Organisation ver-fügt auch der einzelne Sachbearbeiter über genügend Spielraum, um den Gang der Dinge wenn nicht positiv, so doch negativ zu beeinflussen. Ein nach rein hierarchischen Regeln verfügte Einführung eines Recordsmanagementsystems hat deshalb nur geringe Erfolgsaus-sichten. Die Projektleitung ist in jedem Fall gut beraten, alle Akteure auch in die Entscheid- und Gestaltungsprozesse einzubeziehen (vgl. dazu die Fallstudien zur DEZA und zu den Par-lamentsdiensten).

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3.  eGovernment  und  Recordsmanagement   Längst hat die Verwaltung ihr bürokratisches Image abgelegt und ist auch auf dem Internet präsent. Jedes Bundesamt verfügt heute selbstverständlich über eine eigene Homepage. Alle Computerarbeitsplätze sind vernetzt. In jedem Bereich, wo Daten in grösseren Mengen anfal-len und verarbeitet werden, sind elektronische Datenbanken in Betrieb. Für die Geschäftspro-zesse des Bundesrates und der Bundesversammlung existieren besondere Datenbanken. Die Mitglieder des Nationalrates stimmen elektronisch ab. Dazu kommen die verschiedenen DMS und Geschäftsverwaltungssysteme, wie sie in vielen Ämtern bereits in Betrieb oder geplant sind. All diese Einrichtungen zusammen genommen stellen schon weit gehend die Ausrüstung dar, wie sie für eGovernment gebraucht würde. Dennoch stimmen und wählen wir nach wie vor mit Stimmzetteln, dennoch verschickt die Verwaltung ihre Verfügungen auf Papier und müssen Eingaben an die Behörden auf dem Postweg verschickt werden, um mittels Unter-schrift und Poststempel zu bezeugen, dass sie rechtzeitig verschickt und eigenhändig verfasst wurden. Bürger und Bürgerinnen können sich jeder Zeit auf dem Internet informieren, sobald ein rechtsverbindlicher Kontakt hergestellt werden soll, muss aber stets auf das Papier zu-rückgegriffen werden. Dies liegt einerseits an den fehlenden rechtlichen Voraussetzungen (elektronische Unterschrift), andererseits aber an der fehlenden Integration all dieser prakti-schen digitalen Instrumente. Unter eGovernment werden zwei Bereiche zusammengefasst, die zwei grundsätzlich ver-schiedenen Staatstätigkeiten entsprechen. Zum Einen geht es um eAdministration, also die Verwaltung, welche Ihren Verkehr mit dem Einzelnen beziehungsweise dem Kunden auf digitalem Weg abwickelt. Zum Anderen betrifft eGovernment die eigentliche eDemocracy, also die Wahrnehmung der Volksrechte durch den Bürger, die Bürgerin auf elektronischem Weg. Die Adressaten von eAdministration und eDemocracy sind also nicht dieselben. Als Partner der eAdministration kommen alle weltweit existierenden natürlichen und juristischen Personen oder „Kunden“ in Frage, die Teilnahme an der eDemocracy ist dagegen ausschliess-lich an das Bürgerrecht gebunden20. Dennoch besteht augenscheinlich ein Zusammenhang zwischen beiden Ausprägungen des eGovernment. Die technischen Mittel sind grundsätzlich dieselben, die sich daraus ergebenden Probleme ebenfalls. Eine andere Frage ist aber, inwie-fern eDemocracy durch die Einführung der eAdministration gefördert wird oder ob im Gegen-teil die eAdministration erst durch die eDemocracy gepuscht wird oder ob überhaupt kein kausaler Zusammenhang zwischen beiden besteht. Von diesen drei Kausalbeziehungen scheint am ehesten die zweite zuzutreffen. Augenscheinlich ist die eAdministration weiter fortgeschritten als die eDemocracy. EAdministration kann schrittweise und dezentral einge-führt werden, wogegen - von einzelnen Pilotprojekten einmal abgesehen - die eDemocracy aus grundsätzlichen Erwägungen nur entweder flächendecken oder gar nicht eingeführt wer-den kann. Die in einem Sprung zu überwindende Hürde ist also viel höher. Im Prinzip wäre es möglich, sich nur auf die eAdministration zu beschränken und auf die Einführung der elektro-nischen Wahrnehmung der Volksrechte ganz zu verzichten. Eine solche Strategie würde aber die in Bevölkerung nicht zuletzt durch die Anwendung von eAdministration geweckten Er-wartungen gänzlich ignorieren. Will der Staat sich nicht von der Entwicklung abkoppeln, bleibt ihm keine andere Wahl als die Einführung der eDemocracy, wie sie auch in der eGo-

20 Vgl. Finger (2001) 1. Ich verwende konsequent den umfassenderen Begriff eDemocracy statt eVote, weil in der Schweiz nicht nur die Teilnahme an Wahlen und Abstimmungen, sondern die Wahrnehmung der Volksrech-te überhaupt (also auch Unterschriftensammlungen für Inititiativen und Referenden) als Teil der eDemocracy betrachtet werden müssen.

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vernment-Initiative des Bundes vorgesehen ist21. In diesem Sinn können wir davon ausgehen, dass die Einführung der eAdministration auch die Einführung der eDemocracy fördern wird. Viel stärker ist aber die Wirkung des digitalen Megatrends, welcher die ganze Gesellschaft erfasst hat und der dem Staat schlicht keine andere Wahl lässt. Wenn Gesellschaft sich im virtuellen Raum abspielt, muss der Staat daran teilnehmen. Schon heute benutzt rund die Hälfte der Schweizer Bevölkerung das Internet22. Damit ist die Informationsgesellschaft be-reits Realität, der sich der Staat anpassen muss. Der Staat ist auf dem Internet präsent, von einem regelrechten eGovernment kann aber noch keine Rede sein. Im Wesentlichen beschränkt sich die heutige eGovernment-Aktivität darauf, dem Einzelnen (Bürger oder „Kunde“, natürliche oder juristische Personen) Informationen zur Verfügung zu stellen. Dieses Defizit wird in eGovernment-Strategie des Bundes erkannt. Geplant ist eine fortschreitende Entwicklung von der ersten Stufe, der Information, zur Kommunikation als zweiter Stufe und schliesslich zur Transaktion als höchster Entwicklung des digitalen Staates. Zudem können die eGovernment-Beziehungen nach verschiedenen Akteuren aufgeschlüsselt werden:

G-I: Government internal, Beziehungen innerhalb von Regierung und Verwaltung, G2G: Government to Government, Beziehungen zwischen Bund und Kantonen, Kan-tonen untereinander sowie Beziehungen zum Ausland, G2O: Government to Organisation, Beziehungen des Staates zu privat- oder öffent-lich-rechtlichen Organisationen und schliesslich G2C: Government to Citizen, Beziehungen zwischen dem Staat und den Einwohne-rinnen und Einwohnern23.

Die am einfachsten zu realisierende beziehungsweise schon weit gehende realisierte Bezie-hung geschieht innerhalb des Staates (G-I in Bund, Kanton oder Gemeinde) auf der Stufe „Information“. Die komplexeste und schwierigste Beziehung ist diejenige zwischen Staat und Einzelnem (G2C) auf der Stufe „Transaktion“. Die eGovernment-Strategie des Bundes enthält deshalb drei Aktionspläne: „Voraussetzungen schaffen“, „Service excellence“ und „Vernet-zung“. Der Aktionsplan „Voraussetzungen schaffen“ beinhaltet die organisatorischen, technologi-schen und sicherheitsrelevanten Voraussetzungen für das eGovernment. Zentraler Bestandteil des Plans ist die Einführung einer „durchgängig elektronischen Geschäftsabwicklung in der öffentlichen Verwaltung“. Schlüsselprojekte sind deshalb die Einführung einer bundesweiten Standardlösung für die elektronische Geschäftsverwaltung (GBL) und das Projekt ARELDA (Archivierung elektronischer Daten). Das Bundesarchiv ist mit der Fachstelle GEVER am GBL-Projekt beteiligt, für das Projekt ARELDA ist es sogar federführend. Besonders an-spruchsvoll ist der Plan, Bundesratsgeschäfte in departementübergreifenden Prozessen vom Antrag bis zur Archivierung in einem einheitlichen elektronischen Verfahren zu verwalten24. Mit dem Aktionsplan „Service excellence“ sollen den öffentlichen und privatwirtschaftlichen Partnern „vielfältige und benutzungsfreundliche Möglichkeiten zur Transaktion“ angeboten 21 Allerdings ist die effektive Einführung erst für einen späten Zeitpunkt vorgesehen. Gemäss dem aktuellen Zeitplan kann erst 2005 darüber entschieden werden, welche Lösungen dem Parlament vorgelegt werden sollen. Bericht über den Vote électronique (2002) 688. S. a. Finger (2001) 11. 22 Regieren in der Informationsgesellschaft (2002) 5 f. Die aktuellste Angabe bezieht sich auf das Jahr 2000. Wenn man die Steigerungsrate der Vorjahre von jeweils 10 % extrapoliert, ergibt dies für das Jahr 2002 schon eine Rate der Internetnutzung von rund 60 %! 23 Regieren in der Informationsgesellschaft (2002) 9 f. 24 Regieren in der Informationsgesellschaft (2002) 12 u. 16 f.

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werden. Der Kontakt mit den Leistungsbezügern soll „vollelektronisch“ stattfinden. Als Pro-jekt im Rahmen dieses Aktionsplanes gilt die Schaffung eines Portals für Unternehmensgrün-dungen („Guichet créateur“)25. Erst durch die „Vernetzung“ wird aber die umfassende, elektronische Kommunikation zwi-schen Bund, Kantonen, Gemeinden, Organisationen und Einzelpersonen möglich sein. Erst in zweiter Priorität sollen Projekte durchgeführt werden, die eine umfassende Transaktion zwi-schen den Akteuren ermöglichen. Leitprojekt für die umfassende Information ist der Guichet virtuel, der Zugang zu allen Ebenen der Staatstätigkeit (Bund, Kantone und Gemeinden) schaffen soll. Mit diesem Portal wird der Bevölkerung Zugang zu den Informationen gemäss den Bedürfnissen gewährt. Es ist also nicht nötig zu wissen, ob für das betreffende Problem wie zum Beispiel die Einreichung eines Bausgesuchs die Gemeinde, der Kanton oder der Bund zuständig ist. Das einzige nötige Vorwissen ist die Internet-Adresse www.ch.ch. Der Guichet virtuel ist aber nur ein Schalter, der Zugang zu Informationen und zu den zuständigen Behörden vermittelt. Für Transaktionen bleiben die jeweiligen Behörden verantwortlich. Bis zum angestrebten vollständig elektronischen Geschäftsablauf auch zwischen Verwaltungen und Privaten ist noch ein weiter Weg zurückzulegen26. Diese Beispiele von Transaktionen bewegen sich alle im Bereich der eAdministration. Sollen die Transaktionen zwischen Staat und Bürger aber voll elektronisch möglich sein, wird man um die Einführung der eDemocracy nicht herum kommen. Ohne elektronische Wahlen, Abstimmungen und Unterschriftensamm-lungen bleibt das eGovernment unvollendet. Dennoch geniessen elektronische Abstimmungen und Wahlen keine Priorität mehr. Geplant sind einzig Pilotversuche in einzelnen Kantonen27. Auch wenn die elektronische Abstimmung in etwas weitere Ferne gerückt ist, bleiben noch viele grundlegende Probleme zu lösen. Um eGovernment wirklich flächendeckend einführen zu können, müssen zwei Voraussetzungen geschaffen werden: die elektronische Unterschrift und ein einheitlicher Standard für die elektronische Geschäfts- und Dokumentenverwaltung. Sollen die Einwohner auch in sensiblen Bereichen mit dem Staat kommunizieren können, braucht es eine digitale Identität, mit deren Hilfe Dokumente digital signiert werden können. Jede und jeder soll sich gegenüber Dritten (natürliche Personen, Staat, Unternehmen) bei elektronischen Tranksaktionen ausweisen können28. Bei allen Transaktionen, die Rechte und Pflichten begründen oder bei denen rechtsverbindliche Fristen zu beachten sind, müssen Ab-sender und Empfänger eindeutig identifiziert werden können. Dies gilt ebenfalls für den Be-reich des Datenschutzes: Die Einsichtnahme in elektronische Dossiers muss sicherstellen, dass einerseits die berechtigte Person alle sie betreffenden Dokumente auf dem Bildschirm abrufen kann und dass andererseits alle nicht Berechtigten von der Einsichtnahme in sensible Personendaten ausgeschlossen bleiben. Gerade das Beispiel der Einsichtnahme in elektronische Dossiers offenbart die Bedeutung der elektronischen Geschäftsverwaltung für das eGovernment. Nur wo digitale Dokumente kor-rekt erfasst und verwaltet werden, ist ein Zugriff, der die Datenschutzvorschriften respektiert, überhaupt möglich. Die Berechtigten müssen sicher sein können, dass wirklich alle Dokumen-te zum sie betreffenden Geschäft angezeigt werden. Die Zugriffs- und Bearbeitungsrechte müssen ebenfalls in einer Weise geregelt sein, die Missbräuche weitest gehend ausschliesst. Jede Form von elektronischer Transaktion zwischen Staat und Einzelnen setzt voraus, dass die Prozesse der Verwaltung so modelliert werden, dass der Bürger oder Kunde an der richtigen

25 Regieren in der Informationsgesellschaft (2002) 13 u. 18. 26 Ebenda 14 u. 18. 27 NZZ Online, 13.2.2002: www.nzz.ch/servlets/ch.nzz.newzz. 28 Marzetta (2001) 4 ff.

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Stelle seine Informationen deponieren kann. Soll dieser Anspruch Wirklichkeit werden, muss also die Geschäfts- und Dokumentenverwaltung vereinheitlicht werden und mit einem work-flow-System verknüpft werden, das die Prozesse korrekt abbildet. Vergegenwärtigt man sich den Umstand, dass die Produktionsprozesse der Verwaltung oft die Grenzen von Ämtern und Departementen überschreiten, kann man sich leicht vorstellen, welche Schwierigkeiten zu erwarten sind. Die Einführung eines gemeinsamen Standards für die elektronische Geschäfts-verwaltung ist deshalb eine absolute Notwendigkeit schon bei der Produktion der Unterlagen. Aber auch die elektronische Archivierung ist ohne einheitliche Standards nicht denkbar29. Durch eGovernment sollen nicht bloss die Transaktionen zwischen Kunde und Staat verein-facht werden. EGovernment gibt dem Einzelnen neue Instrumente in die Hand, um seine Rechte geltend zu machen und die Staatstätigkeit zu kontrollieren. Damit ist der Kreis zur Archivierung geschlossen. Will die Archivpolitik durch das Recht der freien Einsichtnahme in das Archivgut wenigstens im nachhinein die Kontrolle der Staatstätigkeit gewährleisten, wird eGovernment zusammen mit dem noch zu realisierenden Öffentlichkeitsprinzip der Verwal-tung eine Kontrolle in der Gegenwart ermöglichen.

29 Das Bundesarchiv hat selbstverständlich auch eigene Motive für die Einführung eines einheitlichen Standards: Die Archivierung elektronischer Dokumente, die alle mit unterschiedlichen Systemen und Metadatenmodellen verwaltet werden, würde das BAR vor schier unlösbare Probleme stellen.

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III.  Archivierung  als  politisches  Programm  

 Archive sind und bleiben Arsenale der Staatsgewalt. Erst durch die Formulierung neuer An-sprüche an die Archive wurde aus einem Instrument staatlicher Machtausübung ein politi-sches Problem. Und erst durch die Neudefinition des Problems konnte die öffentliche Archiv-politik als politisches Programm formuliert werden. Ein Programm, das Arsenale der Staats-gewalt auch zu einem Arsenal des Volkes machen soll. Das akkumulierte Wissen und die damit verbundene Macht darf einem demokratischen Staatswesen nicht staatliches Monopol bleiben. Die Wahrnehmung der Archivierung als Problem und der Streit um dessen Definition gehören deshalb zur Vorgeschichte des Bundesgesetzes über die Archivierung.

 

1.  Der  Paradigmawechsel   Das in den Akten gespeicherte Wissen wurde bis in die frühe Neuzeit grundsätzlich als Staatsgeheimnis betrachtet, das dem Souverän beziehungsweise Monarchen zur Verfügung stand. Erst die Französische Revolution bewirkte einen tief greifenden Funktionswandel, indem die Archive wie die Museen und Bibliotheken grundsätzlich als nationales Erbe be-trachtet wurden, das es für die Nachwelt zu erhalten galt. Aus Akten wurden Monumente der Geschichte. Archive wurden zum „Konstituens für die Nation“30. Das erste schweizerische Nationalarchiv entstand 1798 als Zentralarchiv der Helvetischen Republik31. Zeitgleich mit dem Nationalstaat entstand die moderne Geschichtswissenschaft, welche die „Akten“ als Quelle der Erkenntnis entdeckte. Der historische Blick weitete sich und nahm nicht mehr bloss die „Urkunden“ zur Kenntnis, sondern alle schriftlichen Überreste staatli-chen Handelns in ihrer Gesamtheit. Damit wurde aber auch die Frage des Zugangs zu den Archiven völlig neu gestellt. Die Ansprüche der historischen Wissenschaft traten in Konkur-renz zum exklusiven Besitzanspruch des Staates an seinem Wissen. Die Historiker waren die ersten Vorkämpfer für die Öffnung der Archive.

a)  Das  individuelle  Recht  auf  Akteneinsicht   „Der Staat legt Akten an, die Gesellschaft verlangt sie heraus.“32 Im 19. Jahrhundert hatte dieses antagonistische Verhältnis noch die Form des Kampfes um den Zugang zu den Akten in den Archiven. Im zwanzigsten Jahrhundert werden auch Akten der laufenden Verwaltung zum Objekt der Einsichtsbegehren. Das Recht auf Information wurde zu einem konstitutiven Merkmal der demokratischen Kontrolle durch eine informierte Öffentlichkeit. Als Meilenstein der Entwicklung kann der US-amerikanische Freedom of Information Act von 1967 treten. Die kontinentaleuropäische Entwicklung verlief wesentlich gemächlicher. Das Recht auf freien Zugang zu den Akten der Verwaltung wird erst zögerlich in Gesetze gefasst. In der Schweiz spielte der Kanton Bern diesbezüglich eine Vorreiterrolle, indem er das Öffentlich-

30 Vismann (2000) 242. 31 Das Zentralarchiv der Helvetischen Republik bildet heute die Hauptabteilung B des Bundesarchivs. 32 Vismann (2000) 300.

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keitsprinzip der Verwaltung in der Verfassung verankerte. Auf eidgenössischer Ebene hat das Öffentlichkeitsgesetz erst die Hürde der Vernehmlassung genommen. Die parlamentarische Beratung wird voraussichtlich 2003 stattfinden33. Der Datenschutz wurde hingegen schon früher in Gesetzesform gegossen34. Er beinhaltet als unverzichtbares Element das Recht, in seine eigenen Daten Einsicht zu nehmen. Dieses Recht ist also im Gegensatz zum allgemeinen Recht auf Information an eine individuelle Betroffen-heit gebunden. Zudem widerspricht der Anspruch auf Schutz der eigenen Daten vor unbefug-ter Einsichtnahme dem Öffentlichkeitsprinzip, das eine allgemeine Zugänglichkeit der Akten postuliert. Der Fichenskandal Die Aufdeckung der Staatsschutzakten im Gefolge der Kopp-Affäre erschütterte das Vertrau-en in Staat und Behörden. Hunderttausende von Betroffenen verlangten Einsicht in ihre Fi-chen. Nicht nur das Problem des Datenschutzes bewegte damals einen grossen Teil der Öf-fentlichkeit (Boykott-Aufrufe gegen die Volkszählung von 1990), auch die Frage, was mit Staatsschutzunterlagen zu geschehen habe, war Gegenstand öffentlicher Debatten. Neben der Gewährung der Einsichtnahme in die Fichen und Dossiers durch die Opfer staatlicher Bespit-zelung musste deshalb auch die Frage der Archivierung der Staatsschutzunterlagen geregelt werden. Weil es damals noch kein Archivgesetz gab, musste dieses Problem in einem Bun-desbeschluss geregelt werden35. Die Staatsschutzakten wurden für eine Dauer von 50 Jahren für jegliche Einsichtnahme gesperrt. Damit hatten auch Betroffene (die „Fichierten“) kein Einsichtsrecht mehr in die sie betreffenden Akten. Dieser Bundesbeschluss wurde durch den Bundesrat auf den 1. März 2001 aufgehoben. Damit sind die Staatsschutzakten im BAR dem übrigen Archivgut gleichgestellt. Sie unterstehen einer 50-jährigen Schutzfrist gemäss Artikel 11 BGA. Betroffene können aber wieder in die sie betreffenden Unterlagen Einsicht nehmen. Nur für die Verwaltung bleiben die Staatsschutzakten weiterhin bis zum Ablauf der 50-jährigen Frist gesperrt36.

2.  Die  traditionelle  Definition  des  Problems   In der Perspektive der historischen Forschung, aber auch in der Perspektive einer interessier-ten und teilweise durch Skandale bewegten Öffentlichkeit stellte das Problem immer nur als Frage des Zugangs zu den Archiven dar. Auf der einen Seite war die Behörde, welche den Zugang gemäss den Vorgaben des Bundesrates mehr oder weniger restriktiv regelte, auf der anderen Seite waren die Forscher oder andere Interessierte, die manchmal vehement einen offeneren Zugang zu den Akten forderten. Dass vor der Frage nach dem Zugang zu den Akten die Frage nach der Produktion der Akten zu stellen wäre, war aus Sicht der Benutzer des Archivguts nicht ohne Weiteres erkennbar. Die traditionelle Kausalhypothese identifizierte deshalb nur das Bundesarchiv beziehungsweise den dahinter stehenden Bundesrat als Ursache des Problems. Erst die Neudefinition des Problems durch das Bundesarchiv selber ermöglich-

33 Hofer (2002). 34 Das Bundesgesetz über den Datenschutz datiert vom 19. Juni 1992. 35 Bundesbeschluss vom 9. Oktober 1992. Heute findet für den Geltungsbereich dieses BB das BGA Anwen-dung. Als einzige abweichende Bestimmung wurde festgelegt, dass die Verwaltung während 50 Jahren in diese Unterlagen keine Einsicht nehmen darf. Art. 26 BGA. 36 Art. 26 Abs. 2 BGA.

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te eine neue, erweiterte Sicht des Problems und verband diese mit der Möglichkeit, auf eine als Ursache identifizierte Zielgruppe einzuwirken.

a)  Das  Ungenügen  der  Rechtsgrundlagen   Vor dem Inkrafttreten war die Archivierung nur in einer Verordnung beziehungsweise einem „Reglement“ geregelt. Dies hatte zur Folge, dass auch derart grundlegende, wenn nicht grund-rechtliche Fragen wie das Recht der Einsichtnahme in die Bestände des Bundesarchivs nicht in einem formellen Gesetz geregelt waren, sondern durch den Bundesrat entschieden werden konnten, ohne den Gesetzgeber zu konsultieren. Das aufgehobene Reglement kannte noch kein explizites Einsichtsrecht. Die Akten des Bun-desarchivs waren der Öffentlichkeit erst zugänglich nach Ablauf der 35-jährigen „Sperrfrist“ und auch dann nur, wenn „keine öffentlichen oder privaten Interessen beeinträchtigt“ waren37. Akten waren grundsätzlich geheim und standen der Öffentlichkeit nur ausnahmsweise zur Verfügung. Das Datenschutzgesetz fordert eine formelle gesetzliche Grundlage für die Bearbeitung oder Aufbewahrung von Personendaten38. Dieses Erfordernis wurde durch das alte Reglement eindeutig nicht erfüllt. Da auch Archivieren als Datenverarbeitung gilt, sind grundsätzlich die Bestimmungen des Datenschutzes auf das Bundesarchiv anwendbar, insofern schützenswerte Personendaten oder Persönlichkeitsprofile aufbewahrt werden. Schon aus diesem Grund musste also eine gesetzliche Grundlage für die Archivierung geschaffen werden. Auch inhalt-lich drängte sich allerdings eine Regelung auf, stehen doch die Anforderungen des Daten-schutzes und der Archivierung tendenziell in einem Konflikt zueinander. Dem Schutzbedürf-nis der Betroffenen steht das Bedürfnis der Öffentlichkeit an einer Aufarbeitung der Vergan-genheit gegenüber. Es stehen zwei Grundrechte zueinander in Konkurrenz, zwei Rechtsgüter, die gegeneinander abgewogen werden müssen. In den 15 Jahren vor der Ausarbeitung des Archivierungsgesetzes haben rund 50 Länder ein neues Archivgesetz eingeführt. Dabei lässt sich vor allem eine Tendenz zu einer Vereinheitli-chung der Schutzfristen feststellen. 30 Jahre haben sich zu einer internationalen Quasi-Norm entwickelt. Gemeinsam ist den neuen Gesetzgebungen auf diesem Gebiet auch, die Informati-onsfreiheit nicht mehr als Privileg der historischen Forschung zu betrachten39. Es darf mit Recht festgestellt werden, dass die Schweiz im Bereich der Archivierung einen gesetzgeberi-schen Rückstand aufzuholen hatte. Die Arbeit am Archivierungsgesetz wurde aber nicht nur im Bereich der Schutzfristen durch die ausländische Gesetzgebung und den entsprechenden Erfahrungsaustausch beeinflusst. So wurde zum Beispiel der Begriff „Unterlagen“ dem deut-schen Archivgesetz entnommen. Indem das Gesetz statt von „Akten“ oder „Dokumenten“ konsequent nur noch von „Unterlagen“ spricht, wird klar zum Ausdruck gebracht, dass nicht das Trägermedium Papier das entscheidende Kriterium ist, sondern der Informationsgehalt. Akten, audiovisuelle Dokumente, digitalisierte Daten usw. unterscheiden sich durch ihr Trä-germedium, werden aber rechtlich gleich behandelt.

37 Art. 7 Abs. 1 Reglement für das Bundesarchiv vom 15. Juli 1966. 38 Art. 17 DSG. 39 Botschaft (1997) 7.

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3.  Die  neue  Definition  des  Problems  durch  das  Bundesarchiv   Früher wurde das Problem vor allem als Frage wahrgenommen, wer unter welchen Umstän-den Zugang zu den Archivbeständen haben soll. Dem Bundesarchiv ist es gelungen, das Pro-blem neu zu definieren und zu erweitern, indem die Akten führenden Stellen als Zielgruppe ausgemacht wurde, die am Anfang des Problems steht. Vorher waren nur zwei Akteure er-kennbar: die an einem möglichst liberalen Archivzugang interessierte Öffentlichkeit und das an mehr oder weniger restriktive Regeln gebundene Archiv. In der neuen Definition des Pro-blems stellt sich dieses als Beziehung zwischen drei Akteuren dar:

 

 

 

 

  Die „Verwaltung“ und die „Öffentlichkeit“ treten in diesem Schema als Akteure auf. Dieses sehr grobe Schema bedarf selbstverständlich der Verfeinerung. In Tat und Wahrheit setzt sich die Zielgruppe aus einer Vielzahl von Akteuren zusammen, die keineswegs identische Inter-essen verfolgen: Departemente, Bundesämter, ausserparlamentarische Kommissionen, weitere mit Vollzugsaufgaben betraute Institutionen, aber auch das Parlament und der Bundesrat. Wesentlicher schwieriger zu fassen ist die Öffentlichkeit, die in dieser Allgemeinheit eigent-lich nicht als Akteur aufgefasst werden kann. Akteure sind immer konkrete, handelnde Per-sonen oder Institutionen, die über die Möglichkeit verfügen, auf andere Personen oder Institu-tionen einzuwirken40. Dies schliesst aber nicht aus, dass bestimmte Personen sich die Interes-sen der Nutzniesser zu eigen machen und gewissermassen als stellvertretende Akteure für das Allgemeininteresse auftreten. Dies können einzelne Parlamentarier sein, die einen liberaleren Archivzugang fordern, aber auch die Schweizer Gesellschaft für Geschichte41.

40 Crozier (1993) 39. 41 Ehemals Allgemeine Geschichtsforschende Gesellschaft der Schweiz (AGGS).

Behörde: Bundesarchiv

Zielgruppe: „die Verwaltung“

Nutzniesser: „die Öffentlichkeit“

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Aus dieser Definition des Problems kann folgendes Programm abgeleitet werden, das sich das Bundesarchiv selber gegeben hat und dessen Umsetzung auf verschiedenen Stufen verfolgt werden kann:

1. Das Bundesarchiv garantiert das Recht der freien Einsichtnahme in das Archivgut. 2. Das Bundesarchiv sichert alle rechtlich, politisch, wirtschaftlich, historisch, sozial

oder kulturell wertvollen Unterlagen des Bundes. 3. Das Bundesarchiv ist das Kompetenzzentrum des Bundes für Recordsmanagement. Dieses Programm beginnt mit dem Zweck der Archivierung: Unterlagen sollen der Öffent-lichkeit zur Verfügung stehen. Diese logische Reihenfolge muss in der Realisierung des Pro-gramms umgekehrt werden. Nur wenn die Qualität der Aktenführung gut ist, können auch die archivwürdigen Unterlagen gesichert werden. Und nur wenn diese gesichert sind, können sie am Ende auch den Benutzern zur Verfügung stehen. Konsequenz dieses Programms ist ein eigentlicher Paradigmawechsel in der Archivpolitik: Die früher geltende, aber nie wirklich durchgesetzte Ablieferungspflicht soll durch die Anbie-tepflicht ersetzt werden. Das Bundesarchiv will die archivwürdigen Unterlagen vollständig archivieren, die Magazine sollen aber nicht durch den Informationsmüll der Verwaltung ver-stopft und damit für die Benutzung unbrauchbar gemacht werden. Dieser Paradigmawechsel ist im Bundesarchiv bereits Realität, er muss aber um wirksam zu sein die ganze Archivland-schaft der Schweiz erfassen. Denn nur durch die Intensivierung der Arbeit im vorarchivischen Bereich kann die Sicherung der digitalen Unterlagen gewährleistet werden42. Besonders ge-fordert sind die Staatsarchive der Kantone.

 

4.  Die  Programmierung  der  neuen  Archivpolitik  

a)  Das  Archivierungsgesetz   Als allgemeines Ziel des neuen Archivierungsgesetzes wurde der Paradigmawechsel formu-liert: Die Ablieferungspflicht wurde durch die Anbietepflicht ersetzt. Im vorarchivischen Bereich wurde eine Beratungskompetenz des Bundesarchivs für Fragen der Informationsver-waltung eingeführt. Ziel dieser beiden Massnahmen ist es, der Papierflut wirksam entgegen zu treten43. Das Bundesarchiv soll nicht mehr einfach alle Akten sammeln, sondern nur noch diejenigen Unterlagen archivieren müssen, die von Bedeutung sind für die spätere Nachvoll-ziehbarkeit der Verwaltungstätigkeit sowie für die historische und sozialwissenschaftliche Forschung. Das Bundesarchiv wird so zum Kompetenzzentrum für Recordsmanagement. Indem es diese Querschnittaufgabe für die ganze Verwaltung wahrnimmt, will das Bundesar-chiv nicht erst bei der Archivierung, sondern schon bei der Entstehung oder dem Empfang der Unterlagen durch die Verwaltung sicherstellen, dass alle geschäftsrelevanten Unterlagen rich-tig aufbewahrt und erschlossen und schliesslich auch archiviert werden. 42 Dies geht eindeutig hervor aus der durch PriceWaterhouseCoopers im Auftrag der Konferenz der leitenden Archivare der Schweiz durchgeführten Strategiestudie. Gesamtschweizerische Strategie... (2002) 5 u. 151 ff. 43 Botschaft (1997) 5.

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Kann ein Bundesamt für sich ein neues Gesetz entwerfen, bedeutet dies immer auch eine Chance, die Spielregeln zu seinen Gunsten zu ändern. Diese Chance muss umso mehr ergrif-fen werden, als sie sich in der Regel nur sehr selten einstellt. Innerhalb des institutionellen Gefüges der gesamten Verwaltung verhält sich ein Amt wie das Bundesarchiv dann rational, wenn es versucht, den eigenen Einfluss zu vergrössern und sich wo immer möglich neue Zuständigkeiten zu sichern. Eine derartige Strategie wird zwar nie offen ausgewiesen, kann aber als impliziter Bestandteil aller durch die Verwaltung selber initiierten Gesetzgebungspro-jekte angesehen werden. Das Arrangement des Verwaltungsprogramms muss deshalb so for-muliert werden, dass sich eine Vergrösserung der eigenen Bedeutung daraus quasi naturwüch-sig ergibt. Damit will ich nicht sagen, dass die für eine Gesetzesrevision durch das federfüh-rende Amt vorgebrachte Argumentation bloss vorgeschoben sei. Im Gegenteil: eine gute Stra-tegie kennzeichnet sich dadurch, dass sie das Allgemeininteresse glaubwürdig zur eigenen Legitimation anrufen kann. Indem das Bundesarchiv das neue Archivierungsgesetz entwarf, schuf es sich eine neue gesetzlich Ressource, deren Schlagkraft nicht unterschätzt werden darf. Neben dem Paradigmawechsel – Übergang von der Ablieferungs- zur Anbietepflicht – sollte das neue Gesetz auch die Zuständigkeit des Bundesarchivs ausweiten. Alle Stellen, die Bun-desaufgaben ausführen, sollten dem BGA unterstehen. Nur für die Kantone wurde eine Aus-nahme eingeräumt. Damit hätte das Bundesarchiv die Kompetenz erhalten, auch z. B. die Aktenführung des Bundesgerichts zu überprüfen. Allerdings sah auch der Verwaltungsent-wurf nicht vor, dass ausnahmslos alle Unterlagen im Bundesarchiv selber hätten archiviert werden müssen. Für bestimmte Institutionen, namentlich die Nationalbank und das Bundesge-richt, war vorgesehen, dass sie ihre Unterlagen selbständig archivierten44. Das Bundesarchiv formulierte in seinem Programm – getreu der Definition des Problems – einen Paradigmawechsel in der Archivpolitik. In der parlamentarischen Beratungen rückte dieser Paradigmawechsel wieder vom Zentrum an den Rand der Debatte. Schon das einleiten-de Votum von Bundesrätin Dreifuss stellte die Fragen ins Zentrum, wie der Archivzugang geregelt werden soll und welche Dokumente archivwürdig seien. Die dritte Problematik, die Einwirkung auf die Aktenführung in der Verwaltung selber, wurde durch Frau Dreifuss zwar auch erwähnt, aber mehr im Sinne einer weiteren, durchaus erwünschten Wirkung des Geset-zes und nicht hauptsächlichen Bestandteil des zu realisierenden Programms. Die durch die ParlamentarierInnen repräsentierte Öffentlichkeit interessiert sich offensichtlich vor allem für den Archivzugang und damit zusammenhängend für die Frage, welche Doku-mente überhaupt archiviert werden. Die Aktenführung in der Verwaltung spielte demgegen-über offensichtlich keine Rolle. Diese Verschiebung der Optik soll hier aber nicht als Unfä-higkeit aufgefasst werden, das „wirkliche Problem“ zu erkennen. Im Gegenteil: auch die neue Definition des Problems, welche als Ursache die Aktenführung in der Verwaltung ausmachte, ging davon aus, dass am Ende die richtigen Dokumente einer interessierten Öffentlichkeit zur Verfügung stehen müssen. Die Debatte in den Räten drehte sich denn auch in erster Linie um die Qualität dieses Endprodukts.

44 Art. 1, 4 u. 5 BGA (Entwurf), siehe Botschaft (1997) 30 f.

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Welche Daten sollen geschützt werden? Die Anliegen des Datenschutzes stehen grundsätzlich in Konkurrenz zum allgemeinen Recht der freien Einsichtnahme in die Dossiers. Diese Problematik, welche bereits im Zusammen-hang mit der Bewältigung der Fichenaffäre aufgetaucht war, bewegte auch die Gemüter in den Räten. Besonders von den Linken und Grünen wurde gefordert, die besondere Schutzfrist von 50 Jahren zu verkürzen, was von Rechts hämische Kritiken provozierte, gilt doch anson-sten der Datenschutz als traditionell linkes Anliegen. Zu reden gab aber vor allem die Frage, inwiefern auch persönliche Daten von Personen der Zeitgeschichte der verlängerten Schutz-frist unterliegen sollten. Schliesslich obsiegte das Argument, dass die verlängerte Schutzfrist in jedem Fall drei Jahre nach dem Tod der betroffenen Person ende. Personen, die beispiels-weise in der Politik aktiv seien, stünden in der Regel in der Mitte ihres Lebens, sodass in diesen Fällen die verlängerte Schutzfrist kaum je zur Anwendung gelangen werde45. Politisch brisanter ist naturgemäss die Frage, welche Archivbestände aus anderen Gründen einer verlängerten Schutzfrist unterliegen sollen. Das Gesetz umschreibt diese Gründe recht allgemein mit „überwiegendes schutzwürdiges öffentliches oder privates Interesse“46. Diese Begriffe sind interpretationsbedürftig und lassen den zuständigen Entscheidträgern (Bundesrat für ganze Kategorien von Unterlagen bzw. die abliefernde Stelle oder das Bundesarchiv für Einzelfälle) einen breiten Ermessensspielraum. Nationalrätin Bühlmann äusserte die Befürch-tung, dass gerade der Bundesrat geneigt sein könnte, nicht nur das öffentliche, sondern auch sein eigenes Interesse bei der Festsetzung verlängerter Schutzfristen zu berücksichtigen. Sie forderte deshalb eine Präzisierung dieser „gummigen Begriffe“. Ihr Kollege Rechsteiner hieb in die selbe Kerbe und verwies auf das Beispiel der USA, welche sogar Geheimdienstakten nach 30 Jahren öffentlich zugänglich machen würden47. Schliesslich verzichtete der Rat aber darauf, das überwiegende schutzwürdig öffentliche oder private Interesse näher zu definieren. Es obliegt deshalb dem Bundesrat, auf dem Wege der Verordnung diejenigen Bestände des Bundarchivs zu bezeichnen, welche einer längeren Schutzfrist unterworfen sind. Änderungen des ursprünglichen Programms Vor allem der Ständerat bestand darauf, dass das Bundesgericht nicht in der gleichen Weise dem BGA unterstellt werden dürfe wie die anderen Institutionen des Bundes. Grundsätzlich geht es hier um das Problem der Gewaltentrennung: Der Gesetzgeber erlässt die Gesetze, welche die Gerichte anzuwenden haben, diese sind aber nicht einfach ein Zweig der Verwal-tung und unterstehen damit auch nicht der Verwaltungskontrolle. Der Nationalrat schwenkte auf Grund dieser grundsätzlichen Erwägungen auf die Linie des Ständerates um. Klar wurde aber festgestellt, dass gemäss der getroffenen Lösung das Bundesgericht seine Archivierung nach den Regeln des BGA ordnen müsse. Insbesondere wurde festgehalten, dass auch das Bundesgericht an die Regelung der Schutzfristen gebunden sei und entsprechend Zugang zu seinem Archiv gewähren müsse48. Diese Änderung beinhaltet die einzige Einschränkung des Zuständigkeitsbereichs des Bundesarchivs, welche in den parlamentarischen Beratungen vorgenommen wurde. Inzwischen hat das Bundesgericht selber in einer Verordnung die Ar-

45 Votum von Nationalrat Nebiker vom selben Tag, AB 1998 II, S. 247. Die schweizerische Lösung ist wesent-lich grosszügiger als z. B. die Frankreich geltende, welche für Personendaten Schutzfristen zwischen 60 und 150 (!) Jahren vorsieht. Loi n. 79-18 du 3 janvier 1979 sur les archives, art. 7. In Deutschland darf „Archivgut, das sich auf natürliche Personen bezieht“, „erst 30 Jahre nach dem Tode der Betroffenen durch Dritte benutzt“ werden. § 5, Abs. 2 Bundesarchivgesetz. 46 Art. 12 BGA. 47 2. März 1998, AB 1998 II, S. 246 f. 48 Votum von Nationalrat Vollmer (Kommissionssprecher), 2. März 1998, AB 1998 II, S. 236.

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chivierung seiner Unterlagen in einer Weise geregelt, die den Bedürfnissen des freien Archiv-zugangs sehr weit gehend Rechnung trägt49. Fraglich ist, ob das Parlament die Bedeutung des BGA wirklich in seiner ganzen Tragweite einzuschätzen vermochte. Debattiert wurde vor allem über Fragen des Archivzugangs und allenfalls noch der Archivwürdigkeit von Unterlagen. Die institutionellen und personellen Konsequenzen der recht beträchtlichen Ausweitung des Zuständigkeitsbereichs des Bundesar-chivs war kein Thema. Kein einziger Nationalrat, keine einzige Nationalrätin kam auf die Idee, zu fragen, ob es wirklich möglich sei, mit den selben personellen und finanziellen Mit-teln einen viel grösseren Aufgabenbereich abzudecken50. Diese eklatante Schwäche der par-lamentarischen Kontrolle ist möglicherweise darauf zurückzuführen, dass wirksame Instru-mente einer prospektiven Gesetzesevaluation auf der parlamentarischen Ebene nach wie vor fehlen.

b)  Die  Verordnungen   Die Archivierungsverordnung Der Bundesrat hat am 8. September 1999 die Verordnung zum Bundesgesetz über die Archi-vierung erlassen. Darin werden in Form von Ausführungsbestimmungen verschiedene Nor-men des BGA konkretisiert im Hinblick auf ihre Anwendung. So werden etwa verschiedene Fristen festgelegt, welche die Ablieferung von Unterlagen betreffen: Diese müssen spätestens zehn Jahre nach dem letzten Aktenzuwachs dem Bundesarchiv angeboten werden. Dieses hat wiederum maximal ein Jahr Zeit, um die angebotenen Unterlagen auf ihre Archivwürdigkeit hin zu bewerten51. Ebenso ist genau geregelt, wie die Schutzfristen zu berechnen sind52. Für die Beschreitung des Rechtsweges gegen Verweigerungen der Einsichtnahme und Auskunft wird auf das Verwaltungsverfahrensgesetz verwiesen. Beschwerdeinstanz ist demzufolge in erster Instanz das Departement des Innern und in zweiter Instanz der Bundesrat53. Dieser Beschwerdeweg ist insofern nicht unproblematisch, als der Entscheid, welche Bestände des Bundesarchivs einer besonderen Schutzfrist unterworfen sind, dem Bundesrat obliegt. Die Liste von Archivgut mit verlängerter Schutzfrist bildet als Anhang 3 einen integrierenden Bestandteil der Archivierungsverordnung. Diese Liste wird durch das Eidgenössische Depar-tement des Innern jedes Jahr aktualisiert. Zur Hauptsache betrifft dies Bestände aus den Be-reichen Landesverteidigung und Staatsschutz. Dass Baupläne militärischer Anlagen, die noch in Betrieb sind, nicht öffentlich zugänglich sein können, versteht sich wohl von selbst. Ob die verlängerte Schutzfrist wirklich in allen aufgeführten militärischen Bereichen gerechtfertigt ist, müsste im Einzelfall eingehender geprüft werden. Dass aber die Verhandlungsprotokolle des Bundesrates und die Notizhefte der Protokollführer der Bundesratssitzungen erst nach 50 Jahren eingesehen werden dürfen, kann wohl nur so erklärt werden, dass hier die Staatsräson obsiegt hat.

49 Verordnung des Bundesgerichts zum Archivierungsgesetz vom 27. September 1999, SR 152.21. 50 Vgl. Botschaft (1997) 27. 51 Art. 4 u. Art. 6 Abs. 4 VBGA. 52 Art. 13 u. 14 VBGA. 53 Art. 22 VBGA bzw. Art. 47, 47a u. 72, Bs. a Bundesgesetz über das Verwaltungsverfahren vom 20. Dezember 1968, SR 172.021.

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Die Regierungs- und Verwaltungsorganisationsverordnung Das Bundesarchiv hat die Kompetenz, die Verwaltungstätigkeit zu kontrollieren, indem es die Aktenführung koordiniert und kontrolliert und indem es die Verwaltungseinheiten dabei un-terstützt. Das Bundesarchiv kann zu diesem Zweck Weisungen und Arbeitshilfen erlassen. Diese Kompetenzen stützen sich nicht auf das BGA, sondern auf das Regierungs- und Ver-waltungsorganisationsgesetz54. Das im BGA konkretisierte Verwaltungsprogramm wurde also auf der Stufe des Behördenarrangements erweitert, indem das Bundesarchiv Kompetenzen erhielt, die über die reinen Erfordernisse der Archivierung hinaus gehen. Die Qualität der Aktenführung steht in einem unmittelbaren Zusammenhang mit dem Zweck der Archivie-rung: Nur Akten, die richtig verwaltet und erschlossen wurden, können am Ende ihrer Le-bensdauer auch der Öffentlichkeit zur Verfügung gestellt werden. Die Geltungsbereichsverordnung Eine wesentliche und in ihren Konsequenzen unabsehbare Ausweitung der Zuständigkeit des Bundesarchivs betrifft die weiteren „Personen des öffentlichen oder privaten Rechts, soweit sie ihnen übertragene Vollzugsaufgaben des Bundes erfüllen“55. Niemand in der ganzen Bun-desverwaltung verfügt über ein vollständiges Verzeichnis dieser Institutionen. Zudem müsste in einer Ausführungsverordnung präzisiert werden, wer damit genauer gemeint ist und wie das Bundesarchiv in diesem Bereich seine Kontroll- und Beratungsaufgabe wahrnehmen soll. Diese Verordnung existiert noch nicht, weil das Bundesarchiv als für deren Ausarbeitung zuständige Behörde erst vor kurzem personelle Ressourcen für diese Arbeit zur Verfügung stellen konnte. In einem wesentlichen, von seiner Grössenordnung her schwer einschätzbarer Bereich wird demzufolge das BGA bis heute gar nicht vollzogen. Bevor eine Ausführungsverordnung die Rechte und Pflichten der Personen gemäss Artikel 1 Absatz Buchstabe h des Archivierungsgesetzes festlegt, müsste durch eine Erhebung festge-stellt werden, wer derartige Vollzugsaufgaben wahrnimmt. Die Übertragung von Verwal-tungsaufgaben an weitere Personen des öffentlichen oder privaten Rechts bedarf einer formel-len gesetzlichen Grundlage56. Davon ausgehend müsste also alle Gesetze daraufhin abgeklärt werden, ob sie eine derartige Grundlage enthalten. Erst danach könnten die Personen identifi-ziert werden, die tatsächlich Vollzugsaufgaben des Bundes übernommen haben und demzu-folge dem BGA unterstehen. Diese Lücke im Vollzug des Archivierungsgesetzes wird des-halb nicht sehr schnell geschlossen werden können. Mit der zunehmenden Verbreitung neuer Verwaltungsmodelle, zu denen auch das outsourcing und das contracting out gehören, dürfte sich die Anzahl verwaltungsunabhängiger Stellen, die Vollzugsaufgaben des Bundes über-nehmen, deutlich erhöhen. Dies bedeutet aber, dass die Regelungslücke auf Verordnungsstufe möglichst rasch geschlossen werden sollte. Das Bundesarchiv hat sich deshalb entschlossen, ein pragmatisches Vorgehen zu wählen und vorerst in einer abschliessenden Liste diejenigen Institutionen aufzuzählen, die gemäss Artikel 1 Absatz 1 Buchstabe h unter das Archivierungsgesetz fallen sollen57. Diese Liste könnte durch das Eidg. Departement des Innern laufend angepasst werden. Ob die Geltungsbereichs-

54 Art. 22 Abs. 2 u. Art. 30 Abs. 2 Bs. k RVOV (Änderungen vom 30. März 1999). 55 Art. 1 Abs. 1 Bs. h. BGA. Das EDI hat die Kompetenz und den Auftrag, in einer Verordnung alle Personen gemäss Art. 1 Abs. 1 Bs. h BGA zu bezeichnen. Art. 2 Abs. 3 VBGA. 56 Art. 178 Abs. 3 Bundesverfassung. 57 Abgeklärt wurde eine keineswegs vollständige Liste der zehn „wichtigsten“ Organisationen. Dazu gehören u. a.: Nationale Genossenschaft für die Lagerung radioaktiver Abfälle (NAGRA), Pro Helvetia, Schweiz Touris-mus, Schweizer Bauernverband, Schweizer Nationalfonds, Schweizerisches Rotes Kreuz und Skyguide.

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verordnung in dieser Form verabschiedet werden wird, ist noch völlig offen. So würde zwar eine Regelungslücke geschlossen, die gewählte Lösung bedeutete aber eine deutliche Ein-schränkung des Anwendungsbereichs gegenüber der ursprünglichen Politikprogrammierung.

c)  Die  Weisungen  und  die  Praxis   Das Bundesarchiv hat die Anbietepflicht und Ablieferung von Unterlagen in einer Weisung geregelt. Darin werden im Wesentlichen die Modalitäten festgelegt, wie die einschlägigen Vorschriften des BGA zu erfüllen sind. Gemäss Gesetz und Verordnung könnte die Pflicht zur Anbietung von Unterlagen einfach unterlaufen werden, indem einem Dossier immer wie-der neue Dokumente zugefügt werden, das „Geschäft“ also gar nie abgeschlossen wird. Diese Möglichkeit der Umgehung einschlägiger Bestimmungen wurde erst in den Weisungen des Bundesarchivs vereitelt, indem bestimmt wurde, dass Unterlagen spätestens 20 Jahre nach Eröffnung des Dossiers oder Geschäfts angeboten werden müssen. Das Bundesarchiv kann diese Frist auf Gesuch hin verlängern, wenn Gewähr besteht für eine sichere und sachgemässe Aufbewahrung der Unterlagen58. So wurde erst auf Weisungsstufe eine Regelungslücke ge-schlossen, die bereits in der Nationalratsdebatte Anlass zu Besorgnis gegeben hatte. Die Weisungen über die Aktenführung in der Bundesverwaltung wurden nicht vom Bundes-archiv, sondern durch das Departement erlassen59. Sie stützen sich auch nicht auf das BGA, sondern auf das Regierungs- und Verwaltungsorganisationsgesetz sowie die entsprechende Verordnung. Diese Weisungen geben dem Bundesarchiv eine starke Handhabe, nicht nur die Aktenführung zu inspizieren, sondern auch einheitliche Standards für die Erstellung von Re-gistraturplänen oder für elektronische Geschäftsverwaltung durchzusetzen. Die im Anhang II genannten Mindestanforderungen an die Aktenführung sollen vor allem sicherstellen, dass die elektronischen Geschäftsverwaltungssysteme, wie sie gegenwärtig in der Bundesverwaltung eingeführt werden, möglichst nach einheitlichen Kriterien funktionieren. Nur wenn für die elektronische Informationsverwaltung einheitliche Standards gelten, können die daraus gene-rierten Verzeichnisse der Dossiers und Unterlagen später für die Archivierung benutzt wer-den. Das Bundesarchiv nimmt deshalb gestützt auf die Aktenführungsweisung starken Ein-fluss auf die Einführung der Geschäftsverwaltungsbasislösung (GBL 99). Im Laufe der näch-sten Jahre sollen in der Bundesverwaltung etwa 15'000 Arbeitsplätze an ein Recordsmanage-mentsystem angeschlossen werden. Ob dies – wie durch das Bundesarchiv gefordert – das RMS Fabasoft sein wird, ist allerdings noch offen.

5.  Der  Aktionsplan  

a)  Die  Mehrjahresplanung  des  Bundesarchivs   Das Bundesarchiv verfügt über laufend erneuerte „Strategische Ziele“ und Jahresplanungen. Die aktuellen Strategischen Ziele wurden explizit zu einer Mehrjahresplanung erweitert, wel-che den Zeitraum bis 2004 oder 2005 abdecken sollen. War erstes und wichtigstes Ziel der früheren Jahresplanungen die Umsetzung des neuen Archivierungsgesetzes, sprechen die

58 Art. 3 Abs. 2 Weisungen über die Anbietepflicht und die Ablieferung von Unterlagen an das Schweizerische Bundesarchiv vom 28. September 1999. 59 Weisungen über die Aktenführung in der Bundesverwaltung vom 13. Juli 1999.

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neuen Strategischen Ziele jetzt von dessen Konsolidierung. Nur in einem Bereich muss noch neues Recht erlassen werden: Die ausstehende Verordnung über den Geltungsbereich bei den Personen, die Vollzugsaufgaben des Bundes erfüllen, sollte noch dieses Jahr (2002) durch den Bundesrat verabschiedet werden können. Damit ein Gesetz angewendet werden kann, muss es zuerst einmal bekannt sein. Dass alle Organisationseinheiten des Bundesarchivs das Gesetz anwenden können, darf mittlerweile vorausgesetzt werden. Anders verhält es sich bei der Unzahl von Dienststellen, die Akten produzieren und (hoffentlich!) dem Bundesarchiv ablie-fern. Hier besteht nach wie vor grosser Informationsbedarf. Deshalb figurieren die Informati-ons- und Ausbildungsangebote bei den strategischen Zielen als Instrumente der Aktenfüh-rung. Die strategischen Ziel legen weiter fest, dass die prospektive Bewertung priorisiert und sy-stematisch vorangetrieben werden soll60. „Prospektive Bewertung“ bedeutet die vorgängige Bewertung von Unterlagen auf Grund des Registraturplans. Man bewertet also Unterlagen in Hinblick auf ihre Archivwürdigkeit, bevor sie dem Bundesarchiv angeboten werden, ja sogar bevor sie überhaupt hergestellt werden. Dieser Vorgang ist in dieser Weise nicht ausdrücklich im Gesetz oder den Verordnungen festgelegt. Theoretisch wäre der Ablauf der folgende: Die Dienststelle bietet dem BAR Unterlagen zur Archivierung an, dieses hat dann ein Jahr Zeit, um die angebotenen Unterlagen zu bewerten. Dieser Vorgang ist weder für das Bundesarchiv noch für die betreffende Dienststelle sehr effizient. So erklärt sich das Bestreben, durch vor-gängige Bewertungen den Vorgang der Aktenablieferung zu beschleunigen und insbesondere das Recordsmanagement in den Ämtern zu vereinfachen. Die gemäss prospektiver Bewertung durch das BAR als nicht archivwürdig bezeichneten Unterlagen, müssen diesem nicht mehr zur Archivierung angeboten werden. Diese Vorgehensweise ist einleuchtend und verträgt sich auch mit einer kohärenten Archivierungspraxis, da ja die Kompetenz zur Bewertung beim Bundesarchiv selber bleibt. Dennoch bleibt festzuhalten, dass hier ein Vorgehen angestrebt wird, das im Gesetz nicht vorgesehen ist und das auch in der bundesrätlichen Botschaft nicht offengelegt wurde61. Da aber dieses Vorgehen den Interessen beider beteiligter Akteure (Be-hörde und Zielgruppe) entspricht, dürfte dagegen kaum Widerstand erwachsen.

b)  Die  Akteure   Der Aktionsplan muss durch Akteure (Behörde) umgesetzt werden, die auf andere Akteure (Zielgruppe) einwirken zum Nutzen weiterer Akteure (Nutzniesser). Deshalb ist es sinnvoll und notwendig, hier kurz das Zusammenspiel der verschiedenen Akteure darzustellen. Vor allem soll auch versucht werden, allfällige Akteure zu identifizieren, die sich im Innern eines institutionellen Akteurs verbergen. Die institutionellen Akteure rund um das Archivgesetz lassen sich gemäss folgendem Schema darstellen. Selbstverständlich setzt sich jeder dieser Akteure seinerseits aus einer Vielzahl einzelner Akteure zusammen, die ihrerseits den Spielraum des Gesamtakteurs erweitern oder beeinträchtigen können, indem sie innerhalb des Akteurs als selbständig handelnde Gruppen oder Individuen auftreten.

60 Strategische Ziele, Punkt 1.2.2.2. 61 Dort ist zwar von der engen Zusammenarbeit zwischen dem BAR und den Akten produzierenden Stellen die Rede, das Instrument der prospektiven Bewertung wird aber nicht erwähnt. Botschaft (1997) 15 f.

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  Dieses Diagramm gibt das Arrangement des politischen Spiels wieder, wie es rund um die Archivierung geschieht. Das Bundesarchiv ist als mit der Durchführung des Gesetzes betrau-tes Amt der zentrale Akteur, der auf die Zielgruppe einwirkt, damit er für die Nutzniesser einen Nutzen erbringen kann. Zielgruppe und Nutzniesser stehen in keiner direkten Bezie-hung zueinander. Jeder Austausch zwischen diesen Gruppen ist durch den zentralen Akteur, das Bundesarchiv, vermittelt. Hingegen gibt es im System Rückkoppelungen, indem sowohl Zielgruppe als auch Nutzniesser auf das Bundesarchiv einwirken können.

 Das Bundesarchiv Das Bundesarchiv als zentraler Akteur beziehungsweise „Behörde“ setzt sich seinerseits aus einer begrenzten Zahl bekannter Akteure zusammen. Die kleinste mögliche Einheit sind die einzelnen Mitarbeitenden, die ihrerseits innerhalb der Institution auch als Gruppen agieren und so ihre Interessen zur Geltung bringen können. Die Zielgruppe Die Zielgruppe wird – wie es sich gehört – im ersten Abschnitt des ersten Artikels der Archi-vierungsgesetzes definiert. Im Wesentlichen sind dies die Legislative, die Exekutive mit der Verwaltung und ein Teil der Judikative, nämlich die Rekurs- und Schiedskommissionen des Bundes. Das Bundesgericht und das Eidgenössische Versicherungsgericht nehmen insofern eine Sonderstellung ein, als sie die Archivierung ihrer Unterlagen nach den Grundsätzen des BGA selber regeln62. Daneben gibt es weitere Institutionen, die zwar dem BGA unterstehen, die aber die Archivierung selbständig regeln. Auch die Einwirkung auf diese Gruppe ist be-grenzt, da deren Unterlagen nicht dem BAR abzuliefern sind und diese Institutionen auch nicht der Aktenführungsweisung unterstehen. Sie gehören aber zum Geltungsbereich des BGA und sind damit der generellen Kontrollbefugnis des Bundesarchivs unterworfen. Eine weiteren Spezialfalls stellen die Parlamentsdienste dar. Diese liefern zwar ihre Unterlagen dem Bundesarchiv ab, sie unterstehen auch dem Gesetz und den Verordnungen, die Weisun-gen des Departements und des Bundesarchivs haben für sie aber keinen zwingenden Charak- 62 Art. 1 Abs. 3 BGA. Das höchste Gericht ist demzufolge zentraler Akteur und Zielgruppe in einer Person. Das BAR hat aber immerhin das Recht, angehört zu werden.

Zielgruppe: „die Verwaltung“

Behörde: Bundesarchiv

versteckte Spiele einzelner Akteure

versteckte Spiele einzelner Akteure

Nutzniesser: „die Öffentlichkeit“

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ter. Das Prinzip der Gewaltentrennung verhindert, dass Regierung und Verwaltung dem Par-lament Weisungen erteilen können. Schon auf Grund der rechtlichen Voraussetzungen ist die Einwirkung auf die Zielgruppe alles andere denn einheitlich. Akteure innerhalb der Zielgruppe Die Zielgruppe setzt sich aus eher grossen Einheiten mit oft mehreren 100 oder sogar mehre-ren 1'000 Mitarbeitenden zusammen. Im Normalfall ist ein derartiger Akteur ein Bundesamt, das seinerseits bis zu fünf Hierarchiestufen aufweisen kann. Die Einheiten innerhalb eines solchen Amtes haben naturgemäss unterschiedliche Interessen. Ich möchte hier aber nur zwei Akteure nennen, deren Interessen sich widersprechen können. Die Führung eines Amtes muss sich ihrerseits gegenüber dem zuständigen Departement, dem Bundesrat und schliesslich dem Parlament verantworten. Das bedeutet, dass in erster Linie das Kerngeschäft eines Amtes als Aufgabe wahrgenommen wird, für deren Erfüllung man sich zu verantworten hat. Dafür werden auch am meisten Ressourcen zur Verfügung gestellt. Die Aktenführung wird sehr oft nicht als Bestandteil des Kerngeschäfts wahrgenommen. Dies hat wiederum zur Folge, dass für das Informationsmanagement zu wenig Ressourcen bereit-gestellt werden und auch die Informationsverarbeitungsstellen beziehungsweise Zentralregi-straturen hierarchisch tief eingestuft werden. Eine offene Missachtung des neuen BGA lässt sich auf Stufe Amtsführung nicht beobachten, hingegen eine gewisse Nachlässigkeit gegen-über den Anforderungen an die Aktenführung, wie sie durch das Bundesarchiv durchgesetzt werden sollte. Direkte Ansprechpartner des Bundesarchivs sind die Verantwortlichen der Informationsverar-beitungsstellen in den Ämtern. Die Inspektoren des BAR und die Registraturführer stehen in direktem persönlichen Kontakt miteinander. Beiden steht eine nicht zu unterschätzende Macht-Ressource zur Verfügung. Die Inspektoren kontrollieren als „Relais“ die direkte Be-ziehung zu einem Akteur innerhalb der Zielgruppe. Die Registraturführer kontrollieren eine nicht zu unterschätzende „Ungewissheitszone“, indem sie den Informationsfluss zwischen ihrer Organisation und dem Bundesarchiv weit gehend kontrollieren können63. Es liegt des-halb nahe, dass diese beiden Akteure, die über eine je spezifische Ressource verfügen, eine gemeinsame Strategie entwickeln. Um an die nötigen Informationen heranzukommen, benöti-gen die Inspektoren das Vertrauen der Registraturführer. Dieses können sie sich erwerben, indem sie zum Beispiel Inspektionsberichte so formulieren, dass die Registratoren ein Argu-ment erhalten, um eine bessere Ausstattung mit Ressourcen und eine höhere hierarchische Einstufung zu erreichen. Dieses teilweise versteckte Spiel zweier Akteure steht nicht grund-sätzlich im Widerspruch zu den Anforderungen des BGA, es kann im Gegenteil sogar als Voraussetzung für die Erreichung der gesetzlichen Ziele angesehen werden. Eine allzu grosse Nähe der Inspektoren (der Kontrolleure) zu den Registraturführen (den Kontrollierten) kann aber auch dazu führen, dass der Zweck einer effektiven Kontrolle der Aktenführung nicht erreicht wird. Die Gefahr der copinage ist durchaus präsent. Das Bundesarchiv hat mit seinem Ausbildungsangebot auch eine Strategie der direkten Ein-wirkung auf die Mitarbeitenden der Informationsverwaltungsstellen entwickelt. Diese Strate-gie des empowerment will gezielt die fachlichen Qualifikationen der Registraturführer stär-ken. Die privatrechtliche „Interessengemeinschaft records management“ verfolgt dieselben Ziele und wird durch das Bundesarchiv gefördert. 63 Crozier (1993) 47 u. 95 ff.

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Die Nutzniesser Nutzniesser des Archivierungsgesetzes ist die Öffentlichkeit. Diese kann aber nicht als solche auftreten. Es sind immer einzelne Akteure, die als Sprecher des öffentlichen Interesses auftre-ten. Zu denken ist in erster Linie an Organisationen, die in besonderer Weise an der Benut-zung der Archivalien interessiert sind. Es ist aber auch möglich, dass eine Person, die über das nötige institutionelle oder finanzielle Kapital verfügt, sich zum Sprecher von einzelnen Be-troffenen macht, die selber nicht in der Lage wären, als Akteure öffentlich aufzutreten. Ein solches Spiel ist unberechenbar und durch den zentralen Akteur nur schwer zu kontrollieren: Niemand weiss, wann wieder ein US-Senator versucht, seine Wahlkampagne mit Hilfe von Akten des Bundesarchivs zu führen. Auch in der Gruppe der Nutzniesser lässt sich mit der Schweizerischen Gesellschaft für Ge-schichte ein Akteur identifizieren, der seinerseits Beziehungen unterhält zu einzelnen Akteu-ren innerhalb des Bundesarchivs. Auf dieser Seite besteht die Möglichkeit der verdeckten Einwirkung der Behörde auf die Nutzniesser. Aber auch die Nutzniesser können, insofern sie in der SGG organisiert sind, direkt auf das Bundesarchiv einwirken.

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c)  Geschobener  oder  gezogener  Prozess?  

 

  Die verschiedenen Aufgaben im Vollzug des BGA lassen sich am Organigramm des Bundes-archivs ablesen. Allerdings bedarf es einiger Interpretationsarbeit und interner Kenntnisse um die vier Bereiche Inspektorat, Bewertung, Erschliessung und Benutzung den verschiedenen Sektionen oder Diensten zuzuweisen. Ein Aktenstück kommt im Laufe seines Lebens zuerst mit dem Inspektorat – der Kontrolle der Aktenführung durch das BAR – in Kontakt (1). Wird das Dokument zur Archivierung angeboten, kommt die Bewertung – der Entscheid über die Archivwürdigkeit – zum Zug (2). Das Dokument muss schliesslich erschlossen werden (3a), damit es am Ende der Benutzung zur Verfügung stehen kann (4). Parallel zur Erschliessung erfolgt die physische Übernahme ins Archiv durch den Magazindienst (3b). Die unten stehen-de Grafik zeigt alle diese Stationen im Organigramm des Bundesarchivs. Um die Verwirrung komplett zu machen, bleibt nachzutragen, dass viele Mitarbeitende in einer Matrixorganisati-on stecken. Die Mehrzahl der InspektorInnen hat eine Doppelfunktion, indem sie auch für die Bewertung arbeiten. Je nach Position in diesem Organigramm haben die einzelnen Mitarbei-tenden unterschiedliche Sichtweisen und Interessen. Ausgehend vom Ziel der Archivierung – der freien Konsultation des Archivguts – liegt es nahe, die Nutzniesser oder wenigstens die tatsächlichen Benutzer als Kunden zu betrachten. Der Prozess der Archivierung müsste deshalb auf den Endkunden hin orientiert werden. Einen solchen Prozess bezeichnet man als „gezogenen Prozess“64, der sich am Endprodukt orien-tiert. Der Kunde zieht gleichsam am Ende der ganzen Produktionskette. Demgegenüber ist der traditionelle Verwaltungsprozess ein geschobener Prozess, der sich vor allem an den Bedürf-nissen der Verwaltung, an der Hierarchie und der traditionellen Aufgabenteilung in Ressorts orientiert. Es ist an obigem Schema unschwer zu erkennen, dass der Produktionsprozess im 64 eGovernment (2001) 122 ff.

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Bundesarchiv eher einem geschobenen als einem gezogenen Prozess entspricht. Die Orientie-rung an den Bedürfnissen der Zielgruppe hat in der Produktionsabläufen noch kaum Spuren hinterlassen. Will das Bundesarchiv – wie geplant – eGovernment-Anwendungen umsetzen, werden die Prozesse über Verwaltungsgrenzen hinweg laufen müssen. Ein Wandel der inter-nen Struktur im Hinblick auf eGovernment-Prozesse scheint unumgänglich65. Die fehlende Prozessorganisation äussert sich auch darin, dass die Abläufe noch immer zu viel Zeit bean-spruchen und nicht immer festgestellt werden kann, bei wem sich ein Dossier gerade befindet. Sollen die Abläufe im Sinne eines „gezogenen Prozesses“ umgebaut werden, müssten nicht nur die Prozesse gegenüber heute radikal vereinfacht werden, auch die Beziehung zu den Kunden müsste so umgebaut werden, dass der direkte Informationsaustausch zwischen Kunde und zuständigem Sachbearbeiter gewährleistet werden kann66. Die fehlende Prozessorientierung eröffnet internen Akteuren im Bundesarchiv die Möglich-keit, Ziele zu verfolgen, die sich nicht mit den Zielen des Archivs als ganzem decken. Derar-tige versteckte Strategien können kaum die Umsetzung des Archivierungsgesetzes verhindern, sie können aber die Zielerreichung verzögern.

 

6.  Der  Output   Das Bundesarchiv produziert eine Menge verschiedenster Outputs in Form von Entscheiden, Briefen, mündlichen Beratungen usw. Der augenfälligste „Output“ ist wohl die Menge Akten, die jedes Jahr archiviert wird. Diese Menge (ausgedrückt in Laufkilometern oder Terabyte für digitale Unterlagen) wäre der am einfachsten zu messende Output. Gerade diese Messung würde aber das wesentliche Ziel der Archivierung verfehlen, kann es doch nicht darum gehen, schlechthin jedes papierene oder digitale Schriftstück zu archivieren. Geschähe dies, wäre das Bundesarchiv bald einmal verstopft durch den Informationsmüll der Verwaltung. Genau ge-nommen handelt es sich dabei aber um einen Input, da die Akten ins Archiv hinein kommen. Erst die Vermittlung, die Konsultation der Dokumente durch die Benutzer, kann als Output im eigentlichen Wortsinn bezeichnet werden. Die Analyse des Outputs muss also konsequent von diesem letzten Zweck der Archivierung her gedacht werden. Alle Phasen des Produktionspro-zesses dienen schliesslich diesem Zweck, der in Artikel 2 des Archivierungsgesetzes um-schrieben ist. Der ganze Prozess hat sicherzustellen, dass am Ende tatsächlich die „rechtlich, politisch, wirtschaftlich, historisch, sozial oder kulturell“ wertvollen Unterlagen des Bundes für die Einsichtnahme zur Verfügung stehen. Eine rein quantitative Betrachtung des Outputs ist deshalb sinnlos. Das Bundesarchiv will nicht möglichst viele Unterlagen archivieren, son-dern diejenigen, die archivwürdig sind, also „von juristischer oder administrativer Bedeutung sind oder einen grossen Informationswert haben“67. Gemäss den für die Jahre 2003 und folgende ausgearbeiteten Strategischen Zielen kennt das Bundesarchiv drei Kernprozesse: Sicherung, Erschliessung und Vermittlung. Diese lassen sich in einzelne Teilprozesse aufteilen. Für jeden Teilprozess sind die angestrebten Wirkun-gen und die Instrumente der Zielerreichung definiert. Aktenführung und Bewertung sind Teile des Prozesses Sicherung. Die Erschliessung steht als zweiter Kernprozess zwischen der Siche-rung und der Vermittlung und soll die intellektuelle Zugänglichkeit des Archivguts sicher stellen. Die Vermittlung schliesslich wird unterteilt in die nachfrageorientierte Vermittlung, 65 eGovernment-Strategie des Bundes (2002) 7. 66 Ein solcher Umbau ist dargestellt in: Transforming Government (1998) 13 ff. 67 Art. 2 Abs. 1 u. Art. 3 Abs. 3 BGA.

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die Konsultation des Archivguts durch verschiedene Benutzer, und die angebotsorientierte Vermittlung, welche vor allem durch Publikationen und Ausstellungen das Bundesarchiv als historisches Kompetenzzentrum positionieren soll68. Ausgehend von den Strategischen Zielen habe ich die drei Produkte definiert, die an den ent-scheidenden Stellen in der Umsetzung der Archivpolitik anfallen. Sie stellen – stark verein-facht – den Output des Bundesarchivs dar. Die Inspektionen sind genau genommen kein Pro-zess, sondern ein Instrument des Prozesses Aktenführung. Insofern sie eine messbare Grösse sind, lässt sich aber anhand dieses Produkts der Output im Bereich der Zielgruppe evaluieren. Die Bewertung ist ein Teilprozess, stellt aber in Form von einzelnen Bewertungen auch einen messbaren Output dar. Der Output der nachfrageorientierten Vermittlung schliesslich besteht in den Konsultationen des Archivguts:

 

 

 

 

  Diese drei Produkte sollen in der Folge kurz dargestellt werden. Die Frage, wie diese Out-puts evaluiert werden können, wird im folgenden Kapitel diskutiert.

a)  Inspektionen  der  Aktenführung   Die Inspektionen sind die direkte Einwirkung auf die Zielgruppe durch das Bundesarchiv. Formell liegt der Output in Form von Inspektionsberichten vor, die nach einem einheitlichen Schema gestaltet sind und sich an den Anforderungen der Weisung für die Aktenführung orientieren. Für die inspizierten Registraturen von besonderer Bedeutung sind die am Schluss angefügten Bemerkungen, welche auf einzelne problematische Punkte der Überprüfung be-sonders hinweisen und konkrete Vorschläge zur Verbesserung der Aktenführung beinhalten. Zu diesem Output gehören ebenfalls informelle Beratungen, aber auch etwa die Mitarbeit in Projektorganisationen einzelner Ämter, welche die Aktenführung verbessern oder ein elektro-nisches Geschäftsverwaltungssystem einführen wollen.

Das Produkt „Inspektionen“ dient der Steuerung der Herstellung und Verwaltung von Unterlagen im Hinblick auf ihre spätere Archivierung und Konsultation durch die Nutzniesser.

68 Strategische Ziele (2002) 4 ff.

Behörde: Bundesarchiv

Inspektionen Bewertungen Konsultationen des Archivguts

Zielgruppe: „die Verwaltung“

Nutzniesser: „die Öffentlichkeit“

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b)  Bewertungen   Die Bewertungen von Unterlagen werden wenn immer möglich in Form von prospektiven Bewertungsinstrumenten erstellt. Formell liegen sie vor als durch die Direktion verabschiede-te Bewertungsentscheide. Ziel ist es, möglichst die Gesamtheit der anbietepflichtigen Stellen zu erfassen. Selbstverständlich kann dieses Ziel nie vollständig erreicht werden. In allen Äm-tern werden Registraturpläne periodisch überprüft und verändert. Da sich die prospektiven Bewertungen auf die Registraturpläne beziehen, müssen sie ebenfalls periodisch überprüft und angepasst werden. Zudem ist die ganze Bundesverwaltung einem immer schnelleren Wandel unterworfen. Ämter fusionieren oder geben bestimmte Aufgaben ab, andere über-nehmen neue Aufgaben.

Das Produkt „Bewertung“ dient der Steuerung der Archivierung von Unterlagen im Hinblick auf ihre spätere Konsultation durch die Nutzniesser.

c)  Konsultationen  des  Archivguts   Den einzelnen Nutzniessern werden im Lesesaal die verlangten Dokumente zur Konsultation gratis zur Verfügung gestellt. Formell liegt dieser Output in Form von ausgefüllten Leihschei-nen vor. In Fällen, da die verlangten Dokumente noch einer Schutzfrist unterliegen und die Einsichtnahme während der Schutzfrist verweigert wird, erfolgt ein ablehnender Entscheid. Auf Ersuchen hin wird eine beschwerdefähige Verfügung erlassen69. Zum Produkt „Konsulta-tion“ gehört auch die Beratung der Kunden im Lesesaal, aber auch die möglichst kunden-freundliche Bearbeitung von schriftlichen Einsichtsbegehren70.

Das Produkt „Konsultation“ durch gegenwärtige und zukünftige Nutzniesser ist der Endzweck der Archivierung.

 

7.  Die  Evaluation   Das BGA sieht keine Evaluation des Archivierungsprozesses vor. Dennoch soll hier kurz darüber nachgedacht werden, wie der Grad der Zielerreichung des Gesetzes gemessen werden könnte. Die Evaluation kann nur in Bezug auf die Zielgruppe den Impact messen. Die Anforderungen des Verwaltungsprogramms können mit dem tatsächlichen Verhalten der Adressaten vergli-chen werden. Der Impact der beiden anderen Outputs (Bewertung und Konsultation der Un-terlagen im Archiv) fällt bei der Behörde selber an. Die Bewertung ist ein Zwischenprodukt, das die Herstellung des Endprodukts – die Konsultation der Unterlagen – steuert. Hier, am Ende des Produktionsprozesses kann im Prinzip die Effektivität bei den Nutzniessern gemes-sen werden. 69 Art. 22 Abs. 1 VBGA. 70 Im Gefolge der Kontroversen um die Flüchtlingspolitik während des Zweiten Weltkrieges trafen besonders viele Begehren aus Übersee ein vor allem von Opfern des nationalsozialistischen Regimes oder von deren Nach-kommen.

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Sinnvollerweise bezieht sich die Evaluation auf die drei ausgewählten Produkte des Outputs, die ihrerseits den drei programmatischen Zielen der Archivpolitik zugeordnet werden können.

 

a)  Inspektionen   Die Inspektionen der Akten führenden Stellen erfolgen nach einem einheitlichen Schema. In erster Linie wird kontrolliert, ob die Aktenführungsweisungen eingehalten werden. Die ein-zelnen Inspektionsberichte habe ich in einem Gesamtbericht zusammengestellt und statistisch ausgewertet. Mindestens für die inspizierten Stellen – also für einen grossen Teil der zentralen Bundesverwaltung – kann so die Qualität der Aktenführung dargestellt und verglichen wer-den. Interessant dürfte dann vor allem der Langzeitvergleich werden, weil so evaluiert werden kann, ob die Tätigkeit des Bundesarchivs tatsächlich einen positiven Einfluss auf die Akten-führung ausübt. Es ist so auch möglich, die „schwarzen Schafe“ in der Verwaltung zu erfas-sen, die nicht gewillt sind, die Aktenführungsweisungen zu beachten. Durch Befragungen bei den Akten führenden Stellen kann auch die Qualität der Beratung durch das Bundesarchiv erhoben werden. Falls im Bundesarchiv je new public management eingeführt werden sollte, wären die Informationsverwaltungsstellen beziehungsweise die Verwaltungseinheiten, zu denen sie gehören, als Kunden zu betrachten, die eine Leistung in Form von Beratung erhalten. Durch die Umfrage bei diesen Stellen könnte also auch die Kun-denzufriedenheit ermittelt werden.

Die Inspektionen gehören zum dritten Programmpunkt der Archivpolitik: Das Bun-desarchiv als Kompetenzzentrum für Recordsmanagement.

b)  Bewertungen   Über die Bewertungen wird schon jetzt Buch geführt. Diese Statistik kann verfeinert und daraufhin evaluiert werden, ein wie grosser Teil der anbietepflichtigen Stellen bereits durch Bewertungsentscheide erfasst wurde. Für die Erhebung von besonderem Interesse ist der Anteil der Ämter, für die bereits ein prospektives Bewertungsinstrument besteht, bei denen also nicht mehr jedes einzelne Angebot von Unterlagen neu bewertet werden muss. Wenn ein Unterlagenangebot nicht innert eines Jahres bewertet werden kann, muss es vollständig über-nommen werden. Die Anzahl derartiger Fälle pro Jahr ergibt einen wichtigen Indikator dafür, in welchem Umfang die Zielerreichung in der Bewertung verfehlt wurde. Ausgehend von den Zielvorgaben lassen sich hierfür Alarmwerte definieren. Im Übrigen können die Bewertungs-entscheide mit der Praxis anderer in- und ausländischer Archive verglichen werden. In dieser Weise kann evaluiert werden, ob die Praxis des Bundesarchivs auch den international aner-kannten Standards genügt (Anwendung des Prinzips der best practice).

Die Bewertungen sind dem zweiten Programmpunkt zuzuordnen: Sicherung aller rechtlich, politisch, wirtschaftlich, historisch, sozial oder kulturell wertvollen Unterla-gen des Bundes.

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c)  Konsultationen  des  Archivguts   Die Konsultation des Archivguts ist der schliessliche Zweck der Archivierung. Deshalb ist jede Evaluation dieses Produkts auch eine Evaluation der beiden Zwischenprodukte Inspek-tionen und Bewertung. Bis heute ist es noch nicht geschehen, dass Konsultationen wegen einer Überbelegung des Lesesaals verunmöglicht wurden. Trotzdem kann die Statistik der Konsultationen ausgewertet werden, um gegebenenfalls durch Extrapolation zukünftige Eng-pässe zu erkennen und entsprechende Gegenmassnahmen zu treffen. Die Leute, welche im Bundesarchiv Unterlagen konsultieren wollen, sind die Kunden, die mit der Konsultation das Produkt in Empfang nehmen, welches den Endzweck der Archivierung darstellt. Die Zufrie-denheit dieser Kunden kann durch Umfragen erhoben werden. Dadurch lässt sich insbesonde-re die Qualität der Beratung feststellen. Es ist jedoch sehr schwierig, auf diesem Weg festzu-stellen, ob es in den Beständen des Bundesarchivs Lücken gibt. Wo Bestände fehlen, findet keine Konsultation statt. Auch ist zu berücksichtigen, dass die Archivierung nicht nur den Interessen heutiger Kunden dient, sondern auch im Hinblick auf zukünftige Generationen vorgenommen wird. Die Zufriedenheit von Kunden, die noch gar nicht geboren wurden, lässt sich nicht messen. Dennoch muss das Bundesarchiv bei seiner Archivierungspraxis diese zukünftigen Nutzer stets mitbedenken. Denkbar wäre eine Evaluation durch unabhängige Historiker und Historikerinnen, welche die Bestände des Bundesarchivs daraufhin überprüfen, ob sie auch den Bedürfnissen der zukünftigen Forschung genügen können. Aber auch eine solche Evaluation stösst da an ihre Grenzen, wo auch unabhängige Experten nur das Vorurteil ihrer Epoche reproduzieren.

Die Konsultationen entsprechen dem ersten Programmpunkt der Archivpolitik: Ga-rantie des Rechts auf freie Einsichtnahme in das Archivgut.

 

8.  Abweichungen  und  Erweiterungen   Mit dem Archivierungsgesetz schuf sich das Bundesarchiv eine neue gesetzliche Ressource, deren Kraft nicht unterschätzt werden sollte. Die freie Einsichtnahme in das Archivgut wurde erstmals als Grundrecht verankert. Aber die Durchsetzung dieses Grundrechts ist nicht unpro-blematisch: Einerseits soll das Bundesarchiv die freie Konsultation gewährleisten, anderer-seits ist es selber Teil der Staatsgewalt, gegen die das Grundrecht unter Umständen durchge-setzt werden muss. Kehren wir zur Definition des Problems durch das Bundesarchiv und seinem daraus abgeleite-ten Programm zurück: 1. Das Bundesarchiv garantiert das Recht der freien Einsichtnahme in das Archivgut. 2. Das Bundesarchiv sichert alle rechtlich, politisch, wirtschaftlich, historisch, sozial

oder kulturell wertvollen Unterlagen des Bundes. 3. Das Bundesarchiv ist das Kompetenzzentrum des Bundes für Recordsmanagement. Die Programmierung der Archivpolitik blieb von weitreichenden Neuformulierungen weitge-hend verschont. Dies hängt offensichtlich damit zusammen, dass über weite Strecken kein referendumsfähiger Akteur auftrat. Es gelang dem Bundesarchiv, sein Gesetzesprojekt weit

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gehend unbeschadet durch den Bundesrat und durch die parlamentarische Beratung zu brin-gen. Erst auf der Stufe des Aktionsplans traten Akteure auf, die über die nötigen Ressourcen verfügen, um im Bundesrat erfolgreich intervenieren zu können: Die Unterlagen der Bergier-Kommission (UEK) werden nicht in einer Weise archiviert, wie dies das BGA eigentlich zwingend vorsieht. Eine ganze Unterlagenkategorie - die kopierten Dokumente aus den Fir-menarchiven - werden nicht dem BAR anboten, obwohl es sich dabei unbezweifelbar um Unterlagen des Bundes handelt. Dieses Ereignis lässt erahnen, wie Archivpolitik aussähe, wenn sie sich wie andere Politiken dauernd im Spannungsfeld übermächtiger ökonomischer Interessen abspielte! Eine sich auf quantifizierbare Indikatoren abstützende Evaluation der Archivpolitik ist im Gesetz nicht vorgesehen und wird auch noch nicht durchgeführt. Dennoch lassen sich bezo-gen auf die drei Punkte des Programms des Bundesarchivs einige qualitative Aussagen ma-chen, die auch als Vorarbeiten oder Wegweiser einer quantitativen Auswertung dienen könn-ten.

a)  „Das  Bundesarchiv  garantiert  das  Recht  der  freien  Einsichtnahme  in  das  Archivgut.“   Dieser erste Punkt des Programms scheint der unproblematischste zu sein. Durch die klare Regelung der Schutzfristen ist dieses Recht in einem bisher nie erreichten Umfang gewährlei-stet. Die Tatsache, dass es überhaupt Schutzfristen gibt, ist keine Abweichung, sondern bilde-te von Anfang an Teil des Programms. Abweichungen sind aber möglich durch eine über-dehnte Auslegung der Kategorien von Unterlagen, die einer verlängerten Schutzfrist unter-worfen sind71. Eine solche Verlängerung der Schutzfrist kann nur verfügt werden, wenn ein überwiegendes öffentliches oder privates Interesse vorliegt. Die Verordnung zum BGA defi-niert dieses Interesse vergleichsweise restriktiv, was Missbräuche nicht ausschliesst, aber zumindest erschwert72. Ernster zu nehmen ist die Gefahr, dass die Schutzfristen durch die abgabepflichtigen Stellen „kalt“ verlängert werden könnten, indem Unterlagen nicht oder erst nach Ablauf der Schutz-frist abgeliefert werden. Das BAR hat diese Gefahr erkannt und in den Weisungen über die Anbietepflicht entsprechende Gegenmassnahmen getroffen. Diese Erweiterung auf der Stufe des Behördenarrangements ist die einzige Ausweitung des ersten Programmpunktes im Laufe der Politikprogrammierung.

71 Die Liste von Archivgut mit verlängerter Schutzfrist bildet den Anhang 3 der VBGA und kann durch das EDI geändert oder ergänzt werden. Der nachgeführte Anhang wird jährlich in der AS veröffentlicht. 72 Art. 12 BGA. Ein überwiegendes öffentliches Interesse gegen die Einsichtnahme liegt in folgenden Fällen vor: Gefährdung der inneren oder äusseren Sicherheit der Eidgenossenschaft, Beeinträchtigung der Beziehungen zu ausländischen Staaten, internationalen Organisationen oder zwischen dem Bund und den Kantonen sowie eine schwerwiegende Beeinträchtigung der Handlungsfähigkeit des Bundesrates. Als überwiegende schutzwürdige private Interessen gilt insbesondere die Verhinderung der vorzeitigen Offenbarung von Berufs- oder Fabrikati-onsgeheimnissen. Art. 14 Abs. 3 u. 4 VBGA.

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b)  „Das  Bundesarchiv  sichert  alle  rechtlich,  politisch,  wirtschaftlich,  historisch,  sozial  oder  kulturell  wertvollen  Unterlagen  des  Bundes.“   Mehr Abweichungen vom ursprünglichen Programm ergeben sich bezogen auf den zweiten Programmpunkt. Schon die eidgenössischen Räte schränkten den Geltungsbereich des BGA ein, indem sie die Zuständigkeit des Bundesarchivs für das Bundesgericht und das eidgenössi-sche Versicherungsgericht auf ein unverbindliches Konsultationsrecht reduzierten. Eine wei-tere Einschränkung ergibt sich aus der Geltungsbereichsverordnung, welche die anbietepflich-tigen Stellen („weitere Personen ..., soweit sie ihnen übertragene Vollzugsaufgaben des Bun-des erfüllen...“)73 wesentlich enger definieren wird, als es der ursprünglichen Intention des Bundesarchivs entspricht. Insofern in diesen, aus der Programmierung entfallenden Bereichen Unterlagen des Bundes entstehen, wird der zweite Programmpunkt verfehlt, denn die betref-fenden Unterlagen können durch das BAR nicht gesichert werden. Auch der Sonderfall der Unterlagen der UEK ist hier zu erwähnen. Deren Dokumente sind offensichtlich Unterlagen des Bundes, die aber, insofern es sich um Kopien aus Firmenarchiven handelt, durch das BAR nicht gesichert werden dürfen. Um wirklich alle rechtlich, politisch, wirtschaftlich, historisch, sozial oder kulturell wertvol-len Unterlagen zu sichern, genügt es nicht, den Geltungsbereich des Gesetzes entsprechend zu definieren. Die Bewertungshoheit74 des Bundesarchivs muss auch durchgesetzt werden. Keine anbietepflichtige Stelle soll Unterlagen ohne Erlaubnis des BAR vernichten dürfen. Mögliche Abweichungen ergeben sich hier auf der Ebene des Aktionsplans, bei der tatsächlichen Um-setzung des BGA. Fehlende Ressourcen haben zur Folge, dass nicht restlos alle Dienststellen auf anbietepflichtige Unterlagen gecheckt werden können. Auch die fehlende Prozessorientie-rung innerhalb des Bundesarchivs kann dazu führen, dass der Teilprozess „Bewertung von Unterlagen“ zu wenig in die anderen Teilprozesse der Aktenübernahme integriert ist. Im Ex-tremfall heisst dies, dass Unterlagen ohne Bewertung übernommen werden müssen, weil die einjährige Frist für die Bewertung abgelaufen ist.

c)  „Das  Bundesarchiv  ist  das  Kompetenzzentrum  des  Bundes  für  Records-­‐management.“   Mit diesem letzten Programmpunkt hat das Bundesarchiv eine Querschnittaufgabe für die ganze Bundesverwaltung übernommen. Archivierung beginnt nicht erst dann, wenn Unterla-gen physisch ins Archiv übernommen werden, sie beginnt schon bei der Erstellung der Unter-lagen selber. Getreu seiner Problemdefinition will das Bundesarchiv auf die Produzenten der Unterlagen einwirken, damit diese schon bei der Entstehung in einer Art und Weise bearbeitet werden, die später eine reibungslose Archivierung ermöglicht. Die Archivierung ist nur die letzte Phase eines umfassenden Informations- und Dokumentenmanagements. Wenn man die Aufgabe eines Archivs etwas banal mit „Archivierung“ umschreibt, geht dieser letzte Pro-grammpunkt über die klassische Archivaufgabe hinaus. So gesehen ist es nur folgerichtig, dass diese Erweiterung der Programmierung nicht auf das Archivierungsgesetz, sondern auf das Regierungs- und Verwaltungsorganisationsgesetz abgestützt wurde75. Allerdings findet diese Programmerweiterung nicht auf den ganzen Geltungsbereich des BGA Anwendung. Die

73 Art. 1 Abs. 1 Bs. h BGA. 74 Art. 7 Abs. 1 BGA. 75 Art. 8, 24, 43 u. 47 RVOG und Art. 22 u. 30 RVOV.

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Weisungen über die Aktenführung, welche gestützt auf die RVOV erlassen wurden, gelten nur für die zentrale Bundesverwaltung, die Formationen der Armee und die diplomatischen und konsularischen Vertretungen im Ausland76. Dieser Programmpunkt ist sehr anspruchsvoll und bindet viele Ressourcen. Fehlende Res-sourcen wirken sich deshalb besonders schwer wiegend aus. Diese Abweichung auf der Ebene des Aktionsplans wird deutlich sichtbar bei der qualitativen Auswertung des Standes der Si-cherung, wie sie im nächsten Kapitel diskutiert wird. Offensichtlich wird noch nicht der ganze Geltungsbereich des BGA durch die Inspektionen der Aktenführung erfasst. Ebenso profitie-ren noch nicht alle Dienststellen in gleicher Weise von den Beratungsangeboten des Bundes-archivs. Die indirekten Spiele einzelner Akteure bewirken ebenfalls - gewollt oder ungewollt - Abwei-chungen von der ursprünglichen Programmierung. Nicht in jedem Amt widmet die Geschäfts-leitung dem Informationsmanagement die Aufmerksamkeit, wie sie den Vorgaben des Bun-desarchivs entsprechen sollte. Die Archivpolitik steht manchmal in einem direkten, häufiger aber in einem indirekten Zielkonflikt mit den jeweiligen Politiken der Akten führenden Stel-len. Aber auch Akteure innerhalb der beteiligten Ämter können durch ihr Verhalten Abweichun-gen bewirken. Zu denken ist hier an die Verantwortlichen für das Recordsmanagement auf der einen Seite, an die direkt beteiligten Inspektoren des Bundesarchivs auf der anderen Seite. Arrangements, die durch diese Akteure getroffen werden, können im Sinne der Verwirkli-chung des Programms wirken, sie können aber auch die Programmierung teilweise unterlau-fen, indem die beiden Partner als Monopolisten der jeweiligen Aussenbeziehungen agieren und so ein Feld der Unsicherheit schaffen, das weder durch das Bundesarchiv, noch durch das beteiligte Amt vollständig zu kontrollieren ist.

d)  Abweichungen  und  Erweiterungen   Werden die Erweiterungen und Abweichungen der Archivpolitik gewichtet, ergibt sich ein einigermassen ausgeglichenes Bild. Der Effekt der ersten Abweichung (Bundesgericht) ist insofern gering, als das Bundes- und das eidgenössische Versicherungsgericht Archivierungs-verordnungen erlassen haben, welche die Regelungen des BGA weitest gehend umsetzen. Die Verordnung über den Geltungsbereich schränkt zwar die Geltung des Gesetzes ein, bildet aber doch die Grundlage einer späteren, effektiven Durchsetzung auch in einem Bereich, der tradi-tionellerweise nicht den Regelungen über die Archivierung unterworfen war. Das Problem der fehlenden Ressourcen wurde durch Erweiterungen des Personalbestandes des Bundesarchivs schon etwas entschärft. Damit bleiben als wirklich ernst zu nehmende Abweichungen nur die fehlende Prozessorientierung und das Problem der indirekten Spiele. Diese sind grundsätzlich nicht oder nur schwer zu kontrollieren. Die Problematik der Prozessorientierung dürfte sich mit der zunehmenden Implementierung von eGovernment noch verschärfen. Bei den beiden Erweiterungen des Programms ist vor allem die Bedeutung der Regierungs- und Verwaltungsorganisationsverordnung hoch zu veranschlagen. Ohne diese Erweiterung

76 Art. 1 Weisungen über die Aktenführung in der Bundesverwaltung vom 13. Juli 1999. Das EDI kann nach Massgabe seiner Aufsichtspflicht Einheiten der dezentralen Bundesverwaltung oder weitere mit der Erfüllung von Bundesaufgaben beauftragte Stellen der Aktenführungsweisung unterstellen.

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wäre die Realisierung des Programms im Bereich Recordsmanagement grundsätzlich unmög-lich. Bezogen auf die drei Programmpunkte des Bundesarchivs ergibt sich ein abnehmender Grad der Zielerreichung. Kann der erste Punkt noch als weit gehend erfüllt gelten, zeigen sich beim dritten Punkt am meisten Abweichungen. Als mögliche Erklärung bietet sich der Einfluss externer Akteure an. Kann das Bundesarchiv die freie Einsichtnahme in das Archivgut grund-sätzlich in eigener Verantwortung verwirklichen, ist es bei der Sicherstellung der Unterlagen auf die Kooperation der Akten führenden Stellen angewiesen. Beim dritten Programmpunkt ist sogar die aktive Mitarbeit der Ämter erforderlich, damit das Bundesarchiv diese Quer-schnittaufgabe wahrnehmen kann. Der zweite und vor allem der dritte Programmpunkt bedür-fen zu ihrer erfolgreichen Umsetzung Arrangements zwischen den beteiligten Akteuren, die nach dem Muster der reziproken Interaktion funktionieren. Derart weit reichende Programm-punkte können nicht mehr nach dem hierarchischen Modell umgesetzt werden, sondern be-dürfen der reziproken Interaktion der beteiligten Akteure, was den externen Akteuren automa-tisch die Möglichkeit verschafft, die Politikprogrammierung in ihrem Sinn zu beeinflussen, was in der Regel Abweichungen vom ursprünglichen Programm zur Folge hat. Erweiterungen durch externe Akteure sind naturgemäss eher selten. Somit ergibt bezogen auf die drei Pro-grammpunkte folgendes, differenziertes Bild:

1. Das Bundesarchiv garantiert das Recht der freien Einsichtnahme in das Archivgut.

2. Das Bundesarchiv sichert alle rechtlich, politisch, wirtschaftlich,

historisch, sozial oder kulturell wertvollen Unterlagen des Bundes. 3. Das Bundesarchiv ist das Kompetenzzentrum des Bundes für Re-

cordsmanagement.

Für die erfolgreiche Umsetzung des Programms ist es deshalb unerlässlich, den reziproken Interaktionen mit den externen Akteuren ein besonderes Augenmerk zu schenken. In diesem Bereich, der sich der hierarchischen Steuerung zu einem grossen Teil entzieht, zeigt sich auch der Impact der digitalen Produktionsmittel am deutlichsten. Die Analyse dieses Einflusses wird so weit möglich im nächsten Kapitel geleistet werden.

Umsetzung der Politikprogrammierung

reziproke Interaktionen mit externen Akteuren

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IV.  Der  Stand  der  Informationssicherung  in  der  Bundesverwaltung   Die folgende Tabelle ist eine Darstellung des Standes der Informationssicherung auf Grund der im Bundesarchiv zur Verfügung stehenden Informationen. Angaben, die als diskrete Va-riablen aufgenommen wurden, können statistisch ausgewertet werden. Es handelt sich dabei um die Evaluationen der Organisationsvorschriften, der Registraturpläne und der Geschäfts-bildung. Andere Angaben sind wenigstens einer qualitativen Analyse zugänglich. Die Angeben in der Tabelle stützen sich auf folgende Quellen:

− Inspektionsberichte des Bundesarchivs, ergänzt durch Angaben aus den Fallstudien oder weitere Informationen der Inspektoren und Inspektorinnen des Bundesarchivs

− Staatskalender (Ausgabe 2000, Angaben aktualisiert auf Grund der im BAR verfügba-ren Informationen)

− Liste der ausserparlamentarischen Kommissionen der Bundeskanzlei (http://www.bk.admin.ch/ch/d/cf/ko/index.html)

− Verzeichnis der schweizerischen Botschaften, Konsulate und Koordinationsbüros der Entwicklungszusammenarbeit (Ausgabe Oktober 2001)

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OV Rpl Gesch Amt Aktenbildner Prio

Check-liste 1 2 3

PD 1 PD ZR A 1 AB A Pressedokumentation 2 GPK A 2 3 Finanzdel. A 3 3 BK BK ZR A 3 3 Bundesratsgeschäfte A 2 2

Kompetenzzentum Amtliche Veröffentlichungen 2

Politische Rechte A 1

Verwaltungspraxis der Bun-desbhörden B 1

Eidg. Parlaments- und Zentral-bibliothek 1

Eidg. Datenschutzbeauftragter 1 2 2 Rekurskommissionen: 2 Eidg. Datenschutzkommission 3 EDA 2

GS -Ressourcen ZR, GS-R (IVA-Registratur) A 2000 1 1 Archiv A 2000 1 1 Autodienst A 2000 1 1 Finanzabteilung A 2000 1 1 Konsular- und Finanzinspektorat A 2000 1 1 Aemterklassifikation A 2000 1 Kurier und Beschaffung A 2000 1 Personelles Rechnungswesen A 2000 1 1 Personalverwaltung A 2000 1 Reisen / Transporte A 2000 1 1 Sicherheitsdienst A 2000 1 1 Telematikabteilung A 2000 1 1 1 Uebermittlung (Telegrammdienst) A 2000 1 BR/GS-Stab/ +PD/DV (Teilb.)

ZR (P) IVA Bundeshaus West A 2001 1

ZR (O) IVS Bg.28 A 2001 1

SSA (StaO. Bern) ZR (P) IVA Bundeshaus W B 2001 1

Enstschädigungsabkommen A 2001 1 1

PD/DV (Teilb.) ZR (K) IVA Bundesgasse 32 A 2001 1 Diplomatisches Inspektorat A 2001 1 Fremde Interessen A 2001 1

Zentrum für Analysen und prospektive Studien A 2001 1 2 1 2

SSA ZR IVS - SSA, Basel B 2001 3 2 3 3 DEZA ZR A 1 35 Koordinationsbürus

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Auslandver-tretungen

264 Botschaften, ständige Vertre-tungen, Generalkonsulate, Konsu-late und Konsularagenturen A-C 1 1

Rekurskommissionen:

Rekurskommission für ausländische Entschädigungen 1 ausserparl. Kommissionen: Kommission Präsenz Schweiz 2 Verwaltungskommissionen 3 Vertretungen des Bundes 1 17 Vertretungen des Bundes in grenzüberschreitenden Gremien EDI GS EDI ZR A 2001 2 Büro für Gleichstel-lung B 2000 3 BAK ZR B 2000 1 SLB C SLM C 1 BAR ZR B 2001 2 Meteo-Schweiz B 2001 3 BAG ZR A 2001 2 1 2 ? BfS ZR B 2001 2 2 2 BSV ZR B 2000 2 2 2 BAMV ZR B 2000 3 2 2 Reha-Klinik Novaggio C? 2 2 GWF/BBW ZR A/B 2000 1 1 ETHZ B 1 EPFL B 1 Paul-Scherrer-Institut C 3 2 Forschungsanstalt Davos/Birmensd. C 2 ? EMPA C 3 EAWAG C ? swissmedic seit 1.1.2002 Rekurskommissionen: 2 ? Rekurskommission der AHV und IV für die im Ausland wohnenden Personen 1 Rekurskommission für die Stiftung Pro Helvetia 1 1 Beschwerdekommissi-on der beruflichen AHV und IV 1 1 Rekurskommission für die Spezialitätenliste in der Krankenversiche-rung 2 2 Rekurskommission für die Unfallversicherung 2 ETH-Rekurskommission Rekurskommission für Forschungsförderung 1 Rekurskommission 1

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Heilmittel Rekurskommission für medizinische Aus- und Weiterbildung ausserparl. Kommis-sionen: 1 Holocaust-Fonds 1 UEK 1 K. f. Frauenfragen 2000 3 1 SWTR 1 7 Behördenkommissio-nen 2

1

30 Verwaltungskom-missionen

2 1

6 Leitungsorgane 16 Vertretungen des Bundes

1 Vertretung des Bun-des in grenz-überschreitenden Gre-mien

2 2

EJPD GS EJPD ZR A 2000 3 BPV ZR B 2000 1 BFF ZR A 2000 1 2 2 BAP Personenregistratur A 2000 1 Rechtsdienst A 2000 3 1 BMA ZR C 2000 3 Rekurskommissionen: Rekurskommission über die Aufsicht über Pri-vatversicherungen

Rekurskommission für geistiges Eigentum

Rekurskommission für Spielbanken

Schweizerische Asylre-kurskommission

1

ausserparl. Kommis-sionen:

Eidg. Spielbankenkommission 2000 3

1 Behördenkommission

4 Verwaltungskommissionen

2 Leitungsorgane 1 Vertretung des Bundes Institut für Rechtsver-gleichung

IGE ZR B 2000 VBS GS VBS ZR A 2000 1 2 GS DIK VBS BZS ZR 2000 2 L+T BASPO FAI ZR 2000 3 GST ZD ZR 2000 1

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GST AIOS 2001 1 GST UG DOS 2000 3 GST UG FSK 2000 3 GST UG FU 2000 1 1 3 3 GST UG OP 2001 1 1 GST UG Log 2000 1 GST UG Pers A 2000 1 GST UG SAN 2001 3 1 ZD Heer ZR 2000 3 1 ZD GR ZR 2000 1 1 ZD LW ZR 2000 1 1 BAKT ZR 2001 3 BALOG 2001 3 1 2 BAB (AC-Labor) 2001 1 BABLW ZR 2001 2 1 2 3 NAZ 2001 2 2 2 BABHE ZR 2001 1 2 Rekurskommissionen: 3

Rekurkommission für Zivilschutzangelegenheiten Rekurskommission VBS ausserparl. Kommissionen: 3 Behördenkommissionen 2 Verwaltungskommissionen 1 EFD 3 3

GS Registraturgemeinschaft mit EFV A 2000 3 3 2

Human Ressources

Informatikstrategieorgan Bund (ISB), ab 1.7.99 3 1 3 2

Stiftung solidarische Schweiz 3 2 2

EFV Registraturgemeinschaft mit GS A 2000 3

Kontrollstelle für die Bekämp-fung der Geldwäscherei 2001 3 Bundestresorerie Rechtsdienst

Finanz- und Rechnungswesen C 2001

Beschaffungskommission des Bundes

Finanzausgleich und Statistik

Vermögens- und Schuldenver-waltung 3

Währung, Wirtschaft, Finanz-märkte 3

Zentrale Ausgleichsstelle , Eidg. Ausgleichskasse C

Swissmint C 2001 3 EPA ZR B 2000 3 2

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BV-PLUS 2 3 Organisationsentwicklung 3 3

Zentrale Personalwerbung/ Stellenanzeiger

Geschäftsstelle der Koko für die Einreihung höherer Ämter 3 3

Begutachtende Kommission für Stellenbewertung 2 2

Kommission für die Bewertung höherer Ämter 2

EPA-Kolloquien 1

Personaldienst (Personaldos-siers) 1

Ausbildung/ Personalentwick-lung 1

Sozialberatung allgemeine Bundesverwaltung 1 2 2

EVK ZR C 2

neue Pensionskasse "Publica" 2 3

EAV ZR B 2000 3 2 BBL Direktionsregistratur B 3 1 Planarchiv 1 AeD B 1 1 ESTV Direktionssekretariat B 3 1

Sektion Personal und Organisa-tion A 3 1

Hauptabteilung Direkte Bun-dessteuer, Verrechnungs-steuer, Stempelabgaben, C 3 Steuererhebung/Steuerrück-erstattung 3 Eidg. Steuererlasskommis-sion (gehört zu Rechts-dienst Dir.Bundesst.) 3 1 Informationsstelle für Steuer-fragen C 3

Abteilung Internationales Steu-errecht, Doppelbesteuerung C 3 1

Abteilung Steuerstatistik und Dokumentation + Experte für unternehmungswirtschaftliche Steuerfragen C 3 1

Sektion Wehrpflicht C 3 1 1

Hauptabteilung Mehrwert-steuer C 1

Dienst Registratur An

2000 1 Abt. Rechtswesen

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Abt. Inspektorat Abt. Revisorat 1 Sektion Administratives

Sektion Wirtschaftsfragen Stabsstelle Gesetzgebung Finanzinspektorat 2 1 2 Direktion 2 3 3

Sektion Leistungsbezug/ Infor-matik

EZV ZR Oberzolldirektion B 1 EMK B 1 Bier- Tabakbesteuerung LSVA 3 1 Zollkreisdirektion Basel C Zollkreisdirektion Schaffhau-sen C 3 Zollkreisdirektion Genf C

Zollkreisdirektion Lugano C 1

400 Zollämter/Grenz- wachtpo-sten

EFK ZR A 2000 3

BIT B 3 Rekurskommissionen: Eidg.Steuerrekurskommission Eidg. Zollrekurskommission Eidg. Personalrekurskommission 1 Eidg. Alkoholrekurskommission Eidgenössische Rekurskommission für das öffentliche Beschaffungswesen

Rekurkommission für die Staatshaftung 1 2 ? ausserparl. Kommissionen: 2 2 EBK A 2001 3 2 2 2 Behördenkommissionen 2 2 2 Verwaltungskommissionen 2 2 1 Leitungsorgan 1 3 Vertretungen des Bundes 1 8 Vertretungen des Bundes in grenzüberschreitenden Gremien 1 EVD 3 2 GS ZR A 2000 3 2 ?

Vollzugsstelle für den Zivil-dienst 3

Büro für Konsumenten- fragen ? seco ZR A 3

Arbeitsinspektorat 1 Lausanne C 3 2 ? Arbeitsinspektorat 2 Aarau C 2000 3 1

Arbeitsinspektorat 3 Zürich C 2000 3 1 1

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Arbeitsinspektorat 4 St. Gallen C 2000 3 1 1 BBT ZR A 2000 2 2 2 BLW ZR A 2000 2 2 Gestüt Avenches C

Forschungsanstalt für Nutztiere C 3 1

Forschungsanstalt für Agrar-ökologie und Landbau C 2000 2 1

Forschungsanstalt für Milch-wirtschaft C 2000 1

Forschungsanstalt für Obst-, Wein- und Gartenbau C 2000 1 1

Forschungsanstalt für Pflan-zenbau C 1

Forschungsanstalt für Agrar-wirtschaft und Landtechnik C 2000 2 1

Bvet ZR C 2000 1 1 BWL ZR A 2000 1 BWO ZR B 2000 1 2 1 Personenregistratur WEG B 2000 3 2 1 Preisüberwachung B 2000 3 Rekurskommissionen:

Rekurkommission für Wettbewerbsfragen 2 2

Rekurskommission EVD

ausserparl. Kommissionen:

Wettbewerbskommission 2000 1 1

1 Behördenkommission 2 2

19 Verwaltungskommissionen

5 Vertretungen des Bundes 1 UVEK GS ZR A 1 BAV ZR A 2 BAZL C BWG B BFE ZR A 2 1 Nuklear A HSK B ASTRA B BAKOM A 2

BUWAL A ARE ZR inkl. Stab GV A ESTI B ERI B Rekurskommission: Rekurskommission UVEK 2 ausserparl. Kommissionen: Fonds Landschaft Schweiz 3 ComCom A 20 Behördenkommissionen

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10 Verwaltungskommissionen 6 Vertretungen des Bundes 11 Vertretungen des Bundes in grenzüberschreitenden Gremien

autonome Anstalten: SNB SUVA Die Post Erläuterungen: Aktenbilnder Alle bekannten Aktenbildner; ohne spezifische EDV-Systeme (Datenbanken etc.) Prio Priorität des Aktenbildners (nur soweit BAR intern festgelegt und bekannt) OV Organisationsvorschriften Rpl Registraturplan bzw. Ordnungsschema Gesch. Geschäftsbildung

1 entspricht den Weisungen über die Aktenführung 2 vorhanden, aber mit wesentlichen Mängeln 3 nicht vorhanden

Art. 1 Abs. 1 Bs. a BGA und Einheiten der dezentralen Bundesverwaltung, die nicht Weisung über die Aktenführung unterstehen

Art. 1 Abs. 1 Bs. b, c, g BGA ohne Einheiten der dezentralen Bundesverwaltung Art. 1 Abs. 1 Bs. d BGA Art. 1 Abs. 1 Bs. e u. f BGA Art. 1 Abs. 1 Bs. h BGA Quellen: Inspektionsberichte des Bundesarchivs Staatskalender (Ausgabe 2000, Angaben aktualisiert auf Grund der im BAR verfügbaren Informatio-nen) Liste der ausserparlamentarischen Kommissionen der Bundeskanzlei (http://www.bk.admin.ch/ch/d/cf/ko/index.html) Verzeichnis der schweizerischen Botschaften, Konsulate und Koordinationsbüros der Entwicklungszu-sammenarbeit (Ausgabe Oktober 2001)

 

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1.  Ein  Abbild  der  Reichweite  der  Archivpolitik   Diese tabellarische Darstellung bietet nicht nur einen Überblick über die Qualität der Akten-führung bei den einzelnen Aktenbildnern, sie offenbart auch die tatsächliche Reichweite der Archivpolitik. Gemäss seinem eigenen Leitbild ist das Bundesarchiv das Gedächtnis der Nati-on. Eine derart weit reichende Darstellung der Archivpolitik ist kaum möglich. Immerhin lässt sich prüfen, inwiefern das Bundesarchiv wenigstens das Gedächtnis der Verwaltung ist. Die Auflistung der grossen Zahl Akten bildender Stellen soll zeigen, wo welcher Impact der Ar-chivpolitik auf die Verwaltung gemessen werden kann. Die Frage ist: Wie weit gelingt es dem Bundesarchiv, das Recordsmanagement der Verwaltung so zu steuern, dass am Ende die Ziele der Archivpolitik erreicht werden? Welche Bereiche die Archivpolitik umfassen soll, ist in Artikel 1 Absatz des Archivierungs-gesetzes festgelegt. Nicht für alle Aktenbildner gelten aber genau dieselben rechtlichen Be-stimmungen. Und nicht alle Aktenbildner geniessen dieselbe Priorität in der Umsetzung der Archivpolitik. Diese Unterschiede lassen sich an der Tabelle zum Sicherungsstand ablesen. Die verschiedenen Aktenbildner habe ich in fünf Kategorien zusammengefasst, die unter-schiedlichen Intensitätsgraden der Archivpolitik entsprechen:

1. Die erste Kategorie umfasst diejenigen Aktenbildner, die dem Archivierungsgesetz und allen Folgeerlassen bis zur Aktenführungsweisung unterworfen sind. Es sind die-jenigen Aktenbildner, die durch das Bundesarchiv am intensivsten betreut werden können.

2. Diese Kategorie umfasst diejenigen Aktenbildner, deren Unterlagen ebenfalls im Bun-desarchiv archiviert werden, die aber nicht der Aktenführungsweisung unterstehen.

3. Die Rekurs- und Schiedskommissionen bilden eine besondere Kategorie, weil sie sel-ber entscheiden können, ob sie ihre Unterlagen selbständig archivieren oder ob sie sie dem Bundesarchiv abliefern wollen.

4. Die Kategorie der autonomen Anstalten umfasst Aktenbildner, die selbständig archi-vieren, und solche, deren Unterlagen im Bundesarchiv archiviert werden. Es obliegt aber dem Bundesrat, diejenigen autonomen Anstalten zu bezeichnen, die selbständig archivieren müssen77.

5. Welche Personen des öffentlichen oder privaten Rechts ebenfalls dem Archivierungs-gesetz unterworfen sind, ist noch nicht definitiv festgelegt, da die Geltungsbereichver-ordnung noch nicht verabschiedet wurde. Auch in diesem Fall obliegt es dem Bundes-rat zu entscheiden, ob diese Personen selbständig archivieren oder ob sie ihre Unterla-gen dem Bundesarchiv anzubieten haben.

6. Das Bundesgericht und das Eidgenössische Versicherungsgericht sind hier mehr der Vollständigkeit halber aufgeführt. Beide sind zwar verpflichtet, die Archivierung ihrer Unterlagen gemäss dem Archivierungsgesetz zu regeln, die Kompetenzen des Bun-desarchivs erschöpfen sich aber in einem unverbindlichen Anhörungsrecht.

Archivpolitik ist demnach nicht nur ein weites, sondern auch ein äusserst disparates Feld. Der Weg von der ersten bis zur sechsten Kategorie ist durch jeweils abnehmende Kompetenzen des Bundesarchivs gekennzeichnet. Dies ist aber keine Aussage über die Wichtigkeit der jeweiligen Aktenbildner. Im Gegenteil: die Akten des Bundesgerichts oder der Nationalbank dürften mindestens von ebenso grossem Interesse sein wie die Unterlagen der zentralen Bun-desverwaltung.

77 Die Nationalbank archiviert in jedem Fall selbständig. Art. 4 Abs. 3 BGA.

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Einen direkten Einfluss auf das Recordsmanagement kann das Bundesarchiv in der ersten Kategorie der Aktenbildner ausüben. Die Aktenführungsweisung ist der dazu notwendige juristische Hebel. Aber auch in allen anderen anbietepflichtigen Stellen und in den meisten selbständig archivierenden Stellen hat das Bundesarchiv das Recht, Registraturen zu besichti-gen und Erhebungen über den Zustand der dort verwahrten Unterlagen durchzuführen78.

a)  Was  ist  ein  Aktenbildner?   Für die Statistik der Informationssicherung wurde auf eine pragmatische Definition zurückge-griffen: Ein Aktenbildner ist eine Organisationseinheit, die Unterlagen selbständig verwaltet und/oder Unterlagen selbständig dem Bundesarchiv anbietet. Diese Definition orientiert sich an den realen Abläufen und nicht an der hierarchischen Einstufung. Ein Aktenbildner kann ein ganzes Bundesamt sein, aber auch eine einzelne Sektion oder ein einzelner Dienst. In besonderen Fällen, wie zum Beispiel im Eidg. Departement für auswärtige Angelegenheiten, kann die Organisation der Aktenbildung sogar quer zur hierarchischen Einordnung angelegt sein. Im Normalfall besteht aber in einem Bundesamt eine Zentralregistratur, über welche die meisten Unterlagen ans Bundesarchiv abgeliefert werden, ergänzt durch vereinzelte Dienste, welche besondere Unterlagen verwalten und diese direkt abliefern (Personaldienste, Doku-mentationsstellen). Die Kolonne „Aktenbildner“ enthält die nach dem gegenwärtigen Stand des Wissens vollständige Liste der Akten bildenden Partner des Bundesarchivs. Wo Partner nur summarisch aufgeführt sind, handelt es sich um Aktenbildner, die noch nicht systematisch erfasst wurden (in erster Linie ausserparlamentarische Kommissionen). Die Kolonne „Amt“ gibt an, zu welchem Bundesamt oder vergleichbaren grösseren Organisationseinheit ein Ak-tenbildner gehört. Der besseren Übersicht halber habe ich zudem eine Unterteilung nach De-partementen eingefügt (graue Querbalken). Die Aktenbildner sind die der Statistik des Sicherungsstandes zugrunde gelegten Individuen. Deren extrem unterschiedliche Grösse muss bei der Interpretation der Statistik stets mitge-dacht werden. Einfache Vergleiche 1 : 1 sind unzulässig. Auch ist die Anzahl der Aktenbild-ner in einem Departement keine Aussage über die Grösse dieses Departements. Leider kann noch niemand zuverlässige Angaben machen, wie sich die über 21 000 Angestellten der Bun-desverwaltung79 auf die einzelnen Aktenbildner verteilen. Zudem ist es fraglich, ob die An-zahl der Angestellten wirklich ein zuverlässiger Indikator wäre, um eine Gewichtung der Aktenbildner vornehmen zu können. Die Anzahl der installierten Computerarbeitsplätze wäre wahrscheinlich der beste Gewichtungsfaktor, um die Bedeutung der Aktenbildner quantitativ vergleichen zu können.

b)  Priorisierung   Die Priorisierung der Aktenbildner ist ein Steuerungsinstrument, das durch das Bundesarchiv nur intern angewendet wird. Ursprünglich war geplant gewesen, die Priorisierung der Akten-bildner auch als Bewertungsinstrument einzusetzen. Die Unterlagen der mit Priorität „hoch“ eingestuften Aktenbildner sollten prioritär gesichert werden. Für die Bewertung stellte sich diese Einteilung aber als zu grob heraus. Die Priorisierung ist aber als Managementinstrument

78 Art. 5 Abs. 2 BGA (anbietepflichtige Stellen). Bei den selbständig archivierenden Stellen ist nur die National-bank ausgenommen. Art. Art. 8 Abs. 1 u. 2 VBGA. 79 In dieser Zahl nicht eingeschlossen sind die Angestellten der ETH und EPFL sowie der Militärbetriebe. NZZ (18. 9.2002) 21.

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immer noch in Kraft. Die Informationssicherung des Bundesarchivs soll ihre Ressourcen primär auf diejenigen Aktenbildner mit hoher Priorität konzentrieren. Im Klartext bedeutet dies, dass Inspektionen der Aktenführung zuerst bei den sogenannten A-Ämtern durchgeführt werden sollen. Für die Einteilung der Aktenbildner in drei Klassen sind nach wie vor die von der Arbeits-gruppe Priorisierung des Bundesarchivs am 8. August 1994 verabschiedeten Kriterien mass-geblich:

A Die Dienststelle kann allein oder mit anderen über Gesetze, Bundesbeschlüsse oder Ausführungserlasse entscheiden. Ein sehr grosser Anteil der Arbeit der Dienststelle besteht aus Politikvorbereitung. Die Vollzugskompetenzen beinhalten eine breite Kon-trolle der Handlungen und Freiheiten der Bürger und die entsprechenden Akten sind sehr aussagekräftig.

B Die Dienststelle leistet in bestimmten Bereichen einen grossen Beitrag an die Politik-vorbereitung. Die Dienststelle hat bei ihren Ausführungsentscheiden einen sehr hohen Ermessensspielraum. Der Vollzug hat tief greifende Auswirkungen auf Gesellschaft, Wirtschaft, Kultur und Umwelt.

C Die Dienststelle ist höchstens am Rande mit Politikvorbereitung befasst. Die Ausfüh-rungsentscheide sind formalisiert und lassen nur einen bescheidenen Ermessensspiel-raum. Die Auswirkungen des Vollzugs auf Gesellschaft, Wirtschaft, Kultur und Um-welt sind eher gering und ziemlich spezialisiert.80

Von allen Aktenbildnern mit der Priorität „A“ wurden die Parlamentsdienste, die Bundes-kanzlei, die Direktion für Entwicklung und Zusammenarbeit, das Bundesamt für Ausländer-fragen und die ComCom noch nicht durch das Bundesarchiv inspiziert81. Entsprechende Er-hebungen sind aber noch für dieses oder das nächste Jahr geplant. Insofern hat die Priorisie-rung der Aktenbildner wenigstens als Managementinstrument seine Aufgabe erfüllt. Zudem erlaubt die Priorisierung eine Gewichtung der Probleme. Die schlechte Aktenführung in ei-nem A-Amt müsste zu grösserer Besorgnis Anlass geben als eine vergleichbare Situation bei einem Aktenbildner, dessen Priorität mit „C“ eingestuft wurde.

 

2.  Statistische  Auswertung  

a)  Evaluation  der  Organisationsvorschriften   Recordsmanagement ist nicht in erster Linie ein technisches, sondern ein organisatorisches Problem. Deshalb müssen die Organisationsvorschriften besonders beachtet werden, wenn der Stand der Aktenführung erhoben werden soll. Jede Verwaltungseinheit Organisationsvor-schriften ist verpflichtet, die Organisation der Aktenführung in internen Vorschriften verbind-lich zu regeln82. Solche Vorschriften sind kein Selbstzweck, sondern sie bilden zusammen mit dem Ordnungssystem den organisatorischen Rahmen für eine gute Aktenführung.

80 Chiquet (2001-B) 10 f. 81 Die Parlamentsdienste und die DEZA habe ich immerhin als Fallstudien näher untersucht. 82 Art. 5 Abs. 2 Aktenführungsweisung.

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Dass 43% der Aktenbildner keine Organisationsvorschriften erlassen haben, ist besorgniser-regend. Das Fehlen solcher Vorschriften bedeutet nicht zwingend, dass die Aktenführung schlecht ist. Ein gut eingespielter Verwaltungsapparat kann auch ohne explizite, schriftlich festgehaltene Regelwerke korrekt funktionieren. Nur tut er dies vermutlich nicht mehr lange. Eine rein auf das implizite Wissen der Mitarbeitenden aufbauende Organisation der Aktenfüh-rung setzt voraus, dass die Personalfluktuation und der organisatorische Wandel sehr gering sind. Beide Voraussetzungen sind heute nicht mehr gegeben. Das Fehlen von Organisations-vorschriften ist so eine eigentliche Zeitbombe. Bei jedem Personalwechsel, bei jeder Um-gruppierung von Ämtern geht unwiederbringlich Wissen verloren. Der Erlass von Organisati-onsvorschriften ist ein Mittel, das implizite Wissen über die Aktenführung explizit zu ma-chen. Nur so können die Voraussetzungen geschaffen werden, dass auch in Zukunft alle Mit-arbeitenden wissen, wie die Aktenführung gehandhabt werden muss und welche Rolle ihnen dabei zukommt. Nur in sehr kleinen Ämtern kann auf den Erlass von Organisationsvorschrif-ten auf Dauer verzichtet werden: Die fünf Mitarbeitenden des Seeschifffahrtsamts in Basel werden sich wohl auch in Zukunft selber absprechen können, wie sie ihr Schriftgut verwalten wollen.

b)  Evaluation  der  Registraturpläne   Die Registraturpläne beziehungsweise Ordnungssysteme sind eine unverzichtbare Vorausset-zung für ein gutes Recordsmanagement. Für die Aktenführung ist ein umfassendes Ordnungs-system zwingend vorgeschrieben83. Die Registraturpläne werden deshalb in der Auswertung besonders evaluiert. Fehlt ein Ordnungssystem, kann die Aktenführung keinesfalls gut sein.

83 Art. 5 Abs. 1 Aktenführungsweisung.

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Immerhin zwei Drittel der Aktenbildner verfügen über ein Ordnungssystem, das den Vorga-ben des Bundesarchivs entspricht. Aber einer von acht Aktenbildnern hat überhaupt keinen Registraturplan. Wo dieses Rückgrat des Recordsmanagements fehlt, kann die Aktenführung nicht gut oder auch nur befriedigend sein. Eine Geschäftsbildung ist dort unmöglich, und die Nachvollziehbarkeit der Verwaltungstätigkeit ist nicht gewährleistet.

c)  Evaluation  der  Geschäftsbildung   Die Qualität der Geschäftsbildung hängt einerseits von den Organisationsvorschriften, ande-rerseits vom Ordnungssystem ab. Diese beiden bilden die Voraussetzungen für eine Ge-schäftsbildung, die den Qualitätsanforderungen des Bundesarchivs entspricht. Die Geschäfts-bildung ist aber nicht einfach eine Funktion der beiden anderen Indikatoren, sie bildet eine unabhängige Variable, die in den Inspektionen separat erhoben wird. Es ist also im Prinzip möglich, dass ein Aktenbildner über perfekte Organisationsvorschriften und Ordnungssyste-me verfügt, aber dennoch eine ungenügende Geschäftsbildung aufweist. Dies ist etwa dann der Fall, wenn diese Instrumente nicht oder mangelhaft angewendet werden.

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Vergleicht man das Diagramm der Geschäftsbildung mit den Diagrammen der Organisati-onsvorschriften und der Registraturpläne, fällt sofort eine deutliche Übereinstimmung mit dem letzten auf. Diese Übereinstimmung zeigt sehr schön, dass eine Geschäftsbildung ohne Registraturplan grundsätzlich unmöglich ist. Hingegen kann es vorkommen, dass die Akten-führung auch dann noch gut ist, wenn Organisationsvorschriften fehlen. Bedenklich ist, dass 15% der Aktenbildner über keine oder nur eine ungenügende Geschäfts-bildung verfügen. Man muss davon ausgehen, dass Akten dort zwar abgelegt werden, dass aber der Geschäftszusammenhang der Dokumente nicht mehr rekonstruierbar ist. Damit erge-ben sich nicht nur für die spätere Archivierung, sondern schon für die Verwaltungstätigkeit enorme Probleme. Es bleibt also noch viel zu tun, um das Recordsmanagement nachhaltig zu verbessern. Allerdings sind die Problembereiche sehr ungleich auf die Bundesverwaltung verteilt, wie aus unten stehendem Vergleich zu entnehmen ist.

 

3.  Die  Departemente  im  Vergleich   Höchst aufschlussreich ist ein Vergleich der Parlamentsdienste und der sieben Departemen-te84. Offensichtlich ist die Qualität der Aktenführung innerhalb der Bundesverwaltung sehr unterschiedlich. Die unten stehende Tabelle bezieht sich auf die Geschäftsbildung, wie sie im Rahmen der Inspektionen des Bundesarchivs evaluiert wurde. Ich habe mich bei dieser Aus-wertung bewusst auf diesen Indikator beschränkt, weil er am aussagekräftigsten ist. Wo die Qualität der Geschäftsbildung ungenügend ist, kann nicht garantiert werden, dass die Nach-vollziehbarkeit der Verwaltungstätigkeit für die Zukunft gewährleistet werden kann. „Rot“ bedeutet: Hier drohen grosse Überlieferungslücken. Die Hitliste der gefährdeten Departemen-te wird angeführt durch das Finanzdepartement mit acht problematischen Aktenbildnern, dicht gefolgt durch das Departement für Verteidigung, Bevölkerungsschutz und Sport mit fünf 84 Die Bundeskanzlei fungiert nicht in diesem Vergleich, weil dort noch keine Inspektionen der Aktenführung vorgenommen wurden.

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Stellen, deren Geschäftsbildung ungenügend ist. Aber auch im EDI, im EJPD und im EVD können ein bis zwei Aktenbildner identifiziert werden, deren Qualität ungenügend ist.

Diese quantitative Auswertung bedarf eines qualitativen Kommentars. Ich erläutere deshalb für jedes Departement wo nötig die besondere Situation.

a)  Kommentare  zu  den  einzelnen  Departementen   Parlamentsdienste Bei den Parlamentsdiensten ist die Situation insofern einfach, als hier nur ein Aktenbildner evaluiert wurde, der vor kurzem ein eigenes Recordsmanagementsystem eingeführt hat. Vor der Einführung des RMS wäre die Aktenführung sicher nicht als „gut“ qualifiziert worden (vgl. im übrigen die Fallstudie unten). Eidg. Departement für auswärtige Angelegenheiten Anders als andere Departemente verfügt das EDA über eine Schriftgutverwaltung, die mehre-re Direktionen umfasst. Dadurch kann das äusserst homogene Bild erklärt werden. Das Gene-ralsekretariat, die Politische Direktion und die Direktion für Völkerrecht haben eine gemein-same Schriftgutverwaltung, die konventionell als Registratur mit Papierablage organisiert ist. Diese Registratur- und Archivorganisation des EDA zeigt, dass auch mit konventionellen Mitteln gute Ergebnisse erzielt werden können. Die Direktion für Entwicklung und Zusam-menarbeit verfügt über ein autonomes Recordsmanagement und setzt das RMS von Fabasoft ein (vgl. Fallstudie).

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Eidg. Departement des Innern Das EDI ist ein sehr heterogenes Departement. Entsprechend uneinheitlich ist die Schriftgut-verwaltung organisiert. Vorherrschend sind noch die konventionellen Registraturen, die aber in mehreren Ämtern durch Geschäftskontrollsysteme unterstützt werden. Die beiden Akten-bildner mit ungenügender Geschäftsbildung sind Meteo-Schweiz und der Schweizerische Wissenschafts- und Technologierat. Diese Mängel wurden durch das Bundesarchiv gerügt. Beide Stellen haben in der Konsequenz Projekte für die Einführung eines Recordsmanage-ments begonnen. Eidg. Justiz- und Polizeidepartement Im EJPD wurde einzig das Bundesamt für Metrologie und Akkreditierung (ehemals Bundes-amt für Messwesen) als Problemfall identifiziert. Bemerkenswert ist in diesem Departement, dass diejenigen Ämter, die im engeren Sinn hoheitliche Aufgaben erfüllen, wie das Bundes-amt für Polizei und das Bundesamt für Flüchtlinge, über eine gute Schriftgutverwaltung ver-fügen. Das BMA ist dagegen eher ein Dienstleistungsbetrieb, der gemäss den Regeln des new public management funktioniert. Auch ein Betrieb, der sich an den Produkten und Kunden orientiert, sollte über ein gutes Recordsmanagement verfügen. Diese Erkenntnis muss sich aber noch durchsetzen. Eidg. Departement für Verteidigung, Bevölkerungsschutz und Sport Im VBS konzentrieren sich die Aktenbildner mit ungenügender Geschäftsbildung im General-stab. Dies kann sicher teilweise auf die Kultur der Geheimhaltung zurückgeführt werden. Nach dem Prinzip „Kenntnis nur wenn nötig“ gelangen viele Schriftstücke gar nie in die Re-gistratur, sondern verschwinden in Büros oder klassifizierten Ablagen. Entsprechend schwie-rig gestaltet sich die spätere Archivierung dieser Dokumente. Als weiterer erschwerender Faktor kommen die vielen Reorganisationen hinzu, die den Aufbau eines Recordsmanage-ments massiv behindern. Oft ist ein neuer Registraturplan schon überholt, bevor er fertigge-stellt ist. Dass die Aktenführung der Untergruppe Sanität ungenügend ist, gibt Anlass zu Be-sorgnis, wenn man bedenkt, dass diese Dienststelle mit besonders sensiblen Personendaten befasst ist. Eidg. Finanzdepartement Das EFD vereinigt die grösste Zahl von Problemfällen. Auch hier fällt auf, dass mit dem Ärztlichen Dienst der Bundesverwaltung eine mit sensiblen Personendaten befasste Stelle über keine genügende Schriftgutverwaltung verfügt. Dass die Kontrollstelle für die Bekämp-fung der Geldwäscherei keine geordnete Aktenführung hat, muss wohl auf die Turbulenzen zurückgeführt werden, welche diese Dienststelle erschütterten und die auch in der Öffentlich-keit wahrgenommen wurden. Die beiden zentralen Informatikorgane des Bundes, das Informatikstrategieorgan und das Bundsamt für Informatik und Telekommunikation, haben eine notorisch schlechte Aktenfüh-rung. Dahinter verbirgt sich ein spezifisches Problem der Arbeitskultur der Informatiker. Diese sind sich offensichtlich gewohnt, an die Zukunft zu denken. Die Vergangenheit und damit auch die Ablage und Archivierung von Schriftgut ist in dieser schnelllebigen Branche offensichtlich nicht von Interesse.

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Eidg. Volkswirtschaftsdepartement Das EVD verfügt insgesamt über eine Aktenführung von höchstens durchschnittlicher Quali-tät. Es gibt zwar nur einen Aktenbildner mit ungenügender Geschäftsbildung, die Forschungs-anstalt für Milchwirtschaft. Aber auch beim Staatssekretariat für Wirtschaft mussten ernst zu nehmende Mängel konstatiert werden. Möglicherweise zeigen sich hier in der Aktenführung noch die Spuren der noch nicht bewältigten Fusion von BIGA und BAWI. Eidg. Departement für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation Das UVEK ist in dieser Statistik nur mit fünf Aktenbildnern repräsentiert. Dies ist darauf zurückzuführen, dass im UVEK die grossen Bundesämter nur über eine Zentralregistratur ohne Aussenstellen oder autonome Ablagen verfügen. Das UVEK verfügt wie das EDA über keinen einzigen Aktenbildner, dessen Geschäftsbildung als ungenügend qualifiziert werden musste.

 

4.  Fallstudien  

a)  Direktion  für  Entwicklung  und  Zusammenarbeit   Die Direktion für Entwicklung und Zusammenarbeit ist eine der Direktionen des Eidg. Depar-tements für auswärtige Angelegenheiten. Im Gegensatz zur Politischen Direktion oder zur Direktion für Völkerrecht, die mehr für „allgemeine“ oder traditionelle Diplomatie zuständig sind, widmet sich die DEZA einem besonderen Teil der Aussenpolitik. Das heisst aber kei-neswegs, dass die Entwicklungspolitik einen kleinen oder vernachlässigbaren Teil der schweizerischen Aussenpolitik darstellt. Im Gegenteil: Alle fünf Ziele der schweizerischen Aussenpolitik sind untrennbar mit der Entwicklungspolitik verbunden85. Die Entwicklungszu-sammenarbeit soll die Entwicklungsländer im Bestreben unterstützen, „die Lebensbedingun-gen ihrer Bevölkerung zu verbessern. Sie soll dazu beitragen, dass diese Länder ihre Entwick-lung aus eigener Kraft vorantreiben. Langfristig erstrebt sie besser ausgewogene Verhältnisse in der Völkergemeinschaft.“86 Damit sie diese Ziele erreichen kann, benötigt die DEZA einen umfangreichen Apparat im In- und Ausland. Die Zentrale in Bern ist in sechs Sparten geglie-dert, wovon zwei eigentliche Querschnittsaufgaben erfüllen (Allgemeine Dienste sowie The-men und Fachwissen). Im Ausland ist die DEZA durch 35 Koordinationsbüros präsent. Dass der Informations- und Wissensaustausch in einer derart umfangreichen und teilweise dezen-tralisierten Organisation von besonderer Bedeutung ist, versteht sich von selbst. Dazu kommt der internationale Wissensaustausch mit den Partnerländern und mit internationalen Organisa-tionen. Aus diesem Grund hat die DEZA entschieden, dem Wissensmanagement einen hohen Stellenwert beizumessen. Grundsätzlich sollen alle Informationen allen Mitarbeitenden der

85 Die fünf Ziele sind: Wahrung und Förderung von Sicherheit und Frieden, Förderung von Menschenrechten, Demokratie und Rechtsstaat, Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen, Förderung der Wohlfahrt, Abbau sozia-ler Gegensätze. Aussenpolitischer Bericht (2000) 268. 86 Art. 5 Abs. 1 Bundesgesetz über die internationale Entwicklungszusammenarbeit und humanitäre Hilfe vom 19. März 1976, SR 974.0.

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DEZA frei zugänglich sein87. Um ein derart anspruchsvolles Ziel zu erreichen, müssen alle vorhandenen Informationen so strukturiert werden, dass sie auch tatsächlich von allen Betei-ligten in nützlicher Frist abgerufen werden können. Die Einführung eines Recordsmanage-mentsystems erwies sich deshalb als unumgängliche Massnahme. Die Schriftgutverwaltung vor Beginn des Projekts Schon vor Projektbeginn gab es in der DEZA eine Schriftgutverwaltung, die nach einheitli-chen Regeln aufgebaut war. Das Ordnungssystem war aber gemäss den damaligen Abteilun-gen aufgeteilt (Entwicklungshilfe, humanitäre Hilfe, Osteuropa). Die Unterlagen und Dossiers wurden zentral durch die Kanzlei verwaltet. Damit hatten alle Mitarbeitenden Zugriff auf die Unterlagen, die sie für ihre Arbeit benötigten. Dieser Zugriff konnte aber nicht direkt und unmittelbar geschehen wie in einem Dokumentenmanagementsystem. Die Koordinationsbü-ros regelten ihre Aktenführung autonom, wenn sie in einem Land als alleinige Schweizer Vertretung präsent waren. In Ländern, die auch Standort einer Schweizer Botschaft sind, war die Schriftgutverwaltung inklusive Archivierung durch die Kanzlei der Botschaft gewährlei-stet. Das Projekt Im Jahre 1999 erteilte die Direktion der DEZA den Auftrag, ein neues Recordsmanagement-system einzuführen. Dieses System sollte ein zentrales Instrument für das Wissensmanage-ment der DEZA werden. Beabsichtigt war, dieses RMS zum unternehmensweiten Dokumen-tenspeicher zu machen, auf den aus anderen Anwendungen wie SAP und aus dem Internet direkt zugegriffen werden kann88. Grundsätzlich sollten alle Informationen und alles Wissen innerhalb der DEZA allen Mitarbeitenden zur Verfügung stehen. Dieser Anspruch setzt einen dezentralen Zugriff auf die Dokumente voraus, was wiederum zwingend zur Folge hat, dass ausnahmslos alle Dokumente in digitaler Form zur Verfügung stehen müssen. Seit dem 1. Januar 2002 wird das System operativ eingesetzt. Die Projektorganisation Die strategische Steuerung des Projekts wurde durch einen Lenkungsausschuss der Geschäfts-leitung der DEZA wahrgenommen. Die operative Leitung des Projekts DMS DEZA lag bei einem eigens für dieses Projekt eingestellten Projektleiter. In das Projektteam einbezogenen waren die Informatik, das InfoRec (= Kanzlei) und teilweise externe Konsulenten. Daneben bestand noch eine Begleitgruppe, in der die vier Sparten der DEZA repräsentiert waren. Die Hauptverantwortung für die operative Leitung des Projekts lag also nicht bei denjenigen Per-sonen, die schon vorher für die Aktenführung der DEZA verantwortlich gewesen waren. Folge dieser Projektorganisation war, dass die Sichtweise der erfahrenen Registratoren in der Projektleitung nicht repräsentiert war. Ob damit bewusst ein Kulturwandel weg von der alt-backenen Registratur hin zum modernen Wissensmanagement angestrebt wurde, muss hier offen bleiben. Dieser Kulturwandel oder Kulturschock führte aber dazu, dass die wertvolle

87 Auf dem Weg zum Wissensmanagement (1999) 6 f. 88 Im Sprachgebrauch der DEZA ist stets von einem DMS (Documentmanagementsystem) die Rede. Gemäss dem angestrebten Leistungsumfang dieses DMS, das nicht nur die Dokumenten- sondern auch die Geschäfts-verwaltung umfasst, handelt es sich dabei eigentlich um ein Recordsmanagementsystem. Auf dem Weg zum Wissensmanagement (1999) 19.

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Erfahrung der Schriftgutverwalter nicht ausreichend in das Projekt eingebracht werden konn-te. Wir stehen hier vor der paradox anmutenden Situation, dass ein Wissensmanagement-Projekt dazu geführt hat, dass reichlich vorhandenes implizites Wissen nicht explizit und damit nutzbar gemacht werden konnte. Der kulturelle Graben zwischen zwei entscheidenden Akteuren – Projektleitung und Registratur – konnte nicht überbrückt werden. Damit war auch ein einheitliches Auftreten gegenüber dem dritten entscheidenden Akteur – den einzelnen Mitarbeitenden – nicht gewährleistet. Das DMS DEZA Das bei der DEZA eingeführte RMS ist das System Fabasoft, das auch durch das Bundesar-chiv favorisiert wird und in der Bundesverwaltung als einheitlicher Standard für die elektroni-sche Geschäfts- und Dokumentenverwaltung propagiert wird. Mit diesem Produktentscheid ordnete sich die DEZA in die Strategie des Bundesarchivs ein. Grundsätzlich ist damit auch gewährleistet, dass die Anforderungen der Aktenführungsweisung an elektronische Ge-schäftsverwaltungssysteme erfüllt werden. Die Bildung der Dossiers erfolgt nach einem Ord-nungssystem und sämtliche erforderlichen Metadaten sind im DMS DEZA korrekt definiert. Dennoch verlief die Einführung des DMS DEZA nicht ohne Differenzen mit dem Bundesar-chiv. Kritisiert wurde vor allem, dass die Darstellung der Dossiers und Dokumente auf der Benutzeroberfläche das Ordnungssystem nicht wiedergibt und dass die Dossier- und Doku-mentnummer keine Beziehung zum Ordnungssystem haben. Sie sind durch das System auto-matisch vergebene Laufnummern. Die Position im Ordnungssystem existiert gewissermassen nur im Hintergrund des DMS DEZA. Die einzelnen Mitarbeitenden können nicht direkt aus dem Aktenzeichen erkennen, zu welchem Dossier ein Dokument gehört und bei welcher Posi-tion des Ordnungssystems das betreffende Dossier eingeordnet ist. Die logische Struktur des Systems existiert für die einzelnen Anwender nur im Hintergrund und ist für sie nicht ohne weiteres ersichtlich. Dokumente können problemlos nach Stichworten oder nach Personen (z. B. Absender oder Adressat) gesucht werden. Die in den Dokumenten enthaltene Information ist so wieder auf-findbar und steht auch allen zur Verfügung. Was mit derartigen Suchmethoden aber nicht oder nur auf Umwegen rekonstruiert werden kann, ist der Geschäftszusammenhang. Man findet schnell alle Briefe, die an Herrn Meier abgeschickt wurden, auch wenn sie mehrere verschiedene Geschäfte betreffen. Kein einziges dieser Geschäfte ist aber durch die gefunde-nen Dokumente vollständig dokumentiert: es fehlen z. B. interne Vermerke und alle Briefe, welche dieselbe Angelegenheit betreffen, aber an andere Adressaten verschickt wurden. Nur die vollständig in einem Dossier vereinigten Dokumente, der record, geben eine zuverlässige Übersicht über den Stand eines Geschäftes. An dieser Problematik lässt sich sehr schön able-sen, wie der Ansatz „Wissensmanagement“ sich vom Ansatz „Recordsmanagement“ unter-scheidet. Diese beiden Ansätze müssen sich keineswegs ausschliessen. Ein gutes Recordsma-nagementsystem sollte im Gegenteil auch alle Suchfunktionen unterstützen, die für das Wis-sensmanagement gebraucht werden. Diese Suchfunktionen können aber die am Geschäft orientierte Dossierbildung nicht ersetzen. Das neue Ordnungssystem und die Organisationsvorschriften Der Aufbau eines neuen Ordnungssystems war von Anfang an integrierender Bestandteil des Projekts DMS DEZA. Als „Regplan 2001“ ist das Ordnungssystem beziehungsweise der „Akten- und Bewertungsplan“ das eigentliche Rückgrat der Geschäfts- und Dokumentenver-

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waltung. Dieser Plan erfüllt alle Vorgaben des Bundesarchivs und steht auch mit dem ISO-Standard 15 489 für Recordsmanagement im Einklang. Er orientiert sich in seinem Aufbau nicht an der Organisation der DEZA, sondern an den Prozessen, die oft organisationelle Gren-zen überschreiten. Durch den Plan wird die Eingabe der Metadaten (Position im Ordnungssy-stem) gesteuert. Der Plan enthält auch detaillierte Hinweise für die Dossierbildung. Organisationsvorschriften sind neben dem Ordnungssystem das zweite unerlässliche Mittel zur Steuerung des Recordsmanagements. Diese wurden durch die Projektleitung DMS DEZA als Weisung 1 ausgearbeitet und mit den Anhängen 1 (DEZA Zentrale) und 2 (Koordinations-büros) versehen. Diese Vorschriften regeln detailliert den Umgang mit eingehender und aus-gehender Post, mit eMail, zum internen Gebrauch bestimmten Papieren und so weiter. Dem InfoRec (Kanzlei) kommt primär die Aufgabe zu, eingehende Post einzuscannen, mit Metada-ten zu versehen und auf elektronischem Weg an die zuständigen Mitarbeitenden weiterzulei-ten. Die einzelnen Sachbearbeitenden sind selber für die Registrierung (Einordnen in ein Dossier) der an sie weitergeleiteten Dokumente verantwortlich. Nur das InfoRec hat jedoch die Kompetenz, Dossiers zu eröffnen oder zu schliessen. Damit ist eine gewissen Kohärenz in der Registrierung gewährleistet. Problematisch ist allerdings, dass das DMS DEZA die richti-ge Dossierzuteilung nur ungenügend unterstützt, weil die Dossiernummer keinen erkennbaren Bezug zur Position im Ordnungssystem aufweist. Das Life-Cycle-Management Der Regplan (das Ordnungssystem) ist konsequent auf ein Life-Cycle-Management ausge-richtet. Für alle Positionen des Ordnungssystems wurde prospektiv über die Archivwürdigkeit entschieden. Für nicht dauernd aufzubewahrende Dokumente wurden entsprechend den ge-setzlichen Vorschriften oder sachlichen Erfordernissen die Aufbewahrungsfristen definiert. Schon bei der Einteilung der Projektablagen wurde die Archivwürdigkeit der Unterlagen mitberücksichtigt. Unterschieden wird grundsätzlich nach drei Arten von Projekten:

1. Kernprojekte, bei denen die DEZA die Federführung inne hat (in der Regel archiv-würdig)

2. Projekte anderer Bundesämter, über welche die DEZA bloss informiert wird oder bei denen sie eine untergeordnete Rolle spielt (nicht archivwürdig, da Federführung bei einem anderen Bundesamt)

3. Projekte anderer, in der Regel internationaler Organisationen, bei denen die DEZA nur eine untergeordnete Rolle spielt oder die durch die DEZA nur mitfinanziert werden (nicht archivwürdig)

Diese Organisation des Ordnungssystems im Hinblick auf die spätere Archivwürdigkeit der Unterlagen erleichterte die Ausarbeitung einer Archivierungsstrategie, die mittlerweile durch die Direktion des Bundesarchivs genehmigt wurde89. Die Voraussetzungen für ein Life-Cycle-Management der im DMS DEZA verwalteten Dokumente sind damit gegeben. Problematisch ist allerdings der Detaillierungsgrad der Bewertung. Die Anweisungen für die befristete Auf-bewahrung beziehungsweise Archivierung der Unterlagen beziehen sich nicht wie sonst üb-lich auf das Dossier, sondern auch auf Teildossiers oder sogar einzelne Dokumententypen. Die Praktikabilität dieses sehr ausgeklügelten Bewertungsinstruments muss im produktiven Einsatz noch bewiesen werden.

89 Entscheid der Direktion des Bundesarchivs vom 14.1.2002.

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Die Akzeptanz Das DMS DEZA wird durch die Mitarbeitenden noch nicht in vollem Umfang akzeptiert. Leider werden noch viele Dokumente auf persönlichen Ablagen im PC gespeichert, statt sie im DMS DEZA zu registrieren. Durch eine intensivierte Schulung und durch eine anwender-freundlichere Gestaltung der Benutzeroberfläche könnte dieses Akzeptanzproblem aber beho-ben werden. Schwerer wiegen die Differenzen zwischen der Projektleitung und der Zentralregistratur, die nicht in die Projektplanung einbezogen war. Damit sich das DMS DEZS im produktiven Ein-satz bewähren kann, muss die Zentralregistratur eine aktivere Rolle übernehmen. Sie sollte die Sachbearbeitenden dazu motivieren und befähigen, die Dokumente korrekt im System abzulegen und zu verwalten. Die Einführung des digitalen Recordsmanagements wurde durch die Mitarbeitenden der Zentralregistratur als Dequalifizierung empfunden. Als Gegenstrategie drängt sich eine Requalifizierung auf, indem die Zentralregistratur zu einem Kompetenzzen-trum für Records- und Wissensmanagement ausgebaut wird.

 

b)  Bundesamt  für  Statistik   Das Bundesamt für Statistik ist die Fachbehörde für die amtliche Statistik der Schweiz90. Es erbringt statistische Dienstleistungen für Verwaltungseinheiten des Bundes, übrige Benützer der Bundesstatistik und die Öffentlichkeit91. Das Bundesamt für Statistik erfüllt so einerseits eine hoheitliche Aufgabe, indem es befugt ist, für statistische Erhebungen Daten einzufordern. Auf der anderen Seite ist es ein Dienstleistungsbetrieb, der die gesammelten Daten dem Bun-desrat, der Verwaltung und der Öffentlichkeit zur Verfügung stellt. Dies hat Konsequenzen für die Schriftgutverwaltung: grundsätzlich ist zu unterscheiden zwischen den eigentlichen Geschäftsunterlagen und den statistischen Daten. Geschäftsunterlagen fallen zum Beispiel bei der Planung und Durchführung von Erhebungen an. Die statistischen Daten und ihre Auswer-tungen sind dagegen das Resultat der Erhebungen. Sie liegen heute beinahe ausnahmslos in Form von Datenbanken vor und bilden das sogenannte Datenkapital des Bundesamts für Sta-tistik. Die Schriftgutverwaltung vor Beginn des Projekts Vor dem Umzug nach Neuchâtel befand sich das Bundesamt für Statistik auf mehrere Stand-orte verteilt in Bern. Es gab keine einheitliche Schriftgutverwaltung. Sowohl die Geschäftsun-terlagen als auch die statistischen Daten wurden durch die einzelnen, dafür zuständigen Orga-nisationseinheiten autonom verwaltet. Es gab keinen einheitlichen Registraturplan. Dokumen-tenmanagementsysteme waren noch unbekannt. Die Mitarbeitenden des BfS hatten nur Zugriff auf die sie direkt betreffenden Dossiers, die in der Regel nach den jeweiligen Projek-ten abgelegt waren. Diese äusserst disparate Organisation der Unterlagen hatte Konsequenzen bis zur Organisation der Bestände im Bundesarchiv. Der Bestand des Bundesamts für Statistik enthält nicht weniger als 34 einzelne Statistikbereiche, die als „nicht registraturgebundenes Schriftgut“ eigene Teilbestände bilden. Aufgrund der sehr disparaten Organisation des Schriftguts war es nicht möglich, die Statistikbereiche in einem einheitlichen Bestand „Bun-desstatistik“ zusammenzufassen, wie dies eigentlich wünschbar und vor allem für spätere 90 Art. 10 Abs. 1 Organisationsverordnung für das Eidg. Departement des Innern, OV-EDI, SR 172.212.1. 91 Art. 10 Abs. 1 Bundesstatistikgesetz, BstatG, SR 431.01.

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Benutzer nützlich wäre. Organisatorisch sind diese Statistikbereiche auch heute noch auf immerhin 19 Sektionen aufgeteilt. Immerhin sind diese Sektionen beinahe ausnahmslos in Neuchâtel zusammengefasst. Nur zwei Sektionen befinden sich wegen akuter Platznot am Hauptstandort wieder in Bern92. Das Projekt Der Bezug des neuen Standortes in Neuchâtel im Herbst 1996 bildete den unmittelbaren An-lass für die Reform der Schriftgutverwaltung im Bundesamt für Statistik. Durch die räumliche Konzentration wurden auch die materiellen Voraussetzungen für ein einheitliches Records-management geschaffen. Als Pilotbetrieb wurden 1995 bis 1996 neue Registraturpläne für die Sektionen Bevölkerungs- und Haushaltsstruktur, Löhne und Arbeitsbedingungen sowie Ver-kehr erarbeitet. Diese Pläne waren schon so entworfen, dass sie in den später auszuführenden Gesamtplan des BfS integriert werden konnten. Das amtsweite Ordnungssystem wurde nach dem Umzug nach Neuchâtel 1997 realisiert. Die Reform des Recordsmanagements im Bundesamt für Statistik beinhaltete noch keine Verwaltung digitaler Dokumente. Die Registratur wurde konventionell organisiert. Die Do-kumente werden nach wie vor in Papierform abgelegt. Um die Zugänglichkeit der Dossiers für die jeweiligen Sachbearbeitenden zu erleichtern, hat man sich für das System der dezen-tralen Ablagen entschieden. Jede Sektion legt ihre Dokumente selbständig in einer eigenen Ablage ab. Damit wurde aber auch in Kauf genommen, dass jede Sektion nur auf ihre eigenen Dossiers direkt zugreifen kann. Die Verwaltung von Dokumenten, die sektionsübergreifende Projekte betreffen, ist mit diesem System kaum realisierbar. Arbeitsflüsse, die mehrere Sek-tionen umfassen, wären mit dem geltenden Registraturplan und der dezentralen Ablageorgani-sation nur mit grössten Schwierigkeiten zu verwalten. Als einzige gangbare Lösung bietet sich hier der Aufbau von Projektorganisationen an, die dann wiederum ihre Dokumente autonom verwalten. Dieses Vorgehen wurde im Bundesamt für Statistik zum Beispiel für die Durch-führung der Volkszählung 2000 gewählt. Die Projektorganisation Das neue Recordsmanagement wurde im Bundesamt für Statistik zur Hauptsache durch die Zentralregistratur organisiert. Die Projektleitung lag beim Chef der Sektion Logistik und Organisation. Die Bernische Datenverarbeitungs AG (BEDAG) war bis 1997 am Projekt beteiligt. Sie installierte das System Adesso und ist seither nur noch in beschränktem Umfang für den Support verantwortlich. Die Hauptverantwortung für das Projekt lag somit bei derje-nigen Stellen, welche auch tatsächlich für das Recordsmanagement im Bundesamt für Stati-stik zuständig ist. Akzeptanzprobleme bei der Registratur waren damit schon von Beginn an ausgeschlossen. Das System Adesso Adesso ist ein Geschäftsverwaltungssystem. Es dient aber nicht zur Ablage digitaler Doku-mente, ist also kein DMS. Es enthält auch keine Work-Flow-Funktionen. Ursprünglich war geplant, dieses System flächendeckend im ganzen Bundesamt für Statistik einzusetzen. Nach-dem Adesso 1996 bei drei Sektionen eingeführt worden war, wurde aber die weitere Verbrei-

92 Eidg. Staatskalender (2002) 146 ff.

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tung gestoppt. Das System erwies sich als zu kompliziert für einfache Anwender, die selber keine Experten des Recordsmanagements sind. Es gelang nicht, die Sachbearbeitenden zu motivieren, Dokumente selber in Adesso zu registrieren. Heute ist Adesso das unverzichtbare Arbeitsinstrument für die zentrale Registratur, wo auch das Amtsarchiv verwaltet wird. In der Regel werden aber nur Dossiers und Subdossiers ver-zeichnet. Einzelne Dokumente werden nur für das Projekt Volkszählung 2000 erfasst. Dieser Bereich hatte 1996 schon den Pilotbetrieb mit Adesso aufgenommen. Ebenfalls auf Stufe Dokument erfasst werden die Dienstleistungsverträge. Der neue Registraturplan Das Ordnungssystem des Bundesamts für Statistik deckt alle Aufgaben ab. Damit ist erstmals eine einheitliche Aktenführung gewährleistet. Der Hauptteil des Registraturplans umfasst die sogenannten Statistikbereiche, die sich wiederum an der organisatorischen Aufteilung des BfS orientieren. Es gibt also im Ordnungssystem keine Prozessorientierung, wie sie auch vom Bundesarchiv bei der Erstellung von Registraturplänen gefordert wird. Diese Gliederung des Registraturplans nach organisatorischen statt prozessorientierten Kriterien war unvermeidlich, weil die Ablagen dezentral durch die jeweils zuständigen Organisationseinheiten geführt werden. Sollte dieser Registraturplan dereinst durch ein prozessorientiertes Ordnungssystem abgelöst werden, wäre die Einführung des elektronischen Recordsmanagements unvermeid-lich, um weiterhin den dezentralen Zugriff auf die Dokumente zu ermöglichen. Das Life-Cycle-Management Das Bundesarchiv hat in Zusammenarbeit mit dem Bundesamt für Statistik ein Bewertungs-konzept und eine Archivierungsstrategie ausgearbeitet93. Erstmals liegt damit ein prospektives Bewertungsinstrument vor, das alle Unterlagen des BfS umfasst. Auch die statistischen Da-tenbanken sind durch das Ordnungssystem erfasst und wurden demzufolge bewertet. Wurden statistische Daten früher als sogenannt nicht registraturgebundenes Schriftgut als eigene Teil-bestände archiviert, werden sie in Zukunft im Bundesarchiv als Teil des Gesamtbestandes des Bundesamts für Statistik geführt werden können. Die archivische Bewertung statistischer Daten gestaltet sich etwas anders als die Bewertung üblicher Geschäftsunterlagen aus der Verwaltung. Statistische Daten sind vor allem wegen ihres Informationswerts (Quellen für die historische und sozialwissenschaftliche Forschung) archivwürdig, ihr Evidenzwert (Nachvollziehbarkeit der Verwaltungstätigkeit) kann demge-genüber vernachlässigt werden94. Zu berücksichtigen ist weiter, dass statistische Daten von der Sammlung der Rohdaten bis zu den verschiedensten Aggregierungen mehrere Bearbei-tungsstufen durchlaufen. Das Bundesarchiv hat deshalb in der Archivierungsstrategie zum Bundesamt für Statistik festgehalten, dass nur die plausibilisierten Daten (= bereinigte und evtl. anonymisierte Rohdaten) archiviert werden sollen. Damit ist sichergestellt, dass die Da-ten mit dem grössten Informationswert dauernd aufbewahrt werden. Für das Life-Cycle-Management der statistischen Daten wird auch das Projekt CODAM95 des BfS neue Voraus-setzungen schaffen, indem die Metadatenmodelle der verschiedenen Statistikbereiche verein- 93 Entscheid der Direktion des Bundesarchivs vom 30.10.2000. 94 Zur Unterscheidung von Evidenz- und Informationswert vgl. im übrigen Schellenberg (1990). 95 Corporate Data Management. Es handelt sich hier um ein Data-Ware-House-Projekt. Den Zusammenhang dieses Projekts mit der archivischen Bewertung statistischer Daten konnte ich an einem Workshop der Schweizer Statistiktage in Bern (25. – 27.9.2002) erläutern und diskutieren.

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heitlicht werden können und die Daten in einer zentralen Datenbank verwaltet werden, die ihrerseits gute Voraussetzungen für eine spätere Langzeitarchivierung bietet. Die Akzeptanz Die Regeln eines professionellen Recordsmanagements werden im Bundesamt für Statistik allgemein richtig angewendet. Erleichtert wird die korrekte Anwendung durch die dezentrale Ablageorganisation, welche es jeder Organisationseinheit erlaubt, den Überblick über ihre Unterlagen zu behalten und darauf problemlos zugreifen zu können. Allerdings fördert das System der dezentralen Ablagen auch die Hortung der Dossiers durch die einzelnen Sektio-nen. Der einfache und direkte Zugriff verführt die Mitarbeitenden dazu, Dokumente in ihren Büros zu behalten, die auf Grund ihres Alters schon lange hätten archiviert werden müssen. Zum Teil liegen noch Unterlagen aus der Zeit vor dem Ersten Weltkrieg in den dezentralen Ablagen. Interventionen des Bundesarchivs sind hier unumgänglich. Gegenwärtig steht ein organisatorischer Umbau des Bundesamts für Statistik zu einer Pro-zessorganisation zur Debatte. Sollte dieser Umbau realisiert werden, hätte dies auch Konse-quenzen auf das Recordsmanagement. Der Registraturplan müsste durch ein prozessorientier-tes Ordnungssystem ersetzt werden, und die Installation eines RMS wäre unumgänglich, um den dezentralen Zugang zu den Dokumenten weiterhin zu gewährleisten. Der 1997 eingeführ-te Registraturplan und das System Adesso bieten eine gute Ausgangsbasis für diesen nächsten Schritt zur Einführung eines RMS.

c)  Parlamentsdienste   Die Parlamentsdienste bilden das Dienstleistungsorgan für die Bundesversammlung. Sie stel-len sicher, dass die ganze Infrastruktur für die Parlamentarier und Parlamentarierinnen zur Verfügung steht und richtig funktioniert. Sie sind insbesondere verantwortlich für die gesamte Schriftgutverwaltung der Bundesversammlung: „Sie beschaffen und archivieren Dokumente für die Räte, Kommissionen, Fraktionen und einzelne Ratsmitglieder und werten sie aus.“96 Die PD können direkt mit den Dienststellen der Bundesverwaltung verkehren. Sie erhalten von der Verwaltung – soweit vom Bundesrat dazu ermächtigt – auch die Akten, die zur Erfül-lung ihrer Aufgabe notwendig sind.97 Das zentrale Sekretariat der PD registriert die Geschäf-te.98 Darüber hinaus erbringen aber die PD auch Dienstleistungen für die Bundesversamm-lung, die direkt oder indirekt einen Einfluss auf die Ratsgeschäfte haben können: Die Ge-schäftsleitung der PD steht den Ratsmitgliedern für Aufträge und Auskünfte zur Verfügung und sie bereitet die Sessionen vor.99 Die Sekretariate der Kommissionen und Delegationen erstellen Entwürfe für Kommissions- und Delegationsberichte und stehen den Ratsmitgliedern für die Beratung in Verfahrensfragen sowie für Sach- und Rechtsauskünfte zur Verfügung.100 Damit erbringen die PD für das „Halbberufsparlament“101 eine unverzichtbare Dienstleistung, wie sie in ausländischen, voll professionellen Parlamenten durch persönliche MitarbeiterInnen der Abgeordneten oder durch den Einsatz von Experten-Hearings erbracht werden. Unterla- 96 Art. 8novies Abs. 1 Bs. c GVG. 97 Art. 2 Abs. 3 Bundesbeschluss über die Parlamentsdienste, BBPD, SR 171.115. 98 Art. 10 Abs. 1 Bs. e BBPD. 99 Art. 9 Abs. 2 BBPD. 100 Art. 11 Abs. 2 Bs. d u. e BBPD. 101 Riklin (1991) 145 ff.

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gen, welche diese Tätigkeiten der PD dokumentieren, sind deshalb in gleichem Masse ar-chivwürdig wie die Dossiers der Ratsgeschäfte. Die Nachvollziehbarkeit aller Aktivitäten, welche die politischen Prozesse der Bundesversammlung beeinflussen, muss vollumfänglich gewährleistet bleiben. Hingegen sind Dokumente, welche die rein interne Arbeitsorganisation der PD betreffen, grundsätzlich nicht archivwürdig. Die Schriftgutverwaltung vor Beginn des Projekts Bevor die Parlamentsdienste ein Recordsmanagement einführten, gab es keine einheitliche Verwaltung der Unterlagen. Die verschiedenen Kommissionssekretariate arbeiteten weit ge-hend autonom. Die Schriftgutverwaltung war teilweise zentral organisiert (Dossiers der Rats-geschäfte), teilweise dezentral bei den einzelnen Kommissionssekretariaten oder beim Gene-ralsekretariat. Von den Geschäftsdossiers existieren drei Serien.102 Neu werden alle Unterla-gen durch die zentralen Dienste registriert. Die Geschäftsdossiers enthalten – aufgeteilt in Unterdossiers – sämtliche Unterlagen des parlamentarischen Verfahrens, die ein bestimmtes Geschäft betreffen. Ausgenommen sind einzig die Unterlagen der Geschäftsprüfungskommis-sionen und der Finanzdelegation. Beide verfügen über eine eigene Schriftgutverwaltung mit eigenem Registraturplan. Seit 1975 wurden die Ratsgeschäfte mit einer einheitlichen Nummerierung erfasst. Diese Nummerierung besteht aus zwei Komponenten: Die ersten beiden Ziffern geben das Jahr wieder, in dem Das Geschäft zu einem Ratsgeschäft wurde (Jahr der Einreichung eines par-lamentarischen Vorstosses oder Jahr der Vorlage an die Räte durch den Bundesrat). Dazu kommt eine vierstellige Nummer, die je nach Geschäftstyp vergeben wird103. Die dezentralen Ablagesysteme blieben daneben aber bestehen. Das heisst, dass weiterhin alle Dokumente, die nicht einem Ratsgeschäft zugeordnet werden konnten, in einer dezentralen Ablage ver-schwanden. Ob und wie die Mitarbeitenden der Parlamentsdienste Zugriff auf die relevanten Informationen hatten, lässt sich deshalb schwer beurteilen. Da es kein zentrales Informati-onsmanagement gab, hing sehr viel von der Selbstorganisation der beteiligten Akteure ab. Die Menge an Akten, die von den jeweiligen Sekretariaten dezentral gehortet worden waren, liess sich erst nachträglich feststellen. Im Rahmen der Einführung des neuen Strukturplans lancierte das Zentrale Sekretariat einen Aktenrückruf. Die Keller des Parlamentsgebäudes waren beinahe zu klein, um die Berge an Unterlagen aufnehmen zu können. Gegenwärtig werden diese Akten – sofern sie archivwürdig sind – durch Mitarbeiter der Parlamentsdienste geordnet und verzeichnet, damit sie anschliessend dem Bundesarchiv abgegeben werden können. Das Projekt Das erste Projekt für die elektronische Geschäftsverwaltung datiert aus dem Jahr 1993, evtl. 1992104. Eingeführt wurde damals das Programm Adesso, das aber nur durch das zentrale Sekretariat sowie die Sekretariate der Geschäftsprüfungskommission und der Finanzdelegati-on wirklich produktiv eingesetzt wurde. Weil Adesso wegen seiner Komplexität nur von 102 Diese Serien wurden im BAR als Bestand E 1070 archiviert: unnummerierte Serie des Zeitraums 1892 – 1925, nummerierte Serie (10‘000 – 12‘239) des Zeitraums 1910 – 1974, jährlich nummerierte Serie ab 1975. Das System der jährlichen Nummerierungen wurde in den neuen Strukturplan integriert. 103 0000 - 0199: Bundesratsgeschäfte, 0200 - 0299: Wahlen, 0300 - 0390: Standesinitiativen, 0400 0499: Parla-mentarische Initiativen, 1000 - 1999 und 3000 - 4999: Vorstösse, 2000 - 2999: Petitionen und Klagen. 104 Wann genau die ersten Arbeiten begannen, lässt sich nicht mit Sicherheit eruieren. Sobald die entsprechenden Dokumente aufgearbeitet und im Bundesarchiv verfügbar sein werden, lässt sich wohl auch diese Frage beant-worten.

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Registraturfachleuten gut angewendet werden kann, konnten die bestehenden Mängel und Probleme in der Dokumentenverwaltung höchstens zum Teil behoben werden (vgl. Fallstudie BfS). Vor allem das Problem der dezentralen, untereinander nicht kompatiblen Ablagen blieb bestehen. Dazu kamen noch die „wilden Ablagen“ in Aktenschränken oder auf Computer-Festplatten. 1996 begannen deshalb die ersten Arbeiten für die Evaluation eines neuen, digita-len Recordsmanagements. Im Herbst wurde das System share point portal server evaluiert. Es handelt sich um ein junges Produkt von Microsoft, das deshalb sehr gut mit den bestehenden Systemen der Büroautomation der MS-Office-Familie kommunizieren kann. Die definitive Version stand im April 2001 zur Verfügung. Effektiv eingeführt wurde das Programm zwi-schen August und November 2001. Heute wird es in allen Bereichen der Parlamentsdienste produktiv eingesetzt. Parallel zur Einführung des Recordsmanagementsystems musste auch ein neues Ordnungssy-stem eingeführt werden. Dieses liegt in der definitiven Fassung seit August 2001 vor. Erst-mals wurden sämtliche Aktivitäten der Parlamentsdienste in einem einheitlichen Ordnungssy-stem abgebildet. Der neue Strukturplan umfasst alle Dokumente, welche im Laufe der Be-handlung von Ratsgeschäften empfangen oder erstellt werden, er integriert aber auch alle Unterlagen im Zusammenhang mit den internen Aktivitäten der Parlamentsdienste. Für die Ratsgeschäfte wurde das seit 1975 bestehende Nummerierungssystem in den neuen Struktur-plan integriert. Die Projektorganisation Die Projektorganisation erfolgte dreistufig. Die Projektoberleitung lag beim stellvertretenden Generalsekretär der Parlamentsdienste. In die Projektleitung teilten sich die Leiterin des Zen-tralen Sekretariates und der Chef Informatik. Als dritte Stufe gehörten zum Projektteam zwei Vertreterinnen des Kommissionendienstes und je ein Vertreter oder eine Vertreterin des Ge-neralsekretariates, des Zentralen Sekretariates, der Dokumentationszentrale, der Allgemeinen Dienste und der Information. Damit war eine breit abgestützte Vertretung der späteren Benut-zer und Benutzerinnen des Systems gewährleistet. Während der ganzen Projektierungsphase fanden regelmässig Treffen der ganzen Projektor-ganisation und breite Vernehmlassungen statt zum Strukturplan und zu den Organisationsvor-schriften. Das Bundesarchiv war in die Projektorganisation als Beobachter integriert und nahm mit einem Vertreter jeweils an den Sitzungen teil.

 Der Leistungsumfang des share point portal server Das bei den Parlamentsdiensten eingeführte RMS erlaubt die Erstellung und Erfassung digita-ler Dokumente im Strukturplan. Die Dokumente werden nach dem im Ordnungssystem (= Strukturplan) vorgegebenen Schema erfasst und elektronisch abgelegt. Im digitalen Dossier sind sie jederzeit wieder auffindbar. Das System lässt keine „frei schwebenden“ Dokumente zu. Jedes Dokument kann nur gespei-chert werden, wenn es zuvor „eingecheckt“, das heisst registriert wurde. Der Vorgang des Eincheckens bedeutet, dass alle Metadaten, die nicht automatisch durch das System vergeben werden, manuell eingegeben werden müssen. Dies betrifft namentlich die Vergabe des Ak-tenzeichens, damit das Dokument einem Dossier zugewiesen werden kann. Eine kleine Hin-tertür blieb allerdings noch offen: Weiterhin können im MS-Office Dokumente unter „Eigene

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Dateien“ abgespeichert werden. Diese Konzession war notwendig, um die Akzeptanz des Systems bei den Mitarbeitenden zu gewährleisten. Dokumente können im System so lange verändert werden, bis sie „publiziert“ werden. Ein „publiziertes“ Dokument kann weiterhin eingesehen werden, seine Veränderung ist aber tech-nisch ausgeschlossen. Damit wird die Authentizität sichergestellt. Ohne eine solchermassen garantierte Authentizität wäre der Nachweis einer geordneten Geschäftstätigkeit nicht mög-lich. Soll ein „publiziertes“ Dokument weiter bearbeitet werden, muss eine neue Version erstellt werden. Damit ist die Nachvollziehbarkeit der Bearbeitungsschritte gewährleistet. Das Metadatenmodell Metadaten dienen der Beschreibung der Dokumente. Um einen gemeinsamen Standard für die ganze Verwaltung zu gewährleisten, hat das Bundesarchiv im Anhang der Aktenführungswei-sungen105 ein Metadatenmodell festgelegt. Zu jedem elektronisch registrierten Dokument müssen folgende Metadaten erfasst werden: Aktenzeichen (= Position im Ordnungssystem), Registraturdatum, Betreff (= sachlicher Gegenstand des Dokuments), Dokumentennummer, Dokumentendatum, Übermittlungsdatum, Unterlagentyp (z. B. eingehendes oder ausgehendes Dokument), Empfänger/in, Absender/in, Autor/in, Verteiler, Beilagen, Datei-Format. Dadurch soll sichergestellt werden, dass Dokumente stets wieder aufgefunden werden können und dass der Geschäftszusammenhang nachvollziehbar bleibt. Die Parlamentsdienste sind als Dienstleistungsbetrieb der Legislative nicht den Weisungen für die Bundesverwaltung unterstellt. Sie nutzten diesen Spielraum aus, um ein eigenes Metada-tenmodell zu entwerfen, das von den Vorgaben der Aktenführungsweisung abweicht. Nicht erfasst werden Empfänger/in, Absender/in, Verteiler und Beilagen. Die Parlamentsdienste gehen davon aus, dass diese Informationen im Dokument selber enthalten sind. Diese Ein-schränkung der Metadaten ist bedauerlich, weil so gewisse Recherchen nur mit einem ent-sprechend grösseren Aufwand auf Stufe Dokument möglich sind. Mit den im share point portal server erfassten Metadaten können aber die Anforderungen an eine geordnete Akten-führung weit gehend erfüllt werden. Das Bundesarchiv hat sich deshalb mit der getroffenen Lösung einverstanden erklärt. Der Strukturplan Der Strukturplan der Parlamentsdienste bildet alle Aufgaben korrekt ab und erfüllt damit die Vorgaben, welche das Bundesarchiv an ein Ordnungssystem stellt. Der Plan umfasst sechs Hauptgruppen. Die ersten vier Hauptgruppen beinhalten die Aufgaben zugunsten der Kunden (Bundesversammlung beziehungsweise ParlamentarierInnen), nämlich die parlamentarischen Geschäfte (1), die Räte (2), die Ratsorgane (3) und die Ratsmitglieder (4). Die Hauptgruppen 5 und 6 stehen für eigene Aufgaben und für die Leitung/Koordination der Parlamentsdienste. Der Strukturplan legt auch zu jeder Rubrik fest, welche Regeln bei der Dossierführung zu beachten sind. Die Unterteilung in Unterdossiers, wie sie vor allem bei den Ratsgeschäften vorgesehen ist, bildet die verschiedenen Geschäftsprozesse exakt ab. Jeder Teilprozess - zum Beispiel bei der Behandlung einer parlamentarischen Initiative - findet seinen Niederschlag in der inneren Gliederung des entsprechenden Dossiers. 105 Anhang II der Weisungen des Eidgenössischen Departements des Innern über die Aktenführung in der Bun-desvewaltung vom 13. Juli 1999.

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Das Life-Cycle-Management Der Strukturplan regelt nicht nur die Ablage oder Registrierung der Dokumente, er ist auch ein Instrument zur Steuerung des Lebenszyklus’ der Unterlagen. Jede Rubrik des Plans106 wurde durch das Bundesarchiv in Zusammenarbeit mit den Parlamentsdiensten auf ihre Ar-chivwürdigkeit hin bewertet107. Die Parlamentsdienste wissen also schon bei der Registrie-rung eines Dokuments, ob dieses archivwürdig ist oder ob es nach Ablauf einer bestimmten Frist vernichtet werden darf. Das Life-Cycle-Management funktioniert damit grundsätzlich. Eine nicht vorausgesehene Konsequenz besteht aber darin, dass einzelne Mitarbeitende der Parlamentsdienste die nicht archivwürdigen Dokumente gar nicht mehr registrieren, weil sie meinen, nicht archivwürdig bedeute nicht wichtig. Diesem Irrglauben wäre durch die Defini-tion und Vergabe administrativ-juristischer Aufbewahrungsfristen entgegenzuwirken. Die Organisationsvorschriften Die Organisationsvorschriften bilden zusammen mit einem Ordnungssystem die Grundlage für eine geordnete Aktenführung, sei dies konventionell auf Papier oder digital in einem Recordsmanagementsystem. Die Organisationsvorschriften regeln im Speziellen, welche Akteure welche Rolle ausführen müssen. Besonders wichtig ist in diesem Zusammenhang die Regelung der Zugriffs- und Bearbeitungsrechte. So ist in den Parlamentsdiensten die Dossier-führung bei den einzelnen Diensten dezentral angesiedelt. Jeder Dienst kann in seinem Be-reich Dossiers eröffnen und Dokumente selbständig registrieren. Für die Wartung des Sy-stems und die Überführung abgeschlossener Dossiers in das Amtsarchiv ist dagegen das Zen-trale Sekretariat zuständig. Diese Lösung hat den Vorteil, die Autonomie der einzelnen Dien-ste nicht über Gebühr einzuschränken. Gewisse Arbeiten wie die Registrierung (das „Ein-checken“) eines Dokumentes können schneller und zuverlässiger durch diejenigen erledigt werden, die auch tatsächlich mit den Dokumenten arbeiten und auch mit deren Inhalt vertraut sind. Die zentrale Wartung und Archivierung stellt dagegen sicher, dass einheitliche Stan-dards beachtet werden und nicht wie in der Vergangenheit wilde Ablagen entstehen, die sich jeder Kontrolle und damit auch einer gesetzeskonformen Archivierung entziehen. Die Akzeptanz Heute arbeiten beinahe alle Mitarbeitenden der Parlamentsdienste mit dem share point portal server. Im November 2002 werden alle Dateien für die Bearbeitung gesperrt, die nicht im share point portal server registriert sind. Wie war diese erstaunliche Akzeptanz möglich? Immerhin ist zu berücksichtigen, dass die beteiligten Akteure kein natürliches Interesse an der Einführung eines Recordsmanagements haben und einer derartigen Neuerung gegenüber eher skeptisch eingestellt sind. Die Projektorganisation vereinigte Vertreter der am meisten betroffenen internen Akteure. Deren Interessen konnten deshalb schon während des Projekt-Designs berücksichtigt werden. Das Recordsmanagement erschien so nicht als Bedrohung von aussen, sondern als eigenes Projekt, zu dem alle einen Beitrag leisten konnten. Die sonst übliche Frontstellung Projektlei-

106 Eine „Rubrik“ ist die unterste Hierarchie-Ebene eines Ordnungssystems. Nur unter einer Rubrik können Dossiers abgelegt werden. 107 Entscheid der Direktion des Bundesarchivs vom 21.9.2001.

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tung gegen Mitarbeitende wurde vermieden. Die Sekretäre und wissenschaftlichen Mitarbei-tenden müssen ebenfalls mit share point portal server arbeiten. Diese Akteure waren indirekt in das Projekt integriert, indem einzelne administrative Mitarbeitende der jeweiligen Teams in der Projektorganisation mitwirkten. Die Bilanz ist dementsprechend weit gehend positiv:

− Alle geschäftsrelevanten Dokumente werden registriert, unabhängig davon, ob es sich um digitale oder konventionelle Unterlagen handelt.

− In den Ablagen herrscht wieder Ordnung. Die Altakten werden ans Bundesarchiv ab-geliefert.

− Das früher nur implizit vorhandene Wissen über die Dokumentenverwaltung wurde explizit gemacht.

Somit wurden die Ziele zum grossen Teil erreicht. Kleinere Missstände sind noch in folgen-den Teilbereichen auszumachen: Im Generalsekretariat wird der share point portal server erst zögerlich eingesetzt. Dies ist zum Teil auf die vielen Personalwechsel zurückzuführen. Aber auch ein grundsätzliches Problem trägt zur mangelhaften Umsetzung im Generalsekretariat bei: Es ist schwierig, auf diesem Niveau Geschäftsprozesse zu definieren und die Dokumente entsprechend zu registrieren. Noch nicht verwirklicht aber geplant ist die Archivschnittstelle für die Archivierung digitaler Dokumente im Bundesarchiv. Eine solche Schnittstelle ist erst in einigen Jahren nötig, wenn die ersten digitalen Dokumente tatsächlich ans Bundesarchiv abgeliefert werden. Ebenfalls noch ausstehend aber geplant ist die Integration der Sekretariate der Geschäftsprüfungskom-missionen und der Finanzdelegation. Diese arbeiten immer noch mit dem Geschäftskontroll-system Adesso. Gemäss dem bisherigen Fortschritt des Projekts gibt es keinen Grund zu der Annahme, dass diese Ziele nicht auch noch erreicht werden können.

d)  Vergleich  der  Fallstudien   Zusammenfassend kann gesagt werden, dass zwei Faktoren für den Erfolg eines Projektes ausschlaggebend sind:

1. Das Projekt muss einem umfassenden Ansatz folgen, der die ganze Organisation des Recordsmanagements einbezieht. Es darf nicht einfach auf bestehende Abläufe ein neues Instrument aufgepfropft werden, sondern System und Organisation sollen ganz-heitlich analysiert und reformiert werden.

2. Die Projektorganisation soll von Anfang an die am direktesten betroffenen Akteure in-tegrieren. Damit wird verhindert, dass einzelne Akteure durch passiven oder aktiven Widerstand den Erfolg des Projektes in Frage stellen können.

Die Einführung der digitalen Geschäfts- und Dokumentenverwaltung ist kein technisches, sondern ein organisatorisches Problem. Der entscheidende Faktor des Gelingens ist das Ver-halten der beteiligten Akteure. Die Erfolgschancen sind dort am grössten, wo alle beteiligten Akteure in der Einführung eines RMS einen direkten Nutzen erkenn können. Der mit dem RMS verbundene kulturelle Wandel muss als Win-Win-Situation erscheinen. Vorteilhaft ist auch eine gewisse Bescheidenheit bei der Zielsetzung. Das Bundesamt für Statistik hat sich vorerst für die Beibehaltung einer konventionellen Registratur entschieden. Dafür wurde ein Ordnungssystem eingeführt, das auch tatsächlich akzeptiert und korrekt

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angewendet wird. Hätte man sich gleich zu Beginn für die Einführung eines voll digitalisier-ten Systems entschieden, wäre ein Chaos in den digitalen Ablagen wohl unvermeidlich gewe-sen. Ein funktionierendes konventionelles System bildet eine gute Basis für die Einführung eines Recordsmanagementsystems, wie dies für die nächsten Jahre geplant ist. Ein solch zweistufiges Vorgehen erlaubt es, die Organisation eines Amtes schrittweise an die elektroni-sche Geschäfts- und Dokumentenverwaltung heranzuführen.

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V.  Prüfung  der  Hypothesen   Am Anfang der Untersuchung standen die beiden folgenden Hypothesen. Inwiefern können sie in Bezug auf die eidgenössische Archivpolitik bestätigt werden?

« Die digitale Revolution ist der Motor der effizienten Umsetzung der Archivpoli-tik im Bereich Aktenführung.» (Kausalhypothese I) « Die Archivpolitik wird durch digitale Überlieferungslücken in der Aktenführung unterlaufen.» (Kausalhypothese II)

Das Ergebnis der Prüfung kann nicht eindeutig ausfallen. Alle Akteure haben einen Spiel-raum, den sie zu nutzen verstehen. Die Entwicklung des Recordsmanagements kann also nicht einfach als Funktion der digitalen Revolution dargestellt werden. Dennoch: ohne die Umwäl-zungen in der Kommunikationstechnologie hätte der Paradigmawechsel in der Archivpolitik nie stattgefunden. Der Schritt von der retrospektiven Archivierung zum prospektiven Re-cordsmanagement wäre nicht gewagt worden. Der Mut zu diesem Schritt war auch eine Folge des technologischen Sachzwangs. Unter dem Vorbehalt, dass die Akteure ihren Handlungs-spielraum nie in der genau gleichen Weise nutzen, kann die Kausalhypothese I als bestätigt gelten. Aber auch die zweite Kausalhypothese kann nicht völlig falsifiziert werden. Wie die Über-sicht des Sicherungsstandes in der Bundesverwaltung zeigt, drohen bei einigen Aktenbildnern Überlieferungslücken, die mindestens zum Teil darauf zurückgeführt werden müssen, dass die Anforderungen an ein gutes Recordsmanagement durch die Anwendung digitaler Informati-onsverarbeitung unterlaufen werden. Allerdings kann die Archivpolitik selber einen aktiven Beitrag leisten, damit sie nicht durch digitale Überlieferungslücken unterlaufen wird. Das bedeutet aber das definitive Ende einer sich auf die retrospektive Archivierung beschränken-den Politik. Nur das prospektive Recordsmanagement verstanden als aktive Einwirkung auf die Bundesverwaltung als Zielgruppe kann verhindern, dass spätere Historiker bei ihrer Quel-lensuche feststellen müssen, dass die Dokumente im digitalen Nirwana verschwunden sind.

1.  Wissensmanagement  ≠  Recordsmanagement   Die Forderung nach Wissensmanagement ist heute sehr à la mode. Nur meinen alle damit etwas anderes. Je nach Interessenlage versteht man völlig verschiedene Dinge unter dem „Wissen“, das gemanagt werden soll. Der wohl umfassendste Ansatz versteht „Wissen“ als unternehmerische Ressource, die ähnlich wie andere Ressourcen für den Unternehmenserfolg einzusetzen ist. Nur ein Teil des Wissens stützt sich auf gespeicherte Informationen. Ein gro-sser Teil des Wissens in einer Organisation besteht aus implizitem Wissen, das in den Köpfen der Mitarbeitenden, in der Unternehmenskultur oder in der Beherrschung körperlicher Routi-

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nen besteht108. Ein so verstandenes Wissensmanagement ist wesentlicher Bestandteil einer Prozessorganisation. Damit sind aber die Limiten der Archivpolitik überschritten. Es kann und soll nicht Aufgabe des Bundesarchivs sein, der öffentlichen Verwaltung quasi als Neben-produkt der Archivpolitik eine Prozessorganisation zu verpassen. Das Bundesarchiv muss sich auf das Recordsmanagement als seine Kernkompetenz beschränken, diese aber auch voll ausschöpfen und zum Tragen bringen. Will ein Amt sein Wissensmanagement verbessern, ist ein gut funktionierendes RMS eine unverzichtbare Voraussetzung. Insofern kann eine gute Beratung in Sachen Recordsmanagement sicher die rationelle Verwendung der Ressource Information in der Verwaltung unterstützen. Das Bundesarchiv muss aber Wert darauf legen, dass nicht durch ein allzu euphorisch betriebenes Wissensmanagement gut funktionierende, traditionelle Registraturen geopfert werden. Ideale Voraussetzungen bestehen dort, wo alle beteiligten Akteure wirklich in der selben Richtung am gleichen Strick ziehen, wo Mitarbei-tende, Amtsleitung, Registratur und das Bundesarchiv als externer Berater das Recordsmana-gement reformieren. Nach wie vor ist die Schriftlichkeit der Verwaltung Voraussetzung für die Nachvollziehbar-keit der Verwaltungstätigkeit. Auch im digitalen Zeitalter bleibt das Webersche Bürokratie-modell massgebend. Ein gut funktionierendes Recordsmanagement muss deshalb dafür sor-gen, dass digital gespeicherte Unterlagen mit der gleichen oder vielleicht sogar besseren Zu-verlässigkeit für diesen Nachweis zur Verfügung stehen als Papierakten. Wenn es dem Bun-desarchiv gelingt, das Recordsmanagement als Teil der Verwaltungsreform zu implementie-ren und so seine Kernkompetenz wirklich zum Tragen zu bringen, dann – und nur dann – bestehen gute Chancen, dass die digitale Revolution auch zum Motor der Archivpolitik wird. Archivare hätten dann eine der Säulen des eGovernment geschaffen109.

2.  Die  Interaktion  der  Akteure   Im Gegensatz zur retrospektiven Archivierung setzt das prospektive Recordsmanagement das Zusammenspiel verschiedener Akteure voraus, die zum Teil nur locker untereinander organi-satorisch verbunden sind. Wie die Interessen der beteiligten Akteure auf der Mikroebene (Registratoren, Sachbearbeitende und Inspektoren des Bundesarchivs) gebündelt werden müssen, geht aus der Analyse der drei Fallstudien hervor. Auf der Makroebene müssen sich die institutionellen Akteure ebenfalls koordinieren. Das Bundesarchiv soll als Regulator auf alle Generalsekretariate, Bundesämter, ausserparlamenta-rischen Kommissionen und so weiter einwirken. Die Basis dafür ist das Archivierungsgesetz mit allen daraus abgeleiteten Verordnungen und Weisungen, ergänzt mit dem Regierungs- und Verwaltungsorganisationsgesetz und der entsprechenden Verordnung. Der Schlüssel zum Erfolg liegt jedoch in der Interaktion der Akteure. Das Bundesarchiv hat zwar weit reichende gesetzliche Kompetenzen, es kann diese aber nicht nach den Regeln einer hierarchischen Steuerung durchsetzen. Es hat nicht die Möglichkeit, sich qua hierarchische Autorität über die Präferenzen der anderen beteiligten Akteure hinwegzusetzen110. Soll das Archivierungsgesetz rein über hierarchische Steuerung durchgesetzt werden, muss das Bundesarchiv zuerst seine vorgesetzte Behörde, das Eidg. Departement des Innern, davon überzeugen, dass eine Inter-vention in einem anderen Bundesamt notwendig ist. Gehört das betreffende Bundesamt zu einem anderen Departement, muss sogar der Bundesrat bemüht werden. Ein derartiges Vor- 108 Osterloh (1999) 67. 109 Vgl. a. Toebak (2002) 5. 110 Scharpf (2000) 282 f.

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gehen nach den Regeln hierarchischer Interaktion ist sehr aufwändig und wenig Erfolg ver-sprechend. Man stelle sich nur die Schwierigkeit vor, die Aktenführung des Bundesamtes XY auf die Agenda der Landesregierung zu setzen! Diese hierarchische Interaktion kann also nur in Ausnahmefällen zur Anwendung gelangen, als ultima ratio, wenn alle anderen Mittel ver-sagt haben. Für den Normalfall der Interaktion institutioneller Akteure bietet sich deshalb ein anderes Modell an: An die Stelle der vertikalen, hierarchischen Koordination tritt die horizontale Koordination zwischen Ämtern und Dienststellen. Diese Form der Interaktion folgt der Ver-handlungslogik. Das bedeutet, dass nicht einfach eine bestimmte Lösung von oben nach unten implementiert wird, sondern dass das angestrebte Ergebnis die Folge von Verhandlungen ist, in welche die Interessen der Akteure einfliessen. Diese Verhandlungen bleiben jedoch in den Rahmen des bürokratischen Systems eingebettet111. Die angestrebte Lösung muss innerhalb der durch Gesetze und die Verwaltungslogik vorgegebenen Grenzen gesucht werden. Wer in Verhandlungen eintritt, darf nicht nur etwas fordern, er muss auch etwas anbieten. Im Fall des Bundesarchivs heisst das, dass mit dem blossen Insistieren auf der Einhaltung der Aktenführungsweisung keine Erfolge erzielt werden können. Der Nutzen eines guten Re-cordsmanagements muss für alle beteiligten Akteure erkennbar sein. Der Gewinn der Ver-handlungen darf nicht nur auf einer Seite anfallen. Neben dem direkten Gewinn durch eine Verbesserung des Recordsmanagements gibt es auch den sekundären Verhandlungsgewinn, der dadurch entsteht, dass beide Akteure die Einschaltung übergeordneter Stellen vermeiden können. Dieser sekundäre Gewinn darf nicht unterschätzt werden: Für die Karriere eines Beamten ist es nicht besonders förderlich, seine Vorgesetzten mit Fragen zu belästigen, die eigentlich auch auf untergeordneter Ebene gelöst werden könnten112. Dazu kommt noch die grundsätzliche Möglichkeit, dass im Falle eines Misserfolgs von Verhandlungen jederzeit auf die Ebene der hierarchischen Interaktion ausgewichen werden kann. In der täglichen Umset-zung des Archivierungsgesetzes wird die hierarchische Interaktion kaum angewendet. Als Drohpotenzial kann sie aber die Arbeit des Bundesarchivs im Umgang mit der Zielgruppe wesentlich erleichtern.

111 Scharpf (2000) 324 f. 112 Ebenda.

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VI.  Schluss   Archivare und Archivarinnen werden die Informationstechnologien nicht so ohne weiteres nach ihren Bedürfnissen gestalten können. Diese vor zehn Jahren getroffene Feststellung ist nach wie vor gültig113. Falls die digitale Revolution irgendwelchen Gesetzen folgt, sind es diejenigen des Marktes. Dies gilt auch für den öffentlichen Sektor. Die Verwaltung als ganze hat zwar als Nachfragerin digitaler Dienstleistungen eine gewisse Marktmacht und kann Pro-dukte bestellen, die auf ihre Bedürfnisse zugeschnitten sind. Bei der Definition dieser Bedürf-nisse sind aber sehr viele Akteure mit unterschiedlichen Interessen beteiligt. Das Bundesar-chiv ist dabei ein Akteur, dem als Regulator eine besondere Rolle und eine besondere Ver-antwortung zukommen. Um zum Ziel zu gelangen, muss das Bundesarchiv sich aber mit anderen, entscheidenden Akteuren verbünden. Nur wo auch die jeweilige Amtsführung, die Registratoren beziehungsweise Recordsmanager und die Mitarbeitenden an einer guten Ak-tenführung interessiert sind, kann die digitale Aktenführung als Life-Cycle-Management organisiert werden. Es obliegt dem Bundesarchiv, dieses Interessen zu wecken und zu bün-deln. Retrospektive Archivierung oder prospektives Recordsmanagement? Die Antwort auf diese Frage wird immer ein „sowohl als auch“ beinhalten. Die Archive verstanden ihre Tätigkeit früher in erster Linie als retrospektive Aufgabe, als Aufbewahrung und Erschliessung der papierenen Hinterlassenschaft der Verwaltung. Dieser Aspekt wird auch in Zukunft eine Rolle spielen. Im Vordergrund steht aber das prospektive Recordsmanagement. Nur wenn Archivie-rung als prospektive Aufgabe verstanden wird, kann es gelingen, die Herausforderungen des digitalen Zeitalters zu bewältigen. Und wenn es gelingt, das Recordsmanagement in der Ver-waltung nachhaltig zu verbessern, kann damit auch eine Grundlage für die Wahrnehmung und den Schutz der Grundrechte im Rahmen des eGovernment geschaffen werden. Aus der Ver-fügungsmacht des Staates über die Vergangenheit entstünde die Verfügungsmacht der Öffent-lichkeit über Gegenwart und Zukunft. Die Archive als lieux de mémoire (Pierre Nora)114 büssen damit ihre Exklusivität ein. Das Gedächtnis wird nicht erst im Archiv konstituiert, es entsteht bereits dort, wo auch die Akten – das spätere Archivgut – produziert werden. Entscheidend ist nicht mehr der physische Auf-bewahrungsort im Archiv, entscheidend ist das Management des Gedächtnisses durch das Archiv. Akten oder records als Träger der konkreten Gedächtnisinhalte müssen so verwaltet werden, dass sie allen gegenwärtigen und zukünftigen Nutzern tatsächlich zur Verfügung stehen. Digitale Unterlagen sind im Vergleich zu Papierakten unanschaulich und haben für unser heutiges Empfinden einen geringen symbolischen oder kulturellen Wert. Dieser Verlust wird jedoch aufgehoben durch ihre universelle Verfügbarkeit. Aus dem Archiv als Ort des Gedächtnisses wird eine Schaltstelle, die die Verknüpfung der verschiedenen Gedächtnisse gewährleistet.

 

113 Dollar (1992) 18. 114 Nora (1984) XXXIV.

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VII.  Abkürzungsverzeichnis  

 AB Amtliches Bulletin der Bundesversammlung AeD Ärztlicher Dienst der Bundesverwaltung AIOS Abteilung für Informations- und Objektschutz ARE Bundesamt für Raumentwicklung ASTRA Bundesamt für Strassen BAB Bundesamt für Armeematerial und Bauten BABHE Bundesamt für Betriebe des Heeres BABLW Bundesamt für Betriebe der Luftwaffe BAG Bundesamt für Gesundheit BAK Bundesamt für Kultur BAKOM Bundesamt für Kommunikation BAKT Bundesamt für Kampftruppen BALOG Bundesamt für Logistiktruppen BAMV Bundesamt für Militärversicherung BAP Bundesamt für Polizei BAR Schweizerisches Bundesarchiv BASPO Bundesamt für Sport BAV Bundesamt für Verkehr BAWI Bundesamt für Aussenwirtschaft (heute seco) BAZL Bundesamt für Zivilluftfahrt BBL Bundesamt für Bauten und Logistik BBT Bundesamt für Berufsbildung und Technologie BBW Bundesamt für Bildung und Wissenschaft BFA Bundesamt für Ausländerfragen BFE Bundesamt für Energie BFF Bundesamt für Flüchtlinge BfS Bundesamt für Statistik BGA Bundesgesetz über die Archivierung BGÖ Bundesgesetz über die Öffentlichkeit der Verwaltung (Entwurf) BIGA Bundesamt für Industrie, Gewerbe und Arbeit (heute seco) BIT Bundesamt für Informatik BK Bundeskanzlei BLW Bundesamt für Landwirtschaft BMA Bundesamt für Messwesen und Akkreditierung BPV Bundesamt für Privatversicherungen BSV Bundesamt für Sozialversicherung BUWAL Bundesamt für Umwelt, Wald und Landschaft Bvet Bundesamt für Veterinärwesen BWG Bundesamt für Wasser und Geologie BWL Bundesamt für wirtschaftliche Landesversorgung BWO Bundesamt für Wohnungswesen BZS Bundesamt für Zivilschutz ComCom Eidg. Kommunikationskommission DEZA Direktion für Entwicklung und Zusammenarbeit DMS Dokumentenmanagementsystem DSG Bundesgesetz über den Datenschutz vom 19. Juni1992, SR 235.1 DV Direktion für Völkerrecht

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EAV Eidg. Alkoholverwaltung EAWAG Eidg. Anstalt für Wasserversorgung, Abwasserreinigung und Gewässerschutz EBK Eidg. Bankenkommission EDA Eidg. Departement für auswärtige Angelegenheiten EDI Eidg. Departement des Innern EFD Eidg. Finanzdepartement EFK Eidg. Finanzkontrolle EFV Eidg. Finanzverwaltung Eidg. Eidgenössisch EJPD Eidg. Justiz- und Polizeidepartement EMK Zentralamt für Edelmetallkontrolle EMPA Eidg. Materialprüfungsanstalt EPA Eidg. Personalamt EPFL Ecole polytechnique fédérale Lausanne ERI Eidg. Rohrleitungsinspektorat ESTI Eidg. Starkstrominspektorat ESTV Eidg. Steuerverwaltung ETHZ Eidg. Technische Hochschule Zürich EVD Eidg. Volkswirtschaftsdepartement EVK Eidg. Versicherungskasse EZV Eidg. Zollverwaltung FAI Fliegerärztliches Institut FinDel Finanzdelegation der eidg. Räte GBL 99 Geschäftsverwaltungsbasislösung 99 GPK Geschäftsprüfungskommission GR Gruppe Rüstung GS Generalsekretariat GST Generalstab GWF Gruppe für Wissenschaft und Forschung GVG Bundesgesetz vom 23. März 1962 über den Geschäftsverkehr der Bundesver-

sammlung sowie über die Form, die Bekanntmachung und das Inkrafttreten ih-rer Erlasse, SR 171.11

HSK Hauptabteilung für die Sicherheit der Kernanlagen IGE Eidg. Institut für geistiges Eigentum ISB Informatikstrategieorgan Bund KOKO Koordinationskommission L+T Bundesamt für Landestopographie LSVA Leistungsabhängige Schwerverkehrsabgabe LW Luftwaffe NAZ Nationale Alarmzentrale OV Organisationsvorschriften PD Parlamentsdienste PD/EDA Politische Direktion RMS Recordsmanagementsystem Rpl. Registraturplan RVOG Regierungs- und Verwaltungsorganisationsgesetz vom 21. März 1997, SR 172.0101 RVOV Regierungs- und Verwaltungsorganisationsverordnung vom 25. November 1998, SR 172.010.1 seco Staatssekretariat für Wirtschaft SR Systematische Rechtssammlung

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SSA Schweizerisches Seeschifffahrtsamt Swissmedic Schweizerisches Heilmittelinstitut SWTR Schweizerischer Wissenschafts- und Technologierat UEK Unabhängige Expertenkommission Schweiz - Zweiter Weltkrieg UG DOS Untergruppe Doktrin / operative Schulung UG FSK Untergruppe Friedensförderung und Sicherheitskooperation UG FU Untergruppe Führungsunterstützung UG Log Untergruppe Logistik UG OP Untergruppe Operationen UG Pers A Untergruppe Personelles der Armee UG SAN Untergruppe Sanität UVEK Eidg. Departement für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation VBGA Verordnung zum Bundesgesetz über die Archivierung VBS Eidg. Departement für Verteidigung, Bevölkerungsschutz und Sport ZD zentrale Dienste ZR Zentralregistratur

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VIII.  Quellen-­  und  Literaturverzeichnis  

Interviews   Graf Christoph, Direktor BAR Fracasso Silvano, Leiter Informationmanagement BfS Massard Fulvio, Abteilungsleiter Zentrale Dienste DEZA Vogel René, Leiter Inforec DEZA Barraud Christoph, Projektleiter DMS DEZA Winkler Dora, Leiterin Zentrales Sekretariat PD Gerschwiler Hans Peter, Stellvertretender Generalsekretär PD

 

Publizierte  Quellen  

Schweiz   Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999, BV, SR 101 Bundesgesetz über die Archivierung vom 26. Juni 1998 (Archivierungsgesetz), BGA, SR 152.1 Bundesgesetz über die Öffentlichkeit der Verwaltung (Öffentlichkeitsgesetz, Entwurf vom 19. April 2000), http://www.ofj.admin.ch/d/index.html Reglement für das Bundesarchiv vom 15. Juli 1966 (aufgehoben am 1. Oktober 1999), SR 432.11 Verordnung zum Bundesgesetz über die Archivierung vom 8. September 1999 (Archivie-rungsverordnung), VBGA, SR 152.11 Verordnung des Bundesgerichts zum Archivierungsgesetz vom 27. September 1999, SR 152.21 Regierungs- und Verwaltungsorganisationsgesetz vom 21. März 1997, RVOG, SR 172.010 Regierungs- und Verwaltungsorganisationsverordnung vom 25. November 1998, RVOV, SR 172.010.1 Bundesgesetz über den Datenschutz vom 19. Juni 1992, DSG, SR 235.1

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Weisungen über die Anbietepflicht und die Ablieferung von Unterlagen an das Schweizeri-sche Bundesarchiv vom 28. September 1999 Weisungen über die Aktenführung in der Bundesverwaltung vom 13. Juli 1999 Benutzungsordnung des Schweizerischen Bundesarchivs vom 24. September 1999 Amtliches Bulletin der Bundesversammlung

Europäische  Gemeinschaft   Europäische Union: Konsolidierte Fassungen des Vertrags über die Europäische Union und des Vertrags zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft, Luxemburg 1997 Verordnung (EG) Nr. 1049/2001 des europäischen Parlaments und des Rates vom 30. Mai 2001 über den Zugang der Öffentlichkeit zu Dokumenten des Europäischen Parlaments, des Rates und der Kommission, Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften Nr. L 145, 31.5.2001, S. 43 (s. a. Handbuch des Europäischen Rechts I A 89/14, 418. Lieferung, Oktober 2001)

Deutschland   Gesetz über die Sicherung und Nutzung von Archivgut des Bundes vom 6. Januar 1988 (Bun-desarchivgesetz), www.datenschutz-berlin.de/gesetze/barchg/barchg.htm

Frankreich   Loi no 79-18 du 3 janvier 1979 sur les archives, www.legifrance.gouv.fr/textes/html/fic197901030018.htm

 

 

Literaturverzeichnis   Aussenpolitischer Bericht 2000. Präsenz und Kooperation: Interessenwahrung in einer zu-sammenwachsenden Welt, BBl 2000/91, S. 261 - 358 Auf dem Weg zum Wissensmanagement. Die Vision der DEZA, hsg.v. der Direktion für Entwicklung und Zusammenarbeit, Bern 1999 Bericht über den Vote électronique. Chancen, Risiken und Machbarkeit elektronischer Aus-übung politischer Rechte vom 9. Januar 2002, BBl 02.009, S. 645 - 700, http://e-gov.admin.ch/de/index.php

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Botschaft über das Bundesgesetz über die Archivierung vom 26. Februar 1997 Chiquet Simonne: Was heisst eigentlich archivwürdig? in: Schweizerische Zeitschrift für Geschichte 51/4, 2001-A, S. 470 - 486 Dieselbe: Die Bewertung im BAR während der neunziger Jahre, unveröffentlichtes Manu-skript, Bern 2001-B Cotti Linda, Matthias Finger: e-Voting: entre bureaucratie et démocratie, Working paper de l’IDHEAP 1, Chavannes-près-Renens 2002 Crozier Michel und Erhard Friedberg: Die Zwänge kollektiven Handelns. Über Macht und Organisation, Frankfurt a. M. 1993 Dollar Charles M.: Die Auswirkungen der Informationstechnologien auf archivische Prinzipi-en und Methoden, übers. v. Angelika Menne-Haritz, Marburg 1992 Eidgenössischer Staatskalender. Stand 1. März 2002, Bern 2002 eGovernment, hrsg. v. Michael Gisler u. Dieter Spahni, Bern/Stuttgart/Wien 2001 Einführung in die Politikevaluation, hrsg. v. Werner Bussmann, Ulrich Klöti und Peter Knoepfel, Basel und Frankfurt a. M. 1997 Farine-Hitz Anouk: Transparence de l’information officielle - impacts du principe de la publi-cité dans le canton de Berne, Cahiers de l’IDHEAP 180, Chavannes-près-Renens 2000 Finger Matthias: Y a-t-il un lien entre e-vote et e-administration? Working paper de l’IDHEAP 5, Chavannes-près-Renens 2001 Gesamtschweizerische Strategie zur dauerhaften Archivierung von Unterlagen aus elektroni-schen Systemen, hsg. v. Konferenz der leitenden Archivarinnen und Archivare auf Kantons- und Bundesebene sowie des Fürstentums Liechtenstein, Basel 2002 Graf Christoph: „Arsenale der Staatsgewalt“ oder „Laboratorium der Geschichte“? Das Schweizerische Bundesarchiv und die Geschichtsschreibung, in: Archive und Geschichts-schreibung (Studien und Quellen 27), Bern 2001, S. 65 - 81 Groupe de coordination société de l’information: 3me rapport, Bienne 2001 Hofer Marc: Transparenz in Europa. Das Öffentlichkeitsprinzip in der Europäischen Union und in der Schweiz, in: Global archivieren. Die Überlieferungsbildung internationaler Organi-sationen im Spannungsfeld zwischen nationalstaatlicher Praxis und internationaler Zivilge-sellschaft, Dossier 14 des Schweizerischen Bundesarchivs, Bern 2002 (erscheint im Novem-ber) ISO 15 489 International Standard. Information and Documentation - Recordsmanagement, Genf 2001 Jann Ben: Einführung in die Statistik, München - Wien 2002

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Knöpfel Peter, Corinne Larue, Frédéric Varone: Analyse et pilotage des politiques pubiques, Genève - Bâle - Muniche 2001 Leitbild des Schweizerischen Bundesarchivs vom 22. Februar 2002 (Überarbeitung des Leit-bildes von 1996), Bern 2001 Lübbe Hermann: Freie Vergangenheitsbewältigung und die Archive. Orwell hat Unrecht behalten, in: Archive und Geschichtsschreibung (Studien und Quellen 27), Bern 2001, S. 137 - 150 Marzetta Ambros, Raoul Stöckle, Oliver Vaterlaus: Braucht die Schweiz einen amtlichen digitalen Ausweis? Verfasst im Auftrag des Eidgenössischen Justiz- und Polizeidepartements, 4.10.2001, http://www.ofj.admin.ch/d/index.html Menne-Haritz Angelika: Akten, Vorgänge und elektronische Bürosysteme, Marburg 1996 Metzing Andreas (Hsg.): Digitale Archive - Ein neues Paradigma? Beiträge des 4. Archivwis-senschaftlichen Kolloquiums der Archivschule Marburg, Marburg 2000 Muralt Hanna: Einleitung, in: Michael Gisler, Dieter Spahni (Hsg.): eGovernment. Eine Standortbestimmung, Bern - Stuttgart - Wien 2001 Nora Pierre (éd.): Les lieux de mémoire, vol. I La république, Paris 1984 Osterloh Margrit, Wübker Sigrid: Wettbewerbsfähiger durch Prozess- und Wissensmanage-ment. Mit Chancengleichheit auf Erfolgskurs, Wiesbaden 1999 Propyläen Technikgeschichte, hsg. v. Wolfgang König, Bd. 5: Energiewirtschaft Automatisie-rung Information, Berlin 1997 Regieren in der Informationsgesellschaft. Die eGovernment-Strategie des Bundes vom 13. Februar 2002, http://e-gov.admin.ch/de/index.php Riklin Alois und Möckli Silvano: Milizparlament? in: Das Parlament – „Oberste Gewalt des Bundes“? Festschrift der Bundesversammlung zur 700-Jahr-Feier, hsg. v. den Parlaments-diensten, Bern und Stuttgart 1991, S. 145 ff. Scharpf Fritz W.: Interaktionsformen. Akteurzentrierter Institutionalismus in der Politikfor-schung, Opladen 2000 Schellenberg Theodor: Die Bewertung modernen Verwaltungsschriftguts, hsg. u. übers. v. Angelika Menne-Haritz, Marburg 1990 Spinatsch Markus: Vollzug des Öffentlichkeitsprinzips in der Bundesverwaltung. Prospektiv-studie zur Identifikation allfälliger Vollzugsprobleme bei der Einführung des Bundesgesetzes über die öffentlichkeit der Verwaltung, Bern 2001, http://www.ofj.admin.ch/d/index.html Strategische Ziel 2003 ff. des Schweizerischen Bundesarchivs, Bern 2002 (erst intern publi-ziert)

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Toebak Peter: Wissensmanagement und Dokumentenmanagement. Überlegungen aus der Praxis, www.toebak.ch/publikationen/dokumentenmanagement_wissensmanagement.htm, 2002 Transforming Government, hsg. Patricia W. Ingraham, James R. Thompson, Ronald P. Sand-ers, San Francisco 1998 Vismann Cornelia: Akten. Medientechnik und Recht, Frankfurt a. M. 2000 Voter par internet? Le projet e-voting dans le canton de Genève dans und perspective socio-politique et juridique, publ. Par Andreas Auer et Alexander H. Trechsel, Genève - Bâle - Munich 2001 Weber Max: Wirtschaft und Gesellschaft, 5. Aufl., Tübingen 1972 Wurster Christian: Computers. Eine illustrierte Geschichte, Köln 2002 Zusammenstellung der Ergebnisse des Vernehmlassungsverfahrens zum Bundesgesetz über die Öffentlichkeit der Verwaltung (Öffentlichkeitsgesetz, BGÖ), Bundesamt für Justiz, März 2001, http://www.ofj.admin.ch/d/index.html

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IX.  Anhänge  

Anhang  1:  Fragebogen  für  Inspektionen  der  Aktenführung  

Aktenführung Überprüfung Stand der Umsetzung

im Bundesamt für ... 1. Allgemeine Angaben 1.1 Bestandesangaben BAR

Aktenzeichen: 2 Amtsstelle: Bestand: E Generation: Bezeichnung der Informationsverwaltungsstelle: Geltungsbereich: Nebenaufgaben der Informationsverwaltungsstelle: ............... ...............

1.2 Angaben zu Ort, Datum und beteiligten Personen der Ueberprüfung Ort und Datum der Erhebung:

.................. Verwaltungseinheit: Befragte Personen und Funktionen: ..................... Bundesarchiv: Erhebungsteam: ......................

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1.3 Hinweise für die Erhebung

Die Überprüfung muss auf realen Fakten basieren. Die Aussagen der befragten Personen müssen dokumentiert und/oder eins zu eins überprüfbar sein. • Dokumentation: Ordnungssystem, Organisationsvorschriften usw. • Überprüfung eins zu eins zum Beispiel

• Ablage der Unterlagen in autorisierten Ablagen • Geschäfte vollständig dokumentiert (Testbeispiele auswählen!) • Geschäfte rasch auffindbar (Testbeispiele auswählen!) • Erfassung der erforderlichen Metadaten (Mindestanforderungen!)

Die in Klammern (....) gesetzten Ziffern beziehen sich auf die Weisungen über die Aktenführung vom 13.7.1999; Diese sind wo nötig zitiert.

2. Ordnungssystem 2.1 Ist ein Ordnungssystem vorhanden?

A I, Ziffer 1.5: Das Ordnungssystem muss nach dem Aufgabenprinzip aufgebaut sein und alle Aufgaben der Verwaltungseinheit umfassen. Es muss angemessen detailliert und ausbaufähig sein sowie eine einheitliche Struktur aufweisen.

Ja Nein Geplant

2.2 Deckt das Ordnungssystem alle Aufgaben ab?

Ja Nein Unklar

2.3 Wie ist das Ordnungssystem gegliedert?

Hierarchischer Aufbau (Gruppentitel, Rubriken) Angemessen detailliert (mindestens 3 Stufen) Ausbaufähig

2.4 Sind die fachl. Merkmale zum Ordnungssystem vorhanden (A II, Ziffer 1)?

Positionsnummer Positionstitel

Bemerkungen zu 2.1 – 2.4 _______________________________________________________________________________

2. Ordnungssystem (Fortsetzung)

2.5 Besteht eine Kassationsliste / Archivierungsvereinbarung?

Ja Nein Geplant

2.6 Sind die organisatorischen Merkmale auf Stufe Ordnungssystem

oder Dossier vorhanden (A II, Ziffer 2)?

Administrative Aufbewahrungsfristen Anbietezeitpunkt Archivierungsvermerk Zugriffsrechte Kassationsdatum Federführende Organisationseinheit Ablagestandort

Bemerkungen zu 2.5 / 2.6

_______________________________________________________________________________

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3. Organisations-

vorschriften 3.1 Sind Organisationsvorschriften vorhanden?

A I, Ziffer 1.1: Organisationsvorschriften müssen den Aufbau und den Ablauf der Ak-tenführung verbindlich regeln (Aufgaben, Zuständigkeiten, Verfahren und Mittel). Sie müssen von der zuständigen Fachstelle laufend nachgeführt und regelmässig auf ihre Einhaltung hin überprüft werden.

Ja Nein Geplant

3.2 Was wird in den Organisationsvorschriften geregelt?

Sinn und Zweck der Aktenführung Nutzen der Aktenführung Festlegen von Konventionen (verbindliche Handlungsanweisungen)

Aufbauorganisation Infrastruktur / Instrumente (Aktenführungssystem, Kommunikationsnetz, Ordnungssystem) Aufgaben/Funktionen Ablauforganisation Dokumentation Registraturprozess (Empfangen und Erstellen von Unterlagen) Dokumentation Supportprozesse (Erweiterung Ordnungssystem, Dossiereröffnung)

Negativliste für nicht geschäftsrelevante Unterlagen Ablageorganisation

Bemerkungen zu 3.1 / 3.2

_______________________________________________________________________________

4. Ablageorganisation 4.1 Ist ein Ablagekonzept vorhanden? A I, Ziffer 1.4, Aufbewahrung der Unterlagen: Die Unterlagen müssen so aufbewahrt werden, dass sie während ihres gesamten Lebenszyklus‘ jederzeit bei Bedarf zur Ver-fügung stehen. Der Lebenszyklus umfasst das Erstellen bzw. Empfangen, die Regi-strierung und Ablage sowie die Archivierung der Unterlagen. Den konventionellen und el. Dossiers sind eindeutige Ablagestandorte zuzuweisen. Abweichungen von diesen Standorten müssen nachgewiesen werden. Ablagestandorte können sein: Zentral-, Abteilungs-, Sektions-, Gruppen- und Arbeitsplatzablagen.

Ja Nein Geplant

4.2 Wie werden die Dossiers gebildet (A I, Ziffer 1.6)?

Die Dossierbildung erfolgt auf der Grundlage des Ordnungssystems Unterlagen können eindeutig Dossiers zugewiesen werden Es ist sichergestellt, dass Unterlagen nur einmal registriert werden Unterlagen werden ausgedruckt und in physischen Dossiers abgelegt Unterlagen werden elektronisch abgelegt (konventionelle Unterlagen werden digitalisiert) Mischablage: konventionelle Unterlagen werden nicht digitalisiert und konventionelle abgelegt,

elektronische Unterlagen werden digital aufbewahrt

4.3 Sind die fachlichen Merkmale auf Stufe Dossier vorhanden (A II, Ziffer 3)?

Aktenzeichen Datum Eröffnung Titel Datum Abschluss

Bemerkungen zu 4.1 – 4.3

_______________________________________________________________________________

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5. Aktenbildung

5.1 Werden alle erstellten und empfangenen Unterlagentypen der Registrierung zugeführt (A I, Ziffer 2.1)?

Telefaxe E-Mail Briefe Wichtige Telefonnotizen

5.2 Wie werden die Unterlagen registriert (A I, Ziffer 2.2)?

Unterlagen einem Geschäft zuordnen (Aktenzeichen, Registraturdatum) Unterlagen mit weiteren Metadaten versehen (z.B. Betreff, Absender) Unterlagen ins Ordnungssystem integrieren (Amtsablage) Besteht ein Versionenkonzept?

Bemerkungen zu 5.1 / 5.2

_______________________________________________________________________________

5. Aktenbildung (Fortsetzung)

5.3 Wird ein elektronisches Aktenführungssystem eingesetzt?

Ja Nein Geplant

Name des Produkts: .................... Wird es produktiv eingesetzt?

Ja Nein Durch wen wird es benutzt?

Registratur SachbearbeiterInnen Welche Funktionsbereiche deckt es ab?

Verwaltung Metadaten Aktenführung Verwaltung Mischablage Verwaltung Unterlagen elektronisch Verwaltung Metadaten Prozesse Verwaltung Unterlagen konventionell Metadaten für die Verwaltung von Ressourcen

5.4 Sind die fachl. Merkmale zum Objekt Unterlagen vorhanden (A II, Ziffer 4)?

Aktenzeichen Empfänger/in Registraturdatum Absender/in Betreff Autor/in Dokumentenummer Verteiler Dokumentendatum Beilagen Übermittlungsdatum Standort (Dokument/Dossier) Unterlagentyp Datei-Format

5.5 Führen MitarbeiterInnen Handakten?

(vorallem im Direktionsbereich wichtig)

Es werden Handakten geführt. Die Handaktenablagen werden periodisch überprüft Nicht mehr benötigte Handakten werden durch die Registratur eingefordert und dem BAR

angeboten

Bemerkungen 5.3 / 5.4 / 5.5 _______________________________________________________________________________

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6. Weitere Anforderungen

6.1 Sind die Zugriffs- und Bearbeitungsrechte schriftlich geregelt (A I, Ziffer 1.2)?

6.2 Ist der Schutz und die Sicherheit der Unterlagen schriftlich geregelt (A I, Ziffer 1.3)?

Bemerkungen zu 6.1 / 6.2 _______________________________________________________________________________

7. Unterlagen verwenden 7.1 Zugriff auf Dossiers und Unterlagen (A I, Ziffer 3) Standortnachweis Dossier Standortnachweis für Unterlagen, die noch nicht abgelegt sind

Rasch auffindbar Rasch auffindbar Standort wird nachgewiesen Standort wird nachgewiesen Bewegungen werden protokolliert Bewegungen werden protokolliert

(z.B. Ausleihe)

Bemerkungen zu 7.1 _______________________________________________________________________________

8. Wo besteht Hand-lungsbedarf?

_______________________________________________________________________________ _______________________________________________________________________________ _______________________________________________________________________________

 

Anhang  2:  Interview-­Fragen  zu  den  Fallstudien   Wie wurden Unterlagen vor der Einführung der elektronischen Geschäftsverwaltung registriert: - Bestand ein einheitliches Ordnungssystem (Registraturplan) für das ganze Amt? - Wurden Unterlagen und Dossiers zentral verwaltet? - Hatten alle Mitarbeitenden Zugriff auf die sie betreffenden Dossiers? - Gab es Dokumentenmanagementsysteme, die von einzelnen Mitarbeitenden oder einzelnen Einheiten ange-

wendet wurden? Wann wurde das elektronische Geschäftsverwaltungssystem eingeführt: - Beginn des ersten Projekts? - Effektive Einführung?

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- Gab es Verzögerungen? Wenn ja: warum? Welche Gründe führten zur Einführung: - Steigerung der Effizienz der einzelnen Sachbearbeiter und Sachbearbeiterinnen? - Bessere Kontrolle des Geschäftsablaufs? - Direkter Zugriff auf alle geschäftsrelevanten Informationen? - Stopp der Papierflut? Projektorganisation: - Wurde eine Projektorganisation eingesetzt? - Welche Personen/Organisationseinheiten waren in die Projektorganisation integriert? - Wer stellte die Projektleitung (interne/externe Projektleitung)? Evaluation: - Gibt es eine formelle Evaluation der elektronischen Geschäftsverwaltung? - Welche Erwartungen wurden erfüllt? - Welche nicht? - Was würden Sie heute anders machen? Informationsmanagement: - Ist der schnelle Zugriff auf Informationen jeder Zeit möglich? - Gibt es Dokumente, die unauffindbar sind? - Dokumente/Dossiers können gesucht werden

- Nach Stichworten/Betreff? - Nach Personen (Absender, Adressaten)? - Nach Position im Ordnungssystem (Registraturplan)?

Hm 20.12.2001