Bericht der Regierungskommission „Corporate Governance...

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Zugeleitet mit Schreiben des Bundeskanzleramtes vom 13. August 2001. Deutscher Bundestag Drucksache 14/7515 14. Wahlperiode 14. 08. 2001 Unterrichtung durch die Bundesregierung Bericht der Regierungskommission „Corporate Governance“ Unternehmensführung – Unternehmenskontrolle – Modernisierung des Aktienrechts Inhaltsübersicht Seite A. Auftrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3 B. Die Kommissionsmitglieder . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4 C. Bericht des Vorsitzenden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5 D. Kommissionsbericht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7 Inhaltsverzeichnis des Kommissionsberichts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7 Zusammenfassung der Empfehlungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14 Erstes Kapitel: Gesetzliche Regulierung und Corporate Governance-Kodex 25 I. Zwingendes und nachgiebiges Aktienrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25 II. Corporate Governance-Kodex für börsennotierte Gesellschaften . . . . . . . . 27 Zweites Kapitel: Leitungsorgane . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32 I. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32 II. Vorstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 33 III. Der Aufsichtsrat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 43 IV. Vorstand und Aufsichtsrat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 49 Drittes Kapitel: Aktionäre und Anleger . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 53 I. Die Hauptversammlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 53 II. Aktionärsrechte und Anlegerschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 70 Viertes Kapitel: Unternehmensfinanzierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 89 I. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 90 II. Deregulierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 90 III. Neue Finanzierungs- und Gestaltungsinstrumente . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 105

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Zugeleitet mit Schreiben des Bundeskanzleramtes vom 13. August 2001.

Deutscher Bundestag Drucksache 14/751514. Wahlperiode 14. 08. 2001

Unterrichtungdurch die Bundesregierung

Bericht der Regierungskommission „Corporate Governance“

Unternehmensführung – Unternehmenskontrolle –Modernisierung des Aktienrechts

Inhal tsübersicht

Seite

A. Auftrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3

B. Die Kommissionsmitglieder . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4

C. Bericht des Vorsitzenden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5

D. Kommissionsbericht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7

Inhaltsverzeichnis des Kommissionsberichts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7Zusammenfassung der Empfehlungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14

Erstes Kapitel: Gesetzliche Regulierung und Corporate Governance-Kodex 25

I. Zwingendes und nachgiebiges Aktienrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25

II. Corporate Governance-Kodex für börsennotierte Gesellschaften . . . . . . . . 27

Zweites Kapitel: Leitungsorgane . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32

I. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32

II. Vorstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 33

III. Der Aufsichtsrat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 43

IV. Vorstand und Aufsichtsrat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 49

Drittes Kapitel: Aktionäre und Anleger . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 53

I. Die Hauptversammlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 53

II. Aktionärsrechte und Anlegerschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 70

Viertes Kapitel: Unternehmensfinanzierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 89

I. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 90

II. Deregulierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 90

III. Neue Finanzierungs- und Gestaltungsinstrumente . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 105

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Drucksache 14/7515 – 2 – Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode

Seite

Fünftes Kapitel: Informationstechnologie und Publizität . . . . . . . . . . . . . . . . . 108

I. Informationstechnologie und Aktienrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 108

II. Verbesserung der Unternehmenspublizität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 111

Sechstes Kapitel: Rechnungslegung und Prüfung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 117

I. Empfehlungen zur Rechnungslegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 117

II. Abschlussprüfung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 121

III. Aufsichtsrat und Abschlußprüfung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 131

IV. Gründungsprüfung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 136

E. Fragenkatalog . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 137

F. Sachverständige und Verbände . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 139

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Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 3 – Drucksache 14/7515

Mit Schreiben vom 29. Mai 2000 hat der Bundeskanzlerdie Regierungskommission „Corporate Governance –Unternehmensführung – Unternehmenskontrolle – Mo-dernisierung des Aktienrechts“ eingesetzt. In dem Schrei-ben heißt es zum Auftrag der Kommission: „Die Kom-mission soll sich aufgrund der Erkenntnisse aus dem FallHolzmann mit möglichen Defiziten des deutschen Sys-tems der Unternehmensführung und -kontrolle befassen.Darüber hinaus soll sie im Hinblick auf die durch Globa-lisierung und Internationalisierung der Kapitalmärkte sichvollziehenden Wandels unserer Unternehmens- undMarktstrukturen Vorschläge für eine Modernisierung un-seres rechtlichen Regelwerkes unterbreiten.“

In der Mitteilung des Bundeskanzleramtes vom 21. Juni2000 heißt es hierzu: „Die Bundesregierung will mit die-sem Schritt den Finanzplatz Deutschland stärken, die Wett-bewerbsfähigkeit deutscher Unternehmen weiter verbes-sern und die Chancen der Internationalisierung der Märktesowie der rasanten Entwicklung von Informations- undKommunikationstechnologien nutzen. Das deutsche Sys-tem der Unternehmensführung und Unternehmenskon-trolle soll in seinen Stärken ausgebaut und mögliche Defi-zite behoben werden, um im Wettbewerb der CorporateGovernance Systeme eine führende Rolle zu behaupten.

Ziel der Arbeit ist nicht ein Ausbau der Regulierung, son-dern deren Anpassung. Es geht dabei um nicht weniger alseine Neujustierung des Verhältnisses von staatlichemOrdnungsrahmen und Instrumenten der Selbstregulie-rung.

Aufgabe der Kommission ist die Erarbeitung konkreterEmpfehlungen, wie das deutsche System der CorporateGovernance an die rasanten wirtschaftlichen und techno-logischen Veränderungen angepasst werden kann. Dabeiwird die Kommission nicht nur die Anforderungen derKapitalmärkte berücksichtigen, sondern die berechtigtenInteressen aller am Unternehmenserfolg Beteiligten (Stakeholder) einbeziehen.

Die Kommission befasst sich unter anderem mit der Ar-beit von Vorstand, Aufsichtsrat, Abschlussprüfung undHauptversammlung mit dem Ziel, eine adäquate Kon-trolle der Unternehmensleitungen durch interne Vorkeh-rungen, Kapitalmärkte, Aktionärsrechte und wirksameHaftungsregelungen sicherzustellen.

Geprüft werden soll zudem, welche Möglichkeiten dieNutzung moderner Kommunikationstechnologien, insbe-sondere des Internet bietet, um mehr Transparenz, be-schleunigte Verfahren und verbesserte Beteiligungsmög-lichkeiten zu schaffen. Darüber hinaus soll untersuchtwerden, ob beispielsweise der Gang junger Wachstums-unternehmen an die Börse durch Flexibilisierungen imAktienrecht erleichtert werden kann und welche Folgensich für deutsche Aktiengesellschaften aus einer doppel-ten oder ausschließlichen Zulassung an einer ausländi-schen Börse ergeben.

Der Abschlussbericht mit Empfehlungen für Wirtschaftund Politik soll bis Sommer 2001 vorgelegt werden.“

A. Auftrag

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Drucksache 14/7515 – 4 – Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode

Dr. Paul Achleitner Professor em. Dr. Dr. h.c. Marcus LutterFinanzvorstand der Allianz AG Zentrum für europäisches

Wirtschaftsrecht der Universität Bonn

Prof. Dr. Dr. h.c. Theodor Baums (Vorsitzender) Prof. Dr. Rolf NonnenmacherJohann Wolfgang Goethe-Universität Vorstandsmitglied KPMGFrankfurt/Main Deutsche Treuhandgesellschaft

Hans Martin Bury Heinz PutzhammerStaatsminister beim Bundeskanzler Mitglied des Geschäftsführenden

DGB-Bundesvorstandes

Dr. Karl-Gerhard Eick Kim SchindelhauerFinanzvorstand Deutsche Telekom AG Kaufmännischer Vorstand der

Aixtron AG

Andrea Fischer, MdB Gerhard SchmidBundesministerin a. D. Vorstandsvorsitzender der(seit 19. April 2001) MobilCom AG

Dr. Hansjörg Geiger Hubertus SchmoldtStaatssekretär im Vorsitzender des GeschäftsführendenBundesministerium der Justiz Hauptvorstandes der IGBCE

Dr. h.c. Ulrich Hartmann Dr. Werner G. SeifertVorsitzender des Vorstandes, E.on AG Vorstandsvorsitzender

Deutsche Börse AG

Prof. Dr. Herbert Henzler Ludwig Stiegler, MdBChairman Europe, McKinsey

Christian StrengerUlrich Hocker Mitglied des Aufsichtsrates derHauptgeschäftsführer DWS Investment GmbHDeutsche Schutzvereinigungfür Wertpapierbesitz Dr. Alfred Tacke

Staatssekretär im BundesministeriumCaio K. Koch-Weser für Wirtschaft und TechnologieStaatssekretärBundesministerium der Finanzen Margareta Wolf, MdB

(bis 2. Februar 2001)Hilmar KopperVorsitzender des Aufsichtsrates Klaus ZwickelDeutsche Bank AG 1. Vorsitzender der IG Metall

B. Die Kommissionsmitglieder

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Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 5 – Drucksache 14/7515

Die vom Bundeskanzler Ende Mai 2000 eingesetzte Re-gierungskommission „Corporate Governance“ hat ihreArbeit am 20. Juni 2000 im Kanzleramt in Berlin aufge-nommen und einen Fragenkatalog (Abdruck unten E.) er-arbeitet, der dann an rund 80 in- und ausländische Sach-verständige und Verbände versandt worden ist. Dieausländischen Experten und Sachverständigen haben eineabgekürzte englische Version erhalten; diese ist, um zuweiteren Stellungnahmen zu ermuntern, auf die Internet-seite eines großen US-amerikanischen Beraters für insti-tutionelle Investoren eingestellt worden. Insgesamt hatdie Regierungskommission von den zu einer Stellung-nahme aufgeforderten Sachverständigen und Verbänden63 zum Teil sehr detaillierte Rückantworten erhalten.Überdies sind bei der Regierungskommission zahlreicheAnregungen zu den von ihr behandelten Themen einge-gangen, und sie hat, wo ihr dies im Laufe der Beratungenerforderlich erschien, weitere mündliche und schriftlicheAuskünfte eingeholt und in ihren Sitzungen zahlreicheSachverständige angehört (zu Letzterem unten F.).

Auf der Grundlage des von der Regierungskommissionerarbeiteten Fragenkatalogs und der bei ihr eingetroffenenStellungnahmen hat die Regierungskommission sodannim Oktober letzten Jahres ihre Beratungen zu den Einzel-fragen aufgenommen und an 20 zum Teil ganztägigen Sit-zungsterminen behandelt. Sie hat dabei während derKommissionsarbeit eingetretene Entwicklungen in ihremAufgabenbereich beobachtet und unterbreitet insbeson-dere aufgrund einer Analyse der Entwicklungen amNeuen Markt insoweit Vorschläge (Drittes Kapitel, II., 11. „Falsche Darstellungen gegenüber dem Kapitalmarkt“).

Erhebliche Bedeutung hat die Regierungskommission beider Erarbeitung ihrer Empfehlungen internationalen Ent-wicklungen und ähnlichen Reformplänen des Auslandsbeigemessen. In einer Vielzahl von Einzelfragen sind Ver-merke zu Lösungen des ausländischen Rechts erstelltworden. Zusätzlich zu den allgemeinen Stellungnahmenausländischer Experten und Verbände sind ergänzendeAuskünfte zu Einzelfragen eingeholt worden. Der Regie-rungskommission haben Vorschläge zur Reform zahlrei-cher ausländischer Rechte (Australien, Großbritannien,Italien, Japan, Niederlande, Einzelstaaten der USA undUS-Bundeskapitalmarktrecht) vorgelegen. Engen schrift-lichen und mündlichen Austausch über die jeweiligen Re-formvorschläge hat die Regierungskommission insbeson-dere mit der Gesellschaftsrechtsreformkommission desbritischen Wirtschaftsministeriums gepflogen; eine Ar-beitsgruppe der Regierungskommission hat zu diesemZweck das DTI in London aufgesucht.

„Corporate Governance“ betrifft vor allem die Funktions-weise der Leitungsorgane, ihre Zusammenarbeit und dieKontrolle ihres Verhaltens. Damit ist im deutschen Mo-dell die Zweiteilung in Vorstand und Aufsichtsrat und,

damit zusammenhängend, die Mitbestimmung der Arbeitnehmer angesprochen. Für die Rechtsform der Eu-ropäischen Aktiengesellschaft werden insoweit derzeit – bisher noch nicht praktisch erprobte – Gestaltungsmo-delle erörtert. In den Niederlanden hat jüngst der Sozial-Ökonomische Rat Vorschläge zur Umgestaltung der dor-tigen „Structuurregeling“ vorgelegt, die auch und vorallem das niederländische Mitbestimmungsmodell betref-fen (Sociaal-Economische Raad, „Het functioneren en detoekomst van de Structuurregeling“, Den Haag 2001). InAnbetracht dieser Entwicklungen und der Zeitvorgabe fürdie Ablieferung des Berichts der Regierungskommissionhat die Regierungskommission sich in Abstimmung mitdem Bundeskanzleramt entschlossen, keine Vorschlägezur unmittelbaren Einschränkung oder Erweiterung derMitwirkungsbefugnisse der Arbeitnehmer und ihrer Ver-tretungen vorzulegen. Damit wird freilich nicht der Dis-kussionsbedarf um die Ausgestaltung unternehmerischerMitbestimmung insbesondere in international tätigen Ge-sellschaften und Konzernholdings verneint.

Gleichfalls hat die Regierungskommission beschlossen,von Empfehlungen zum wirtschaftlich tätigen Idealvereinund zum Versicherungsverein auf Gegenseitigkeit (vgl.dazu IV des Fragenkatalogs) abzusehen. Im Fall des wirt-schaftlich tätigen Idealvereins hätte es nach Auffassungder Regierungskommission weiterer eingehender empiri-scher, rechtsvergleichender und rechtspolitischer Überle-gungen bedurft, die im vorgegebenen Zeitrahmen nicht zuleisten waren. Die Regierungskommission ist gleichwohlder Auffassung, dass rechtspolitischer Diskussionsbedarfvor allem hinsichtlich solcher Vereine besteht, die steuer-liche Privilegien in Anspruch nehmen, Spenden einsam-meln oder als Idealvereine im Rahmen des so genanntenNebenzweckprivilegs als Wirtschaftsunternehmen tätigsind.

Was die Versicherungsvereine auf Gegenseitigkeit betrifft,so sind nach den Erkenntnissen, die die Regierungskom-mission aus den bei ihr eingegangenen Stellungnahmenund einer mündlichen Erörterung mit Sachverständigengewinnen konnte, gewisse Corporate-Governance-Pro-bleme durchaus nicht zu verkennen. Die Regierungskom-mission sieht aber auch insoweit von einzelnen Empfeh-lungen in Anbetracht dessen ab, dass diese Unternehmensich mit den Versicherungsaktiengesellschaften und denöffentlich-rechtlichen Versicherern in einem Produktwett-bewerb befinden, in dem sich die Rechtsform des Versi-cherungsvereins behaupten muss. Unter rechtstechnischenAspekten erscheint es der Regierungskommission wün-schenswert, dass bei Änderungen des Aktienrechts dieAuswirkungen auf den Versicherungsverein auf Gegensei-tigkeit besonders geprüft werden.

Zur Arbeitsweise der Regierungskommission ist zu berichten, dass die von den Mitgliedern der Kommission

C. Bericht des Vorsitzenden

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Drucksache 14/7515 – 6 – Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode

beschlossenen Empfehlungen und der gesamte von ihrvorgelegte Bericht (unten D) zwar in Arbeitssitzungen un-ter Heranziehung von Mitarbeitern vorbereitet, aber in al-len Teilen von allen Mitgliedern überprüft und beschlos-sen worden ist und demzufolge mitgetragen wird.Natürlich kann nicht jedes Mitglied der Regierungskom-mission für jede einzelne Formulierung des Berichts inAnspruch genommen werden. Die Regierungskommis-sion hat aber bewusst, um zu gemeinsamen Standpunktenzu finden und um ihren Empfehlungen Nachdruck zu ver-leihen, von Minderheitsvoten abgesehen.

Die Regierungskommission empfiehlt der Bundesregie-rung, die im Bericht im Einzelnen entwickelten und be-gründeten Vorschläge möglichst umgehend umzusetzen.Auch wenn einzelne Empfehlungen sich technisch ra-scher verwirklichen lassen dürften als andere, wird dasZiel des Auftrages nur erreicht werden können, wenn dieunterbreiteten Vorschläge als Teile eines Gesamtkonzeptsverstanden und behandelt werden.

Die Regierungskommission schuldet zahlreichen Perso-nen und Institutionen, die ihre Arbeit unterstützt und ge-fördert haben, Dank: Den Sachverständigen und Verbän-den, die schriftliche Stellungnahmen eingereicht oder fürmündliche Erläuterungen zur Verfügung gestanden ha-ben; allen Mitarbeitern der Kommissionsmitglieder, diedie Arbeit tatkräftig unterstützt haben; dem Stab des Bun-deskanzleramtes, der der Regierungskommission zurSeite gestanden hat. Namentlich hervorheben möchte dieRegierungskommission vor allem ihren Schriftführer,Herrn Mathias Stöcker, Universität Frankfurt/Main, derdie Verhandlungen der Kommission mit großer Umsichtund präzise protokolliert hat. Die ThyssenKrupp AG,Duisburg und Essen, hat Aufwendungen der Regierungs-kommission für Reisekosten mit einer großzügigenSpende unterstützt; dafür sei ihr herzlich gedankt.

Berlin, 10. Juli 2001

Theodor Baums

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Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 7 – Drucksache 14/7515

Inhal tsverzeichnisSeite

Zusammenfassung der Empfehlungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14

Erstes Kapitel: Gesetzliche Regulierung und Corporate Governance-Kodex . . 25

I. Zwingendes und nachgiebiges Aktienrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25

1. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25

2. Gläubigerschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25

3. Arbeitnehmerschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 26

4. Anlegerschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 26

II. Corporate Governance-Kodex für die Unternehmensleitungen börsennotierter Gesellschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27

1. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27

2. Verbindlichkeit eines Kodex . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28

3. Anwendungsbereich und Inhalt eines Kodex . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30

4. Ausarbeitung und Weiterentwicklung des Kodex . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31

Zweites Kapitel: Leitungsorgane . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32

I. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32

II. Vorstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 33

1. Die Berichterstattung des Vorstands . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 33(a) Frequenz der Berichterstattung; sonstige Kapitalgesellschaften . . . . . . . 33(b) Konzerndimensionaler Bezug der Berichtspflichten und

Informationsrechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 33(c) „Follow up“-Berichterstattung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 34(d) Schriftlichkeit der Berichterstattung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 34(e) Rechtzeitigkeit der Berichterstattung; Beschlussvorlagen . . . . . . . . . . . 35(f) Berichtsverlangen einzelner Aufsichtsratsmitglieder . . . . . . . . . . . . . . . . 36(g) Aushändigung von Unterlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 36

2. Risikosteuerungspflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 37

3. Zustimmungspflichtige Geschäfte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 37

4. Der Vorstandsvorsitzende . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 38

5. Aufbau wechselseitiger Beteiligungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 39

6. Dauer der Bestellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 40

7. Erfolgsabhängige Vergütung des Vorstands . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 40(a) Die Regelung des § 86 AktG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 40(b) Fixierung von Erfolgszielen; Windfall Profits . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 40

D. Kommissionsbericht

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Drucksache 14/7515 – 8 – Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode

Seite

(c) Quantitative Deckelung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41(d) Mitwirkungsbefugnisse und Information der Hauptversammlung . . . . . 42(e) Nachträgliche Abänderung („repricing“) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 43(f) Hedging . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 43

8. Nachvertragliche Wettbewerbsverbote . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 43

III. Der Aufsichtsrat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 43

1. Größe des Aufsichtsrats . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 43

2. Vertreter von Aktionärsvereinigungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 44

3. Qualifikation von Aufsichtsratsmitgliedern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 44(a) Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 44(b) Höchstzahl von Mandaten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 44(c) Mandate in Konkurrenzunternehmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 45(d) Unabhängigkeit der Aufsichtsratsmitglieder . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 45

4. Entscheidungsbefugnisse von Aufsichtsratsausschüssen . . . . . . . . . . . . . . . 46

5. Einberufung/Sitzungsfrequenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 46

6. Interne Revision und Aufsichtsrat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 47

7. Berichtspflicht und Redepflicht des Aufsichtsrats . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 47(a) Berichtspflicht gemäß § 171 Abs. 2 AktG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 47(b) Redepflicht der Aufsichtsratsmitglieder in der Hauptversammlung . . . . 48

8. Selbstevaluierung des Aufsichtsrats . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 48

9. Erster Aufsichtsrat bei Gründung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 48

10. Erfolgsabhängige Aufsichtsratsvergütungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 48

11. § 10 Ziff. 4 Körperschaftsteuergesetz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 48

IV. Vorstand und Aufsichtsrat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 49

1. Vertrauliche Angaben und Geschäftsgeheimnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 49

2. Publizität möglicher Interessenkonflikte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 49

3. Haftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 50(a) Innenhaftung: „Business Judgement Rule“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 50(b) Innenhaftung: Vertragliche Haftungsbefreiung bei einfacher

Fahrlässigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 50(c) Innenhaftung: Verfolgungsrecht gemäß § 147 AktG . . . . . . . . . . . . . . . . 50(d) Außenhaftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 52(e) D&O – Versicherung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 52(f) Klagen im Ausland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 53

Drittes Kapitel: Aktionäre und Anleger . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 53

I. Die Hauptversammlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 53

1. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 53

2. § 119 Abs. 2 AktG und „Holzmüller“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 54

3. Die Einberufung der Hauptversammlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 56(a) Form . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 56(b) Anleger im Ausland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 56(c) An deutschen Börsen gelistete ausländische Emittenten . . . . . . . . . . . . . 57

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Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 9 – Drucksache 14/7515

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(d) Einberufungsfrist . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 57(e) Angabe der „Zeit“ der Hauptversammlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 58(f) Beschlussvorschläge in der Einberufung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 58

4. Mitteilungen nach § 125 AktG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 58

5. Weiterleitung von Mitteilungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 59

6. Überlassung und Auslegung von Berichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 59

7. Berichte auf der Website . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 60

8. Korrektur von Vorstandsberichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 60

9. Zusatzanträge und Gegenanträge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 60(a) Anträge gemäß § 122 Abs. 2 AktG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 60(b) Anträge gemäß § 126 AktG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 60

10. Anmeldung zur Hauptversammlung; Hinterlegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 61(a) Anmeldung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 61(b) Hinterlegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 61

11. Vorabauskünfte; Ankündigung und Anzahl von Fragen . . . . . . . . . . . . . . . . 62(a) Vorabinformationen auf der Website . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 62(b) Ankündigung und Anzahl von Fragen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 63

12. Ort und Übertragung der Hauptversammlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 63(a) Versammlung im Ausland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 63(b) Ton- und Bildübertragung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 63(c) Parallel- und „Satellitenversammlungen“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 64(d) Virtuelle Hauptversammlungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 65

13. Schriftliche Hauptversammlungsentscheidungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 65

14. Die Geschäftsordnung für die Hauptversammlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 65

15. Befugnisse des Leiters der Hauptversammlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 66

16. Unmittelbare Online-Teilnahme von Aktionären . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 66

17. Die Vertretung der Aktionäre . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 68(a) Vollmachtstimmrecht der Kreditinstitute . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 68(b) Der von der Verwaltung benannte Stimmrechtsvertreter . . . . . . . . . . . . 68

18. Teilnahme von Vorstands- und Aufsichtsratsmitgliedern . . . . . . . . . . . . . . . 68

19. Abstimmungspflicht für institutionelle Investoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 69(a) Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 69(b) Versicherungsunternehmen (einschließlich Pensionkassen und -fonds) . 69(c) Investmentfonds . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 70

II. Aktionärsrechte und Anlegerschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 70

1. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 70

2. Einsichts- und Auskunftsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 70(a) Einsicht ins Aktienregister; Aktionärskommunikation . . . . . . . . . . . . . . 70(b) Einsichts- und Auskunftsrecht außerhalb der Hauptversammlung . . . . . 71(c) Auskunftsrecht in der Hauptversammlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 72

3. Gleichbehandlung bei Informationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 74

4. Sonderprüfungsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 74

5. Anfechtungs- und Nichtigkeitsklage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 75(a) Mindestanteilsbesitz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 75(b) Mindestbesitzzeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 75

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Drucksache 14/7515 – 10 – Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode

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(c) Widerspruchserfordernis in § 245 Nr. 1 AktG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 76(d) Verlängerung der Anfechtungsfrist . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 76(e) Kausalität/Erheblichkeit von Verfahrensmängeln . . . . . . . . . . . . . . . . . 76(f) Verhältnismäßigkeitsprüfung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 76(g) Erweiterung des § 14 Abs. 2 UmwG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 76(h) Kapitalerhöhung mit Bezugsrechtsausschluss . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 77(i) Ausdehnung des Freigabeverfahrens auf strukturändernde Beschlüsse . 77(j) Freigabekriterien; Beschleunigung des Freigabeverfahrens . . . . . . . . . 78(k) Freigabeverfahren bei einfachen Satzungsänderungen . . . . . . . . . . . . . 78(l) Publizität von Abfindungsvergleichen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 79(m) Haftung bei missbräuchlichen Anfechtungsklagen . . . . . . . . . . . . . . . . 79(n) Schiedsklauseln für Beschlussmängelklagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 79(o) Streitwertbemessung/Prozesskostenverteilung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 80(p) Gerichtliche Zuständigkeitskonzentration . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 80

6. Haftung bei Stimmrechtsausübung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 80

7. Bezugsrecht und Börsengang von Konzerntöchtern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 80

8. Aktionärsschutz bei Delisting . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 81(a) Hauptversammlungsentscheidung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 81(b) Barabfindung bei „kaltem Delisting“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 81(c) Spruchverfahren bei Delisting . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 81

9. Neuregelung des Spruchverfahrens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 81(a) Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 81(b) Gerichtliche Auswahl und Bestellung der Prüfer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 81(c) Verfahrensbeschleunigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 82(d) Örtliche Bündelung der Spruchverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 82(e) Beschränkung auf eine Rechtsbeschwerde . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 82(f) Kosten des Spruchverfahrens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 83(g) Vorgabe einer Entscheidungsfrist . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 83

10. §§ 311 ff. AktG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 83(a) Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 83(b) Abhängigkeitsbericht der Einmann-GmbH . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 83(c) Wahl des Abschlussprüfers gemäß § 313 AktG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 84(d) Offenlegung von Prüfungsbericht und Abhängigkeitsbericht . . . . . . . . . 84

11. Falsche Darstellungen gegenüber dem Kapitalmarkt . . . . . . . . . . . . . . . . . . 84(a) Fehlerhafte Ad hoc – Mitteilungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 84(b) Verjährung von Prospekthaftungsansprüchen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 85(c) Strafbarkeit unrichtiger Darstellungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 85(d) Haftung für Falschinformation des Kapitalmarkts . . . . . . . . . . . . . . . . . 85(e) Kollektive Durchsetzung von Anlegeransprüchen . . . . . . . . . . . . . . . . . 87

Viertes Kapitel: Unternehmensfinanzierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 89

I. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 89

II. Deregulierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 90

1. Aktienstückelung (Aktiensplit) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 90

2. Stückelose Effekten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 90

3. Sachkapitalerhöhung in der Nachgründungsphase . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 91

4. Spaltung in der Nachgründungsphase . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 92

5. Rücklagenbildung (§ 58 AktG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 92

6. Aktien- und Sachdividenden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 92

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Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 11 – Drucksache 14/7515

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7. Zwischendividenden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 93

8. Erwerb eigener Aktien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 94(a) Prämienzahlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 94(b) Weitergabe an nahe stehende Personen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 94(c) Rückerwerb zu Abfindungszwecken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 95(d) Erwerb für fremde Rechnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 95(e) Erwerb zum Zweck des Wertpapierhandels . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 95(f) Erwerb eigener Aktien und Asset Management . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 96(g) Erwerb eigener Aktien im Wege der Wertpapierleihe . . . . . . . . . . . . . . . 96(h) Erwerb eigener Aktien bei Schadenersatz- und

Versicherungsleistungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 96(i) Inpfandnahme eigener Aktien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 96

9. Gesetzliche Rücklage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 96

10. Vorratsbeschlüsse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 97

11. Kapitalerhöhung gegen Einlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 97(a) Kapitalerhöhung durch Aufstockung des Ausgabebetrages . . . . . . . . . . 97(b) Fester Ausgabebetrag bei Sacheinlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 97(c) Bezugsfrist und Kursänderungsrisiko . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 98(d) Abwicklung des Bezugsrechts über Kreditinstitute . . . . . . . . . . . . . . . . . 99(e) Bezugsrechtsausschluss in börsennotierten Gesellschaften . . . . . . . . . . 99

12. Schuldverschreibungen und Bezugsrechtsausschluss . . . . . . . . . . . . . . . . . . 99

13. Bedingte Kapitalerhöhung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 100(a) Nackte Optionen („naked warrants“) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 100(b) „Contingent shares“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 101(c) Kreis der Bezugsberechtigten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 101(d) Wandelschuldverschreibungen und § 193 Abs. 2 Nr. 4 AktG . . . . . . . . . 102(e) Die 10 %-Schwelle des § 192 Abs. 3 AktG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 102

14. Genehmigtes Kapital . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 102(a) Die 50 %-Schwelle des § 202 Abs. 3 AktG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 102(b) Ermächtigung zur Festlegung der Aktienart . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 103(c) Berichtspflicht bei Bezugsrechtsausschluss . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 103

15. Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 104

16. Einziehung von Stückaktien ohne Kapitalherabsetzung . . . . . . . . . . . . . . . . 104

III. Neue Finanzierungs- und Gestaltungsinstrumente . . . . . . . . . . . . . . . . . 105

1. Rückerwerbbare Aktien („redeemable shares“) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 105

2. Spartenaktien („tracking stock“) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 106(a) Vorzüge und Nachteile von Spartenaktien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 106(b) Variables Stimmrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 107(c) Einschränkung des Sonderbeschlusserfordernisses . . . . . . . . . . . . . . . . . 107(d) Umtausch/Umwandlung in Stammaktien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 107

3. „Triangular Mergers“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 107

4. „Scheme of Arrangement“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 107

5. Liquidationsspaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 108

Fünftes Kapitel: Informationstechnologie und Publizität . . . . . . . . . . . . . . . . . 108

I. Informationstechnologie und Aktienrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 108

1. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 108

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Drucksache 14/7515 – 12 – Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode

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2. Überblick über die Vorschläge des Kommissionsberichts . . . . . . . . . . . . . . 108(a) Vorstand und Aufsichtsrat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 108(b) Aktionär und Gesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 109(c) Einberufung und Abwicklung der Hauptversammlung . . . . . . . . . . . . . . 109(d) Externe Publizität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 110

II. Verbesserung der Unternehmenspublizität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 111

1. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 111

2. „Deutsches Unternehmensregister“; Publizitätsmedien . . . . . . . . . . . . . . . . 111(a) „Deutsches Unternehmensregister“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 111(b) Handelsregisterpublizität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 112(c) Bundesanzeigerpublizität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 112(d) Ad-hoc-Publizität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 113(e) Beteiligungspublizität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 113

3. Einzelprobleme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 113(a) Offenlegung von Vorstandsbezügen und Aktienoptionen . . . . . . . . . . . . 113(b) Angaben zum Aktienbesitz von Organmitgliedern . . . . . . . . . . . . . . . . . 115(c) Publizität von Spenden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15(d) Eigengeschäfte von Organmitgliedern mit der Gesellschaft . . . . . . . . . . 116

Sechstes Kapitel: Rechnungslegung und Prüfung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 117

I. Empfehlungen zur Rechnungslegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 117

1. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 117

2. Internationale Vergleichbarkeit der Konzernabschlüsse . . . . . . . . . . . . . . . . 117

3. Befreiende Konzernabschlüsse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 117

4. Zwischenberichterstattung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 118(a) Allgemeines; Aufstellungspflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 118(b) Frequenz; Inhalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 119(c) Veröffentlichung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 119

5. Segmentberichterstattung; Kapitalflussrechnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 119

6. Risikoüberwachungssysteme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 119

7. Feststellung des Konzernabschlusses . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 120

8. Veröffentlichungsfrist („fast close“) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 120

9. Durchsetzung ordnungsgemäßer Rechnungslegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 120

II. Abschlussprüfung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 121

1. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 121

2. Prüferauswahl und Prüfungsauftrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 121

3. Gegenstand und Umfang der Prüfung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 122(a) Ordnungsmäßigkeit der Geschäftsführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 122(b) Berichterstattung des Vorstands . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 123(c) Zwischenberichte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 123(d) „Unterschlagungsprüfung“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 124

4. Gestaltung und Inhalt des Prüfungsberichts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 125(a) Zusatzbericht für Aufsichtsbehörden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 125(b) Einschränkung von Berichterstattungspflichten; „Bestätigungsbericht“ 125

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Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 13 – Drucksache 14/7515

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5. Teilnahme an der Hauptversammlung und Redepflicht . . . . . . . . . . . . . . . . 126

6. Verschwiegenheitspflicht gegenüber neuem Abschlussprüfer . . . . . . . . . . . 126

7. Offenlegung von Prüfungsberichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 127

8. Vergütung des Abschlussprüfers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 127(a) Gebührenordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 127(b) Zuständigkeitsfragen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 128

9. Prüferhaftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 128(a) Haftungsobergrenze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 128(b) Vertretung der Gesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 128

10. Die Unabhängigkeit des Abschlussprüfers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 128(a) Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 128(b) „Unabhängigkeitserklärung“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 129(c) Verbot einzelner Nichtprüfungsleistungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 129(d) Genehmigung von Nichtprüfungsleistungen durch den Aufsichtsrat . . . 129(e) Gesamtvolumen sonstiger Beratungsleistungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 130(f) Offenlegung der Vergütungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 130

III. Aufsichtsrat und Abschlussprüfung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 131

1. Qualifikation der Aufsichtsratsmitglieder . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 131

2. Prüfungsausschüsse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 132(a) Einrichtung, Besetzung, Aufgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 132(b) Aufsichtsratsplenum und Prüfungsausschuss . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 133

3. Leseexemplare der Entwürfe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 133

4. Teilnahme an der Abschlussbesprechung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 134

5. „Management Letters“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 134

6. Individualanspruch auf Aushändigung der Unterlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . 134

7. Berichtspflicht des Abschlussprüfers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 135

8. Sicherstellung der Information durch den Aufsichtsrat . . . . . . . . . . . . . . . . 135

9. Prüfung von Zwischenberichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 135

10. Rechte der Aufsichtsratsminderheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 136(a) Anspruch auf Berichterstattung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 136(b) Festlegung von Prüfungsschwerpunkten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 136

IV. Gründungsprüfung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 136

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Drucksache 14/7515 – 14 – Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode

Erstes Kapitel: Gesetzliche Regulierung undCorporate Governance-Kodex

5–7 Die Regierungskommission spricht sich füreinen deutschen Corporate Governance-Ko-dex aus.

8 Die gesetzesergänzenden Regeln eines sol-chen Kodex sollten nicht inhaltlich verbind-lich sein, sondern nur den Charakter von Emp-fehlungen haben. Allerdings sollte eineverbindliche Information über die Beachtungder Regeln des Kodex („entsprich oder er-kläre“) erfolgen.

9–12 Die Regierungskommission schlägt vor, dassVorstand und Aufsichtsrat einer börsennotier-ten Aktiengesellschaft jährlich erklären, dasssie die Empfehlungen eines im Bundesanzei-ger veröffentlichten Kodex betreffend die Unternehmensleitung und -überwachung be-achten („Entsprechens-Erklärung“). Bei derAbgabe der Entsprechens-Erklärung sind Ab-weichungen von den im Corporate Gover-nance-Kodex enthaltenen Empfehlungen zubegründen.

13–15 Der Anwendungsbereich eines Kodex für Unternehmensleitung und Unternehmens-überwachung sollte auf börsennotierte Gesell-schaften beschränkt werden. Nicht börsenno-tierten Gesellschaften steht es frei, diegesetzesergänzenden Regeln eines Kodexdurch Satzung, Geschäftsordnung oder An-stellungsverträge zu übernehmen; dies magsich insbesondere für solche Gesellschaftenempfehlen, die einen Börsengang planen.

16–17 Die Regierungskommission empfiehlt derBundesregierung, eine Kommission mit demAuftrag einzusetzen, einen Corporate Gover-nance-Kodex für die Unternehmensleitungund -überwachung deutscher börsennotierterGesellschaften zu entwickeln. Die Kommis-sion sollte aus höchstens 12 Mitgliedern be-stehen, die besonders anerkannt und fachlichgeeignet sein müssen; insbesondere sollteneinzelne Mitglieder über Erfahrungen undKenntnisse in der Unternehmensleitung und -überwachung börsennotierter in- und auslän-discher Gesellschaften, auf den Gebieten desGesellschaftsrechts, der Rechnungslegungund der Abschlußprüfung verfügen. In dieKommission sollten institutionelle und privateAnleger, Arbeitnehmervertreter, Vorstands-

und Aufsichtsratsmitglieder, einschlägig tätigeUnternehmensberater und Wissenschaftler be-rufen werden.

17 Der von dieser Kommission entwickelte Ko-dex sollte durch Veröffentlichung im Bundes-anzeiger bekannt gemacht werden. Die Kom-mission sollte in angemessenen Zeitabständenwieder zusammentreten, um die Frage derWeiterentwicklung des Kodex zu prüfen.

Zweites Kapitel: Leitungsorgane

21 Die Regierungskommission empfiehlt, fürUnternehmen, die einen Konzernabschlussoder Teilkonzernabschluss aufstellen oder an-dere Unternehmen gemäß § 310 HGB anteil-mäßig konsolidieren, gesetzlich festzulegen,dass sich die Regelberichterstattung gemäß § 90 Abs. 1 S. 1 AktG auch auf die einbezoge-nen Gesellschaften bezieht.

22 Die Regierungskommission schlägt vor, dasEinsichts- und Prüfungsrecht des Aufsichts-rats gemäß § 111 Abs. 2 AktG durch gesetzli-che Vorschrift wie folgt zu erweitern: Ein vomAufsichtsrat bestellter zur Berufsverschwie-genheit verpflichteter Sachverständiger solltedie Rechte nach § 111 Abs. 2 S. 1 AktG auch gegenüber Tochterunternehmen im Sinne des § 290 Abs. 2 HGB und anderen Unternehmenim Sinne des § 310 HGB haben; er sollte vonderen gesetzlichen Vertretern Aufklärungenund Nachweise verlangen können.

24 Die Regierungskommission schlägt vor, in § 90 Abs. 1 AktG klarzustellen, dass der Vor-stand in seinem Bericht über die beabsichtigteGeschäftspolitik und andere grundsätzlicheFragen der Unternehmensplanung auch aufAbweichungen von früher formulierten Zielenund die Gründe hierfür einzugehen hat.

25 Die Regierungskommission empfiehlt, in § 90AktG festzulegen, dass die Berichte gemäß § 90 Abs. 1 S. 1 und Abs. 3 AktG in der Regelschriftlich zu erstatten sind.

27 Die Regierungskommission spricht sich dafüraus, in § 90 AktG vorzusehen, dass die Vor-standsberichte den Aufsichtsratsmitgliedernin der Regel rechtzeitig zuzuleiten sind.

30–31 Die Regierungskommission schlägt vor, das inden §§ 90 Abs. 3 S. 2, 110 Abs. 2 AktG enthal-tene Erfordernis, dass sich ein weiteres Auf-

Zusammenfassung der Empfehlungen

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Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 15 – Drucksache 14/7515

sichtsratsmitglied dem Berichts- bzw. Einberu-fungsbegehren anschließen muss, zu streichen.

32 Die Regierungskommission empfiehlt, dass inallen Fällen, in denen derzeit die „Aushändi-gung“ von Dokumenten an Aufsichtsratsmit-glieder gesetzlich vorgeschrieben ist, z. B.gemäß §§ 90 Abs. 5, 170 Abs. 3 und 314 Abs. 1 AktG, der Begriff der „Aushändigung“durch den Begriff der „Übermittlung“ ersetztwerden sollte.

33 Die Regierungskommission empfiehlt derBundesregierung, die Einführung und Hand-habung von Risikosteuerungssystemen gemäߧ 91 Abs. 2 AktG und deren Prüfung gemäß § 317 Abs. 4 HGB zu beobachten und die Er-kenntnisse hieraus darauf zu befragen, ob dieRisikosteuerungspflicht gemäß § 91 Abs. 2AktG auf Unternehmen in anderer Rechtsformerstreckt werden sollte.

34–35 Die Regierungskommission empfiehlt, § 111Abs. 4 S. 2 AktG wie folgt zu ändern und fol-genden neuen Satz 3 einzufügen: „Die Satzungoder der Aufsichtsrat hat jedoch zu bestimmen, dass bestimmte Arten von Geschäf-ten nur mit seiner Zustimmung vorgenommenwerden dürfen. Hierzu sollten in der Gesell-schaft oder in abhängigen Unternehmen getrof-fene Entscheidungen oder Maßnahmen zählen,die die Ertragsaussichten der Gesellschaft oderihre Risikoexposition grundlegend verändern“.

Die Regierungskommission empfiehlt, dieVorschrift des § 86 AktG ersatzlos zu streichen.

44 Die Regierungskommission empfiehlt, die Er-läuterung des Begriffs der „Gesamtbezüge deseinzelnen Vorstandsmitglieds“ in § 87 Abs. 1S. 1 AktG („Gehalt, Gewinnbeteiligungen,Aufwandsentschädigungen, Versicherungs-entgelte, Provisionen und Nebenleistungen jeder Art“) durch einen Hinweis auf aktienba-sierte oder anreizorientierte Vergütungszusa-gen zu ergänzen.

45 Die Regierungskommission empfiehlt, imCorporate Governance-Kodex für börsenno-tierte Gesellschaften den Vorstand dazu zuverpflichten, bei Schaffung eines bedingtenKapitals oder einer Ermächtigung zumRückerwerb eigener Aktien zur Bedienungvon Aktienoptionen für Vorstände oder Mit-arbeiter der Hauptversammlung einen Berichtvorzulegen. Dieser Bericht enthält die zursachgerechten Beurteilung des Programms er-forderlichen Angaben, insbesondere auch An-gaben zum Wert oder zur Bandbreite desWerts der Optionen.

52 Die Regierungskommission spricht sich für dieAufnahme einer Empfehlung in den Corporate

Governance-Kodex aus, wonach Aufsichts-ratsmitglied (einer börsennotierten Gesell-schaft) nicht sein soll, wer in fünf anderen Aufsichtsräten einer (konzernexternen) Ge-sellschaft tätig ist.

54 Der einzurichtenden Kommission zur Ent-wicklung eines Corporate Governance-Kodexwird empfohlen, in diesem Kodex vorzusehen,dass Aufsichtsratsmitglieder keine Mandate inanderen Unternehmen wahrnehmen dürfen,die zur Gesellschaft im Wettbewerb stehen.

55 Der einzurichtenden Kommission zur Ent-wicklung eines Corporate Governance-Kodexwird empfohlen, die Frage der Unabhängigkeitder Aufsichtsratsmitglieder bei der Formulie-rung des Kodex zu berücksichtigen; dazugehört auch das Problem des Überwechselnsvon Vorstandsmitgliedern in den Aufsichtsrat.

56 Die Information des Plenums über die Arbeitder Aufsichtsratsausschüsse sollte durch einenneuen § 107 Abs. 3 S. 3 AktG verbessert wer-den, wonach dem Aufsichtsrat über die Arbeitder Ausschüsse regelmäßig zu berichten ist.

57 Die Regierungskommission empfiehlt, in § 110 Abs. 3 AktG vorzusehen, dass der Auf-sichtsrat grundsätzlich bei allen Gesellschaf-ten mindestens zweimal im Kalenderhalbjahrzusammentreten muss. In nicht börsennotier-ten Gesellschaften sollte mit Zustimmungaller Aufsichtsratsmitglieder etwas anderesbeschlossen werden können. Physische Anwe-senheit der Aufsichtsratsmitglieder sollte imEinzelfall nicht erforderlich sein; Telefon-oder Videokonferenzen bzw. -zuschaltungensollten (in begründeten Ausnahmefällen)möglich sein.

65 Die Regierungskommission empfiehlt, § 10Ziff. 4 des Körperschaftsteuergesetzes zustreichen.

66 Die Regierungskommission spricht sich dafüraus, die einzurichtende Kommission zur Ent-wicklung eines Corporate Governance-Kodexmöge in diesem Kodex die Frage des Umgangs der Aufsichtsratsmitglieder mit Ge-sellschaftsgeheimnissen und vertraulichenAngaben, namentlich bei Mitwirkung vonMitarbeitern sowie im Umgang mit derPresse, thematisieren.

67 Die Regierungskommission befürwortet, denStrafrahmen des § 404 AktG (Verletzung derGeheimhaltungspflicht) in Absatz 1 auf bis zuzwei Jahren und in Absatz 2 auf bis zu dreiJahren auszudehnen.

70 Die Regierungskommission empfiehlt, in § 93AktG klarzustellen, dass eine Erfolgshaftung

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Drucksache 14/7515 – 16 – Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode

der Organmitglieder gegenüber der Gesell-schaft ausscheidet („Business JudgementRule“).

Die Regierungskommission empfiehlt, das Verfolgungs-recht gemäß § 147 AktG unter Berücksichtigung der fol-genden Eckpunkte neu zu ordnen:

– Das Klagerecht sollte nicht als Einzelklagebefug-nis, sondern als Minderheitenrecht ausgestaltetwerden. Ein Aktienbesitz im Umfang von 1 % desGrundkapitals oder mit einem Börsen- oderMarktwert von 100 000 Euro sollte ausreichen.

• Das Klagezulassungsverfahren:

Zur Vermeidung unnötiger, aussichtsloser oder erpres-serischer Klagen sollte die Klageerhebung von einerbesonderen Zulassung durch das Prozessgericht ab-hängig gemacht werden. Voraussetzung für die Zulas-sung der Klageerhebung sollte sein:

– die hinreichende Erfolgsaussicht der Klage, näm-lich wenn Tatsachen vorliegen, die den Verdachtvon Unredlichkeiten oder sonstigen groben Verlet-zungen von Gesetz oder Satzung durch die betrof-fenen Organmitglieder begründen;

– die erfolglose Aufforderung an die Gesellschaft,selbst Klage zu erheben und das Fehlen überwie-gender Gründe der Gesellschaft, die gegen dasGeltendmachen des Ersatzanspruches sprechen;

– das Erreichen des Quorums durch die Antragstel-ler und der Nachweis ihres Aktienerwerbs vorKenntnis der haftungsbegründeten Pflichtver-stöße.

– Bei Erfolglosigkeit des Zulassungsantrags solltendie Gerichtskosten und die Kosten der Antraggeg-ner den Antragstellern auferlegt werden.

• Die Schadenersatzklage:

Wenn das Prozessgericht die Klage zulässt, sollten fürdie Schadenersatzklage die folgenden Verfahrens-grundsätze gelten:

– Klagebefugt sollten die Antragsteller des erfolg-reichen Zulassungsverfahrens sein.

– Der bisher vom Prozessgericht zu bestellende be-sondere Vertreter (§ 147 Abs. 3 AktG) entfällt.

– Die Klage sollte sich gegen die betroffenen Organmitglieder richten und auf Schadenersatz-zahlung an die Gesellschaft abzielen; eine „Prä-mien“-Zahlung an die Kläger sollte ausgeschlos-sen sein.

– Die Klage sollte binnen angemessener Frist erho-ben werden.

– Die übrigen Aktionäre sollten zuvor durch Be-kanntmachung in den Gesellschaftsblättern auf dieAbsicht der Klageerhebung hingewiesen werden,um ihnen Gelegenheit zur Beteiligung zu geben.

– Die Rechtskraft des Urteils sollte sich, auch wennes auf Klageabweisung lautet, auf die AG und dieübrigen Aktionäre erstrecken.

– Die Wirksamkeit eines Prozessvergleichs solltevon der Zustimmung des Prozessgerichts abhängiggemacht werden; insoweit sollte § 93 Abs. 4 AktGnicht gelten.

– Die Kostenentscheidung sollte sich nach § 91 ZPOrichten. Allerdings sollte den im Klagezulassungs-verfahren erfolgreichen Aktionären, soweit sie in-folge Klageabweisung die Kosten zu tragen haben,ein Aufwendungsersatzanspruch gegen die AG zu-stehen. Hiervon ausgenommen sein sollten abersolche Kosten, die die Kläger durch unsorgfältigeProzessführung verursacht haben.

– Das Minderheitenrecht in § 147 Abs. 1 AktG solltegestrichen, § 147 Abs. 2 AktG sollte angepasstwerden.

Die Regierungskommission empfiehlt, durch entspre-chende Änderung der §§ 289, 314 HGB vorzusehen, dassim Anhang bzw. Konzernanhang der Betrag der für eineD&O-Versicherung für die Vorstands- und Aufsichtsrats-mitglieder gezahlten Versicherungsprämien sowie dieHöhe des jeweiligen Selbstbehalts der Organmitgliederanzugeben ist.

Drittes Kapitel: Aktionäre und Anleger

83 Den Gesellschaften sollte ermöglicht werden,die Einberufung der Hauptversammlung ent-weder in schriftlicher Form in den Bundes-anzeiger einzurücken oder sie in einer elektro-nischen Version des Bundesanzeigers zu veröffentlichen.

84 Der Kommission zur Entwicklung eines Cor-porate Governance-Kodex wird empfohlen,dort festzulegen, dass die Hauptversamm-lungstermine außer auf dem in § 121 Abs. 3und 4 AktG vorgesehenen Weg auch in ande-rer Weise, z. B. durch einen Finanzkalenderangekündigt und auf der Website der Gesell-schaft publiziert werden sollten.

86 Überdies empfiehlt die Regierungskommis-sion der einzurichtenden Kommission zurEntwicklung eines Corporate Governance-Kodex für börsennotierte Unternehmen dieAufnahme einer Regel, dass die Gesellschaftallen Finanzdienstleistern und Aktionären, diedies vor nicht längerer Frist als einem Jahr ver-langt haben, die Einberufung der Hauptver-sammlung mitsamt den Einberufungsunterla-gen – auf deren Verlangen auf elektronischemWege – mitteilt.

88 Die Regierungskommission schlägt vor, dieInformationen deutscher Anleger über andeutschen Börsen gelistete ausländische Un-

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Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 17 – Drucksache 14/7515

ternehmen zu verbessern. Nach Einrichtungdes einheitlichen elektronischen Zugangspor-tals („Deutsches Unternehmensregister“)sollte die bisher (für die Einberufung) vorge-sehene Zeitungspublizität durch eine elektro-nische Publizität ersetzt werden. Die ausländi-schen, im Inland gelisteten Emittenten solltenverpflichtet werden, der Börse bzw. dem Bun-desanzeiger die für die Aktionärskommunika-tion erforderlichen Daten in elektronischerForm zu Verfügung zu stellen.

97 Der einzurichtenden Kommission zur Ent-wicklung eines Corporate Governance-Kodexfür börsennotierte Gesellschaften wird emp-fohlen, in den Kodex eine Regelung aufzu-nehmen, wonach den Aktionären vorzule-gende und von der Einberufung derHauptversammlung an zur Einsichtnahmedurch die Aktionäre auszulegende Berichteund Unterlagen auch auf der Website der Ge-sellschaft veröffentlicht werden sollten. DesWeiteren wird der Kodex-Kommission emp-fohlen, sie möge sich in diesem Sinne auch mitdem – im Gesetz nicht vorgesehenen – Ge-schäftsbericht befassen.

100–102 Die Regierungskommission schlägt vor, dassdie Ankündigung von Gegenanträgen von Ak-tionären (§ 126 AktG) einschließlich der Stel-lungnahmen der Verwaltung dazu künftig nichtmehr nach § 125 AktG mitgeteilt, sondern le-diglich in einer allgemein zugänglichen Form,etwa auf der Internetseite der Gesellschaft, ver-öffentlicht werden muss, und auch dies nur,wenn der Antrag an eine den Aktionären in derEinberufung der Hauptversammlung mitge-teilte Adresse gesandt worden ist.

104 Die Regierungskommission spricht sich dafüraus, die Hinterlegung von Aktien als Teilnah-mevoraussetzung oder Voraussetzung einerStimmabgabe zu streichen. Stattdessen solltedie Satzung vorsehen können, dass Aktionäreihre Inhaberschaft durch Vorlage oder elektroni-sche Übermittlung einer durch eine in der Sat-zung bestimmte Stelle erteilten Bescheinigungnachweisen können. Wenn die Satzung ein ent-sprechendes Anmelde- oder Nachweis-Erfor-dernis vorsieht, sollte es genügen, dass sich derNachweis der Inhaberschaft auf den siebten Tagvor der Hauptversammlung bezieht.

105 § 131 AktG sollte dahin erweitert werden, dassder Vorstand eine Information verweigernkann, die bis zum Ende der Hauptversamm-lung auf der Website der Gesellschaft abrufbarist und zugleich in der Hauptversammlungschriftlich ausliegt.

106 Die Regierungskommission empfiehlt: DieSatzung oder die Geschäftsordnung (§ 129

AktG) sollte die Zahl der Fragen von Ak-tionären in der Hauptversammlung begrenzenkönnen; in einem solchen Fall müssen je Ak-tionär und Tagesordnungspunkt mindestensfünf Fragen zulässig sein. Die Satzung oderdie Geschäftsordnung sollte ferner vorsehenkönnen, dass Aktionäre, die mehr als fünf Fra-gen zu einem Tagesordnungspunkt zu stellenbeabsichtigen, diese bis zu fünf Tagen vor derHauptversammlung bei der Gesellschaft ein-zureichen haben.

109 Die Regierungskommission schlägt vor, dietelekommunikative Übertragung von Re-debeiträgen in der Hauptversammlung mitAbbildung des Redners auch ohne das Einver-ständnis des betreffenden Aktionärs aufgrundeiner Satzungsbestimmung zu gestatten.

111 Die Regierungskommission schlägt vor, dieDurchführung einer Universalversammlung(§ 121 Abs. 6 AktG) auch als reine Internet-Hauptversammlung zu ermöglichen. Beur-kundungsbedürftige Beschlüsse sollten in ei-ner solchen Versammlung aber nicht gefasstwerden können.

113 Die Regierungskommission ist der Auffas-sung, dass die Satzung oder die Geschäftsord-nung auch angemessene Begrenzungen derzeitlichen Ausübung des Rede- und Aus-kunftsrechts sowie Beschränkungen der Red-nerliste festlegen können sollte.

115–120 Die Satzung der Gesellschaft sollte vorsehenkönnen, dass die Aktionäre unmittelbar an derHauptversammlung auch ohne eigene Präsenzan deren Ort und ohne Zwischenschaltung ei-nes Vertreters teilnehmen und sämtliche odereinzelne Rechte im Wege elektronischer Kom-munikation ausüben können.

122 Die Regierungskommission empfiehlt, inAnalogie zu dem ähnlichen Fall des § 135Abs. 1 S. 2 AktG in § 134 Abs. 3 AktG klar-zustellen, dass Stimmabgaben durch von derGesellschaft benannte Stimmrechtsvertreternur zulässig sind, wenn diesen ausdrücklichWeisungen erteilt worden sind.

123 Die Regierungskommission empfiehlt desWeiteren, im Corporate Governance-Kodexeine Pflicht der Gesellschaften vorzusehen,auf ihrer Internetseite entweder elektroni-sche Verknüpfungen (links) zu denjenigenStimmrechtsvertretern anzubringen, die aufder letzten Hauptversammlung Stimmrechtefür Aktionäre ausgeübt haben, oder, alterna-tiv, deren Stimmrechtsvorschläge unmittel-bar in das eigene Bildschirmformular bzw. schriftliche Weisungsformular zu inte-grieren.

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Drucksache 14/7515 – 18 – Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode

125 Die Satzung sollte nach Auffassung der Re-gierungskommission künftig vorsehen kön-nen, dass Aufsichtsratsmitglieder in begründe-ten Ausnahmefällen auf telekommunikativemWege an der Hauptversammlung teilnehmenkönnen.

128 Die Regierungskommission befürwortet, § 10 Abs.1 S. 4 des Gesetzes über Kapitalan-lagegesellschaften so zu ergänzen, dass dieKapitalanlagegesellschaft einen unabhängi-gen Stimmrechtsvertreter nicht nur für denEinzelfall, sondern auch dauerhaft zur Aus-übung des Stimmrechts ermächtigen kann.

131 Die Regierungskommission spricht sich dafüraus, die Kommunikation zwischen den Ak-tionären in solchen Fällen zu erleichtern, indenen das Gesetz für das Geltendmachen von Aktionärsrechten einen bestimmten Mindest-besitz oder eine bestimmte Mindeststimm-rechtsquote fordert. Als Medium hierfür bietetsich die Internetseite der Gesellschaft an. DieVeröffentlichung sollte von der Verwaltungaus den Gründen des § 126 Abs. 2 S. 1 Nrn. 1bis 3 und Satz 2 AktG oder dann abgelehntwerden können, wenn eine auf denselbenSachverhalt gestützte Aufforderung bereits er-gangen ist. Der Aktionär hat die Kosten derVeröffentlichung vorzulegen; sie sind demAktionär von der Gesellschaft zu erstatten,wenn dem Begehren der Minderheit entspro-chen wird.

132 Die Regierungskommission regt an zu prüfen,ob in nicht börsennotierten Gesellschaften ermöglicht werden sollte, durch Satzungsre-gelung erweiterte Rechte der Aktionäre vorzu-sehen, insbesondere mitgliedschaftliche Ein-sichts- und Auskunftsrechte zu schaffen.

134 Die Regierungskommission regt an, die Bun-desregierung möge prüfen, wie klargestelltwerden kann, dass die Anfechtungsklage we-gen unzureichender Information über Bewer-tungsfragen in allen Fällen, in denen die Bewertungsrüge in das Spruchverfahren ver-wiesen ist, insbesondere auch bei der Ver-schmelzung, ausgeschlossen ist.

139 Die Regierungskommission empfiehlt, für eine Anfechtung eines Hauptversammlungs-beschlusses, die auf die Verletzung von Informationspflichten (Berichtspflichten; Aus-kunftspflichten) gestützt wird, einen Minde-stanteilsbesitz zu fordern. Der Anfechtungs-kläger oder, im Fall einer Streitgenossenschaft,die Kläger müssen im Zeitpunkt der Beschlus-sfassung entweder über einen Aktienbesitz im Umfang von 1 % des Grundkapitals odermit einem Börsen- oder Marktwert von100 000 Euro verfügen. Das Auskunfterzwin-

gungsverfahren (§ 132 AktG) sollte auf dieVerletzung sonstiger Informationspflichten(Berichtspflichten) erstreckt werden.

140 Die Regierungskommission spricht sich dafüraus, im Aktiengesetz festzulegen, dass wegenunrichtiger, unvollständiger oder verweigerterErteilung von Informationen ein Beschlussder Hauptversammlung nur angefochten wer-den kann, wenn wegen der wesentlichen Be-deutung der Information anzunehmen ist, dassdie richtig und vollständig erteilte Informationdas Verhalten eines objektiv urteilenden Ak-tionärs beeinflusst hätte.

143 Die Regierungskommission regt an, in denCorporate Governance-Kodex folgende Regelaufzunehmen: „Die Aktionäre erhalten Zugangzu sämtlichen Informationen, die Finanzana-lysten und vergleichbaren Adressaten mitge-teilt worden sind. Zur zeitnahen und gleich-mäßigen Information der Aktionäre undAnleger nutzt das Unternehmen auch die Kom-munikationsmedien wie etwa das Internet“.

144 Die Regierungskommission ist der Auffas-sung, dass das Recht der Sonderprüfung (§§ 142 ff. AktG) einer Überarbeitung bedarf.

151 Die Regierungskommission schlägt vor, denAnfechtungsausschluss gemäß § 14 Abs. 2UmwG auch auf die aufnehmende Gesell-schaft zu erstrecken, § 15 Abs. 1 UmwG ent-sprechend anzupassen und insoweit stattdes-sen ein Spruchverfahren vorzusehen.

153 Die Regierungskommission schlägt vor, beider Anfechtung von Kapitalmaßnahmen (so-wohl in börsennotierten als auch in nicht bör-sennotierten Gesellschaften) und von sonsti-gen eintragungsbedürftigen Rechtsakten mitAusnahme einfacher Satzungsänderungenund deklaratorischer Eintragungen eine for-melle Registersperre nach dem Vorbild des § 16 Abs. 2 UmwG sowie ferner in den ge-nannten Fällen eine Heilungswirkung der Re-gistereintragung nach dem Vorbild des § 20Abs. 2 UmwG vorzusehen. Darüber hinauswird bei diesen Vorgängen die Einführung ei-nes Freigabeverfahrens vor dem Prozessge-richt nach dem Vorbild des § 16 Abs. 3 UmwGempfohlen.

156 Die Regierungskommission schlägt vor, fürdie Freigabeentscheidung eine gesetzlicheFrist von drei Monaten ab Eingang des Antra-ges zu setzen; bei Vorliegen schwerwiegenderGründe soll diese Frist vom Gericht verlängertwerden können; die Gründe sind in der Ver-längerungsentscheidung darzulegen. Für dieEntscheidung des Beschwerdegerichts sollteEntsprechendes gelten.

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157 Die Regierungskommission empfiehlt: Füreintragungsbedürftige Beschlüsse, bei denendie Anfechtungsklage keine gesetzliche Regis-tersperre auslöst, sollte nach Aussetzung desEintragungsverfahrens gemäß § 127 FGG einVerfahren vor dem Prozessgericht zur Frei-gabe der Eintragung in Anlehnung an § 16Abs. 3 UmwG eingeführt werden. Antragstel-ler in diesem Verfahren sollte die Gesellschaftsein. Die Entscheidung über die Freigabesollte, wie de lege ferenda in den Fällen des umwandlungsrechtlichen Freigabeverfahrens,grundsätzlich binnen drei Monaten ab Ein-gang des Antrags getroffen werden.

158–159 Die Regierungskommission empfiehlt, diePartner von gerichtlichen und außergerichtli-chen Abfindungsvergleichen zur Erledigungvon Anfechtungsklagen zur Publizität der ge-troffenen Absprachen (Veröffentlichung imBundesanzeiger) zu verpflichten. Außerdemsollte der Vorstand hierüber an die Hauptver-sammlung berichten.

161 Die Regierungskommission empfiehlt, bei derAktiengesellschaft satzungsmäßige Schieds-klauseln für Beschlußmängelklagen zuzulas-sen. Diese Regelung sollte auf nicht börsen-notierte Gesellschaften beschränkt werden.

163 Die Regierungskommission spricht sich dafüraus, den Bundesländern freizustellen und nahezu legen, für aktienrechtliche Beschlussmän-gelklagen die ausschließliche Zuständigkeiteines Landgerichts für ihr gesamtes Staatsge-biet vorzusehen.

164 Die Regierungskommission empfiehlt, die in§ 117 Abs. 7 Nr. 1 AktG enthaltene Freistel-lung von der Haftung für vorsätzliche Schädi-gung, sofern diese auf der Ausübung desStimmrechts beruht, aufzuheben.

165 Wegen der Besorgnis, dass Aktionäre einerMuttergesellschaft der Gefahr der Wertbeein-trächtigung (Verwässerung) ihrer Aktien beimBörsengang einer ihrer Tochter – oder Enkelge-sellschaften ausgesetzt sein können, wird dereinzurichtenden Kommission zur Entwicklungeines Corporate Governance-Kodex empfoh-len, deutlich auf diese Gefahr und darauf hinzu-weisen, dass der Vorstand dieser Gefahr wegenseiner Sorgfaltspflicht und unter seiner persön-lichen Verantwortung entweder durch die Betei-ligung seiner Aktionäre am Börsengang durchein Vorerwerbsrecht begegnen kann, oder dassangemessene und marktnahe Preisfindungsver-fahren verfolgt werden müssen.

170 Die Regierungskommission befürwortet, dassdie vorgerichtlich tätigen sachverständigen Prü-fer in Fällen, in denen sich ein Spruchverfahren

zur Überprüfung eines Ausgleichs oder einerAbfindung anschließen kann, von dem Gericht,das in diesem Verfahren zu entscheiden habenwürde, ausgewählt und bestellt werden sollte.

171 Bei der Neuregelung des Spruchverfahrenssollte die Substantiierungspflicht der Antrag-steller erhöht werden. Es ist konkret mit Grün-den darzulegen, in welchen Punkten das vor-gelegte vorgerichtliche Bewertungsgutachteneiner Überprüfung bedarf.

172 Der im Spruchverfahren vom Gericht beauf-tragte Sachverständige sollte einen Anspruchauf angemessene Vergütung gegen die Gesell-schaft haben; Auslagen und Vergütung sindvom Gericht festzusetzen.

173 Die Regierungskommission spricht sich dafüraus, den Bundesländern freizustellen und nahezu legen, für Spruchverfahren die ausschließ-liche Zuständigkeit eines Landgerichts für ihrgesamtes Staatsgebiet vorzusehen.

174 Die Regierungskommission befürwortet, dieBeschwerde gegen die Entscheidung desLandgerichts im Spruch(stellen)verfahren da-rauf zu beschränken, dass diese auf einer Ver-letzung des Gesetzes beruht.

175 Die Regierungskommission regt an, dass dieAntragsteller in Spruchverfahren ihre außer-gerichtlichen Kosten im Falle des Unterlie-gens künftig selbst tragen sollten.

180 Die Regierungskommission schlägt eine Of-fenlegung der Abhängigkeitsberichte und derPrüfungsberichte hierzu bei Insolvenz der ab-hängigen Gesellschaft vor. Die Offenlegungs-pflicht sollte auf die Abhängigkeits- und Prü-fungsberichte der letzten fünf Jahre vorInsolvenzeintritt erstreckt werden. Dem herr-schenden Unternehmen ist vor der Offenle-gung der Berichte die Möglichkeit zur Stel-lungnahme zu geben; auf Antrag desherrschenden Unternehmens sollte das Insol-venzgericht die Offenlegung beschränkenoder ganz untersagen können, wenn berech-tigte Interessen des herrschenden Unterneh-mens, zum Beispiel der Schutz von Ge-schäftsgeheimnissen, dies erfordert.

186–187 Der Gesetzgeber sollte eine zivilrechtliche Haf-tung von Vorstands- und Aufsichtsratsmitglie-dern börsennotierter Gesellschaften für vorsätz-liche oder grob fahrlässige Falschinformationüber die Verhältnisse der Gesellschaft vorsehen.

188–190 Die Regierungskommission empfiehlt, füreine gemeinschaftliche Vertretung geschädig-ter Anleger bei bewusster oder grob fahrlässi-ger Falschinformation zu sorgen. Ein Zwang,sich einer solchen Kollektivvertretung anzu-schließen, sollte dabei ebenso ausgeschlossen

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werden wie eine Kommerzialisierung des Klagewesens durch Mehrfachvertretungenoder Erfolgshonorare.

Viertes Kapitel: Unternehmensfinanzierung192 Die Regierungskommission empfiehlt, § 8 des

Aktiengesetzes über die Mindestbeträge der Aktien so zu ändern, dass Nennbetragsak-tien künftig auf (mindestens) einen Cent lau-ten können, und dass der auf eine einzelneStückaktie entfallende anteilige Betrag desGrundkapitals einen Cent nicht unterschreitendarf.

193 Die Hauptversammlung sollte durch Sat-zungsänderung mit der hierfür erforderlichenMehrheit den Vorstand für höchstens fünfJahre ermächtigen können, mit Zustimmungdes Aufsichtsrats die Bestimmungen der Sat-zung über die Einteilung des Grundkapitals(Nennbeträge bzw. Aktienanzahl) zu ändern.

196 Die Regierungskommission empfiehlt, dasSpaltungsverbot des § 141 des Umwandlungs-gesetzes zu streichen.

197 Die Regierungskommission schlägt vor, § 58Abs. 2 S. 2, 2. Halbsatz AktG zu streichen unddamit auch für börsennotierte Gesellschaftender Satzungsfreiheit größeren Spielraum beider Rücklagenbildung zu gewähren.

200 Die Regierungskommission regt an, die Aus-schüttungsvorschriften des § 58 AktG dahinzu ergänzen, dass die Satzung einer Gesell-schaft ihrer Hauptversammlung gestattenkann, statt einer Dividendenausschüttung inGeld auch andere Gegenstände als Dividendeauszuschütten.

201 Die Regierungskommission spricht sich fürdie Zulassung von Zwischendividenden aus.

204 Die Regierungskommission spricht sich dafüraus, die Vorschrift des § 71 Abs. 1 Nr. 2 AktGwie folgt zu ergänzen: Die Gesellschaft darfeigene Aktien ohne Hauptversammlungser-mächtigung erwerben, wenn die Aktien Perso-nen, die im Arbeitsverhältnis zu der Gesell-schaft oder einem mit ihr verbundenenUnternehmen stehen oder standen oder alsHandelsvertreter ausschließlich für die Ge-sellschaft tätig sind, zum Erwerb angebotenwerden sollen.

205 Es sollte nach Auffassung der Regierungs-kommission vorgesehen werden, dass der Er-werb eigener Aktien ohne Hauptversamm-lungsermächtigung zur Abfindung vonAktionären der Gesellschaft oder mit ihr ver-bundener Unternehmen nach gesetzlichenVorschriften zulässig ist.

205 In § 71 Abs. 1 Nr. 3 AktG sollte ferner vorge-sehen werden, dass ein Erwerb eigener Aktienohne Hauptversammlungsermächtigung zuZwecken einer Abfindung nur in solchen Fäl-len zulässig ist, in denen die Abfindungsver-pflichtung auf einer Entscheidung der Haupt-versammlung beruht oder auf eine solcheEntscheidung zurückzuführen ist.

206 Die Regierungskommission schlägt vor, vonder Ermächtigung des Art. 24a Abs. 4a) derKapitalrichtlinie der EU Gebrauch zu machen,den Rückerwerb von Aktien der Muttergesell-schaft durch eine Tochter insoweit aber aufTochtergesellschaften zu beschränken, bei de-nen es sich um beaufsichtigte Finanzdienst-leister handelt.

207 Die Regierungskommission empfiehlt, vonder Ermächtigung des Art. 24a Abs. 4b) derKapitalrichtlinie Gebrauch zu machen, dabeiaber in § 71 d AktG festzulegen, dass ein Be-schluss der Hauptversammlung der mit Mehr-heit beteiligten oder herrschenden Gesell-schaft erforderlich ist.

208 Die Regierungskommission befürwortet, dasseine Ausnahme von der Einschränkung deszulässigen Erwerbszwecks in § 71 Abs. 1 Nr. 8 S. 2 AktG für öffentlich beaufsichtigteFinanzdienstleister geschaffen, diesen also der Erwerb eigener Aktien nach § 71 Abs. 1Nr. 8 AktG auch zum Zwecke des Asset Ma-nagement in eigenen Aktien sowie in Aktienihrer Muttergesellschaft gestattet wird.

211 Die Regierungskommission empfiehlt, in § 71 e AktG klarzustellen, dass ein abhängigesKreditinstitut unter den dort genannten Vo-raussetzungen Aktien des herrschenden Un-ternehmens als Pfand nehmen darf.

214 Die Regierungskommission spricht sich dafüraus, § 204 Abs. 1 S. 1 AktG dahin zu ergänzen,dass der Vorstand bei der Ausgabe junger Ak-tien aus einem genehmigten Kapital auch überdie Art der zu emittierenden Aktien (Inhaber-oder Namensaktien) entscheiden kann.

217 Die Regierungskommission empfiehlt, dieVorschrift des § 185 Abs. 1 S. 3 Nr. 2 AktG,wonach auch bei Sachkapitalerhöhungen be-reits bei Zeichnung der neuen Aktien der end-gültige Ausgabebetrag der Aktien festgelegtwerden muss, zu ändern. Bei einer Kapitaler-höhung gegen Sacheinlagen sollte genügen,bei der Zeichnung entweder den Ausgabebe-trag oder einen Mindestausgabebetrag und dieGrundlagen, nach denen der endgültige Aus-gabebetrag errechnet wird, festzulegen.

218 § 186 Abs. 2 AktG sollte wie folgt geändertwerden: Bei der Aufforderung zur Ausübung

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des Bezugsrechts kann sich der Vorstand darauf beschränken, die Grundlagen zu be-nennen, nach denen sich der endgültige Aus-gabebetrag berechnen soll. Der endgültigeAusgabebetrag ist in diesem Fall dann sorechtzeitig vor Ablauf der Bezugsfrist zu veröffentlichen, dass das Bezugsrechtnoch ausgeübt werden kann; bei der Auffor-derung zur Ausübung des Bezugsrechts isthierauf und auf Zeit und Ort der Veröffentli-chung des endgültigen Ausgabebetrages hinzuweisen.

221 Die Regierungskommission empfiehlt, bei derEmission von Wandelschuldverschreibungen(einschließlich Optionsanleihen) einen Be-zugsrechtsausschluss analog § 186 Abs. 3 S. 4AktG zu ermöglichen, wenn der Nennbetragoder der anteilige Betrag der bei Ausübung derUmtausch- oder Bezugsrechte zu gewähren-den Aktien zehn von Hundert des im Zeitpunktder Beschlussfassung der Hauptversammlungbestehenden Grundkapitals nicht übersteigtund der Ausgabepreis den nach anerkanntenMethoden ermittelten Marktwert der Schuld-verschreibung nicht wesentlich unterschreitet,vorausgesetzt, dass die Schuldverschreibungam Markt eingeführt wird.

223–224 Die Regierungskommission schlägt vor, dassdie bedingte Kapitalerhöhung künftig auchzum Zwecke des Vollzugs des Zusammen-schlusses von Unternehmen, des Erwerbs ei-nes Unternehmens, einer Beteiligung oder ei-nes sonstigen Gegenstandes beschlossenwerden kann. Wird der Bezug der Aktien vomErreichen bestimmter Ziele abhängig ge-macht, so sollten die Voraussetzungen hierfür(Erfolgsziele; Ausübungszeiträume) im Be-schluss über die bedingte Kapitalerhöhungfestgesetzt werden müssen.

226 Die Regierungskommission spricht sich dafüraus, dass die Regelung des § 193 Abs. 2 Nr. 4AktG für alle vergütungshalber gewährtenOptionsrechte gelten sollte.

230 Die Regierungskommission befürwortet einedurch Ergänzung der §§ 202 ff. AktG vorzu-sehende gesetzliche Pflicht des Vorstands zuzeitnaher (auch nachträglicher) schriftlicherBerichterstattung über die Nutzung eines ge-nehmigten Kapitals unter Ausschluss des Be-zugsrechts der Aktionäre. Der Bericht solltesich inhaltlich an den Anforderungen des § 186 Abs. 4 S. 2 AktG orientieren, muss alsoden Grund für den Bezugsrechtsausschluß an-geben sowie insbesondere den Ausgabebetragder jungen Aktien begründen. Der Vorstands-bericht sollte des Weiteren zum Handelsre-gister einzureichen sowie bekannt zu machensein, und zwar in der in der Satzung für Be-

kanntmachungen vorgesehenen Form (§§ 23Abs. 4, 25 AktG).

231 Die Regierungskommission regt an, die Be-richtspflicht des Vorstands über die Nutzungeines genehmigten Kapitals unter Ausschlussdes Bezugsrechts der Aktionäre entsprechend§§ 293a Abs. 2 AktG, 8 Abs. 2 UmwG zu be-schränken.

232 Die Regierungskommission schlägt vor, dassin Fällen, in denen die neuen Aktien gegeneine Sacheinlage an mit mehr als 10 vom Hun-dert des Grundkapitals an der Gesellschaft be-teiligte Aktionäre ausgegeben werden, eineWerthaltigkeitsprüfung vorgeschrieben wer-den sollte. Für diese Fälle sollte vorgesehenwerden, dass der vom Gericht zu bestellendePrüfer weder der Abschlussprüfer der Gesell-schaft noch der des Sacheinlegers sein darf.Der Bericht über die Werthaltigkeitsprüfungist zum Handelsregister einzureichen.

233 Die Regierungskommission spricht sich dafüraus, die Vorschrift des § 207 Abs. 3 AktG auf-zuheben.

234 Die Regierungskommission regt an, die Ein-ziehung von Stückaktien auch ohne Kapital-herabsetzung zuzulassen.

235 Die Regierungskommission spricht sich dafüraus, rückerwerbbare Aktien im Rahmen undnach Maßgabe der Vorschriften des Artikel 39der Kapitalrichtlinie auch im deutschen Akti-enrecht vorzusehen. Darüber hinaus solltenach dem Vorbild des § 139 Abs. 2 AktG eineHöchstgrenze von 50 % des Grundkapitalseingeführt werden.

241 Die Regierungskommission befürwortet, dieSonderbeschlusserfordernisse gemäß §§ 182Abs. 2, 193 Abs. 1 S. 3, 202 Abs. 2 S. 4, 221 Abs. 1 S. 4, 222 Abs. 2, 229 Abs. 3, 237Abs. 2 S. 1 AktG sowie die entsprechendenVorschriften des UmwG zu beseitigen undklarzustellen, dass § 179 Abs. 3 AktG gilt.

242 Die Regierungskommission empfiehlt, im Ak-tiengesetz geeignete Vorkehrungen zu treffen,damit eine Rückgabe von Spartenaktien oderihre Umwandlung in Stammaktien auf Verlan-gen der Gesellschaft oder der Spartenak-tionäre in möglichst flexibler Weise durchge-führt werden kann.

Fünftes Kapitel: Informationstechnologie undPublizität

252 Die Regierungskommission schlägt der Bun-desregierung vor, für ein einheitliches Zu-gangsportal („Deutsches Unternehmensregis-ter“) zu sorgen, das dem Geschäftsverkehr und

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den Kapitalmarktteilnehmern den Zugang zu den amtlichen, zu Publizitätszwecken angelegten Unternehmensdateien (Handelsre-gister; einschlägige Bundesanzeigerbekannt-machungen; Beteiligungsdatenbank des Bun-desaufsichtsamtes für den Wertpapierhandel)eröffnet.

253 Die Regierungskommission empfiehlt, eineOnline-Abfrage auch hinsichtlich der zumHandelsregister eingereichten Schriftstücke,auf die sich das Einsichtsrecht gemäß § 9 Abs. 2 HGB erstreckt, zu ermöglichen.

253 Die Regierungskommission empfiehlt, die inden §§ 10, 11 HGB für Handelsregister veröf-fentlichungen vorgesehene Beschränkung aufPrintmedien aufzugeben.

253 Die Regierungskommission empfiehlt klarzu-stellen, dass die Gesellschaften die nach § 325Abs. 1 HGB einzureichenden Dokumentedem Registergericht in Papierform oder in fürdas Registergericht lesbarer elektronischerForm übermitteln können.

253 Nach Auffassung der Regierungskommissionsollte in § 325 Abs. 2, 3 HGB vorgesehen wer-den, dass der Bundesanzeiger dem Register-gericht die Bekanntmachung in Papierformoder in für das Registergericht lesbarer elek-tronischer Form zusammen mit den bekanntgemachten Dokumenten übermittelt.

254 Die Regierungskommission schlägt vor, die Be-kanntmachungen im Bundesanzeiger gemäߧ§ 10, 325 HGB sollten künftig ausschließlichin einer elektronischen Version des Bundesan-zeigers erfolgen.

255 Die Regierungskommission ist der Auffas-sung, dass, nach dem Vorbild des § 121 Abs. 4AktG, eine Bekanntmachung in den Gesell-schaftsblättern künftig nicht mehr erforderlichsein sollte, wenn sich eine Mitteilung aus-schließlich an die Aktionäre richtet und derGeselllschaft die Aktionäre namentlich be-kannt sind. In diesen Fällen sollte eine Be-kanntmachungserleichterung analog § 121Abs. 4 AktG vorgesehen werden.

256 Die Regierungskommission empfiehlt, denZugang zur „Stimmrechtsdatenbank“ desBundesaufsichtsamtes für den Wertpapierhan-del vom Internetportal „Deutsches Unterneh-mensregister“ aus zu eröffnen.

257–258 Die Regierungskommission unterstützt denEntwurf eines Standards des Deutschen Stan-dardisierungsrats zu Angaben über Aktienop-tionsprogramme im Anhang zum Konzernab-schluss.

259 Der einzurichtenden Corporate Governance-Kommission wird empfohlen, im Code ofBest Practice entsprechende Angaben von denbörsennotierten Gesellschaften im Konzern-anhang und im Anhang zum Einzelabschlusszu fordern. Für sonstige erfolgsbezogene Ver-gütungsformen gilt Entsprechendes. Die Ver-gütungen der Organmitglieder sind getrenntnach Fixum, erfolgsbezogenen Belohnungenund anreiz-(aktienkurs-)orientierten Bestand-teilen gegliedert auszuweisen. In den §§ 285Nr. 9a, 314 Abs. 1 Nr. 6a HGB sollte klarge-stellt werden, dass zu den anzugebenden Be-zügen aktienbasierte Vergütungszusagen so-wie die Gewinne aus solchen Zusagengehören.

262 Die Regierungskommission regt an, im Cor-porate Governance-Kodex für börsennotierteGesellschaften eine Berichterstattung überden Aktienbesitz der Organmitglieder an derberichtenden Gesellschaft, den Besitz von Be-zugsrechten hierauf sowie von Derivatenhierzu vorzusehen. Die Angaben hierzu soll-ten im Anhang zum Jahresabschluss und imAnhang zum Konzernabschluss, in diesemauch insoweit, als die Organmitglieder der be-richtenden Gesellschaft zugleich Organmit-glied eines verbundenen Unternehmens sind,gemacht werden.

263 Die Regierungskommission empfiehlt, in denCorporate Governance-Kodex eine Regelungaufzunehmen, wonach dem Aufsichtsrat ein-mal jährlich ein Bericht des Vorstands zur Ver-gabe von Spenden oberhalb eines vom Auf-sichtsrat festzulegenden Betrages vorgelegtwird.

264 Die Regierungskommission schlägt vor, imCorporate Governance-Kodex geeignete Vor-kehrungen, insbesondere Offenlegungspflich-ten gegenüber dem Vorstand bzw. dem Auf-sichtsrat, vorzusehen, die einer Schädigungder Gesellschaft und der mit ihr verbundenenUnternehmen aus Eigengeschäften mit leiten-dem Personal und Organmitgliedern sowiemit diesen nahestehenden Personen und Un-ternehmen im persönlichen Beteiligungsbe-sitz vorbeugen.

265 Es sollte vorgesehen werden, dass im An-hang zum Jahres-(Konzern-) Abschluss fürdie Mitglieder des Aufsichtsrats die von derGesellschaft bzw. vom Mutterunternehmenund den Tochterunternehmen für persönlicherbrachte Leistungen, insbesondere Bera-tungs- und Vermittlungsleistungen, bezoge-nen Vergütungen oder Vorteile anzugebensind.

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Sechstes Kapitel: Rechnungslegung und Prüfung

267 Die Regierungskommission empfiehlt derBundesregierung, die Bemühungen der EU-Kommission um Einführung einheitlicher in-ternationaler Rechnungslegungsstandards fürKonzernabschlüsse ab 2005 zu unterstützen.Dabei sollte dem Ergebnis der Bemühungendes IASB, das sich für eine Harmonisierungvon IAS und US-GAAP einsetzt, Vorrang ein-geräumt werden.

268 Die Regierungskommission schlägt vor, dieEU-Verordnung über die Anwendung interna-tionaler Rechnungslegungsgrundsätze füralle, auch für nicht kapitalmarktorientierteUnternehmen, insoweit bereits vorab vorzu-ziehen, als allen konzernabschlusspflichtigenUnternehmen die Option eröffnet werdensollte, bereits vor dem 1. Januar 2005 ihreKonzernrechnungslegung ausschließlich nachIAS zu erstellen.

269 Die Regierungskommission empfiehlt: Bör-sennotierte Gesellschaften (§ 3 Abs. 2 AktG)sollten gesetzlich verpflichtet werden, Zwi-schenabschlüsse aufzustellen. Zur Aufstellungeines Konzernabschlusses verpflichtete Un-ternehmen sollten Zwischenberichte auf kon-solidierter Grundlage erstellen; für in einenkonsolidierten Zwischenabschluss einbezo-gene Tochterunternehmen sollte die Aufstel-lungspflicht entfallen.

270 Die Regierungskommission empfiehlt, Quar-talsberichte für die ersten drei Quartale desGeschäftsjahres vorzusehen. Die gesetzlicheRegelung zum Inhalt der Quartalsberichtesollte sich auf die Festlegung eines Rahmensbeschränken, der durch einen entsprechendenRechnungslegungsstandard auszufüllen ist.

271 Die Regierungskommission spricht sich dafüraus, dass die Zwischenberichte künftig inelektronischer Form übermittelt und veröf-fentlicht werden sowie schnell und zentral ab-rufbar sein sollten.

272 Nicht nur börsennotierte, sondern alle kapital-marktorientierten Mutterunternehmen imSinne des § 292a Abs. 1 S. 1 HGB sollten ver-pflichtet werden, den Konzernanhang um eineKapitalflussrechnung und eine Segmentbe-richterstattung zu erweitern.

273 Die Regierungskommission empfiehlt, diePrüfung der gemäß § 91 Abs. 2 AktG ein-zurichtenden Risikoüberwachungssystemedurch den Abschlussprüfer (§ 317 Abs. 4HGB) und die Berichterstattung hierüber (§ 321 Abs. 4 HGB) auf alle börsennotiertenGesellschaften zu erstrecken.

274 Die Regierungskommission schlägt vor, entsprechend den Vorschriften über den Ein-zelabschluss eine Billigung des Konzernab-schlusses durch den Aufsichtsrat und die Möglichkeit vorzusehen, diese Billigung derHauptversammlung zu überlassen. Die Be-richtspflicht des Aufsichtsrats gemäß § 171Abs. 2 S. 3, 4 AktG sollte auf den Konzernab-schluss erstreckt werden.

277–278 Die Regierungskommission empfiehlt, nachdem Vorbild des britischen Financial ReportingReview Panel eine privatwirtschaftlich getra-gene und organisierte Einrichtung vorzusehen,die nach von ihr entwickelten Verfahrensvor-schriften im Einvernehmen mit den betroffenenUnternehmen behaupteten groben Verstößengegen Rechnungslegungsvorschriften nach-geht, und die im Weigerungsfall das Recht hat,Klage gemäß §§ 256, 257 AktG zu erheben.

282–283 Die Regierungskommission schlägt vor, imCorporate Governance-Kodex den Aufsichts-räten konzernabschlusspflichtiger Mutterun-ternehmen zu empfehlen sicherzustellen, dassim Regelfall in den Gesellschafterversamm-lungen der in den Konzernabschluss einzube-ziehenden Tochterunternehmen derselbe Ab-schlussprüfer (Prüfungsgesellschaft) bestelltwird, der auch den Konzernabschluss prüft.

284 Die Regierungskommission empfiehlt, in § 111Abs. 2 AktG klarzustellen, dass der Aufsichtsrateinen Prüfungsauftrag auch hinsichtlich freiwil-lig aufgestellter (Konzern-) Abschlüsse erteilt.

288–289 Die Regierungskommission rät, eine prüferi-sche Durchsicht der Zwischenberichte durcheinen Prüfer/eine Prüfungsgesellschaft, der/die grundsätzlich mit dem Abschlussprüfer fürdas letzte Geschäftsjahr identisch sein sollte,vorzusehen.

290 Die Regierungskommission empfiehlt, dieBerichterstattung über nicht rechnungsle-gungsbezogene Gesetzes- und Satzungsver-stöße (§ 321 Abs. 1 S. 3, 2. Halbsatz HGB)künftig in eine vom Prüfungsbericht geson-derte Erklärung aufzunehmen. In dieser stelltder Abschlussprüfer dar, ob bei Durchführungder Prüfung Tatsachen festgestellt wurden, dieschwerwiegende Verstöße der gesetzlichenVertreter oder von Arbeitnehmern gegen Ge-setz, Gesellschaftsvertrag oder die Satzung er-kennen lassen. § 321 Abs. 5 HGB sollte fürdiese Erklärung sinngemäß gelten.

291 Die Regierungskommission schlägt vor, dieBerichterstattung über die Prüfung des Jah-res(Konzern-)Abschlusses (§ 321 HGB) vonder Berichterstattung gegenüber Aufsichtsäm-tern oder Behörden, die auf besonderer gesetzlicher oder behördlicher Anordnung beruhen, zu trennen. Im Prüfungsbericht

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gemäß § 321 HGB sollten künftig nur mehrwesentliche Feststellungen aufsichtsrechtli-cher Natur zusammengefasst mitgeteilt werden. Fertiggestellte aufsichtsrechtlichePrüfungsberichte sind dem Aufsichtsrat vor-zulegen; § 321 Abs. 5 HGB sollte entspre-chend gelten.

295 Die Regierungskommission schlägt vor, denAbschlussprüfer, der den letzten Jahresab-schluss geprüft hat, von seiner Verschwiegen-heitspflicht gegenüber dem neuen Abschluss-prüfer zu entbinden. Entsprechendes sollte fürden Prüfer der Zwischenberichte des letztenGeschäftsjahres gelten; ebenso sollte der Kon-zernabschlussprüfer dem neuen Konzernab-schlussprüfer gegenüber von seiner Ver-schwiegenheitspflicht freigestellt werden.

296–297 Die Regierungskommission schlägt eine Of-fenlegung der Prüfungsberichte bei Insolvenzder geprüften Gesellschaft vor. Wenn die Jah-res-(Konzern-)Abschlüsse der letzten drei Ge-schäftsjahre vor der Eröffnung des Insolvenz-verfahrens zu prüfen waren oder freiwilliggeprüft worden sind, sollte der Abschlussprü-fer verpflichtet sein, auf Verlangen der Gläu-bigerversammlung die in § 321 Abs. 1 S. 2, 3und Abs. 2 HGB vorgesehenen Teile des Prü-fungsberichts dort zur Einsichtnahme auszule-gen und auf Befragen zu erläutern. Der Insol-venzverwalter sollte einer Offenlegung vonBetriebs- und Geschäftsgeheimnissen wider-sprechen können. Die Verschwiegenheits-pflicht des Abschlussprüfers, sein Zeugnisver-weigerungsrecht und die Sanktionen beiVerletzung der Verschwiegenheitspflicht soll-ten dem angepasst werden.

299 Es empfiehlt sich, im Corporate Governance-Kodex darauf hinzuweisen, dass der Aufsichts-rat dem Abschlussprüfer den Prüfungsauftragerteilt und die Honorarvereinbarung trifft.

303 Die Regierungskommission empfiehlt, imHandelsgesetzbuch festzulegen, dass sich derzur Wahl vorgesehene Abschlussprüfer in prü-fungspflichtigen Gesellschaften mit Auf-sichtsrat diesem oder seinem Prüfungsaus-schuss gegenüber zu solchen Umständen(berufliche, finanzielle und familiäre Bezie-hungen zur Gesellschaft, ihren Organmitglie-dern und verbundenen Unternehmen) zu er-klären hat, die die Besorgnis der Befangenheitbegründen könnten. Jedenfalls bis zur Ein-führung einer solchen gesetzlichen Pflichtempfiehlt sich eine entsprechende Vorkehrungin dem zu entwickelnden Corporate Gover-nance-Kodex für börsennotierte Gesellschaf-ten. Dieser sollte auch vorsehen, dass währenddes Mandats auftretende Inkompatibilitäts-oder Befangenheitsgründe sofort dem Auf-sichtsratsvorsitzenden mitzuteilen sind.

307–308 Die Regierungskommission spricht sich dafüraus, dass dem Aufsichtsrat vor seinem Wahl-vorschlag an die Hauptversammlung die Ver-gütungen und die Art des vorgesehenen Abschlussprüfers aus Prüfungs- und Nichtprü-fungsleistungen in dem der Abschlussprüfungvoraufgegangenen Geschäftsjahr darzulegensind. Ferner sollte der Abschlussprüfer ver-pflichtet werden, den Aufsichtsrat über zusätz-liche Nichtprüfungsaufträge zu unterrichten,die ihm während der Prüfung vom Vorstand er-teilt werden. Darüber hinaus sollte vorgesehenwerden, dass der Aufsichtsrat im Rahmen sei-nes Berichts an die Hauptversammlung nach § 171 Abs. 2 AktG über das Verhältnis der Ver-gütungen des Abschlussprüfers aus Prüfungs-leistungen und Nichtprüfungsleistungen zu be-richten und außerdem zu erklären hat, ob nachseiner Auffassung die Unabhängigkeit des Prü-fers in Zweifel zu ziehen ist.

311 Die Regierungskommission regt an, in denCorporate Governance-Kodex folgende Emp-fehlung aufzunehmen: „Bei den Wahlvor-schlägen an die Hauptversammlung achten dieAufsichtsratsmitglieder der Aktionäre darauf,dass die Mitglieder des Aufsichtsrats über die-jenigen Fähigkeiten, Kenntnisse und fachli-chen Erfahrungen verfügen, die für eine ord-nungsgemäße Erfüllung der Aufgaben desAufsichtsrats erforderlich sind.“

318 Der einzurichtenden Kommission zur Ent-wicklung eines Corporate Governance-Kodexwird empfohlen, als gute Aufsichtsratspraxisin diesem Corporate Governance-Kodex Fol-gendes vorzusehen: Der Aufsichtsrat bzw.Prüfungsausschuss legt fest, dass den Mitglie-dern des Prüfungsausschusses oder je von denAnteilseigner- und Arbeitnehmervertreternausgewählten Mitgliedern des Aufsichtsratesvor Erteilung des Bestätigungsvermerks Le-seentwürfe des Jahres-(Konzern-)Abschlus-ses, des (Konzern-)Lageberichts und einesGeschäftsberichts zur kurzfristigen Prüfungmit der Möglichkeit der Stellungnahme hierzuvorgelegt werden.

324 Die Regierungskommission empfiehlt, imCorporate Governance-Kodex Folgendes fest-zulegen: Der Aufsichtsrat stellt durch entspre-chende Formulierung des Prüfungsauftragesund Anhörung des Abschlussprüfers sicher,dass ihm über die gemäß § 321 HGB berichts-pflichtigen Gegenstände hinaus über alle fürdie Überwachungsaufgabe des Aufsichtsrateswesentlichen Feststellungen und Vorkomm-nisse berichtet wird, die sich bei der Durch-führung der Abschlussprüfung ergeben haben(z. B. Organisationsmängel). Der Abschluss-prüfer sollte über Meinungsverschiedenheitenhinsichtlich Bilanzierung und Bewertung zwi-schen ihm und dem Vorstand befragt werden.

Rdz.Rdz.

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Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 25 – Drucksache 14/7515

325 Die Regierungskommission schlägt vor, eineschriftliche Unterrichtung des Aufsichtsratsdurch den Abschlussprüfer über die wesentli-chen Feststellungen der prüferischen Durch-sicht von Zwischenberichten vorzusehen. DerAufsichtsrat sollte den Zwischenbericht da-rauf durchsehen müssen, ob er ein den tatsäch-lichen Verhältnissen entsprechendes Bild derVermögens-, Finanz- und Ertragslage des Un-ternehmens (Konzerns) vermittelt; eine Veröf-fentlichung sollte von der Billigung des Zwi-schenabschlusses durch den Aufsichtsratabhängig gemacht werden.

326 Die Regierungskommission empfiehlt, § 171Abs. 1 AktG um einen Zusatz zu ergänzen,wonach jedes Aufsichtsratsmitglied das Rechthat, in der Verhandlung des Aufsichtsratesoder des hierfür bestimmten Ausschusses vomAbschlussprüfer Auskunft über die Ergeb-nisse seiner Prüfung verlangen zu können.

329 Die Regierungskommission empfiehlt vorzu-sehen, dass in den Fällen des § 33 Abs. 2 Nr. 1und 2 AktG die Gründungsprüfung künftigauch vom beurkundenden Notar vorgenom-men werden kann.

Rdz.Rdz.

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Drucksache 14/7515 – 26 – Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode

I. Zwingendes und nachgiebiges Aktienrecht

1. Allgemeines

Rechtliche Regeln, die sich mit Unternehmensleitung undUnternehmenskontrolle in der Aktiengesellschaft befas-sen, sind herkömmlich vor allem in gesetzlichen Vor-schriften, insbesondere des Aktienrechts, des Handels-rechts und des Mitbestimmungsrechts niedergelegt. Siewerden innerhalb des Rahmens, den das weitgehend zwin-gende Gesetzesrecht belässt, durch Satzungen, Geschäfts-ordnungen, allgemeine Übung oder auch durch gerichtli-che Entscheidungen konkretisiert und fortentwickelt.

Es gibt im Wesentlichen drei Gründe, weshalb der Ge-setzgeber rechtliche Regeln zu Unternehmensleitung und-kontrolle erlässt:

– Erstens, zwecks Ersparnis von Transaktionskosten.Der Gesetzgeber stellt nachgiebige, dispositive Vor-schriften auf, die dann von den Beteiligten nicht mehrausverhandelt werden müssen.

– Zweitens, zwecks Regulierung von Marktversagen.Ohne geeignete Regulierung können Anteilseigner mitSplitterbesitz die ihnen zustehenden Rechte nicht ausü-ben, und Deliktsgläubiger oder Gläubiger ohne hinrei-chende Verhandlungsmacht können sich gegen für sienachteilige Auswirkungen des Prinzips der Haftungs-beschränkung in der Kapitalgesellschaft nicht schützen.

– Drittens, Durchsetzung autonomer politischer Gestal-tungsziele. Hierher rechnet etwa die Mitbestimmungder Arbeitnehmer im Aufsichtsrat im deutschen Modell.

Das erste Ziel (Ersparnis von Transaktionskosten) kanndurch dispositive Vorschriften verwirklicht werden. Da-gegen sind Vorschriften zwecks Beseitigung von Markt-versagen oder zur Durchsetzung politischer Gestaltungs-ziele durchweg zwingend.

Zwingendes Gesetzesrecht als Regulierungsmechanis-mus hat charakteristische Nachteile. Es lässt häufig nichtgenügend Spielraum für notwendige Differenzierungen.Ferner erfolgt die Anpassung zwingenden Gesetzesrechtsan veränderte Verhältnisse häufig nur schwerfällig undmit nachteiligen Verzögerungen.

Vor diesem Hintergrund hat sich die Regierungskommis-sion vorab mit der Frage befasst, ob und in welchem Umfang ein Abbau zwingenden Gesetzesrechts und, woerforderlich, der Einsatz anderer, flexiblerer Regulie-rungsinstrumente in Betracht kommt.

2. Gläubigerschutz

Was den Gläubigerschutz durch Gesellschaftsrecht an-geht, hat das deutsche Aktienrecht (und ihm weitgehend

folgend das EU-Recht) eingehende zwingende Kapital-schutzregeln als Ausgleich für die beschränkte Haftungentwickelt. Die angelsächsische, insbesondere die US-amerikanische Entwicklung ist hier bekanntlich andersverlaufen: Bei Vertrags- und Anleihegläubigern verlas-sen sich diese Rechtsordnungen weitgehend auf Schutzdurch Vertrags- und Anleihebedingungen, bei Delikts-gläubigern u.U. auf Instrumente wie Durchgriffshaftung.Restriktive Kapitalschutzregeln (Ausschüttungsbeschrän-kungen; gesetzliche Rücklagen usw.) wie im deutschenRecht kennen insbesondere die US-amerikanischen Ge-sellschaftsrechte nicht. Hier schlägt die Regierungskom-mission in einer Reihe von Einzelpunkten, wo ihr dies ei-nerseits vertretbar erschien und andererseits keineFestschreibung durch bindende Vorgaben durch Richtli-nien der EU dem entgegenstanden, Lockerungen vor.1 Inder Tendenz, wenn auch nicht in allen Einzelpunkten, be-grüßt und unterstützt die Regierungskommission auch dieder EU-Kommission im Rahmen der SLIM-Initiative unterbreiteten Vorschläge, die Vorgaben der Ersten und Zweiten gesellschaftsrechtlichen Richtlinie zu überarbeiten und mehr Gestaltungsspielraum zu geben.

3. Arbeitnehmerschutz

Der Arbeitnehmerschutz durch zwingendes Gesell-schaftsrecht kommt im Mitbestimmungsrecht zum Aus-druck. Der Bericht der Regierungskommission befasstsich mit Fragen der Mitbestimmung der Arbeitnehmer imdeutschen Recht und alternativen Modellen nicht.2

4. Anlegerschutz

Was den Investorenschutz anbetrifft, unterscheiden sichdie Strategien der angelsächsischen Gesellschaftsrechteund des deutschen Rechts jedenfalls im Ansatz erheblich:

Die angelsächsischen Rechte differenzieren zunächst ein-mal zwischen privaten und kapitalmarktorientierten cor-porations (companies). Für den Bereich der privaten Ge-sellschaften wird im Wesentlichen kein Anlass fürgesetzliches (zwingendes) Anlegerschutzrecht gesehen.Allerdings gibt es bei der Verletzung fundamentaler Prin-zipien, z. B. bei Treuepflichtverletzungen durch denMehrheitsaktionär oder Loyalitätsverstößen seitens derVerwaltung, einen richterlichen Ex-post-Schutz.

Was die „public corporation“ (company) angeht, wird derInvestorenschutz gleichfalls mit möglichst wenigen zwin-genden Gesetzesvorschriften erreicht. Die US-amerikani-

Erstes Kapitel: Gesetzliche Regulierung und Corporate Governance-Kodex

1 S. insbesondere 4. Kapitel sub II. „Deregulierung“ (Rdz. 192 ff.)2 Dazu Bericht des Vorsitzenden Kapitel C

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schen Bundesstaaten z. B. versuchen, ihre Aktienrechte soflexibel wie möglich zu halten. Investorenschutz soll sichstattdessen auf zwei Wegen ergeben:

– durch Druck des Kapitalmarkts (institutionelle Inves-toren, Analysten, Kapitalmarktpresse, listing rules derBörsen), der investorenfeindliche Satzungsbestim-mungen negativ bewertet und die Beachtung be-stimmter Corporate Governance Principles einfordert;

– durch Anlegerschutzregulierungen seitens der S. E. C.

Die Entwicklung in Deutschland und anderen kontinental-europäischen Staaten dürfte sich allmählich in diese Rich-tung bewegen. Da sich aber die Struktur der Kapital-märkte und ihrer Institutionen wie die rechtlichenTraditionen stark unterscheiden, müssen jeder einzelneSchritt und denkbare Alternativen sorgfältig bedacht wer-den.

Tendenziell richtig erscheint, zwischen nicht börsenno-tierten Aktiengesellschaften (vgl. § 3 Abs. 2 AktG) bzw.kleinen Aktiengesellschaften mit persönlich bekanntemGesellschafterkreis einerseits und der börsennotierten Ak-tiengesellschaft bzw. Gesellschaft mit unbekanntem Ak-tionärskreis zu differenzieren. Für die erstgenannteGruppe kann, ähnlich wie im GmbH-Recht, weitgehendeSatzungsfreiheit vorgesehen werden, soweit nicht Gläubi-gerschutzfragen berührt sind. Insoweit empfiehlt sichaber nicht, eine pauschale Ausnahme von § 23 Abs. 5AktG für nicht börsennotierte Gesellschaften bzw. Ge-sellschaften mit persönlich bekanntem Aktionärskreisvorzusehen. Vielmehr muss wie bisher für jede aktien-rechtliche Vorschrift geprüft und festgelegt werden, obAusnahmen für kleine bzw. nicht börsennotierte Gesell-schaften vorzusehen sind. Die Regierungskommission hatim Verlauf ihrer Beratungen solche Ausnahmen erwogenund unterbreitet mehrere Vorschläge hierzu.

Was die börsennotierte Gesellschaft anbetrifft, er-scheint eine Deregulierung vor allem in Fragen der internen Arbeitsweise und Organisation der Unterneh-mensorgane (soweit nicht Gläubiger- und Arbeitneh-merschutzfragen zentral berührt werden) möglich. In-soweit spricht sich die Kommission insbesondere fürdie Entwicklung eines „Code of Best Practice“ aus, dersolche Fragen aufnehmen und einerseits im Sinne einerverbesserten Corporate Governance Richtlinien vorge-ben, andererseits den Unternehmensverwaltungen aber,im Vergleich zu einer Regulierung durch zwingendesRecht, größere Flexibilität (i. S. eines „comply or ex-plain“) einräumen könnte.3

Im Übrigen ist es zwar richtig, dass der Kapitalmarkt stan-dardisierte Produkte einfacher bewerten kann. Ob dies al-lerdings für eine Standardisierung der Aktie, der mit ihrverbundenen Rechte und Pflichten, durch zwingendesGesellschaftsrecht spricht, ist fraglich. „Listing rules“ derBörsen und Regulierungen durch eine Kapitalmarktauf-

sichtsbehörde wie die S. E. C. sind wesentlich einfacherden Bedürfnissen des Kapitalmarkts anzupassen als vomGesetzgeber erlassenes zwingendes Aktienrecht. Die Ent-wicklung investorenschützender Vorschriften den Börsenzu überlassen ist aber in Deutschland wegen der anders-artigen Börsenverfassung bisher nur in engen Grenzenmöglich; und die Fortentwicklung des Bundesaufsicht-samtes für den Wertpapierhandel zu einer allgemeinenKapitalmarktaufsicht oder Kapitalmarktanlegerschutz-behörde nach dem Vorbild der S. E. C. hätte auch Nach-teile. So haben sich nahezu alle von der Regierungskom-mission hierzu befragten Verbände und Expertenüberzeugend dagegen ausgesprochen, dem Bundesauf-sichtsamt zu ermöglichen, in gewissem Umfang Befrei-ungen von Vorschriften des zwingenden Aktienrechts aus-zusprechen.

Insgesamt sollte es daher, von vorsichtigen Öffnungen(Corporate Governance-Kodex; einzelne Deregulierungs-vorschläge; erweiterte Befugnisse der Börsen zur Gestal-tung von Anforderungen an Emittenten für die einzelnenMarktsegmente nach dem Vierten Finanzmarktförde-rungsgesetz) auch nach den Überlegungen der Regie-rungskommission im Prinzip bei dem deutschen Ansatzdes weitgehend zwingenden gesetzlichen Aktienrechts fürkapitalmarktorientierte Gesellschaften bleiben. Dies hatfreilich zur Folge, dass das Fortschreiten der technischenEntwicklung jeweils Anpassungsbedarf erzeugt, und dassGestaltungsinnovationen (wie z. B. Spartenaktien) vor-rangig auf anderen Kapitalmärkten entwickelt und inDeutschland nur durch eine „Aktienrechtsreform in Per-manenz“ übernommen werden können. Die Frequenz derÄnderungen des Aktiengesetzes belegt dies.

II. Corporate Governance-Kodex für die Un-ternehmensleitungen börsennotierter Gesellschaften

1. Allgemeines

„Corporate Governance“-Grundsätze sind Verhaltens-maßstäbe für Unternehmensleitung und Unternehmensü-berwachung. Deutscher Tradition folgend sind diese Verhaltensmaßstäbe für Unternehmensleitung und -überwachung in Aktiengesellschaften bisher vor allemim Aktiengesetz und weiteren gesetzlichen Vorschriften,z. B. des Handelsrechts und des Mitbestimmungsrechts,niedergelegt. Sie werden innerhalb des Rahmens, den dasweitgehend zwingende Gesetzesrecht belässt, durch Sat-zungen, Geschäftsordnungen, allgemeine Übung oderauch durch gerichtliche Entscheidungen konkretisiert undfortentwickelt.

International hat sich in den letzten Jahren zunehmendeine weitere Quelle für Corporate Governance-Grund-sätze gebildet. Ihren Ausgangspunkt hat diese Entwick-lung in Richtlinien großer institutioneller Investoren ge-nommen, nach denen diese ihre Portfolio-Gesellschaftenbeurteilen. Diese Richtlinien vor allem angloamerikani-scher institutioneller Anleger sind dann in übergreifendeRegelwerke eingemündet und zu „Codes of Best Prac-3 Unten II.

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tice“ weiterentwickelt worden. Es handelt sich dabei umEmpfehlungen von mit Experten und Vertretern der be-troffenen Wirtschaftskreise besetzten Kommissionendazu, was zum Standard guter Unternehmensleitung und-überwachung gehört, also um nicht staatliches, selbst ge-schaffenes „Recht“ der Wirtschaft. Maßgebend hierfürwar in Europa die Entwicklung in Großbritannien, wo derBericht und der „Code of Best Practice“ des CadburyCommittee von 1992, der Greenbury-Report zur Vergü-tung von Führungskräften sowie der Hampel-Report ausdem Jahre 1998, der die Erfahrungen der vergangenenJahre aufnahm, in den „Combined Code“ mündeten. Die-ser „Combined Code“ ist ab 2000 als Mindeststandardvon den an der Londoner Börse gelisteten Unternehmenzu beachten. Andere europäische Staaten sind diesem Vor-bild gefolgt, mit vielfältigen inhaltlichen Abweichungenund Anpassungen im Einzelnen, so Frankreich, Belgien,Spanien, die Niederlande und Italien. Die OECD hat 1999einen Corporate Governance-Bericht vorgelegt, der Stan-dards guter Unternehmensleitung und -kontrolle formu-liert. Daneben gibt es Regelwerke privater internationa-ler Organisationen, zum Beispiel des ICGN (InternationalCorporate Governance Network) und der EASD (Euro-pean Association of Securities Dealers).

Vergleicht man diese Regelwerke und insbesondere dieEmpfehlungen der OECD mit den für deutsche Aktienge-sellschaften geltenden Verhaltensmaßstäben für Unter-nehmensleitung und Unternehmensüberwachung, so istfestzustellen, dass das geltende deutsche Aktienrecht denin diesen Kodizes und Regelwerken enthaltenen Empfeh-lungen weithin entspricht. Ausnahmen ergeben sich vorallem aus der Zweiteilung der Organe an der Unterneh-mensspitze in Vorstand und Aufsichtsrat im deutschenModell. In Rechtssystemen mit weithin dispositivem Ge-sellschaftsrecht mag insofern ein größeres Bedürfnis fürmehr oder weniger verbindliche Standards guter Corpo-rate Governance für kapitalmarktorientierte Unternehmenbestehen. Festzuhalten ist aber auch, dass die Verhaltens-kodizes gerade für börsennotierte Gesellschaften nichtselten konkretere und eingehendere Empfehlungen zu be-stimmten Einzelfragen enthalten als die allgemeiner ge-haltenen Regeln des deutschen Aktienrechts, die weitge-hend für die geschlossene und die kapitalmarktorientierteGesellschaft gleichermaßen gelten.

Auch in Deutschland hat sich zunehmend das Bedürfnisnach einem „Code of Best Practice“ gezeigt. Einmal des-halb, weil vor allem ausländische, insbesondere anglo-amerikanische, aber zunehmend auch inländische institu-tionelle Investoren und Aktionärsvereinigungen solcheRegelwerke oder Grundsätze kennen und ihre Beachtungfordern, zum anderen auch deshalb, weil insbesondere diedeutschen Unternehmen, die ihr Kapital auf den interna-tionalen Kapitalmärkten aufnehmen, ihrerseits Interessedaran bekunden, die Besonderheiten des deutschen Mo-dells und zugleich die Beachtung internationaler Stan-dards in nachvollziehbarer Form darzulegen. Dies hatjüngst zur Entwicklung von zwei deutschen, zum Teil in-ternationalen Vorbildern nachempfundenen Regelwerkengeführt: Den Corporate Governance-Grundsätzen („Code

of Best Practice“) der (Frankfurter) Grundsatzkommis-sion Corporate Governance (i. d. F. vom Juli 2000), unddem „German Code of Corporate Governance“ des Berli-ner Initiativkreises, gleichfalls aus dem Jahre 2000. BeideArbeitskreise, sowohl die Frankfurter Grundsatzkommis-sion als auch der Berliner Kreis, sind aus privater Initia-tive hervorgegangen. Inhaltlich unterscheiden sich dieRegelwerke vor allem darin, dass der Frankfurter Kodexauf der Basis der bestehenden gesetzlichen Regeln konkrete Corporate Governance-Empfehlungen, insbe-sondere für Aufsichtsrat und Vorstand, zur unternehmen-sindividuellen Umsetzung bei börsennotierten Gesell-schaften gibt, während der Berliner Arbeitskreis eher eineausführliche betriebswirtschaftliche Linie verfolgt. DerFrankfurter Kodex wird ergänzt durch eine Scorecard derDeutschen Vereinigung für Finanzanalyse und Asset Ma-nagement (DVFA), mittels deren die Beachtung der Cor-porate Governance-Empfehlungen überprüft und standar-disiert bewertet werden kann.

Die Regierungskommission hat vor diesem HintergrundExperten und Verbände zur Erforderlichkeit eines deut-schen Code of Best Practice befragt. Die hierzu bei derRegierungskommission eingegangenen Stellungnahmenhaben sich nahezu ausnahmslos für einen solchen Kodexausgesprochen. Dabei wurde ein solcher Kodex teilweiseals geboten oder unabdingbar notwendig bezeichnet; nach anderen Äußerungen ist ein solcher Kodex wün-schenswert oder kann jedenfalls gesetzesunterstützendeWirkung entfalten. Gerade im Hinblick auf die Informa-tion der Anleger sowie anderer „Stakeholder“ sollte es al-lerdings nur einen einzigen Kodex geben. Dieser sollte alsModellkatalog geeignet sein, damit die Unternehmen ihrejeweils spezifischen Verhältnisse abbilden können.

Die Regierungskommission spricht sich für einen deut-schen Corporate Governance-Kodex aus.

Dem liegen folgende Erwägungen zugrunde. Zunächsteinmal bietet ein solcher Kodex die Möglichkeit, die gel-tende Unternehmensverfassung für deutsche Aktienge-sellschaften und die diesbezüglichen, im Wesentlichenim zwingenden Gesetzesrecht verankerten Verhaltens-maßstäbe für Unternehmensleitung und Unternehmens-überwachung in einer gerade auch für ausländische In-vestoren geeigneten Form darzustellen und dieBesonderheiten und Vorzüge der dualistischen Unterneh-mensverfassung zu verdeutlichen. Gerade im Hinblickauf die Information ausländischer Anleger sollte es aller-dings nur einen einzigen Kodex geben. Sodann bietet einsolcher Kodex nach Auffassung der Regierungskommis-sion auch die Chance einer Deregulierung und Flexibili-sierung. Da der Kodex, soweit er nicht ohnedies zwin-gendes Recht nur wiedergibt, nur Empfehlungenenthalten sollte, von denen bei Bedarf abgewichen wer-den kann (dazu unten 2.; „comply or explain“), ermög-licht er den Unternehmen, von diesen Verhaltensmaßstä-ben abzuweichen, wenn besondere Gegebenheiten(Größe; Anteilseignerstruktur; branchenbedingte Beson-derheiten; internationale Anlegerschaft und Anforderun-gen ausländischer Kapitalmärkte u. a. m.) dies als wün-

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schenswert oder geboten erscheinen lassen. In diesem Sinne hat sich denn auch bereits die Regierungs-kommission selbst gegenüber einer Reihe von Regulie-rungsforderungen in den Bereichen Aktienrecht und Abschlussprüfung insbesondere für börsennotierte Ge-sellschaften von vornherein dafür ausgesprochen, dieseAnforderungen nicht in das Aktiengesetz bzw. in dasHandelsgesetzbuch aufzunehmen, sondern (allenfalls) ineinem Corporate Governance-Kodex zu verankern. Siehat ferner geprüft, ob bereits bestehende zwingende akti-enrechtliche Vorschriften aufgehoben und durch Regelneines Code of Best Practice ersetzt werden können. Frei-lich kann sich ein Abbau zwingender Gesetzesvorschrif-ten nach Ansicht der Regierungskommission nur auf solche Vorschriften, etwa Verfahrens- und Verhaltensvor-schriften, beziehen, die einer flexiblen Anpassung an besondere Verhältnisse bedürfen, nicht dagegen aufgrundlegende Prinzipien der deutschen Unternehmens-verfassung, die der Entscheidung und Ordnung durch denGesetzgeber vorbehalten bleiben müssen. Auch ist vorder Gefahr zu warnen, durch einen Corporate Gover-nance-Kodex ein weiteres Regelwerk zu schaffen, dasdeutschen Unternehmen zusätzliche entbehrliche Regu-lierungskosten aufbürdet. Hierauf wird die von der Re-gierungskommission vorgeschlagene Kommission zurEntwicklung eines solchen Corporate Governance-Ko-dex (dazu unten 4.) bei jeder ihrer Empfehlungen sorg-sam zu achten haben.

2. Verbindlichkeit eines Kodex

Ein deutscher Corporate Governance-Kodex wird zweiverschiedene Arten von Regeln enthalten: Er wird ein-schlägige gesetzliche Vorschriften wiedergeben, und erwird ergänzende Empfehlungen für börsennotierte Ge-sellschaften aussprechen. Um keine Missverständnissehinsichtlich der unterschiedlichen Verbindlichkeit dieserRegeln aufkommen zu lassen, sollte dies nach Auffassungder Regierungskommission im Kodex selbst, zum Bei-spiel durch Hervorhebung im Druck oder durch Anmer-kungen, deutlich gemacht werden. Wenn die Regierungs-kommission die angehörten Verbände und Experten zurVerbindlichkeit eines Code of Best Practice befragt hat,dann konnte sich diese Frage naturgemäß nur auf diejeni-gen Teile eines Kodex beziehen, die nicht ohnehin kraftzwingenden Rechts verbindlichen Charakter haben, weilsie zwingende Rechtsvorschriften wiedergeben. Vielfachist in den dazu eingegangenen Stellungnahmen nur dieselbstverständliche Erwartung ausgesprochen worden,ein Kodex werde nicht insgesamt Rechtsverbindlichkeitaufgrund Gesetzes oder einer Verordnung erlangen. EineMinderheit hat sich sogar für völlige Unverbindlichkeiteines solchen Regelwerks ausgesprochen; eine anderePosition setzt sich demgegenüber für eine strikte Ver-bindlichkeit ein. In einer größeren Zahl der eingegange-nen Stellungnahmen wird dagegen ein Modell befürwor-tet, nach dem die Unternehmen im Einzelfall von denZusatzregeln des Kodex abweichen können sollen; diessollten sie dann aber deutlich machen im Sinne eines „ent-sprich oder erkläre“ („comply or explain“).

Die Regierungskommission spricht sich für das Modellder verbindlichen Information über die Beachtung derRegeln eines Corporate Governance-Kodex („entsprichoder erkläre“) aus.

Den Kapitalmarktteilnehmern soll die Information zurVerfügung gestellt werden, ob sich das Unternehmen, dasden Kapitalmarkt in Anspruch nimmt, an die Empfehlun-gen des Kodex zu Unternehmensleitung und -kontrollehält, bzw., wenn es hiervon abweicht, wie diese Abwei-chung aussieht. Die Information über die Beachtung be-stimmter standardisierter Verhaltensmaßstäbe für guteUnternehmensleitung und -kontrolle, von denen zwar ab-gewichen werden kann, dies aber nur, wenn dies öffent-lich mitgeteilt und die Abweichung dargestellt wird, entspricht den Anforderungen und besonderen Gegeben-heiten der Kommunikation an den Kapitalmärkten zwi-schen kapitalnachfragenden Unternehmen und anonymerAnlegerschaft mit diversifiziertem Portfolio. Abgesehendavon gewährleistet die Pflicht zur Information über dieBeachtung allgemeiner Regeln und Grundsätze guterCorporate Governance, dass sich Vorstand und Aufsichts-rat hiermit auch inhaltlich auseinander setzen.

Die Regierungskommission hat sich aus diesen Gründenmit der Frage befasst, wie die verbindliche Informationüber die Beachtung des Kodex sichergestellt werdenkann. Nach den Zulassungsregeln der britischen Börsen-aufsicht (UKLA) sind die dort notierten Gesellschaftenverpflichtet, jährlich in einem besonderen Abschnitt ihresJahresberichts zu bestätigen, dass sie den Anforderungendes „Combined Code“ entsprechen. Abweichungen sindzu begründen. In Deutschland lässt sich dieses Modellnicht ohne weiteres übernehmen. Denn hier stellen, wennman von privatrechtlich organisierten Marktsegmentenwie dem Neuen Markt absieht, die Börsen keine Zulas-sungsvoraussetzungen auf; diese sind vielmehr, jedenfallsfür den amtlichen Handel und den geregelten Markt, öf-fentlich-rechtlich, im Börsengesetz und ergänzenden Ver-ordnungen geregelt. Es müssten daher zunächst einmaldiese Vorschriften geändert werden. Ferner müssten dieBörsenzulassungsstellen auch nach Zulassung kontrollie-ren können, ob die Börsenzulassungsvoraussetzungen –hier: die Pflicht zur jährlichen Mitteilung und unter Um-ständen auch die Richtigkeit dieser Mitteilung – erfülltwerden. Dafür sind die Zulassungsstellen aber personellund sachlich nicht gerüstet. Und schließlich müsstenSanktionen, notfalls der Entzug der Börsenzulassung,vorgesehen werden, wenn die Mitteilungspflicht oderPflichten des Kodex nachhaltig nicht erfüllt werden. NachAuffassung der Regierungskommission sollte diese Sank-tion aber Fällen vorbehalten bleiben, in denen ein ord-nungsgemäßer Börsenhandel auf Dauer nicht mehr ge-währleistet ist. Der Entzug der Börsenzulassung wegenNichtbeachtung von Corporate Governance-Regeln er-schien ihr eine übermäßige Reaktion.

Die Regierungskommission schlägt vor, dass Vorstandund Aufsichtsrat einer börsennotierten Aktiengesell-schaft jährlich erklären, dass sie die Empfehlungen ei-nes im Bundesanzeiger veröffentlichten Kodex betref-

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Drucksache 14/7515 – 30 – Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode

fend die Unternehmensleitung und -überwachung be-achten („Entsprechens-Erklärung“). Bei der Abgabeder Entsprechens-Erklärung sind Abweichungen vonden im Corporate Governance-Kodex enthaltenen Emp-fehlungen zu begründen.

Die Compliance-Erklärung von Vorstand und Aufsichts-rat bzw. die Darstellung unternehmensindividueller Mo-difikationen und Abweichungen sollte nach englischemVorbild in einem gesonderten Bericht erfolgen, der mitdem Jahresabschluss und den übrigen Unterlagen gemäߧ 325 HGB zum Handelsregister eingereicht werdensollte, sodass sich auch die Bekanntmachung gemäß § 325Abs. 1 S. 2 HGB hierauf bezieht. Darüber hinaus erscheintes als wünschenswert, wenn die Compliance-Erklärungbzw. die Darstellung der unternehmensindividuellen Pra-xis zu den betreffenden Empfehlungen des Kodex in denGeschäftsbericht aufgenommen würde; eine entspre-chende Empfehlung mag der Corporate Governance-Ko-dex selbst aussprechen. Die Compliance-Erklärung vonVorstand und Aufsichtsrat in den Lagebericht bzw. denKonzernlagebericht (§§ 289, 315 HGB) aufzunehmenschien der Regierungskommission wegen der anderenZielrichtung dieser Berichte weniger geeignet. Auch einePflicht zu einem einmaligen Bericht im Börsenzulas-sungsprospekt wurde verworfen.

Hinzuweisen ist darauf, dass sich die Darstellungs- undErläuterungspflicht nach dem Vorschlag der Regierungs-kommission auf Abweichungen von den Empfehlungendes Corporate Governance-Kodex im Einzelfall, vor al-lem aber auch auf generelle Abweichungen von den Emp-fehlungen des Kodex bezieht, sei es, dass diese Abwei-chungen in Satzung, Geschäftsordnung oder durchVertrag festgelegt sind, sei es, dass es sich um eine dau-ernde Übung in der betreffenden Gesellschaft handelt.Diessoll es den Gesellschaften ermöglichen, einen auf die un-ternehmensindividuellen Verhältnisse zugeschnittenenCode of Best Practice zu entwickeln und dem Kapital-markt gegenüber offen zu legen. Die Gleichwertigkeitsolcher Abweichungen zu bewerten bleibt dem Kapital-markt überlassen.

In diesem Zusammenhang hat sich die Regierungskom-mission auch mit der Frage befasst, ob eine gesetzlicheRegelung vorgeschlagen werden sollte, wonach der Vor-stand nur mit Zustimmung des Aufsichtsrats von denEmpfehlungen des Kodex abweichen darf. Die Regie-rungskommission hat hiervon aus zwei Gründen abgese-hen: Zum einen, weil die den Vorstand betreffenden Emp-fehlungen überwiegend Fragen betreffen dürften, beidenen der Aufsichtsrat ohnedies mitzuwirken hat (wiez. B. anreizorientierte Vergütung; Informationen gegen-über dem Aufsichtsrat; Regeln für Interessenkonflikteund Eigengeschäfte); zum anderen, weil es dem Auf-sichtsrat freisteht, ein solches Zustimmungsrecht vorzu-sehen (§ 111 Abs. 4 AktG).

Eine Prüfung der Erklärungen von Vorstand und Auf-sichtsrat durch den Abschlussprüfer sollte nur in einemeingeschränkten Sinne erfolgen, nämlich darauf, ob die

Entsprechens-Erklärung uneingeschränkt abgegeben, oderaber Abweichungen dargestellt sind. Ist das nicht der Fall,so ist hierüber im Prüfungsbericht (§ 321 HGB) zu berich-ten, und ist gegebenenfalls der Bestätigungsvermerkgemäß § 322 HGB einzuschränken. Dagegen braucht derAbschlussprüfer seine Prüfung bei Vorliegen der Compli-ance-Erklärung nicht darauf auszurichten, ob tatsächlichabweichende Regelungen praktiziert werden. Dies würdedem bei nicht auf die Rechnungslegung bezogenen Ge-setz- und Satzungsverstößen geltenden allgemeinen Prin-zip widersprechen, dass der Abschlussprüfer insoweitkeine aktive, erforschende Prüfung anzustellen, sondernnur zu berichten hat, wenn er gelegentlich der Prüfung solche Verstöße festgestellt hat (wobei es sich überdies um schwer wiegende Verstöße handeln muss; § 321 Abs. 1 S. 3 HGB a. E.). Die Gleichwertigkeit abwei-chender Regelungen kann ohnehin nicht vom Abschluss-prüfer, sondern nur vom Kapitalmarkt bewertet werden.

Der Verzicht auf eine aktive, erforschende Prüfung undauf sonstige Sanktionen könnte zu dem Bedenken Anlassgeben, dass dann die Beachtung der Empfehlungen desKodex nicht hinreichend sichergestellt sei. Wichtig ist in-soweit aber zunächst einmal nur, dass sich Vorstand undAufsichtsrat wegen der Pflicht zur Abgabe von Erklärun-gen mit den Empfehlungen des Kodex auseinander set-zen. Wichtig ist ferner, dass der Kapitalmarkt die Infor-mation erhält, ob sich die betreffende Gesellschaft imAllgemeinen an die Empfehlungen des Kodex hält. Dassdie Erklärungen von Vorstand und Aufsichtsrat insoweitwahr sind, sollte unterstellt werden.

Werden abweichende Regeln praktiziert, so mögen kriti-sche Fragen daran anknüpfen. Überdies wird die einzu-setzende Kommission zur Entwicklung und Fortschrei-bung des Code of Best Practice (unten 4.) zu erwägenhaben, ob sie, dem britischen Beispiel folgend, nach Ab-lauf einer gewissen Zeitspanne prüft, ob ihre Empfehlun-gen weithin befolgt werden, bzw. weshalb und wie häufigsich in der Praxis Abweichungen ergeben. Dies mag dannletzten Endes auch zu dem Vorschlag führen, einzelne, alsunumgänglich notwendig erkannte Regeln zur Aufnahmein das Aktiengesetz vorzuschlagen.

3. Anwendungsbereich und Inhalt eines Kodex

Die Mehrheit der bei der Regierungskommission einge-gangenen Stellungnahmen spricht sich dafür aus, dass einCode of Best Practice nur für börsennotierte Gesellschaf-ten gelten solle. Nicht börsennotierten Gesellschaftenmüsse es freistehen, die Regeln eines solchen Kodex fürsich zu übernehmen. Die von der Frankfurter Kommis-sion entwickelten Grundsätze gelten gleichfalls nur fürbörsennotierte Gesellschaften. Der Kodex des BerlinerInitiativkreises enthält dagegen einen eigenen Abschnittmit Verhaltensmaßstäben für Unternehmensleitung und -überwachung in geschlossenen Gesellschaften.

Die Regierungskommission schlägt vor, den Anwen-dungsbereich eines Kodex für Unternehmensleitung undUnternehmensüberwachung auf börsennotierte Gesell-

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schaften zu beschränken. Nicht börsennotierten Gesell-schaften steht es frei, die gesetzesergänzenden Regeln eines Kodex durch Satzung, Geschäftsordnung oder An-stellungsverträge zu übernehmen; dies mag sich insbe-sondere für solche Gesellschaften empfehlen, die einenBörsengang planen.

Folgende Erwägungen haben hierfür den Ausschlag gege-ben. Die Information über die Beachtung bestimmter stan-dardisierter Verhaltensmaßstäbe für gute Unternehmens-leitung und -kontrolle, von denen zwar abgewichenwerden kann, dies aber nur, wenn dies öffentlich mitgeteiltwird, entspricht den Anforderungen und besonderen Ge-gebenheiten der Kommunikation an den Kapitalmärktenzwischen kapitalnachfragenden Unternehmen und anony-mer Anlegerschaft mit diversifiziertem Portfolio. In perso-nalistischen Gesellschaften oder gar der Konzerntochterohne außenstehende Aktionäre gibt es andere Wege undFormen der Information und auch der Erzwingung solcherVerhaltensmaßstäbe. Außerdem wären die Regeln in ei-nem Kodex, der für alle Aktiengesellschaften oder gar füralle Unternehmen mit Pflichtaufsichtsrat gelten würde,entweder zu allgemein, oder sie würden kleinere, nicht ka-pitalmarktorientierte Unternehmen mit vermeidbarenKosten belasten (Beispiele: Quartalsberichte; Ausschuss-bildung u. a. m.), oder aber die betreffenden Unternehmenwürden ihrerseits in großem Umfang abweichende Regelnpraktizieren und dies dann berichten müssen.

Von einer Beschränkung eines Corporate Governance-Kodex auf börsennotierte Gesellschaften ist nicht etwa zubefürchten, dass sich hierdurch eine Zweiteilung ergäbe,die sich nachteilig für nicht börsennotierte Gesellschaftenauswirken würde. Soweit ein solcher Kodex zwingendegesetzliche Vorschriften nur nachrichtlich wiedergibt,gelten diese Regeln ohnedies in der Regel für alle Gesell-schaften. Im Übrigen steht es nicht börsennotierten Ge-sellschaften frei, die gesetzesergänzenden Regeln einesKodex durch Satzung, Geschäftsordnung oder Anstel-lungsverträge zu übernehmen; dies mag sich insbeson-dere für solche Gesellschaften empfehlen, die einen Bör-sengang planen. Ein Corporate Governance-Kodex fürbörsennotierte Gesellschaften dürfte insofern durchaus„Ausstrahlungswirkung“ auch auf nicht börsennotierteGesellschaften entfalten.

Die Regierungskommission hat sich in diesem Zusammen-hang mit der Frage befasst, ob statt der Unterscheidung„börsennotiert“ und „nicht börsennotiert“ i. S. des § 3 Abs. 2 AktG eine andere Abgrenzung gewählt werdensollte, etwa zwischen „kapitalmarktorientierten“ und ande-ren Gesellschaften, oder zwischen „kleinen“ Aktiengesell-schaften (vgl. § 267 HGB) und anderen. Richtig ist, dass dieAnknüpfung an § 3 Abs. 2 AktG (in Deutschland: amtlicherHandel, geregelter Markt und Handel am Neuen Markt) Unternehmen ausklammert, die gleichfalls unmittelbar dieKapitalmärkte in Anspruch nehmen, deren Anteile freilichnicht auf organisierten Märkten im Sinne des § 3 Abs. 2AktG, wohl aber auf hierfür eingerichteten Sekundärmärk-ten angeboten und gehandelt werden (Freiverkehr; börsenähnliche elektronische Netzwerke). Die Einführungeines weiteren Differenzierungskriteriums „kapitalmarkt-

orientiert“ (neben § 3 Abs. 2 AktG, anderen Differenzierun-gen in §§ 267 Abs. 3 S. 2, 293 HGB und der wiederum an-deren Abgrenzung in § 21 Abs. 2 WpHG) würde aber ver-wirrend wirken. Überdies gibt die Beschränkung auf aneinem organisierten Markt gehandelte Gesellschaften die-sem Markt ein Qualitätssignal. Auf Größenkriterien (etwaim Sinne von § 267 HGB) sollte nicht abgestellt werden,weil diese Abgrenzung anderen Zwecken dient. – Um zu den „börsennotierten“ Gesellschaften im Sinne von § 3Abs. 2 AktG zu rechnen, ist eine Notierung an einer inlän-dischen Börse nicht erforderlich. Würden sich im Falle ei-ner Auslandsnotierung Kollisionen mit dort geltendemRecht einschließlich eines ausländischen Corporate Gover-nance-Kodex ergeben, stände es der betreffenden Gesell-schaft ohne weiteres frei, unter Hinweis hierauf im Sinnedes „entsprich oder erkläre“ (vgl. oben unter 2.) von denEmpfehlungen des deutschen Kodex abzuweichen.

Der Auftrag der Regierungskommission ist auf die Ent-wicklung von Empfehlungen an die Bundesregierung dazubeschränkt, wie der staatliche Regelungsrahmen weiterent-wickelt werden sollte. Es gehört daher nicht zu ihren Auf-gaben, selbst einen Code of Best Practice zu erarbeiten.Dies muss einer hierfür berufenen Kommission, die mitdieser Zielsetzung besetzt wird, überlassen bleiben, die da-bei zweckmäßigerweise die bereits vorliegenden Vorarbei-ten hierzu in ihre Überlegungen einbeziehen wird. Dem-gemäß hat die Regierungskommission darauf verzichtet,selbst einen Kodex zu erarbeiten. Die bei der Regierungs-kommission eingegangenen zahlreichen Vorschläge zumInhalt eines Code of Best Practice und zur Änderung derbereits vorliegenden Vorschläge des Frankfurter und desBerliner Kreises werden der demnächst nach dem Vorbildder Börsensachverständigenkommission einzurichtendenKommission zur Entwicklung eines deutschen Code ofBest Practice (dazu sogleich unter 4.) zur Verfügung ge-stellt werden. Was den Inhalt eines solchen Kodex angeht,hat die Regierungskommission lediglich hinsichtlich ein-zelner, von ihr in den Bereichen Aktienrechtsreform (unten2. bis 5. Kapitel) und Abschlussprüfung (unten 6. Kapitel)behandelter Regulierungsvorschläge erwogen und in Ein-zelfällen auch empfohlen, diese statt in das Aktiengesetzoder das Handelsgesetzbuch in einen Corporate Gover-nance-Kodex aufzunehmen.

4. Ausarbeitung und Weiterentwicklung desKodex

Wenn aus den dargelegten Gründen ein einheitlicher deut-scher Corporate Governance-Kodex für die Unterneh-mensleitungen börsennotierter Gesellschaften entwickeltwerden soll, kann dies nur durch eine Kommission mit an-erkannten und fachlich qualifizierten Mitgliedern gesche-hen; die Besetzung der Kommission muss die Erfahrun-gen und Interessen der Kapitalmarktteilnehmer undUnternehmensbeteiligten widerspiegeln. Die Bildungdieser Kommission kann nicht ausschließlich privater In-itiative überlassen bleiben, erstens, weil anders als bisherangestrebt werden sollte, dass nur ein einziger, einheitli-cher Corporate Governance-Kodex entwickelt wird;

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zweitens, weil angesichts der weit reichenden Wirkung ei-nes solchen einheitlichen Corporate Governance-Kodexder ausgewogenen und repräsentativen Besetzung erheb-liche Bedeutung zukommt. Drittens würden nach demVorschlag der Regierungskommission (oben 2.) die Re-geln eines solchen Kodex mit einer gesetzlichen Er-klärungspflicht (Compliance-Erklärung) verknüpft wer-den. Letzteres stellt aber nicht nur, wie noch auszuführensein wird, Anforderungen an die gehörige Bekanntma-chung eines Corporate Governance-Kodex, sondern auchan die Legitimation des Gremiums, das einen solchen Ko-dex entwickelt.

In mehreren der bei der Regierungskommission einge-gangenen Vorschlägen wird empfohlen, nach dem Vorbilddes § 342 HGB zu verfahren und eine gesetzliche Grund-lage für eine Anerkennung einer auf privater Initiative be-ruhenden Kommission zur Entwicklung eines deutschenCode of Best Practice zu schaffen. Die Regierungskom-mission schließt sich dieser Empfehlung nach eingehen-der Beratung nicht an. Im Fall des Rechnungslegungs-Standards Committee (DRSC) wurde eine gesetzlicheGrundlage (§ 342 HGB) im Hinblick auf die diesem über-tragenen Aufgaben für erforderlich gehalten (Entwick-lung von bei der Konzernrechnungslegung zu beachten-den Grundsätzen ordnungsgemäßer Buchführung;Vertretung der Bundesrepublik Deutschland in internatio-nalen Standardisierungsgremien). Einer Kommission zurEntwicklung von Corporate Governance-Empfehlungenkommen keine vergleichbaren Aufgaben zu; insbesonderesoll ihren Empfehlungen keine Wirkung entsprechend derdes § 342 Abs. 2 HGB beigelegt werden. Auch im Hin-blick auf die vorgeschlagene Erklärungs- bzw. Erläute-rungspflicht, die Vorständen und Aufsichtsräten börsen-notierter Gesellschaften auferlegt werden soll (vgl. oben 2.),bedarf es keiner gesetzlichen Regelung dazu, wie diekünftige Corporate Governance-Kommission gebildet,wie sie zusammengesetzt sein, und wie sie verfahren soll.Denn die im Aktiengesetz zu verankernde Erklärungs-pflicht (Compliance-Erklärung) macht nicht die Empfeh-lungen der Kommission ihrem Inhalt nach verbindlich, dadie Unternehmen von diesen Empfehlungen ohne weite-res auch abweichen können sollen. Sondern diese Er-klärungs- und Erläuterungspflicht etabliert lediglich eineKommunikation zwischen börsennotierter Gesellschaftund Kapitalmarkt, die ihre hinreichende Grundlage in ei-ner hierfür vorzusehenden Vorschrift des Aktiengesetzesfindet. Statt auf eine Empfehlung des Corporate Gover-nance-Kodex könnte sich die gesetzliche Erklärungs-pflicht von Vorstand und Aufsichtsrat auch auf unterneh-mensintern entwickelte Standards beziehen, ohne dassdies zu der Schlussfolgerung berechtigen würde, solcheStandards bzw. der Modus ihrer Entwicklung bedürftenaufgrunddessen einer gesetzlichen Grundlage. Die Set-zung von Verhaltensstandards, von denen abgewichen

werden kann, ist auch nicht etwa mit der Setzung disposi-tiven Gesetzesrechts zu vergleichen. Dispositives Geset-zesrecht gilt per se, wenn die Parteien keine abweichendeRegelung treffen; es bedarf keiner Umsetzung. Den ge-setzesergänzenden Empfehlungen eines Corporate Go-vernance-Kodex kommt eine solche Per-se-Geltung ge-rade nicht zu; sie müssen, um beachtet zu werden, zumBeispiel in einer Geschäftsordnung, in Verträgen, der Sat-zung oder durch tatsächlich geübte Praxis verbindlich ge-macht und umgesetzt werden. Die gesetzliche Er-klärungs- und Erläuterungspflicht gebietet lediglich, dasseindeutig klargestellt sein muss, worauf sich diese Er-klärungs- und Erläuterungspflicht bezieht. Dies erfordert,dass die Empfehlungen wie im Fall des § 342 Abs. 2 HGB(im Bundesanzeiger) bekannt gemacht werden. Schließ-lich nötigt auch der Umstand, dass die Kapitalmarktteil-nehmer die von einer Corporate Governance-Kommis-sion entwickelten Grundsätze vielfach als faktischverbindlich ansehen, und dass sich die betroffenen Unter-nehmen infolgedessen einem gewissen Druck des Mark-tes ausgesetzt sehen werden, sich an den Corporate Go-vernance-Kodex zu halten, nicht dazu, eine gesetzlicheGrundlage für Einrichtung, Besetzung und Verfahren ei-ner Kommission zur Entwicklung eines Code of BestPractice zu schaffen. Die Regierungskommission ist indieser Auffassung durch eine verfassungsrechtliche Be-gutachtung bestärkt worden, die sie zur Entwicklung ei-ner sachgerechten Empfehlung eingeholt hat. Selbstver-ständlich muss aber diese verfassungsrechtliche Frageletzten Endes von den hierzu berufenen Verfassungsorga-nen beantwortet werden, wenn der Empfehlung der Re-gierungskommission gemäß das Prinzip des „entsprichoder erkläre“ gesetzlich verankert wird.

Die Regierungskommission empfiehlt der Bundesregie-rung, eine Kommission mit dem Auftrag einzusetzen, einen Corporate Governance-Kodex für die Unterneh-mensleitung und -überwachung deutscher börsenno-tierter Gesellschaften zu entwickeln. Die Kommissionsollte aus höchstens zwölf Mitgliedern bestehen, die be-sonders anerkannt und fachlich geeignet sein müssen;insbesondere sollten einzelne Mitglieder über Erfahrun-gen und Kenntnisse in der Unternehmensleitung und -überwachung in- und ausländischer börsennotierter Ge-sellschaften, auf den Gebieten des Gesellschaftsrechts,der Rechnungslegung und der Abschlussprüfung verfü-gen. In die Kommission sollten institutionelle und privateAnleger, Arbeitnehmervertreter, Vorstands- und Auf-sichtsratsmitglieder, einschlägig tätige Unternehmensbe-rater und Wissenschaftler berufen werden. Der von die-ser Kommission entwickelte Kodex sollte durchVeröffentlichung im Bundesanzeiger bekannt gemachtwerden. Die Kommission sollte in angemessenen Zeitab-ständen wieder zusammentreten, um die Frage der Wei-terentwicklung des Kodex zu prüfen.

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Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 33 – Drucksache 14/7515

Zweites Kapitel: Leitungsorgane

I. Allgemeines

Corporate Governance-Regeln, die Verhaltensmaßstäbefür Unternehmensleitung und Unternehmensüberwa-chung, beziehen sich im deutschen dualistischen Modellvornehmlich, wenn auch nicht ausschließlich, auf dieAufgaben, Pflichten, Befugnisse von Vorstand und Auf-sichtsrat und das Zusammenwirken dieser beiden Organe.Die Regierungskommission hat sich eingehend, auf derGrundlage der bei ihr hierzu eingegangenen Stellungnah-men, mit der Frage befasst, ob die im Wesentlichen im Ak-tiengesetz festgelegten Regeln über Pflichten, Aufgaben,Befugnisse und Kompetenzabgrenzung von Vorstand undAufsichtsrat den sich wandelnden Anforderungen genü-gen. Die Regierungskommission unterbreitet insofernzwar einerseits eine Reihe von Verbesserungsvorschlägenim Detail, die sich in der Tendenz mit den Stichworten:Stärkung der Transparenz, Stärkung der Verantwortlich-keit bei Flexibilisierung der Befugnisse und stärkere Einbeziehung und Inanspruchnahme des Aufsichtsratsumreißen lassen. Insofern empfiehlt die Regierungskom-mission, auf dem mit dem KonTraG bereits eingeschla-genen Weg weiterzugehen.

Auf der anderen Seite hat die Regierungskommission kei-nen Anlass gesehen, grundsätzliche Änderungen der be-stehenden Unternehmensverfassung, eine völlige Neuge-wichtung und -abgrenzung der Kompetenzen vonVorstand und Aufsichtsrat oder gar eine Aufgabe des dua-listischen Systems zugunsten des monistischen Board-Systems der angelsächsischen und romanischen Ländervorzuschlagen. Es fehlt bisher an empirischen, ökonome-trischen Nachweisen dafür, dass das Verwaltungsratsmo-dell dem zweigliedrigen Vorstand-/Aufsichtsrat-Modellüberlegen wäre. Kontrollversagen in Einzelfällen ist inbeiden Systemen zu beobachten. In theoretischer Hinsichtlassen sich gegen beide Konzepte Einwände vorbringen.Gegen das Board-System spricht, dass niemand sichselbst überwachen kann; gegen das zweigliedrige Systemspricht, dass man jemanden nur überwachen kann, wennman an seiner Tätigkeit intensiv teilhat. In der Praxisscheint sich trotz der verschiedenen Ausgangspunkte einegewisse Konvergenz beider Systeme zu entwickeln. Inden angelsächsischen Ländern wird zunehmend üblichoder zunehmend gefordert, die Ämter des CEO und desVorsitzenden des Board voneinander zu trennen; wich-tige Ausschüsse des Board sollen mehrheitlich mit un-abhängigen Direktoren besetzt werden. Im deutschenRecht wird die Teilhabe und Überwachungsaufgabe desAufsichtsrats in der Praxis durch häufigere und längere Sitzungen, Verstärkung der Ausschussarbeit, inhaltlichsachgemäßere Zustimmungskataloge und weitere Maß-nahmen verstärkt. Die Regierungskommission hält esfür angezeigt, diese Entwicklung zu unterstützen, und

sieht sich in dieser Haltung durch die von ihr erbetenenStellungnahmen bestärkt. Vorschläge, das deutsche dua-listische Modell zugunsten des Board- oder Verwal-tungsratsmodells aufzugeben, wurden denn auch aus-schließlich von ausländischen institutionellen Investorenund Sachverständigen unterbreitet, die mit der Funkti-onsweise der deutschen Unternehmensverfassung weni-ger vertraut sein dürften. Nicht betont zu werdenbraucht, dass eine Ersetzung der Vorstands-/Aufsichts-ratsverfassung durch das Verwaltungsratsmodell oderauch nur das Eröffnen einer entsprechenden Option nachfranzösischem Vorbild angesichts des Umstands, dassdie Mitbestimmung der Arbeitnehmer am Aufsichtsratansetzt, einen ganz erheblichen Regulierungsaufwanderfordern würde. Da die Erörterung mitbestimmungs-rechtlicher Fragen nicht zu den der Regierungskommis-sion gestellten Aufgaben gehört, hat sie auch aus diesemGrunde davon abgesehen, einer grundsätzlichen Ände-rung der Unternehmensverfassung der Aktiengesell-schaft das Wort zu reden.

Die folgenden Erwägungen und Vorschläge zu Pflichtenund Aufgaben des Vorstands (II.), des Aufsichtsrats (III.)und beider Organe gemeinsam (IV.) werden ergänzt durchzahlreiche weitere Empfehlungen, die diese beiden Or-gane und ihre Mitglieder betreffen, insbesondere dieEmpfehlungen zur Publizität (5. Kapitel, II.) und zumVerhältnis Aufsichtsrat und Abschlussprüfung (6. Kapitel,III.). Aber auch die übrigen Ausführungen dieses Be-richts, etwa zu den Aufgaben der Hauptversammlung, denRechten der Aktionäre oder zur Abschlussprüfung, be-treffen letzten Endes die Kontrolle und Verantwortlichkeitder Unternehmensleitungen und sind damit Ausschnitteaus dem allgemeinen Themenkreis der Corporate Gover-nance.

II. Vorstand

1. Die Berichterstattung des Vorstands

(a) Frequenz der Berichterstattung; sonstigeKapitalgesellschaften

Nach § 90 Abs. 2 Nr. 3 AktG sind die Vorstandsberichte zumGang der Geschäfte, insbesondere zum Umsatz, und zurLage der Gesellschaft regelmäßig, mindes-tens vierteljähr-lich, zu erstatten. Bei der Regierungskommission wurde an-geregt, insoweit eine monatliche Berichterstattung zu emp-fehlen. Die Regierungskommission ist demgegenüber derAuffassung, dass die Frequenz solcher Berichte ganz vonden besonderen Verhältnissen jeder Gesellschaft abhängendürfte, sodass sich eine zwingende Festschreibung monatli-cher Berichterstattung verbietet. Die einzusetzende Kommission zur Entwicklung eines Corporate Governance-

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Kodex für börsennotierte Gesellschaften mag prüfen, obsich eine solche Regel im Kodex empfiehlt.

Der Schwerpunkt des Auftrages der Regierungskommis-sion liegt zwar in der Überprüfung aktienrechtlicher Nor-men. Corporate Governance-Regeln sind aber jedenfallszum Teil rechtsformunabhängig; systembedingte Unter-schiede treten in diesen Fällen zurück. Die Steuerung vonGroßunternehmen wirft spezifische Fragen unabhängigvon ihrer Rechtsform auf. Dazu gehört etwa die Risiko-steuerungspflicht1. Die Vorteile der Gestaltungsfreiheit,die die gewählte Rechtsform bietet, treten hier in einenZielkonflikt mit anderen schützenswerten Interessen.Hinsichtlich der Berichterstattung regt die Regierungs-kommission an – ohne (wegen ihres beschränkten Auftra-ges) eine ausdrückliche Empfehlung hierzu auszuspre-chen – dass die Frage einer Regelberichterstattung an denAufsichtsrat allgemein für große Kapitalgesellschaftenund Genossenschaften bei der Überarbeitung der ein-schlägigen Normen geprüft werden sollte.

(b) Konzerndimensionaler Bezug der Berichts-pflichten und Informationsrechte

(aa) Berichte gemäß § 90 Abs. 1 S. 1 AktG

Anders als § 90 Abs. 1 S. 2 und Abs. 3 AktG erwähnt § 90Abs. 1 S. 1 AktG verbundene Unternehmen nicht. In derPraxis wird unter Berufung darauf gelegentlich eine Einbeziehung von Tochterunternehmen in die Regelbe-richterstattung verweigert. Nach Auffassung der Regie-rungskommission lassen sich in Unternehmen, die zurAufstellung eines Konzernabschlusses und Konzernlage-berichts verpflichtet sind, die beabsichtigte Geschäftspoli-tik und andere grundsätzliche Fragen der Unternehmens-planung, die Rentabilität, der Gang der Geschäfte und dieLage des Unternehmens nicht sinnvoll und zuverlässig be-urteilen, wenn die in den Konzernabschluss einzubezie-henden Unternehmen nicht auch in die Regelberichterstat-tung gemäß § 90 Abs. 1 S. 1 AktG aufgenommen werden.

Die Regierungskommission empfiehlt, für Unterneh-men, die einen Konzernabschluss oder Teilkonzernab-schluss aufstellen oder andere Unternehmen gemäß § 310 HGB anteilmäßig konsolidieren, gesetzlich festzu-legen, dass sich die Regelberichterstattung gemäß § 90Abs. 1 S. 1 AktG auch auf die einbezogenen Gesell-schaften bezieht.

(bb) Konzernweites Einsichts- und Prüfungs-recht des Aufsichtsrats

In einer bei der Regierungskommission eingegangenenStellungnahme wird angeregt, das Informationsrecht desAufsichtsrats gemäß § 111 Abs. 2 AktG (Sonderprüfungs-recht) auf verbundene Unternehmen auszudehnen. Be-gründet wird dies mit zwei Erwägungen:

– Gemäß § 171 Abs. 1 S. 1 AktG i. d. F. des KonTraGhat der Aufsichtsrat der Konzernobergesellschaft auchden Konzernabschluss und den Konzernlagebericht zuprüfen. Eine ordnungsgemäße Prüfung setze aber vo-raus, dass der Aufsichtsrat sich gegebenenfalls selbstoder durch sachverständige, von ihm hiermit beauf-tragte Prüfer mit der Buchführung oder den weiterenUnterlagen befassen könne.

– Ein konzernumspannendes eigenes Sonderprüfungs-recht des Aufsichtsrats sei auch deshalb erforderlich,weil anders die ordnungsgemäße Prüfung der (Kon-zern-) Geschäftsleitung durch den Vorstand nicht si-chergestellt werden könne. Nach geltendem Rechtkönne der Aufsichtsrat seine Prüfer nicht aus eigenerMachtvollkommenheit in eine Tochtergesellschaft ent-senden. Mithilfe seiner Informationsrechte aus § 90 Abs. 3 AktG könne er zwar veranlassen, dass derVorstand mithilfe der ihm zu Gebote stehenden Mög-lichkeiten, z. B. durch Einsatz der Konzernrevision, dieerforderlichen Informationen von der Konzerngesell-schaft beschaffe und diese Informationen dann Gegen-stand der Prüfung durch den Aufsichtsrat seien. Abereine eigene Prüfung „vor Ort“, durch Einsichtnahme indie Bücher und Schriften der Tochter, sei nicht mög-lich. Nur wenn der Vorstand der Tochter „mitspiele“und seinerseits einen entsprechenden Auftrag erteile,könnten die vom Aufsichtsrat nach § 111 Abs. 2 AktGbestellten Sachverständigen die kritischen Sachver-halte unmittelbar bei der Tochtergesellschaft erkunden.

Die Regierungskommission schließt sich diesen Erwä-gungen an. Die Unternehmensverfassung der Tochterge-sellschaften steht einem konzernweiten Sonderprüfungs-recht des Aufsichtsrats der Konzernobergesellschaftletztlich nicht entgegen. Im Rahmen der Konzern-Ab-schlussprüfung stehen dem vom Aufsichtsrat der Oberge-sellschaft bestellten Abschlussprüfer gemäß § 320 Abs. 3HGB umfassende Auskunfts- und Einsichtsbefugnisseauch gegenüber Tochterunternehmen zu. Steht die Unter-nehmensverfassung der Tochterunternehmen mithin im Rahmen der Konzern-Abschlussprüfung derartigenAuskunfts- und Einsichtsrechten gegenüber Tochter-unternehmen ungeachtet deren Unternehmensverfassungnach der gesetzlichen Wertung nicht entgegen, kann imRahmen einer Sonderprüfung im Konzern nichts anderesgelten. Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse der Tochterkönnen dadurch gewahrt werden, dass konzerndimensio-nale Auskunfts- und Einsichtsrechte nicht, wie in § 111Abs. 2 S. 1 AktG vorgesehen, dem Aufsichtsrat selbst,sondern in Anlehnung an das Modell der Konzern-Ab-schlussprüfung einem vom Aufsichtsrat beauftragten, zurVerschwiegenheit verpflichteten Sachverständigen einge-räumt werden. Derartige Befugnisse dürfen sich im Übri-gen nicht pauschal auf verbundene Unternehmen i. S. des§ 15 AktG beziehen, zu denen auch Muttergesellschaftenrechnen, sondern haben sich (lediglich) auf alle Tochter-unternehmen zu erstrecken, die in den Konzernabschlusseinbezogen sind oder anteilmäßig konsolidiert werden.

Die Regierungskommission schlägt vor, das Einsichts-und Prüfungsrecht des Aufsichtsrats gemäß § 111 Abs. 21 Dazu unten Rdz. 33.

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AktG durch gesetzliche Vorschrift wie folgt zu erweitern:Ein vom Aufsichtsrat bestellter zur Berufsverschwie-genheit verpflichteter Sachverständiger sollte die Rechtenach § 111 Abs. 2 S. 1 AktG auch gegenüber Tochterun-ternehmen im Sinne des § 290 Abs. 2 HGB und anderenUnternehmen im Sinne des § 310 HGB haben; er solltevon deren gesetzlichen Vertretern Aufklärungen undNachweise verlangen können.

Als nicht durchgreifend erachtet wurde der Einwand, bei Statuierung eines konzerndimensionalen Sonderprü-fungsrechts eines vom Aufsichtsrat der Obergesellschaftbeauftragten Sachverständigen komme es zu einer kon-kurrierenden Überwachung der Vorgänge in Tochterge-sellschaften, da auch dem Vorstand eine entsprechendeÜberwachungsaufgabe obliege; vorzugswürdig sei daher,dem Aufsichtsrat ein Weisungsrecht gegenüber dem Vor-stand einzuräumen, Informationen über Vorgänge in Toch-tergesellschaften zu ermitteln und mitzuteilen. Dem istentgegenzuhalten, dass sich der Vorstand auch in großenEinheitsunternehmen ebenso wie in einer Konzernoberge-sellschaft letzten Endes auf die Wahrnehmung von Über-wachungsaufgaben beschränkt und es somit zu einer konkurrierenden Überwachung durch Vorstand und Auf-sichtsrat kommt, ohne dass insoweit Bedenken bestehen.Zudem bezieht sich die konzerndimensionale Überwa-chung von Vorstand und Aufsichtsrat zwar jeweils auf die-selben Gegenstände, nämlich Vorgänge in Tochtergesell-schaften, betrifft aber verschiedene Personen. Richtig istfreilich, dass der Aufsichtsrat unter Umständen einer Un-terstützung des Vorstands bedarf, um konzerndimensio-nale Informationsrechte eines von ihm beauftragten Son-derprüfers durchzusetzen. Insoweit ist der Vorstand beiEntsendung eines vom Aufsichtsrat bestellten Prüfers ver-pflichtet mitzuwirken, dass dieser seinen Auftrag in dembetreffenden Tochterunternehmen auch durchführen kann.

(c) „Follow up“-Berichterstattung

Nach § 90 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 AktG gehört zu den Berichts-pflichten des Vorstands die Pflicht zur Berichterstattungüber die beabsichtigte Geschäftspolitik und anderegrundsätzliche Fragen der Unternehmensplanung (insbe-sondere die Finanz-, Investitions- und Personalplanung).Nicht vorgesehen ist dagegen eine Berichterstattung desVorstands an den Aufsichtsrat über die Umsetzung derUnternehmensplanung in der Vergangenheit (sog. „followup“). Verschiedentlich wird ein solches follow up vorge-schlagen; es werde einen maßgeblichen Beitrag auch zurBeurteilung der Qualität der Unternehmensplanung durchden Vorstand leisten.

Hingewiesen wird in diesem Zusammenhang auch aufden von der britischen Gesellschaftsrechts-Reformkom-mission vorgeschlagenen „Operating und Financial Re-view“ (OFR), der jährlich publiziert werden und in demu. a. über das Erreichen angekündigter Ziele berichtetwerden soll. Als Minus gegenüber einer solchen publi-zierten Berichterstattung solle der Vorstand, so der Vor-schlag, mindestens gezwungen werden, dem Aufsichtsrathierüber jährlich einmal zu berichten.

Die Regierungskommission ist der Ansicht, dass eine ord-nungsgemäße Überwachung Informationen über das Er-reichen angekündigter Ziele voraussetzt, sodass eine ge-setzliche Regelung des „follow up“ lediglich eine bereitsnach geltendem Recht bestehende (selbstverständliche)Berichtspflicht festschriebe. Die Regierungskommissionspricht sich gleichwohl dafür aus, insoweit eine gesetzli-che Klarstellung zu empfehlen, da in der Praxis eine Be-richterstattung über die Umsetzung der Unternehmens-planung in der Vergangenheit nicht immer erfolgt. Einegesetzliche Regelung ist gegenüber einer Empfehlung imCode of Best Practice vorzuziehen, da Flexibilität in die-sem Punkt nicht erforderlich ist und eine „follow up“-Be-richterstattung auch in nichtbörsennotierten Gesellschaf-ten erfolgen muss. Der Klarstellung halber ist zu betonen,dass sich ein solches „follow up“ nur auf grundsätzlicheFragen der Geschäftspolitik und wesentliche Zielprojek-tionen zu beziehen hat; es kann nicht darum gehen, alle jemals in Aufsichtsratsvorlagen oder mündlichen Erläute-rungen vorgestellten Planungen und Planziffern nachzu-arbeiten.

Die Regierungskommission schlägt vor, in § 90 Abs. 1AktG klarzustellen, dass der Vorstand in seinem Berichtüber die beabsichtigte Geschäftspolitik und anderegrundsätzliche Fragen der Unternehmensplanung auchauf Abweichungen von früher formulierten Zielen unddie Gründe hierfür einzugehen hat.

(d) Schriftlichkeit der Berichterstattung

Die Regelberichte des Vorstands gemäß § 90 Abs. 1 S. 1AktG sollten in aller Regel schriftlich erstattet werden;dasselbe gilt für die Sonderberichte gemäß § 90 Abs. 3AktG. Das ist schon mit Rücksicht darauf geboten, dassdiese Berichte eine wichtige Informationsquelle für denAbschlussprüfer darstellen2. In der Praxis wird allerdingsmitunter, unter Hinweis auf die Regelung des § 90 Abs. 5S. 2 AktG („Soweit die Berichte schriftlich erstattet wor-den sind, sind sie auch jedem Aufsichtsratsmitglied aufVerlangen auszuhändigen ...“), die schriftliche Abfassungder Berichte verweigert.

Die Regierungskommission empfiehlt, in § 90 AktG fest-zulegen, dass die Berichte gemäß § 90 Abs. 1 S. 1 undAbs. 3 AktG in der Regel schriftlich zu erstatten sind.

Die Formulierung „in der Regel“ dürfte ein ausreichendesMaß an Flexibilität gewährleisten. Zum einen scheideteine schriftliche Fixierung und Zuleitung vor der Sitzung(unten e) naturgemäß für die Berichterstattung über aktu-ellste Entwicklungen aus; die Berichterstattung hierüberkann nur in Ergänzung des schriftlichen Vorabberichtsdurch mündlichen Vortrag des Vorstands in der Aufsichts-ratssitzung erfolgen. Zum anderen soll die Formulierung,dass die Berichte gemäß § 90 Abs. 1 S. 1 und Abs. 3 AktG„in der Regel“ schriftlich zu erstatten sind, die Möglich-

2 Vgl. Rdz. 287.

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keit eines Verzichts des Aufsichtsrats auf schriftliche Berichterstattung im Einzelfall einräumen. Das Schrift-lichkeitsgebot sollte dagegen nach Auffassung der Regie-rungskommission nicht für die Berichte an den Aufsichts-ratsvorsitzenden nach § 90 Abs. 1 S. 2 AktG gelten.Insofern genügt es, wenn der Aufsichtsratsvorsitzende dieübrigen Aufsichtsratsmitglieder über diese Berichte spä-testens in der nächsten Aufsichtsratssitzung unterrichtet.

Die vorgeschlagene „Schriftlichkeit“ der Bericht-erstattung soll, wie klarzustellen bleibt, nicht etwa ausschließen, dass die betreffenden Berichte den Auf-sichtsratsmitgliedern unter Nutzung moderner Kommuni-kationstechnologien übermittelt werden können. „Schrift-lichkeit“ der Berichterstattung erfordert nicht Festlegungder Berichte in Schriftform, sondern soll nur sicherstellen,dass die Aufsichtsratsmitglieder sich anhand der Berichteauf die Aufsichtsratssitzung vorbereiten können, und derAbschlussprüfer auf die Dokumente zugreifen kann.

(e) Rechtzeitigkeit der Berichterstattung; Beschlussvorlagen

Neben der Frage der Schriftlichkeit der Vorstandsbericht-erstattung an den Aufsichtsrat war auch die Frage desZeitpunkts der Berichterstattung Gegenstand der Bera-tungen der Regierungskommission. Insoweit wurde vor-geschlagen, dass namentlich reguläre Vorstandsberichtenach § 90 Abs. 1 S. 1 AktG dem Aufsichtsrat nicht nurschriftlich zu erstatten, sondern zudem den Aufsichtsrats-mitgliedern vor der Aufsichtsratssitzung zu übermittelnseien. Dass eine Vorabinformation der Aufsichtsratsmit-glieder3 über den Inhalt von Vorstandsberichten einer ef-fektiven Überwachung des Vorstands förderlich ist, istnicht zu bezweifeln. Dies gilt unabhängig davon, ob einBericht der Vorbereitung eines Aufsichtsratsbeschlussesoder allgemein der Unterrichtung des Aufsichtsrats übergrundsätzliche Fragen der Unternehmensleitung dient.Generelle Bedenken hiergegen wegen der Gefahr, dassdie gebotene Vertraulichkeit nicht gewahrt werden könne,wurden angesichts der – auch strafrechtlich und durchSchadensersatzansprüche sanktionierten – Verschwiegen-heitspflicht der Aufsichtsratsmitglieder nicht als durch-greifend erachtet. Für exzeptionelle Ausnahmefällekönne, so die Erwägung der Regierungskommission, eineAusnahme vorgesehen werden. Allerdings hat sich dieRegierungskommission insoweit nicht dem Vorschlag an-schließen können, im Gesetz festzulegen, dass die Be-richte den Aufsichtsratsmitgliedern mit der Einladung zurAufsichtsratssitzung übermittelt werden sollten. Insofernergäbe sich nämlich das Problem, dass das Gesetz keineRegelung über den Zeitpunkt und die Form der Einladungzur Aufsichtsratssitzung enthält.

Die Regierungskommission spricht sich dafür aus, in § 90 AktG vorzusehen, dass die Vorstandsberichte denAufsichtsratsmitgliedern in der Regel rechtzeitig zuzu-leiten sind.

Durch die Formulierung, dass die Berichte nicht stets, son-dern nur „in der Regel“ rechtzeitig zu erstatten sind, er-scheint auch hier ein ausreichendes Maß an Flexibilität ge-währleistet. Mit dieser Formulierung ist insbesondere auchdie Möglichkeit eines Verzichts des Aufsichtsrats auf dasErfordernis der Rechtzeitigkeit der Berichterstattung fürkonkrete und begründete Sonderfälle erfasst. Dass Auf-sichtsratsbeschlüsse wegen verspäteter und/oder nichtformgerechter Berichterstattung von der Rechtsprechungals unwirksam bewertet werden könnten, dürfte sichgleichfalls bei einer derartigen Regelung auf Ausnahme-fälle beschränken. Die Formulierung belässt auch genü-gend Spielraum für Fälle, in denen Vorgänge wegen der be-sonderen Vertraulichkeit oder ihrer Aktualität wegen erst inder Aufsichtsratssitzung selbst mitgeteilt werden können.

Nach Auffassung der Regierungskommission sind auchBeschlussvorlagen des Vorstands den Aufsichtsratsmit-gliedern in der Regel rechtzeitig vor der Sitzung schrift-lich zuzuleiten. Ein unabdingbares Prinzip darf freilichauch insoweit nicht formuliert werden, weil in Ausnah-mefällen Beschlüsse gefasst werden können müssen, de-ren Notwendigkeit sich erst in oder so spät vor der Sitzungherausstellt, dass sie nicht mehr angekündigt werden kön-nen, aber im Unternehmensinteresse auch nicht verscho-ben werden dürfen. Einer gesetzlichen Fixierung der Re-geln hierfür bedarf es nicht, da über sie im Fachschrifttumim Wesentlichen Einigkeit besteht.

Hinsichtlich der Berichte gemäß § 90 Abs. 1 S. 2 AktG anden Aufsichtsratsvorsitzenden aus besonderem Anlass gilt§ 90 Abs. 5 S. 3 AktG, wonach der Aufsichtsratsvorsit-zende die Aufsichtsratsmitglieder über diese Berichtespätestens in der nächsten Aufsichtsratssitzung zu unter-richten hat. Der Vorschlag, die letztgenannte Vorschriftdahin zu ändern, dass der Vorsitzende des Aufsichtsratsdie Aufsichtsratsmitglieder über die Berichte nach § 90Abs. 1 S. 2 AktG nicht mehr, wie derzeit, „spätestens inder nächsten Aufsichtsratssitzung“, sondern „umgehend“zu unterrichten habe, findet in dieser Form nicht die Zu-stimmung der Regierungskommission. Der Vorschlagwurde damit begründet, dass die Berichterstattung durchden Aufsichtsratsvorsitzenden, die nach h. M. in der Regel umgehend stattfinden muss, in der Praxis derzeitunter Hinweis auf die geltende Regelung, wonach die Be-richterstattung „spätestens in der nächsten Aufsichtsrats-sitzung“ zu erfolgen hat, mitunter verspätet erfolge, weildamit tatsächlich bis zur nächsten Sitzung zugewartetwerde, die möglicherweise erst zwei Monate nach demAnlassbericht gemäß § 90 Abs. 1 S. 2 AktG anstehe. Ge-gen den zitierten Vorschlag einer Neufassung des § 90Abs. 5 S. 3 AktG ist aber einzuwenden, dass die Formu-lierung, es sei „umgehend“ zu berichten, wohl im Sinnevon „sofort“ interpretiert werden würde. Eine zwingendesofortige Berichterstattung des Aufsichtsratsvorsitzendenüber Anlassberichte nach § 90 Abs. 1 S. 2 AktG erscheintaber nicht in jedem Fall als sachgerecht. Will der Auf-sichtsratsvorsitzende aufgrund eines Anlassberichts eineaußerordentliche Aufsichtsratssitzung anberaumen, musser mit der Berichterstattung bis zu dieser Sitzung zuwar-ten können. Nach Auffassung der Regierungskommissionhat der Aufsichtsratsvorsitzende jedenfalls in dringenden3 Dazu gesondert unten 66.

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Fällen, wenn es also mit anderen Worten die Verhältnisseerfordern, über Anlassberichte nach § 90 Abs. 1 S. 2 AktGumgehend zu berichten, während er ansonsten mit der Berichterstattung bis zur nächsten Aufsichtsratssitzungzuwarten kann. Die Formulierung des § 90 Abs. 5 S. 3AktG, wonach der Aufsichtsratsvorsitzende die Auf-sichtsratsmitglieder über derartige Berichte „spätestens“in der nächsten Aufsichtsratssitzung zu unterrichten hat,sollte bei einer Überarbeitung des § 90 AktG in diesemSinne überprüft werden.

(f) Berichtsverlangen einzelner Aufsichts-ratsmitglieder

Nach § 90 Abs. 3 S. 2 AktG kann auch ein einzelnes Auf-sichtsratsmitglied einen Vorstandsbericht, jedoch nur anden Aufsichtsrat, verlangen; lehnt der Vorstand die Be-richterstattung ab, so kann der Bericht nur verlangt wer-den, wenn ein anderes Aufsichtsratsmitglied das Verlan-gen unterstützt.

In bei der Regierungskommission eingegangenen Stel-lungnahmen wird vorgeschlagen, dieses Zweipersonen-Erfordernis zu streichen oder aber die Mindestgröße vonAufsichtsräten auf sechs zu erhöhen, damit das Zweiper-sonen-Erfordernis des § 90 Abs. 3 S. 2 oder auch des § 110Abs. 2 AktG leichter erreicht werden könne.

Die Vorschrift geht auf § 246 Abs. 1 S. 2 HGB in der Fas-sung der Aktienrechtsnovelle von 1931 zurück. Im Ent-wurf eines AktG 1930 war noch vorgesehen, dass jedesAufsichtsratsmitglied einen Vorstandsbericht sollte ver-langen dürfen. Während der Beratungen zum AktG 1937wurde diese Lösung erneut erwogen, aber verworfen, weildieses Recht eines einzelnen Aufsichtsratsmitglieds leichtzu gesellschaftsfremden Zwecken (Weitergabe von Infor-mationen an Wettbewerber) missbraucht werden könne.

Nach § 95 Abs. 2 AktG 1937 sollte der Aufsichtsratsvor-sitzende den Streit zwischen dem Vorstand und dem ein-zelnen Aufsichtsratsmitglied entscheiden können. Dieseaus dem Führergedanken entwickelte Lösung wurde 1965aufgegeben. Der Regierungsentwurf eines AktG sah dannvor, dass der Vorstand dem Minderheitsverlangen nach-zukommen habe, wenn ein Drittel der Aufsichtsratsmit-glieder dieses Begehren geäußert habe. Dieser Vorschlagwurde indes vom Bundestag abgelehnt, weil dies den An-schein erwecke, als sei er auf die Beteiligung von Arbeit-nehmervertretern nach dem Betriebsverfassungsgesetzabgestellt (Kropff, Aktiengesetz, 1965, S. 119).

Die gegenwärtige Regelung läuft nach Auffassung derRegierungskommission darauf hinaus, die Stellung deseinzelnen Aufsichtsratsmitglieds entscheidend zuschwächen. Das wird der gleichen Verantwortung undauch Verantwortlichkeit aller Aufsichtsratsmitgliedernicht gerecht. Richtig ist, dass sich bei einer Ausgestal-tung als Einzelrecht Missbrauchsgefahren ergeben könn-ten. Es könnte sich zum einen um das Ausplaudern von In-terna und Geschäftsgeheimnissen handeln und zumanderen um Schikanefälle. Beide Fälle sind in Rechtspre-chung und Literatur breit erörtert. Zum Teil wird dem Vor-

stand das Recht eingeräumt, einen Bericht zu verweigern,wenn die Gefahr des Missbrauchs besteht, z. T. dem Auf-sichtsratsvorsitzenden, z. T. der Aufsichtsratsmehrheit.Außerdem ist auf die einschlägigen Straf- und Haftungs-vorschriften4 und den Einwand des Rechtsmissbrauchs zuverweisen (§ 242 BGB). Hinzu kommt, dass die Auf-sichtsratsmehrheit auch nach dem Vorschlag der Regie-rungskommission (oben d) und e)) die Möglichkeitbehält, die Aushändigung eines schriftlichen Berichts andie Aufsichtsratsmitglieder in begründeten Einzelfällenzu verweigern (§ 90 Abs. 5 S. 2 AktG).

Ebenso sollte die Beschränkung gemäß § 110 Abs. 2 AktGauf zwei Aufsichtsratsmitglieder gestrichen werden. Han-delt ein einzelnes Aufsichtsratsmitglied missbräuchlich,so braucht der Aufsichtsrat der Einberufung keine Folgezu leisten; außerdem macht sich das betreffende Auf-sichtsratsmitglied u. U. schadenersatzpflichtig.

Werden die Vorschriften der §§ 90 Abs. 3 S. 2, 110 Abs. 2AktG entsprechend geändert, dann erledigt sich auch dasAnliegen, die Mindestzahl der Aufsichtsratsmitgliederauf sechs zu erhöhen. Eine solche Erhöhung würde er-hebliche weitere Kosten gerade für kleinere Gesellschaf-ten mit sich bringen, die vermieden werden müssen.

Die Regierungskommission schlägt vor, das in den §§ 90Abs. 3 S. 2, 110 Abs. 2 AktG enthaltene Erfordernis, dasssich ein weiteres Aufsichtsratsmitglied dem Berichts-bzw. Einberufungsbegehren anschließen muss, zu strei-chen.

(g) Aushändigung von Unterlagen

Das Aktiengesetz sieht in verschiedenen Vorschriften,etwa in den §§ 90 Abs.5, 170 Abs. 3 und 314 Abs.1 AktG,vor, dass Berichte oder Unterlagen „auszuhändigen“ sind.Die Regierungskommission ist der Auffassung, dass diedamit vorausgesetzte Übergabe von Schriftstücken künf-tig nicht mehr zwingend sein sollte. Die Übermittlung der betreffenden Dokumente auf elektronischem Wege(E-Mail) genügt. Das derzeit beratene Formvorschriften-Anpassungsgesetz wird dies indes nicht ermöglichen.Zwar ist vorgesehen, dass die „schriftliche Form durch dieelektronische Form ersetzt werden“ kann (Entwurf eines § 126 a BGB). Schriftliche Form im Sinne des § 126 Abs. 1 BGB ist aber für die Dokumente, deren „Aushän-digung“ das Aktiengesetz verlangt, nicht vorgesehen. Esbedarf daher einer Änderung der einschlägigen Vorschrif-ten dahin, dass nicht mehr die „Aushändigung“ der Do-kumente erforderlich ist, sondern die „Übermittlung“genügt. Der (neutrale) Begriff der Übermittlung schließt,wie bei den einschlägigen Neuerungen des NaStraG, dieZuleitung auf elektronischem Wege ein.

Die Regierungskommission befürwortet, dass in allenFällen, in denen derzeit die „Aushändigung“ von

4 Zur Verschwiegenheitspflicht der Aufsichtsratsmitglieder unten Rdz. 66.

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Dokumenten an Aufsichtsratsmitglieder gesetzlich vor-geschrieben ist, z. B. gemäß §§ 90 Abs. 5, 170 Abs. 3 und314 Abs. 1 AktG, der Begriff der „Aushändigung“ durchden Begriff der „Übermittlung“ ersetzt werden sollte.

2. Risikosteuerungspflicht

Die Regierungskommission spricht sich dafür aus, diePrüfung der gemäß § 91 Abs. 2 AktG einzurichtendenÜberwachungssysteme durch den Abschlussprüfer (§ 317Abs. 4 HGB) und die Berichterstattung hierüber (§ 321Abs. 4 HGB) auf alle börsennotierten Gesellschaften zuerstrecken.5

Darüber hinaus empfiehlt die Regierungskommissionder Bundesregierung, die Einführung und Handha-bung von Risikosteuerungssystemen gemäß § 91 Abs. 2AktG und deren Prüfung gemäß § 317 Abs. 4 HGB zubeobachten und die Erkenntnisse hieraus darauf zu befragen, ob die Risikosteuerungspflicht gemäß § 91Abs. 2 AktG auf Unternehmen in anderer Rechtsformerstreckt werden sollte.

3. Zustimmungspflichtige Geschäfte

In zahlreichen bei der Regierungskommission eingegan-genen Stellungnahmen wird bemängelt, dass der Auf-sichtsrat selbst bei Maßnahmen und Entscheidungen, diedie Ertragsaussichten der Gesellschaft oder ihre Risiko-exposition grundlegend verändern, nicht hinreichend undnicht rechtzeitig eingebunden, mitunter sogar erst imNachhinein, nach Verlautbarungen in der Presse, infor-miert werde. Dies wird der Aufgabe des Aufsichtsrats undden Pflichten des Vorstands nicht gerecht. Die Regie-rungskommission ist der Auffassung, dass Entscheidun-gen oder Maßnahmen, die nach den Planungen oder Erwartungen die Ertragsaussichten der Gesellschaft oder ihre Risikoexposition grundlegend verändern, vomVotum beider Organe, des Vorstands und des Aufsichts-rats, getragen sein müssen, von einer etwa zusätzlich er-forderlichen Entscheidung der Hauptversammlung, z. B.in Holzmüller-Fällen, abgesehen. Dies sollte nach Auf-fassung der Regierungskommission deutlicher als bisherim Aktiengesetz selbst hervorgehoben werden.

Nicht anzuschließen vermag sich die Regierungskommis-sion insoweit allerdings dem Vorschlag, nach dem Vorbilddes niederländischen und österreichischen Aktienrechtsim Aktiengesetz selbst, abweichend von § 111 Abs. 4 S. 2AktG, der dies der Satzung oder der Geschäftsordnungüberlässt, einen Katalog zustimmungspflichtiger Maß-nahmen festzulegen. Dagegen spricht zum einen, dass einsachgerechter Katalog nicht für jede Gesellschaft unge-achtet ihrer Größe, Branche und sonstigen Verhältnissepasst, und ein allgemeiner gehaltener Katalog schwierigzu formulieren sein und auch zu Missverständnissen An-lass geben könnte. Zu bedenken ist zum anderen, dass beiFestlegung eines gesetzlichen Mindestkatalogs zustim-

mungspflichtiger Geschäfte die Gefahr besteht, dass etwaSatzungsbestimmungen, die hinter dieser gesetzlichenVorgabe zurückbleiben, von der Rechtsprechung als nich-tig angesehen werden müssten; daraus ergäbe sich ein er-hebliches Streitpotenzial. Die einzusetzende Kommissionzur Entwicklung eines Corporate Governance-Kodexmag prüfen, ob es ihr, unter Beachtung dieser Bedenken,gelingt, einen hinreichend flexiblen Katalog grundlegen-der Maßnahmen zu formulieren, die bei guter Unterneh-menspraxis in jedem Fall von Vorstand und Aufsichtsratgemeinsam getragen werden sollten. Die Aufnahme in ei-nen Corporate Governance-Kodex hätte dabei im Ver-gleich zu einer zwingenden gesetzlichen Regelung denVorteil, dass bei Vorliegen von Besonderheiten von denVorgaben des Kodex abgewichen werden könnte („ent-sprich oder erkläre“).

Die Regierungskommission spricht sich aber dafür aus,dass, abweichend von der „Kann“-Formulierung des ge-genwärtigen § 111 Abs. 4 S. 2 AktG, die Satzung oder derAufsichtsrat künftig zu bestimmen hat, dass bestimmteArten von Geschäften nur mit seiner Zustimmung vorgenommen werden dürfen. Die Einführung einer Ver-pflichtung zur Formulierung eines Katalogs zustim-mungspflichtiger Geschäfte erscheint erforderlich, um si-cherzustellen, dass Geschäfte, die nach den Planungenoder Erwartungen die Ertragsaussichten oder Risikoexpo-sition des Unternehmens grundlegend verändern, künftigdem Aufsichtsrat zur Zustimmung vorzulegen sind. DieÜberwachungsaufgabe des Aufsichtsrats erfordert nichtnur, dass er rechtzeitig über die vom Vorstand geplantenoder getroffenen Maßnahmen informiert wird, sondern ermuss in solche grundlegenden Entscheidungen auch ein-gebunden werden. Der Regierungskommission ist be-wusst, dass sie damit in Einzelfällen eine aktivere Rolledes Aufsichtsrats als bisher einfordert. Dies erscheint ihraber insoweit auch geboten, auch vor dem Hintergrundder internationalen Entwicklung in diese Richtung.

Um dem Satzungsgeber sowie dem Aufsichtsrat eine Leitlinie an die Hand zu geben, an der sie sich bei derÜberprüfung oder Abfassung eines Zustimmungskatalogsorientieren können, sowie insbesondere auch, um Strei-tigkeiten um die Gegenstände eines Zustimmungskata-logs zu vermeiden, befürwortet die Regierungskommis-sion, folgenden Satz 3 in die Vorschrift des § 111 Abs. 4AktG einzufügen: „Hierzu sollten in der Gesellschaft oderin abhängigen Unternehmen getroffene Entscheidungenoder Maßnahmen rechnen, die die Ertragsaussichten derGesellschaft oder ihre Risikoexposition grundlegend ver-ändern“. Diese Formulierung soll, erstens, die Richtungweisen, in welcher ein Konsens darüber gesucht und ge-funden werden sollte, welche Entscheidungen und Maß-nahmen gemeinschaftlich getroffen und verantwortetwerden müssen. Hierzu können etwa grundlegende Ent-scheidungen zur Unternehmensstrategie oder bedeutsameInvestitionsentscheidungen, die nach den Planungen oderErwartungen die Ertragsaussichten der Gesellschaftgrundlegend verändern werden, rechnen. Die Beschrän-kung auf Maßnahmen und Entscheidungen mit grundle-gender Bedeutung für die Ertragsaussichten oder Risiko-exposition der Gesellschaft macht zugleich deutlich, dass5 Unten Rdz. 273.

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es nicht um das „Abhaken“ mehr oder weniger willkürlichzusammengestellter und mehr oder weniger bedeutsamerMaßnahmen wie Erteilung einer Prokura oder einzelneGrundstücksgeschäfte minderer Bedeutung gehen kann.

Zweitens ist mit Bedacht die Formulierung „sollten...“ ge-wählt worden, um auszuschließen, dass einmal in einenKatalog aufgenommene Klauseln, auf die man sich ver-ständigt hat, für nichtig erklärt werden können, weil sieden Anforderungen an „Entscheidungen oder Maßnah-men, die die Ertragsaussichten der Gesellschaft oder ihreRisikoexposition grundlegend verändern“, nicht genügen.Ein Verstoß gegen den vorgeschlagenen § 111 Abs. 4 S. 3AktG würde zwar eine Pflichtverletzung bedeuten; derStreit hierum sollte aber nicht, wenn einmal ein Katalogzustimmungspflichtiger Maßnahmen aufgestellt ist, inStreitigkeiten um die Wirksamkeit des Katalogs ausmün-den. Drittens wird mit der gewählten Formulierung auchklargestellt, dass in den Zustimmungskatalog in einerKonzernobergesellschaft Entscheidungen oder Maßnah-men, die die Ertragsaussichten der Obergesellschaft oderihre Risikoexposition grundlegend verändern, unabhän-gig davon aufgenommen werden sollten, ob sie in derObergesellschaft selbst oder in einem abhängigen Unter-nehmen getroffen werden.

Die Regierungskommission hat sich eingehend mit denk-baren Einwänden gegen die vorgeschlagene Regelung be-fasst, hält sie aber nicht für durchgreifend.

Der erste Einwand lautet, dass es einer solchen Regelungnicht bedürfe, weil die Pflicht des Vorstands zur Vorlageder betreffenden Maßnahme außer Frage stehe. Letzteresist richtig, erübrigt aber offenbar, wie die Praxis gezeigthat, eine Präzisierung dieser Vorstandspflicht nicht. Siesoll ferner die gemeinsame Verantwortung von Vorstandund Aufsichtsrat in derartigen Fällen von grundlegenderBedeutung für das Unternehmen unterstreichen.

Ein weiterer denkbarer Einwand lautet, ein Katalog werdesich immer wieder als lückenhaft erweisen. Auch dieserEinwand überzeugt nicht. Ergeben sich echte, bei Abfas-sung des Katalogs nicht bedachte Lücken, dann kann er-gänzend die allgemeine, aus der Leitungs- und Sorgfalts-pflicht des Vorstands und der Überwachungsaufgabe desAufsichtsrat resultierende Pflicht eingreifen, den Auf-sichtsrat rechtzeitig zu informieren.

Eine denkbare weitere Befürchtung, mit der sich die Re-gierungskommission auseinander gesetzt hat, lautet, eswerde zur Aufstellung übermäßig bürokratischer Zustim-mungskataloge und zu einer zunehmenden Vorlage auchweniger bedeutsamer Geschäftsführungsmaßnahmendurch den Vorstand kommen. Daraus könne sodann eineunerwünschte breitflächige Einbeziehung des Aufsichts-rats in die Geschäftsführung des Vorstands resultieren.Dem ist entgegenzuhalten, dass der Gefahr übervorsichti-gen Absicherungsverhaltens durch die Vorgabe der vor-stehend erwähnten Leitlinie (§ 111 Abs.4 S.3 AktG n. F.)zur Abfassung des Zustimmungskatalogs insofern Rech-nung getragen ist, als als Gegenstand eines Zustim-mungskatalogs ausdrücklich (nur) Entscheidungen oderMaßnahmen benannt sind, die die Ertragsaussichten oder

die Risikoexposition der Gesellschaft grundlegend verän-dern. Auch ohne einen Zustimmungskatalog sind solcheMaßnahmen und Entscheidungen bereits nach geltendemRecht dem Aufsichtsrat vom Vorstand vorzulegen, undhat sich diesbezüglich der Aufsichtsrat darüber klar zuwerden, ob er solche Grundlagenmaßnahmen von vor-neherein seiner Zustimmung unterstellt. Dass der Vor-stand infolge dieser Regulierung dem Aufsichtsrat künf-tig Geschäftsführungsmaßnahmen vermehrt präventiv zurZustimmung vorlegen müsste, um namentlich den späte-ren Vorwurf zu vermeiden, die Vorlage einer Maßnahmeunterlassen zu haben, die sich zwar nicht ex ante, wohlaber ex post als Maßnahme von grundlegender Bedeutungfür die (Ober-) Gesellschaft dargestellt habe, steht nichtzu befürchten. Eines derartigen Absicherungsverhaltenszur Vermeidung von Haftungsrisiken bedarf es nicht, daes für die Vorlage- und Zustimmungspflicht nicht auf dieEntwicklung ex post, sondern auf die Planungen und Er-wartungen ex ante ankommt.

Ein letzter denkbarer Einwand geht dahin, angesichts derGröße der Aufsichtsräte, an der sich auch nach den Vor-schlägen der Regierungskommission nichts ändernwerde6, sei jede Regelung, die eine Entscheidung des Auf-sichtsrats erfordere, kritisch zu sehen. Dagegen ist einzu-wenden, dass § 108 Abs.4 AktG heute schriftliche, tele-grafische oder fernmündliche Beschlussfassungen des Aufsichtsrats oder eines Ausschusses zulässt. Außerdemkönnen derartige Beschlüsse durch einen Aufsichtsrats-ausschuss vorbereitet und dem Aufsichtsrat zur Entschei-dung unterbreitet werden (§ 107 Abs. 3 S. 2 AktG).

Die Regierungskommission empfiehlt, § 111 Abs. 4 S. 2AktG wie folgt zu ändern und folgenden neuen Satz 3einzufügen: „Die Satzung oder der Aufsichtsrat hat je-doch zu bestimmen, dass bestimmte Arten von Geschäf-ten nur mit seiner Zustimmung vorgenommen werdendürfen. Hierzu sollten in der Gesellschaft oder in ab-hängigen Unternehmen getroffene Entscheidungenoder Maßnahmen zählen, die die Ertragsaussichten derGesellschaft oder ihre Risikoexposition grundlegendverändern“.

4. Der Vorstandsvorsitzende

Der Regierungskommission wird zu bedenken gegeben,ob die Gesetzeslage der Entwicklung in der Realität Rech-nung tragen sollte, dass der Vorstandsvorsitzende immerweniger nur als primus inter pares anzusehen sei, sondernimmer mehr in die Rolle eines „Chief Executive Officer“hineinschlüpfe.

Ein praktisches Bedürfnis zur Beseitigung hinderlicherRechtsvorschriften oder zur Einführung besondererRechte und Befugnisse des Vorstandsvorsitzenden vermagdie Regierungskommission nicht zu erkennen. Offenbarvollzieht sich der angedeutete Wandel unbehindert. Soweitdie starke Stellung des angelsächsischen CEO auch darauf

6 Dazu unten Rdz. 49.

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beruht, dass er gleichzeitig die Rolle des Chairman of theBoard einnimmt, so ist dieses Modell in Deutschland nichtwünschbar; es wird auch in den USA und in England zu-nehmend aufgegeben. Die Bezahlung des Vorstandsvorsit-zenden kann durchaus auch nach deutschem geltendemRecht den unterschiedlichen Aufgaben Rechnung tragen(§ 87 AktG). Die alte, aus dem Führerprinzip 1937 ent-wickelte Vorschrift, dass der Vorstandsvorsitzende Mei-nungsverschiedenheiten im Vorstand auch gegen dieMehrheit der Vorstandsmitglieder entscheiden könnensollte, ist mit Recht 1965 aufgegeben worden (§ 77 Abs. 1S. 2 a. E. AktG) und sollte nicht wieder belebt werden.

5. Aufbau wechselseitiger Beteiligungen

Wechselseitige Beteiligungen können die Management-kontrolle beeinflussen, einmal, weil sie tendenziell zueinem Kontrollversagen führen, weil der zu Kontrollie-rende den Kontrolleur kontrolliert; zum anderen, weileine erhebliche wechselseitige Beteiligung, auch wenndas Stimmrecht aus der wechselseitigen Beteiligungausgeschlossen ist, ein Übernahmehindernis darstellenkann. Der Aufbau einer wechselseitigen Beteiligung istdaher eines der wenigen Übernahmehindernisse, die derVorstand einer börsennotierten Gesellschaft u. U. auchohne Zustimmung der Hauptversammlung (unterhalbder Holzmüller-Schwelle) aufbauen kann.

• Was die (Beschränkung der) Stimmrechtsausübungbei wechselseitigen Beteiligungen an Aktiengesell-schaften (KGaA) anbetrifft, gilt § 328 Abs. 1 AktG:Das Stimmrecht des einen oder anderen Partners ent-fällt, wenn jedem beteiligten Unternehmen mehr als25 % des anderen Unternehmens gehören (§ 19 Abs. 1AktG), es sich bei beiden Unternehmen um ein Unter-nehmen mit Sitz im Inland handelt (§ 19 Abs. 1 AktG),und die wechselseitige Beteiligung dem betreffendenUnternehmen bekannt ist (§ 328 Abs. 1 AktG). Fürbörsennotierte Gesellschaften gilt überdies § 328 Abs.3 AktG: Danach kann in der Hauptversammlung einerbörsennotierten Gesellschaft das Stimmrecht eineswechselseitig beteiligten Unternehmens, soweit es umdie Wahl von Aufsichtsratsmitgliedern geht, nicht aus-geübt werden.

Die Regelung des § 328 Abs. 1 AktG ist seit langem undinsbesondere während der Beratungen zum KonTraG kri-tisiert worden: Die Schwelle von 25 % sei bei weitem zuhoch, da sie gerade bei niedrigen Präsenzen in den großenGesellschaften eine erhebliche, häufig sogar eine kontrol-lierende Beteiligung vermittle. Außerdem könne dieRegelung des § 328 Abs. 1, 3 AktG ohne weiteres durchEinschaltung eines ausländischen Partners umgangenwerden.

Der Gesetzgeber des KonTraG hat auf diese u. a. auchvom Deutschen Juristentag vorgetragene Kritik dadurchreagiert, dass § 328 Abs. 3 AktG eingeführt wurde, eineRegelung, die freilich an den hohen Schwellenwerten des§ 19 Abs. 1 AktG und der Umgehungsmöglichkeit durchEinschaltung ausländischer Partner nichts ändert.

Obwohl die Regelung aus diesen Gründen nach wie vorrechtspolitisch kritisiert wird, ist die Regierungskommis-sion gleichwohl der Auffassung, dass eine Empfehlungzur Änderung dieser Vorschrift unterbleiben sollte, da sichder Gesetzgeber im Rahmen des KonTraG erst unlängstfür die bestehende Regelung entschieden hat und neueGesichtspunkte nicht aufgetreten oder erstmals geltendgemacht worden sind. Hinzuweisen ist auch darauf, dassdie Problematik wechselseitiger Beteiligungen infolgeder durch die Steuerreform geschaffenen Möglichkeit dersteuerfreien Veräußerung von Beteiligungen möglicher-weise zunehmend an Bedeutung verlieren wird.

• Eine andere Frage ist, ob Unternehmen, die infolge ei-ner vom Vorstand aufgebauten wechselseitigen Betei-ligung de facto nicht übernommen werden können,das Recht haben sollten, ihr Kapital am organisiertenKapitalmarkt aufzunehmen. Dieses Übernahmehin-dernis und damit Hindernis für den Markt für Unter-nehmenskontrolle bleibt unabhängig davon bestehen,ob die Stimmrechte aus der wechselseitigen Beteili-gung ausgeübt werden können oder nicht, weshalb ei-ner Regelungsempfehlung insoweit nichts entgegen-steht. Die Regierungskommission hat insofernmehrere ihr unterbreitete Empfehlungen erörtert, sichaber keinem der Vorschläge anzuschließen vermocht.Angeregt wurde zum einen, in das Börsengesetz oderin die Börsenzulassungsverordnung eine Vorschriftaufzunehmen, wonach die Börsenzulassung versagtoder zurückgenommen werden kann, wenn eine er-hebliche wechselseitige Beteiligung, z. B. ab 5 % be-steht. Dieser Vorschlag fand keine Zustimmung:Rechtfertige die fehlende Möglichkeit zur Übernahmeder Gesellschaft eine Versagung bzw. eine Rück-nahme der Börsenzulassung, dann müsse dies konse-quent auch für den Fall gelten, dass die Mehrheit derAktien einer Gesellschaft beim Börsengang in derHand der Obergesellschaft verbleibe, was sachlichnicht zu rechtfertigen sei. Vorgeschlagen wurde desWeiteren, eine Pflicht zur Bildung einer gebundenenRücklage nach dem Vorbild des § 272 Abs. 4 S. 4 1.Halbsatz HGB vorzusehen, um den Anreiz zum Auf-bau wechselseitiger Beteiligungen zu mindern. Alter-nativ könne in den Code of Best Practice eine Emp-fehlung aufgenommen werden, wonach der Vorstandauf den Aufbau von wechselseitigen Beteiligungenjenseits von 5 % verzichte. Die Regierungskommis-sion hat letztlich entschieden, von einer Empfehlungzu diesem Punkt im Hinblick auf die gegenwärtigeErörterung eines Übernahmegesetzes abzusehen. Obsich eine Regulierung des Aufbaus wechselseitigerBeteiligungen durch den Vorstand empfiehlt, sollteder Entscheidung des Gesetzgebers des Übernahme-gesetzes überlassen bleiben.

6. Dauer der Bestellung

In einer bei der Regierungskommission eingegangenenStellungnahme wird angeregt, Vorstände sollten in der

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Regel für einen kürzeren Zeitraum als bisher bestellt wer-den, z. B. auf drei Jahre.

§ 84 Abs. 1 S. 1 AktG schreibt derzeit vor, dass der Auf-sichtsrat Vorstandsmitglieder auf höchstens fünf Jahrebestellt. Gegen eine entsprechende Regelung ist einzu-wenden, dass es Sache des Aufsichtsrats ist zu entschei-den, ob im Einzelfall eine Bestellung auf fünf Jahre verantwortet werden kann oder nicht. Für eine angel-sächsischen Gepflogenheiten entsprechende Bestellungauf einen kürzeren Zeitraum mag sprechen, dass mit zu-nehmender Bestellungsdauer die Wahrscheinlichkeit ei-nes vorzeitigen Ausscheidens, bei welcher der Anstel-lungsvertrag ausbezahlt werden muss, steigen dürfte.Der einzurichtenden Grundsatzkommission CorporateGovernance mag überlassen bleiben zu entscheiden, obsich, insbesondere bei erstmals bestellten Vorständen,eine kürzere Bestelldauer in einem Code of Best Practiceempfiehlt.

7. Erfolgsabhängige Vergütung des Vorstands

Zu den erfolgsabhängigen Vergütungen für Vorstandsmit-glieder sind der Kommission zahlreiche Vorschläge un-terbreitet worden, die sich mit unterschiedlichen Aspek-ten – verschiedenen materiellen und Transparenzfragen7 –befassen.

(a) Die Regelung des § 86 AktG

§ 86 AktG wird vielfach als überholt angesehen:

– § 86 Abs. 1 S. 1 AktG sei überflüssig, weil sich aus § 87 Abs. 1 S. 1 AktG bereits ergebe, dass Gewinnbe-teiligungen von Vorständen zulässig seien.

– Die Sollvorschrift des § 86 Abs. 1 S. 2 AktG sei über-holt, weil sie von einem nicht definierten, in derFachliteratur weit ausgelegten Begriff des „Jahresge-winns“ ausgehe.

Hierdurch entstünden Unklarheiten. In der Praxis seiheute nicht die Anknüpfung an den Bilanzgewinn, son-dern an andere Ergebnisgrößen üblich, wie z. B. dasEBITDA. Außerdem sei die „Sollvorschrift“ des § 86Abs. 1 S. 2 AktG als Regulierungsansatz fragwürdig.

– Gegen § 86 Abs. 2 AktG spreche gleichfalls die An-knüpfung an den unklaren Begriff des „Jahresge-winns“. Besonders fragwürdig sei die – mit einerNichtigkeitssanktion bewehrte – Vorschrift, dass dieTantieme am Ergebnis nach Steuern zu orientieren sei.Das führe dazu, dass Änderungen der Steuergesetzge-bung auf die Tantiemen durchschlügen. § 86 Abs. 2AktG sei weder im Gläubigerinteresse noch im Ak-tionärsinteresse geboten: Die Vorschrift führe dazu,dass dem Sanierer einer Gesellschaft mit Verlustvor-

trägen aus früheren Jahren keine Tantieme für seineArbeit gezahlt werden dürfe. Es müsse aber anerkanntwerden, dass es sich bei der Forderung des Vorstands,auch wenn sie am Gewinn orientiert sei, um eine echteVergütung für geleistete Arbeit handele, sodass es einen Vorrang der anderen Gläubiger nicht gebendürfe und Gläubigerschutzerwägungen gegenüber ei-ner „Gewinnausschüttung“ in Verlustphasen fehl am Platze seien. Bei der Höhe nach unangemessenenLeistungen hülfen die allgemeinen Vorkehrungen (§ 138 BGB; Konkursanfechtung).

Auch der Aktionärsschutz (Vorstände sollen keine Tan-tieme erhalten, solange kein Gewinn ausgeschüttet wer-den kann) rechtfertige die Vorschrift des § 86 Abs. 2 AktGnicht. Die Vorschrift sei überdies leicht zu umgehen, z. B.indem Zahlungen an anderen Zielen (Scorecard) festge-macht würden. Wichtiger sei, dass die Aktionäre erführen,welche Anreize für die Vorstände bestehen, z. B. dass derVorstand durch eine EBITDA-abhängige Tantieme ge-steuert werde.

Die Regierungskommission schließt sich diesen Überle-gungen an.

Die Regierungskommission empfiehlt, die Vorschrift des§ 86 AktG ersatzlos zu streichen.

(b) Fixierung von Erfolgszielen; Windfall Profits

Werden Aktienoptionen ausgegeben, die aus bedingtemKapital bedient werden sollen, dann ist im betreffendenHauptversammlungsbeschluss auch das „Erfolgsziel“ zubenennen, von dessen Erreichen die Ausübung des Opti-onsrechts abhängen soll (§ 193 Abs. 2 Nr. 4 AktG). DieRegierungskommission spricht sich gegen den Vorschlagaus, dieses erst durch das KonTraG eingeführte Erforder-nis wieder zu streichen. Der Hinweis auf eine z. T. abwei-chende Marktpraxis in den USA überzeugt insofern nicht,als diese Praxis auch dort erheblich unter Kritik steht.Gleichfalls abzulehnen ist der Vorschlag, der Begriff des„Erfolgsziels“ solle dahin präzisiert werden, dass, na-mentlich im Rahmen von Aktienoptionsprogrammen fürArbeitnehmer mit dem Ziel der Mitarbeitermotivationund -bindung, ein sehr geringes Kursziel, etwa von einemProzent, bis hin zu einem Kursziel von Null in Betrachtkomme. Die diesbezügliche Präzisierung des „Erfolgs-ziels“ sollte einem künftigen Corporate Governance-Ko-dex und der Rechtsprechung überlassen bleiben. In derPraxis werden häufig reine Kursziele festgesetzt, die das Problem von Windfall Profits mit sich bringen. UmWindfall Profits auszuschließen, wird regelmäßig Bench-marking vorgeschlagen, also z. B. ein Übertreffen einesBranchenindex um x % oder an eine Orientierung an ei-nem allgemeinen Marktindex. Häufig wird dagegen abereingewandt, dass dies nicht allen Situationen gerechtwerde (konglomerate Unternehmen; international tätigeUnternehmen; nicht börsennotierte Unternehmen; Unter-nehmen in der Krise). Bemängelt wird ferner, dass auchandere Kriterien wie z. B. vorformulierte Ziele der Be-schäftigungssicherung gewählt werden können müssten.

7 Zur Verbesserung der Transparenz erfolgsbezogener Vergütungsbe-standteile vgl. die Vorschläge unten Rdz. 257.

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Drucksache 14/7515 – 42 – Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode

Der Frankfurter Kodex formuliert insoweit, dass die Ver-gütung der Vorstände und leitenden Mitarbeiter in ausrei-chendem Maße Leistungsanreize zur langfristigen Steige-rung des Unternehmenswertes vorsehen sollen. ImBerliner Kodex heißt es dagegen in diesem Punkt, ein Op-tionsplan solle Bezug auf einen Branchenindex nehmen.Der Optionsplan solle sicherstellen, dass Optionsgewinnenur eintreten, wenn die langfristige durchschnittlicheKursentwicklung des Unternehmens über der Entwick-lung des Index liege.

Die Regierungskommission ist der Auffassung, dass eineinhaltliche Fixierung von Erfolgszielen jedenfalls nichtdurch gesetzliche Regelung erfolgen sollte. Ein allgemei-nes, für alle Fälle geltendes und „richtiges“ Erfolgsziellässt sich inhaltlich nicht formulieren, ohne den Unter-nehmen Handlungsspielraum zu nehmen. So muss etwaauch die Möglichkeit bestehen, statt einer wie auch immerzu messenden Steigerung des Unternehmenswertes an-dere Kriterien wie z. B. vorformulierte Ziele der Beschäf-tigungssicherung als Erfolgsziel festzulegen.

Vorgeschlagen wird des Weiteren eine Regulierung, dietypische Missbrauchstatbestände benenne und aussch-ließe. Ein derartiger Missbrauch sei insbesondere dannanzunehmen, wenn die festgelegte Ausübungshürde kei-nen Bezug zur erwarteten Leistung habe oder auch ohneentsprechende Leistung erreicht werden könne, wie esetwa dann der Fall sein könne, wenn die Ausübungshürdeausschließlich in der Kursentwicklung der eigenen Aktiebestehe. Bei einem solchen Erfolgsziel, dessen Erreichenunter Umständen in keinem Zusammenhang mit der Leis-tung des Begünstigten stehe, könne es zu unverdientenGeschenken kommen. Zur Unterbindung derartiger Vor-gänge wird vorgeschlagen, die Regelung des § 86 AktGum einen neuen Absatz 3 mit folgendem Wortlaut zu er-weitern: „Hängt die Vergütung der Vorstandsmitgliedereinschließlich eines ihnen eingeräumten Bezugsrechts aufAktien der Gesellschaft vom Erreichen eines bestimmtenZieles (Erfolgsziel) ab, dann sorgt der Aufsichtsrat durchentsprechende Vertragsgestaltung dafür, dass die Vergü-tung nicht bezogen werden kann, wenn das Erfolgszielnicht durch Leistung der Vorstandsmitglieder erreichtworden sein kann.“ Alternativ könne dem Aufsichtsratanalog § 87 Abs. 2 AktG eine gesetzliche Ermächtigungeingeräumt werden, auch ohne entsprechenden vertragli-chen Vorbehalt in den Vertrag des Vorstands ex post ein-greifen zu können.

Gegen beide Überlegungen ist nach Ansicht der Regie-rungskommission Folgendes einzuwenden:

– Auch den börsennotierten Gesellschaften muss esfreistehen, den Vorständen (oder Arbeitnehmern) ne-ben einem Fixum statt Aktien Aktienoptionen ein-zuräumen, die gezogen werden können, wenn be-stimmte Kursziele erreicht worden sind, auch wenndiese Kursziele nicht oder nicht ausschließlich auf derLeistung des Vorstands beruhen. Auch dann bleibt esbei dem Anreizmechanismus ex ante, und es handeltsich auch dann um eine Vergütung für geleistete Arbeit.

– Die angeführte Formulierung könnte ferner zu erheb-lichen Streitigkeiten beitragen, auch wenn man sieumformuliert (z. B. wie folgt: „Hängt die Vergütungeines Vorstandsmitglieds einschließlich einer aktien-basierten Vergütung vom Erreichen eines bestimmtenZieles (Erfolgsziel) ab, dann sorgt der Aufsichtsratdafür, dass diese Vergütung nur bezogen werden kann,wenn das Erfolgsziel nicht durch Leistung der Vor-standsmitglieder erreicht worden ist.“).

– Eine entsprechende Vorkehrung hätte zwar einen be-rechtigten Kern. So soll ein unfähiger Vorstand nichtAktienoptionen beziehen dürfen, wenn der Aktienkursgerade deshalb angestiegen ist, weil ein feindlichesÜbernahmeangebot mit dem Ziel seiner Ablösung vor-gelegt worden war. Aber derartige Sondersituationenmüssen und sollten durch vertragliche Vorkehrungen,evtl. verbunden mit einer Publizitätspflicht, geregeltwerden, nicht durch zwingende inhaltliche Vorgaben.Der Aufsichtsrat ist bereits de lege lata verpflichtet, da-rauf zu achten, dass die Vorstände nicht für Unfähig-keit oder Fehler auch noch belohnt werden.

– Ähnliche Erwägungen sprechen auch gegen die alter-native Regulierung, dem Aufsichtsrat analog § 87 Abs. 2 AktG eine gesetzliche Ermächtigung einzuräu-men, auch ohne entsprechenden vertraglichen Vorbe-halt in den Vertrag des Vorstandes eingreifen zu können.

– International ist eine derartige Regulierung unüblich.

(c) Quantitative Deckelung

Gegenstand der Beratungen der Regierungskommissionwar des Weiteren der Vorschlag, dass eine quantitative Be-grenzung („cap“) der Gewinne aus erfolgsabhängigen Ver-gütungsbestandteilen vorgesehen werden sollte.

Die Regierungskommission ist insoweit der Auffassung,dass es einer entsprechenden Regulierung mit Blick aufAktienoptionsprogramme nicht bedarf, da die Bedienungder Bezugsrechte nicht ohne Beteiligung der Hauptver-sammlung möglich ist. Die Hauptversammlung hat so-wohl in dem Fall mitzuwirken, dass Bezugsrechte aufjunge Aktien eingeräumt werden (§§ 187 Abs. 2, 192 f.AktG), als auch dann, wenn Vorstandsmitglieder Bezugs-rechte auf von der Gesellschaft zurückzuerwerbende Ak-tien erhalten sollen (§ 71 Abs. 1 Nr. 8 AktG). In diesen Fäl-len hat es die Hauptversammlung selbst in der Hand, denVerwässerungseffekt durch Beschränkung der Anzahl der bewilligten Aktien zu begrenzen, vorausgesetzt, dasser ihr vor Augen geführt wird. Für andere erfolgsabhän-gige Vergütungsbestandteile wie SARs und PhantomStocks, deren Gewährung eine Mitwirkung der Hauptver-sammlung mangels Ausgabe von Aktien an die Begün-stigten nicht erfordert, gilt dies freilich nicht. Die Festle-gung einer absoluten Vergütungshöhe oder quantitativerSchranken für die Vergütung der Vorstandsmitglieder oderder mit Optionsmodellen verbundenen Verwässerungsef-fekte empfiehlt sich nach Auffassung der Regierungskom-mission gleichwohl nicht. Zunächst einmal entstände daspraktische Problem, wo und mithilfe welcher Parameter

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diese Grenze zu ziehen wäre. Zur Begrenzung der Ge-winne aus SARs sowie Phantom Stocks erscheint vielmehreine Änderung des § 87 Abs. 1 AktG als ausreichend, wo-nach der Aufsichtsrat bei der Festsetzung der Gesamtbe-züge des einzelnen Vorstandsmitglieds dafür zu sorgen hat,dass die Gesamtbezüge des einzelnen Vorstandsmitgliedsin einem angemessenen Verhältnis zu den Aufgaben desVorstandsmitglieds und zur Lage der Gesellschaft stehen.Dazu ist die Aufschlüsselung des Begriffs „Gesamtbezügedes einzelnen Vorstandsmitglieds“ in § 87 Abs. 1 S. 1 AktG(„Gehalt, Gewinnbeteiligungen, Aufwandsentschädigun-gen, Versicherungsentgelte, Provisionen und Nebenlei-stungen jeder Art“) etwa um den Zusatz „anreizorientierteVergütungszusagen wie z. B. Aktienbezugsrechte“ oderum „aktienbasierte Vergütungen“ zu ergänzen. Teilweisegeäußerte Bedenken, eine Kontrolle durch den Aufsichts-rat gewährleiste keinen ausreichenden Schutz vor Mis-sbräuchen, erscheinen im Ergebnis nicht überzeugend. Na-mentlich die Arbeitnehmervertreter im Aufsichtsratdürften dafür sorgen, dass die Höhe erfolgsabhängigerVergütungsbestandteile einen (sozial verträglichen) Rah-men nicht überschreitet. Zusätzlich könnte erforderlichen-falls eine Deckelung nach US-amerikanischem Vorbilddurch die Steuergesetzgebung eingeführt werden (Nicht-abzugsfähigkeit des Aufwands für Optionen ab einer bestimmten Höhe); für eine entsprechende Empfehlungbesteht derzeit aber nach Auffassung der Regierungskom-mission kein Anlass.

Die Regierungskommission empfiehlt, die Erläuterungdes Begriffs der „Gesamtbezüge des einzelnen Vor-standsmitglieds“ in § 87 Abs. 1 S. 1 AktG („Gehalt, Ge-winnbeteiligungen, Aufwandsentschädigungen, Versi-cherungsentgelte, Provisionen und Nebenleistungenjeder Art“) durch einen Hinweis auf aktienbasierte oderanreizorientierte Vergütungszusagen zu ergänzen.

(d) Mitwirkungsbefugnisse und Informationder Hauptversammlung

Die Regierungskommission hat sich sodann mit dem Vor-schlag befasst, vorzusehen, dass bei Einräumung von ak-tienkursabhängigen Vergütungen in jedem Fall dieHauptversammlung mitzuwirken habe. Nach geltendemRecht ist dies nur dann der Fall, wenn die aktienkursab-hängige Vergütung in Aktienoptionen besteht; besteht siehingegen in virtuellen Aktien („Phantom Stock“) oderSARs, ist eine Mitwirkungsbefugnis der Hauptversamm-lung nicht gegeben. Die Einführung einer derartigen Mit-wirkungsbefugnis ist nach Auffassung der Regierungs-kommission nicht geboten. Ein Verwässerungseffektzulasten der Aktionäre im eigentlichen Sinne tritt beiSARs und virtuellen Aktien nicht ein, da den Begünstig-ten keine Aktien, sondern bare Zahlungen zugewendetwerden, welche die GuV belasten. Erforderlich und genü-gend ist vielmehr, den Kapitalmarkt über den Umfang dervom Management bezogenen Vergütung und die Anreize,die das Management hat, zu informieren8.

Insoweit hat die Regierungskommission zum einen erwo-gen vorzusehen, dass der Hauptversammlungsbeschlusszur Schaffung eines bedingten Kapitals zwecks Einräu-mung von Aktienoptionen (§ 192 Abs. 2 Nr. 3 AktG) überdie derzeit nach § 193 Abs. 2 Nr. 4 AktG vorgesehenenAngaben hinaus auch den Gesamtwert der Bezugsrechteoder die Grundlagen feststellen muss, nach denen dieserWert errechnet wird. Gegen diesen Vorschlag ist aber ein-zuwenden, dass sich Modellrechnungen zur Bestimmungdes Wertes von Aktienoptionen nicht als Gegenstand ei-nes Hauptversammlungsbeschlusses eignen. Gleichfallskeine Zustimmung findet der Vorschlag, in Anlehnung aneine entsprechende Regelung im Entwurf des österreichi-schen Aktienoptionsgesetzes durch gesetzliche Regelungeinen Vorstandsbericht über den Gesamtwert der Bezugs-rechte oder die Grundlagen, nach denen dieser Wert er-rechnet wird, vorzuschreiben, in den dann auch die wei-teren Angaben gemäß § 193 Abs. 2 Nr. 4 AktGaufgenommen werden könnten. Zwar ist einzuräumen,dass den Aktionären die Kenntnis des Gesamtwerts derBezugsrechte oder dessen Bandbreite bereits vor derHauptversammlung vermittelt werden muss, um ihneneine sachgerechte Meinungsbildung zu ermöglichen; eineMitteilung erst auf Nachfrage in der Hauptversammlunggenügt nicht, weil gerade in diesem Punkt präzise Vorbe-reitung und -berechnungen erforderlich sind. Zu beden-ken ist aber, dass der Gesetzgeber des KonTraG zur Ver-meidung von Anfechtungsrisiken von der Statuierungeines Berichtserfordernisses bewusst abgesehen hat. Esempfiehlt sich nicht, von dieser Grundsatzentscheidungabzugehen, zumal anderenfalls die Vergütung in Aktien-optionen gegenüber der liquiditätsmindernden Vergütungin Form von virtuellen Aktien oder SARs aus Sicht derGesellschaften an Attraktivität einbüßen würde. Vorzugs-würdig erscheint vielmehr, die Frage einer Vorabinforma-tion der Aktionäre, sei es in einem Vorstandsbericht, sei esin anderer Form, etwa im Rahmen der Einladung zurHauptversammlung, statt durch gesetzliche Vorschrift imkünftigen Corporate Governance-Kodex für börsenno-tierte Gesellschaften zu regeln. Zwar lässt sich gegen einebloße Kodex-Empfehlung einwenden, dass eine un-terbliebene Vorab-Information der Aktionäre dann sankti-onslos bliebe. Indes wird ein Vorstand kaum überzeugendbegründen können, weshalb die selbstverständliche undbereits derzeit in der Praxis weithin übliche Vorabinfor-mation der Aktionäre über den Gesamtwert der Bezugs-rechte oder dessen Bandbreite unterblieben ist. Insofernwird eine Kodex-Empfehlung zur Vorabinformation derAktionäre, von der nur abgewichen werden kann, wenndie Abweichung dargestellt wird („entsprich oder er-kläre“), faktisch einer Verpflichtung des Vorstands zurVorab-Information gleichkommen. Sollte von der Kodex-Empfehlung dennoch wider Erwarten in nennenswertemUmfang abgewichen werden, wird es Aufgabe der einzu-richtenden Kommission zur Entwicklung eines CorporateGovernance-Kodex sein, im Zuge der vorgesehenen peri-odischen Überprüfung der Befolgung ihrer Empfehlun-gen den Gesetzgeber auf einen insoweit bestehenden Re-gulierungsbedarf aufmerksam zu machen.

Die Regierungskommission empfiehlt, im CorporateGovernance-Kodex für börsennotierte Gesellschaften8 Dazu unten Rdz. 257.

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den Vorstand dazu zu verpflichten, bei Schaffung einesbedingten Kapitals oder einer Ermächtigung zumRückerwerb eigener Aktien zur Bedienung von Aktien-optionen für Vorstände oder Mitarbeiter der Hauptver-sammlung einen Bericht vorzulegen. Dieser Bericht ent-hält die zur sachgerechten Beurteilung des Programmserforderlichen Angaben, insbesondere auch Angabenzum Wert oder zur Bandbreite des Werts der Optionen.

(e) Nachträgliche Abänderung („repricing“)

Eine nachträgliche Änderung der Optionsbedingungenzugunsten des Managements, insbesondere die Herabset-zung des Ausübungspreises, wenn der Kursanstieg nichtin dem erwarteten Maße stattgefunden hat, sollte nachAuffassung der Regierungskommission grundsätzlichausgeschlossen sein. Bei Aktienoptionsprogrammen, de-ren Durchführung die Mitwirkung der Hauptversamm-lung erfordert, kommt ein „repricing“ ohnehin nicht inBetracht, soweit die Bedingungen des Programms imHauptversammlungsbeschluss festgelegt sind. Bei SARsund Phantom Stock ist hingegen ein „repricing“ durch denAufsichtsrat zugunsten der begünstigten Vorstandsmit-glieder denkbar. Die Regierungskommission befürworte-tet ein grundsätzliches Verbot des „repricing“ im Code ofBest Practice. Sie regt an, dass die einzurichtende Kom-mission zur Entwicklung eines Kodex ein entsprechendesVerbot prüfen möge.

(f) Hedging

Die Regierungskommission hat sich ferner mit dem Vor-schlag befasst, Gegengeschäfte gegen Aktienoptionen,die Vorstandsmitglieder zu Leistungen anhalten sollen(„Hedging“), zu verbieten. Die Regierungskommissionspricht sich gegen eine entsprechende Empfehlung aus.Es besteht Konsens, dass ein Vorstandsmitglied seinenAnstellungsvertrag verletzt, wenn es derartige Gegenge-schäfte eingeht. Dem Aufsichtsrat ist es unbenommen, einVerbot gegenläufiger Sicherungsgeschäfte ausdrücklichin den Anstellungsvertrag aufzunehmen; einer (gesetzli-chen) Anweisung hierzu bedarf es nicht.

8. Nachvertragliche WettbewerbsverboteDer Vorschlag, vorzusehen, dass mit Vorstandsmitglie-dern regelmäßig nachvertragliche Wettbewerbsverbotevereinbart werden sollten, hat nicht die Zustimmung derRegierungskommission gefunden. Insoweit ist ein Regu-lierungsbedarf nicht ersichtlich, da alles auf den Einzel-fall ankommt.

III. Der Aufsichtsrat

Die Empfehlungen der Regierungskommission zum Auf-sichtsrat beschränken sich nicht auf die im folgenden Ab-schnitt erläuterten Vorschläge. Anregungen zur Verbesse-rung der Arbeit dieses für die gute Corporate Governanceeines Unternehmens zentralen Organs ergeben sich ingleicher Weise aus den im vorangehenden Abschnitt über

den Vorstand, insbesondere über dessen Berichtspflich-ten; sie ergeben sich aus den gemeinsamen Empfehlungenfür beide Organe (unten IV.) und aus den Vorschlägen zurVerbesserung des Umgang des Aufsichtsrats mit den Er-gebnissen der Abschlussprüfung (6. Kapitel III.).

Die nachstehenden ebenso wie alle anderen Erwägungendieses Berichts zum Aufsichtsrat basieren zum einen aufder von der Regierungskommission geteilten Überzeu-gung, dass das deutsche Modell der Zweiteilung in Vor-stand und Aufsichtsrat im Grundsatz nicht angetastetwerden sollte, auch wenn eine intensivere Einbeziehungdes Aufsichtsrats und eine aktivere Mitwirkung und Auf-gabenerfüllung durchaus wünschenswert erscheinen.Zum anderen sind alle Überlegungen der Regierungs-kommission vor dem ihr vorgegebenen Auftrag zu sehen,dass es nicht zu ihren Aufgaben gehört, Vorschläge zurunmittelbaren Einschränkung oder Erweiterung der Mit-wirkungsbefugnisse der Arbeitnehmer und ihrer Vertre-tungen vorzulegen.

1. Größe des Aufsichtsrats

In zahlreichen bei der Regierungskommission eingegan-genen Stellungnahmen heißt es, 20- und 16-köpfige Auf-sichtsräte seien zu groß. Ausländische Boards erfülltendie Aufgaben von Aufsichtsrat und Vorstand gleicher-maßen, weshalb für einen Größenvergleich zu den Aufsichtsratsmitgliedern die Vorstandsmitglieder hinzu-zurechnen seien. Im internationalen Vergleich seien deut-sche „Boards“ damit häufig mehr als doppelt so groß wieihre US-amerikanischen und britischen Gegenspieler. Indiesem Zusammenhang wurde zu bedenken gegeben,dass nach den Ergebnissen verschiedener Untersuchun-gen die Leistungsfähigkeit eines Gremiums ab einer be-stimmten Größe, die bei etwa 12 bis 14 Mitgliedern liege,abnehme. Insofern diene eine Verkleinerung des Auf-sichtsrats der Verbesserung der Aufsichtsratsarbeit. EineErhöhung der Effizienz sei zumal deshalb geboten, weilsich die Anforderungen an den Aufsichtsrat in der Ver-gangenheit zunehmend erhöht hätten. Problematischseien große Aufsichtsräte auch deshalb, weil es infolgeterminlicher Probleme nicht möglich sei, eine große An-zahl von Aufsichtsratsmitgliedern häufiger als viermal imJahr zusammenzubringen, was die Entstehung einer Diskussionspartnerschaft zwischen Vorstand und Auf-sichtsrat erschwere. Hinzu komme, dass es wegen der gewachsenen Zahl von Aktiengesellschaften zunehmendSchwierigkeiten bereite, genügend Anteilseignervertreterzu finden. Eine zunehmende Verlagerung der Aufsichts-ratsarbeit in Ausschüsse sei unter Effizienzgesichtspunk-ten kein gleichwertiger Ersatz für eine Verkleinerung desGremiums, da sich bei Befassung des Aufsichtsratsplen-ums mit den Vorschlägen von Ausschüssen Reibungsver-luste und Doppelarbeit nicht vermeiden ließen.

Gegen eine Verkleinerung der Aufsichtsräte wurde einge-wandt, die zunehmend komplexen Aufgaben des Auf-sichtsrats könnten ordnungsgemäß nur dann erfüllt werden, wenn genügend Aufsichtsratsmitglieder zur Ver-fügung stünden, die mit vorbereitenden Aufgaben betrautwerden könnten, und erforderten insofern gerade, an der

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derzeitigen Größe der Aufsichtsräte festzuhalten. Außer-dem seien Aufsichtsrat und Vorstand im System der deut-schen Unternehmensverfassung gerade nicht als Einheits-organ konzipiert, in dem die outside directors intensiv anden Entscheidungen der inside directors durch Diskussionund Mitwirkung teilhätten. Sondern der Aufsichtsrat seials Repräsentativorgan konzipiert, in das neben den An-teilseignervertretern auch die Arbeitnehmervertreter ausverschiedenen Bereichen des Konzerns entsandt würden,die die Verhältnisse „vor Ort“ bestens kennten und denAngelegenheiten in diesen Bereichen sehr viel näherstünden als die Außenseiter. Dies verbessere auch dieÜberwachungstätigkeit des Aufsichtsrats. Nachteile, diesich aus der daraus resultierenden Größe der Aufsichtsräteergäben, seien demgegenüber hinzunehmen und könntendurch intensivere Ausschussarbeit ausgeglichen werden.

Die Regierungskommission hat Für und Wider der Vor-schläge einer Verkleinerung großer Aufsichtsräte einge-hend erwogen, sich zu einer einvernehmlichen Empfeh-lung in diesem Punkt aber nicht entschieden. Im Hinblickauf die unterschiedliche Gewichtung der Argumente inder Kommission sowie auf den Umstand, dass die Ver-kleinerung der Aufsichtsräte erst bei den Beratungen zumKonTraG eingehend erörtert, aber vom Gesetzgeber ver-worfen worden ist, nimmt auch die Regierungskommis-sion von einer dahingehenden Empfehlung Abstand.

2. Vertreter von Aktionärsvereinigungen

Gegenstand der Beratungen war sodann der Vorschlag,bei mehr als 25 % free float sollten auch Vertreter von Ak-tionärsvereinigungen zur Wahl zum Aufsichtsrat vorge-schlagen werden oder deren Wahl sogar durch Änderungdes Wahlverfahrens sichergestellt werden müssen.

Dieser Vorschlag ist vielfach, insbesondere im angelsäch-sischen Rechtskreis, erörtert worden und wird dort z.T.auch praktiziert. Realisiert wird die Vertretung von Min-derheiten im Board dann in der Regel durch ein Verhält-niswahlrecht („cumulative voting“). Das Mehrheitswahl-recht, so wird geltend gemacht, spiegele ausschließlichdie Interessen einer Mehrheit, aber eben nicht die allerAktionäre. Vorgeschrieben ist das cumulative voting inden USA etwa in Kalifornien, in anderen Staaten kann dieSatzung es vorsehen. In Kanada, Australien und Großbri-tannien ist es gleichfalls zulässig, aber unüblich.

Gegen „cumulative voting“ werden mehrere Argumentevorgebracht:

– Sei ein Minderheitsvertreter in den Board gewählt,dann müssten spezielle Vorkehrungen getroffen wer-den, wenn es um die Ablösung und Ersetzung diesesBoardmitgliedes gehe, da sich anderenfalls dennochdie Mehrheit durchsetze.

– Minderheitsvertretungen im Board führten zu Polari-sierungen.

– Die praktische Erfahrung habe gezeigt, dass institu-tionelle Anleger und „Berufsaktionäre“ nicht über ei-nen Boardsitz verfügen müssten, um ihre Rechte undInteressen durchzusetzen.

– Empirische Studien zur Auswirkung von „cumulativevoting“ auf die Performance der betreffenden Unter-nehmen ließen keine eindeutigen Schlüsse zu.

Hingewiesen wurde darüber hinaus auch darauf, dass keinehinreichende Zahl als Aufsichtsratsmitglieder geeigneterVertreter von Aktionärsvereinigungen zur Verfügung stehe.Außerdem habe es in der Vergangenheit mehrfach Versuchegegeben, ein „cumulative voting“ einzuführen; sie hättensich nicht durchgesetzt. In Anbetracht dieser Einwände undBedenken spricht sich auch die Regierungskommission ge-gen entsprechende Empfehlungen aus.

3. Qualifikation von Aufsichtsratsmitgliedern

(a) Allgemeines

Hinsichtlich der Anforderungen an ein Aufsichtsratsmit-glied, die die Prüfung des (Jahres-) Konzernabschlussesmit sich bringt, ist auf die Ausführungen und die Emp-fehlung hierzu zu verweisen9.

Nicht die Zustimmung der Regierungskommission hat dieAnregung gefunden, wonach der Vorschlag zur Wahl vonAufsichtsratsmitgliedern, in dem deren Namen, ausgeüb-ter Beruf und Wohnort anzugeben ist, auf börsennotierteGesellschaften beschränkt werden sollte. Eine solcheAusnahme für nicht börsennotierte Gesellschaften er-scheint angesichts des minimalen Aufwands, den die der-zeitige Regulierung mit sich bringt, als entbehrlich.

(b) Höchstzahl von Mandaten

Gegenstand der Beratungen war sodann der Vorschlag,die Zahl konzernexterner Aufsichtsratsmandate, die nachgeltendem Recht gemäß § 100 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 AktGhöchstens zehn betragen darf, weiter zu begrenzen. Hin-gewiesen wurde in diesem Zusammenhang darauf, dassein outside director in den USA pro Mandat durchschnitt-lich 20 Arbeitstage im Jahr benötige, sodass maximal 2bis 3 fremde Mandate angenommen würden. Die Regie-rungskommission spricht sich gleichwohl dafür aus, esbei der geltenden Regelung zu belassen. Der Gesetzgeberdes KonTraG hat von einer stärkeren Begrenzung derZahl konzernexterner Aufsichtsratsmandate abgesehen,da die Arbeitsbelastung aus solchen Mandaten je nach Ge-sellschaft sehr unterschiedlich sei und zudem auch erheb-liche Arbeitsbelastungen aus einer Vielzahl von Mandatenzumindest von professionellen Aufsichtsräten zu bewälti-gen seien.

Die Regierungskommission spricht sich jedoch für dieAufnahme einer Empfehlung in den Corporate Gover-nance-Kodex aus, wonach Aufsichtsratsmitglied (einerbörsennotierten Gesellschaft) nicht sein soll, wer in fünfanderen Aufsichtsräten einer (konzernexternen) Gesell-schaft tätig ist.

9 Unten Rdz. 310, 311.

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Mandate in Organen eines ausländischen Unternehmenssollten dabei nach Auffassung der Regierungskommis-sion nicht eingerechnet werden. Offen bleibt, ob eine der-artige Empfehlung zur Begrenzung konzernexterner Auf-sichtsratsmandate lediglich Mandate in börsennotiertenGesellschaften und Unternehmen betreffen oder auchMandate in nicht börsennotierten Gesellschaften und Un-ternehmen erfassen sollte. Die Entscheidung dieser Fragesollte nach Auffassung der Regierungskommission dereinzurichtenden Kommission zur Entwicklung eines Cor-porate Governance-Kodex überlassen bleiben.

(c) Mandate in Konkurrenzunternehmen

Gegenüber dem Vorschlag, das Problem von Aufsichts-ratsmandaten in Konkurrenzunternehmen zu lösen, ist aufdie durch das KonTraG eingeführte Regelung des § 125Abs. 1 S. 3 AktG hinzuweisen. Danach sind bei börsen-notierten Gesellschaften einem Vorschlag zur Wahl vonAufsichtsratsmitgliedern (der Aktionäre) Angaben zu de-ren Mitgliedschaft in anderen gesetzlich zu bildendenAufsichtsräten beizufügen, und sollen Angaben zu ihrerMitgliedschaft in vergleichbaren in- und ausländischenKontrollgremien von Wirtschaftsunternehmen beigefügtwerden. Eine über dieses – freilich nur die Anteileigner-vertreter erfassende – Transparenzmodell hinausgehendegesetzliche Regelung des Problems konkurrierenderMandate, namentlich die Betrauung des Bundeskartell-amtes mit der Untersagung der Ausübung konkurrieren-der Mandate, ist nach Auffassung der Regierungskom-mission schon deshalb nicht zu befürworten, weil sichbereits der Gesetzgeber des KonTraG mit diesem Vor-schlag befasst und ihn verworfen hat. Neue Gesichts-punkte sind insoweit seither nicht geltend gemacht wor-den. Zustimmung verdient dagegen der Vorschlag, nachdem Vorbild des Berliner Kodex (Ziff. 4.4) im Code ofBest Practice vorzusehen, dass Aufsichtsratsmitgliederkeine Mandate in anderen Unternehmen wahrnehmendürfen, die zur Gesellschaft im Wettbewerb stehen. Einederartige Empfehlung im Code erscheint geeignet, Pro-blembewusstsein zu schaffen. Die einzurichtende Kom-mission zur Entwicklung des Corporate Governance-Ko-dex mag auch prüfen, ob der Begriff des „im Wettbewerb“stehenden Unternehmens präzisiert oder näher, z. B auf„wesentlichen“ Wettbewerb, eingegrenzt werden kann.

Der einzurichtenden Kommission zur Entwicklung ei-nes Corporate Governance-Kodex wird empfohlen, indiesem Kodex vorzusehen, dass Aufsichtsratsmitgliederkeine Mandate in anderen Unternehmen wahrnehmendürfen, die zur Gesellschaft im Wettbewerb stehen.

Eine solche ausdrückliche Empfehlung für börsennotierteGesellschaften besagt nach Auffassung der Regierungs-kommission nicht, dass Aufsichtsratsmitglieder in nichtbörsennotierten Gesellschaften nicht vergleichbarenPflichten unterworfen wären.

(d) Unabhängigkeit der Aufsichtsratsmitglieder

Im Zusammenhang mit dem Thema der konkurrierendenMandate steht die allgemeinere Forderung, Aufsichtsrats-

mitglieder müssten „unabhängig“ sein, dürften mit dem Un-ternehmen weder in Geschäftsverbindung noch im Wettbe-werb stehen. Mitunter wird auch gefordert, die Aufsichts-ratsmitglieder sollten mehrheitlich unabhängig sein.

Das Thema „independence of directors“ nimmt insbeson-dere in der angelsächsischen Diskussion breiten Raum einund ist dort wegen des One-tier-Systems bedeutsamer. ImAudit Committee, im Ernennungs- und im Vergütungs-ausschuss insbesondere sollen die entscheidenden Direk-toren unabhängig sein. Dabei bedeutet „Unabhängigkeit“zweierlei:

– persönliche Unabhängigkeit von den executive direc-tors und vom Management und

– persönliches Nichtbetroffensein vom wirtschaftlichenWohlergehen der Gesellschaft, z. B. als Lieferant oderFinanzdienstleister.

Derzeit sieht in Großbritannien der Combined Code de-taillierte Vorschriften zur Offenlegung möglicher Abhän-gigkeitsbeziehungen zwischen den non executives undder Gesellschaft, deren executive directors und dem Ma-nagement vor.

Der deutsche Aufsichtsrat genügt diesen Anforderungen,obwohl formal vom Vorstand getrennt, typischerweisenicht. Das gesetzliche System der Mitbestimmung bringtes mit sich, dass die meisten Arbeitnehmervertreter imAufsichtsrat dem Unternehmen oder Konzern durch einenArbeitsvertrag verbunden sind. Die andere Hälfte istgleichfalls nicht unabhängig. In den großen Publikums-gesellschaften sitzen häufig Vertreter von Banken oderanderen Geschäftspartnern des Unternehmens. Hinzukommen nicht selten dem Unternehmen nahe stehendeBerater. Ein Spezialproblem stellt die Übung dar, dass derausscheidende Vorstandsvorsitzende regelmäßig in denAufsichtsrat, nicht selten in den Aufsichtsratsvorsitz,wechselt.

Das ganze Thema ist nach Auffassung der Regierungs-kommission durch Einzwängung in ein Prokrustesbett ge-setzlicher Vorschriften nicht befriedigend zu regeln, son-dern gehört in einen Code of Best Practice. Es ist auchdeshalb dort richtig aufgehoben, weil die Aufsichtsrats-repräsentanz in nichtbörsennotierten Familien- und Konzerngesellschaften u. U. zu Recht anders aussieht alsin der Publikumsgesellschaft.

Im Frankfurter Kodex heißt es insoweit sub III. 1. b) wiefolgt: „Der Aufsichtsrat gewährleistet durch eine genügendhohe Zahl von nicht dem Unternehmen heute oder früherverbundenen Personen eine unabhängige Beratung bzw.Überwachung des Vorstands. Dies soll auch bei der Zu-sammensetzung der zu bildenden Ausschüsse berücksich-tigt werden. Die Wahl ausscheidender Vorstandsmitgliederin den Aufsichtsrat sollte nicht den Regelfall bilden.“

Der einzurichtenden Kommission zur Entwicklung ei-nes Corporate Governance-Kodex wird empfohlen, dieFrage der Unabhängigkeit der Aufsichtsratsmitgliederbei der Formulierung des Kodex zu berücksichtigen;dazu gehört auch das Problem des Überwechselns vonVorstandsmitgliedern in den Aufsichtsrat.

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Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 47 – Drucksache 14/7515

4. Entscheidungsbefugnisse von Aufsichts-ratsausschüssen

Gegenstand der folgenden Beratungen der Regierungs-kommission war sodann der Vorschlag, die Entschei-dungsbefugnisse von Aufsichtsratsausschüssen auf Perso-nalangelegenheiten zu beschränken. Nach geltendemRecht (vgl. § 107 Abs. 3 S. 2 AktG) kann einem Auf-sichtsratsausschuss namentlich die Aufgabe übertragenwerden, über die Erteilung der Zustimmung zu bestimm-ten wichtigen Geschäften gemäß § 111 Abs. 4 S. 2 AktGzu beschließen. Die Regierungskommission ist der Auf-fassung, dass sich eine Änderung des § 107 Abs. 3 S. 2AktG im Sinne einer Einschränkung der Entscheidungs-befugnisse von Aufsichtsratsausschüssen nicht empfiehlt.Angesichts der Größe der Aufsichtsräte besteht ein unab-weisbares Bedürfnis, namentlich die Entscheidung überdie Zustimmung zu bestimmten Geschäften, die unterUmständen sehr schnell und unbürokratisch getroffenwerden muss, an kleine, entscheidungskräftige Aus-schüsse delegieren zu können. Nur mit dem Hinweis aufdie bestehenden Möglichkeiten der Delegation von Auf-gaben an Aufsichtsratsausschüsse lässt sich im Übrigenauch der verbreiteten Kritik an der Größe der Aufsichts-räte begegnen.

Die Regierungskommission ist andererseits der Auffas-sung, dass den Gefahren Rechnung getragen werdenmuss, die sich aus einer umfangreichen Übertragung vonAufgaben auf Aufsichtsratsausschüsse in der Praxis er-gibt. Eine solche umfangreiche Aufgabendelegation führtzu einer Entleerung und Aushöhlung der Arbeit des Plen-ums. Zu bemängeln ist namentlich, dass das Plenum überdie Arbeit der Ausschüsse häufig nicht angemessen infor-miert wird. Häufig sind Aufsichtsratsmitglieder bei denSitzungen des Plenums nicht anwesend. Letzteres Pro-blem ist Gegenstand einer Empfehlung des FrankfurterKodex (III. 1.) d)), wonach, falls ein Mitglied des Auf-sichtsrats in einem Geschäftsjahr an mehr als der Hälfteder Sitzungen des Aufsichtsrats nicht persönlich teil-nimmt, dies im Geschäftsbericht entsprechend zu vermer-ken ist. Ob eine derartige Empfehlung in den künftigenCode of Best Practice aufgenommen wird, soll der Ent-scheidung der einzurichtenden Kommission zur Entwick-lung eines Corporate Governance-Kodex überlassen blei-ben.

Die Information des Plenums über die Arbeit der Aufsichtsratsausschüsse sollte durch einen neuen § 107Abs. 3 S. 3 AktG verbessert werden, wonach dem Auf-sichtsrat über die Arbeit der Ausschüsse regelmäßig zuberichten ist.

5. Einberufung/Sitzungsfrequenz

Die Regierungskommission hat sich anschließend mitdem Vorschlag befasst, quartalsweise Sitzungen bei allenobligatorischen Aufsichtsräten vorzusehen. § 110 Abs. 3AktG sieht derzeit vor, dass der Aufsichtsrat einmal imKalendervierteljahr zusammentreten soll sowie einmalund bei börsennotierten Gesellschaften muss im Kalen-derhalbjahr zusammentreten muß.

Die Regierungskommission spricht sich für eine Ände-rung des § 110 Abs. 3 AktG dahin aus, dass der Auf-sichtsrat (bei allen Gesellschaften) zweimal im Kalender-halbjahr zusammentreten muss. Eine Änderung derRegelung des KonTraG, das für Aufsichtsräte börsenno-tierter Gesellschaften die Pflicht zum zweimaligen Zu-sammentreten im Kalenderhalbjahr eingeführt hat, wäredamit nicht verbunden. Den Bedürfnissen namentlichkleinerer Gesellschaften nach flexiblen Gestaltungsmög-lichkeiten ist aber durch eine ergänzende Regelung nachdem Vorbild des § 108 Abs. 4 AktG Rechnung zu tragen:In nicht börsennotierten Gesellschaften sollte mit Zustim-mung aller Mitglieder des Aufsichtsrates etwas anderes(als das zweimalige Zusammentreten des Aufsichtsratesim Kalenderhalbjahr) beschlossen werden können.

Der Aufwand, der sich aus der in Rede stehenden, imÜbrigen sanktionslosen, Regulierung ergäbe, hielte sichin Grenzen, wenn § 110 Abs. 3 AktG für die Sitzungen desAufsichtsrats künftig nicht zwingend die physische An-wesenheit aller Aufsichtsratsmitglieder („Zusammentre-ten“) bei den Sitzungen erfordert, sondern auch eine Sit-zung im Wege der Telefon- oder insbesondereVideokonferenz erlaubt. Für die freiwilligen Zusatzsit-zungen können dies die Satzung oder die Geschäftsord-nung des Aufsichtsrats ohnedies vorsehen. Die Regie-rungskommission ist aber der Auffassung, dass es dieBedeutung des Amtes eines Aufsichtsrates erfordert, dassdie Aufsichtsratsmitglieder außer in begründeten Ausnah-mefällen jedenfalls zu den Pflichtsitzungen auch persön-lich erscheinen müssen.

Die Regierungskommission empfiehlt, in § 110 Abs. 3AktG vorzusehen, dass der Aufsichtsrat grundsätzlichbei allen Gesellschaften mindestens zweimal im Kalen-derhalbjahr zusammentreten muss. In nichtbörsenno-tierten Gesellschaften sollte mit Zustimmung aller Auf-sichtsratsmitglieder etwas anderes beschlossen werdenkönnen. Physische Anwesenheit der Aufsichtsratsmit-glieder sollte im Einzelfall nicht erforderlich sein; Tele-fon- oder Videokonferenzen bzw. -zuschaltungen sollten(in begründeten Ausnahmefällen) möglich sein.

6. Interne Revision und Aufsichtsrat

Nach § 91 Abs. 2 AktG ist der Vorstand verpflichtet, füreine angemessene interne Revision zu sorgen. Die interneRevision ist demnach ein Instrument des Vorstands unddiesem unterstellt. Die interne Revision übernimmt vomVorstand ihr aufgetragene spezielle Prüf- und Überwa-chungsaufgaben. Im Rahmen seiner allgemeinen Über-wachungsaufgabe gemäß § 111 Abs. 1 AktG hat der Auf-sichtsrat selbst oder durch einen von ihm eingerichtetenPrüfungsausschuss auch zu prüfen, ob der Vorstand seinerPflicht zur Einrichtung einer Revision und ihres planvol-len Einsatzes zur Vermeidung übermäßiger Risiken undvon Gesetz- und Satzungsverletzungen nachkommt. Dieeinzurichtende Kommission zur Entwicklung eines Cor-porate Governance-Kodex mag prüfen, ob diese Regelnausdrücklich auch in den Kodex aufgenommen werdensollten.

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Auch hinsichtlich des Vorschlags, der Vorstand solle demAufsichtsrat oder dem Audit Committee die wesentlichenPrüfungsergebnisse der internen Revision vorlegen, be-steht kein Bedarf für eine besondere gesetzliche Rege-lung. Nach § 111 Abs. 2 AktG kann der Aufsichtsrat dieBücher und Schriften der Gesellschaft einsehen und prü-fen; dazu gehört auch der Bericht der internen Revision.Er kann mit einer entsprechenden Prüfung im Rahmen derErteilung des Prüfungsauftrages gemäß § 111 Abs. 2 S. 3AktG auch den Abschlussprüfer beauftragen. Überdieskann der Aufsichtsrat gemäß § 90 Abs. 3 AktG vom Vor-stand jederzeit einen Bericht über die Angelegenheitender Gesellschaft verlangen; dies umfasst auch die Ein-satzberichte der internen Revision. Ob der Aufsichtsrat in-soweit als Best Practice grundsätzlich eine Vorlage allerBerichte der internen Revision an den Prüfungsausschussfordern sollte, mag wiederum der Entscheidung der einzurichtenden Kommission zur Entwicklung eines Cor-porate Governance-Kodex überlassen bleiben; auch inso-weit bedarf es einer Empfehlung der Regierungskommis-sion nicht.

Skeptisch beurteilt die Regierungskommission den ihrunterbreiteten Vorschlag, es solle dem Aufsichtsrat oderseinem Audit Committee freistehen, bestimmte Gegen-stände durch die interne Revision untersuchen zu lassen.Insoweit ist darauf zu verweisen, dass die Mitglieder derinternen Revision Angestellte des Unternehmens und in-sofern vom Vorstand weisungsabhängig sind. Der Einsatzder internen Revision am Vorstand vorbei und die Be-richterstattung am Vorstand vorbei könnte zu Loyalitäts-konflikten führen, denen man weder den Vorstand nochdie Mitarbeiter aussetzen sollte. § 111 Abs. 2 S. 2 AktGsieht denn auch vor, dass der Aufsichtsrat „einzelne Mit-glieder oder für bestimmte Aufgaben besondere Sachver-ständige beauftragen“ kann, gestattet mithin den Zugriffdes Aufsichtsrats auf vom Vorstand weisungsabhängigeArbeitnehmer im Regelfall nicht. Die Regierungskom-mission spricht sich vor diesem Hintergrund gegen eineEmpfehlung aus, der Aufsichtsrat sollte von sich aus dieinterne Revision einsetzen können.

7. Berichtspflicht und Redepflicht des Aufsichtsrats

(a) Berichtspflicht gemäß § 171 Abs. 2 AktG

Die Berichtspflicht des Aufsichtsrats gegenüber derHauptversammlung ergibt sich aus § 171 Abs. 2 AktG. Siebezieht sich nach geltendem Recht auf 3 Punkte:

– erstens, Bericht über das Ergebnis der Prüfung derRechnungslegung durch den Aufsichtsrat;

– zweitens, Bericht über die Prüfung der Geschäfts-führung;

– drittens, seit KonTraG hat der Aufsichtsrat einer bör-sennotierten Gesellschaft auch über die Ausschüsse,die der Aufsichtsrat gebildet hat, und die Zahl der Sit-zungen des Plenums und der Ausschüsse zu berichten.

Gegenüber der Berichtspflicht gemäß § 171 Abs. 2 AktGwerden zwei Einwendungen vorgebracht: Die Berichter-stattung des Aufsichtsrats zur Frage, wie und in welchemUmfang er die Geschäftsführung geprüft hat, ergehe sichhäufig in formelhaften, nichts sagenden Äußerungen.Außerdem sei die Berichterstattung über Anzahl der Aus-schüsse und Anzahl der Sitzungen entbehrlich.

Die Regierungskommission stellt der einzurichtendenKommission zur Entwicklung eines Corporate Gover-nance-Kodex anheim zu prüfen, ob über § 171 Abs. 2 AktGhinausgehend weitere Anforderungen an den Aufsichts-ratsbericht im Sinne einer sinnvollen, problemorientiertenBerichterstattung gestellt werden sollten. Der an der Be-richtspflicht nach § 171 Abs. 2 AktG geäußerten Kritik, dieBerichterstattung des Aufsichtsrats zur Frage, wie und inwelchem Umfang er die Geschäftsführung geprüft habe,ergehe sich in nichts sagenden Äußerungen, wurde entge-gengehalten, die Aussagekraft der Berichte habe sich seitInkrafttreten des KonTraG merklich verbessert.

Keine Zustimmung hat der Vorschlag gefunden, die aufdas KonTraG zurückgehende Regelung des § 171 Abs. 2S. 2 2. Halbs. AktG, wonach der Aufsichtsrat in börsen-notierten Gesellschaften über die gebildeten Ausschüssesowie die Zahl der Sitzungen des Plenums und der Aus-schüsse zu berichten hat, zu streichen und stattdessen eineentsprechende Empfehlung in den Code of Best Practiceaufzunehmen. Die Regierungskommission ist insoweitder Auffassung, dass von einer Streichung der Vorschriftein falsches Signal ausginge.

Dem Vorschlag, die schriftliche Berichterstattung desAufsichtsrats gemäß § 171 Abs. 2 AktG solle in nicht bör-sennotierten Gesellschaften durch eine mündliche Be-richterstattung seitens des Aufsichtsratsvorsitzenden er-setzt werden können, wenn die Satzung dies zulässt, istgleichfalls nicht zu folgen. Auch von einer solchen Rege-lung ginge ein falsches Signal aus. Zudem wäre ein großerEntlastungseffekt von einer solchen Regelung ohnehinnicht zu erwarten, da der Aufsichtsratsvorsitzende seinemündlichen Ausführungen im Wesentlichen vorab schrift-lich fixieren und auch mit den Aufsichtsratskollegen ab-stimmen müsste.

(b) Redepflicht der Aufsichtsratsmitglieder inder Hauptversammlung

Die Regierungskommission hat sodann die Frage erörtert,ob sich die Einführung einer gesetzlichen Antwortpflichtder Aufsichtsratsmitglieder in der Hauptversammlungempfiehlt. Insoweit mag auf den ersten Blick zwar be-fremdlich erscheinen, dass Fragen der Aktionäre gemäß § 131 AktG auch dann an den Vorstand zu richten sind,wenn sie die Tätigkeit und den Bericht des Überwa-chungsorgans des Vorstands und dessen Entlastung betref-fen. Gleichwohl empfiehlt sich nach Auffassung der Re-gierungskommission nicht, ein unmittelbares Fragerechtund eine unmittelbare Auskunftspflicht der Aufsichtsrats-mitglieder durch gesetzliche Regelung einzuführen oderSatzungsfreiheit in diesem Punkt vorzusehen, weil sich da-raus ein erheblicher Regulierungsaufwand ergäbe. So

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müsste zur Klärung der Anfechtungsmöglichkeiten dieAnwesenheitspflicht der Aufsichtsratsmitglieder und ihrAuskunftsverweigerungsrecht geregelt werden. Wegendes unverhältnismäßigen Regulierungsaufwands wurdeauch dem Vorschlag eine Absage erteilt, zumindest diePflicht des Aufsichtsratsvorsitzenden zur Erläuterung desBerichts des Aufsichtsrats nach § 176 Abs. 1 S. 2 AktG umeine diesbezügliche Auskunfts- und Redepflicht des Auf-sichtsratsvorsitzenden zu ergänzen. Der damit zusammen-hängende Regulierungsaufwand stünde außer Verhältniszum Nutzen einer derartigen Regelung. Immerhin erhaltendie Aktionäre auch im gegenwärtigen System diejenigenAuskünfte über den Aufsichtsrat und dessen Aufgabener-ledigung, die sie zur sachgemäßen Beurteilung des Ge-genstands der Tagesordnung benötigen. Hinzuweisen istallerdings darauf, dass die Erläuterungspflicht des Auf-sichtsratsvorsitzenden gemäß § 176 Abs. 1 S. 2 AktG in derPraxis des Öfteren nicht beachtet wird.

8. Selbstevaluierung des Aufsichtsrats

Gegenstand der Beratungen der Regierungskommissionwar auch das Thema „Selbstevaluierung des Aufsichts-rats“. Insoweit war vorgeschlagen worden, der Aufsichts-rat solle als Best Practice den Abschlussprüfer auffordern,dem Aufsichtsrat Vorschläge zur Verbesserung seines In-formationssystems zu machen.

Das Thema „Selbstevaluierung der Arbeit des Board“ isteines der zentralen Themen der internationalen CorporateGovernance-Debatte. Nach Auffassung der Regierungs-kommission ist es Angelegenheit und Aufgabe jedes Auf-sichtsrats selbst, einen solchen Selbstevaluierungsprozessanzustoßen und in Gang zu halten.

Ein Code of Best Practice könnte insoweit Anregungenvorsehen. So heißt es denn auch in Ziff. 2.6 des BerlinerKodex: „Der Aufsichtsrat unterzieht seine Tätigkeit in re-gelmäßigen Abständen einer systematischen Evaluation,um sie kontinuierlich zu verbessern“.

Es sollte der einzurichtenden Kommission zur Entwick-lung eines Corporate Governance-Kodex überlassen blei-ben zu prüfen, ob sie Empfehlungen zur Selbsteva-luierung des Aufsichtsrats in den Code of Best Practiceaufnimmt.

9. Erster Aufsichtsrat bei Gründung

In einer bei der Regierungskommission eingegangenenStellungnahme wird vorgeschlagen, die Begrenzung derAmtszeit des ersten Aufsichtsrats gemäß § 30 Abs. 3 AktGaufzuheben. Die Regierungskommission lehnt eine ent-sprechende Empfehlung ab. Für die Regelung des § 30Abs. 3 AktG spricht, dass die Gründer häufig nicht iden-tisch mit den Aktionären der ersten Hauptversammlungsind. Diesen sollte daher die Möglichkeit belassen wer-den, frei über die Zusammensetzung des Aufsichtsratsentscheiden zu können.

10. Erfolgsabhängige Aufsichtsratsver-gütungen

In mehreren bei der Regierungskommission eingegange-nen Stellungnahmen wird angeregt, die Regierungskom-mission möge empfehlen, dass künftig nackte Aktienop-tionen auch an Aufsichtsratsmitglieder ausgegebenwerden können. Insoweit wird auch auf den Entwurf desösterreichischen Aktienoptionengesetzes verwiesen, derdies vorsieht.

Die Regierungskommission spricht sich gleichwohl ge-gen eine dahin gehende Empfehlung aus. Zwar erscheinteine Erhöhung des variablen Anteils der Vergütung derAufsichtsratsmitglieder wünschenswert. Diesem Bedürf-nis kann aber im Rahmen des § 113 Abs. 3 AktG bereitsnach geltendem Recht Rechnung getragen werden. DerMöglichkeit der Ausgabe nackter Aktienoptionen auch anAufsichtsräte bedarf es nicht, weil insoweit der Weg überdie Ausgabe von Wandel- oder Optionsanleihen mit ge-ringem Nennbetrag, verbunden mit der Schaffung einesbedingten Kapitals gemäß § 192 Abs. 2 Nr. 1 AktG zur Be-dienung der Umtausch- oder Bezugsrechte, in Betrachtkommt. Außerdem können virtuelle Aktienoptionen ge-schaffen werden. Bei Zulassung der Ausgabe nackter Ak-tienoptionen nicht nur an Vorstandsmitglieder (vgl. § 192Abs. 2 Nr. 3 AktG), sondern auch an Aufsichtsratsmit-glieder würde zudem eine institutionelle Bremse gegen-über unangemessenen Vergütungsprogrammen für Vor-stände beseitigt (Problem des „Back-Scratching“). Hinzukommt, dass sich der Gesetzgeber erst bei Einführung desKonTraG eingehend mit dieser Frage befasst und sie ver-neint hat. Neue Gesichtspunkte und Entwicklungen habensich seither nicht ergeben.

11. § 10 Ziff. 4 Körperschaftsteuergesetz

Nach § 10 Ziff. 4 des Körperschaftsteuergesetzes ist beider Ermittlung des Einkommens der Aktiengesellschaftnicht abziehbar die Hälfte der Vergütungen jeder Art,die an Mitglieder des Aufsichtsrats gewährt werden.Die Vorschrift ist ursprünglich dazu gedacht gewesen,unangemessen hohe Aufsichtsratsvergütungen von Fa-milien-Aufsichtsräten auszuschließen. Sie behindertheutzutage aber gerade bei jungen Unternehmen dieGewinnung guter Aufsichtsratsmitglieder. Ihr Zweck,zu hohe Aufsichtsratsvergütungen zu vermeiden, wirdnicht erreicht, da die Besteuerung, anders als in denUSA, wo Aktienoptionen ab einer bestimmten Höhe (1Mio. US-Dollar pro Kopf und Jahr) nicht mehr abzugs-fähig sind („cap“), von unten, bereits ab dem erstenEuro greift. Da die Aufsichtsratsvergütung von den Ak-tionären gemäß § 113 AktG zu beschließen und außer-dem gemäß § 285 Nr. 9 HGB offen zu legen ist, bedarfes eines weiteren Schutzes der Aktionäre und der Ge-sellschaft nicht.

Die Regierungskommission empfiehlt, § 10 Ziff. 4 desKörperschaftsteuergesetzes zu streichen.

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Drucksache 14/7515 – 50 – Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode

IV. Vorstand und Aufsichtsrat

1. Vertrauliche Angaben und Geschäftsgeheimnisse

Einer Weitergabe vertraulicher Informationen durch Auf-sichtsratsmitglieder muss künftig wirksamer begegnetwerden. Dies gilt insbesondere auch vor dem Hintergrundder Kommissionsempfehlungen zur besseren In-formati-onsversorgung der Aufsichtsratsmitglieder und Aufsichts-räte (rechtzeitige und schriftliche Regelberichterstattung;Aushändigung von Unterlagen; Auskunftsrechte des ein-zelnen Aufsichtsratsmitglieds), der eine entsprechendeVerschwiegenheitspflicht entsprechen muss.

Die Regierungskommission spricht sich dafür aus, dieeinzurichtende Kommission zur Entwicklung eines Cor-porate Governance-Kodex möge in diesem Kodex dieFrage des Umgangs der Aufsichtsratsmitglieder mit Ge-sellschaftsgeheimnissen und vertraulichen Angaben, na-mentlich bei Mitwirkung von Mitarbeitern sowie im Um-gang mit der Presse, thematisieren.

Die Regierungskommission befürwortet des Weitereneine Anhebung des Strafrahmens des § 404 AktG, der dieunbefugte Offenbarung von Gesellschaftsgeheimnissendurch Organmitglieder derzeit mit einer Freiheitsstrafebis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe (Abs. 1) sowie beiHandeln gegen Entgelt oder in Bereicherungs- oder Schä-digungsabsicht mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren odermit Geldstrafe (Abs. 2) bedroht. Da die Aufklärungs-wahrscheinlichkeit gering ist, lässt sich der gewünschteAbschreckungseffekt nur durch eine deutlichere Strafan-drohung erzielen. Der Strafrahmen sollte nach Auffassungder Regierungskommission daher jeweils um ein Jahr aufzwei bzw. drei Jahre Freiheitsstrafe angehoben werden.Zur Begründung ist in diesem Zusammenhang auch aufden vergleichbaren Straftatbestand des § 17 Abs. 1 UWGzu verweisen, der den Verrat von Geschäfts- oder Be-triebsgeheimnissen durch einen Angestellten, Arbeiteroder Lehrling eines Geschäftsbetriebs aus Eigennutz, zu-gunsten eines Dritten oder in der Absicht, dem Inhaber desGeschäftsbetriebs Schaden zuzufügen, mit einer Frei-heitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bedroht.

Die Regierungskommission befürwortet, den Strafrah-men des § 404 AktG (Verletzung der Geheimhaltungs-pflicht) in Absatz 1 auf bis zu zwei Jahren und in Absatz2 auf bis zu drei Jahren auszudehnen.

Keine Zustimmung findet hingegen der Vorschlag, denTatbestand des § 404 AktG auf die unbefugte Offenbarungvertraulicher Angaben zu erstrecken. Geschwätzigkeitdisqualifiziert für bestimmte Berufstätigkeiten, ist aberkein strafwürdiges Unrecht. Der weitere Vorschlag, derAufsichtsrat solle künftig vertrauliche Informationendurch Beschluss als Gesellschaftsgeheimnis qualifizierenkönnen, ist gleichfalls nicht zu befürworten. Die Klassifi-kationshoheit muss insoweit ausschließlich beim Vor-stand verbleiben. Überdies stünde zu befürchten, dasssich Aufsichtsratsmitglieder zur Weitergabe vertraulicherInformationen, die in der Aufsichtsratssitzung nicht als

Geheimnis qualifiziert worden sind, geradezu ermuntertfühlen könnten. Auch dem Vorschlag, den Straftatbestanddes § 404 AktG in ein Offizialdelikt umzuwandeln, istnicht zuzustimmen, weil damit etwa dem Streben nachBefriedigung persönlicher Rachsucht Vorschub geleistetwerden könnte. Keine Zustimmung findet schließlichauch der Vorschlag, nach dem Vorbild des § 76 Abs. 3 S. 3 AktG vorzusehen, dass eine rechtskräftige Verurtei-lung wegen Geheimnisverrats nach § 404 AktG für eineTätigkeit als Aufsichtsratsmitglied disqualifiziere.

2. Publizität möglicher Interessenkonflikte

Die Regierungskommission hat sich eingehend mit demVorschlag befasst, Interessenkonflikte von Organmit-gliedern sollten umfassend offen zu legen sein. Diesgelte z. B. auch für die Beschäftigung von Familienmit-gliedern und nahe stehenden Personen im Unterneh-men.

Die Regierungskommission verweist insoweit auf ihreverschiedenen, an anderer Stelle dieses Berichts ausge-sprochenen Empfehlungen, etwa zur Unabhängigkeit derAufsichtsratsmitglieder10 und zu Mandaten in Konkur-renzunternehmen11; zur Transparenz der Vergütung12 undzum Aktienbesitz von Organmitgliedern an der Gesell-schaft13 sowie auf die Empfehlungen zu Eigengeschäftenvon Organmitgliedern mit der Gesellschaft , die sich auchauf Geschäfte von Familienangehörigen von Organmit-gliedern der Gesellschaft14 beziehen. Was speziell die Pu-blizität der Beschäftigung von Familienmitgliedern undanderen nahe stehenden Personen anbetrifft, die sowohlim Frankfurter als auch im Berliner Kodex angesprochenist, so kann dies allenfalls Gegenstand einer Empfehlungim Code of Best Practice sein. Eine diesbezügliche ge-setzliche Regelung kommt nicht in Betracht. Die Situa-tion stellt sich in der nicht börsennotierten Gesellschaftanders dar als in der börsennotierten Gesellschaft. Dieeinzurichtende Kommission zur Entwicklung eines Corporate Governance-Kodex mag prüfen, ob sich ent-sprechende Grundsätze für börsennotierte Gesellschaftenim Kodex empfehlen.

3. Haftung

(a) Innenhaftung: „Business Judgement Rule“

Mit Blick auf die empfohlene Verschärfung des Verfol-gungsrechts des § 147 AktG (dazu unten (c)) schlägt dieRegierungskommission vor, in § 93 Abs. 2 AktG klarzu-stellen, dass bei Verletzung der allgemeinen Sorgfalts-pflicht eine reine Erfolgshaftung der Organmitglieder ge-genüber der Gesellschaft ausscheidet, dass also für Fehler

10 Oben Rdz. 55.11 Oben Rdz. 54.12 Unten Rdz. 257 ff.13 Unten Rdz. 261 ff.14 Unten Rdz. 264 ff.

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im Rahmen des unternehmerischen Ermessens nicht ge-haftet wird („Business Judgement Rule“). Dies entsprichtauch einem Beschluss des 63. Deutschen Juristentages,der sich insoweit einem Vorschlag von Prof. Ulmer, Uni-versität Heidelberg, angeschlossen hat („Eine Pflichtver-letzung liegt nicht vor, wenn der Schaden durch unter-nehmerisches Handeln im Interesse der Gesellschaft aufder Grundlage angemessener Informationen verursachtwurde, auch wenn dieses Handeln sich aufgrund spätererEntwicklungen oder Erkenntnisse als für die Gesellschaftnachteilig erweist“).

Die Regierungskommission empfiehlt, in § 93 AktGklarzustellen, dass eine Erfolgshaftung der Organmit-glieder gegenüber der Gesellschaft ausscheidet („Busi-ness Judgement Rule“).

(b) Innenhaftung: Vertragliche Haftungsbefrei-ung bei einfacher Fahrlässigkeit

Die Regierungskommission hat sich eingehend, auch vordem Hintergrund abweichender Regelungen in ausländi-schen Rechten, mit der zwingenden Haftung der Organ-mitglieder auch für leichte Fahrlässigkeit befasst. Bisherspielt die zivilrechtliche Haftung von Organmitgliedernselbst für grobes Verschulden oder Loyalitätspflichtver-letzungen praktisch allenfalls eine Rolle in der Insol-venz, bei einem Eigentümerwechsel oder im Rahmenvon Streitigkeiten um Abfindungen oder Ruhegehältervon Organmitgliedern. Bedenken werden insoweit abergegenüber der mittlerweile üblichen Praxis der Verfol-gung von Schadenersatzansprüchen gegen Organmit-glieder durch den Insolvenzverwalter geäußert. Da inder Regel insoweit eine D & O-Versicherung bestehe,laufe diese Praxis auf eine zunehmende Inan-spruchnahme („Plünderung“) der Versicherungen hi-naus. Nach Auffassung der Regierungskommission wäreeine solche Entwicklung nicht unproblematisch. Sie istandererseits aber derzeit noch nicht so dringlich, dassHandlungsbedarf bestünde. Die Gestattung einer ver-traglichen Freistellung von der Fahrlässigkeitshaftungempfiehlt sich mithin zum gegenwärtigen Zeitpunktebenso wenig wie eine gesetzliche Deckelung der Haf-tung von Organmitgliedern für einfache Fahrlässigkeit,zumal hiervon jeweils ein falsches Signal ausginge.Vielmehr sollte die weitere Entwicklung beobachtet undgegebenenfalls die Frage einer Gestattung der Haftungs-freistellung oder einer Haftungsdeckelung zu gegebenerZeit erneut thematisiert werden. Hinzuweisen bleibt darauf, dass die von der Regierungskommission emp-fohlene Neuordnung des Verfolgungsrechts der Minderheit gemäß § 147 AktG15 nicht zu vermehrtenKlagen wegen leichtfahrlässigen Pflichtverletzungenführen wird, weil das Verfolgungsrecht der Minderheitnach dem Vorschlag der Regierungskommission aufFälle grober Fahrlässigkeit beschränkt werden sollte.

(c) Innenhaftung: Verfolgungsrecht gemäß § 147 AktG

Gegenstand der Beratungen der Regierungskommissionwar sodann die Frage, ob sich eine abermalige Änderungdes Verfolgungsrechts gemäß § 147 AktG empfiehlt, dererst durch das KonTraG seine heutige Fassung erhaltenhat. Die Regierungskommission hat beschlossen, in die-sem Punkt von ihrer grundsätzlichen Linie abzuweichen,von Empfehlungen zur Änderung von Regelungen desKonTraG abzusehen. Sie verweist insoweit darauf, dasssich hinsichtlich der Frage der Ausgestaltung des Verfol-gungsrechts der Minderheit seit dem KonTraG ein Stim-mungswandel vollzogen hat, der namentlich durch dieForderung des letztjährigen Deutschen Juristentages nacheiner Neuregelung dokumentiert wird.

Die Regierungskommission ist der Auffassung, dass dieMöglichkeiten der Minderheit, das Geltendmachen vonSchadenersatzansprüchen der Gesellschaft gegen Organ-mitglieder zu erzwingen, verbessert werden sollten. Zu-mindest grobe Pflichtverletzungen von Organmitgliedernmüssen unter erleichterten Voraussetzungen zur Verfol-gung gebracht werden können; dies ist ein wesentlichesElement guter Corporate Governance. Bedenken, dassmissbräuchliche Klagen zunehmen könnten, greifen imErgebnis nicht durch. Ein Erpressungspotenzial wie beiAnfechtungsklagen wegen der Registersperre scheidethier aus. Ein Erpressungspotenzial ist bei Schadenersatz-klagen gegen Organmitglieder allenfalls insoweit gege-ben, als es mit einer Zunahme auch unbegründeter Klagenzu einer entsprechenden Beschädigung der Reputationder betroffenen Organmitglieder kommen könnte; diesernegative Aspekt nimmt freilich auch in dem Maße ab, indem Schadenersatzklagen gegen Organmitglieder nichtmehr zu den ganz exzeptionellen Fällen gehören, über dieheute noch mit entsprechendem Medienecho berichtetwird. Im Übrigen bleiben die negativen Anreize gegeneine Nutzung des Verfolgungsrechts auch bei der vorge-sehenen Neuregelung beträchtlich, da der Kläger den mitder Prozessführung verbundenen privaten Aufwand in je-dem Fall selbst tragen muss, insoweit also keine Kosten-erstattung verlangen kann. Eine Prämie für erfolgreicheKläger wird erst recht nicht vorgesehen. Missbräuchli-chen Klagen kann im im Übrigen durch eine sachgerechteNeuregelung des Verfolgungsrechts der Minderheit in ge-eigneter Weise vorgebeugt werden.

Im Einzelnen hat sich die Regierungskommission im We-sentlichen den Empfehlungen des Deutschen Juristenta-ges angeschlossen und auf die im Folgenden erläutertenEckpunkte einer gesetzlichen Regelung verständigt.

Das Klagerecht sollte, insbesondere auch vor dem Hin-tergrund der Kommissionsempfehlung zur Absenkungder Mindestnennbeträge von Aktien gemäß § 8 AktG16,nicht als Einzelklagebefugnis, sondern als Minderheiten-recht ausgestaltet werden. Hierfür sollte künftig nach Auf-fassung der Regierungskommission ein Aktienbesitz im

15 Rdz. 72 f. 16 Dazu unten Rdz. 192.

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Umfang von 1 % des Grundkapitals oder mit einem Bör-sen- oder Marktwert von 100 000 Euro ausreichen, wobeidie Antragsteller im Klagezulassungsverfahren (dazu sogleich) den Nachweis führen müssen, dass der Aktien-erwerb vor Kenntnis der haftungsbegründenden Pflicht-verstöße erfolgt ist.

Das Minderheitenrecht gemäß § 147 Abs. 1 AktG solltebeseitigt und das Minderheitenrecht nach § 147 Abs. 3AktG zu einem gestuften Verfahren ausgestaltet werden.Dem eigentlichen Klageverfahren sollte dabei zur Ver-meidung unnötiger, aussichtsloser oder erpresserischerKlagen ein Klagezulassungsverfahren vor dem Prozess-gericht vorgeschaltet werden, das eingeleitet werdenkann, solange der geltend gemachte Anspruch der Gesell-schaft nicht verjährt ist. Das Klagezulassungsverfahrensoll ferner dazu dienen, den im Zulassungsverfahren er-folgreichen Antragsteller von den Risiken der Kostenbe-lastung aus dem Hauptsacheverfahren freizustellen.

Des Weiteren sollte die Zulassung der Klageerhebung einehinreichende Erfolgsaussicht der Klage durch Glaubhaft-machen von Umständen voraussetzen, die den Verdachtvon Unredlichkeiten oder sonstigen groben Verletzungenvon Gesetz oder Satzung durch die betroffenen Organmit-glieder begründen. Das Verfolgungsrecht der Minderheitsollte, gerade wenn von ihm künftig unter erleichtertenVoraussetzungen Gebrauch gemacht werden kann, aufFälle grober Pflichtverletzung beschränkt bleiben.

Der Vorschlag zu den Voraussetzungen für die Zulassungder Klageerhebung weicht von der derzeitigen Rechtslageauch insofern ab, als die Bestellung besonderer Vertretergemäß § 147 Abs. 3 S. 1 AktG voraussetzt, dass Tatsachenvorliegen müssen, die den „dringenden Verdacht“ recht-fertigen, dass der Gesellschaft durch Unredlichkeitenoder grobe Verletzungen des Gesetzes oder der SatzungSchaden zugefügt wurde.

Die Regierungskommission spricht sich demgegenüberdafür aus, dass im Rahmen des Klagezulassungsverfah-rens künftig bereits ein Verdacht genügen sollte, eindringender Verdacht also nicht erforderlich sein sollte.Ob ein „dringender“ Verdacht besteht oder nicht, solltedas Prozessgericht im Rahmen des Klagezulassungsver-fahrens nicht zu beurteilen haben; ebenso wie im Rah-men des § 142 Abs. 2 S. 1 AktG sollte vielmehr ein Ver-dacht genügen.

Kritisch beurteilt die Regierungskommission demgegenü-ber den Vorschlag, im Rahmen des Klagezulassungsver-fahrens das Glaubhaftmachen von Umständen genügen zulassen, die den Verdacht von Unredlichkeiten oder sonsti-gen groben Verletzungen von Gesetz oder Satzung begrün-den, insoweit also – anders als im Rahmen des jetzigen § 147 Abs. 3 S. 1 AktG, der ein „Vorliegen“ von Tatsachen,mithin deren Vollbeweis voraussetzt – nicht den Vollbeweisder relevanten Tatsachen zu verlangen. Zwar soll im Rah-men des Klagezulassungsverfahrens lediglich eine summa-rische Prüfung vorgenommen werden. Es erscheint aber alsproblematisch, wenn aufgrund eines bloßen Glaubhaftma-chens von Tatsachen im Klagezulassungsverfahren eineendgültige Kostenentscheidung ergeht.

Bei Erfolglosigkeit des Zulassungsantrags sollten die Ge-richtskosten und die Kosten der Antragsgegner nach Auf-fassung der Regierungskommission den Antragstellernauferlegt werden, bei Erfolg des Antrags sollten die Ge-richtskosten und die Kosten der Antragsteller dem oderden Antragsgegnern, d. h. dem/den betroffenen Organmit-glied(ern) auferlegt werden. Insoweit sollte allerdings al-lein eine Erstattung der nach § 91 ZPO erstattungsfähigenKosten in Betracht kommen.

Was die anschließende Schadenersatzklage betrifft, sosollten klagebefugt die Antragsteller des erfolgreichenZulassungsverfahrens sein. Erörtert wurde in diesemZusammenhang die Frage, ob der vom Gericht gemäß §147 Abs. 3 AktG bestellte besondere Vertreter entfallensollte. Die gerichtliche Bestellung eines besonderen Ver-treters, die „Gebührenschneiderei“ verhindern soll, er-scheint insofern als problematisch, als dieser den Klä-gern oktroyiert wird, ohne ihnen gegenüberverantwortlich und haftbar zu sein. Allerdings muss beiWegfall des besonderen Vertreters auf andere Weise Vor-sorge gegen „Gebührenschneiderei“ getroffen werden.Das Problem der „Gebührenschneiderei“ kann sich nachAuffassung der Regierungskommission ausschließlichim Hinblick auf die Einschaltung mehrerer Anwältedurch im Rahmen eines einheitlichen Quorums han-delnde Kläger stellen. Denn einer weiteren, auf densel-ben Sachverhalt gestützten Klage von Aktionären, dieebenfalls unter sich ein Quorum bilden, stünde der Ein-wand der Rechtshängigkeit entgegen, da nach der Emp-fehlung der Regierungskommission die Rechtskraft desSachurteils für und gegen die Gesellschaft und die Ak-tionäre wirken sollte. Mit Blick auf den danach alleinproblematischen Fall der Einschaltung mehrerer An-wälte durch im Rahmen eines einheitlichen Quorumshandelnde Kläger empfiehlt sich, dass dafür Sorge ge-tragen wird, dass doppelte oder mehrfache Anwaltskos-ten zulasten der Gesellschaft vermieden werden. Daskann z. B. dadurch geschehen, dass die Einschaltungmehrerer Anwälte als einer der Fälle leichtfertig verur-sachter Kosten behandelt wird, welche in jedem Falleden Klägern auferlegt werden sollten.

Die Regierungskommission empfiehlt, das Verfolgungs-recht gemäß § 147 AktG unter Berücksichtigung der fol-genden Eckpunkte neu zu ordnen:

– Das Klagerecht sollte nicht als Einzelklagebefugnis,sondern als Minderheitenrecht ausgestaltet werden.Ein Aktienbesitz im Umfang von 1 % des Grundka-pitals oder mit einem Börsen- oder Marktwert von100 000 Euro sollte ausreichen.

– Das Klagezulassungsverfahren:

Zur Vermeidung unnötiger, aussichtsloser oder er-presserischer Klagen sollte die Klageerhebung voneiner besonderen Zulassung durch das Prozessge-richt abhängig gemacht werden. Voraussetzung fürdie Zulassung der Klageerhebung sollte sein:

– die hinreichende Erfolgsaussicht der Klage,nämlich wenn Tatsachen vorliegen, die den Ver-

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Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 53 – Drucksache 14/7515

dacht von Unredlichkeiten oder sonstigen grobenVerletzungen von Gesetz oder Satzung durch diebetroffenen Organmitglieder begründen;

– die erfolglose Aufforderung an die Gesellschaft,selbst Klage zu erheben und das Fehlen überwie-gender Gründe der Gesellschaft, die gegen dasGeltendmachen des Ersatzanspruches sprechen;

– das Erreichen des Quorums durch die Antrag-steller und der Nachweis ihres Aktienerwerbs vorKenntnis der haftungsbegründeten Pflichtver-stöße.

– Bei Erfolglosigkeit des Zulassungsantrags soll-ten die Gerichtskosten und die Kosten der An-traggegner den Antragstellern auferlegt werden.

– Die Schadenersatzklage:

Wenn das Prozessgericht die Klage zulässt, solltenfür die Schadenersatzklage die folgenden Verfah-rensgrundsätze gelten:

– Klagebefugt sollten die Antragsteller des erfolg-reichen Zulassungsverfahrens sein.

– Der vom Prozessgericht bestellte besondere Ver-treter (§ 147 Abs. 3 AktG) entfällt.

– Die Klage sollte sich gegen die betroffenen Organmitglieder richten und auf Schadenersatz-zahlung an die Gesellschaft abzielen; eine „Prä-mien“-Zahlung an die Kläger sollte ausgeschlos-sen sein.

– Die Klage sollte binnen angemessener Frist er-hoben werden.

– Die übrigen Aktionäre sollten zuvor durch Be-kanntmachung in den Gesellschaftsblättern aufdie Absicht der Klageerhebung hingewiesen wer-den, um ihnen Gelegenheit zur Beteiligung zu ge-ben.

– Die Rechtskraft des Urteils sollte sich, auch wennes auf Klageabweisung lautet, auf die Aktienge-sellschaft und die übrigen Aktionäre erstrecken.

– Die Wirksamkeit eines Prozessvergleichs solltevon der Zustimmung des Prozessgerichts abhän-gig gemacht werden; insoweit sollte § 93 Abs. 4AktG nicht gelten.

– Die Kostenentscheidung sollte sich nach § 91 ZPOrichten. Allerdings sollte den im Klagezulassungs-verfahren erfolgreichen Aktionären, soweit sie in-folge Klageabweisung die Kosten zu tragen haben,ein Aufwendungsersatzanspruch gegen die Ge-sellschaft zustehen. Hiervon ausgenommen seinsollten aber solche Kosten, die die Kläger durchunsorgfältige Prozessführung leichtfertig verur-sacht haben.

– Das Minderheitenrecht in § 147 Abs. 1 AktGsollte gestrichen, § 147 Abs. 2 AktG sollte ange-passt werden.

(d) Außenhaftung

Die Regierungskommission hat sich ferner mit der Außen-haftung der Organmitglieder gegenüber Gläubigern sowieder öffentlichen Hand, etwa für nicht abgeführte Steuernoder Sozialversicherungsbeiträge, befasst. Insoweit ging esum den Vorschlag, eine gesetzliche Regelung zur Zulässig-keit einer Haftungsfreistellung bei Verletzung öffentlich-rechtlicher Pflichten zu empfehlen. Die Regierungskom-mission spricht sich gegen eine entsprechende Empfehlungaus. Insoweit ist auf die Möglichkeit des Abschlusses einerhinreichenden D & O-Versicherung zu verweisen, die nachden Musterbedingungen des Gesamtverbands der Deut-schen Versicherungswirtschaft e. V. im Prinzip auch dieAußenhaftung der Geschäftsleiter und Aufsichtsräte um-fasst. Dabei sollte es sein Bewenden haben.

Kritisiert wurde in diesem Zusammenhang, dass die Fälleder Außenhaftung von Organmitgliedern wegen Verlet-zung öffentlich-rechtlicher Pflichten in letzter Zeit erheb-lich zunähmen. Der Regierungskommission erscheint derstetige Ausbau der persönlichen Haftung der Organmit-glieder nicht wünschenswert, weil die Gesellschaften da-durch mit immer höheren Versicherungsprämien im Rah-men der D & O-Versicherung belastet werden.

(e) D & O-Versicherung

(aa) Zulässigkeit und Zuständigkeit für eine D & O-Versicherung

Die Regierungskommission hatte sich mit dem Vorschlagzu befassen, die Zulässigkeit und Zuständigkeit für eine D & O-Versicherung zu regeln.

Insoweit bestand in der Regierungskommission Einigkeit,dass die Zulässigkeit einer D & O-Versicherung für Vor-stände und Aufsichtsräte außer Frage stehe. Auch gegendie Zahlung der Haftpflichtprämien durch die Gesellschaftbestünden keine Bedenken, vorausgesetzt, dass ein Selbst-behalt jedenfalls in Fällen grob fahrlässigen Verhaltensvorgesehen ist. Einer gesetzlichen Regelung zur Zulässig-keit der D & O-Versicherung bedarf es deshalb nach Auf-fassung der Regierungskommission nicht. Erwogen wurdehingegen, eine Regelung im Code of Best Practice zu emp-fehlen, dass im Rahmen des Abschlusses einer D & O-Ver-sicherung die verhaltenssteuernde Funktion der Haftungdurch die Wahl eines ausreichenden Selbstbehalts der Or-ganmitglieder zu gewährleisten sei. In diesem Zusammen-hang wurde die Auffassung vertreten, von der Vereinba-rung eines Selbstbehalts zulasten der Organmitgliederdürfe nicht abgesehen werden, da eine ansonsten eintre-tende vollständige Haftungsfreistellung der Organmitglie-der (mit der Ausnahme der Haftung für vorsätzliches Ver-halten) mit der Regelung der §§ 93, 116 AktG nicht zuvereinbaren sei, nach denen ein Organmitglied nicht imVorhinein von einer Haftung freigestellt werden könne,wenn das haftungsbegründende Verhalten sich zugleich imInnenverhältnis als (schuldhafte) Pflichtverletzung dar-stelle. In der Praxis wird allerdings in der Regel keinSelbstbehalt der Organmitglieder vereinbart. Praktischwird sich ein Selbstbehalt zwar vielleicht letzten Endes in

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Drucksache 14/7515 – 54 – Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode

einem entsprechend höheren Aufwand der Gesellschaftenniederschlagen. Die verhaltenssteuernde Funktion einesrichtig gewählten Selbstbehalts wird dadurch aber nichtbeseitigt. Die Regierungskommission stellt der einzurich-tenden Kommission zur Entwicklung eines Corporate Go-vernance-Kodex anheim, die Regelung der Frage desSelbstbehalts im Code of Best Practice zu prüfen.

Eine gesetzliche Regelung der Frage, ob und wie beim Ab-schluss einer Haftpflichtversicherung für Organmitgliederdie Hauptversammlung mitzuwirken hat, ist nach Auffas-sung der Regierungskommission nicht angezeigt. Zustim-mung hat dagegen der Vorschlag gefunden, die §§ 285, 314HGB um eine Regelung zum Ausweis der von der Gesell-schaft gezahlten Prämien für D & O-Versicherungen imAnhang zum (Konzern-)Jahresabschluss zu erweitern.

Die Regierungskommission empfiehlt, durch entspre-chende Änderung der §§ 289, 314 HGB vorzusehen dasim Anhang bzw. Konzernanhang der Betrag der für eineD & O-Versicherung für die Vorstands- und Aufsichts-ratsmitglieder gezahlten Versicherungsprämien sowiedie Höhe des jeweiligen Selbstbehalts der Organmitglie-der anzugeben ist.

(bb) Einführung einer D & O-Versicherungs-pflicht

Der Vorschlag, eine D & O-Versicherungspflicht einzu-führen, findet nicht die Zustimmung der Regierungs-

kommission. Was die Innenhaftung der Organmitgliedergegenüber der Gesellschaft angeht, kann die Gesell-schaft, die ja die Geschädigte und Anspruchsinhaberinist, von sich aus darüber entscheiden, ob sie zu ihrenGunsten eine solche Versicherung haben will oder nicht,und dies entsprechend regeln. Besteht die Gesellschaftnicht hierauf, mag jedes Organmitglied für sich ent-scheiden, ob es eine entsprechende Absicherung desHaftungsrisikos vornimmt oder nicht. Was die Außen-haftung der Organmitglieder angeht, so haften diese inder Regel gesamtschuldnerisch neben der Gesellschaft.Auch insoweit besteht für eine Haftpflichtversiche-rungspflicht kein Anlass.

(f) Klagen im Ausland

Gleichfalls keine Zustimmung hat der Vorschlag gefun-den, es solle klargestellt werden, in welchem Umfangdeutsche Organmitglieder im Ausland, insbesondere inden USA, verklagt werden könnten. Die Frage der exten-siven Handhabung der Zuständigkeit der Gerichte in Fäl-len mit internationalem Bezug ist Gegenstand der HaagerKonferenz. Die Bundesregierung arbeitet, vertreten durchdas Bundesministerium der Justiz, hieran mit. Da es sichum eine allgemeine, nicht nur die Haftung von Organmit-gliedern betreffende Frage handelt, besteht kein Empfeh-lungsbedarf.

Drittes Kapitel: Aktionäre und Anleger

I. Die Hauptversammlung

1. Allgemeines

Die Hauptversammlung der Aktionäre hat eine doppelteFunktion: Sie dient der Information der Aktionäre durchdie Verwaltung und der Ablegung der Rechenschaft vorden Eigenkapitalgebern, und sie ist Beschlussgremium derAktionäre: Der Hauptversammlung sind die grundlegen-den Entscheidungen vorbehalten, die die Kontrolle derVerwaltung betreffen (Wahl der Anteilseignervertreter inden Aufsichtsrat; Bestellung des Abschlussprüfers; Entla-stungsbeschlüsse; Bestellung von Sonnderprüfern; Be-schlüsse zur Verfolgung von Schadensersatzansprüchengegen die Mitglieder der Verwaltungsorgane) oder die dieGrundlagen des Investments der Eigenkapitalgeber verän-dern (Satzungsänderungen; strukturändernde Beschlüsse;Auflösung der Gesellschaft). Die Entwicklung der Infor-mationstechnologie, die Professionalisierung der Anteils-eignerseite durch institutionelle Investoren und Wert-papieranalysten und die Globalisierung der Eigenkapital-aufnahme haben allerdings die Bedeutung der Informa-tionsvermittlung in der Hauptversammlung stark zugunsten der standardisierten, fortlaufenden Kapital-marktinformation zurücktreten lassen. Ebenso gebieten

die Internationalisierung der Anlegerschaft und die mo-derne Kommunikationstechnologie eine Anpassung destraditionellen Beschlussfassungsmodus; erste Schritte aufdiesem Wege hat bereits das in diesem Jahr in Kraft ge-setzte Namensaktiengesetz eingeleitet. Die Regierungs-kommission hat versucht, diese Entwicklung durch wei-tere Vorschläge fortzuführen, die sich im folgenden sowieim Fünften Kapitel zu „Informationstechnologie und Aktienrecht“ finden. Ein zweiter Bereich, dem die Regie-rungskommission in diesem Zusammenhang Aufmerk-samkeit geschenkt hat, ist die missbräuchliche Ausnutzungvon Auskunfts- und Anfechtungsrechten, die den Ent-scheidungsfindungsprozess der Hauptversammlung klas-sischer Prägung diskreditieren. Gegenüber Vorschlägendagegen, die darauf abzielen, die Kompetenzen der Haupt-versammlung zurückzuschneiden, ist die Regierungskom-mission zurückhaltend. Von Detailkorrekturen abgesehen1

erscheint die von Gesetzgebung und höchstrichterlicherRechtsprechung entwickelte Abgrenzung der Kompetenz-bereiche von Verwaltung und Hauptversammlung jeden-falls für die börsennotierte Gesellschaft überzeugend.

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1 S. zu Vorratsbeschlüssen unten Rdz. 213 ff.; zur „Holzmüller“-Rechtsprechung im Folgenden Rdz. 80 ff.

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Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 55 – Drucksache 14/7515

2. § 119 Abs. 2 AktG und „Holzmüller“

Gegenstand eingehender Beratungen der Regierungs-kommission war zunächst die Frage, ob in den Fällen des§ 119 Abs. 2 AktG Satzungsfreiheit zugelassen werdensollte, um den Unsicherheiten aus der sog. Holzmüller-Rechtsprechung zu begegnen.

§ 119 Abs. 2 AktG bestimmt, dass die Hauptversammlungüber Fragen der Geschäftsführung nur entscheiden kann,wenn der Vorstand es verlangt. Nach der „Holzmüller“-Entscheidung des BGH verdichtet sich dieses Vorlageer-messen des Vorstands bei Maßnahmen, die tief in die Ak-tionärsrechte eingreifen, zu einer Vorlagepflicht. Imkonkreten Fall ging es um die Ausgliederung des wert-vollsten Teils des Betriebsvermögens auf eine Tochterge-sellschaft. In der Praxis herrscht erhebliche Rechtsunsi-cherheit, welche Arten von Maßnahmen des Vorstands derHauptversammlung vorzulegen sind, nach welchen Krite-rien sich die Bedeutung einer Maßnahme für die Ak-tionäre bestimmt, und mit welcher Mehrheit die Haupt-versammlung einer ihr zur Beschlussfassung vorgelegtenMaßnahme zuzustimmen hat.

International finden sich sehr verschiedene Lösungs-ansätze zu diesem Problemkreis.

In den USA gilt nach den wichtigsten Gesellschaftsgeset-zen der Einzelstaaten die „sale of substantially all assetsrule“. Die Judikatur bejaht nach dieser Regel die Zustän-digkeit der Gesellschafterversammlung, wenn ca. 70 bis75 % des Gesellschaftsvermögens veräußert werden sol-len. Handelt es sich um den vorrangig ertragbringendenBetriebsteil, der veräußert werden soll, dann lässt dieRechtsprechung auch deutlich niedrigere Anteile am Ge-samtvermögen genügen, um zur Anwendbarkeit dieserDoktrin zu gelangen. Die Anwendbarkeit der „sale of sub-stantially all assets rule“ setzt allerdings voraus, dass derVerkäufer beim Verkauf von Betriebsteilen seinen Ein-fluss auf diese verliert.

In Großbritannien gelten für börsennotierte Gesellschaf-ten deutlich strengere Anforderungen hinsichtlich derRechte der Anteilsinhaber, als sie das allgemeine Gesell-schaftsrecht enthält. So sehen die „Listing Rules“ derLondoner Börse z. B. für den Erwerb oder die Veräuße-rung von bedeutendem Vermögen zwingend die Zustim-mung der Aktionäre unabhängig davon vor, ob dies auchvon der Satzung der Gesellschaft oder nach allgemeinemGesellschaftsrecht gefordert wird. Die einschlägige Vor-schrift findet sich in Kapitel 10 „Transactions“ der „Lis-ting rules“ für so genannte „Class 1 transactions“. Kapitel10 stellt zunächst feste, quantitative und qualitative Kri-terien auf, nach denen einschlägige Transaktionen in dreiverschiedene Klassen einzuordnen sind. An diese Klassi-fizierung werden dann unterschiedlich hohe Anforderun-gen geknüpft, die beachtet werden müssen. Diese Anfor-derungen reichen von bestimmten Melde- undAnzeigepflichten beim „Company Announcement Of-fice“ für „Class 3 transactions“ und zusätzlich unter be-stimmten Umständen bei der „UK Listing Authority“ für„Class 2 transactions“ bis hin zu einer Zustimmung derAktionäre in einer Hauptversammlung für „Class 1 trans-

actions“. Eine Transaktion ist als „Class 1 transaction“ zuqualifizieren, wenn die maßgebliche Verhältnisquote 25 % überschreitet. Bei Veräußerung von Vermögen, daskeine Beteiligung an einem anderen Unternehmen ist,müssen dazu die Buchwerte der zu veräußernden Vermö-gensgegenstände 25 % des Gesamtvermögens (Anlage-und Umlaufvermögen) der Gesellschaft übersteigen. DieZuständigkeit, Kriterien für solche „Holzmüller-Fälle“festzulegen, in Zweifelsfällen verbindliche Auskünfte zuerteilen und notfalls Ausnahmen zu bewilligen, liegt seitkurzem bei der FSA (UK Listing Authority). Nach demVorschlag der englischen Gesellschaftsrechts-Reform-kommission soll diese Kompetenz künftig auf die neu ein-zurichtende Company Commission übergehen, da es sichnicht um eine Börsenzulassungsregelung, sondern umeine gesellschaftsrechtliche Angelegenheit handele. DerVorteil des englischen Modells gegenüber einer Ex-post-Entscheidung durch die Gerichte wird dort in der größe-ren Rechtssicherheit und flexibler und schneller Ent-scheidung gesehen.

In Frankreich wird die Veräußerung bzw. der Erwerb vonBeteiligungen oder sonstigen Vermögensbestandteilendanach beurteilt, ob die Transaktion den Gesellschafts-zweck oder Unternehmensgegenstand berührt. Jenseitssolcher Fälle ist der Verwaltungsrat frei, sofern nicht dieSatzung etwas anderes bestimmt.

Die Regierungskommission hat vor diesem Hintergrundeine Reihe von Vorschlägen erörtert, die ihr in den bei ihreingegangenen Stellungnahmen unterbreitet worden sind,und weitere Alternativen erörtert.

So ist vorgeschlagen worden, der Gesetzgeber solle dieHolzmüller-Doktrin beseitigen, indem er § 119 Abs. 2AktG wie folgt fasst: „Der Vorstand ist zur Vorlage vonFragen der Geschäftsführung zur Entscheidung durch dieHauptversammlung nicht verpflichtet.“ Eine solcheRegelung würde ihr Ziel verfehlen, weil es sich bei dennach der Holzmüller-Doktrin vorlagepflichtigen Maßnah-men des Vorstands gerade nicht mehr zweifelsfrei um Ge-schäftsführungsfragen handelt, sondern um Strukturmaß-nahmen, bei denen zweifelhaft ist, ob sie noch dem Bereich der Geschäftsführungsangelegenheiten zuzu-rechnen sind, oder ob es sich insoweit um Grundla-genentscheidungen handelt, für die ausdrücklich eineHauptversammlungszuständigkeit vorzusehen der histo-rische Gesetzgeber übersehen oder nicht bedacht hat.

Keine Zustimmung hat auch der Vorschlag gefunden, ei-nen gesetzlichen Katalog von Holzmüller-Fällen aufzu-stellen. Ein solcher Katalog, wie er insbesondere in Eng-land besteht, wäre gleichfalls kaum geeignet, für mehrRechtsklarheit zu sorgen. Anders als nach angelsächsi-schem Rechtsdenken würden, so ein Einwand, auch nochso detaillierte Regelungskataloge hierzulande wie gene-rell im kontinentaleuropäischen Rechtskreis kaum als abschließend betrachtet, sodass bei nicht erfassten Kon-stellationen weiterhin unsicher bleibe, ob eine Zustim-mungskompetenz der Hauptversammlung gegeben sei.Zudem passe ein solcher Katalog nicht für jede Gesell-schaft in gleicher Weise.

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Abgelehnt wurde ferner auch, über § 83 Abs. 2 AktG hi-naus künftig Weisungen der Hauptversammlung an denVorstand zuzulassen. Zum einen löse ein solches Wei-sungsrecht das Problem nicht, da die entscheidende Fragesei, in welchen Fällen der Vorstand der Hauptversamm-lung von sich aus eine Maßnahme zur Beschlussfassungvorzulegen habe, zum anderen widerspreche ein solchesWeisungsrecht dem Prinzip der Arbeitsteilung und Spe-zialisierung innerhalb der Aktiengesellschaft.

Erörtert wurden des Weiteren verschiedene Varianten derSatzungsfreiheit.

Gegenstand der Beratungen war zunächst insbesondereder Vorschlag, § 119 Abs. 2 AktG in Anlehnung an § 111Abs. 4 S. 2 AktG um folgenden Satz 2 zu ergänzen: „DieSatzung kann bestimmen, dass bestimmte Arten von Ge-schäften nur mit Zustimmung der Hauptversammlungvorgenommen werden dürfen.“ Insoweit ist aber die Be-fürchtung nicht von der Hand zu weisen, dass zumal inPublikumsgesellschaften die Satzung hierzu schweigenwürde, was mit Blick auf den Schutz der Aktionärsrechtebedenklich wäre. Teilweise wurde insoweit deshalb dafürplädiert, die vorlagepflichtigen Maßnahmen gesetzlichfestzulegen, wobei es einer abstrakten Abgrenzung we-sentlicher strukturändernder Maßnahmen von (einfachen)Geschäftsführungsmaßnahmen nicht bedürfe. Ein andererVorschlag ging dahin, in § 119 Abs. 2 AktG eine Vorlage-pflicht des Vorstands einerseits nur allgemein hinsichtlichwesentlicher strukturändernder Maßnahmen festzuschrei-ben – wobei zum Teil dafür plädiert wurde, solche struk-turändernden Maßnahmen im Gesetz zu definieren undvon (einfachen) Geschäftsführungsmaßnahmen des Vor-stands im Gesetz abzugrenzen –, andererseits aber denSatzungsgeber zu zwingen, im Falle einer entsprechendenSatzungsbestimmung tatsächlich eine Vorlagepflicht hin-sichtlich strukturändernder Maßnahmen vorzusehen. Vor-geschlagen wurde folgende Formulierung: „Wesentlichestrukturändernde Maßnahmen sind der Hauptversamm-lung vorzulegen. Die Satzung kann hierzu Näheres be-stimmen.“ Dabei müsse es dem Satzungsgeber möglichsein, Vorratsermächtigungen des Vorstands durch dieHauptversammlung zu gestatten. Gegen diesen Vorschlagwurde eingewandt, der Satzungsgeber könnte hinter demvon der Rechtsprechung etablierten Niveau ungeschrie-bener Zuständigkeiten der Hauptversammlung bei we-sentlichen Strukturmaßnahmen zurückbleiben mit derFolge, dass die Satzung als nichtig angesehen oder Struk-turmaßnahmen, hinsichtlich derer ein satzungsmäßigesZustimmungsrecht der Hauptversammlung nicht gegebensei, mit einer Unterlassungs- oder Beseitigungsklage an-gegriffen werden könnten.

Eingehend erörtert hat die Regierungskommission sodannden Vorschlag, § 119 AktG um folgende Absätze 3 und 4zu ergänzen:

„(3) Der Vorstand ist verpflichtet, jede Maßnahme derGeschäftsführung, die den Kernbereich der unter-nehmerischen Tätigkeit der Gesellschaft betrifft undeinen schwer wiegenden Eingriff in die Rechte undInteressen der Aktionäre darstellt (Strukturmaßnah-men), der Hauptversammlung zur Beschlussfassung

vorzulegen, soweit dies nicht bereits anderweitig ge-setzlich vorgeschrieben ist. Eine Strukturmaßnahmeliegt in der Regel vor, wenn insbesondere [ein Drit-tel] des Umsatzes oder des Börsenwertes oder des bi-lanziellen Reinvermögens der Gesellschaft betroffenist. Der Beschluss der Hauptversammlung bedarf ei-ner Mehrheit, die mindestens drei Viertel des bei derBeschlussfassung vertretenen Grundkapitals um-fasst. Die Satzung kann eine größere Kapitalmehr-heit und weitere Erfordernisse bestimmen.

(4) Der Vorstand hat der Hauptversammlung, die gemäßAbsatz 3 über die Zustimmung zur Strukturmaß-nahme beschließen soll, einen schriftlichen Berichtzu erstatten, in dem die Strukturmaßnahme rechtlichund wirtschaftlich erläutert und begründet wird. Inden Bericht brauchen Tatsachen nicht aufgenommenwerden, deren Bekanntwerden geeignet ist, der Ge-sellschaft oder einem verbundenen Unternehmen ei-nen nicht unerheblichen Nachteil zuzufügen. In die-sem Falle sind in dem Bericht die Gründe, aus denendie Tatsachen nicht aufgenommen worden sind, dar-zulegen. Von der Einberufung der Hauptversamm-lung an, die gemäß Absatz 3 über die Zustimmungzur Strukturmaßnahme beschließen soll, ist der Be-richt in dem Geschäftsraum der Gesellschaft zur Ein-sicht der Aktionäre auszulegen. Auf Verlangen ist je-dem Aktionär unverzüglich und kostenlos eineAbschrift des Berichts zu übersenden. Der Bericht istnicht erforderlich, wenn alle Aktionäre auf seine Er-stattung durch notariell beurkundete Erklärung ver-zichten.“

Nach diesem Vorschlag wäre der Vorstand zur Vorlagevon Strukturmaßnahmen zur Entscheidung durch dieHauptversammlung verpflichtet, wobei der Begriff derStrukturmaßnahme durch eine gesetzliche Generalklauselmit Regelbeispiel definiert würde. Nicht erfasst von die-ser Regelung würde aber z. B. der Fall des Delisting. DieRegierungskommission ist nach eingehender Beratung zudem Ergebnis gelangt, dass sich eine gesetzliche Rege-lung der Holzmüller-Problematik weder im Sinne diesesVorschlags noch auf andere Weise empfiehlt; der Bundes-regierung soll kein entsprechender Vorschlag unterbreitetwerden. Eine Regelung hat nur dann Sinn, wenn mit ihrtatsächlich gegenüber der derzeitigen Rechtslage ein Ge-winn an Rechtssicherheit verbunden wäre. Die vorge-schlagene Generalklausel mit Regelbeispiel erfüllt dieseAnforderung aber letztlich ebenso wenig wie eine eben-falls denkbare Regelung durch Satzungsbestimmung, ver-bunden mit Vorgaben für eine Satzungsregelung im Codeof Best Practice. Die vorgeschlagene Generalklausel wärenicht geeignet, die Problematik abschließend zu klären.Über die bereits bestehende Unsicherheit hinaus könntensich aus einer solchen Regelung neue Fragen ergeben.Auch die Einräumung von Satzungsfreiheit erscheintnicht als geeignet, für mehr Rechtssicherheit zu sorgen.Insoweit steht zu befürchten, dass es zu Rechtsstreitigkei-ten wegen lückenhafter Satzungsbestimmungen kommenwürde. Zudem würde Satzungsfreiheit in diesem Bereichdazu führen, dass Aktien verschiedener Gesellschaftenunterschiedliche Arten von Mitgliedschaftsrechten ge-

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währten. Die Regierungskommission ist in Anbetrachtdessen nach reiflicher Überlegung zu dem Ergebnis ge-langt, dass von einer Empfehlung zur gesetzlichen Rege-lung der Holzmüller-Problematik abgesehen, und die wei-tere Präzisierung dieser Grundsätze wie bisher und wie imUS-amerikanischen Recht der wissenschaftlichen Litera-tur und der Rechtsprechung überlassen bleiben sollte.

3. Die Einberufung der Hauptversammlung

(a) Form

Nach geltendem Recht ist die Einberufung zur Hauptver-sammlung „in den Bundesanzeiger einzurücken“ (§ 121Abs. 3 S. 1 i. V. m. § 25 S. 1 AktG). Dies bedeutet, dasseine Bekanntmachung in schriftlicher Form im Bundes-anzeiger zu erfolgen hat.

Die Regierungskommission spricht sich dafür aus, denGesellschaften künftig die Möglichkeit zu eröffnen, dieEinberufung der Hauptversammlung im Bundesanzeigerstatt in schriftlicher Form in elektronischer Form zu ver-öffentlichen. Zu diesem Zweck empfiehlt sich, § 25 S. 1AktG so zu ändern, dass die Formulierung „in den Bun-desanzeiger einzurücken“ ergänzt wird durch „oder überein gleichwertiges elektronisches Informationsmediumdes Bundesanzeigers zugänglich zu machen.“ Bei einerVeröffentlichung in elektronischer Form können auch Än-derungen der Tagesordnung, die sich erst kurz vor demvorgesehenen Veröffentlichungstermin ergeben, nochberücksichtigt werden, was bei schriftlicher Veröffentli-chung nicht möglich ist. Überdies hat der Kapitalmarkt einInteresse an schnellerer Verfügbarkeit der Informationen.

Auf längere Sicht mag sogar die schriftliche Publizitätdurch eine ausschließlich elektronische Publizität abgelöstwerden können. Vorerst sollte aber noch an der schriftli-chen Publizität als Alternative zur elektronischen Publi-zität festgehalten werden. Eine derartige Zweigleisigkeitist freilich insofern problematisch, als die Adressaten derBekanntmachungen sowohl das elektronische Informati-onsmedium des Bundesanzeigers als auch den Bundesan-zeiger in schriftlicher Fassung verfolgen müssen. Prak-tisch ist indes davon auszugehen, dass der Bundesanzeigersämtliche Bekanntmachungen elektronisch zugänglichmachen wird, also auch solche, hinsichtlich derer von derbekannt machenden Gesellschaft eine Veröffentlichung(lediglich) in schriftlicher Form vorgesehen ist.

Den Gesellschaften sollte ermöglicht werden, die Einbe-rufung der Hauptversammlung entweder in schrift-licher Form in den Bundesanzeiger einzurücken odersie in einer elektronischen Version des Bundesanzeigerszu veröffentlichen.

Nicht die Zustimmung der Regierungskommission findetdagegen der Vorschlag, eine Veröffentlichung der Einbe-rufung (ausschließlich) über die Homepage der Gesell-schaft zuzulassen, also die zwingende Bundesanzeigerpu-blizität abzuschaffen. Der Zugang zu den Einberufungenmuss über ein einziges Portal oder einen einzigen Anbie-ter bestehen. Würde man die Sammlung der Informatio-

nen auf den verschiedenen Homepages dem Markt überlassen, wäre die rechtzeitige Verfügbarkeit der Infor-mationen nicht sichergestellt. Eine Veröffentlichung aufder Homepage bietet überdies nicht die erforderlicheRichtigkeitsgewähr. Den Gesellschaften ist freilich unbe-nommen, über einen Link auf ihrer Homepage auf daselektronische Informationsmedium des Bundesanzeigerszu verweisen. Die Regierungskommission ist allerdingsder Auffassung, dass eine (freiwillige) Ergänzung derzwingenden Bundesanzeigerpublizität durch Ankündi-gungen auf der Homepage der Gesellschaft bei börsenno-tierten Gesellschaften durchaus wünschenswert ist.

Der Kommission zur Entwicklung des Corporate Gover-nance-Kodex für börsennotierte Gesellschaften wirdempfohlen, dort festzulegen, dass die Hauptversamm-lungstermine außer auf dem in § 121 Abs. 3 und 4 AktGvorgesehenen Weg auch in anderer Weise, z. B. durch ei-nen Finanzkalender angekündigt und auf der Websiteder Gesellschaft publiziert werden sollten.

Nach § 121 Abs. 4 S. 1 AktG kann die Hauptversammlungmit eingeschriebenem Brief einberufen werden, wenn dieAktionäre der Gesellschaft namentlich bekannt sind. Ei-ner Ergänzung der Regelung dahin, dass in diesem Fallauch eine Einberufung per E-Mail möglich ist, bedarf esangesichts der bevorstehenden Änderung der Vorschrift(„Sind die Aktionäre der Gesellschaft namentlich be-kannt, so kann die Hauptversammlung mit eingeschriebe-nem Brief einberufen werden, wenn die Satzung nichtsanderes bestimmt,...“) durch das im Entwurf vorliegendeFormanpassungsgesetz nicht.

(b) Anleger im Ausland

Die Internationalisierung der Anlegerschaft wirft Fragender grenzüberschreitenden Information und Ausübungvon Aktionärsrechten auf. Was die Einberufung ausländi-scher Anleger angeht, gilt Folgendes:

– Sind die Aktionäre namentlich bekannt, können siemit eingeschriebenem Brief geladen werden (§ 121Abs. 4 AktG).

– Ist der Aktionär im Aktienregister der Gesellschafteingetragen, so ist er persönlich einzuladen (§ 125Abs. 2 Nr. 3 AktG).

– Hat die Gesellschaft Inhaberaktien ausgegeben, undunterhält ein ausländischer Anleger bei einer inländi-schen Depotbank ein Konto, so besteht kein besonde-res Problem: Er erhält die Einberufungsunterlagenüber seine Depotbank (§§ 125, 128 AktG).

– Probleme treten aber auf, wenn der Investor im Aus-land sein Depot bei einem ausländischen Depotinsti-tut unterhält. Der Vorstand ist zwar verpflichtet, auchausländischen Depotinstituten die Einberufungsunter-lagen unter den Voraussetzungen des § 125 AktG zuübersenden; aber das ausländische Finanzinstitut un-terfällt nicht den gesetzlichen Weiterleitungspflichtenaus § 128 AktG.

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Drucksache 14/7515 – 58 – Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode

Hieran kann das deutsche Recht nichts ändern. Der Inves-tor mit Sitz im Ausland kann freilich mit seinem dortigenDepotinstitut oder Finanzdienstleister durch entspre-chende Vereinbarung sicherstellen, dass dieser sich dieUnterlagen bei der Gesellschaft beschafft. Eine wesentli-che Erleichterung wäre hier, wenn die Gesellschaften ver-pflichtet wären, die Einberufung in einem elektronischenInformationsmedium (ihrer Website) bekannt zu machen.Bisher ist dies der Satzung freigestellt (§ 121 Abs. 3 S. 1 i. V. m. § 25 S. 2 AktG). Der ausländische Investorkönnte dann selbst oder über sein Depotinstitut oder einenentsprechenden Dienstleister Kenntnis von der Einberu-fung erlangen. Insoweit ist auf die entsprechende Emp-fehlung der Regierungskommission zur Internetpublizitätder Einberufung hinzuweisen2.

Überdies empfiehlt die Regierungskommission der ein-zurichtenden Kommission zur Entwicklung eines Cor-porate Governance-Kodex für börsennotierte Unterneh-men die Aufnahme einer Regel, dass die Gesellschaftallen Finanzdienstleistern und Aktionären, die dies vornicht längerer Frist als einem Jahr verlangt haben, dieEinberufung der Hauptversammlung mitsamt den Ein-berufungsunterlagen – auf deren Verlangen auf elek-tronischem Wege – mitteilt.

Diese Empfehlung geht über die in § 125 Abs. 2 und 5AktG vorgesehenen Beschränkungen hinaus. Im Übrigenunterstützt die Regierungskommission die Bemühungender Bundesregierung im Rahmen internationaler Organi-sationen (EU; OECD), die grenzüberschreitende Ausü-bung von Aktionärsrechten zu erleichtern.

(c) An deutschen Börsen gelistete ausländische Emittenten

Gegenstand der Beratungen der Regierungskommissionwar auf entsprechende Anregung hin auch die Informa-tion inländischer Anleger über ausländische Emittenten,die im Inland notiert sind. Der Emittent im AmtlichenHandel zugelassener Aktien hat unabhängig vom Sitz-oder Gründungsstaat die Einberufung der Hauptver-sammlung nach § 63 Abs.1 BörsZulVO zu veröffentli-chen, und zwar nach § 70 Abs.1 BörsZulVO in einem odermehreren Börsenpflichtblättern, wobei die Veröffentlichungin jedem Fall in einem überregionalen Börsen-pflichtblattzu erfolgen hat. Eine ähnliche Verpflichtung gilt gemäß §§60, 62 der Börsenordnung für die Frankfurter Wertpapier-börse für den Geregelten Markt. Das Regelwerk NeuerMarkt der Deutschen Börse AG schließlich sieht vor, dassder Emittent die Einberufung der Hauptversammlung inmindestens einer Tageszeitung mit überregionaler Verbrei-tung zu veröffentlichen hat. Insoweit empfiehlt sich nachAuffassung der Regierungskommmission, die derzeit nochvorgesehene Zeitungspublizität nach Einrichtung des vonder Regierungskommission befürworteten einheitlichenelektronischen Zugangsportals („Deutsches Unternehmens-

register“)3 durch eine elektronische Publizität zu ersetzen.Im Zusammenhang mit der Errichtung eines derartigen ein-heitlichen Portals sollten die Emittenten verpflichtet wer-den, dem Bundesanzeiger oder der Börse die Einberufungs-daten in elektronischer Form zu übermitteln. Der Zugriff aufdie in dieser Form zur Verfügung stehenden Daten kann so-dann durch elektronische Verknüpfung (link) der entspre-chenden Datenbank mit dem Zugangsportal gewährleistetwerden.

Die Regierungskommission schlägt vor, die Informatio-nen deutscher Anleger über an deutschen Börsen gelis-tete ausländische Unternehmen zu verbessern. NachEinrichtung des einheitlichen elektronischen Zugangs-portals („Deutsches Unternehmensregister“) sollte diebisher (für die Einberufung) vorgesehene Zeitungspu-blizität durch eine elektronische Publizität ersetzt wer-den. Ausländische, im Inland gelistete Emittenten solltenverpflichtet werden, der Börse bzw. dem Bundesanzeigerdie für die Aktionärskommunikation erforderlichen Da-ten in elektronischer Form zu Verfügung zu stellen.

Eine Verpflichtung ausländischer Emittenten, die Einberu-fungsunterlagen, zu denen neben der Einberufung etwaauch die Tagesordnung sowie etwaige Anträge und Wahl-vorschläge rechnen können, analog § 125 Abs. 2, 3 AktGeinzelnen Aktionären zu übermitteln sowie analog § 125Abs. 1 AktG solchen Kreditinstituten und Aktionärsverei-nigungen, die dies verlangen, wird nicht befürwortet. Einesolche Ausdehnung des deutschen Einberufungsmodellsauf ausländische Emittenten käme erst dann in Betracht,wenn die Papierform durch die elektronische Form ersetztwäre.

(d) Einberufungsfrist

Nicht zu befürworten ist eine Empfehlung, die Einberu-fungsfrist, die gemäß § 123 Abs. 1 AktG mindestens einenMonat beträgt, und unter Umständen (vgl. § 123 Abs. 2AktG) sogar einen noch größeren Zeitraum umfasst, zuverlängern. Zum einen ist insoweit darauf hinzuweisen,dass die deutschen Einberufungsfristen im internationalenVergleich eher großzügig bemessen sind. Zum anderen isteine rechtzeitige Einladung ausländischer Investorenkünftig jedenfalls dadurch gewährleistet, dass börsenno-tierte Gesellschaften in Zukunft ihre Hauptversamm-lungstermine durch einen Finanzkalender ankündigenund auf ihrer Website publizieren4, und ferner allen Finanzdienstleistern und Aktionären, die dies vor nichtlängerer Frist als einem Jahr verlangt haben, die Einberu-fung der Hauptversammlung mitsamt den Einberufungs-unterlagen – insbesondere auf elektronischem Wege – mitteilen sollten5. Dass Eintrittskarten aufgrund der Ein-berufungsfrist von vier Wochen mitunter zu spät an aus-ländische Investoren gelangen, liegt im Wesentlichenaußerhalb des Einflussbereichs der deutschen Emittenten.

2 Rdz. 84.

3 Unten Rdz. 252.4 Oben Rdz. 84.5 Oben Rdz. 86.

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Wenn sich künftig elektronische Abstimmungen durch-setzen6, wird sich dieses Problem weiter entschärfen.

(e) Angabe der „Zeit“ der Hauptversammlung

In einer bei der Regierungskommission eingegangenenStellungnahme wird angeregt, die Vorschrift des § 121 Abs. 3 S. 2 AktG, wonach die Einberufung derHauptversammlung u. a. „Zeit und Ort der Hauptver-sammlung“ anzugeben hat, dahin zu ändern, dass künftigstatt der „Zeit“ der „Beginn“ der Hauptversammlung an-gegeben werden sollte. Damit wäre, was derzeit nicht derFall ist, gewährleistet, dass eine für nur einen Tag einbe-rufene Hauptversammlung, die nicht bis Mitternacht die-ses Tages beendet ist, nicht wiederholt werden müsste,sondern am folgenden Tag fortgesetzt werden könnte. –Die Regierungskommission spricht sich gegen diesenVorschlag aus. Steht zu erwarten, dass eine Hauptver-sammlung nicht an einem Tag beendet werden kann, so be-steht die Möglichkeit, sie vorsorglich von vornherein fürzwei Tage einzuberufen. Den Bedürfnissen der Praxis istdamit ausreichend Rechnung getragen. Im Übrigen ist derZwang, eine für nur einen Tag einberufene Hauptver-sammlung bis Mitternacht dieses Tages zu beenden, derEntscheidungsfindung häufig förderlich. Wäre bei der Ein-berufung der Hauptversammlung nur noch der Beginn an-zugeben, so hätte die Verwaltung im Übrigen die Möglich-keit, eine Hauptversammlung bewusst taktisch in die Längezu ziehen, um bei Absinken der Präsenz am zweiten Tageine gewünschte Beschlussfassung sicherzustellen.

Kritik wurde auch daran geäußert, dass eine Hauptver-sammlung zu den normalen Bürostunden stattfindenmüsse. Berufstätige würden damit faktisch von der Wahr-nehmung ihrer Aktionärsrechte ausgeschlossen. Dies istallerdings ausschließlich praktischen Erfordernissen, nichtrechtlichen Anforderungen zuzurechnen. Aus Rechtsgrün-den hat die Hauptversammlung nicht zwingend zu einerbestimmten Zeit stattzufinden. Maßgeblich bei der Fest-setzung der Tagungszeit, die vom Satzungsgeber odermangels Satzungsregelung vom Einberufenden vorge-nommen werden kann, sind lediglich Gesichtspunkte derZumutbarkeit und der Verkehrssitte. Gegen eine Haupt-versammlung in den Abendstunden, an der auch Berufs-tätige teilnehmen können, bestehen daher in einer AG mitgeschlossenem Aktionärskreis keine Bedenken. In einerPublikumsgesellschaft ist dies aus praktischen Gründennicht möglich, was aber vom Gesetzgeber nicht zu ändernist. Wenn sich künftig die elektronische Teilnahme undAbstimmung durchsetzen7, wird auch die Teilnahme wei-terer Anleger, die nicht zur Hauptversammlung anreisenkönnen, in breiterem Umfang möglich sein als bisher.

(f) Beschlussvorschläge in der Einberufung

Nach § 124 Abs. 3 S. 1 AktG haben Vorstand und Auf-sichtsrat zu jedem Gegenstand der Tagesordnung „in der

Bekanntmachung der Tagesordnung“, d. h. bei der Einbe-rufung in den Gesellschaftsblättern (vgl. § 124 Abs. 1 S. 1 AktG), eigene Vorschläge zur Beschlussfas-sung zu machen. Verstöße hiergegen machen die in derHauptversammlung gefassten Beschlüsse auch dann an-fechtbar, wenn alle anwesenden Aktionäre der Beschluss-fassung zustimmen (§ 243 Abs. 1 AktG), weil § 124 Abs. 3, 4 AktG gerade den Schutz der abwesenden Ak-tionäre bezwecken. In einer bei der Kommission einge-gangenen Stellungnahme wird angeregt, die Beschluss-vorschläge von Vorstand und Aufsichtsrat sollten erstnach § 125 Abs. 1 AktG mitgeteilt werden. Es stelle eineerhebliche Erleichterung dar, wenn die in der Regel sehrumfangreichen Beschlussvorschläge nicht im Wortlaut imBundesanzeiger veröffentlicht werden müssten.

Die Regierungskommission schließt sich dem nicht an.Insoweit ist zum einen darauf zu verweisen, dass sie dieZulassung einer elektronischen Bundesanzeigerpublizitätempfiehlt8, womit sich das Problem der kostenträchtigenÜberfüllung des Bundesanzeigers künftig häufig erledi-gen dürfte. Zum anderen ist nicht selten fraglich, ob dieMitteilung gemäß § 125 Abs. 1 AktG, die erst binnen 12 Tagen nach der Bekanntmachung der Einberufung imBundesanzeiger zu erfolgen hat, wobei die Absendung in-nerhalb dieser Frist genügt, überhaupt bei den Aktionärenankommt, und ob sie sich dann noch rechtzeitig zurHauptversammlung anmelden können. Es ist aber etwasganz anderes, ob der Aktionär nur eine mehr oder wenigeraussagekräftige Tagesordnung erhält, oder ob die Verwal-tung verpflichtet ist, ihm zugleich ihre Beschlussvor-schläge vorzulegen.

4. Mitteilungen nach § 125 AktG

Bemängelt wird die hohe Zahl der Mitteilungen, die Un-ternehmen nach § 125 Abs.1 AktG zu versenden hätten.Dies stelle eine erhebliche Kostenbelastung insbesonderefür junge Unternehmen dar. Diese Druck- und Versand-kosten ließen sich einsparen, wenn die Gesellschaft dieseInformationen, statt sie zu versenden, auf ihrer Internet-seite vorhalten könnte.

Die Regierungskommission schließt sich dieser Anregungnicht an. Bis zum Inkrafttreten des Namensaktiengesetzes(NaStraG) entsprach es zwar der Auffassung des Fach-schrifttums, dass die Unterlagen gemäß § 125 Abs. 1AktG schriftlich zu übermitteln seien. Dies lässt sich aberseit Inkrafttreten des NaStraG nicht mehr halten: § 125Abs. 2 AktG, der die Mitteilung an Aktionäre betrifft,sprach früher davon, dass der Vorstand die gleichen Un-terlagen den Aktionären „zu übersenden“ habe. Dieswurde bewusst vom Gesetzgeber offener formuliert(„Mitteilung ... zu machen; § 125 Abs. 2 S. 1; vgl. auch dieentsprechende Neuformulierung des § 125 Abs. 4 AktG),um deutlich zu machen, dass auch elektronische Übertra-gungsformen, z. B. Bedienung einer Mailing-Liste oderEinsatz von Push-Technologien, nicht ausgeschlossen

6 Unten Rdz. 115 ff.7 Unten Rdz. 115 ff. 8 Oben Rdz. 83.

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sein sollten. Dies gilt dann, wegen der identischen For-mulierung, nicht nur für die Mitteilungen nach § 125 Abs. 2 AktG, sondern auch für die Mitteilungen nach § 125 Abs. 1 AktG. Den Unternehmen ist seither unbe-nommen, den Kreditinstituten und Aktionärsvereinigun-gen die betreffenden Unterlagen kostengünstig elektro-nisch zu übermitteln.

Der weiteren Forderung, zumindest in den Fällen des § 125 Abs.2 AktG (Übermittlung an Aktionäre) auf eineÜbersendung an die Aktionäre ganz zu verzichten, wenndie Einberufungsunterlagen auf der Website der Gesell-schaft verfügbar seien, schließt sich die Regierungskom-mission gleichfalls nicht an9. Zum einen ist das NaStraGerst seit kurzem in Kraft und sollte nicht bereits wiedergeändert werden. Zum anderen erscheint ein bloßes Ein-stellen der Mitteilungen auf die Internetseite der Gesell-schaft, die dann von jedem Aktionär auf das Vorhanden-sein von Mitteilungen kontrolliert werden müsste(„Pull-Technologie“) gegenüber einer Versendung durchdie Gesellschaft („Push-Technologie“) als ökonomisch in-effiziente Lösung. Rechtsfragen des Zugangs, die sich beiVersendung der Mitteilungen durch die Gesellschaft aufelektronischem Wege ergeben könnten, lassen sich nach all-gemeinen Grundsätzen zufrieden stellend lösen.

5. Weiterleitung von Mitteilungen

Nach § 128 Abs.1 AktG hat ein Kreditinstitut, das für Ak-tionäre Aktien einer Gesellschaft verwahrt, ihm vom Vor-stand gemäß § 125 Abs.1 AktG gemachte Mitteilungenunverzüglich an die betreffenden Aktionäre weiterzuge-ben. Die Aufwendungen für die Vervielfältigung der Mit-teilungen und für ihre Übersendung an die Aktionäre hatdie Gesellschaft dem Kreditinstitut zu erstatten (vgl. § 128Abs. 6 S. 1 Nr. 2 AktG). Die Form der Weiterleitung nach§ 128 Abs. 1 AktG ist durch die Formulierung, die Mit-teilungen seien „weiterzugeben“, nicht festgelegt, sodassauch eine Weiterleitung in elektronischer Form in Be-tracht kommt. Die Kreditinstitute leiten die Mitteilungenindes derzeit in der Regel noch in schriftlicher Form wei-ter. Für eine kostenintensive Umstellung auf eine elektro-nische Weiterleitung fehlt der Anreiz, solange die Institutebei elektronischer Weiterleitung keine größeren Gewinn-spannen erzielen als bei schriftlicher Weiterleitung. Inso-weit könnte z. B. für eine entsprechende Gestaltung derAufwendungserstattung in der Rechtsverordnung nach § 128 Abs. 6 S. 1 Nr. 2 AktG gesorgt werden. Ob und inwelcher Weise hierauf hingewirkt werden sollte, mussaber den Emittenten, welche die Kosten der Weiterleitunggemäß § 128 Abs. 1 AktG zu tragen und von daher ein In-teresse an deren Senkung haben, überlassen bleiben.

6. Überlassung und Auslegung von Berichten

Für eine Reihe von Gegenständen der Tagesordnung siehtdas Gesetz vor, dass dem Aktionär im Vorfeld der Haupt-

versammlung bestimmte Unterlagen zur Einsicht offenstehen müssen. So sind für die jährlich erforderliche Ent-gegennahme des Jahresabschlusses samt Lagebericht so-wie für die Beschlussfassung über die Verwendung desBilanzgewinns und für die Entlastung der Verwaltungs-mitglieder der Jahresabschluss, der Lagebericht, der Be-richt des Aufsichtsrates und der Vorschlag des Vorstandsfür die Verwendung des Bilanzgewinns in den Geschäfts-räumen der Gesellschaft zur Einsicht für die Aktionäreauszulegen, und jedem Aktionär ist auf Verlangen eineAbschrift der Vorlagen zu erteilen (§§ 175 Abs. 2, 120Abs. 3 S. 3 AktG). Vorgeschrieben ist auch die Auslegungvon Unternehmensverträgen, die von der Einberufung derHauptversammlung an, die über die Zustimmung zu demVertrag beschließen soll, zu erfolgen hat (§ 293 f AktG).Bereitzuhalten sind die sonstigen im Zusammenhang mitdieser Entscheidung ebenfalls auszulegenden Unterlagen,nämlich Jahresabschlüsse und Lagebericht der vertrag-schließenden Unternehmen für die letzten drei Geschäfts-jahre (§ 293f Nr. 2 AktG) sowie die nach § 293a AktG erstatteten Berichte der Vorstände und die nach § 293eAktG erstatteten Berichte der Vertragsprüfer (§ 293f Nr. 3AktG). Es gibt zahlreiche weitere Fälle, in denen um-fangreiche Unterlagen zur Verfügung zu stellen sind, etwabei der Beschlussfassung über die Übertragung desganzen Vermögens der Gesellschaft (§ 179a AktG), beider Eingliederung (§§ 319 Abs. 3, 320 Abs. 4 AktG) so-wie bei verschiedenen Umwandlungsvorgängen nachdem UmwG.

Diese Informationsvorgänge können nach geltendemRecht nicht durch Veröffentlichung im Internet oder durchÜbersendung per E-Mail ersetzt werden. Die zusätzlichePräsentation auf der Website der Gesellschaft ist ein frei-williger Investor-Relation-Service. Angeregt worden ist,derlei Publikationen nach einer Übergangszeit nur nochim Internet vorzunehmen. Wer sich in die umfänglichenDokumente vertiefen wolle, dem sei auch zuzumuten,dass er sich eines Internetanschlusses bediene.

Die Regierungskommission vermag sich dieser Anregungnicht anzuschließen. Bei der Berichterstattung und Veröf-fentlichung von Unterlagen auf der Website kann es sichbis auf weiteres, da bisher weniger als die Hälfte der pri-vaten Anleger über einen Internetanschluss verfügt, nurum eine zusätzliche Option handeln; die Schriftlichkeitdarf nicht zugunsten einer ausschließlich elektronischenForm oder, alternativ, nach Wahl der Gesellschaft entfal-len. Allenfalls stellt sich die Frage, ob vorgesehen werdensollte, dass ein Aktionär von sich aus Übersendung inelektronischer Form statt in Schriftform verlangen kann(Wahlrecht des Aktionärs). Hierzu braucht man die Ge-sellschaften aber nicht anzuhalten, weil die Übermittlungin elektronischer Form in aller Regel kostengünstiger seindürfte. Eine Änderung der einschlägigen Vorschriften,zum Beispiel des § 175 Abs. 2 S. 2 AktG, wonach der Ak-tionär eine „Abschrift“ verlangen kann, dahin, dass erstatt einer Abschrift eine elektronische Übermittlung fordern kann, ist demnach nicht angezeigt. Und schließ-lich bedarf es auch keiner Klarstellung, dass keine Pflicht-verletzung und erst recht kein Anfechtungsgrund gegebenist, wenn ein Aktionär, der eine „Abschrift“ verlangt, sich9 Vgl. bereits oben Rdz.84.

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dabei aber mit einer elektronischen Übermittlung einver-standen erklärt hat, dementsprechend nur eine solche er-halten hat.

7. Berichte auf der Website

In einer bei der Regierungskommisson eingegangenenStellungnahme wird angeregt vorzusehen, dass Unterla-gen, die der Hauptversammlung vorzulegen und überdiesvon der Einberufung der Hauptversammlung an in den Ge-schäftsräumen der Gesellschaft zur Einsicht der Aktionäreauszulegen sind, zugleich auch ins Internet eingestellt wer-den sollten. Eine Ergänzung der bestehenden bzw. emp-fohlenen Auslegungs- und Bekanntmachungspflichtendurch eine – auch nicht börsennotierte Gesellschaften ein-beziehende – gesetzliche Verpflichtung zur zusätzlichenPublikation der betreffenden Dokumente im Internet wirdvon der Regierungskommission nicht befürwortet.

Der einzurichtenden Kommission zur Entwicklung ei-nes Corporate Governance-Kodex für börsennotierteGesellschaften wird empfohlen, in den Kodex eine Rege-lung aufzunehmen, wonach den Aktionären vorzule-gende und von der Einberufung der Hauptversamm-lung an zur Einsichtnahme durch die Aktonäreauszulegende Berichte und Unterlagen auch auf derWebsite der Gesellschaft veröffentlicht werden sollten.Des Weiteren wird der Kodex-Kommission empfohlen,sie möge sich in diesem Sinne auch mit dem – im Gesetznicht vorgesehenen – Geschäftsbericht befassen.

Der Geschäftsbericht ist häufig unmittelbar nach seinerVeröffentlichung zunächst nur in wenigen Druckexem-plaren verfügbar und daher für den Anleger praktisch nurschwer zugänglich.

8. Korrektur von VorstandsberichtenDie Pflicht, gewisse Vorstandsberichte von der Einberu-fung an auszulegen, kann zu folgenden Problemen führen:

– Erstens, der Bericht kann von vorneherein unrichtig,fehlerhaft sein, und dies u. U. erst später erkannt wer-den. Eine Korrektur ist nach derzeitiger Rechtslagenur in ganz engen Grenzen zugelassen.

– Denkbar ist, zweitens, dass im Zeitpunkt der Be-richterstattung dem Vorstand bestimmte Informatio-nen noch nicht zur Verfügung standen, oder dass dieSachlage sich nach Erstellen und Offenlegen des Be-richts geändert hat (zwischenzeitliche Änderung derSteuergesetzgebung; die Angaben über den Vertrags-partner bei Beherrschungsvertrag müssen geändertwerden; bei Bitte um Bewilligung genehmigten Ka-pitals waren im Zeitpunkt des Vorstandsberichts be-stimmte Informationen über den geplanten Erwerbnoch nicht verfügbar, die zunächst wahrheitsgemäßeAngabe dazu im Bericht trifft aber inzwischen nichtmehr zu).

Angeregt wird, gesetzliche Regeln über das Ergänzenoder die Korrektur von Vorstandsberichten zu entwickelnund dadurch Rechtssicherheit zu schaffen.

Dies würde sich nur dann empfehlen, wenn die Ordnungder damit verbundenen Fragen sich nicht in überzeugen-der Weise durch wissenschaftliche Literatur und Recht-sprechung erreichen ließe. Die Fachliteratur hat sich abereingehend sowohl mit dem von Anfang an falschen oderunvollständigen Vorstandsbericht als auch mit dem Vor-standsbericht befasst, der im Nachhinein falsch oder un-vollständig wird, weil jetzt andere Informationen vorlie-gen, oder sich die zuvor gegebene Lage geändert hat. Beieiner nachträglichen Änderung der Umstände kann einschriftlicher Vorstandsbericht nach der im Schrifttumüberwiegenden Auffassung sogar durch mündliche Erläu-terungen in der Hauptversammlung ergänzt oder richtiggestellt werden. Angesichts dieser den praktischen Be-dürfnissen genügenden Literaturauffassung bedarf es kei-ner gesetzlichen Regelung dieser Frage.

9. Zusatzanträge und Gegenanträge

(a) Anträge gemäß § 122 Abs. 2 AktG

Gemäß § 122 Abs. 2 AktG können Aktionäre, deren An-teile zusammen 5 % des Grundkapitals oder den anteili-gen Betrag von 500 000 Euro erreichen, verlangen, dassGegenstände zur Beschlussfassung einer Hauptversamm-lung bekannt gemacht werden. In einer bei der Kommis-sion eingegangenen Stellungnahme wird vorgeschlagen,§ 122 Abs. 2 AktG wie folgt zu formulieren: „In gleicherWeise können Aktionäre, deren Anteile zusammen denzwanzigsten Teil des Grundkapitals oder den anteiligenBetrag von 500 000 Euro erreichen, binnen einer Wochenach der Bekanntmachung der Einberufung derHauptversammlung im Bundesanzeiger verlangen,dass Gegenstände zur Beschlussfassung einer Haupt-versammlung bekannt gemacht werden“. Der Vor-schlag ist vor dem Hintergrund der Regelung des § 124Abs. 1 S. 2 AktG zu sehen, wonach Zusatzanträge einerAktionärsminderheit binnen zehn Tagen nach der Einbe-rufung der Hauptversammlung bekannt zu machen sind.

Die Regierungskommission ist der Auffassung, dass esder vorgeschlagenen Ergänzung des § 122 Abs. 2 AktGnicht bedarf und eine entsprechende Empfehlung dahernicht ausgesprochen werden sollte. Ist ein Zusatzantrag sospät gestellt worden, dass er nicht mehr innerhalb der 10-Tages-Frist des § 124 Abs. 1 S. 2 AktG mitgeteilt werden kann, so darf hierüber in der betreffenden Haupt-versammlung kein Beschluss gefasst werden (§ 124 Abs.4 S. 1 AktG). Eine weitere Auslegungsfrage ist dann, obder Zusatzantrag auch für die übernächste Hauptver-sammlung gestellt ist.

(b) Anträge gemäß § 126 AktG

Es wird Klage darüber geführt, dass das Gegenantrags-recht gemäß § 126 Abs. 1 AktG nicht selten miss-brauchtwerde. Nach dieser Vorschrift müssen Anträge von Ak-tionären nach § 125 AktG mitgeteilt werden, wenn derAktionär binnen einer Woche nach Bekanntmachung derEinberufung der Hauptversammlung der Gesellschaft ei-nen Gegenantrag übersandt und dabei mitgeteilt hat, er

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wolle in der Versammlung einem Vorschlag des Vorstandsund des Aufsichtsrats widersprechen und die anderen Ak-tionäre veranlassen, für seinen Gegenantrag zu stimmen.Das Gegenantragsrecht bereitet den Gesellschaften zumeinen insofern Probleme, als Aktionäre ihre Gegenanträgemitunter an eine andere als die von der Gesellschaft in derEinberufung der Hauptversammlung angegebene Adressesenden, weshalb mit nicht unerheblichem Aufwand dafürSorge getragen werden muss, dass etwa auch Gegenan-träge, die bei einer Zweigniederlassung kurz vor Ablaufder Mitteilungsfrist nach § 125 AktG eingehen, bei derMitteilung nach §§ 126 Abs. 1, 125 AktG noch Berück-sichtigung finden. Zum anderen kommt es vor, dass Ak-tionäre, die Gegenanträge zu stellen beabsichtigen, sichihre Bereitschaft abkaufen lassen, ihre Anträge überhauptoder rechtzeitig vorzulegen. Die Regierungskommissionhat insoweit sowohl den Vorschlag erwogen, einen Min-destanteilsbesitz für Gegenanträge zu fordern, als auchdie Empfehlung geprüft, künftig auf die Mitteilung vonGegenanträgen gemäß § 125 AktG zu verzichten.

Nach deutschem Recht (§ 126 AktG) kann jeder Aktionärunabhängig von Größe und Dauer seines AnteilsbesitzesGegenanträge stellen. Das ist international durchaus nichtüblich.

So kann nach US-amerikanischem Recht ein Aktionär ei-nen Gegenantrag nur stellen, wenn er Aktien in Höhe von1 % oder im Marktwert von 1 000 US-Dollar hält, undzwar seit mindestens einem Jahr. Es gibt weitere Be-schränkungen, was die Vorankündigung und die zulässigeAnzahl solcher Gegenanträge betrifft.

Nach englischem Gesellschaftsrecht gibt es weitere, er-heblichere Beschränkungen: Hier wird ein Anteilsbesitzvon 5 % oder, alternativ, eine Unterstützung des Gegen-antrags durch mindestens 100 Aktionäre mit Aktien imWert von jeweils mindestens 100 britischen Pfund gefor-dert. Allerdings wird in Großbritannien auch an eine He-rabsetzung auf das amerikanische Niveau gedacht (10 oder mehr Aktionäre mit einem Gesamtaktienbesitzvon 10 000 Pfund oder ein Aktionär mit einem Anteilsbe-sitz von 1 %).

Die Regierungskommission ist der Auffassung, dass diegeschilderten Probleme in zufrieden stellender Weise da-durch gelöst werden können, dass das Erfordernis derMitteilung von Gegenanträgen von Aktionären nach § 125 AktG abgeschafft wird. Stattdessen sollte künftigvorgesehen werden, dass Gegenanträge den Aktionärendurch die Gesellschaft (lediglich) „zugänglich zu machensind“, also insbesondere (ausschließlich) auf der Websiteder Gesellschaft veröffentlicht werden können. DieseVeröffentlichungspflicht soll zudem davon abhängen,dass der Gegenantrag an eine den Aktionären in der Einberufung der Hauptversammlung mitgeteilteAdresse versandt worden ist. Die Einführung einer sol-chen Regelung erscheint der Regierungskommissionüberzeugender, als einen wie auch immer festzulegendenMindestanteilsbesitz und eine Mindesthaltefrist für Ge-genanträge zu fordern.

Die Regierungskommission schlägt vor, dass die Ankün-digung von Gegenanträgen von Aktionären (§ 126AktG) einschließlich der Stellungnahmen der Verwal-tung dazu künftig nicht mehr nach § 125 AkG mitgeteilt,sondern lediglich in allgemein zugänglicher Form, etwaauf der Internetseite der Gesellschaft, veröffentlichtwerden muss, und auch dies nur, wenn der Antrag aneine den Aktionären in der Einberufung der Hauptver-sammlung mitgeteilte Adresse gesandt worden ist.

Richtig ist zwar, dass dann diejenigen Aktionäre, die nichtüber einen Internetanschluss verfügen oder sich nach Er-halt der Einberufungsunterlagen die Internetseite der Ge-sellschaft nicht mehr anschauen, die Information über Obund Inhalt von Gegenanträgen nicht erhalten. Dies er-scheint der Regierungskommission aber hinnehmbar, daes sich zum einen nur um die Ankündigung von Anträgenhandelt, die in der Hauptversammlung ohnedies noch ge-stellt werden müssen, um behandelt werden zu können,und zum anderen der Aktionär bereits durch die ihm in je-dem Fall bekannt zu gebende Tagesordnung über diejeni-gen Punkte, zu denen Gegenanträge gestellt werden könn-ten, informiert ist.

10. Anmeldung zur Hauptversammlung; Hinterlegung

(a) Anmeldung

Die Satzung kann gemäß § 123 Abs. 2 S.1 AktG die Teil-nahme an der Hauptversammlung oder die Aus-übungdes Stimmrechts davon abhängig machen, dass sich dieAktionäre anmelden. Grundsätzlich handelt es sich beider Anmeldung um eine formlose Erklärung; die Sat-zung kann indes Schriftform vorsehen und tut dies inder Praxis auch häufig. Einer Anmeldung auch auf elek-tronischem Wege steht indes in diesem Fall künftignichts mehr entgegen: Für rechtsgeschäftliche Former-fordernisse sieht § 127 Abs. 2 BGB in der Fassung desim Entwurf vorliegenden Formanpassungsgesetzes vor,dass eine „telekommunikative Übermittlung“ ohne Un-terschrift per E-Mail grundsätzlich genügt, es sei denn,dass sich aus der Satzung etwas anders ergibt. Ände-rungsbedarf besteht daher insoweit nicht mehr.

Gleichfalls keine Empfehlung wird zu der Frage ausge-sprochen, in welcher Weise sichergestellt werden sollte,dass eine Anmeldung per E-Mail nicht durch Unbefugteerfolgen kann. Insoweit entsprechende Vorkehrungenvorzusehen, ist Aufgabe der Satzung; für eine gesetzlicheRegelung eignet sich das Thema nicht.

(b) Hinterlegung

Gegenstand eingehender Beratungen der Regierungs-kommission war die Frage, ob es noch sachgerecht ist,dass die Satzung die Teilnahme an der Hauptversamm-lung oder die Ausübung des Stimmrechts davon abhängigmachen kann, dass die (Inhaber-)Aktien bis zu einem be-stimmten Zeitpunkt vor der Versammlung hinterlegt wer-den (vgl. § 123 Abs.2 und 3 AktG). Das Hinterlegungser-

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fordernis ist insofern problematisch, als der Begriff „Hin-terlegung“ bei ausländischen Investoren Anlass zu Mis-sverständnissen gibt, die der Attraktivität einer Anlage indeutsche Aktien abträglich sind: Mit dem Begriff „Hin-terlegung“ verbindet sich bei ausländischen Investorennicht selten die – rechtlich unzutreffende, gleichwohl aberverbreitete – Fehlvorstellung, eine Veräußerung der Ak-tien sei während der Hinterlegungsfrist ausgeschlossen.Mit Blick auf diese potenziell image-schädigende Wir-kung des Hinterlegungserfordernisses empfiehlt sich des-sen Abschaffung. In der Praxis werden ohnedies, auch beientsprechender Satzungsbestimmung, die Aktien nichthinterlegt, sondern es erfolgt lediglich eine Anmeldung,verbunden mit einer Bankbescheinigung. International istder Nachweis der Inhaberschaft zu einem Zeitpunkt vorder Hauptversammlung („record date“) verbreitet;Rechtssysteme mit Hinterlegungserfordernis gehen zu-nehmend hiervon ab.

Die Regierungskommission spricht sich vor diesem Hin-tergrund dafür aus, die Möglichkeit eines satzungsmäßi-gen Hinterlegungserfordernisses gemäß § 123 Abs. 2und 3 AktG zu beseitigen. Die Satzung soll demgemäßdie Teilnahme an der Hauptversammlung oder die Aus-übung des Stimmrechts künftig nur noch davon abhän-gig machen können, dass sich die Aktionäre vor der Ver-sammlung anmelden, und der formelle Nachweis ihrerAktionärsstellung durch Vorlage einer Bescheinigungerbracht wird. Wenn die Satzung ein entsprechendes An-melde- und Nachweis-Erfordernis vorsieht, soll es genü-gen, dass sich der Nachweis der Inhaberschaft auf densiebten Tag vor der Hauptversammlung bezieht. Kämees zu einer solchen Neuregelung, dann brauchten die De-potinstitute, anders als nach derzeitiger Praxis, den Ge-sellschaften Veräußerungen von Aktien nach dem sieb-ten Tag vor der Hauptversammlung nicht mehrmitzuteilen. Die Rechtslage bei Inhaberaktien ent-spräche insoweit jener bei Namensaktien: Der Vorstandbraucht nach allerdings umstrittener Auffassung bei Na-mensaktien Umschreibungen im Aktienregister nachAblauf der Anmeldefrist am siebten Tag vor der Haupt-versammlung (vgl. § 123 Abs. 4 AktG) nicht mehr vor-zunehmen.

Der denkbare Einwand, Nichtaktionäre, die ihre Aktiennach erfolgter Anmeldung mit Bescheinigung der Inha-berschaft und Ablauf der Anmeldefrist veräußert haben,könnten an der Hauptversammlung teilnehmen und mit-stimmen, was zur Anfechtbarkeit der betreffenden Be-schlüsse führe, überzeugt nicht. Eine Stimmabgabe vonNicht-Aktionären begründet nur ausnahmsweise die An-fechtbarkeit des betreffenden Hauptversammlungsbe-schlusses. Eine Anfechtbarkeit ist insbesondere mangelspotenzieller Kausalität des Fehlers für das Beschlusser-gebnis nicht gegeben, wenn die erforderliche Mehrheitauch nach Abzug fälschlich mitgezählter Stimmen ver-bleibt. Denkbaren Missbrauchsversuchen kann die Recht-sprechung angemessen begegnen.

Die Regierungskommission spricht sich dafür aus, dieHinterlegung von Aktien als Teilnahmevoraussetzung

oder Voraussetzung einer Stimmabgabe zu streichen.Stattdessen sollte die Satzung vorsehen können, dass Ak-tionäre ihre Inhaberschaft durch Vorlage oder elektro-nische Übermittlung einer durch eine in der Satzung be-stimmte Stelle erteilten Bescheinigung nachweisenkönnen. Wenn die Satzung ein entsprechendes An-melde- oder Nachweis-Erfordernis vorsieht, sollte esgenügen, dass sich der Nachweis der Inhaberschaft aufden siebten Tag vor der Hauptversammlung bezieht.

Die Bestimmung des § 193 BGB sollte auf den Nachweisentsprechend angewandt werden.

11. Vorabauskünfte; Ankündigung und Anzahlvon Fragen

(a) Vorabinformationen auf der Website

In bei der Regierungskommission eingegangenen Stel-lungnahmen wird vorgeschlagen, dass schriftliche Vorab-auskünfte sowie Vorabauskünfte auf der Website der Ge-sellschaft den Vorstand künftig berechtigen sollten, eineWiederholung dieser Auskünfte in der Hauptversamm-lung zu verweigern, ohne dass damit eine die Anfechtbar-keit des Hauptversammlungsbeschlusses begründende Informationspflichtverletzung gegeben wäre. Eine ent-sprechende Empfehlung hat auch der 63. Deutsche Juris-tentag abgegeben.

Die Regierungskommission spricht sich gleichfalls füreine Änderung des § 131 Abs. 1 AktG dahin aus, dass eineAuskunftspflicht in der Hauptversammlung nicht mehrbesteht, soweit der Vorstand die Information vorweg überein elektronisches Medium (Internet) allgemein zugäng-lich gemacht hat, und die Information in der Hauptver-sammlung ausliegt. Es geht dabei, was bereits durch denBegriff der vorab erteilten „Information“ zum Ausdruckkommt, weniger um eine Auskunftserteilung im Sinne einer Vorabbeantwortung tatsächlicher, per E-Mail über-mittelter Fragen von Aktionären, als um eine Vorabveröf-fentlichung von Zahlenmaterial und statistischem Mate-rial sowie insbesondere um eine Vorabveröffentlichungund -beantwortung in der Hauptversammlung zu erwar-tender (Standard-)Fragen durch den Vorstand selbst („fre-quently asked questions“). Keinesfalls sollte sich der Vor-stand bei Einführung einer solchen Regelung auf einaufwendiges, in der Publikumsgesellschaft nicht zu be-wältigendes Frage- und Antwort-Spiel im Internet im Vor-feld einer Hauptversammlung einlassen müssen. Die Be-antwortung vorab gestellter Fragen steht ihm frei. Soweiter dagegen von sich aus Fragen vorab beantwortet, soll erbei Bedarf in der Hauptversammlung darauf verweisenkönnen, ohne seine Informationspflichten zu verletzen.Dass Zusatzfragen, die sich im Anschluss an die Vorabbe-antwortung ergeben und sich im allgemeinen Rahmen des§ 131 AktG halten, in der Hauptversammlung zu beant-worten sind, versteht sich. Die vorgeschlagene Regelungkönnte die Hauptversammlung entlasten und die Gefahreiner Anfechtbarkeit von Hauptversammlungsbeschlüs-sen wegen Informationspflichtverletzungen verringern. –Die Information sollte nicht nur bis zum Beginn der Ab-

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stimmung über den betreffenden Tagesordnungspunkt,sondern im Hinblick darauf, dass ein Widerspruch gegenden Beschluss (§ 245 Nr. 1 AktG) bis zum Ende derHauptversammlung geprüft und erklärt werden kann, biszum Ende der Hauptversammlung auf der Website derGesellschaft abrufbar sein und in der Hauptversammlungausliegen.

§ 131 AktG sollte dahin erweitert werden, dass der Vor-stand eine Information verweigern kann, die bis zumEnde der Hauptversammlung auf der Website der Ge-sellschaft abrufbar ist und zugleich in der Hauptver-sammlung schriftlich ausliegt.

Nicht die Zustimmung der Regierungskommission findethingegen der Vorschlag, § 131 Abs. 4 AktG so zu ergän-zen, dass die dort vorgesehene Auskunftspflicht des Vor-stands entfällt, soweit die dem fragenden Aktionär erteilteAuskunft in der Hauptversammlung schriftlich ausliegt.Eine solche Regelung wäre geeignet, neue Anfechtungs-risiken zu begründen.

(b) Ankündigung und Anzahl von Fragen

Vorgeschlagen wird ferner eine Begrenzung der Zahl derFragen sowie eine Pflicht, für den Fall, dass ein Aktionärmehr als fünf Einzelfragen zu einem Tagesordnungspunktzu stellen beabsichtigt, diese Fragen vorab einzureichen.Eine entsprechende gesetzliche Regelung empfiehlt sichnach Auffassung der Regierungskommission nicht. DerHauptversammlung sollte ermöglicht werden, eine dies-bezügliche Regelung in ihrer Satzung oder einer Ge-schäftsordnung (§ 129 AktG) zu treffen. Der Gesetzgeberkönnte sich in diesem Fall auf die Vorgabe eines Min-deststandards beschränken, der durch die Satzung bzw.Geschäftsordnung nicht unterschritten werden darf. DieHauptversammlung könnte sodann eine unternehmensin-dividuelle Regelung treffen; den Gesellschaften würdenauf diese Weise Experimentiermöglichkeiten eröffnet.Ein gesetzlicher Mindeststandard sollte dergestalt vorge-geben werden, dass für den Fall, dass die Satzung oder dieGeschäftsordnung eine Begrenzung der Zahl der Fragenvorsieht, je Aktionär und Tagesordnungspunkt minde-stens fünf Fragen zulässig sein müssen. Darüber hinaussollte die Satzung bzw. Geschäftsordnung vorsehen kön-nen, dass Aktionäre, die mehr als fünf Fragen zu einemTagesordnungspunkt zu stellen beabsichtigen, diese biszu fünf Tagen vor der Hauptversammlung bei der Gesell-schaft einzureichen haben.

Die Regierungskommission empfiehlt: Die Satzungoder die Geschäftsordnung (§ 129 AktG) sollte die Zahlder Fragen von Aktionären in der Hauptversammlungbegrenzen können; in einem solchen Fall müssen je Ak-tionär und Tagesordnungspunkt mindestens fünf Fra-gen zulässig sein. Die Satzung oder die Geschäftsord-nung sollte ferner vorsehen können, dass Aktionäre, diemehr als fünf Fragen zu einem Tagesordnungspunkt zustellen beabsichtigen, diese bis zu fünf Tagen vor derHauptversammlung bei der Gesellschaft einzureichenhaben.

12. Ort und Übertragung der Hauptversamm-lung

(a) Versammlung im Ausland

In einer bei der Regierungskommission eingegangenenStellungnahme wird angeregt, die Zulässigkeit von Aus-landshauptversammlungen klarzustellen. Die überwie-gende Auffassung im (älteren) Fachschrifttum hat dieZulässigkeit von Auslandshauptversammlungen deut-scher Aktiengesellschaften generell verneint. Danachsollte auch die Satzung nicht zulassen können, dass dieHauptversammlung an einem Ort im Ausland stattfinde.Demgegenüber wird im neueren Schrifttum die Zulässig-keit von Auslandshauptversammlungen überwiegend, mitDifferenzierungen im Einzelnen, bejaht.

Die Regierungskommission gibt zu dieser Frage trotz desnachvollziehbaren Wunsches der Praxis nach diesbezüg-licher Rechtsklarheit keine Empfehlung ab. Bei Gesell-schaften, deren Aktien nicht zum Handel an einer Börsezugelassen sind, steht einer Hauptversammlung im Aus-land nichts im Wege, sofern keine Beschlüsse gefasst wer-den, für die das Gesetz eine Dreiviertel- oder größereMehrheit vorsieht, da insoweit eine Beurkundung nichterforderlich ist (vgl. § 130 Abs. 1 S. 3 AktG). Bei börsen-notierten Gesellschaften ist die Zulässigkeit einer Haupt-versammlung im Ausland mit Blick auf das Erforderniseiner notariell aufgenommenen Niederschrift (vgl. § 130Abs. 1 S. 1 und 2 AktG) hingegen fraglich. Hier stellt sichdas grundsätzliche Problem, inwieweit eine Niederschriftdurch ausländische Urkundspersonen einer notariellenNiederschrift als funktionell gleichwertig zu erachten ist.Diese hinter der Frage der Zulässigkeit von Auslands-hauptversammlungen stehende grundsätzliche Problema-tik sollte nicht punktuell im Aktienrecht, durch Zulassungvon Auslandshauptversammlungen, geregelt werden. ImÜbrigen besteht bei ausdrücklicher Zulassung von Aus-landshauptversammlungen durch den Gesetzgeber auchdie Gefahr des Missbrauchs.

(b) Ton- und Bildübertragung

Im Hinblick auf Vorschläge zu Parallel- und Satelliten-versammlungen10, zur Online-Teilnahme von Aktio-nären11 und Aufsichtsratsmitgliedern12 sowie zu rein „virtuellen“ Hauptversammlungen13 hat sich die Regie-rungskommission vorab mit allgemeinen Fragen derÜbertragung einer Hauptversammlung befasst. Für einesinnvolle Online-Teilnahme etwa ist erforderlich, dass diebetreffenden Personen das Geschehen über eine Bildlein-wand oder auf einem Bildschirm verfolgen und die Re-debeiträge hören können. Von einer Erörterung allgemei-ner medienrechtlicher Fragen, etwa, ob das so genannte

10 Unten Rdz. 110.11 Unten Rdz. 115 ff.12 Unten Rdz. 125.13 Unten Rdz. 111.

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Web-TV einer rundfunkrechtlichen Genehmigung bedarf,hat die Regierungskommission dabei abgesehen.

Aktienrechtlich ist zwar davon auszugehen, dass dieHauptversammlung auch der börsennotierten Gesell-schaft eine nicht öffentliche, der gesellschaftsinternenWillensbildung dienende Veranstaltung ist. Einer Online-Übertragung der Hauptversammlung steht aber jedenfallsdann in aktienrechtlicher Hinsicht nichts entgegen, wenndiese entweder in der Satzung oder in der Geschäftsord-nung der Hauptversammlung vorgesehen oder von derHauptversammlung durch einfachen Beschluss zugelas-sen ist. Regulierungsbedarf ist daher unter aktienrechtli-chem Aspekt nicht gegeben. Den Gesellschaften ist auchunbenommen, wenn sie, etwa durch Vergabe einer PIN,den Zugang zur Internet-Übertragung beschränken unddamit die Nichtöffentlichkeit der Hauptversammlungwahren, um „Fensterreden“ und mediale Auftritte gel-tungssüchtiger Aktionäre so weit wie möglich vermeiden.

Regulierungsbedarf sieht die Regierungskommission hin-gegen hinsichtlich der individualrechtlichen Frage vonVideo-/Audio-Aufnahmen von Redebeiträgen einzelnerHauptversammlungsteilnehmer ohne deren Einverständ-nis. Die Fachliteratur nimmt insoweit mit Blick auf eineentsprechende Entscheidung des Bundesgerichtshofs zurZulässigkeit von Tonbandmitschnitten an, jeder Aktionärkönne nach geltendem Recht aufgrund seines allgemei-nen Persönlichkeitsrechts verlangen, dass bei Über-tragung der Hauptversammlung im Internet seine Wortbeiträge ausgeblendet werden. Die Regierungskom-mission hält dies für problematisch. Bei Ausblendung vonRedebeiträgen einzelner Teilnehmer einer Präsenzhaupt-versammlung besteht die Gefahr, dass die zugeschaltetenAktionäre bei den anschließenden Abstimmungen nichtüber denselben Informationsstand verfügen wie die in derHauptversammlung physisch anwesenden Aktionäre.Überdies ist zu befürchten, dass zugeschaltete Aktionäresich bei zu häufiger oder lang andauernder Unterbrechungder Übertragung ausblenden. Auf der anderen Seite er-scheint der mit einer Übertragung von Redebeiträgenohne Einverständnis des Aktionärs verbundene Eingriff indessen Recht auf informationelle Selbstbestimmung ausArt. 2 GG nicht allzu gravierend. Ohnedies wird von demWiderspruchsrecht in der Praxis nur in geringem UmfangGebrauch gemacht. Von daher erscheint es mit Blick aufdie angesprochenen Nachteile einer Unterbrechung derÜbertragung insgesamt gerechtfertigt, eine Übertragungvon Redebeiträgen auch ohne das Einverständnis des je-weiligen Aktionärs aufgrund einer entsprechenden Sat-zungsbestimmung zu gestatten. Die Satzung sollte mit an-deren Worten vorsehen können, dass im Fall einer Online-oder telekommunikativen Übertragung der Hauptver-sammlung auch Wort- und Redebeiträge der Aktionäreübertragen werden können. Aktionäre, die ihre Re-debeiträge nicht übertragen sehen möchten, ist es unbe-nommen und zumutbar, einen Vertreter an ihrer Stellesprechen zu lassen. Die Befürchtung, bei Einführung derMöglichkeit zu satzungsmäßiger Beseitigung des Wider-spruchsrechts des einzelnen Aktionärs gegen die Übertra-gung seiner Wort- und Redebeiträge werde es kaum mehr

gelingen, die Medien von der Teilnahme insbesondere an „sensiblen“ Teilen der Hauptversammlung auszu-schließen, erscheint unbegründet. Der Versammlungslei-ter oder die Mehrheit der Hauptversammlung ist nach gel-tendem Recht befugt, die Medien erforderlichenfalls vonder Teilnahme an der Hauptversammlung auszuschließen.Soweit bei einer Übertagung im Internet ein Ausschlussder Medien von den Vorgängen in der Hauptversammlungpraktisch letztlich nicht durchzusetzen ist, ist es gegebe-nenfalls Sache des Satzunggebers, für geeignete Vorkeh-rungen Sorge zu tragen. Dem Satzunggeber ist es etwaunbenommen, den ihm eingeräumten Regelungsspiel-raum hinsichtlich der Beseitigung des Widerspruchs-rechts nicht voll auszuschöpfen.

Die Regierungskommission schlägt vor, die telekommu-nikative Übertragung von Redebeiträgen in der Haupt-versammlung mit Abbildung des Redners auch ohne dasEinverständnis des betreffenden Aktionärs zu gestatten,wenn die Satzung dies vorsieht.

(c) Parallel- und „Satelliten“-versammlungen

Der Begriff der Parallelversammlung bezeichnet dieDurchführung einer Präsenzversammlung an verschiede-nen Orten. Im Unterschied zu einer herkömmlichenHauptversammlung bei großen Publikumsgesellschaften,bei denen das Geschehen auf mehrere Großbildleinwändein verschiedene Versammlungsräume übertragen wird, er-folgt die Übertragung statt in einen oder mehrere Nach-barsäle etwa in eine andere Stadt. Auslegungspflichten,Einlasskontrollen und Abstimmungsvorgänge erfolgenparallel an allen Versammlungsorten und werden zentralübermittelt. Wenngleich eine solche Präsenzhauptver-sammlung an verschiedenen Orten im wissenschaftlichenSchrifttum zum Teil bereits nach geltendem Recht fürzulässig erachtet wird, birgt sie angesichts verschiedenerrechtlicher Zweifelsfragen doch zumindest ein erhebli-ches Anfechtungsrisiko. Im Hinblick darauf wird in beider Regierungskommission eingegangenen Stellungnah-men angeregt, die Zulässigkeit solcher Parallelversamm-lungen solle klargestellt werden.

Die Regierungskommission sieht für die Zulassung vonParallelversammlungen kein Bedürfnis, wenn der Gesetz-geber künftig – der Empfehlung der Regierungskommis-sion14 folgend – gestattet, dass die Aktionäre bei entspre-chender Satzungsbestimmung auch ohne eigene Präsenzam Ort der Hauptversammlung teilnehmen und – nachnäherer Maßgabe der Satzung – sämtliche oder einzelneRechte im Wege elektronischer Kommunikation ausübenkönnen. Eine solche Regelung würde auch ermöglichen,„Satelliten“-versammlungen zu veranstalten, bei denennur der Versammlungsleiter und erforderlichenfalls derNotar am eigentlichen Ort der Hauptversammlung anwe-send sein müssten, während Aktionäre an anderen Ortenversammelt sein und von dort aus zugeschaltet werden

14 Unten Rdz. 115 ff.

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könnten. Einer Veranstaltung paralleler, womöglich je fürsich beurkundungsbedürftiger Versammlungen an ver-schiedenen Orten bedarf es dann nicht mehr.

(d) Virtuelle Hauptversammlungen

Ein praktisches Bedürfnis für reine Internet-Hauptver-sammlungen unter Ausschluss eines Anspruchs der Ak-tionäre auf physische Teilnahme an einer an einem realenOrt stattfindenden Hauptversammlung besteht nach Auf-fassung der Regierungskommission mit Ausnahme dervirtuellen Universalversammlung (dazu sogleich) nicht.Eines Ausschlusses des Aktionärsrechts auf physische An-wesenheit bedarf es namentlich nicht, um etwaige räumli-che Kapazitätsprobleme bei überraschendem Erscheinenvon Aktionären am Ort der Hauptversammlung zu ver-meiden. Insoweit kann die Satzung im Zusammenhang mitder Gestattung der Online-Teilnahme15 vorsehen, dass Ak-tionäre, die gleichwohl persönlich am Ort der Hauptver-sammlung zu erscheinen beabsichtigten, dies vor derHauptversammlung anzumelden haben (§ 123 AktG).

Die Regierungskommission spricht sich jedoch dafür aus,die Durchführung einer Vollversammlung gemäß § 121Abs. 6 AktG auch als reine Internet-Hauptversammlungzu ermöglichen, wobei die Ausübung sämtlicher „ver-sammlungsgebundener“ Mitwirkungsrechte des Aktio-närs (Rede- und Auskunftsrecht; Stimmrecht; Wider-spruchsrecht) gewährleistet sein muss. Dazu sollte in § 121 Abs. 6 AktG das Erfordernis des „Erscheinens“durch das Erfordernis der „Teilnahme“ ersetzt werden,das nicht mehr die physische Anwesenheit an einem rea-len Ort voraussetzt, sondern den Aktionären die Teil-nahme an einer Hauptversammlung auch ohne eigenePräsenz an deren Ort im Wege elektronischer Kommuni-kation ermöglichen würde. Allerdings sollten Vollver-sammlungen nach Auffassung der Regierungskommis-sion nur dann als reine Internet-Hauptversammlungendurchgeführt werden können, wenn keine beurkundungs-bedürftigen Beschlüsse zu fassen sind. Für den Fall derFassung beurkundungsbedürftiger Beschlüsse sollte hin-gegen am Erfordernis physischer Anwesenheit jedenfallsdes Versammlungsleiters, der Vorstands- und Aufsichts-ratsmitglieder16 sowie des beurkundenden Notars an ei-nem realen Ort festgehalten werden.

Die Regierungskommission schlägt vor, die Durchführungeiner Universalversammlung (§ 121 Abs. 6 AktG) auch alsreine Internet-Hauptversammlung zu ermöglichen. Beur-kundungsbedürftige Beschlüsse sollten in einer solchenVersammlung aber nicht gefasst werden können.

13. Schriftliche Hauptversammlungs-entscheidungen

Gegenstand der Beratungen der Regierungskommissionwar sodann der Vorschlag, Hauptversammlungsbe-

schlüsse sollten durch schriftliches Einholen der Zustim-mung der jeweils erforderlichen Aktionärsmehrheit er-setzt werden können. Nach erteilter Zustimmung solle fürdie übrigen Aktionäre binnen vierzehn Tagen schriftlichesEinreichen von Fragen möglich sein. Bis zum Ablauf ei-nes Monats nach Bekanntgabe der Zustimmung oder derzuletzt erteilten Antwort solle, wie bei Hauptversamm-lungsbeschlüssen, die Möglichkeit zur Anfechtung eröff-net werden. Das Einholen der Zustimmung solle den Vor-stand dabei nur dann zur Umsetzung der geplantenMaßnahme verpflichten, wenn dies bei Einholen der Zu-stimmung bekannt gemacht worden war.

Aktionäre können nach geltendem Recht ihre Stimmrechtenur in der Hauptversammlung ausüben (§ 118 Abs. 1AktG). Selbst wenn alle Aktionäre sich einverstanden er-klären, ist eine Beschlussfassung außerhalb der Hauptver-sammlung unzulässig; auch die Satzung der Aktiengesell-schaft kann keine abweichende Regelung vorsehen (§ 23 Abs. 5 AktG). Anders das GmbH-Recht: Nach § 48Abs. 2 GmbHG kann bei Gesellschaften mit beschränkterHaftung die Beschlussfassung in der Gesellschafterver-sammlung durch eine schriftliche Abstimmung ersetzt wer-den. Dies trägt neben anderem zur Attraktivität der GmbHals einer im Vergleich zur AG flexibleren Rechtsform bei.

Richtig ist, dass es kaum überzeugende Gründe dafür gibt,weshalb die kleine AG mit geschlossenem Gesellschafter-kreis insoweit anders behandelt wird als die GmbH. Rich-tig ist aber auch, dass die §§ 118 ff., 121 ff., 241 AktG ausschließlich darauf abgestellt sind, dass eine Hauptver-sammlung stattfindet. Eine Umstellung des Systems, undsei es auch nur für nicht börsennotierte Gesellschaften,würde erhebliche Eingriffe und Modifikationen verlangen,deren Nutzeffekt letztlich zweifelhaft ist, da den Unterneh-men bei Bedarf eine andere gleichwertige Rechtsform zurVerfügung steht. Wo sich dies ohne tiefe Eingriffe hat be-werkstelligen lassen, hat der Gesetzgeber den Besonder-heiten kleiner Gesellschaften mit überschaubarem Ak-tionärskreis bereits Rechnung getragen, z. B. in § 121 Abs. 4 AktG und in § 130 Abs.1 S. 3 AktG. Weitere ko-stenmäßige Erleichterungen ergeben sich daraus, und zwarfür kleine und Publikumsgesellschaften gleichermaßen,dass Einladungen, Mitteilungen, Weisungen und Stimmab-gaben auf elektronischem Weg erfolgen können und dassSatellitenversammlungen an mehreren Orten sowie – beiUniversalversammlungen – virtuelle Zusammenkünfte –möglich werden17. Im Hinblick darauf schließt sich die Re-gierungskommission dieser Empfehlung nicht an.

14. Die Geschäftsordnung für die Hauptversammlung

Der Gesetzgeber des KonTraG hat in § 129 Abs. 1 AktGdie Möglichkeit vorgesehen, dass die Hauptversammlungsich eine Geschäftsordnung gibt. Von dieser Möglichkeitist bisher kaum Gebrauch gemacht worden. Es wird inso-weit geltend gemacht, dass eine generalisierende Formu-lierung den aktuellen Hauptversammlungssituationenmöglicherweise nicht gerecht werden könne und unter

15 Dazu unten Rdz. 115 ff.16 Zur Online-Teilnahme von Aufsichtsratsmitgliedern s. aber unten

Rdz. 125. 17 Oben Rdz.111.

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Umständen mehr einengend als förderlich wirke. Aucheine Zunahme von Verfahrensanträgen zur Geschäftsord-nung wird befürchtet. In bei der Regierungskommissioneingegangenen Stellungnahmen wird ausgeführt, eineVerbesserung sei zu erwarten, wenn das Anfechtungs- undAntragsrecht, das Rede- und Fragerecht und das Teilnah-merecht an der Hauptversammlung durch die Geschäfts-ordnung begrenzt werden könnten.

Eine Beschränkung des Anfechtungsrechts, eines unent-ziehbaren Mitgliedschaftsrechts, durch eine – nicht publi-zitätspflichtige – Geschäftsordnung der Hauptversamm-lung kommt nach Auffassung der Regierungskommissionnicht in Betracht. Dagegen sollte nach Auffassung der Re-gierungskommission die Satzung oder die Geschäftsord-nung die Zahl der Fragen von Aktionären in der Haupt-versammlung begrenzen können; es müssen je Aktionärund Tagesordnungspunkt aber mindestens fünf Fragenzulässig sein18. Ferner sollte die Geschäftsordnung vorse-hen können, dass Aktionäre, die mehr als fünf Fragen zueinem Tagesordnungspunkt zu stellen beabsichtigen,diese mindestens fünf Börsentage vor der Hauptver-sammlung bei der Gesellschaft einzureichen haben19.

Die Regierungskommission ist ferner der Auffassung,dass die Satzung oder die Geschäftsordnung auch ange-messene Begrenzungen der zeitlichen Ausübung desRede- und Auskunftsrechts sowie Beschränkungen derRednerliste festlegen können sollte.

Eine unverhältnismäßige Beschränkung etwa der Rede-zeit durch die Geschäftsordnung könnte notfalls durchVernichtung des betreffenden Hauptversammlungsbe-schlusses im Wege der Anfechtungsklage sanktioniertwerden.

15. Befugnisse des Leiters der Hauptversamm-lung

Die Regierungskommission hat verschiedene Vorschlägezur Erweiterung der Befugnisse des Leiters der Hauptver-sammlung erörtert, die von ihr sämtlich nicht befürwortetwerden. Hinsichtlich einer Begrenzung der Anzahl der Fragen pro Aktionär und Tagesordnungspunkt sowie einer zeitlichen Beschränkung des Rede- und Fra-gerechts ist auf die Vorschläge zur Ergänzung des § 129AktG zu diesen Punkten zu verweisen20. Eine gesetzlicheRegelung, wonach im Rahmen des § 131 AktG Detailfra-gen ohne grundsätzliche Bedeutung ausgeschieden wer-den können, empfiehlt sich dagegen ebenso wenig wieeine Regelung, dass missbräuchliche Auskunftsbegehrenzurückgewiesen werden können, oder eine Vorschrift,wonach nicht im Aktionärsinteresse liegende Fragen aus-geschlossen werden können. Auch dem Vorschlag, § 131Abs. 1 S.1 AktG so umzuformulieren, dass jedem Ak-tionär in der Hauptversammlung vom Vorstand Auskunft

über Angelegenheiten der Gesellschaft zu geben ist, es seidenn, dass sie zur sachgemäßen Beurteilung des Gegen-standes der Tagesordnung nicht erforderlich ist, ist nichtzu folgen; die darin liegende Ausweitung des Auskunfts-rechts ist weder erforderlich noch wünschenswert. KeineZustimmung findet auch der Vorschlag, der Leiter derHauptversammlung solle politische und weltanschaulicheFragen verbieten und den Frager für die gesamte Haupt-versammlung ausschließen können. Der Leiter der Haupt-versammlung kann bereits nach geltendem Recht politi-sche und weltanschauliche Ausführungen untersagen.Abgelehnt wurde schließlich auch der Vorschlag, es seienobligatorische Tonbandaufzeichnungen anzufertigen, diedann im Prozess vorgelegt werden müssten. Die beste-henden Beweismittel (Partei- und Zeugenvernehmung;Urkundsbeweis) reichen in der Regel aus.

16. Unmittelbare Online-Teilnahme von Aktionären

Nach geltendem Recht üben die Aktionäre ihre Rechte inden Angelegenheiten der Gesellschaft gemäß § 118 Abs.1AktG „in der Hauptversammlung“ aus. Nach dem Rege-lungsmodell der §§ 118 ff. AktG, welches das NaStraGunberührt gelassen hat, ist die Hauptversammlung dasphysische Zusammentreffen der Aktionäre. Der onlinezugeschaltete Aktionär ist deshalb kein „Teilnehmer“; erkann seine versammlungsbezogenen Rechte (Rederecht;Fragerecht; Stellen von Gegenanträgen; Stimmrecht; Wi-derspruchsrecht), da nicht physisch präsent, nicht selbstausüben.

Die Regierungskommission spricht sich dafür aus, eineunvermittelte Online-Teilnahme von Aktionären bei allenGesellschaften aufgrund einer entsprechenden Satzungs-bestimmung zu ermöglichen.

Die Satzung der Gesellschaft sollte vorsehen können,dass die Aktionäre unmittelbar an der Hauptversamm-lung auch ohne eigene Präsenz an deren Ort und ohneZwischenschaltung eines Vertreters teilnehmen undsämtliche oder einzelne Rechte im Wege elektronischerKommunikation ausüben können.

Damit soll nicht eine reine Internet-Hauptversammlung(Cyber-Hauptversammlung21), sondern lediglich eine On-line-Teilnahme von Aktionären an einer an einem realen Ortstattfindenden Hauptversammlung ermöglicht werden, beider nach geltendem Recht zumindest der Versammlungslei-ter, die Mitglieder des Vorstands und des Aufsichtsrats so-wie erforderlichenfalls der beurkundende Notar physischanwesend sein müssen. Dass es dabei bleiben sollte, brauchtnicht gesondert klargestellt zu werden, weil nach dem Vor-schlag der Regierungskommission nur die Aktionäre demOrt der Hauptversammlung fernbleiben können.

Eine unmittelbare Online-Teilnahme der Aktionäre bietetgegenüber einem „Vertreter-Modell“, bei dem die onlinezugeschalteten Aktionäre nur vermittels einer Stimm-

18 Oben Rdz. 106.19 Oben Rdz. 106.20 Oben Rdz. 106 und Rdz. 113. 21 Dazu oben Rdz. 111.

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rechtsvollmacht und über Weisungen an einen Vertreteragieren können, verschiedene Vorzüge. Zum einen ist esschon insofern ein Unterschied, ob der Aktionär nur mit-telbar über einen Vertreter oder unmittelbar selbst onlinean der Hauptversammlung teilnehmen kann, weil der Ak-tionär im letzteren Fall eher das Gefühl hat, „dabei zusein“, sodass diese Form der Partizipation vielleicht ehergewählt wird als das völlige Fernbleiben. Darüber hinausist eine Teilnahme über Vertreter einer unmittelbaren Teil-nahme nicht gleichwertig. Als mit den online zugeschal-teten Aktionären verbundener Vertreter dürfte künftig ingroßen Gesellschaften in der Regel ein Angestellter derGesellschaft oder ein von ihr benannter Stimmrechtsver-treter fungieren. Diese Vertreter können praktisch in derRegel keine speziellen Weisungen einer Vielzahl ange-schlossener Aktionäre entgegennehmen, sondern werdendem online mit dem Vertreter verbundenen Aktionär nurerlauben, sich für oder gegen den Verwaltungsvorschlagauszusprechen. Überdies wird ein Vertreter sich aus dem-selben Grund häufig, womöglich sogar in der Regel, wei-gern, das Auskunftsrecht für den Aktionär auszuüben oderfür ihn Widerspruch zu Protokoll zu erheben.

Verschiedene Einwände gegen die Gestattung der unmit-telbaren Online-Teilnahme an der Hauptversammlung na-mentlich bei börsennotierten Gesellschaften erscheinenim Ergebnis nicht überzeugend.

Besondere Anfechtungsrisiken aufgrund technischerStörungen der Kommunikation sind nicht gegeben. DieVerteilung des Risikos bei technischen Störungen richtetsich nach allgemeinen Grundsätzen. Störungen techni-scher Kommunikationsmittel durch Dritte, die von derGesellschaft nicht – namentlich wegen Unterlassens derEinrichtung geeigneter Sicherheitsvorkehrungen – zuvertreten sind, begründen demgemäß nicht die Anfecht-barkeit von Hauptversammlungsbeschlüssen. Regulie-rungsbedarf besteht insoweit nicht. Zur Beseitigung derin der Praxis insoweit bestehenden Unsicherheitenkönnte jedoch in der Begründung zu einem neuen § 118Abs. 1 S. 2 AktG erläutert werden, dass ein Regulie-rungsbedarf hinsichtlich der Risikoabgrenzung bei tech-nischen Störungen nicht gegeben sei, da insoweit die all-gemeinen Grundsätze zur Abgrenzung der RisikosphärenAnwendung fänden; es sei davon auszugehen, dass nichtvon der Gesellschaft zu vertretende Störungen der Kom-munikation nicht die Anfechtbarkeit eines Hauptver-sammlungsbeschlusses begründeten. Die Regierungs-kommission hat in diesem Zusammenhang ferner dieFrage erörtert, ob die Gesellschaften selbst Regelungenzur Risikoabgrenzung bei technischen Störungen treffenkönnen, namentlich in Form von entsprechenden (AGB-ähnlichen) Satzungsbestimmungen oder Bedingungenfür die Teilnahme an der Hauptversammlung und dieAusübung des Stimmrechts (vgl. § 121 Abs. 3 S. 2 AktG).Gegen eine Regelung, dass eine Online-Teilnahme dasFunktionieren des erforderlichen elektronischen Netz-werks voraussetze, bestehen keine Bedenken. Insoweitist darauf zu verweisen, dass es sich bei der satzungs-mäßigen Einräumung der Möglichkeit zur Online-Teil-nahme um ein zusätzliches Angebot für die Aktionärehandeln würde, das insofern der näheren Ausgestaltung

durch die Gesellschaft zugänglich wäre. Die Anfechtungwegen einer tatsächlich vorliegenden Gesetzesverlet-zung (§ 243 Abs.1 AktG) kann freilich durch Satzungs-gestaltung nicht ausgeschlossen werden.

Dem weiteren Einwand, bei uneingeschränkter Zulassungder Online-Rechtsausübung, insbesondere des Rede-,Frage- und Auskunftsrechts, bestehe die Möglichkeit, dieHauptversammlung erheblich in die Länge zu ziehen, istentgegenzuhalten, dass es der oben angeführte Vorschlagerlauben würde, den Aktionären nur hinsichtlich einzelnerRechte die Ausübung im Wege elektronischer Kommuni-kation zu ermöglichen. Dass damit zwei Klassen von Ak-tionären mit unterschiedlichen Rechten geschaffen wür-den, ist hinnehmbar. Immerhin wird den nicht vor Ortanwesenden Aktionären die Möglichkeit eingeräumt, ei-nen Teil ihrer mitgliedschaftlichen Rechte auszuüben, wasgegenüber der bisherigen Rechtslage eine Verbesserungihrer Rechtsstellung bedeuten würde. In der Praxis dürfteder Satzunggeber jedenfalls in großen Gesellschaften eineonline-Ausübung des Rede-, Frage- und Auskunftsrechtsnicht zulassen. Soweit die Gesellschaften überhaupt vonder Ermächtigung zur Gestattung der Online-TeilnahmeGebrauch machen werden, dürfte den Aktionären voraus-sichtlich lediglich eine Online-Ausübung des Stimmrechtsund möglicherweise des Widerspruchsrechts gestattet wer-den. Zu einem uferlosen In-die-Länge-Ziehen der Haupt-versammlung durch die online teilnehmenden Aktionärewird es dann praktisch nicht kommen.

Eine Empfehlung, dass bei Zulassung der online-Ausü-bung des Stimmrechts zugleich die Online-Aus-übung desWiderspruchsrechts gestattet werden müsse, empfiehlt sichin diesem Zusammenhang nicht. Eine Online-Ausübungdes Stimm-und Widerspruchsrechts wird in der Praxis allerVoraussicht nach ohnedies nur im Verbund oder gar nichtgestattet werden. Soweit nur das Stimmrecht, nicht aberauch das Widerspruchsrecht online ausgeübt werden kann,ist mit einer „Bestrafung“ der Gesellschaft in Gestalt einesAbschlags auf den Preis der Aktie zu rechnen.

Schließlich greift auch der Einwand nicht durch, es wi-derspreche dem Gebot der Standardisierung börsenge-handelter Aktien und damit dem Anlegerschutz, börsen-notierten Gesellschaften weitgehend Satzungsfreiheit inder Frage zu lassen, ob dem online zugeschalteten Ak-tionär einzelne versammlungsgebundene Rechte zustehensollten oder nicht. Das Gebot der Standardisierung bör-sengehandelter Aktien ist insofern gewahrt, als den Ak-tionären lediglich zusätzliche Möglichkeiten eingeräumtwerden. Es steht den Aktionären in jedem Fall nach wievor frei, persönlich oder durch einen Vertreter in derHauptversammlung zu erscheinen und sämtliche Ak-tionärsrechte auszuüben bzw. ausüben zu lassen.

17. Die Vertretung der Aktionäre

(a) Vollmachtstimmrecht der Kreditinstitute

Das System des Vollmachtstimmrechts der Kreditinstitutewar Gegenstand eingehender Debatten während der Bera-

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tungen zum KonTraG. Das NaStraG hat neben die Kredit-institute jetzt den Stimmrechtsvertreter der Gesellschaft ge-stellt; einzelne Gesellschaften machen hiervon bereits Ge-brauch. In Hinblick auf diese neuere Entwicklung, derenEinfluss die Bedeutung des Systems des Vollmachtstimm-rechts der Kreditinstitute zurückdrängen wird, und mitRücksicht darauf, dass ohne schwer wiegende Gründe oderneuere Entwicklungen nicht die erst vor drei Jahren getrof-fene Entscheidung des Gesetzgebers infrage gestellt werden sollte, hat die Regierungskommission von einerneuerlichen Diskussion oder gar Empfehlungen zum Voll-machtstimmrecht der Kreditinstitute abgesehen.

(b) Der von der Verwaltung benannte Stimmrechtsvertreter

§ 134 Abs. 3 S. 3 AktG i. d. F. des NaStraG geht davon aus,dass die Gesellschaft, d. h. die Verwaltung, selbst Stimm-rechtsvertreter benennen kann, wobei insoweit u. a. auchAngestellte der Gesellschaft in Betracht kommen.

Die Regierungskommission empfiehlt, in Analogie zudem ähnlichen Fall des § 135 Abs. 1 S. 2 AktG in § 134Abs. 3 AktG klarzustellen, dass Stimmabgaben durchvon der Gesellschaft benannte Stimmrechtsvertreter nurzulässig sind, wenn diesen ausdrücklich Weisungen er-teilt worden sind.

Einer solchen Klarstellung bedarf es schon in Hinblickdarauf, dass sonst Kollisionen mit dem arbeitsvertraglichbestehenden Direktionsrecht oder zumindest Interessen-konflikte zu befürchten wären. Außerdem ist die Frage deranalogen Anwendbarkeit des § 135 Abs.1 S. 2 AktG imFachschrifttum umstritten. Im Interesse der Gesellschaf-ten und der Aktionäre, die diese Möglichkeit nutzen wol-len, sollte die aus dieser Streitfrage resultierende Unsi-cherheit tunlichst bald beseitigt werden.

Festzuhalten ist, dass diese Ergänzung des § 134 Abs. 3AktG ausschließlich von der Gesellschaft benannte Stimm-rechtsvertreter (angestellte und sonstige; z. B. eine vomVorstand benannte Wirtschaftsprüfungsgesellschaft) be-träfe, nicht aber auch neutrale, unabhängige Stimmrechts-vertreter, d. h. solche, die nicht von der Gesellschaft benannt wurden, sondern sich von sich aus als Stimm-rechtsvertreter angeboten haben. Dies könnte in der Geset-zesbegründung klargestellt und ferner darauf hingewiesenwerden, dass der mit einer solchen Regulierung beförderteWettbewerb der Stimmrechtsvertreter und namentlich eineEntwicklung hin zu unabhängigen Stimmrechtsvertreterndem Wunsch des Gesetzgebers entspreche.

Die Regierungskommission empfiehlt des Weiteren, imCorporate Governance-Kodex eine Pflicht der Gesell-schaften vorzusehen, auf ihrer Internetseite entwederelektronische Verknüpfungen (links) zu denjenigenStimmrechtsvertretern anzubringen, die auf der letztenHauptversammlung Stimmrechte für Aktionäre aus-geübt haben, oder, alternativ, deren Stimmrechtsvor-schläge unmittelbar in das eigene Bildschirmformularbzw. schriftliche Weisungsformular zu integrieren.

Die Regierungskommission hat sich in diesem Zu-sammenhang auch mit der Frage befasst, ob sich eine gesetzliche Verpflichtung gesellschaftseigener Stimm-rechtsvertreter zur Ausübung des Rede-, Frage- und Wi-derspruchsrechts oder eine dahin gehende Kodex-Rege-lung empfiehlt. Die Depotbanken pflegen jedenfalls dieAusübung des Rede- und Auskunftsrechts nicht anzubie-ten (wohl aber die Ausübung des Widerspruchsrechts),weil es sich bei der Stimmrechtsvertretung für ihre Depot-kunden um ein Massenangebot handelt, das die Vermitt-lung individueller Redebeiträge und Auskunftswünsche inder Regel verbietet. Dies dürfte für den gesellschaftseige-nen Stimmrechtsvertreter erst recht gelten. Von daher dürf-ten Aktionäre, die Redebeiträge liefern oder Auskünfteverlangen wollen, nicht umhin können, in der Hauptver-sammlung zu erscheinen, es sei denn, die Satzung ermög-licht künftig eine Online-Ausübung des Rede- und Aus-kunftsrechts22, was freilich zumindest bei großenGesellschaften eher unwahrscheinlich sein dürfte. Unge-achtet dessen empfiehlt sich nicht, den gesellschaftseige-nen Stimmrechtsvertreter durch gesetzliche oder Kodex-Regelung zur Ausübung des Rede- und Fragerechts zuverpflichten. In diesem Zusammenhang ist Folgendes zubedenken. Die Regierungskommission empfiehlt, dassAktionäre, die mehr als fünf Fragen zu einem Tagesord-nungspunkt zu stellen beabsichtigen, diese mindestensfünf Börsentage vor der Hauptversammlung bei der Ge-sellschaft einzureichen haben. Außerdem müssen minde-stens fünf Fragen pro Tagesordnungspunkt und Aktionärzugelassen werden23. Wäre nun ein von der Gesellschaftbenannter Stimmrechtsverteter durch gesetzliche oder Ko-dex-Regelung dazu verpflichtet, auf Auftrag des Aktionärshin die eingereichten Fragen zu verlesen oder die nach derGeschäftsordnung zulässige Anzahl von Fragen für denonline mit ihm verbundenen Aktionär zu stellen, dann be-stände die Gefahr, dass eine derartige Regelung eine Fra-genflut geradezu provozieren könnte. Auch die Ein-führung einer Verpflichtung des gesellschaftseigenenStimmrechtsvertreters zur Einlegung von Widersprüchengegen gefasste Beschlüsse wird von der Regierungskom-mission nicht befürwortet. Die Satzung der Gesellschaftmag dies vorsehen. Bietet die Gesellschaft dies dagegennicht an, dann mag der Aktionär, der einen Redebeitrag lie-fern will, Fragen hat oder Widerspruch zu Protokoll erhe-ben möchte, entweder persönlich in der Hauptversamm-lung erscheinen oder sich dort individuell vertreten lassen.

18. Teilnahme von Vorstands- und Aufsichts-ratsmitgliedern

Nach § 118 Abs. 2 AktG „sollen“ die Mitglieder des Vor-stands und des Aufsichtsrats an der Hauptversammlungteilnehmen. Eine Anfechtung von Hauptversammlungs-beschlüssen wegen Abwesenheit von Organmitgliedernkommt demgemäß nicht in Betracht. Dabei sollte es nachAuffassung der Regierungskommission auch künftig blei-ben. Die Vorschrift statuiert jedoch nach Auffassung der

22 Vgl. dazu oben Rdz. 116, 118.23 Vgl. dazu oben Rdz. 106.

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Fachliteratur eine echte Teilnahmepflicht, die nach gel-tendem Recht nur durch physische Anwesenheit in derHauptversammlung erfüllt werden kann. Die Zuschaltungüber das Internet oder Video-Konferenztechnik genügtnicht. Für Vorstandsmitglieder erscheint dies richtig. DieAktionäre haben ein Interesse daran, sich in der Haupt-versammlung einen unmittelbaren Eindruck von den Vor-standsmitgliedern zu verschaffen. Die körperliche Anwe-senheit der Aufsichtsratsmitglieder ist demgegenübernicht in jedem Fall zwingend erforderlich. Zwar mögendie Aktionäre auch insoweit an einer physischen Präsenzin der Hauptversammlung interessiert sein, etwa auch imHinblick auf die Beschlussfassung über die Entlastung.Gleichwohl ist anzuerkennen, dass für eine physische Prä-senz der Aufsichtsratsmitglieder angesichts ihrer über-wiegend passiven Rolle in der Hauptversammlung ein ge-ringeres Bedürfnis besteht als für die Anwesenheit dernamentlich für die Auskunfterteilung zuständigen Vor-standsmitglieder. Gerade im Hinblick auf viel beschäf-tigte ausländische Aufsichtsratmitglieder, deren Mitarbeitin Aufsichtsräten deutscher Gesellschaften wünschens-wert ist, erscheint eine in jedem Fall bestehende Teilnah-mepflicht vor diesem Hintergrund wenig sachgerecht. DieSatzung sollte daher nicht generell, wohl aber in nähervon ihr zu präzisierenden Ausnahmefällen Aufsichtsrats-mitglieder von einer physischen Teilnahme freistellen undtelekommunikative Teilnahme ermöglichen können.

Die Satzung sollte nach Auffassung der Regierungs-kommission künftig vorsehen können, dass Aufsichts-ratsmitglieder in begründeten Ausnahmefällen auf tele-kommunikativem Wege an der Hauptversammlungteilnehmen können.

19. Abstimmungspflicht für institutionelle Investoren

(a) Allgemeines

In einer bei der Regierungskommission eingegangenenStellungnahme wird angeregt, institutionelle Investorenzu verpflichten, die Stimmrechte aus ihrem Beteiligungs-besitz auszuüben. Der Vorschlag ist vor dem Hintergrundsinkender Präsenzen in den Hauptversammlungen zu se-hen, eine Entwicklung, die sich bei weiterer Internationa-lisierung und Institutionalisierung des Anteilsbesitzesnoch verstärken dürfte. Niedrige Hauptversammlungs-präsenzen sind nicht wünschenswert, weil wegen desMehrheitsprinzips grundlegende Entscheidungen mit Be-deutung für alle Eigenkapitalgeber und das Unternehmenvon einer kleinen Gruppe von Investoren mit entspre-chend kleinem Kapitaleinsatz getroffen werden können.

Gegen den Vorschlag einer Abstimmungspflicht ist aberzunächst einzuwenden, dass die institutionellen Investo-ren nicht über einen Kamm geschoren werden können.Außerdem scheidet eine strikte Abstimmungspflicht in je-dem Fall aus.

Eine (eingeschränkte) Abstimmungspflicht für institutio-nelle Investoren, z. B. für eine Kapitalanlagegesellschaft,kommt unter dem Gesichtspunkt der allgemeinen Pflicht

zur Maximierung der Rendite des Anlageportfolios ge-genüber den Fondsanlegern in Betracht. Damit scheideteine Abstimmungspflicht für solche institutionelle Anle-ger, die Aktienbesitz in eigenem Namen und für eigeneRechnung halten, aus. Selbst in den Fällen aber, in denenAnteilsbesitz für fremde Rechnung gehalten oder sogar infremdem Namen für fremde Rechnung verwaltet wird,kann nur eine eingeschränkte Abstimmungspflicht in Be-tracht gezogen werden. Im Rahmen der Verpflichtung zurMaximierung der Rendite des Anlageportfolios sind dieinsoweit gegebenen Vorteile aus der Stimmrechtsaus-übung gegen die damit verbundenen Nachteile, etwa inGestalt der Kosten für eine Stimmrechtsausübung im Aus-land, abzuwägen. Dies entspricht auch den Regelungenund Empfehlungen in entwickelten Kapitalmärkten.

In den USA werden Abstimmungspflichten der Managerder vom Arbeitsministerium beaufsichtigten Pensions-fonds auf das einschlägige Gesetz (ERISA) und ergän-zende Richtlinien gestützt. Danach besteht eine Abstim-mungsverpflichtung nur, wenn Tagesordnungspunkteanstehen, die den Wert des Investments berühren würden,und auch dort nur unter der weiteren Voraussetzung, dassdie Aufwendungen den zu erwartenden Ertrag nicht über-steigen würden. Letzteres ist vor allem auch bei ausländi-schen Investments praktisch bedeutsam.

In Großbritannien hatte das Cadbury Committee in sei-nem Abschlussbericht ausgesprochen, institutionelle In-vestoren „sollten“ ihre Stimmrechte ausüben. Um einerentsprechenden gesetzlichen Verpflichtung zuvorzukom-men, hat die National Association of Pension Funds ein„Policy Statement“ entwickelt, wonach die Ausübung derStimmrechte aus Aktien im Portfolio der Fonds zu denPflichten der Fondsmanager gehört.

Im Anschluss an diese Regelungen und Empfehlungensehen auch die Grundsätze der OECD zur „Corporate Go-vernance“ (1999) vor, dass institutionelle Investoren beider Entscheidung, ob die Stimmrechte aus von ihnen ge-haltenen Aktien ausgeübt werden sollten, die Vorteile undKosten einer solchen Stimmrechtsausübung in Betrachtziehen sollten.

(b) Versicherungsunternehmen (einschließlichPensionskassen und -fonds)

Nach dem Vorstehenden scheidet zunächst einmal aus,Versicherungsunternehmen zu verpflichten, das Stimm-recht aus den in ihrem Beteiligungsbesitz befindlichenAktien auszuüben, wenn und weil sie diese Aktien im ei-genen Namen für eigene Rechnung halten. Renditeori-entierung und Ertragswertmaximierung der Anlagensind hier im Rahmen der Unternehmensverfassung fürdiese Gesellschaften sichergestellt und bedürfen, vonden versicherungsaufsichtsrechtlichen Besonderheitenabgesehen, keiner speziellen Aufmerksamkeit oderRegelung.

Erwägenswert ist eine Verpflichtung zur Stimmrechts-ausübung allenfalls im Hinblick auf institutionelle Inves-toren, die Aktien treuhänderisch für Dritte halten, wie dies

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möglicherweise auch bei den künftigen Pensionsfondsder Fall sein wird. Deren genaue rechtliche Struktur stehtinsoweit derzeit aber noch nicht fest, im Hinblick daraufsieht die Regierungskommission von einer diesbezügli-chen Empfehlung ab.

(c) Investmentfonds

Die Ausübung der Stimmrechte der Kapitalgesellschaftenaus in ihren Investmentfonds gehaltenen Aktien ist in § 10Abs. 1 S. 2 bis 4 KAGG geregelt. Danach hat die Kapi-talanlagegesellschaft das Sondervermögen mit der Sorg-falt eines ordentlichen Kaufmanns für Rechnung derFondsanteilsinhaber zu verwalten (Satz 1). Sie handelt beider Wahrnehmung ihrer Aufgaben unabhängig von derDepotbank und ausschließlich im Interesse der Anteilsin-haber, insbesondere auch bei der Ausübung der mit demSondervermögen verbundenen Stimm- und Gläubiger-rechte (Satz 2). Sie soll das Stimmrecht aus Aktien vonGesellschaften mit Sitz im Inland im Regelfall selbst aus-üben (Satz 3) und darf einen anderen zur Ausübung desStimmrechts nur für den Einzelfall ermächtigen; dabeisoll sie Weisungen für die Ausübung erteilen (Satz 4). – Die Einführung einer Pflicht zu höchstpersönlicherStimmrechtsausübung durch Umgestaltung des § 10 Abs. 1 S.3 KAGG zu einer „Muss“-Bestimmung ist un-geachtet berichteter Verstöße gegen die gegenwärtigeRegelung nicht zu befürworten. Insoweit kann darauf ge-setzt werden, dass das Bundesaufsichtsamt für das Kre-ditwesen die Beachtung des § 10 Abs. 1 S. 3 KAGG durchdie seiner Aufsicht unterliegenden Kapitalanlagegesell-schaften in geeigneter Weise prüft. Zu befürworten isthingegen eine Ergänzung der gegenwärtigen Regelungdes § 10 Abs. 1 S. 4 KAGG dahin, dass die Kapitalanla-gegesellschaft einen unabhängigen Stimmrechtsvertreternicht nur für den Einzelfall, sondern auch dauerhaft zurAusübung des Stimmrechts ermächtigen kann. Eine derartige Deregulierung erscheint geeignet, die Ausübungder mit dem Sondervermögen verbundenen Stimmrechtezu fördern und die wünschenswerte Entwicklung einesMarktes für professionelle unabhängige Stimmrechtsver-treter zu unterstützen. Die daraus resultierende Zunahmeeiner informierten Stimmrechtsausübung durch spe-zialisierte Finanzdienstleister dient zudem der Gewährlei-stung guter Corporate Governance. Dies entbindet die Kapitalgesellschaft nach Auffassung der Regierungskom-mission nicht von der mit der Pflicht zu sorgfältiger Ver-waltung verbundenen Verpflichtung, das Abstimmungs-verhalten des Vertreters zu lenken (zum Beispiel durchgenerelle Abstimmungsvorgaben oder konkrete Einzel-weisungen).

Die Regierungskommission befürwortet, § 10 Abs. 1 S. 4des Gesetzes über Kapitalanlagegesellschaften so zu ergänzen, dass die Kapitalanlagegesellschaft einen un-abhängigen Stimmrechtsvertreter nicht nur für den Ein-zelfall, sondern auch dauerhaft zur Ausübung desStimmrechts ermächtigen kann.

II. Aktionärsrechte und Anlegerschutz

1. Allgemeines

Der folgende Abschnitt zu Aktionärsrechten und Anleger-schutz setzt die Überprüfung des überkommenen Regulierungsrahmens im Lichte der Entwicklung der mo-dernen Kommunikationstechnologien, der Internationali-sierung der Anlegerschaft, der Beteiligung weiterer Bevölkerungskreise am Kapitalmarkt und der verändertenBedürfnisse und Bedingungen sowohl der großen Publi-kumsgesellschaften als auch der mit Wagniskapital finan-zierten und der Familienunternehmen in Form der Aktiengesellschaft fort. Die Themen, deren sich die Re-gierungskommission angenommen hat, sind ihr im We-sentlichen von den befragten Sachverständigen und Ver-bänden als vordringlich und prüfungsbedürftig benanntworden. Darüber hinaus hat sich die Regierungskommis-sion mit einigen zivilrechtlichen und zivilprozessualenKonsequenzen, die aus den jüngeren Vorgängen amNeuen Markt gezogen werden sollten, befasst. Die insge-samt in diesem Abschnitt zum Themenkreis „Aktionärs-rechte und Anlegerschutz“ entwickelten Vorschläge sindfreilich nicht als erschöpfend anzusehen. Letzten Endesgeht es bei sämtlichen Erwägungen zum Thema „Corpo-rate Governance“ auch und besonders um die richtige Be-stimmung von Ausmaß und Grenzen des Aktionärs- undAnlegerschutzes.

2. Einsichts- und Auskunftsrecht

(a) Einsicht ins Aktienregister; Aktionärskom-munikation

Nach § 67 Abs. 6 AktG i. d. F. des NaStraG kann ein Ak-tionär einer börsennotierten Gesellschaft von der Gesell-schaft Auskunft nur über die zu seiner Person in das Ak-tienregister eingetragenen Daten verlangen. Bemängeltwird, dass damit den Aktionären unmöglich gemachtwerde, mit den übrigen Aktionären zu kommunizieren, z. B. um die für ein Einberufungsverlangen (§ 122 AktG),eine Sonderprüfung (§ 142 Abs. 2 AktG) oder ein Scha-densersatzbegehren (§ 147 Abs. 1, 3 AktG) notwendigeMinderheit zusammenzubekommen.

Die Begründung zum Regierungsentwurf des NaStraGverweist hinsichtlich der Neuregelung auf datenschutz-rechtliche Bedenken. Demgegenüber wird in einer bei derRegierungskommission eingegangenen Stellungnahmevorgeschlagen, eine strafbewehrte Verwendungsrestrik-tion vorzusehen: Der Aktionär müsse den Zugang zusämtlichen Eintragungen ins Aktienregister haben, sollediese aber nur zur Kommunikation mit anderen Ak-tionären nutzen dürfen.

Die Regierungskommission spricht sich aus datenschutz-rechtlichen Gründen gegen ein solches uneingeschränktesEinsichtsrecht ins Aktienregister börsennotierter Gesell-schaften aus. Eine strafbewehrte Verwendungsrestriktionist nicht praktikabel. Zudem würde ein solches uneinge-schränktes Einsichtsrecht zunehmend in dem Maße sei-

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nen Zweck verfehlen, eine Kommunikation der Aktionäreuntereinander zu ermöglichen, in dem sich hierzulandedie international übliche Gepflogenheit durchsetzt, dassAktien im Namen für den, den es angeht, oder abertreuhänderisch für die materiell Berechtigten gehaltenund im Aktienregister verzeichnet werden. Letzteres lässt§ 67 AktG n. F. zu.

Entwickelte Kapitalmarktrechte sehen allerdings Verfah-ren vor, wie die Aktionäre einer Gesellschaft miteinander,unter Vermittlung der Gesellschaft, in Kontakt treten kön-nen. Solche Verfahren erscheinen insbesondere dort not-wendig, wo das Gesetz Schwellenwerte für die Ausübungvon Rechten vorsieht. Die zunehmende unmittelbare Be-teiligung auch von Privatanlegern am Aktienmarkt unddie damit verbundene Streuung des Anteilsbesitzes erfor-dert, wenn die betreffende Rechte nicht leer laufen sollen,solche Kommunikationsmöglichkeiten nach dem Vorbildausländischer Rechte zu eröffnen. Die Entwicklung dermodernen Kommunikationstechnologie lässt dies heutekostengünstig zu. Auch die OECD empfiehlt in ihren1999 veröffentlichten „Principles of Corporate Gover-nance“, dass „sichere elektronische Kommunikationsmit-tel entwickelt werden, die es den Aktionären gestatten,miteinander in Verbindung zu treten, ohne sich den mitder Aufforderung zur Abgabe von Stimmrechtsvollmach-ten verbundenen Formalitäten unterziehen zu müssen“.

Die Regierungskommission hat folgenden ihr vorgelegtenVorschlag eines neuen § 127a AktG erörtert, der nach demVorbild des § 126 AktG eine Kommunikation zwischenden Aktionären in den Fällen ermöglichen würde, in de-nen das Aktiengesetz einen bestimmten Mindestbesitzoder eine Mindeststimmrechtsquote fordert:

„(1) In den in diesem Gesetz bestimmten Fällen hat derVorstand die Aufforderung eines Aktionärs an andereAktionäre, sich seinem Begehren anzuschließen, bin-nen zwei Wochen im Bundesanzeiger zu veröffentli-chen und nach § 125 mitzuteilen. Die Frist wird durchAbsendung gewahrt. Sie beginnt, wenn der Aktionärfür die Kosten gemäß Absatz 4 Sicherheit geleistetoder wenn der Vorstand nicht auf Aufforderung hinbinnen zwei Wochen die Kosten beziffert hat.

(2) Eine Verpflichtung gemäß Absatz 1 besteht nicht,wenn eine auf denselben Sachverhalt gestützte Auf-forderung bereits ergangen ist oder wenn die Auffor-derung mehr als einhundert Worte enthält. § 126 Abs. 2 S. 1 Nrn. 1 bis 3 gelten entsprechend.

(3) Vorstand und Aufsichtsrat können zu der Aufforde-rung Stellung nehmen. Aufforderungen mehrererAktionäre zum selben Sachverhalt kann der Vorstandzusammenfassen.

(4) Der Aktionär hat der Gesellschaft die Kosten derAufforderung zu erstatten. Die Kosten der Aufforde-rung sind von der Gesellschaft zu tragen, wenn demBegehren der Minderheit entsprochen wird.“

Würde eine solche Vorschrift eingeführt, dann wäre in dengesetzlichen Vorschriften, in denen für das Geltendma-

chen von Aktionärsrechten ein bestimmter Mindestbesitzoder eine Mindeststimmrechtsquote gefordert wird, auf § 127 a zu verweisen.

Die Regierungskommission schließt sich diesem Vor-schlag aus den oben genannten Gründen jedenfalls imGrundsatz an. Der Einwand, es bestehe die Gefahr, dasseine solche Vorschrift missbraucht werde, indem regel-mäßig auf Kosten der Gesellschaft zum Beispiel zur Un-terstützung von Sonderprüfungsanträgen aufgerufenwerde, überzeugt nicht, wenn der oder die Aktionäre dieKosten der Aufforderung vorlegen und endgültig tragenmüssen, falls der Aufruf keinen Erfolg hat. Anträge, dieauf offensichtlich falschen oder irreführenden Angabenberuhen oder Beleidigungen enthalten, brauchen nachdem Vorschlag nicht veröffentlicht zu werden.

Eine Veröffentlichung sollte allerdings, anders als in demerörterten Vorschlag vorgesehen, nicht im Bundesanzei-ger, sondern auf der Website der Gesellschaft erfolgen.

Die Regierungskommission spricht sich dafür aus, dieKommunikation zwischen den Aktionären in solchenFällen zu erleichtern, in denen das Gesetz für das Gel-tendmachen von Aktionärsrechten einen bestimmtenMindestbesitz oder eine bestimmte Mindeststimmrechts-quote fordert. Als Medium hierfür bietet sich die Inter-netseite der Gesellschaft an. Die Veröffentlichung solltevon der Verwaltung aus den Gründen des § 126 Abs. 2S. 1 Nrn. 1 bis 3 und Satz 2 AktG oder dann abgelehntwerden können, wenn eine auf denselben Sachverhaltgestützte Aufforderung bereits ergangen ist. Der Ak-tionär hat die Kosten der Veröffentlichung vorzulegen;sie sind dem Aktionär von der Gesellschaft zu erstatten,wenn dem Begehren der Minderheit entsprochen wird.

(b) Einsichts- und Auskunftsrecht außerhalbder Hauptversammlung

In einem der Regierungskommission vorgelegten Vor-schlag wird gerügt, dass für Minderheitsaktionäre insbe-sondere in nicht börsennotierten Gesellschaften keineMöglichkeit bestehe, die für eine Anteilsbewertung not-wendigen Informationen zu erhalten. Während der Mehr-heitsaktionär sich diese Informationen leicht verschaffenkönne, könne der Minderheitsaktionär häufig nicht er-messen, ob ein ihm für seine Beteiligung gebotener Kauf-preis, nicht selten der vom Mehrheitsaktionär angeboteneKaufpreis, angemessen sei. Ausländische Rechtsordnun-gen, insbesondere die US-amerikanischen Gesellschafts-rechtsgesetze, sähen hier häufig ein Auskunfts- und Ein-sichtsrecht auch außerhalb der Hauptversammlung vor. Angeregt wurde, ein solches Einsichts- und Aus-kunftsrecht in Analogie zu § 51a GmbHG vorzusehen, allerdings beschränkt auf Fragen der Anteilsbewertung innicht börsennotierten Gesellschaften.

Die Regierungskommission stimmt mit dem Vorschlagdarin überein, dass das Fehlen eines derartigen Auskunfts-und Einsichtsrechts außerhalb des § 131 AktG rechtspoli-tisch problematisch ist. Eine Empfehlung zur Einführung

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eines auf die Beteiligungsbewertung bezogenen Aus-kunfts- und Einsichtsrechts jedes Aktionärs einer nichtbörsennotierten Gesellschaft wird gleichwohl nicht ausgesprochen. Es empfiehlt sich nicht, die damit ange-sprochene grundsätzliche Thematik, ob und inwieweit dieRegelung bestimmter Fragen in nicht börsennotierten Ge-sellschaften satzungsdispositiv gestellt werden sollte,punktuell zu regeln.

Die Regierungskommission regt an zu prüfen, ob in nichtbörsennotierten Gesellschaften ermöglicht werden sollte,durch Satzungsregelung erweiterte Rechte der Aktionärevorzusehen, insbesondere mitgliedschaftliche Einsichts-und Auskunftsrechte zu schaffen.

(c) Auskunftsrecht in der Hauptversammlung

Zahlreiche bei der Regierungskommission eingegangeneStellungnahmen enthalten Vorschläge dazu, wie das weitgehende Auskunftsrecht gemäß § 131 AktG einge-schränkt werden könnte, ohne die berechtigten Informati-onsinteressen der Aktionäre unangemessen zu beschrän-ken.

(1) So ist vorgeschlagen worden, § 131 Abs. 1 AktG wiefolgt neu zu fassen: „Jedem Aktionär ist auf Verlangen inder Hauptversammlung vom Vorstand Auskunft über An-gelegenheiten der Gesellschaft zu erteilen, soweit sie un-ter Berücksichtigung des Gesellschaftszwecks zur sach-gemäßen Beurteilung des Gegenstands der Tagesordnungerforderlich ist. Eine Auskunftspflicht zu politischen –auch gesellschaftspolitischen – und weltanschaulichenFragen besteht regelmäßig nicht. (...)“. Redebeiträge undFragen zu allgemeinpolitischen, karitativen oder sonsti-gen Themen in einer Gesellschaft mit erwerbswirtschaft-licher Zielsetzung sind schon aufgrund der geltenden Fas-sung des § 131 AktG in der Regel ausgeschlossen. Einerausdrücklichen Hervorhebung im Gesetzestext bedarf esdaher nicht, sodass sich die vorgeschlagene Änderung derVorschrift erübrigt.

(2) Gegenstand der Beratungen war sodann die Frage, obdie Rüge unzureichender Auskünfte und Berichte zu Be-wertungsfragen im Rahmen einer Anfechtungsklage aus-geschlossen sein sollte, wenn das Gesetz zur Klärung ei-nes Streits um Bewertungsfragen anstelle einerAnfechtungsklage ein Spruch(stellen)verfahren vorsieht.Der Bundesgerichtshof hat unlängst für den Fall desFormwechsels (§§ 210, 212 UmwG) die Anfechtungs-klage insoweit ausgeschlossen. Gegen eine Übertragungdieser Rechtsprechung auf die Verschmelzung bestehenfreilich Bedenken, da die Bundesregierung bei den Bera-tungen zum Umwandlungsgesetz einen im Gesetzge-bungs-verfahren angeregten Ausschluss der Anfechtungeines Verschmelzungsbeschlusses der übertragenden Ge-sellschaft bei Rüge von Informationsfehlern, die sich aufdas Umtauschverhältnis beziehen, ausdrücklich abge-lehnt hat. In der Sache kann dieselbe Frage bei der Ver-schmelzung freilich nicht anders entschieden werden alsbeim Formwechsel; für eine Differenzierung ist ein sach-lich einleuchtender Grund nicht ersichtlich. Dies gilt ins-

besondere mit Blick auf die Regelung des § 29 UmwG,die für den (Sonder-)Fall der Verschmelzung einesRechtsträgers auf einen Rechtsträger anderer Rechtsformebenso ein Barabfindungsangebot durch den überneh-menden Rechtsträger vorschreibt, wie die Regelung des§ 207 UmwG im Fall des Formwechsels ein Barabfin-dungsangebot durch den formwechselnden Rechtsträgervorsieht.

Die Regierungskommission regt an, die Bundesregie-rung möge prüfen, wie klargestellt werden kann, dassdie Anfechtungsklage wegen unzureichender Informa-tion über Bewertungsfragen in allen Fällen, in denendie Bewertungsrüge in das Spruchverfahren verwiesenist, insbesondere auch bei der Verschmelzung, ausge-schlossen ist.

(3) Der 63. Deutsche Juristentag hat des Weiteren be-schlossen, es sollten verschärfte Anforderungen an dieKausalität und Erheblichkeit von Informationsmängelngestellt werden.

Allerdings ist am Verbot der Kausalitätsprüfung gemäß § 243 Abs. 4 AktG nach Auffassung der Regierungskom-mission festzuhalten. Danach kann sich die Gesellschaftim Anfechtungsprozess nicht darauf berufen, die Verwei-gerung einer Auskunft bzw. eine falsche Information seinicht kausal für den gefassten Beschluss, weil die Haupt-versammlungsmehrheit oder der Großaktionär, der imZweifel über die die erforderlichen Informationen ver-fügte, auch bei richtiger oder vollständiger Informationohnedies nicht anders abgestimmt hätte.

Würde man dieses 1965 eingeführte Verbot der Kausa-litätsprüfung bei Informationsmängeln aufheben, dannwäre praktisches Ergebnis, dass Auskünfte und Vor-standsberichte möglichst nichtssagend ausfielen, um derMinderheit keine Angriffsflächen zu weiteren rechtswah-renden Maßnahmen, etwa einer Anfechtungsklage wegenGesetzes-, oder Satzungs- oder Treuepflichtverstoß, zubieten.

(4) Eine Kodifizierung des Verhältnismäßigkeitsprin-zips, wonach fehlende oder falsche Informationen zuNebenpunkten umso weniger zur Anfechtung berechti-gen sollten, je gravierender die Beschlussvernichtungsich für die Gesellschaft und die übrigen Aktionäre aus-wirkt, empfiehlt sich nach Auffassung der Regierungs-kommission nicht. Insoweit ist nicht absehbar, wie einederartige Regelung gehandhabt werden würde. Überdieshandelt es sich ein allgemeines Problem (Verhältnis-mäßigkeit der Ausübung von Rechten), das nicht hin-sichtlich einer speziellen Konstellation geregelt werdensollte.

(5) Keine Zustimmung findet ferner der Vorschlag, demProzessgericht die Möglichkeit zu eröffnen, bei unwe-sentlichen Informationsmängeln anstelle der Nichtiger-klärung des Hauptversammlungsbeschlusses die betref-fende Rechtsverletzung festzustellen und – soweiterforderlich – die Gesellschaft zur Nachbesserung (z. B.durch Erteilen der Auskunft) zu verurteilen.

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Bereits nach geltendem Recht kann der Aktionär unab-hängig vom Anfechtungsprozess gerichtlich die Auskunfterzwingen, allerdings im Wege des FG-Verfahrens gemäߧ 132 AktG, nicht eines Fortsetzungsfeststellungsprozes-ses vor dem Gericht der Anfechtungsklage. Überzeugendan dem Vorschlag erscheint aber, dass nur bei „wesentli-chen“ Informationspflichtverletzungen der Beschlussaufgehoben werden sollte24. Für eine weiter gehende Fest-stellung der Rechtsverletzung besteht dagegen neben demAuskunfterzwingungsverfahren kein Bedürfnis.

(6) Auch die gesetzliche Festschreibung eines „Doppel-tests“ dergestalt, dass die Verletzung von Informations-pflichten, deren ordnungsgemäße Erfüllung weder auf dasZustandekommen des Hauptversammlungsbeschlussesoder seinen Inhalt hätte Einfluss haben noch der Minder-heit vernünftigerweise Anlass zu rechtswahrenden Maß-nahmen hätte geben können, nicht zur Anfechtung be-rechtigen sollte, ist nicht zu befürworten. DiesenDoppeltest zu entwickeln kann Wissenschaft und Recht-sprechung überlassen bleiben.

(7) Informationspflichtverletzungen – Verstöße gegen Be-richtspflichten und Verletzungen des Auskunftsrechtsgemäß § 131 AktG – machen einen Großteil der An-fechtungsgründe aus und werden in der Regel zumin-dest flankierend neben anderen Anfechtungsgründen angeführt. Auf die Drohung mit der scharfen Waffe derAnfechtbarkeit als Sanktion für Informationspflichtver-letzungen kann zwar im Grundsatz nicht verzichtet wer-den; es darf hier weder darauf abgestellt werden, ob derBeschluss mit demselben Inhalt auch bei richtiger Infor-mation gefasst worden wäre, noch darf die Minderheitausschließlich auf das Auskunfterzwingungsverfahren (§ 132 AktG) verwiesen werden. Andererseits überzeugtes aber nicht, dass ein Aktionär mit einer Splitterbeteili-gung einen Beschluss wegen einer ihm nicht oder nichtrichtig oder vollständig erteilten Auskunft zu Fall bringenkann, der von allen übrigen Aktionären hingenommenwird. In einem solchen Fall sind die berechtigten Infor-mationsinteressen des betreffenden Aktionärs hinrei-chend dadurch geschützt, dass er das Auskunfterzwin-gungsverfahren beschreiten kann.

Der Vorschlag, für die Rüge von Auskunftpflichtverlet-zungen einen Mindestanteilsbesitz zu fordern, führt aller-dings dazu, dass der/die Aktionäre, die unterhalb dieserSchwelle bleiben, dann – mangels richtiger Information –unter Umständen den betreffenden Beschluss auch nichtmehr wegen Eingriffs in ihre Rechte angreifen bzw. zumBeispiel ein Spruchverfahren in der Zweimonatsfrist (§§ 305 Abs. 5 S. 4 i. V. m. § 304 Abs. 4 S. 2 AktG; § 305UmwG) betreiben können oder diese Verfahren „insBlaue hinein“ betreiben müssen, eben weil ihnen die ent-sprechende Information fehlt. Allerdings gilt Letzteresauch nach geltendem Recht: Denn wenn eine Auskunft

nicht erteilt oder falsch ist, können adäquate Rechtsbe-helfe unter Umständen gleichfalls nicht oder nicht recht-zeitig wahrgenommen werden, denn die Anfechtungs-klage als solche verhilft ja auch noch nicht zur richtigenInformation. Das Argument, dass derzeit ohne Quorumder Druck zu richtiger Information wegen der Anfech-tungsgefahr größer sei, ist – wenn das Quorum sehr nied-rig gewählt wird – nicht überzeugend.

Aus diesen Gründen bestehen hier, anders als u. U. bei ei-nem Mindestquorum als Sachurteilsvoraussetzung derAnfechtungsklage25, auch keine durchgreifenden verfas-sungsrechtlichen Bedenken dagegen, einen Mindestan-teilsbesitz als Voraussetzung der Rüge einer Auskunfts-pflichtverletzung zu fordern. Auf die Verletzung sonstigerInformationspflichten (z. B. Berichtspflichten des Vor-stands) kann der Vorschlag freilich nur erstreckt werden,wenn bei Verletzung von Berichtspflichten gleichfalls dasVerfahren gemäß § 132 AktG zur Verfügung steht, wasbisher nicht der Fall ist. Dies sollte in diesem Zusammen-hang erwogen werden.

Die Regierungskommission empfiehlt, für eine Anfech-tung eines Hauptversammlungsbeschlusses, die auf dieVerletzung von Informationspflichten (Berichtspflich-ten; Auskunftspflichten) gestützt wird, einen Minde-stanteilsbesitz zu fordern. Der Anfechtungskläger oder,im Fall einer Streitgenossenschaft, die Kläger müssenim Zeitpunkt der Beschlussfassung entweder über einenAktienbesitz im Umfang von 1 % des Grundkapitals odermit einem Börsen- oder Marktwert von 100 000 Euroverfügen. Das Auskunfterzwingungsverfahren (§ 132AktG) sollte auf die Verletzung sonstiger Informations-pflichten (Berichtspflichten) erstreckt werden.

(8) Die Regierungskommission spricht sich ferner dafüraus, zur Einschränkung der Anfechtung wegen Informa-tionspflichtverletzungen an die (Un-)Wesentlichkeit desgerügten Mangels anzuknüpfen. Die Formel der Recht-sprechung, wonach für die Frage, ob ein Hauptversamm-lungsbeschluss auf einer Informationspflichtverletzungberuht und damit anfechtbar ist, darauf abzustellen ist,wie sich ein objektiv urteilender Aktionär verhalten hätte,wenn ihm zur Zeit der Beschlussfassung die gefordertenInformationen (sei es durch mündliche Auskünfte oderschriftliche Berichte) bekannt gewesen wären, sollte z. B.durch einen neuen § 243 Abs. 4 S. 2 AktG wie folgt er-gänzt und kodifiziert werden: „Wegen unrichtiger, un-vollständiger oder verweigerter Erteilung von Informa-tionen kann ein Beschluss der Hauptversammlung jedochnur angefochten werden, wenn wegen der wesentlichenBedeutung der Information anzunehmen ist, dass dierichtig und vollständig erteilte Information das Verhalteneines objektiv urteilenden Aktionärs beeinflusst hätte.“Eine ordnungsgemäße Information über eine beabsich-tigte Maßnahme kann dabei das Verhalten von (Minder-heits-)Aktionären etwa insofern beeinflussen, als diese

24 Rdz. 140. 25 Dazu unten Rdz. 145.

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Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 75 – Drucksache 14/7515

dadurch zum Verkauf ihrer Aktien, zur Erhebung einerAnfechtungsklage wegen materieller Rechtsverletzungoder zur Beantragung einer Sonderprüfung motiviertwerden könnten. Durch die vorgeschlagene Regelung so-wie auch durch die amtliche Begründung hierzu sollte dieRechtsprechung dazu veranlasst werden, in geringeremUmfang als derzeit Hauptversammlungsbeschlüsse we-gen Informationspflichtverletzungen zu vernichten.

Die Regierungskommission spricht sich dafür aus, im Ak-tiengesetz festzulegen, dass wegen unrichtiger, unvoll-ständiger oder verweigerter Erteilung von Informationenein Beschluss der Hauptversammlung nur angefochtenwerden kann, wenn wegen der wesentlichen Bedeutungder Information anzunehmen ist ,dass die richtig undvollständig erteilte Information das Verhalten eines ob-jektiv urteilenden Aktionärs beeinflusst hätte.

(9) Gegenstand der Beratungen der Regierungskommis-sion war ferner der Vorschlag, die Auskunftsverweige-rungsrechte gemäß § 131 Abs. 3 S. 1 Nr. 2, 3, 4 und 6 AktGzu streichen.

Die Regierungskommission ist insoweit der Ansicht,dass die Vorschrift des § 131 Abs. 3 S. 1 Nr. 2 AktG, wo-nach der Vorstand die Auskunft verweigern darf, soweitsie sich auf steuerliche Wertansätze oder die Höhe ein-zelner Steuern bezieht, gestrichen werden sollte. Aus-weislich der Gesetzesbegründung soll die Vorschrift Ak-tionäre vor dem Irrtum schützen, der steuerliche Gewinnsei betriebswirtschaftlich erzielt und möglicherweiseausschüttungsfähig. Eines solchen Schutzes bedarf derAktionär nicht.

Im Übrigen findet der Vorschlag jedoch keine Zustim-mung. Eine Abschaffung des Auskunftverweigerungs-rechts gemäß § 131 Abs. 3 S. 1 Nr. 3 AktG hinsichtlichstiller Reserven empfiehlt sich nicht. Da jedenfalls derKonzernabschluss künftig stille Reserven auszuweisenhaben wird, wird sich die Vorschrift insoweit ohnedies er-ledigen. Ein Auskunftsrecht des Aktionärs hinsichtlichdes Wertansatzes einzelner Gegenstände ist im Übrigennicht wünschenswert. Gleichfalls festzuhalten ist an derVorschrift des § 131 Abs. 3 S. 1 Nr. 4 AktG. Das Gesetzgeht mit Recht davon aus, dass, soweit Angaben über Bi-lanzierungs- und Bewertungsmethoden gemäß § 284 Abs.2 Nr. 1 und 3 HGB im Anhang enthalten sind und ausrei-chen, um die Vermögens-, Ertrags- und Finanzlage derGesellschaft zu beurteilen, es einer mündlichen Aus-kunftspflicht hierzu nicht mehr bedarf. Auch das Aus-kunftverweigerungsrecht gemäß § 131 Abs. 3 S. 1 Nr. 6AktG ist nur die konsequente Verlängerung materiell-rechtlicher Spezialvorschriften zur Rechnungslegung vonKreditinstituten und Finanzdienstleistern (§§ 340 ff.HGB). Ansatzpunkt wäre allenfalls, diese materiellrecht-lichen Normen abzuschaffen und dann über die Aufhe-bung des § 131 Abs. 3 S. 1 Nr. 6 AktG zu beschließen.Dies ist aber nicht Gegenstand des Auftrags der Regie-rungskommission.

(10) Eine gesetzliche Klärung der Streitfrage, ob das Aus-kunfterzwingungsverfahren gemäß § 132 AktG zur Ver-

fügung steht, wenn der Aktionär zwar die erbetene Aus-kunft erhalten hat, diese aber unrichtig ist, empfiehlt sichnach Auffassung der Regierungskommission nicht. DieEntscheidung dieser Frage kann und sollte den Gerichtenüberlassen bleiben.

3. Gleichbehandlung bei Informationen

In mehreren Stellungnahmen wird eine Ungleichbehand-lung der Aktionäre und Anleger bei Informationen durchVorstände gerügt. Den Verwaltungen müsse deutlich sein,dass bisher nicht öffentliche Informationen, die in Analys-tentreffen oder Gesprächen mit institutionellen Investorengegeben würden, nicht nur eine u. U. wirtschaftlicheNachteile für die außenstehenden Aktionäre und Anlegerbewirkende Ungleichbehandlung bedeute, zu welcher dieVerwaltung nicht berechtigt sei, sondern dass dies auchdie Informationseffizienz des Kapitalmarkts insgesamtbeeinträchtige. Insofern wird auch auf die neuere Regu-lierung durch die SEC in diesem Zusammenhang verwie-sen. Obwohl sich die diesbezüglichen Pflichten der Ver-waltung bereits aus gesetzlichen Vorschriften ergeben(Ad-hoc-Publizität, § 15 WpHG; Gleichbehandlungs-pflicht, § 53a AktG), hält die Regierungskommission ei-nen Hinweis hierauf im Corporate Governance-Kodex fürangezeigt.

Die Regierungskommission regt an, in den Corporate Governance-Kodex folgende Regel aufzunehmen: „DieAktionäre erhalten Zugang zu sämtlichen Informatio-nen, die Finanzanalysten und vergleichbaren Adressa-ten mitgeteilt worden sind. Zur zeitnahen und gleich-mäßigen Information der Aktionäre und Anleger nutztdas Unternehmen auch die Kommunikationsmedien wieetwa das Internet“.

4. Sonderprüfungsrecht

Der 63. Deutsche Juristentag hat beschlossen, das Rechtauf Sonderprüfung (§§ 142 ff. AktG) sollte grundlegendnach seinen Voraussetzungen, seinem Verfahren (einsch-ließlich der Zuständigkeit) und seinen Rechtsfolgenüberarbeitet werden. Dabei sei den Aspekten der Ver-traulichkeit, der Konzerndimensionalität und der Ab-stimmung mit § 147 AktG angemessen Rechnung zu tra-gen.

Die Regierungskommission schließt sich dieser Empfeh-lung an. Hinsichtlich des so genannten Verfolgungsrechts(§ 147 Abs. 3 AktG) hat die Regierungskommission be-reits eine Empfehlung zur Absenkung des gegenwärtigenQuorums beschlossen und insoweit befürwortet, künftighier für Aktien in Höhe von 1 % des Grundkapitals odermit einem Börsen- oder Marktwert von 100 000 Euro aus-reichen zu lassen26. Dasselbe Quorum wird auch hinsicht-lich des § 142 Abs. 2 AktG für die Sonderprüfung emp-fohlen. Dass es bei Absenkung des Quorums nicht zu einer

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26 Rdz. 73.

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Drucksache 14/7515 – 76 – Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode

uferlosen Zunahme von Sonderprüfungen aufgrund einesMinderheitsverlangens kommen wird, ist bereits insoferngewährleistet, als es in jedem Fall des Vorliegens von Tatsachen bedarf, die den Verdacht rechtfertigen, dass„Unredlichkeiten oder grobe Verletzungen des Gesetzesoder der Satzung vorgekommen sind“ (§ 142 Abs. 2 S. 1AktG). Den Belangen der Gesellschaft sollte überdies zumeinen durch eine Kostentragungspflicht bei offenbar unbe-gründeten Sonderprüfungsanträgen, des Weiteren durcheine Schadenersatzpflicht bei vorsätzlichem oder mutwil-ligem Verhalten und schließlich durch eine Ermächtigungdes Gerichts Rechnung getragen werden, auf Antrag desVorstands das umfassende Recht der Sonderprüfer auf Ein-sicht, Auskunft und eigene Prüfung gemäß § 145 Abs. 1 bis3 AktG in Anlehnung an § 131 AktG („soweit es zur sach-gemäßen Beurteilung erforderlich ist“) zu beschränken so-wie – gleichfalls auf Antrag des Vorstands – die Einreichungdes Prüfungsberichts zum Handelsregister (vgl. § 145 Abs. 4 S. 3 AktG) ganz oder teilweise zu untersagen.

Die Regierungskommission ist der Auffassung, dass dasRecht der Sonderprüfung (§§ 142 ff. AktG) einer Über-arbeitung bedarf.

5. Anfechtungs- und Nichtigkeitsklage

Die Überarbeitung des Rechts der Anfechtungs- undNichtigkeitsklage (§§ 241 ff. AktG) wurde in zahlreichenbei der Regierungskommission eingegangenen Stellung-nahmen angemahnt. Neben den Vorschlägen hierzu hatdie Regierungskommission insbesondere die Empfehlun-gen des 63. Deutschen Juristentages in ihre Erwägungeneinbezogen.

(a) Mindestanteilsbesitz

Nicht die Zustimmung der Regierungskommission findetder Vorschlag, die Anfechtungs-/Nichtigkeitsklage voneinem Mindestanteilsbesitz abhängig zu machen. Zwar istdie Einführung eines Quorums als Klagevoraussetzunginsbesondere vor dem Hintergrund der Kommissions-empfehlung zum Aktiensplit, deren Umsetzung „pennystocks“ ermöglichen wird 27, erwägenswert. Es besteheninsoweit indes erhebliche rechtliche, insbesondere verfas-sungsrechtliche, Bedenken, da die Anfechtungsklagenicht nur und nicht einmal primär zur Herstellung derguten Ordnung im Aktienrecht dient, sondern auch undvor allem Instrument des individuellen Rechtsschutzesist. Nimmt man dem Aktionär den Rechtsbehelf der An-fechtungsklage, dann müssen in seine Rechtsstellung ein-greifende Beschlüsse ihm gegenüber unwirksam sein, under müsste dies dann mit der Feststellungsklage (§ 256ZPO) feststellen lassen können. Diese Alternative ist aber aus Sicht der Gesellschaften insofern nachteilig, alsdamit die Vorteile, welche die Anfechtungsklage auch für die Gesellschaft hat (Anfechtungsfrist; Wider-spruchserfordernis; Rechtskrafterstreckung), preisgege-

ben wären. Auch der 63. Deutsche Juristentag hat sich gegen einen Mindestanteilsbesitz als Anfechtungsvoraus-setzung ausgesprochen. Dies schließt nach Auffassungder Regierungskommission aber nicht aus, dass die Höhedes Anteilsbesitzes nicht in die Abwägung im Rahmen ei-nes Freigabeverfahrens einbezogen werden könnte28.

Einen Mindestanteilsbesitz als Sachurteilsvoraussetzungzu fordern erscheint der Regierungskommission nur beidem – besonders häufigen – Anfechtungsgrund der Infor-mationspflichtverletzung vertretbar, und dies nur mitRücksicht darauf, dass das Auskunftserzwingungsverfah-ren zur Verfügung steht29.

Auch der Vorschlag, Anfechtungsklagen von Kleinak-tionären künftig kraft Gesetzes nur noch bei Rüge der Ver-letzung individueller Rechte zuzulassen, also insoweitvorzusehen, dass die Beschlussmängelklage, ausländi-schen Vorbildern folgend, individuelles Betroffenseinvoraussetzt, findet nicht die Zustimmung der Regierungs-kommission. Zwar erscheint ein derartiges Erfordernisnicht gänzlich ungeeignet, die Anfechtung von Hauptver-sammlungsbeschlüssen sachgerecht zu begrenzen. Soließe sich etwa die Anfechtung von Entlastungsbeschlüs-sen erheblich beschränken. Gerade die praktisch wichti-gen Fälle der Umstrukturierungs- oder Kapitalmaßnah-men aber, deren Anfechtung wegen der damitverbundenen rechtlichen oder faktischen Registersperrebesondere Probleme verursacht, ließen sich mit einer sol-chen Beschränkung der Klagebefugnis nicht lösen. IhreEntwicklung kann der wissenschaftlichen Literatur undRechtsprechung überlassen bleiben.

(b) Mindestbesitzzeit

Gleichfalls nicht die Zustimmung der Regierungskom-mission findet der Vorschlag einer Mindestbesitzzeit alsSachurteilsvoraussetzung der Anfechtungs-/Nichtigkeits-klage. Bei einer Mindestbesitzzeit wären nachteilige Aus-wirkungen auf den Kapitalmarkt zu befürchten, weil inner-halb dieses Zeitraums vor der Hauptversammlung nurAktien minderen Rechts erworben werden könnten. Unbe-gründete oder gar missbräuchliche Klagen ließen sich imÜbrigen auf diese Weise nicht zuverlässig ausschließen.Bei gravierenden Eingriffen in die individuelle Rechtsposi-tion eines Aktionärs müsste, wenn die Anfechtungsklagenicht mehr zur Verfügung stände, Feststellungsklage erhoben werden können. Die damit verbundenen Abgren-zungsprobleme und Einbußen an Rechtssicherheit sindnicht wünschbar. Auch der 63. Deutsche Juristentag hatsich gegen eine Mindestbesitzzeit als Anfechtungsvoraus-setzung ausgesprochen.

Die Regierungskommission regt jedoch an, die Recht-sprechung möge im Rahmen der Prüfung des Einwandsdes Rechtsmissbrauchs ihr Augenmerk auf den Aspektdes zeitnahen Erwerbs der Aktien durch den oder die An-

28 Dazu unten Rdz. 153 ff., 157.29 Vgl. oben Rdz.. 139.27 Unten Rdz. 192.

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fechtungskläger richten. Die Gerichte haben diesem Um-stand bislang keine oder zu wenig Beachtung geschenkt.Der Anfechtungskläger wäre dann nach allgemeinenGrundsätzen verpflichtet, an der Aufklärung des Zeit-punktes seines Aktienerwerbs mitzuwirken, wenn die be-klagte Gesellschaft unter Hinweis auf den zeitnahen Er-werb der Aktien den Einwand des Rechtsmissbrauchserhebt.

(c) Widerspruchserfordernis in § 245 Nr. 1 AktG

Die Regierungskommission hat sich ferner mit dem Vor-schlag befasst, das Erfordernis eines Widerspruchs zurNiederschrift gem. § 245 Nr. 1 AktG als Voraussetzung fürdie Zulässigkeit der Anfechtungsklage zu reformieren.Ein Widerspruch, so die Kritik, der noch nicht einmal sub-stanziiert zu werden brauche, sei eine bloße Förmelei undsolle daher entweder aufgegeben oder durch einen Be-gründungszwang ersetzt werden. Zum Beispiel dürfe diebloße Angabe, Fragen seien nicht beantwortet worden,nicht ausreichen.

Die Regierungskommission spricht sich sowohl gegen dieAbschaffung des Widerspruchserfordernisses als auch ge-gen die Einführung eines Begründungszwangs aus. EineAbschaffung des Widerspruchserfordernisses wäre ausSicht der Gesellschaften mit einem Verlust an Rechtssi-cherheit verbunden. Für die Gesellschaften ist es hilf-reich, dass ein Beschluss, gegen den von keiner Seite Wi-derspruch eingelegt worden ist, vom Vorstand ohneweiteres ausgeführt werden kann, soweit es sich nicht umeinen nichtigen Beschluss handelt. Ein Begründungs-zwang ist nicht sachgerecht, da den Aktionären eine Über-legungsfrist eingeräumt werden muss, zumal Beschluss-mängel u. U. erst bei der anwaltlich begleitetenNacharbeit der Hauptversammlung entdeckt werden.

(d) Verlängerung der Anfechtungsfrist

Nach geltendem deutschem Recht beträgt die Anfech-tungsfrist einen Monat (§ 246 Abs. 1 AktG). Internationalgibt es entweder längere Fristen (Schweiz: zwei Monate)oder gar keine gesetzlichen Fristen (USA). Der Entwurfder Fünften (Struktur-)Richtlinie der EU sieht eine Drei-monatsfrist vor (Art. 44).

Die Regierungskommission spricht sich gleichwohl dafüraus, die Monatsfrist beizubehalten. Ausländische Rechtekennen vielfach keine konstitutive Wirkung von Register-eintragungen, sodass dort sofort mit der Umsetzung derBeschlüsse gerechnet werden muss, und der Aktionär sichfaktisch sogar gezwungen sieht, sofort Klage zu erhebenoder sonstige Rechtsbehelfe gegen die Umsetzung der be-schlossenen Maßnahmen zu ergreifen. Das Fehlen einerAnfechtungsfrist bedeutet also keineswegs notwendig einMehr an Anlegerschutz. Die Verlängerung der Anfech-tungsfrist wäre überdies für die Gesellschaften mit einemVerlust an Planungssicherheit verbunden und könnte alsAufforderung zu vermehrter Erhebung von Anfechtungs-klagen missverstanden werden. Auch im Hinblick auf die

zunehmende Internationalisierung der Anlegerschaft er-scheint eine Verlängerung der Anfechtungsfrist nicht ver-anlasst.

(e) Kausalität/Erheblichkeit von Verfahrens-mängeln

Von einer Empfehlung zu der Frage, unter welchen Voraussetzungen Hauptversammlungsbeschlüsse wegenVerfahrensfehlern anfechtbar sein sollten, sieht die Re-gierungskommission ebenfalls ab. Welche Verfahrensvor-schriften unabdingbar einzuhalten sind, kann nur für jedeVorschrift gesondert geprüft werden. Eine gesetzgeberi-sche Festlegung in einer allgemeinen Vorschrift verbietetsich daher. Allerdings spricht sich die Regierungskom-mission dafür aus, dass künftig nur mehr „wesentliche“Informationspflichtverletzungen zur Anfechtung berech-tigen sollten30.

(f) Verhältnismäßigkeitsprüfung

Keine Empfehlung wird ferner auch zur Frage der Einschränkung der Anfechtbarkeit von Hauptversamm-lungsbeschlüssen durch Anwendung des Verhältnis-mäßigkeitsprinzips ausgesprochen. Die Entwicklung desGrundsatzes, dass die Beschlussanfechtung u. U. unver-hältnismäßig und damit treupflichtwidrig ist, insbeson-dere dann, wenn der angefochtene Beschluss für die Ge-sellschaft vorteilhaft ist und der Kläger aus der Kassationnichts oder fast nichts gewinnt, kann wissenschaftlichemSchrifttum und Rechtsprechung überlassen werden. Diesgilt auch für die Abwägung in Anlehnung an § 16 Abs. 3S. 2 UmwG („vorrangiges Eintragungsinteresse“). DieFrage eignet sich nicht für eine gesetzliche Regelung; voneiner entsprechenden Empfehlung wird daher abgesehen.

(g) Erweiterung des § 14 Abs. 2 UmwG

Die Regierungskommission schlägt vor, den Anfech-tungsausschluss gemäß § 14 Abs. 2 UmwG auch auf dieaufnehmende Gesellschaft zu erstrecken, § 15 Abs. 1UmwG entsprechend anzupassen und insoweit stattdes-sen ein Spruchverfahren vorzusehen.

Das entspricht auch einer Empfehlung des 63. DeutschenJuristentages. Die nach der gegenwärtigen Rechtslage be-stehende Ungleichbehandlung der Aktionäre der übertra-genden und der aufnehmenden Gesellschaft ist sachlichnicht gerechtfertigt. Überdies ist die geltende Regelungauch für die an der Verschmelzung beteiligten Gesell-schaften nachteilig. Aktionäre der aufnehmenden Gesell-schaft, die allein mit dem Umtauschverhältnis nicht ein-verstanden sind, gegen die Verschmelzung als solche abernichts einzuwenden haben, müssen gleichwohl den Ver-schmelzungsbeschluss anfechten, und zwar in der kurzenMonatsfrist des § 246 Abs. 1 AktG, während den Ak-tionären der übertragenden Gesellschaft für die Bewer-

30 Rdz. 140.

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tungsrüge im Spruchverfahren zwei Monate nach Be-kanntmachung der Eintragung verbleiben. Konflikte mitdem Verbot der Einlagenrückgewähr (§ 57 Abs. 1UmwG), die sich ergeben können, wenn die aufnehmendeGesellschaft gemäß § 15 Abs. 1 UmwG zu baren Zuzah-lungen an die eigenen Aktionäre verpflichtet wird, lassensich etwa dadurch lösen, dass der Gesellschaft nachgelas-sen wird, den geschuldeten Ausgleich durch Ausgabe vonAnteilen aus Gesellschaftsmitteln zu erfüllen.

(h) Kapitalerhöhung mit Bezugsrechts-ausschluss

Nicht die Zustimmung der Regierungskommission findetder Vorschlag, für den sich freilich auch der 63. Deutsche Ju-ristentag ausgesprochen hat, der Streit über den angemesse-nen Ausgabebetrag bei der Kapitalerhöhung mit Bezugs-rechtsausschluss solle entgegen § 255 Abs. 2 AktG nicht imAnfechtungsprozess, sondern in einem Spruchverfahrenentschieden werden. Es ist fraglich, ob sich bei Verwirkli-chung des Vorschlags besonders viele Anfechtungsklagenerübrigen würden, da sich Anfechtungskläger typischer-weise bei einem Bezugsrechtsausschluss nicht ausschließ-lich gegen den festgesetzten Bezugskurs wenden, sonderndaneben – und häufig vorrangig – gegen den Bezugsrechts-ausschluss überhaupt. Bei Barkapitalerhöhungen wird derAusgabebetrag ohnedies nur selten im Hauptversamm-lungsbeschluss festgelegt. Im Übrigen ist das hinter demVorschlag stehende Problem der mit Anfechtung eines Ka-pitalerhöhungsbeschlusses in der Regel eintretenden fakti-schen Registersperre durch die Einführung eines Freigabe-verfahrens zu lösen31, womit sich das Anliegen des in Redestehenden Vorschlages erledigen dürfte.

(i) Ausdehnung des Freigabeverfahrens aufstrukturändernde Beschlüsse

In einer Reihe von Stellungnahmen wird eine Ausdeh-nung des Freigabeverfahrens gemäß §§ 319 Abs. 6 AktG,16 Abs. 3 UmwG und der Heilungswirkung gemäß § 20Abs. 2 UmwG auf andere eintragungsbedürftige Recht-sakte gefordert. Die Regierungskommission schließt sichdiesem Vorschlag an. Mit Ausnahme einfacher Satzungs-änderungen schafft in aller Regel die Eintragung in dasHandelsregister einmal eingetragener Strukturänderun-gen, wie z. B. eines Unternehmensvertrages, einer Ein-gliederung oder einer Kapitalmaßnahme vollendete Tat-sachen, die sich materiell-rechtlich nicht mehr oder nurmehr mit erheblichen Schwierigkeiten rückgängig ma-chen lassen, wenn auf Anfechtungsklage hin der betref-fende Beschluss annulliert wird. WissenschaftlichesSchrifttum und Rechtsprechung haben versucht, demauch jenseits der Fälle, für die die Heilungsvorschrift des§ 20 Abs. 2 UmwG gilt, Rechnung zu tragen, z. B. durchAnerkennung „fehlerhafter“ Beherrschungsverhältnisseoder die Entwicklung sachgerechter Regeln für nichtigeKapitalerhöhungen. Für die Anleger wie für die betroffe-nen Unternehmen ist die bestehende Rechtslage gleich-

wohl misslich. Im Interesse des Anlegerschutzes erscheintes als sachgerecht, dass vor Eintragungen mit derart ein-schneidenden Wirkungen eine formelle Registersperrenach dem Vorbild der §§ 319 AktG, 16 UmwG greift mitder Folge, dass nur das Prozessgericht, das auch über dieAnfechtungsklage in der Hauptsache befindet, über dieEintragung des Vorgangs und dessen Wirksamwerden ent-scheidet. Umgekehrt liegt es im Interesse der Gesellschaftund der übrigen Aktionäre, dass derartige Strukturände-rungen, wenn sie – nach summarischer Prüfung durch dasProzessgericht – einmal in das Handelsregister eingetra-gen sind, wirksam bleiben und auch dann nicht mehr, auchnicht für die Zukunft, annulliert werden können, wenn derKläger mit seiner Anfechtungsklage durchdringen sollte.Der erfolgreiche Anfechtungskläger ist dann vielmehr aufeinen individuellen Schadensersatzanspruch nach demVorbild des § 16 Abs. 3 S. 6 UmwG verwiesen.

Eine Erstreckung des Schadenersatzanspruchs des Anfech-tungsklägers bei späterer Vernichtung eines eingetragenenBeschlusses, zum Beispiel im Fall einer eingetragenen unddurchgeführten (Sach-)Kapitalerhöhung mit Bezugsrechts-ausschluss, auf alle vom Bezugsrechtsausschluss betroffe-nen Aktionäre ist weder geboten noch zu befürworten. Werals Aktionär selbst nicht Klage gegen einen anfechtbarenBeschluss erhebt, sondern ihn hinnimmt, braucht nicht ent-schädigt zu werden, wenn die Klage eines anderen Ak-tionärs später erfolgreich ist. Eine Haftung der Gesellschaftgegenüber allen vom Bezugsrechtsausschluss betroffenenAktionären kommt auch praktisch nicht in Betracht, da dieGesellschaft unter Umständen gar nicht in der Lage seinwird, die als Schadenersatz allein infrage kommenden eige-nen Aktien zu beschaffen. Und eine Haftung des Sacheinle-gers scheidet aus, weil dieser am Anfechtungsverfahrennicht beteiligt ist. Indes dürften sich aus der Beschränkungdes Schadenersatzanspruchs auf den oder die Anfechtungs-kläger letztlich keine erheblichen Probleme ergeben, da dieGerichte in der Sache im Freigabeverfahren wie im Haupt-sacheverfahren in gleichem Sinne entscheiden werden, sichsomit üblicherweise keine Abweichungen ergeben werden,und die Frage des Schadenersatzes gemäß § 16 Abs. 3 S. 6UmwG insoweit kaum einmal praktisch werden dürfte.

Die Regierungskommission schlägt vor, bei der Anfech-tung von Kapitalmaßnahmen (sowohl in börsennotier-ten als auch in nicht börsennotierten Gesellschaften)und von sonstigen eintragungsbedürftigen Rechtsaktenmit Ausnahme einfacher Satzungsänderungen und de-klaratorischer Eintragungen eine formelle Register-sperre nach dem Vorbild des § 16 Abs. 2 UmwG sowieferner in den genannten Fällen eine Heilungswirkungder Registereintragung nach dem Vorbild des § 20 Abs. 2 UmwG vorzusehen. Darüber hinaus wird bei die-sen Vorgängen die Einführung eines Freigabeverfah-rens vor dem Prozessgericht nach dem Vorbild des § 16Abs. 3 UmwG empfohlen.

(j) Freigabekriterien; Beschleunigung desFreigabeverfahrens

Eine Änderung der materiellen Freigabekriterien (§ 16Abs. 3 S. 2 UmwG) empfiehlt sich nach Auffassung der31 Dazu Rdz. 153.

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Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 79 – Drucksache 14/7515

Regierungskommission nicht. Keine Zustimmung findetnamentlich der Vorschlag, die Kriterien der Unzulässig-keit oder offensichtlichen Unbegründetheit der Anfech-tungsklage (§ 16 Abs. 3 S. 2 1. und 2. Alt. UmwG) durchdas Kriterium der „hinreichenden Erfolgsaussicht“ derKlage zu ersetzen. Dies liefe dem Ziel einer Beschleuni-gung der Freigabeverfahren zuwider, weil die Gerichte indiesem Fall nicht im Freigabeverfahren entscheiden wür-den, bevor sie nicht auch der Entscheidung im Hauptsa-cheverfahren sicher wären, um sich später nicht in Wider-spruch zu ihrer eigenen Einschätzung der „hinreichendenErfolgsaussicht“ setzen zu müssen. Die Einführung einesFreigabekriteriums der „hinreichenden Erfolgsaussicht“verträgt sich daher auch nicht mit der Vorgabe von Ent-scheidungsfristen für die Gerichte im Rahmen der Freiga-beverfahren (dazu sogleich). Abgelehnt wird des Weiterenauch eine Änderung der in der Praxis im Vordergrund ste-henden Abwägungsklausel (§ 16 Abs. 3 S. 2, 3. Alt.UmwG).

Eingehend erörtert hat die Regierungskommission sodanndie Frage, wie sich die Freigabeverfahren beschleunigenließen. Das Instrument des Freigabeverfahrens, das derBeschleunigung der Eintragung zu dienen bestimmt ist,läuft derzeit praktisch leer, weil sich die Gerichte mit derEntscheidung häufig ein halbes Jahr und länger Zeit las-sen, obwohl es sich dabei um ein Eilverfahren handelt.

Die Regierungskommission schlägt vor, für die Freigabe-entscheidung eine gesetzliche Frist von drei Monaten abEingang des Antrages zu setzen; bei Vorliegen schwerwiegender Gründe soll diese Frist vom Gericht verlängertwerden können; die Gründe sind in der Verlängerungs-entscheidung darzulegen. Für die Entscheidung des Be-schwerdegerichts sollte entsprechendes gelten.

Die Regierungskommission hat zur Entwicklung diesesVorschlags eine verfassungsrechtliche Begutachtung inAuftrag gegeben. Die Begutachtung legt dar, dass sichBefristungen für richterliche Entscheidungen mehrfach inGesetzen finden (z. B. § 36 AsylVfG; § 121 Abs. 3 GWB).Da es hier um eine Abwägung gewichtiger Gesellschafts-interessen einerseits mit dem gebotenen Schutz des An-fechtungsklägers andererseits gehe, müsse die Frist so be-messen sein, dass die materiellen Freigabekriterien – wenn auch mit der gebotenen Beschleunigung – hinrei-chend erörtert und geprüft werden könnten. Dabei könn-ten sich Fragen oder Prozesssituationen ergeben, in denendas Gericht die von ihm geforderte Entscheidung inner-halb einer festen Frist nicht zu leisten vermöge. Dem Ge-richt müsse deshalb ermöglicht werden, auf tatsächlicheoder rechtliche Besonderheiten des Falles sachangemes-sen zu reagieren. Der Vorschlag der Regierungskommis-sion sieht im Hinblick darauf eine Frist von drei Monaten,die ihr hinreichend bemessen zu sein scheint, mit einerVerlängerungsmöglichkeit bei Auftreten besonderertatsächlicher oder rechtlicher Schwierigkeiten vor. DieBefürchtung, damit werde ermöglicht, die gesetzlicheFrist ohne weiteres wieder auszuhebeln, erscheint nichtbegründet. Die Schaffung strenger gesetzlicher Voraus-setzungen und einer Begründungspflicht für die Fristver-längerung dürfte einer allzu großzügigen Handhabung

entgegenwirken. Selbst als letztlich sanktionsloses Instru-ment schafft eine derartige Frist im Übrigen ein Leitbild,das – wie die Erfahrungen mit entsprechenden Normenzeigen – von den Gerichten auch angenommen wird.

(k) Freigabeverfahren bei einfachen Satzungsänderungen

Eine schlichte Ausdehnung des umwandlungsrechtlichenFreigabeverfahrens auf alle eintragungsbedürftigenRechtsakte, also insbesondere auch auf einfache Sat-zungsänderungen, kommt nach Auffassung der Regie-rungskommission nicht in Betracht. In diesen Fällen solltees vielmehr im Grundsatz bei der bisherigen Regelungbleiben, wonach der Registerrichter bei Vorliegen der Ein-tragungsvoraussetzungen einträgt oder aber das Verfahrengemäß § 127 FGG aussetzt, wenn ein behebbares Eintra-gungshindernis besteht. Allerdings kann sich daraus,selbst wenn eine aussichtslose Anfechtungsklage erhobenwird, eine für die Gesellschaft und die übrigen Aktionärenachteilige faktische Registersperre ergeben, die überdieszu Erpressungen der Gesellschaft einlädt. Im Hinblick da-rauf regt die Regierungskommission, der entsprechendenEmpfehlung des 63. Deutschen Juristentages folgend, an,für den Fall der Aussetzung der Registereintragung in An-lehnung an § 16 Abs. 3 UmwG ein Verfahren vorzusehen,in dem das Prozessgericht über die Freigabe der Eintra-gung entscheiden kann.

Die Regierungskommission empfiehlt: Für eintragungs-bedürftige Beschlüsse, bei denen die Anfechtungsklagekeine gesetzliche Registersperre auslöst, sollte nach Aus-setzung des Eintragungsverfahrens gemäß § 127 FGG einVerfahren vor dem Prozessgericht zur Freigabe der Ein-tragung in Anlehnung an § 16 Abs. 3 UmwG eingeführtwerden. Antragsteller in diesem Verfahren sollte die Ge-sellschaft sein. Die Entscheidung über die Freigabe sollte,wie de lege ferenda in den Fällen des umwandlungsrecht-lichen Freigabeverfahrens, grundsätzlich binnen dreiMonaten ab Eingang des Antrags getroffen werden.

Der Einwand, dass es bei diesem Vorschlag zu einer Verdoppelung der Rechtsbehelfe gegen eine Ausset-zungsentscheidung kommen könne (Beschwerde im Re-gisterverfahren gegen die Aussetzungsentscheidung undFreigabeantrag vor dem Prozessgericht) erscheint der Re-gierungskommission nicht begründet. Das Freigabever-fahren vor dem Prozessgericht betrifft nur die Frage, obdie angekündigte oder erhobene Anfechtungsklage derEintragung der Satzungsänderung entgegensteht. Nur in-soweit ist daher – ausschließlich – der prozessrechtlicheRechtsbehelf gegeben. Hinsichtlich aller sonstigen Ein-tragungsvoraussetzungen ist hingegen – ausschließlich –der registerrechtliche Rechtsmittelweg (registerrechtlicheBeschwerde und weitere Beschwerde) gegeben.

(l) Publizität von Abfindungsvergleichen

Der 63. Deutsche Juristentag hat empfohlen, die Partnervon gerichtlichen und außergerichtlichen Abfindungsver-gleichen zur Erledigung von Anfechtungsklagen sollten

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zur Publizität der getroffenen Absprachen verpflichtetwerden.

Das Aktiengesetz schreibt bisher nur vor, dass die Erhe-bung der Anfechtungsklage und das der Klage stattgege-bene Urteil in den Gesellschaftsblättern bekannt zu ma-chen sind (§§ 246 Abs. 4, 248 Abs. 1 S. 4 AktG).

Die Publizitätspflicht für Abfindungsvergleiche hätte eineheilsame Präventionsfunktion. Die Publizitätspflichtwürde nicht nur Vergleiche zur Nichterhebung bzw. Rück-nahme von Beschlussmängelklagen zwischen Kläger undGesellschaft, sondern auch zwischen dem Kläger und ei-nem anderen (Mehrheits-)Aktionär betreffen. Der Ver-gleich sollte seinem ganzen Inhalt nach, einschließlich derVereinbarung über die Kostentragung und den Ver-gleichswert, publiziert werden. Auch der Aktienbesitz desKlägers sollte angegeben werden. Erfolgt diese Bekannt-machung nicht oder ist sie falsch, dann ist der Vergleichformunwirksam (nicht jedoch die daraufhin vorgenom-mene Prozesshandlung, z. B. die Klagerücknahme). Er-folgte Zahlungen sind dann zu erstatten (§ 812 BGB); derGesellschaft steht ein Leistungsverweigerungsrecht zu.Neben einer – elektronischen – Bundesanzeigerpublizität(als Wirksamkeitsvoraussetzung) spricht sich die Regie-rungskommission dafür aus, dass der Vorstand hierüberan die Hauptversammlung berichtet. Die Form der Be-richterstattung (Bericht in der Hauptversammlung oderim Geschäftsbericht) sollte dem Vorstand freistehen.

Die Einführung einer gerichtlichen Zustimmung als Wirk-samkeitsvoraussetzung von Abfindungsvergleichen emp-fiehlt sich demgegenüber nach Auffassung der Regie-rungskommission nicht. Eine gerichtliche Prüfungs- undZustimmungspflicht, bei der sich ohnedies die Fragestellt, worauf sie gerichtet sein soll, und die dem Gerichteine problematische Entscheidung abverlangen würde, istnicht geboten, da durch den Vergleich Rechte am Prozessnicht beteiligter Dritter jedenfalls nicht unmittelbar be-troffen sind.

Die Regierungskommission empfiehlt, die Partner vongerichtlichen und außergerichtlichen Abfindungsver-gleichen zur Erledigung von Anfechtungsklagen zur Pu-blizität der getroffenen Absprachen (Veröffentlichung imBundesanzeiger) zu verpflichten. Außerdem sollte derVorstand hierüber an die Hauptversammlung berichten.

(m) Haftung bei missbräuchlichen Anfechtungsklagen

Gegenstand der Beratungen der Regierungskommissionwar ferner die Frage, ob bei Erhebung missbräuchlicherAnfechtungsklagen künftig kraft gesetzlicher Regelungeine Schadenersatzpflicht des Anfechtungsklägers gegen-über der Gesellschaft vorgesehen werden sollte, gerichtetauf den Ersatz des Schadens, der der Gesellschaft aus derAnfechtung und dem dadurch bewirkten Aufschub derWirksamkeit des Beschlusses entstanden ist. Die Regie-rungskommission spricht sich gegen die Einführung einerderartigen Regelung aus. Die Einführung einer Schaden-ersatzhaftung für die vorsätzliche und fahrlässige Erhe-

bung offensichtlich unzulässiger und/oder offensichtlichunbegründeter Klagen ginge zu weit und wäre keinesfallszu befürworten. Zwar sind Aktionäre vor der Erhebungoffensichtlich unzulässiger/unbegründeter Klagen in derRegel durch den vor den Landgerichten bestehenden An-waltszwang geschützt. Auch der Anwaltszwang bietet in-des, wie die Praxis zeigt, keine Gewähr dafür, dass nichtauch bisweilen offensichtlich unzulässige oder unbegrün-dete Klagen durch falsch beratene Aktionäre erhoben wer-den. Eine Regelung, die eine Schadenersatzpflicht bei Er-hebung offensichtlich unzulässiger oder unbegründeterKlagen vorsähe, würde überdies die eigentlich mis-sbräuchlichen Klagen letztlich nicht erfassen, die von pro-fessionellen Klägern erhoben werden und in der Regel kei-neswegs von vornherein offensichtlich unzulässig oderunbegründet sind. Denkbar wäre allenfalls, die Erhebungmissbräuchlicher Klagen durch gesetzliche Regelung miteiner Schadenersatzpflicht zu belegen. Eine solche Regu-lierung, bei der insbesondere das Problem des Nachweisesder subjektiven Missbrauchsabsicht bestünde, brächte in-des gegenüber dem geltenden Recht keinen Fortschritt.Bereits derzeit ist nach der Girmes-Entscheidung des BGHeine Haftung des Aktionärs gegenüber der Gesellschaftwegen treupflichtwidriger Ausübung des Anfechtungs-rechts zu bejahen, sofern der Kläger wenigstens mit be-dingtem Vorsatz gehandelt hat. Einer Kodifizierung diesersachgerecht begrenzten Haftung bedarf es nicht. Abzuleh-nen ist auch der Vorschlag, eine Regelung nach dem Vor-bild des § 34 Abs. 2 BVerfGG vorzusehen, der bei mis-sbräuchlich eingelegter Verfassungsbeschwerde eineAusnahme vom Grundsatz der Gebührenfreiheit des ver-fassungsgerichtlichen Verfahrens statuiert. Diese ge-bührenrechtliche Vorschrift lässt sich auf die Regelung ei-ner Schadenersatzpflicht bei missbräuchlich erhobenerAnfechtungsklage nicht übertragen.

(n) Schiedsklauseln für Beschlussmängel-klagen

Der 63. Deutsche Juristentag hat sich für die Zulässigkeitsatzungsmäßiger Schiedsklauseln für Beschlussmängel-klagen ausgesprochen; allerdings sollte dies auf nicht bör-sennotierte Gesellschaften beschränkt werden.

Nach geltendem Recht kann die Satzung keine schiedsge-richtliche Entscheidung von Beschlussmängelklagen vor-sehen (§ 23 Abs. 5 AktG). Gerade bei Auseinanderset-zungen zwischen Gesellschaftern in personalistischgeprägten, geschlossenen Gesellschaften besteht aber einbesonderes Bedürfnis nach schneller und zugleich kom-petenter Streitentscheidung im schiedsrichterlichen Ver-fahren. Der Bundesgerichtshof hat sich allerdings in einerEntscheidung von 1996 (BGHZ 132, 285 ff.) außerstandegesehen, die Schiedsfähigkeit von Beschlussmängelkla-gen im Wege der richterlichen Rechtsfortbildung anzuer-kennen. Der Gesetzgeber hat der Anregung, insoweit tätigzu werden, bei der Neuregelung des Schiedsverfahrens-rechts 1997 aber keine Rechnung getragen, sondern dieLösung der „vielschichtigen Problematik“ der Rechtspre-chung überlassen. Die vom Bundesgerichtshof in der er-wähnten Entscheidung erörterten Probleme ließen sichdurch eine geeignete gesetzliche Regelung lösen.

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Die Regierungskommission empfiehlt, bei der Aktienge-sellschaft satzungsmäßige Schiedsklauseln für Beschluss-mängelklagen zuzulassen. Diese Regelung sollte auf nichtbörsennotierte Gesellschaften beschränkt werden.

(o) Streitwertbemessung/Prozesskosten-verteilung

Die Regierungskommission hat sich ferner mit dem Vor-schlag befasst, die Möglichkeit der Streitwertspaltunggemäß § 247 Abs. 2 AktG abzuschaffen und im Gegenzugdem Prozessgericht stattdessen die Möglichkeit einzuräu-men, bei Abweisung der Beschlussmängelklage abwei-chend von § 91 ZPO die Kosten nach seinem Ermessenganz oder teilweise der beklagten Gesellschaft aufzuerle-gen, wenn die Klage zum Zeitpunkt ihrer Erhebung hin-reichende Aussicht auf Erfolg hatte. Auf diese Weise solldas Prozesskostenrisiko für Kleinaktionäre gemindert unddamit die Rechtsverfolgung insbesondere in begründetenFällen gewährleistet werden. Dadurch werde einem Kon-trollversagen in der Publikumsgesellschaft entgegenge-wirkt. Die Regierungskommission ist demgegenüber derAuffassung, es sollten keine Anreize für zusätzliche An-fechtungsklagen durch Prozesskostenerleichterungen ge-schaffen werden. Relevante Rechtsverletzungen sind inder Vergangenheit stets verfolgt worden, namentlichdurch die Schutzvereinigungen der Aktionäre. Im Übri-gen gehen nicht selten Anwälte mit Aktionären „Allian-zen“ ein und führen Anfechtungsverfahren ungeachtet derErfolgsaussichten allein um ihrer Gebühren willen. Durcheine Änderung der Kostenregelung Anreize für Anfech-tungsklagen zu setzen, erschiene der Regierungskommis-sion vor diesem Hintergrund ein falsches Signal.

(p) Gerichtliche Zuständigkeitskonzentration

Der 63. Deutsche Juristentag hat sich für eine Zuständig-keitskonzentration bei aktienrechtlichen Beschluss-män-gelklagen ausgesprochen. Die Regierungskommissionschließt sich dem an. Für die Zuständigkeit in Auskunfts-erzwingungsverfahren sieht das Aktienrecht in § 132 Abs.1 S. 3 AktG bereits eine ähnliche Regelung vor. Sie er-möglicht, entsprechende Expertise bei einem Gericht zubündeln. In Anfechtungsprozessen sind oftmals Fragen desdoch recht komplexen Umwandlungsrechts oder auch be-triebswirtschaftliche Fragen zu beurteilen. Die Zuständig-keitsbündelung würde sich förderlich auf die Qualität vorallem der untergerichtlichen Entscheidungen auswirken.

Die Regierungskommission spricht sich dafür aus, denBundesländern freizustellen und nahe zu legen, für ak-tienrechtliche Beschlussmängelklagen die ausschließli-che Zuständigkeit eines Landgerichts für ihr gesamtesStaatsgebiet vorzusehen.

6. Haftung bei Stimmrechtsausübung

Der 63. Deutsche Juristentag hat sich dafür ausgespro-chen, die in § 117 Abs. 7 Nr. 1 AktG enthaltene Freistel-lung von der Haftung für vorsätzliche Schädigung, soferndiese auf der Ausübung des Stimmrechts beruht, aufzuhe-

ben. Dies entspricht der ganz überwiegenden Kritik deswissenschaftlichen Schrifttums an dieser Norm.

§ 117 Abs. 7 Nr. 1 AktG beruht auf der Erwägung, es gehenicht an, den Aktionär für die Ausübung des Stimmrechtshaften zu lassen, weil die anderen Aktionäre gegen denMissbrauch des Stimmrechts durch die Anfechtungsmög-lichkeit nach § 243 Abs. 2 AktG hinreichend geschütztseien. Gleichwohl vermag eine Haftungsfreistellung so-gar für vorsätzliches Handels nicht zu überzeugen. Für dieHaftung des herrschenden Unternehmens (§ 317 AktG)gilt denn auch ein entsprechendes Privileg nicht. DemGmbH-Recht ist es gleichfalls unbekannt. Rechtsverglei-chend lässt es sich ebenfalls nicht rechtfertigen. Dem Ge-danken, dass sich die geschädigten Aktionäre durch Erhe-bung der Anfechtungsklage vor Schaden hätten schützenkönnen, ist nicht durch Anspruchsausschluss, sonderndurch Anwendung des § 254 BGB Rechnung zu tragen.

Die Regierungskommission empfiehlt, die in § 117 Abs.7 Nr. 1 AktG enthaltene Freistellung von der Haftung fürvorsätzliche Schädigung, sofern diese auf der Ausübungdes Stimmrechts beruht, aufzuheben.

7. Bezugsrecht und Börsengang von Konzerntöchtern

In verschiedenen bei der Regierungskommission einge-gangenen Stellungnahmen wird angeregt, die Regie-rungskommission solle sich für ein Vorerwerbsrecht derAktionäre der Obergesellschaft beim Börsengang einerKonzerntochter aussprechen. Die Gefahr der Verwässe-rung des Anteilsbesitzes bestehe in solchen Fällen in glei-cher Weise wie bei einem Bezugsrechtsausschluss in derObergesellschaft selbst.

Die Regierungskommission ist der Auffassung, dass derVorstand der Muttergesellschaft der Gefahr einer Benach-teiligung der Muttergesellschaft und der Gefahr einerWertbeeinträchtigung (Verwässerung) der Aktien ihrerGesellschafter durch Verkauf von Tochter-Aktien über dieBörse zu nicht marktgerechten Preisen in geeigneterWeise Rechnung tragen muss. Zu diesem Zweck kann eretwa die Aktionäre der von ihm geleiteten Gesellschaftam Börsengang einer Tochtergesellschaft durch Einräu-mung eines Bezugsrechts beteiligen. Sieht er davon ab,etwa weil infolge des Umfangs der Aktienemission ledig-lich „Mini-Bezugsrechte“ entständen und daher ein Be-zugsrechtshandel praktisch nicht gewährleistet wäre,muss er ein Preisfindungsverfahren nutzen, das zu einermarktnahen Bestimmung des Ausgabekurses führt. Einegesetzliche Festlegung dieser unzweifelhaften Vorstands-pflichten empfiehlt sich angesichts der laufenden Ent-wicklung von rechtlicher Diskussion und Praxis jeden-falls zum gegenwärtigen Zeitpunkt aber nicht.

Wegen der Besorgnis, dass Aktionäre einer Mutterge-sellschaft der Gefahr der Wertbeeinträchtigung (Ver-wässerung) ihrer Aktien beim Börsengang einer ihrerTochter- oder Enkelgesellschaften ausgesetzt sein kön-nen, wird der einzurichtenden Kommission zur Ent-wicklung eines Corporate Governance-Kodex empfoh-

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len, deutlich auf diese Gefahr und darauf hinzuweisen,dass der Vorstand dieser Gefahr wegen seiner Sorgfalts-pflicht und unter seiner persönlichen Verantwortungentweder durch die Beteiligung seiner Aktionäre amBörsengang durch ein Vorerwerbsrecht begegnen kann,oder dass angemessene und marktnahe Preisfindungs-verfahren verfolgt werden müssen.

8. Aktionärsschutz bei Delisting

(a) Hauptversammlungsentscheidung

Im Fachschrifttum ist umstritten, ob im Falle eines Delis-ting ein Beschluss der Hauptversammlung erforderlichist. Die wohl überwiegende Ansicht bejaht eine Zustän-digkeit der Hauptversammlung. Auch die Mehrheiten(einfache oder satzungsändernde Mehrheit?) und dieFrage der Inhaltskontrolle eines solchen Beschlusses sindstreitig. Diese Diskussion kann und sollte nach Auffas-sung der Regierungskommission wissenschaftlicher Lite-ratur und Rechtsprechung überlassen bleiben, auch in An-betracht dessen, dass die Bedeutung des Delisting mitEinführung der „freeze-out“-Regelung im Rahmen desÜbernahmegesetzes künftig voraussichtlich erheblich anBedeutung verlieren wird. Im Hinblick darauf beschränktsich die Regierungskommission auf die Empfehlung, dieEntwicklung nach Einführung der „freeze-out“-Regelungdarauf zu beobachten, ob angesichts dieser Regelung dasDelisting und damit auch die Frage einer diesbezüglichenBeschlusskompetenz der Hauptversammlung noch vonnennenswerter praktischer Bedeutung sein wird.

(b) Barabfindung bei „kaltem Delisting“

Gleichfalls lehnt die Regierungskommission den Vor-schlag ab, in Fällen, in denen eine börsennotierte AG auf eine nicht börsennotierte AG verschmolzen oder ineine nichtbörsennotierte AG eingegliedert wird („kaltesDelisting“), anstelle einer Pflicht zur Gewährung von An-teilen der aufnehmenden bzw. Hauptgesellschaft eine Barabfindungsverpflichtung vorzusehen. Eine derartigeBarabfindungspflicht würde zu einer erheblichen Liqui-ditätsbelastung führen, die nicht börsennotierte – häufigvielleicht kleinere – Gesellschaften gegenüber börsenno-tierten Gesellschaften benachteiligen könnte. Vorzugs-würdig erscheint demgegenüber, den mit dem Verlust derFungibilität der abgegebenen Anteile verbundenen Wert-verlust im Rahmen der Festsetzung der Höhe der Gegen-leistung in Gestalt von Anteilen der aufnehmenden bzw.Hauptgesellschaft nach US-amerikanischem Vorbilddurch einen „Fungibilitätszuschlag“ auszugleichen. Da-bei handelt es sich nach Auffassung der Regierungskom-mission um eine Frage der fachgerechten Unternehmens-und Anteilsbewertung, zu der keine Empfehlung ausge-sprochen zu werden braucht.

(c) Spruchverfahren bei Delisting

In einer bei der Regierungskommission eingegangenenStellungnahme wird angeregt, Abfindungsangebote (Um-

tauschangebote; Barangebote) im Falle eines Delistingseien mit einer Unternehmensbewertung zu unterlegen,die in einer Hauptversammlung durch Fragen weiter auf-gehellt und in einem Spruchverfahren überprüft werdenkönnen müsse.

Einzelne Gerichtsentscheidungen haben es freilich abge-lehnt, ein solches Abfindungsangebot analog § 306 AktGin einem Spruchverfahren zu überprüfen. Auch § 54 a derFrankfurter Wertpapierbörse sieht keine Überprüfung derAbfindung im Spruchverfahren vor, sondern verweist aufdie Regelungen des Übernahmekodex, der aber gleich-falls keine explizite Sanktion bei Unangemessenheit vor-sieht (Zurückweisung des Angebots durch die Übernah-mekommission? Klage auf angemessene Vergütung?).

Die Regierungskommission sieht grundsätzlich einSpruchverfahren als den geeigneten Rechtsbehelf an, umeine im Rahmen eines Delisting angebotene Abfindungauf ihre Angemessenheit überprüfen zu lassen. Gleich-wohl spricht sie insoweit keine Empfehlung aus. Auch in-soweit sollte zunächst die weitere Entwicklung nach Einführung des „freeze-out“ abgewartet werden. Voraus-sichtlich wird sich mit der zu erwartenden Verringerungder Delisting-Fälle auch diese Problematik praktischweitgehend erledigen.

9. Neuregelung des Spruchverfahrens

(a) Allgemeines

In den bei der Kommission eingegangenen Stellungnah-men ebenso wie in der Fachliteratur besteht Einigkeit da-rüber, dass die Spruch(stellen)verfahren der §§ 306 AktG,305 ff. UmwG dringend der Überarbeitung bedürfen.Nach Auffassung der Regierungskommission empfiehltsich eine einheitliche (Neu-)Regelung des Spruchverfah-rens, etwa im Aktiengesetz, die namentlich auch als Ana-logiebasis in Fällen dienen kann, in denen wie bei einemDelisting oder einer übertragenden Auflösung Abfindun-gen geschuldet und angeboten werden, für die das mate-rielle Recht bisher aber kein Spruchverfahren vorsieht.

(b) Gerichtliche Auswahl und Bestellung derPrüfer

Die Regierungskommission befürwortet, die vorgericht-lich tätigen sachverständigen Prüfer stärker als bisher indie Spruch(stellen)verfahren einzubinden. Dies setztzunächst voraus, dass sie künftig unabhängiger als bisher,nämlich nicht mehr von der Gesellschaft, sondern vondem Gericht, das anschließend im Spruchverfahren zuentscheiden hat, ausgewählt und bestellt werden. Aufdiese Weise wird dem Eindruck der Parteinähe des vorge-richtlichen Prüfers entgegengewirkt, was zur Folge habendürfte, dass seine Ergebnisse in stärkerem Maße als bis-her von den Beteiligten akzeptiert werden.

Die Regierungskommission befürwortet, dass die vorge-richtlich tätigen sachverständigen Prüfer in Fällen, indenen sich ein Spruchverfahren zur Überprüfung einesAusgleichs oder einer Abfindung anschließen kann, von

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dem Gericht, das in diesem Verfahren zu entscheidenhaben würde, ausgewählt und bestellt werden sollte.

Ungeachtet der damit verbundenen Stärkung der Unab-hängigkeit des vorgerichtlich tätigen Prüfers muss in Rah-men des nachfolgenden Spruch(stellen)verfahrens weiter-hin eine – freilich nur punktuelle (siehe unten) –Überprüfung des vorgerichtlichen Prüfungsberichts durcheinen „Obergutachter“ möglich bleiben.

(c) Verfahrensbeschleunigung

Von wesentlicher Bedeutung dürfte ferner eine Verkür-zung der Dauer der Verfahren, die derzeit mitunter prak-tisch auf Rechtsverweigerung hinausläuft, sein.

Künftig sollte es nicht mehr, wie derzeit üblich, zu einerneuerlichen umfassenden, flächendeckenden (Neu-)Be-wertung der gesamten Gesellschaft bzw. beider Unter-nehmen im Rahmen des Spruch(stellen)verfahrens kom-men dürfen. Wird künftig der vorgerichtlich tätigesachverständige Prüfer vom Gericht ausgewählt und be-stellt, so kann von den Antragstellern erwartet werden,dass sie konkret vortragen, in welchen Punkten die vor-gerichtlichen Prüfungsberichte unrichtig oder unvollstän-dig sind. Diese Verstärkung der Substanziierungspflichtwird es dem Gericht ermöglichen, den Auftrag für einweiteres Gutachten spezifischer zu formulieren. So kannz. B. bei börsennotierten Unternehmen erwartet werden,dass die Antragsteller darlegen, aus welchen Gründen dieAbfindung höher liegen sollte als der Börsenkurs in demgewählten Zeitraum.

Bei der Neuregelung des Spruchverfahrens sollte dieSubstanziierungspflicht der Antragsteller erhöht wer-den. Es ist konkret mit Gründen darzulegen, in welchenPunkten das vorgelegte vorgerichtliche Bewertungsgut-achten einer Überprüfung bedarf.

Um die Verfahrensdauer zu verkürzen, ist des Weiteren eineangemessene, verkehrsübliche Vergütung der Sachverstän-digen unerlässlich. Eine Vergütung von grundsätzlich 50bis höchstens 150 DM pro Stunde, wie sie das Gesetz über die Entschädigung von Zeugen und Sachver-ständigen für gerichtlich beauftragte Sachverständige vor-sieht, stellt regelmäßig keinen hinreichenden Kosten-deckungsbeitrag dar und bietet erst recht keinenhinreichenden Anreiz, den Prüfungsbericht zügig zu erstat-ten. Qualifizierte Wirtschaftsprüfer oder vergleichbareSachverständige sind zu derartigen Konditionen nicht zuhaben. In der Praxis sind in den Spruch(stellen)verfahrendaher häufig Gutachter geringerer Güte tätig. Da die Ge-sellschaften, die grundsätzlich für die Kosten des Spruch-verfahrens aufzukommen haben, einer höheren als der ge-setzlich vorgesehenen Vergütung zustimmen müssen,gehen in den Spruchverfahren Wochen oder manchmalMonate oder sogar Jahre allein mit Vergütungsstreit dahin.Die Regierungskommission ist vor diesem Hintergrund derAuffassung, dass eine verkehrsübliche Vergütung der Sach-verständigen gewährleistet sein muss. Sie spricht sich inso-weit dafür aus, dass mit der vorgeschlagenen gerichtlichenBestellung des Sachverständigen künftig ein gesetzlich ge-regeltes Rechtsverhältnis auftragsähnlicher Art zwischen

diesem und der Gesellschaft zustande kommen sollte, etwanach dem Vorbild der §§ 306 Abs.4 S.6 AktG, 308 Abs. 2 S. 1 UmwG, aus dem der Sachverständige sodann einenAnspruch auf angemessene, verkehrsübliche Vergütung ge-gen die Gesellschaft hätte.

Der im Spruchverfahren vom Gericht beauftragte Sach-verständige sollte einen Anspruch auf angemessene Ver-gütung gegen die Gesellschaft haben; Auslagen und Ver-gütung sind vom Gericht festzusetzen.

Skeptisch zu beurteilen ist dagegen der weitere Vorschlag,gesetzlich zu bestimmen, dass ein Gutachtenauftrag anden Sachverständigen unter Fristsetzung erfolgen muss,und nach deren erfolglosem Ablauf der Auftrag ohne Ver-gütung als erloschen gilt. Eine derartige Sanktion bietetnicht ohne weiteres einen Anreiz, das Gutachten be-schleunigt zu erstatten.

(d) Örtliche Bündelung der Spruchverfahren

Die Regierungskommission spricht sich dafür aus, denBundesländern freizustellen und nahe zu legen, fürSpruchverfahren die ausschließliche Zuständigkeit einesLandgerichts für ihr gesamtes Staatsgebiet vorzusehen.

Für die Zuständigkeit in Auskunftserzwingungsverfahrensieht das Aktienrecht in § 132 Abs. 1 S. 3 AktG be-reits eine ähnliche Regelung vor; sie wird von der Regie-rungskommission auch für Beschlussmängelklagen emp-fohlen32. Diese Zuständigkeitskonzentration ermöglicht,entsprechende Expertise bei einem Gericht zu bündeln. InSpruchverfahren sind regelmäßig recht komplexe be-triebswirtschaftliche Fragen und Probleme der Unterneh-mensbewertung zu beurteilen. Die Zuständigkeitsbünde-lung würde sich förderlich auf die Verfahrensdauer undinsbesondere auf die Qualität der gerichtlichen Entschei-dungen auswirken.

(e) Beschränkung auf eine Rechtsbeschwerde

Die Regierungskommission befürwortet, die Be-schwerde gegen die Entscheidung des Landgerichts imSpruch(stellen)verfahren darauf zu beschränken, dassdiese auf einer Verletzung des Gesetzes beruht.

Eine derartige Beschränkung des Rechtsmittelverfahrensauf eine Rechtsbeschwerde erscheint vertretbar, wenn undweil, wie von der Regierungskommission empfohlen33,künftig ein gerichtlich bestellter Sachverständiger vorge-richtlich ein Bewertungsgutachten abgibt, das dann imVerfahren vor dem Landgericht vollinhaltlich überprüftwerden kann.

(f) Kosten des Spruchverfahrens

175. Die Gerichtskosten sollten wie bisher in aller Re-gel von der Gesellschaft getragen werden, es sei denn,

32 Oben Rdz. 163.33 Oben Rdz. 170.

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dass dies nicht der Billigkeit entspricht (§§ 312 Abs. 4 S. 2 UmwG, 306 Abs.7 S.8 AktG). Wollte man die oftmalssehr beträchtlichen Gerichtskosten den Antragstellernauferlegen, wäre das Spruchverfahren für Aktionäre we-gen des damit verbundenen Kostenrisikos wirtschaftlichverbaut. Abgesehen davon handelt es sich materiell indiesem Verfahren um einen Streit zwischen Mehrheitund Minderheit um die Höhe des Ausgleichs bzw. derAbfindung, den die Mehrheit auch dann, wenn sie un-terliegt, aus der gemeinsamen Kasse finanziert. Aus die-sen Gründen sollten auch die Kosten für den gemeinsa-men Vertreter der nicht antragstellenden Gesellschaftersowie für den Gutachter, wie es im Wesentlichen schonim geltenden Recht geregelt ist, von der Antragsgegne-rin getragen werden. Des Weiteren sollten auch dieaußergerichtlichen Kosten der Gesellschaft wie bisherunabhängig vom Ausgang des Verfahrens bei dieser ver-bleiben. Und schließlich sollten auch die Antragstellerwie bisher von der Gesellschaft Erstattung ihrer außer-gerichtlichen Kosten verlangen können, aber, abwei-chend von der gegenwärtigen Praxis, nur noch im Falle ihres Obsiegens. Die Beschränkung des Erstat-tungsanspruchs der Antragsteller auf den Fall des Ob-siegens soll Minderheitsgesellschafter von von vornher-ein aussichtslosen Spruchverfahren oder Anträgen ins Blaue hinein abhalten. Ferner kann dadurch insbe-sondere der Praxis entgegengewirkt werden, dassSpruch(stellen)verfahren zur Generierung von Anwalts-gebühren und damit als „Anwaltsbeschäftigungssy-steme“ missbraucht werden. Dass Minderheitsgesell-schafter mit einem größeren Beteiligungsbesitz oderAktionärsvereinigungen durch eine solche Regelung ge-nerell davon abgehalten würden, Spruchverfahren ein-zuleiten, ist angesichts der nicht allzu beträchtlichenHöhe der außergerichtlichen Kosten nicht zu erwarten;Aktionären mit Splitterbesitz kann ein gemeinsamerVertreter bestellt werden.

Die Regierungskommission regt an, dass die Antragstel-ler in Spruchverfahren ihre außergerichtlichen Kostenim Falle des Unterliegens künftig selbst tragen sollten.

(g) Vorgabe einer Entscheidungsfrist

Die Regierungskommission hat sich des Weiteren mit derFrage befasst, ob dem Gericht im Interesse einer Verfah-rensbeschleunigung durch gesetzliche Regelung eine Fristfür die Entscheidung im Spruch(stellen)verfahren vorgege-ben werden sollte. Die Einführung einer derartigen Ent-scheidungsfrist, gegen die aus verfassungsrechtlicher Hin-sicht zwar grundsätzlich keine Bedenken bestehendürften34, wird jedoch nicht befürwortet. Eine Fristvorgabekommt eher im Rahmen des Freigabeverfahrens nach § 16Abs. 3 UmwG in Betracht, das, anders als ein Spruchver-fahren, den Charakter eines Eilverfahrens hat.

10. §§ 311 ff. AktG

(a) Allgemeines

In mehreren bei der Regierungskommission eingegange-nen Stellungnahmen wird die Regelung der §§ 311 ff.AktG infrage gestellt, u. a. wegen des zu erwartendenÜbernahmegesetzes, der Entwicklung der Rechtspre-chung zur Haftung wegen Treupflichtverletzung und derEntwicklung der Rechnungslegungsstandards zu „relatedparties transactions“.

Die Regierungskommission hat insofern beschlossen, dieRegelung der §§ 311 ff. AktG nicht insgesamt auf denPrüfstand zu stellen oder eine Überarbeitung zu empfeh-len; dies erscheint ihr derzeit nicht angezeigt. Sie be-schränkt sich vielmehr auf einzelne Detailempfehlungen,die auf der Linie des Kommissionsberichts in anderenPunkten liegen.

Der Auffassung, dass die §§ 311 ff. AktG mit Inkrafttretendes künftigen Übernahmegesetzes obsolet würden, ist nichtzuzustimmen. Anders als das Übernahmegesetz, das nur füran einem organisierten Markt gehandelte Aktien gilt und auf einen Ex-ante-Schutz der außenstehenden Aktionäre bei einem Kontrollwechsel abzielt, gelten die §§ 311 ff. AktG allgemein und knüpfen an das bestehendeAbhängigkeitsverhältnis an. Sie verwirklichen insoweit ei-nen Ex-post-Schutz, der notwendig bleiben kann. Im Übri-gen bezwecken die §§ 311 ff. AktG nicht nur den Schutz deraußenstehenden Aktionäre, sondern auch den Schutz derGläubiger einer abhängigen Aktiengesellschaft.

Dieser Ex-post-Schutzmechanismus der §§ 311 ff. AktGist auch nicht im Hinblick auf die Entwicklung derRechtsprechung zur Treuepflicht des Mehrheitsak-tionärs und die Entwicklung des Rechnungslegungs-rechts überholt.

(b) Abhängigkeitsbericht der Einmann-GmbH

Nicht die Zustimmung der Regierungskommission findetauch der Vorschlag, der Abhängigkeitsbericht der100%igen Tochtergesellschaften sei abzuschaffen, weil eshier keine schützenswerten außenstehenden Aktionäregebe. Die §§ 311 ff. AktG schützen nicht nur die außenste-henden Aktionäre, sondern auch die Gläubiger der Tochtergesellschaft. Zudem ist die Präventivwirkung des Abhängigkeitsberichts zu berücksichtigen, die durch-aus geeignet sein kann, das herrschende Unternehmen auch im Gläubigerinteresse von nachteiligen Maßnahmeabzuhalten und dem Vorstand der Tochter den Rücken zustärken.

(c) Wahl des Abschlussprüfers gemäß § 313 AktG

Ebenfalls nicht die Zustimmung der Regierungskommis-sion findet der Vorschlag, der Abschlussprüfer, der denAbhängigkeitsbericht nach § 313 AktG zu prüfen hat,solle künftig von den außenstehenden Aktionären gewähltwerden. Zwar sind Zweifel an der Unabhängigkeit des

34 Vgl. die Erwägungen zu einer Entscheidungsfrist im Freigabever-fahren, oben Rdz. 155, 156.

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Abschlussprüfers nicht von der Hand zu weisen, da dieKonzernspitze den Prüfer über ihre Repräsentanten imTochter-Aufsichtsrat zur Wahl vorschlägt und sodann inihrer Eigenschaft als herrschende Aktionärin wählt. Hinzukommt, dass regelmäßig der Prüfer der Tochter gemäß § 313 AktG zugleich der Abschlussprüfer der Konzern-mutter ist, sodass auch insoweit seine Unvoreingenom-menheit fraglich erscheinen mag. Gegen den Vorschlag,die Wahl des Abschlussprüfers der Tochter den außenste-henden Aktionären vorzubehalten, spricht jedoch, dassgerade die Personenidentität des Prüfers von Mutter undTochter von Vorteil ist, da namentlich der Konzernab-schluss wichtige Zusatzinformationen zur Analyse desAbhängigkeitsberichts enthalten kann. Hinzu kommenZeit- und Kostenersparnis bei Prüferidentität. Von daherempfiehlt sich die Wahl des Prüfers gemäß § 313 AktGnur durch die außenstehenden Aktionäre, die tendenziellauf eine Verschiedenheit der Konzern-Abschlussprüferund der Prüfer gemäß § 313 AktG hinausliefe, nicht.

(d) Offenlegung von Prüfungsbericht und Abhängigkeitsbericht

Die Regierungskommission ist gleichwohl der Ansicht,dass eine Stärkung der Unabhängigkeit des Prüfers desAbhängigkeitsberichts wünschenswert ist. Sie schlägtdeshalb vor, dass im Insolvenzfall nicht nur, wie von ihrgleichfalls empfohlen, die Prüfungsberichte gemäß § 321HGB der letzten drei Jahre vor Insolvenzeintritt offen zulegen sein sollten35, sondern auch die Prüfungsberichtegemäß § 313 Abs.2 AktG sowie ferner auch die Abhän-gigkeitsberichte gemäß § 312 AktG. Dabei sollten im Hin-blick auf die fünfjährige Verjährungsfrist gemäß § 317Abs. 4, 318 Abs. 4, 309 Abs. 5 AktG die Abhängigkeits-berichte der letzten fünf Jahre vor Insolvenzeintritt offengelegt werden. Dasselbe soll aus Gründen der Einheit-lichkeit für die Offenlegung der Prüfungsberichte gemäß § 313 Abs.2 AktG gelten. Berechtigten Geheimhaltungs-interessen des herrschenden Unternehmens ist dabei da-durch Rechnung zu tragen, dass diesem vor Offenlegungder Berichte die Möglichkeit zur Stellungnahme gegebenwird. Auf Antrag des herrschenden Unternehmens solltedas Insolvenzgericht die Offenlegung beschränken oderganz untersagen können, wenn berechtigte Interessen desherrschenden Unternehmens, z. B. der Schutz von Ge-schäftsgeheimnissen, dies erfordern.

Die Regierungskommission schlägt eine Offenlegung derAbhängigkeitsberichte und der Prüfungsberichte hierzubei Insolvenz der abhängigen Gesellschaft vor. Die Offen-legungspflicht sollte auf die Abhängigkeits- und Prü-fungsberichte der letzten fünf Jahre vor Insolvenzeintritterstreckt werden. Dem herrschenden Unternehmen ist vorder Offenlegung der Berichte die Möglichkeit zur Stel-lungnahme zu geben; auf Antrag des herrschenden Un-ternehmens sollte das Insolvenzgericht die Offenlegung beschränken oder ganz untersagen können, wenn berech-tigte Interessen des herrschenden Unternehmens, zum

Beispiel der Schutz von Geschäftsgeheimnissen, dies er-fordert.

Nicht die Zustimmung der Regierungskommission findetdagegen der Vorschlag, eine weiter gehende Publizität desAbhängigkeitsberichts und des Prüfungsberichts gemäß § 313 Abs.2 AktG vorzusehen. In diesem Fall bestündedie Gefahr, dass die Abhängigkeitsberichte im Hinblickauf die zu erwartende Publizität tendenziell nichts sagen-der als bisher gestaltet würden. Auch berechtigte Ge-heimhaltungsinteressen des herrschenden Unternehmenskönnten beeinträchtigt werden.

11. Falsche Darstellungen gegenüber dem Kapitalmarkt

Aufgrund jüngerer Vorgänge am Neuen Markt sind beider Regierungskommission zahlreiche Vorschläge einge-gangen, wie der kapitalmarktrechtliche Anlegerschutzverbessert werden sollte. In Anbetracht der Verbesserungdes Regelwerks Neuer Markt seitens der Deutschen BörseAG und der Vorarbeiten zu einem Vierten Finanzmarkt-förderungsgesetz hat sich die Regierungskommission aufzivilrechtliche und zivilprozessuale Fragen im Zusam-menhang mit falschen kapitalmarktbezogenen Informa-tionen beschränkt, mit anderen Worten auf Fragen, dieweder durch freiwillige Selbstregulierung zu lösen nochGegenstand der bisherigen Überlegungen der Bundesre-gierung zur Reform von Börsengesetz und Wertpapier-handelsgesetz sind.

(a) Fehlerhafte Ad-hoc-Mitteilungen

Gegenstand der Beratungen war zunächst der Vorschlag,den Haftungsausschluss gemäß § 15 Abs. 6 WpHG bei Ver-stößen gegen die Ad-hoc-Publizitätspflicht aufzuheben.Das Vierte Finanzmarktförderungsgesetz wird es insoweitnach den bisherigen Überlegungen bei der geltenden Rege-lung belassen. Die Regierungskommission spricht sich inÜbereinstimmung hiermit gleichfalls gegen eine Änderungder Vorschrift aus. EU-rechtlich ist es nicht geboten, überdie bestehende Bußgeldsanktion (vgl. § 39 WpHG) hinausauch eine Schadenersatzsanktion vorzusehen. Eine Scha-denersatzpflicht des Emittenten, d. h. der Gesellschaftselbst, würde überdies dem Kapitalerhaltungsprinzip (§ 57AktG) und dem vorrangigen Gläubigerschutz zuwiderlau-fen. Zwar ist die Einführung einer zivilrechtlichen Scha-denersatzpflicht jedenfalls bei vorsätzlicher oder grob fahr-lässiger fehlerhafter Information des Kapitalmarktes imGrundsatz zu befürworten. Eine derartige Haftung sollte in-des nicht auf Verstöße gegen Ad-hoc-Publizitätspflichtenbeschränkt sein; vorzugswürdig ist vielmehr die Ein-führung einer weiter gehenden, allgemeinen zivilrechtli-chen Haftung für Falschinformationen des Kapitalmarktes,die neben fehlerhaften Ad-hoc-Mitteilungen namentlichauch fehlerhafte Angaben in Prospekten sowie sonstigeFehlinformationen der Öffentlichkeit, etwa im Rahmenvon Äußerungen bei Präsentationen, Analystenbespre-chungen oder in der Hauptversammlung, erfasst36.

35 Unten Rdz. 296 bis 297. 36 Dazu unten Rdz. 187.

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Drucksache 14/7515 – 86 – Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode

(b) Verjährung von Prospekthaftungsan-sprüchen

Nicht die Zustimmung der Regierungskommission findetdes Weiteren der Vorschlag, die Verjährungsfrist gemäß § 47 BörsG hinsichtlich des Prospekthaftungsanspruchsnach § 45 BörsG zu verlängern. Insoweit ist darauf zu ver-weisen, dass die Frage der Verjährungsfrist erst bei den Be-ratungen zum Dritten Finanzmarktförderungsgesetz einge-hend und kontrovers diskutiert und schließlich vomGesetzgeber durch die geltende Regelung entschieden wor-den ist.

(c) Strafbarkeit unrichtiger Darstellungen

Gleichfalls keine Zustimmung finden verschiedene Vor-schläge zur Änderung/Verschärfung der Regelung des § 400 AktG.

Nach § 400 AktG ist die vorsätzlich unrichtige Darstel-lung der Verhältnisse der Gesellschaft durch Vorstands-und Aufsichtsratsmitglieder unter Strafe gestellt. Ähnli-che Vorschriften enthalten das UmwG (§ 313 UmwG) unddas HGB (§ 331 Nrn. 1, 4 HGB). Ergänzend sind die(Bußgeld-)Vorschriften des Kapitalmarktrechts (WpHG,VerkaufsprospekteG, BörsG) bei falschen oder unvoll-ständigen Mitteilungen oder Angaben zu sehen. Die Vor-schrift des § 400 AktG hat zugleich Bedeutung für zivil-rechtliche Schadenersatzansprüche geschädigter Anleger(Schutzgesetz i. S. v. § 823 Abs. 2 BGB).

Einer Änderung des § 400 Abs. 1 Nr. 1 AktG dahin, dassdie Vorschrift ausdrücklich die unrichtige Wiedergabeoder Verschleierung der Verhältnisse der Gesellschafteinschließlich ihrer Beziehungen zu verbundenen Unter-nehmen „in Ad-hoc-Meldungen und sonstigen öffentli-chen Äußerungen“ erfasst, bedarf es nach Auffassung derRegierungskommission nicht. Das Argument, die Straf-barkeit unrichtiger Ad-hoc-Mitteilungen, die sich nichtauf den Vermögensstand insgesamt beziehen, sei nach dergegenwärtigen Gesetzesfassung zweifelhaft, da die „Dar-stellung“ i. S. d. Vorschrift sich auf den Vermögensstandinsgesamt beziehen müsse, überzeugt nicht. Der Zusatz„über den Vermögensstand“ betrifft nach dem Wortlautder Vorschrift weder die „Darstellungen“ noch die „Vor-träge oder Auskünfte in der Hauptversammlung“, da derbetreffende Zusatz insoweit jeweils fehlt. Da somit bereitsdie Auslegung ergibt, dass die Vorschrift auch Ad-hoc-Mitteilungen erfasst, die sich nicht auf den Vermögens-stand insgesamt beziehen, bedarf es einer diesbezüglichen„Klarstellung“ nicht.

Eine Absage wird auch dem Vorschlag erteilt, die Straf-barkeit gemäß § 400 AktG auf Fälle fahrlässigen Verhal-tens auszudehnen. Namentlich eine Ausdehnung derStrafbarkeit auf Fälle leichter Fahrlässigkeit erscheintsachlich nicht angemessen. Hinzuweisen ist in diesem Zu-sammenhang insbesondere darauf, dass der Tatbestandauch Fehlinformationen über die Beziehungen der Ge-sellschaft zu verbundenen Unternehmen umfasst, hin-sichtlich derer der Vorstand auf die Informationen zurück-greifen muss, die ihm seitens dieser Unternehmen zur

Verfügung gestellt werden. Aber auch eine Strafbarkeitbei grober Fahrlässigkeit ist nicht wünschenswert, da dieGefahr besteht, dass es in diesem Fall zu einer deutlichenZunahme von Strafanzeigen und Strafverfahren oder dochentsprechender Androhungen kommen könnte. Dem hin-ter dem Vorschlag einer Verschärfung des § 400 AktG ste-henden Anliegen, die zivilrechtliche Haftung für Fehlin-formationen des Kapitalmarktes zu erweitern, ist nichtüber den Umweg einer Ausdehnung der StrafbarkeitRechnung zu tragen, die dann eine Ausweitung der Haf-tung gemäß § 400 AktG i. V. m. § 823 Abs. 2 BGB nachsich ziehen würde, sondern durch die Einführung einerallgemeinen zivilrechtlichen Schadensersatzpflicht beifehlerhafter Information des Kapitalmarkts in einem be-sonderen Haftungstatbestand (dazu sogleich unter (d)).

(d) Haftung für Falschinformation des Kapital-markts

International sehen entwickelte Kapitalmarktrechte weitgehende zivilrechtliche Haftungen für falsche oder irre-führende öffentliche Kapitalmarktinformationen vor.

Der Regierungskommission hat folgender Vorschlag zurEinführung einer entsprechenden Haftung nach deut-schem Recht vorgelegen:

1. Das Börsengesetz erhält einen neuen Abschnitt VI.:„Haftung wegen falscher Angaben“ (vor §§ 79 bis87); der bisherige Abschnitt VI. wird Abschnitt VII.

2. Die §§ 79 bis 83 BörsenG werden wie folgt ge-fasst:

§ 79

(1) Wer als Mitglied des Vorstands oder Aufsichtsratseiner Gesellschaft, deren Aktien zum Handel an ei-ner inländischen Börse zugelassen oder mit Zu-stimmung der Gesellschaft in den Freiverkehr ein-bezogen sind, die Verhältnisse der Gesellschafteinschließlich ihrer Beziehungen zu verbundenenUnternehmen in Darstellungen oder Übersichtenüber den Vermögensstand, in Vorträgen oder Aus-künften in der Hauptversammlung vorsätzlichoder grob fahrlässig unrichtig wiedergibt oder ver-schleiert, haftet, sofern diese falsche Darstellunggeeignet ist, den Börsen- oder Marktpreis der Ak-tien erheblich zu beeinflussen, nach Maßgabe derfolgenden Bestimmungen auf Schadensersatz.

(2) Wer innerhalb von sechs Monaten nach derfalschen Darstellung Aktien erworben hat, kannvon den nach Absatz 1 Ersatzpflichtigen als Ge-samtschuldnern die Zahlung des Unterschiedsbe-trages zwischen dem Erwerbspreis und dem Bör-sen- oder Marktpreis der Aktien nach Ablauf dieserFrist sowie Ersatz der mit dem Erwerb verbunde-nen üblichen Kosten verlangen. Der Erwerbspreiskommt nur in Betracht, soweit er den durchschnitt-lichen Börsen- oder Marktpreis der Aktie währendder ersten drei Handelstage nach der falschen Dar-stellung nicht überschreitet; bei Handel an mehre-ren inländischen Börsen gilt der höchste durch-schnittliche Börsen- oder Marktpreis.

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Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 87 – Drucksache 14/7515

(3) Ist der Erwerber nicht mehr Inhaber der Aktien, sokann er Zahlung des Unterschiedsbetrages zwi-schen dem Erwerbspreis und dem Veräußerungs-preis sowie der mit dem Erwerb und der Veräuße-rung verbundenen üblichen Kosten verlangen.Absatz 2 Satz 2 gilt entsprechend.

(4) Ist ein Anleger durch eine falsche Darstellung da-von abgehalten worden, Aktien zu veräußern, sogelten Absatz 2 S. 1 und Absatz 3 Satz 1 entspre-chend. An die Stelle des Erwerbspreises tritt in die-sem Falle der Preis, der nach den getroffenen An-stalten zur Zeit des geplanten Verkaufs hätte erzieltwerden können.

(5) Die Ersatzpflicht desjenigen, der grob fahrlässiggehandelt hat, beschränkt sich auf fünf MillionenDeutsche Mark.

(6) Sind Aktien eines Emittenten mit Sitz im Auslandzum Börsenhandel zugelassen oder mit Zustimmungder Gesellschaft in den Freiverkehr einbezogen, sostehen diejenigen Personen, die vergleichbare Auf-gaben wie ein Vorstands- oder Aufsichtsratsmitgliedwahrnehmen, diesen gleich.

§ 80

Ein Anspruch nach § 79 besteht nicht, sofern

1. die Aktien nicht auf Grund der falschen Darstel-lung erworben wurden;

2. der Sachverhalt, über den unrichtige oder unvoll-ständige Angaben gemacht worden sind, nicht zueiner Minderung des Börsen- oder Marktpreisesder Aktien beigetragen hat;

3. der Erwerber die Unrichtigkeit oder Unvollstän-digkeit der Angaben bei dem Erwerb kannte oder

4. vor dem Erwerbsgeschäft im Rahmen des Jahres-abschlusses oder eines Zwischenberichts, einerVeröffentlichung nach § 15 des Wertpapierhan-delsgesetzes oder einer vergleichbaren Bekannt-machung eine deutlich gestaltete Berichtigung derunrichtigen oder unvollständigen Angaben im In-land veröffentlicht wurde. Satz 1 Nummern 2 bis 4gelten in den Fällen des § 79 Absatz 4 entspre-chend.

§ 81

Der Anspruch nach § 79 verjährt in sechs Monaten seitdem Zeitpunkt, zu dem der Anleger von der Unrichtigkeitder Darstellung Kenntnis erlangt hat, spätestens jedoch indrei Jahren seit der falschen Darstellung.

§ 82

(1) Eine Vereinbarung, durch die der Anspruch gemäß § 79 im Voraus ermäßigt oder erlassen wird, ist un-wirksam.

(2) Weiter gehende Ansprüche, die nach den Vor-schriften des bürgerlichen Rechts erhoben werdenkönnen, bleiben unberührt.

§ 83

Für die Entscheidung über Ansprüche nach § 79 sowieüber die in § 82 Abs. 2 erwähnten Ansprüche ist ohneRücksicht auf den Wert des Streitgegenstands das Land-gericht ausschließlich zuständig, in dessen Bezirk die Ge-sellschaft ihren Sitz hat; in den Fällen des § 79 Abs. 6 dasLandgericht, in dessen Bezirk sich der Sitz derjenigenBörse befindet, an welcher die Wertpapiere der ausländi-schen Gesellschaft erstmals zugelassen worden sind. Be-steht an diesem Landgericht eine Kammer für Handelssa-chen, so gehört der Rechtsstreit vor diese.

§ 84

(1) Die Ansprüche nach § 79 und nach § 82 Abs. 2 kön-nen durch einen besonderen Vertreter geltend ge-macht werden. Das nach § 83 zuständige Gerichthat einen solchen Vertreter auf Antrag eines Anle-gers, der seinen Anspruch glaubhaft gemacht hat,zu bestellen. Gegen die Entscheidung findet diesofortige Beschwerde statt.

(2) Der Vertreter hat seine Bestellung und derenZweck in den Gesellschaftsblättern bekannt zumachen und darauf hinzuweisen, dass geschädigteAnleger ihre Ansprüche durch ihn gerichtlich gel-tend machen lassen können. Hierzu soll den Anle-gern eine angemessene Frist von mindestens ei-nem Monat eingeräumt werden. Die Ansprüchesind schriftlich unter Angabe der Höhe des Scha-dens bei dem Vertreter anzumelden. Der Vertreterkann die Verfolgung einzelner Ansprüche zu je-dem Zeitpunkt des Verfahrens ablehnen, wenn dieszur Wahrung der Interessen der Anlieger zweck-mäßig erscheint.

(3) Das Prozessgericht kann, wenn ein Anleger seineAnsprüche nicht durch den besonderen Vertreter,sondern selbst geltend macht, das Verfahren imHinblick auf das vom Vertreter betriebene Verfah-ren aussetzen und dem Anleger auch im Obsie-gensfalle die Kosten des Rechtsstreits auferlegen.Dies gilt nicht für Ansprüche, deren Geltendma-chung von dem Vertreter nach Abs. 2 Satz 4 abge-lehnt wurde.

(4) Der Vertreter hat den Betrag, der aus der Geltend-machung der Ansprüche erzielt wird, nach Abzugder Kosten und der nach Absatz 5 festgesetztenAuslagen und Vergütung an die vertretenen Anle-ger zu verteilen.

(5) Der Vertreter hat Anspruch auf Ersatz angemesse-ner barer Auslagen und auf Vergütung für seineTätigkeit. Die Auslagen und die Vergütung setztdas Gericht fest. Gegen die Entscheidung findetdie sofortige Beschwerde statt; die weitere Be-schwerde ist ausgeschlossen. Aus der rechtskräfti-gen Entscheidung findet die Zwangsvollstreckungnach der Zivilprozessordnung statt.

Die Regierungskommission ist der Auffassung, dass die-ser Vorschlag im Einzelnen noch der wissenschaftlichenund rechtspolitischen Erörterung bedarf. Sie ist jedoch der

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Drucksache 14/7515 – 88 – Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode

Ansicht, dass hinsichtlich der Verbesserung des Anleger-schutzes bei Falschinformation dringender Handlungsbe-darf besteht und hat sich über folgende Eckpunkte einerRegelung geeinigt:

Der Gesetzgeber sollte eine zivilrechtliche Haftung vonVorstands- und Aufsichtsratsmitgliedern börsennotier-ter Gesellschaften für vorsätzliche oder grob fahrlässigeFalschinformation über die Verhältnisse der Gesell-schaft vorsehen.

– Vom Tatbestand erfasst sein sollten wie in § 400 Abs. 1 AktG alle Darstellungen, Übersichten über denVermögensstand, Vorträge, Auskünfte in der Haupt-versammlung, aber auch Vorstandsberichte und Ad-hoc-Meldungen; eine Beschränkung z. B. auf kraftGesetzes geforderte Darstellungen, Berichte und Aus-künfte wie im Fall der Prospekthaftung (§ 45 BörsG)empfiehlt sich nicht.

– Das schlichte Unterlassen der Korrektur früherer ge-genüber dem Kapitalmarkt verlautbarter Informatio-nen bei Änderung der Verhältnisse der Gesellschaftsollte dem positiven Tun gleichstehen, wenn diesesUnterlassen einer gesetzlichen Redepflicht, nament-lich gemäß § 15 Abs. 1 S. 1 WpHG, von der das BAWeden Emittenten nach § 15 Abs. 1 S. 2 WpHG ggf. be-freien kann, zuwiderläuft.

– Die Ersatzpflicht sollte auf Mitglieder des Vorstandsund des Aufsichtsrats beschränkt sein. Die Einführungeiner Arbeitnehmer-Haftung durch Einbeziehen etwavon leitenden Angestellten ist nicht zu befürworten.

– Es sollte klargestellt werden, dass eine Haftung derGesellschaft selbst (nach § 31 BGB oder unmittelbar)wegen des Vorrangs des Gläubigerschutzes ausge-schlossen ist. Bei Verhaltensweisen, die auch im In-nenverhältnis zwischen haftendem Organmitglied undGesellschaft eine Pflichtverletzung darstellen (§§ 93,116 AktG), kommt auch kein Gesamtschuldneraus-gleich, ein Befreiungsanspruch oder Ähnliches in Be-tracht.

– Die Haftungsvorschrift sollte auf zum Börsenhandelzugelassene oder mit Zustimmung der Gesellschaft inden Freiverkehr einbezogene Wertpapiere beschränktwerden.

– In Fällen grober Fahrlässigkeit sollte die Haftung ana-log § 323 Abs. 2 HGB betragsmäßig gedeckelt wer-den, wobei allerdings vorgesehen werden sollte, dassein etwaiger infolge Falschinformation des Kapital-markts vom Ersatzverpflichteten erzielter „Verletzer-gewinn“, etwa aus einem Verkauf von Aktien, in je-dem Fall vollständig herauszugeben ist.

– Vorgesehen werden sollte des Weiteren eine Entlas-tungsmöglichkeit in Anlehnung an § 46 BörsG. EineHaftung für Schäden, die zeitlich nach der Veröffent-lichung einer Berichtigung unrichtiger oder unvoll-ständiger Angaben eintreten, kommt nicht in Betracht;insoweit greift die Regelung des § 254 BGB ein.

(e) Kollektive Durchsetzung von Anlegeransprüchen

(aa) Allgemeines

Die Zivilprozessordnung ist auf Einzelverfahren und dasGeltendmachen von Einzelansprüchen zugeschnitten. ImKapitalanlagerecht geht es jedoch in der Regel darum,dass der einzelne Anleger einen relativ geringen Verlust er-leidet, der angerichtete Gesamtschaden dagegen durchausim mehrstelligen Millionenbereich liegen kann. Dem Gel-tendmachen solcher Schäden in Einzelverfahren stehen je-doch besondere Hindernisse gegenüber. Wenn jeder ein-zelne Anleger einen relativ geringen Verlust erlitten hat,besteht bei ihm schon wegen des auch bei Obsiegen nichterstattungsfähigen Privataufwands und des Prozessver-lustrisikos kein Interesse daran, seinen an sich bestehen-den Anspruch auch, notfalls gerichtlich, durchzusetzen. Eskommen in Anlegerschutzfällen spezifische Beweispro-bleme hinzu. Die anspruchsbegründenden Sachverhaltemüssen, bevor über eine Klage entschieden wird, erst auf-geklärt und aufbereitet werden. Für den Einzelkläger lohntsich dieser Aufwand in der Regel nicht. Hinzu kommt,dass der Gegenstandswert der Einzelklage und das aus ihmerrechnete Anwaltshonorar oft zu gering sind, um eineneinzelnen Anwalt zu einer effektiven Rechtsvertretung zuveranlassen. Aus diesen Gründen neigen Anwälte dazu,erst einmal das Ergebnis eines staatsanwaltlichen Ermitt-lungsverfahrens abzuwarten, um die gewonnenen Infor-mationen anschließend im Zivilprozess zu verwerten. Not-falls wird aber, um der drohenden Verjährung zu entgehen,vorsorglich Klage erhoben.

Entwickelte Kapitalmärkte wie die USA („class action“)und Großbritannien („representative action“), aber auchandere Rechtsordnungen, kennen jedenfalls bei vorsätzli-chen oder gravierenden leichtfertigen Anlegerschädigun-gen einen effektiven Vertretungsmechanismus, der nichtnur den Individualschutz und Individualschadensaus-gleich bewirkt, sondern zugleich auch für Effizienz desKapitalmarkts und das Vertrauen in sein von deliktischenStörungen weitgehend freies Funktionieren sorgt.

Allerdings – das ist bereits vorab an dieser Stelle zu er-wähnen – lehnt die Regierungskommission die Über-nahme der US-amerikanischen Sammelklage (class ac-tion) ab. Sie hat sich bei ihren Beratungen jedocheingehend mit den Defiziten des geltenden deutschenRechts in diesem Punkt und denkbaren Alternativen (un-ten 2) befasst und spricht sich dafür aus, eine Klagenbün-delung durch Bestellung eines gemeinsamen Vertreters inAnlehnung an im deutschen Recht bereits vorhandeneund erprobte Vorbilder vorzusehen (unten 3).

(bb) Defizite und Alternativen

Anders als bei Anfechtungsklagen kann in den hier inRede stehenden Fällen nicht auf das Tätigwerden von Ak-tionärsvereinigungen gesetzt werden. Während das Urteilauf eine von einer Aktionärsvereinigung erhobene An-fechtungsklage für und gegen alle wirkt (§ 248 AktG), istdas bei Individualschadenersatzklagen nicht der Fall. DieRechtskraft eines von einer Aktionärsvereinigung erstrit-

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tenen Urteils kann auch nicht einfach auf die übrigen An-leger erstreckt werden, weil diese am Verfahren nicht be-teiligt waren.

Die Durchsetzung von Individualansprüchen Aktionärs-vereinigungen oder sonstigen Interessengemeinschaftendurch Abtretung oder Einzugsermächtigung (§ 185 BGB)zu überlassen begegnet nach geltendem Recht Bedenkennach dem Rechtsberatungsgesetz.

Möglich ist die Bildung von Streitgemeinschaften nach §§ 59, 60 ZPO. Die geschädigten Anleger treten dann ge-meinschaftlich als Kläger auf. Insbesondere die Beweis-aufnahme kann dann für alle verbundenen Verfahren ein-heitlich erfolgen. Für die Gerichtskosten bedeutet diesleichte Vorteile gegenüber Einzelklagen. Freilich kommtdas nur in Betracht, wenn sich die Geschädigten über-haupt zusammenfinden; dies setzt Information und Orga-nisation voraus, sodass häufig nur Zufallsgemeinschaftenentstehen. Das Problem der „rationalen Apathie“ bleibtungelöst. Außerdem tritt der Schaden typischerweisenicht bei allen Anlegern gleichzeitig ein. Es ergibt sicheine zeitliche Verzettelung. Für das Gericht kommt dasProblem, ein Verfahren mit mehreren hundert oder gartausend Klägern mit unter Umständen je unterschiedli-cher Schadenshöhe abzuwickeln.

Ähnliche Probleme ergeben sich für das Gericht im Fallder Prozessverbindung nach § 147 ZPO. Selbst wenn si-chergestellt ist, dass alle geschädigten Anleger vor ein unddemselben Gericht (Spruchkörper) klagen, hat es das Ge-richt immer noch mit hunderten, u. U. tausenden von Kla-gen mit je unterschiedlicher Anspruchshöhe zu tun.

Eine Verfahrensaussetzung aller übrigen Prozesse imHinblick auf einen Parallelprozess nach § 148 ZPOkommt nicht in Betracht, da kein Fall der Vorgreiflichkeitoder Präjudizialität gegeben ist. Selbst wenn § 148 ZPOaber im Hinblick auf Massenschädigungen erweitertwürde, blieben entscheidende Probleme bestehen:

– Jeder geschädigte einzelne Anleger müsste, in der Re-gel durch einen Anwalt, Klage erheben;

– das Gericht hätte sich dementsprechend mit massen-haft erhobenen Klagen zu beschäftigen;

– die Kläger in den ausgesetzten Verfahren wären derProzessführung des „Musterverfahrens“ mehr oderweniger ausgeliefert.

Die einzige Möglichkeit, Mehrfachprozesse bei einerVielzahl Geschädigter und gleicher oder ähnlicher Inte-ressenlage zu vermeiden, ist eine Musterprozessvereinba-rung, aufgrund derer die Beteiligten nur eines oder meh-rere Musterverfahren stellvertretend durchführen und dieÜbernahme des Ergebnisses für die zurückgestelltenRechtsstreite vereinbaren. Eine Musterprozessvereinba-rung kann freilich nicht zu einer Rechtskrafterstreckungführen. Die entscheidenden Nachteile des Musterprozessesliegen jedoch darin, dass es häufig schon nicht gelingenwird, den Schädiger oder alle Geschädigten für eine solcheVereinbarung zu gewinnen. Gerade der Beklagte wird sichaus der Aufsplitterung in eine Vielzahl von Verfahren häu-fig taktische Vorteile erhoffen. Bei Anlegerschädigungen

kommt als weiteres Problem hinzu, dass die Schadenshöhehäufig variieren wird, sodass die Musterprozessabrede al-lenfalls den Anspruchsgrund betreffen könnte.

Die Verwaltungsgerichtsordnung sieht in § 93a ein Mus-terverfahren vor, wenn die Rechtmäßigkeit einer behörd-lichen Maßnahme Gegenstand von mehr als 20 Verfahrenist. Praktische Beispiele sind Klagen gegen Planfeststel-lungsbeschlüsse oder Umweltstreitigkeiten. In solchenFällen kann das Gericht eines oder mehrere geeignete Ver-fahren vorab durchführen und die übrigen aussetzen.

Einigkeit besteht aber darin, dass sich die Regeln des § 93a VwGO nicht uneingeschränkt auf den Zivilprozessübertragen lassen:

– Im Verwaltungsgerichtsprozess gilt das Amtsermitt-lungsprinzip. Dies ermöglicht, die Ergebnisse einesMusterprozesses ohne weiteres auf die ausgesetztenVerfahren zu übertragen (vgl. § 93a VwG0). Dasscheidet im Zivilprozess aus.

– Musterprozesse eignen sich bei Massenschäden mitunter Umständen unterschiedlichem Schadensverlaufund Schadenshöhe nicht.

– Auch das Musterverfahren des § 93a VwGO würde er-fordern, dass die Klagen aller Anleger erhoben werden.

– Die Kosten des Musterprozesses tragen nur die Par-teien dieses Verfahrens. Das ist unbefriedigend.

Die §§ 25, 205 Umwandlungsgesetz sehen bei Ver-schmelzung und Formwechsel Schadenersatzansprücheder Anteilsinhaber der übertragenden bzw. formwechseln-den Gesellschaft gegen Vorstands- und Aufsichtsratsmit-glieder vor, sofern diese die Anteilsinhaber im Zusam-menhang mit der Umwandlung schuldhaft geschädigthaben. Diese Individualschadenersatzansprüche könnendie geschädigten Anleger aber nicht je einzeln, sondern nurdurch einen gemeinsamen besonderen Vertreter geltendmachen, der ihnen vom Gericht bestellt wird (§§ 26, 206UmwG). Der besondere Vertreter fordert die Aktionäre (imFall einer AG) öffentlich auf, ihre Ansprüche binnen einerAusschlussfrist anzumelden. Er hat nach Durchsetzungder Ansprüche eine Verteilung vorzunehmen.

Die Gesetzesmaterialien rechtfertigen diese Vorschriftmit der Erwägung, der besondere Vertreter solle eine ein-heitliche Anspruchsdurchsetzung erreichen und eineneventuellen Erlös gleichmäßig verteilen. Es solle keinenWettlauf der Beteiligten geben.

Das Zentralproblem des Modells gemäß § 26 UmwG istsein Zwangscharakter. Wer seinen Anspruch nicht anmel-det, soll ihn verlieren; der Anspruchsinhaber kann ihnselbst nicht geltend machen.

(cc) Freiwillige gemeinschaftliche Vertretung;Empfehlung

Im Hinblick auf die vorstehenden Erwägungen empfiehltsich eher eine „opt-in“ Lösung, wie sie aus den Spruch-stellen-Verfahren bekannt ist (vgl. z. B. § 308 Abs. 1UmwG: „Das Landgericht hat den außenstehenden

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Drucksache 14/7515 – 90 – Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode

Anteilsinhabern, die nicht selbst Antragsteller sind, zurWahrung ihrer Rechte einen gemeinsamen Vertreter zubestellen). Ein entsprechender Vorschlag hat der Regie-rungskommission vorgelegen (§ 84 BörsG i. d. F. desoben unter (d) mitgeteilten Entwurfs). Die Eckpunkte die-ses an die §§ 26, 206, 308 UmwG angelehnten Entwurfssind:

– Ausschließlicher Gerichtsstand;

– Bestellungsverfahren:

Jeder Anspruchsinhaber kann einen Antrag auf Be-stellung eines gemeinsamen Vertreters unter Glaub-haftmachung seiner Berechtigung stellen: Zuständigfür die Bestellung ist das Prozessgericht erster Instanz,das über die spätere Klage zu entscheiden hat. Gegendie Bestellung findet die sofortige Beschwerde statt.

– Öffentliche Aufforderung und Anmeldung:

Der Vertreter hat die Anleger öffentlich darauf hinzu-weisen, dass sie ihre Ansprüche unter Angabe desSachverhalts und der Mitteilung des oder der Beklag-ten binnen einer angemessenen Frist anmelden kön-nen. Die Aufforderung ist in den Gesellschaftsblätternbekannt zu machen. Bestreitet der gemeinsame Ver-treter einen

angemeldeten Anspruch nach Grund oder Höhe, so ist deranmeldende Anleger auf eine Individualklage zu verweisen.

– Erkenntnisverfahren:

Der gemeinsame Vertreter klagt im eigenen Namen alsPartei kraft Amtes die fristgemäß angemeldeten An-sprüche ein. Die Klageerhebung unterbricht die Verjährung (nur) hinsichtlich der von dem Vertreter ein-geklagten Ansprüche. Das Gericht kann das Gruppenver-fahren und eingeklagte Individualansprüche zur gleich-zeitigen Verhandlung und Entscheidung miteinanderverbinden (§ 147 ZPO). Durch eine Prozesskostenregel – Abweichung von § 91 ZPO nach Ermessen des Ge-richts – sollte den Einzelklägern der (negative) Anreiz ge-

geben werden, sich tunlichst dem Gruppenverfahren an-zuschließen.

– Die Verteilung des erstrittenen Erlöses erfolgt ent-sprechend § 26 Abs. 3 UmwG, ebenso die Vergütungdes besonderen Vertreters.

Die Regierungskommission ist der Auffassung, dass eszur Verbesserung des Anlegerschutzes nicht nur dringendeiner Überarbeitung der materiell-rechtlichen Haftungs-grundlage für Falschinformationen bedarf, sondern dasses auch – im Interesse der Anleger wie der potenziell Be-klagten – als unabdingbar notwendig erscheint, einerseitsdenkbare Massenklagen zu kanalisieren und konzentrie-ren, und andererseits für eine effektive Vertretung grobfahrlässig oder gar vorsätzlich geschädigter Anleger zusorgen. Das deutsche Recht weist insofern gravierendeDefizite auf, die behoben werden sollten. Das Modell derUS-amerikanischen Sammelklage scheidet nach Auffas-sung der Regierungskommission allerdings aus; es erklärtsich aus Besonderheiten des US-amerikanischen Zivil-prozesses, die zum Teil ins deutsche Recht nicht über-tragbar sind, teilweise aber auch nicht wünschbar er-scheinen. Am nächsten liegt eine Anlehnung an bereits imdeutschen Recht angelegte Vertretungsmodelle (§§ 26,206 UmwG sowie §§ 305 ff. UmwG). Die Regierungs-kommission spricht insofern aber keine konkrete Emp-fehlung aus, weil die von ihr erörterten Vorschläge ihrerAuffassung nach noch der intensiven wissenschaftlichenund rechtspolitischen Diskussion bedürfen. Um jedochdiese Diskussion tunlichst zu befördern, hat sich die Re-gierungskommission entschlossen, die ihr vorgelegtenVorschläge und ihre Überlegungen hierzu zu veröffentli-chen, wie oben geschehen.

Die Regierungskommission empfiehlt, für eine gemein-schaftliche Vertretung geschädigter Anleger bei bewuss-ter oder grob fahrlässiger Falschinformation zu sorgen.Ein Zwang, sich einer solchen Kollektivvertretung an-zuschließen, sollte dabei ebenso ausgeschlossen werdenwie eine Kommerzialisierung des Klagewesens durchMehrfachvertretungen oder Erfolgshonorare.

Viertes Kapitel: Unternehmensfinanzierung

I. Allgemeines

Der Abschnitt zu den Formen, Instrumenten und Gestal-tungsmöglichkeiten der Unternehmensfinanzierung be-fasst sich mit den Anregungen der angehörten Sachverständigen und Verbände hierzu, die in drei The-mengruppen zusammengefasst werden können: Deregu-lierung und Flexibilisierung zwingender aktienrechtli-cher Vorschriften; stärkere Rücksichtnahme auf diebesonderen Gestaltungsbedürfnisse der mit Wagniskapi-tal finanzierten Unternehmen in der Rechtsform der Ak-tiengesellschaft; Übernahme in ausländischen Rechtenerprobter, neuer Finanzierungs- und Gestaltungsformen.

II. Deregulierung

1. Aktienstückelung (Aktiensplit)

Seit dem Euro-Einführungsgesetz ist der Nennbetrag vonAktien auf 1 Euro abgesenkt (§ 8 Abs. 2 S. 1 AktG; beiStückaktien: anteiliger Betrag des Grundkapitals, § 8 Abs.3 S. 3 AktG). Von einer weiteren Absenkung oder gar völ-ligen Aufgabe eines Mindest-Nennbetrags wurde abgese-hen, weil mögliche unseriöse „Penny Stocks“ vermiedenwerden sollten. Gemeint sind damit Neu-Emissionen vonAktien (insbesondere am grauen Markt) mit atomisiertemNennbetrag und folglich extrem niedrigem und daher un-

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erfahrenen Anlegern günstig erscheinendem Kurs. Davonabgesehen ist ein Aktiensplit durch Teilung des Nennbe-trags aber grundsätzlich ein aktionärsfreundliches und po-sitiv zu bewertendes Marketinginstrument für börsenno-tierte Gesellschaften. Zu erwähnen ist insbesondere dieUS-amerikanische Usance, Aktien immer dann zu splitten,wenn der Kurs nachhaltig über $ 100 liegt. Auch in euro-päischen Ländern ist eine Aktienstückelung häufig in wei-terem Umfang möglich und üblich, um einen zu schwerenBörsenkurs zu vermeiden. In Konzernen, in denen Mutterund Töchter Aktien ausgegeben haben, kann mit Aktiens-plits einem Steuerungsbedarf bei der Gewichtung der Bör-senkurse innerhalb der Aktienfamilie besser Rechnung ge-tragen werden. Junge Unternehmen können darüber hinauseinen Aktiensplit durch Verkleinerung des Nennbetragesdazu nutzen, einen liquiden Handel in ihren Aktien zu ge-währleisten.

Die Regierungskommission hat den Vorschlag erwogen,einen Aktiensplit nur für eine die Zahl der Aktien verdop-pelnde Stückelung zuzulassen, sofern der Börsenpreis fürdie Dauer eines Jahres einhundert Euro übersteigt, um aufdiesem Wege den Schutz der Anleger vor „Penny Stocks“mit niedrigem und daher unerfahrenen Anlegern günstigerscheinendem Kurs zu gewährleisten. Diesem Vorschlaghat sich die Regierungskommission nicht angeschlossen.Der Schutz der Anleger ist insoweit nicht durch eine akti-enrechtliche Regulierung, sondern kapitalmarktrechtlichsicherzustellen. § 6 der Börsenzulassungs-Verordnung(„Die Stückelung der Wertpapiere, insbesondere die klein-ste Stückelung und die Anzahl der in dieser Stückelungausgegebenen Wertpapiere, müssen den Bedürfnissen desBörsenhandels und des Publikums Rechnung tragen“) ent-hält einen Ansatz hierfür, den es notfalls auszubauen gilt.

Die Regierungskommission empfiehlt, § 8 des Aktienge-setzes über die Mindestbeträge der Aktien so zu ändern,dass Nennbetragsaktien künftig auf (mindestens) einenCent lauten können, und dass der auf eine einzelneStückaktie entfallende anteilige Betrag des Grundkapi-tals einen Cent nicht unterschreiten darf.

Eingehend erörtert hat die Regierungskommission sodanndie Frage, ob die Regelung der Stückelung der Aktien beiFreigabe des Mindestnennbetrages sowie des auf die ein-zelne Aktie entfallenden anteiligen Betrags des Grundka-pitals ausschließlich dem Satzungsgeber vorbehalten blei-ben sollte, oder ob insoweit auch eine entsprechendeErmächtigung des Vorstands durch Satzungsbestimmungin Betracht kommt. Letztere Variante erscheint als praxis-gerechter, um aktuellen Marktgegebenheiten besserRechnung tragen zu können. Die Regierungskommissionschlägt deshalb Folgendes vor:

Die Hauptversammlung sollte durch Satzungsänderungmit der hierfür erforderlichen Mehrheit den Vorstandfür höchstens fünf Jahre ermächtigen können, mit Zu-stimmung des Aufsichtsrats die Bestimmungen der Sat-zung über die Einteilung des Grundkapitals (Nennbe-träge bzw. Aktienanzahl) zu ändern.

Selbstverständlich sollte eine solche Ermächtigung auchbereits in der ursprünglichen Satzung selbst vorgesehen

werden können. Die Begrenzung der Ermächtigung auffünf Jahre wie beim genehmigten Kapital (vgl. § 202 Abs.2 S. 1 AktG) ist vor dem Hintergrund zu sehen, dass dieEntscheidung über diese satzungsändernde Maßnahmedurch die Hauptversammlung selbst einerseits zu schwer-fällig wäre, um flexibel auf entsprechende Marktentwick-lungen reagieren zu können. Andererseits sollte aber dieErmächtigung zur Satzungsänderung in der Hand derHauptversammlung bleiben, die dann darüber entschei-den mag, ob sie erneut erteilt wird. In diesem Zusammen-hang muss durch Publizitätsvorschriften sichergestelltwerden, dass für die einzelnen Aktionäre die Höhe ihrerBeteiligungsquote, namentlich im Hinblick auf Minder-heitenrechte, die an eine bestimmte Mindestbeteiligungs-quote anknüpfen, jederzeit errechenbar bleibt.

2. Stückelose Effekten

In einzelnen bei der Regierungskommission eingegange-nen Stellungnahmen wird das Konzept der Aktie als (kör-perliches) Wertpapier kritisiert. Seit dem Gesetz über diekleine Aktiengesellschaft kann zwar der Anspruch be-wusst des einzelnen Aktionärs auf Verbriefung ausge-schlossen werden (§ 10 Abs. 5 AktG); hiervon wird in derPraxis in weitem Umfang auch Gebrauch gemacht. DerGesetzgeber hat aber bewusst am Wertpapiercharakter derAktie festgehalten. Es bleibt trotz § 10 Abs. 5 AktG dabei,dass jedenfalls eine Globalurkunde herzustellen und zuhinterlegen ist.

Es wird geltend gemacht, das Festhalten am Wertpapier-charakter der Aktie selbst im Fall der Globalurkundeführe zu einer Reihe von Auslegungsfragen und Schwie-rigkeiten. Obwohl sich Veräußerung und Erwerb und derNachweis der Inhaberschaft heute durch schlichte elek-tronische Buchungen vollziehen, spreche das Aktienge-setz nach wie vor von „Hinterlegung“, der „Ausgabe“ unddem „Abholen“ von Aktien, und würden Übertragung undVerpfändung sachenrechtlich konstruiert, was namentlichbei der Verfügung über durch eine Globalurkunde ver-brieften Aktien rechtliche Zweifelsfragen aufwerfe. Da-her solle der Gesetzgeber die bisher nur halbherzig undunvollkommen vollzogene Entmaterialisierung des Ef-fektenwesens zu Ende führen und, etwa in Anlehnung andie für Schuldbuchforderungen der öffentlichen Hand be-stehende Rechtslage (vgl. ReichsschuldbuchG v. 31. Ok-tober 1910 i. V. m. dem AnleiheG vom 29. März 1951),die Möglichkeit einer Ersetzung der Verkörperung in Ein-zel- und Sammelurkunden durch Eintragung in öffentli-che Register anbieten.

Die Regierungskommission vermag sich dieser Empfeh-lung einer völligen Änderung des Systems, das bisherkeine nennenswerten, in der Praxis beklagten Problemeund Anpassungsschwierigkeiten bereitet hat, nicht anzu-schließen. Die gesteigerte Notwendigkeit sowohl desVerkehrsschutzes (Abwicklung des Börsenhandels undgutgläubiger Erwerb) als auch des Schutzes der Gesell-schaft selbst (Legitimitation des Aktionärs) müssen unab-dingbar gewährleistet bleiben. Es erscheint aber bishernoch als zu wenig ausgelotet, wieweit und unter welchenVoraussetzungen Buchungen auf elektronischen Daten-

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trägern die Papierform der Einzel- oder Globalurkundeals Rechtsscheinträger ersetzen und Legitimationswir-kung entfalten können. Das schließt nicht aus, dass derGesetzgeber, wie bereits bisher, durch einzelne wohler-wogene Schritte eine Anpassung an die veränderten Ge-gebenheiten und Abläufe erreichen kann; in geeignetenFällen mag dies auch durch Auslegung von Vorschriften,die noch an die Papierform anknüpfen, möglich sein.

3. Sachkapitalerhöhung in der Nachgründungsphase

Nach überwiegender Auffassung im einschlägigenSchrifttum ist die Nachgründungsvorschrift des § 52AktG bei einer noch nicht zwei Jahre bestehenden Akti-engesellschaft anzuwenden, wenn dort eine Kapitaler-höhung mit Sacheinlagen vorgenommen wird, die inihrem Umfang ein Zehntel des Grundkapitals übersteigt.Hieran wird bemängelt, dies sei eine für junge Unterneh-men belastende, bürokratische Auffassung, die durchKlarstellung seitens des Gesetzgebers korrigiert werdensolle.

In der Tat ist § 52 AktG gegenüber den §§ 182 ff. AktG inmehrfacher Hinsicht strenger:

– § 52 Abs. 5 S. 1 AktG erfordert zwingend eine Kapi-talmehrheit von drei Vierteln (s. demgegenüber § 182Abs. 1 S. 2 AktG);

– § 53 Abs. 3 AktG sieht eine Prüfungs- und Berichts-pflicht des Aufsichtsrats vor;

– die Aktionäre haben weiter gehende Informations-rechte (§ 53 Abs. 2 AktG).

Der Gesetzgeber hat unlängst, durch das NaStraG, die An-forderungen des § 52 AktG im Interesse neuer Unterneh-mensgründungen reduziert (Beschränkung auf Geschäftemit Gründern und nach AktG oder WpHG meldepflichti-gen Aktionären), allerdings nicht in dem hier fraglichenBereich.

Art. 11 der Zweiten gesellschaftsrechtlichen Richtlinie,auf dem § 52 AktG beruht, schreibt die Einbeziehung vonSacheinlagen nicht zwingend vor, da es sich hierbei um ei-nen Erwerb handelt, der unter der Aufsicht eines Gerichtserfolgt (Art. 11 Abs. 2). Der nationale Gesetzgeber wärealso an der gewünschten Klarstellung nicht gehindert.

Gleichwohl vermag sich die Regierungskommission die-ser Anregung nicht anzuschließen. Der Zweck des § 52AktG ist ein doppelter: Die Vermeidung von Umgehun-gen der Sachgründungsvorschriften im Interesse der Ge-sellschaftsgläubiger (1) und der Schutz neu hinzukom-mender Aktionäre (2).

(1) Was den ersten Schutzzweck anbetrifft, so ist aller-dings zu sehen, dass im Fall der Neugründung im Sinnedes § 52 AktG in die Gesellschaft bereits eingezahlte Bar-mittel für den Erwerb von Vermögensgegenständen derGründer bzw. Aktionäre genutzt werden. Bei der Sach-kapitalerhöhung werden der Gesellschaft dagegen neueMittel zugeführt; der bisherige Kapitalstock wird nicht

angetastet. Insofern genügen die Schutzvorschriften der§§ 182 ff. AktG.

(2) Es bleibt aber die Frage, ob der Schutz der nach Grün-dung hinzutretenden Aktionäre gebietet, bei Sachkapita-lerhöhungen binnen zwei Jahren nach Gründung ein gegenüber den Schutzkautelen bei der regulären Sach-kapitalerhöhung erhöhtes Schutzniveau vorzusehen. Dasich die Prüfung durch den unabhängigen Prüfer (§ 183 Abs. 3 AktG) nur auf die Frage bezieht, ob der Wertder Sacheinlage den geringsten Ausgabebetrag erreicht,und gerade in der Frühphase eines Unternehmens einestarke Abhängigkeit des Vorstands von den Gründern zubefürchten oder gar Teilidentität gegeben sein mag,spricht einiges dafür, an den besonderen Schutzvorkeh-rungen des § 52 AktG auch für die Sachkapitalerhöhungin der Nachgründungsphase festzuhalten. Es muss auchgesehen werden, dass § 67 UmwG für den Fall einer Ver-schmelzung, wenn der Verschmelzungsvertrag in den ers-ten zwei Jahren seit Eintragung der übernehmenden Ge-sellschaft in das Handelsregister geschlossen wird, eineanaloge Anwendung der Nachgründungsvorschriften aus-drücklich vorschreibt. Da es sich bei der Verschmelzungdurch Aufnahme der Sache nach um einen Fall einer qua-lifizierten Sacheinlage handelt, geriete man in Wertungs-widersprüche, wenn man die einfache Sachkapitaler-höhung anders behandeln wollte als die Verschmelzung;anders gewendet, auch § 67 UmwG müsste gegebenen-falls geändert werden. Hinzu kommt, dass es sich bei denzusätzlichen Anforderungen des § 52 AktG angesichts derohnehin zu beachtenden formalen Vorschriften über dieSachkapitalerhöhung nicht wirklich um Hindernisse han-delt, die teuer oder schwer zu erfüllen oder leicht zu über-sehen wären (was bei normalen Verkehrsgeschäften leichtgeschieht, da § 52 AktG nicht selten unbekannt ist).

Zu erwägen wäre allenfalls eine Ausnahme von der ana-logen Anwendung, wenn in der Nachgründungsphaseeine Sachkapitalerhöhung in einer Einmanngesellschaft(100 %-Konzerntochter) oder in einer Gesellschaft vorge-nommen wird, in der sich nach wie vor als Gesellschafterausschließlich die Gründer befinden, oder wenn der Ka-pitalerhöhungsbeschluss einstimmig gefasst wird. SolcheFragen zu entscheiden sollte aber der wissenschaftlichenLiteratur und Rechtsprechung überlassen bleiben.

4. Spaltung in der Nachgründungsphase

In denselben sachlichen Zusammenhang gehört das Spal-tungsverbot des § 141 UmwG. Nach § 141 UmwG kanneine durch Neugründung oder Umwandlung entstandeneAktiengesellschaft oder KGaA, die noch nicht zwei Jahreim Register eingetragen ist, nicht gespalten werden. DasSpaltungsverbot gilt für alle Formen der Spaltung, also fürdie Abspaltung, die Aufspaltung und die Ausgliederung.Die rechtspolitische Berechtigung der Vorschrift wird imFachschrifttum angezweifelt. Bemängelt wird, die Vor-schrift behindere den Aufbau sinnvoller Holding-Struktu-ren. Die Praxis behelfe sich mit Sachausgründungen, dieaber im Vergleich zu einer Ausgliederung nach dem Um-wandlungsgesetz mangels des Vorteils (partieller) Ge-

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samtrechtsnachfolge mit erhöhten Transaktionskostenverbunden seien. Die Gesellschaftsgläubiger seien im Fallder Spaltung durch die gesamtschuldnerische Haftunggemäß § 133 UmwG hinreichend gesichert. Richtig seizwar, dass das Spaltungsverbot des § 141 UmwG einenSchutz der Aktionäre, insbesondere vor einem faktischenTeildelisting durch Ausgliederung wertvoller Betriebs-teile aus einer börsennotierten Gesellschaft, bewirke.Dies sei als Regelungsanliegen aber ohnedies bezweifel-bar, weil ihm im Zeitraum nach der zweijährigen Nach-gründungsphase nicht mehr in der gleichen Weise Rech-nung getragen werde.

Die Regierungskommission schließt sich diesen überzeu-genden Erwägungen an. Die Aktionärsinteressen sindauch ohne ein Spaltungsverbot während der Nachgrün-dungsphase bei Wegfall des § 141 UmwG in ausreichen-dem Maße insbesondere dadurch gewährleistet, dass einSpaltungsbeschluss gemäß § 125 S. 1 i. V. m. § 65 Abs. 1S. 1 UmwG in der Hauptversammlung der spaltenden Ge-sellschaft mindestens einer Mehrheit von drei Vierteln desbei der Beschlussfassung vertretenen Grundkapitals be-darf.

Die Regierungskommission empfiehlt, das Spaltungs-verbot des § 141 des Umwandlungsgesetzes zu streichen.

5. Rücklagenbildung (§ 58 AktG)

In mehreren bei der Regierungskommission eingegange-nen Stellungnahmen ist bemängelt worden, die Vorschrif-ten zur Rücklagenbildung in § 58 AktG seien nicht mehrzeitgemäß.

Nach § 58 Abs. 2 AktG können Vorstand und Aufsichtsrathöchstens die Hälfte des Jahresüberschusses in andereGewinnrücklagen einstellen. Die Satzung kann Vorstandund Aufsichtsrat zur Einstellung eines größeren oder klei-neren Teils, bei börsennotierten Gesellschaften jedoch,nach § 58 Abs. 2 S. 2, letzter Halbs. AktG, nur eines größe-ren Teils des Jahresüberschusses ermächtigen. Die heu-tige Regelung der sehr weiten Zuständigkeit zur Bildungvon Rücklagen ist in den 60er-Jahren mit Rücksicht aufdie damalige Kapitalarmut der deutschen Gesellschaftengetroffen worden. Heute erscheint es dagegen als ange-bracht, dass die Verwaltung sich um die Bereitschaft ihrerAktionäre für solche Zusatz-Investitionen durch Bildungvon Rücklagen bemühen, sofern die Satzung dies vor-sieht. Art. 15 der Zweiten gesellschaftsrechtlichen Richt-linie steht einer entsprechenden Änderung des § 58 AktGnicht entgegen.

Die Regierungskommission empfiehlt, § 58 Abs. 2 S. 2,2. Halbsatz AktG zu streichen und damit auch für bör-sennotierte Gesellschaften der Satzungsfreiheit größe-ren Spielraum bei der Rücklagenbildung zu gewähren.

In diesem Zusammenhang wird ferner gelegentlichbemängelt, dass § 58 Abs. 2 S. 3 AktG junge Gesellschaf-ten, die durch ein extremes Wachstum gekennzeichnetseien, zu sehr beeinträchtige. Nach dieser Vorschrift dür-fen Vorstand und Aufsichtsrat keinesfalls Anteile des Jah-

resüberschusses, die sie an sich aufgrund einer Satzungs-ermächtigung gemäß § 58 Abs. 2 S. 2 AktG in andere Ge-winnrücklagen einstellen dürfen, hiermit in dieser Weiseverfahren, wenn die anderen Gewinnrücklagen bereits dieHälfte des Grundkapitals übersteigen oder soweit sie nachder Einstellung die Hälfte übersteigen würden. In solchenGesellschaften könne es aber notwendig sein, alle Erträgezu reinvestieren und keine Dividende zu zahlen.

Die Regierungskommission spricht sich gleichwohl dage-gen aus, über die Regelung des § 58 Abs. 2 S. 3 AktG hi-nausgehend die Einstellung weiterer Beträge in andereGewinnrücklagen durch Satzungsermächtigung zuzulas-sen. Die Aktionäre haben ein Interesse an der Ausschüt-tung von Dividenden. Der Wert von Aktien wird maßgeb-lich durch die kumulierten erwarteten Ausschüttungenbestimmt. Eine Wahrung der Vermögensinteressen derAktionäre ist bei Thesaurierung der Gewinne in Form ei-ner Steigerung des inneren Wertes der Aktien nicht ge-währleistet, wenn die Aktien nicht börsennotiert sind oderdie Entwicklung des Börsenkurses bei allgemein schwie-riger Lage an den Kapitalmärkten unbefriedigend ver-läuft. Zudem muss ein Aushungern der Minderheit durchThesaurierung von Gewinnen verhindert werden. Die In-teressen junger Unternehmen an vorrangiger Reinvesti-tion der Gewinne sind in ausreichendem Maße durch dieMöglichkeit eines Ad-hoc-Beschlusses der Hauptver-sammlung gem. § 58 Abs. 3 AktG, weitere Beträge in Ge-winnrücklagen einzustellen, gewahrt. Es erscheint als sach-gerecht, dass sich die Verwaltung in diesem Fall jeweilsAd-hoc vor der Hauptversammlung dafür zu rechtfertigenhat, weshalb es keine Gewinnausschüttung geben soll.

6. Aktien- und SachdividendenBei der Regierungskommission ist angeregt worden, dieAuszahlung von Dividenden in Form von Aktien der Ge-sellschaft zu ermöglichen („Aktiendividende“; dazu unter(a)). Außerdem sollte die Gesellschaft sonstige Gegen-stände ihres Anlage- oder Umlaufvermögens an alle odereinzelne Aktionäre als „Sachdividenden“ verteilen kön-nen (dazu unter (b)).

(a) Zahlreiche ausländische Rechte lassen, statt einer Bar-dividende, die Ausschüttung einer Aktiendividende (stockdividend) zu. Aktiendividenden sind auch nach deut-schem Recht möglich. Gemäß § 207 AktG kann dieHauptversammlung eine Aktienausgabe beschließen, diedurch Umwandlung von Gewinnrücklagen in Grundkapi-tal finanziert wird. Der Jahresüberschuss kann vorhernach Maßgabe des § 58 AktG in die Gewinnrücklage ein-gestellt werden; allerdings ist hier der besondere Anfech-tungstatbestand des § 254 AktG zu beachten. Das heißt,dass eine Dividendenausschüttung durch Aktienemissionstatt einer Gewinnauszahlung in bar in jedem Fall mög-lich ist, wenn kein Aktionär dem widerspricht. Sonst isteine Mindestausschüttung in Höhe von 4 % des Grundka-pitals vorzunehmen. In börsennotierten Gesellschaftenmit handelbaren Wertpapieren könnte diese Anfechtungs-möglichkeit bei der Emission von stock dividends auchausgeschlossen werden, weil sich der Aktionär Bargelddurch Veräußerung von Anteilen beschaffen kann. Auf der

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anderen Seite sinkt dann wiederum die Beteiligungs-quote, und es ist auch kein dringender Bedarf für eine sol-che Regelung ersichtlich.

Hält die Aktiengesellschaft eigene Aktien, dann kann siediese erfüllungshalber, statt eine Bardividende zu zahlen,an die Aktionäre ausgeben, sofern der jeweilige Aktionärdamit einverstanden ist, und § 53 a AktG (Gleichbehand-lungsgrundsatz) beachtet wird (vgl. § 71 Abs. 1 Nr. 8 S. 3AktG). Auch insoweit ist ein Änderungsbedarf nicht er-sichtlich.

(b) Nach § 58 Abs. 4 AktG haben die Aktionäre Anspruchauf den Bilanzgewinn, soweit er nicht ausnahmsweisevon der Verteilung ausgeschlossen ist. Über den Inhaltdieses Gewinnanspruchs enthält das Gesetz keine aus-drücklichen Regelungen. Die einhellige Meinung in derFachliteratur entnimmt aber verschiedenen Vorschriftendes Aktiengesetzes, dass es von einem Anspruch auf Zah-lung in Geld ausgeht. Damit kann die Hauptversammlungnicht mehrheitlich mit Wirkung für und gegen alle Ak-tionäre eine Sachausschüttung beschließen. Der Dividen-denanspruch kann nun zwar, wie jeder andere Anspruchauch, durch die Annahme einer Leistung an Erfüllungsstatt (§ 364 Abs. 1 BGB) befriedigt werden. Dies setzt abereine rechtsgeschäftliche Vereinbarung mit dem berechtig-ten Aktionär voraus. Die Aktiengesellschaft kann ihrenAktionären wahlweise neben der Barauszahlung der Divi-dende grundsätzlich auch eine Naturalabgeltung, z. B.durch Wertpapiere aus dem Portefeuille der Gesellschaft(einschließlich Anteilen an Beteiligungsgesellschaften),anbieten, aber nur unter der Voraussetzung, dass jeder di-videndenberechtigte Aktionär dem zustimmt.

Dies weicht von zahlreichen ausländischen Rechtsord-nungen ab, die auch Sachdividenden zulassen, häufig un-ter der weiteren Voraussetzung, dass die Satzung dies vor-sieht. Die Zweite gesellschaftsrechtliche Richtlinie lässtSachdividenden zu.

Die Regierungskommission empfiehlt, die Ausschüttungs-vorschriften des § 58 AktG dahin zu ergänzen, dass dieSatzung einer Gesellschaft ihrer Hauptversammlung ge-statten kann, statt einer Dividendenausschüttung in Geldauch andere Gegenstände als Dividende auszuschütten.

Das bisher geltende Erfordernis der Zustimmung jedeseinzelnen Aktionärs erscheint der Regierungskommis-sion angesichts der Satzungspublizität und des Gleich-behandlungsgrundsatzes (§ 53 a AktG) nicht geboten.Auch die Frage der Bewertung dieser Gegenstände(Buch- oder Marktwert) bedarf nach Auffassung der Re-gierungskommission keiner Regelung; ihre Beantwor-tung kann der wissenschaftlichen Literatur überlassenbleiben.

7. Zwischendividenden

Mehrere bei der Regierungskommission eingegangeneStellungnahmen haben sich dafür ausgesprochen, unter-jährige Dividendenzahlungen (Zwischendividenden) zu-zulassen. In den Niederlanden, Japan und Frankreich

sind zumindest halbjährliche Dividendenausschüttun-gen bekannt oder gebräuchlich; in den USA sogar Quartalsdividenden. Das deutsche Recht lässt bisher nurunter sehr eingeschränkten Voraussetzungen Abschlags-zahlungen auf einen praktisch bereits feststehenden Jah-resüberschuss zu (§ 59 AktG); in der Praxis spielt dieseVorschrift kaum eine Rolle. Deutsche Emittenten, die anausländischen, insbesondere US-amerikanischen Bör-sen zugelassen sind, greifen deshalb hier gelegentlich zuHilfskonstruktionen wie der ratenweisen Ausschüttungder Jahresdividende mithilfe eines Treuhänders. Auchfür andere Fälle, in denen Unternehmen das operativ imVorjahr erwirtschaftete Ergebnis erst verhältnismäßigspät zur Ausschüttung bringen, wird die Möglichkeitvon Zwischendividenden befürwortet. Gegen Zwi-schendividenden wird häufig der mit der Feststellungund Ausschüttung verbundene Aufwand angeführt. ImHinblick darauf kann nach Auffassung der Regierungs-kommission nur eine freiwillige Option, die Ausschüt-tung von Zwischendividenden durch Satzungsbestim-mung zuzulassen, in Betracht kommen. Im Hinblick aufdie praktischen Bedürfnisse insbesondere derjenigenEmittenten, die an ausländischen Kapitalmärkten Eigen-kapital aufnehmen und sich dabei entsprechenden Inves-torenerwartungen gegenübersehen, spricht auf der ande-ren Seite alles dafür, den Unternehmen diese Optionauch zu eröffnen, selbstverständlich nur unter Beach-tung der berechtigten Gläubigerinteressen. Art. 15 Abs. 2der Zweiten gesellschaftsrechtlichen Richtlinie belässtden Mitgliedstaaten das Recht, Zwischendividenden zu-zulassen.

Die Regierungskommission spricht sich für die Zulassungvon Zwischendividenden aus.

Im Einzelnen sollten hierbei nach Auffassung der Regie-rungskommission folgende Gesichtspunkte berücksich-tigt werden:

– Die Ausschüttung von Zwischendividenden bedarf ei-ner entsprechenden Satzungsermächtigung, da dieEntscheidung der Verwaltung über die Ausschüttungeiner Zwischendividende eine Abweichung von derRegelung des § 174 AktG darstellen würde.

– Der Zwischenabschluss, aufgrund dessen eine Zwi-schengewinnausschüttung erfolgt, muss entweder miteinem uneingeschränkten Bestätigungsvermerk imSinne von § 322 HGB versehen sein. Oder es muss zumindest ein vom Vorstand entsprechend denGrundsätzen über die Aufstellung eines Jahresab-schlusses aufzustellender Zwischenabschluss vorlie-gen, aus dem sich ergibt, dass für die Ausschüttungausreichende Mittel zur Verfügung stehen. Außerdemmuss der Zwischenabschluss einem Abschlussprüferzur prüferischen Durchsicht vorgelegen, und diesermuss bestätigt haben, dass diese Voraussetzung (ord-nungsgemäße Aufstellung) erfüllt ist1.

1 Zur prüferischen Durchsicht von Zwischenberichten Rdz. 289.

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– Es sollten nicht nur eine Halbjahresdividende, son-dern auch weitere Zwischendividenden (z. B. Quar-talsdividenden) ermöglicht werden.

– Die Zwischendividenden dürfen den nach Art. 15 Abs.2 der Zweiten gesellschaftsrechtlichen Richtliniezulässigen Betrag nicht überschreiten.

– Der Beschluss über die Ausschüttung einer Zwi-schendividende sollte binnen eines Monats nach Er-stellung des Zwischenabschlusses erfolgen.

– Der Beschluss des Vorstands bedarf der Zustimmungdes Aufsichtsrats.

8. Erwerb eigener AktienDie Vorschriften der §§ 71 ff. AktG über den Erwerb ei-gener Aktien sind in mehrfacher Hinsicht in den bei derRegierungskommission eingegangenen Stellungnahmeneiner Kritik unterzogen worden.

(a) Prämienzahlung

Der Erwerb eigener Aktien kann u. U. auch auf dem Wegüber ein öffentliches Übernahmeangebot erfolgen. In derPraxis muss in solchen Fällen eine Prämie angeboten wer-den. Nach der im Fachschrifttum vorherrschenden Auf-fassung soll aber bei börsengehandelten Papieren nur dieZahlung „des Börsenpreises“ zulässig sein; anderenfallsliege eine verbotene Vermögenszuwendung der Gesell-schaft an ihre Aktionäre vor. Die Regierungskommissionschließt sich dem Vorschlag, diese Auffassung durch einegesetzliche Regelung zu korrigieren, nicht an. Ob derMarktpreis, der für den Erwerb eines Aktienpakets vonz. B. 10 % gezahlt werden muss, nur am Börsenpreis fürdie einzelne Aktie zur Zeit des Erwerbs zu orientieren,oder ob die Zahlung eines für ein solches Paket bei Ge-schäften zwischen Dritten üblichen Paketzuschlages ein-berechnet werden darf, bedarf keiner gesetzlichen Rege-lung. Die Beantwortung dieser Frage kann derwissenschaftlichen Literatur und der Rechtsprechungüberlassen bleiben.

(b) Weitergabe an nahe stehende Personen

In bei der Regierungskommission eingegangenen Stel-lungnahmen wird gerügt, dass die Formulierung des § 71 Abs. 1 Nr. 2 AktG zu eng sei und nicht den von derKapitalrichtlinie der EU belassenen Spielraum aus-schöpfe.

Derzeit ist ein Rückerwerb nach dieser Vorschrift ohneHauptversammlungsbeschluss zulässig, „wenn die Ak-tien Personen, die im Arbeitsverhältnis zu der Gesell-schaft oder einem mit ihr verbundenen Unternehmenstehen oder standen, zum Erwerb angeboten werden sol-len“. Dem Einwand, die Beschaffung eigener Aktienzwecks Weitergabe an andere Personen, etwa an Han-delsvertreter der Gesellschaft sowie Geschäftsführeroder Vorstände von Tochtergesellschaften, sei jedenfallsaufgrund eines Ermächtigungsbeschlusses gemäß § 71

Abs. 12 Nr. 8 AktG möglich, wird entgegengehalten,diese Lösung sei wenig praktikabel, da in diesem Falldie gesamte Vergütungssystematik vor der Hauptver-sammlung ausgebreitet werden müsse. Nicht die Zu-stimmung der Regierungskommission findet allerdingsder Vorschlag, in § 71 Abs. 1 Nr. 2 AktG künftig einenErwerb eigener Aktien zum Zwecke der Weitergabe andem Unternehmen „nahe stehende Personen“ zuzulas-sen; eine solche Formulierung erscheint als zu unbe-stimmt. Problematisch ist unter konzernrechtlichen Gesichtspunkten namentlich die Einbeziehung der Ge-schäftsleiter von im Mehrheitsbesitz stehenden Tochter-gesellschaften in den Kreis der Begünstigten bei § 71Abs. 1 Nr. 2 AktG. Die Gewährung von Optionsrechtenauf den Bezug von Aktien der Muttergesellschaft birgtmit Blick auf diesen Personenkreis die Gefahr, dass dieLeitung der Tochtergesellschaft nicht mehr, wie recht-lich geboten, allein dem Eigeninteresse der Tochterdient. Würde nunmehr durch eine Ausweitung des Krei-ses der Begünstigten in § 71 Abs. 1 Nr. 2 AktG die Mög-lichkeit eröffnet, Mutter-Aktien ohne Hauptversamm-lungsbeschluss zur Bedienung von Bezugsrechten ausderartigen Aktienoptionsprogrammen zu erwerben, sokönnte daraus geschlossen werden, dass der Gesetzge-ber die angesprochenen konzernrechtlichen Bedenkengegen derartige Optionsrechte nicht teilt.

Die Regierungskommission spricht sich dafür aus, dieVorschrift des § 71 Abs. 1 Nr. 2 AktG wie folgt zu ergän-zen: Die Gesellschaft darf eigene Aktien ohne Haupt-versammlungsermächtigung erwerben, wenn die AktienPersonen, die im Arbeitsverhältnis zu der Gesellschaftoder einem mit ihr verbundenen Unternehmen stehenoder standen oder als Handelsvertreter ausschließlichfür die Gesellschaft tätig sind, zum Erwerb angebotenwerden sollen.

Die Kapitalrichtlinie der EU lässt diese Deregulierung zu.Zwar sieht Art. 19 Abs. 3 S. 1 der Richtlinie eine Aus-nahme vom Erfordernis einer Hauptversammlungser-mächtigung zum Rückerwerb eigener Aktien nach Art. 19Abs. 1 Buchstabe a) Satz 1 der Richtlinie nur „im Hin-blick auf eine Ausgabe (scil. der Aktien) an die Arbeit-nehmer der Gesellschaft oder an die Arbeitnehmer einermit dieser verbundenen Gesellschaft“ vor. Art. 41 Abs. 1der Richtlinie gestattet den Mitgliedstaaten indes, vomErfordernis einer Hauptversammlungsermächtigung auchdann abzusehen, „soweit dies für den Erlass oder die An-wendung von Vorschriften erforderlich ist, welche die Be-teiligung der Arbeitnehmer oder anderer durch einzel-staatliches Recht festgelegter Gruppen von Personen amKapital der Unternehmen fördern sollen“. Aufgrund die-ser Ausnahmebestimmung im Hinblick auf „Gruppen vonPersonen“ ist etwa auch die Regelung in § 71 Abs. 1 Nr. 2 AktG vorgesehen worden, wonach der Erwerb eige-ner Aktien ohne Hauptversammlungsermächtigung zuläs-sig ist, wenn die Aktien Personen zum Erwerb angebotenwerden sollen, die im Arbeitsverhältnis zu der Gesell-schaft oder einem mit ihr verbundenen Unternehmenstanden. Es bestehen keine Bedenken, unter den Begriffder „Gruppe von Personen“ im Sinne des Art. 41 Abs. 1

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Drucksache 14/7515 – 96 – Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode

Kapitalrichtlinie auch ausschließlich für die Gesellschafttätige Handelsvertreter (Einfirmenvertreter) zu fassen. Inder Gesetzbegründung kann klargestellt werden, dass alsHandelsvertreter im Sinne dieser Vorschrift allein natürli-che Personen in Betracht kommen. Ein Bedürfnis für denErwerb eigener Aktien ohne Hauptversammlungsermäch-tigung zur Weitergabe an juristische Personen als aus-schließlich für die Gesellschaft tätige Handelsvertreter istnicht ersichtlich.

Der weitere Vorschlag, in § 71 Abs. 1 Nr. 2 AktG klarzu-stellen, dass ein Erwerb eigener Aktien zulässig ist, wenndie Aktien Personen zum Erwerb angeboten werden sol-len, die im Arbeitsverhältnis zu der Gesellschaft oder zueinem mit ihr verbundenen Unternehmen „im Sinne von § 15 AktG“ stehen, findet keine Zustimmung. Der Begriff des verbundenen Unternehmens ist im Sinne derLegaldefinition des § 15 AktG zu verstehen. Einer aus-drücklichen Klarstellung des Gesetzgebers im Hinblickauf abweichende Auffassungen im Fachschrifttum bedarfes nicht.

(c) Rückerwerb zu Abfindungszwecken

Bemängelt wird auch die Regelung des § 71 Abs. 1 Nr. 3AktG, zum einen wegen ihres zu engen Bezuges auf Ab-findungspflichten nach gesetzlichen Vorschriften desdeutschen Rechts, zum anderen, weil der Rückerwerbzwecks Abfindung von Aktionären verbundener Unter-nehmen dort nicht vorgesehen ist.

Es sollte nach Auffassung der Regierungskommissionvorgesehen werden, dass der Erwerb eigener Aktien ohneHauptversammlungsermächtigung zur Abfindung vonAktionären der Gesellschaft oder mit ihr verbundenerUnternehmen nach gesetzlichen Vorschriften zulässig ist.

Die Kapitalrichtlinie lässt eine Ausnahme vom Erforder-nis der Hauptversammlungsermächtigung zum Erwerb ei-gener Aktien gemäß Art. 20 Abs. 1 Buchstabe f) zur Entschädigung von Minderheitsaktionären verbundenerGesellschaften zu; eine Beschränkung auf bestimmte Ab-findungsfälle ist dort nicht vorgesehen. Allerdings solltenach Auffassung der Regierungskommission an dem Prin-zip der geltenden Regelung festgehalten werden, die einenErwerb eigener Aktien ohne Hauptversammlungsermäch-tigung zwecks Abfindung von Aktionären nur im Zusam-menhang mit Strukturmaßnahmen vorsieht, an denen dieHauptversammlung beteiligt war, sodass der Rückerwerbder Aktien gewissermaßen auf ihre eigene Entscheidungzurückgeht. Dies ist etwa bei einem „freeze out“ von Min-derheitsaktionären einer ausländischen Gesellschaft oderbei einem öffentlichen Übernahmeangebot auf eine aus-ländische Zielgesellschaft durchaus nicht gewährleistet,wenn nicht der Vorstand von sich aus oder nach Holzmül-ler-Grundsätzen die Zustimmung der Hauptversammlunggemäß § 119 Abs. 2 AktG einholt. Insofern empfiehlt sichbei Änderung des § 71 Abs. 1 Nr. 3 AktG in dem oben emp-fohlenen Sinne eine entsprechende Klarstellung.

In § 71 Abs. 1 Nr. 3 AktG sollte ferner vorgesehen werden,dass ein Erwerb eigener Aktien ohne Hauptversamm-

lungsermächtigung zur Abfindung von Aktionären derGesellschaft oder mit ihr verbundener Unternehmennach gesetzlichen Vorschriften nur in solchen Fällenzulässig ist, in denen die Abfindungsverpflichtung auf ei-ner Entscheidung der Hauptversammlung beruht oderauf eine solche Entscheidung zurückzuführen ist.

(d) Erwerb für fremde Rechnung

§ 71 Abs. 1 Nr. 4 AktG lässt den Erwerb eigener Aktienfür fremde Rechnung zu, wenn ein Kreditinstitut mit demErwerb eine Einkaufskommission durchführt; dies giltgemäß § 71d S. 2 AktG auch dann, wenn der Erwerb sei-tens eines abhängigen oder im Mehrheitsbesitz der Ge-sellschaft stehenden Unternehmens erfolgt. Das Aktien-gesetz macht damit von der Ermächtigung des Art. 20 Abs. 1 c) der Kapitalrichtlinie Gebrauch. Die Ka-pitalrichtlinie lässt aber mit der 1992 eingeführten Vor-schrift des Art. 24a Abs. 4 a) zu, dass die Mitgliedstaatenvom Verbot des Erwerbs der Aktien einer Muttergesell-schaft durch eine abhängige Gesellschaft absehen kön-nen, wenn der Erwerb oder der Besitz auf Rechnung eineranderen Person als des Zeichners, Erwerbers oder Besit-zers gehen, die nicht mit der Muttergesellschaft oder derbetreffenden Tochter identisch sein darf. Die Regierungs-kommission ist der Auffassung, dass es beaufsichtigtenFinanzdienstleistern im Rahmen ihres Portfolio-Manage-ments für Rechnung Dritter möglich sein sollte, auch Ak-tien der Muttergesellschaft zu halten und zu verwalten.

Die Regierungskommission schlägt vor, von der Ermäch-tigung des Art. 24a Abs. 4 a) der Kapitalrichtlinie Ge-brauch zu machen, den Rückerwerb von Aktien der Mut-tergesellschaft durch eine Tochter insoweit aber aufTochtergesellschaften zu beschränken, bei denen es sichum beaufsichtigte Finanzdienstleister handelt.

(e) Erwerb zum Zweck des Wertpapierhandels

Nach § 71 Abs. 1 Nr. 7 AktG darf ein Kreditinstitut, Fi-nanzdienstleistungsinstitut oder Finanzunternehmen zumZweck des Wertpapierhandels eigene Aktien erwerben,wenn ein entsprechender, zeitlich und sachlich begrenzterBeschluss der Hauptversammlung vorliegt. Art. 24 a Abs. 4 b) der Kapitalrichtlinie lässt insoweit eine weitergehende Ermächtigung zu.

Die Regierungskommission empfiehlt, von der Ermäch-tigung des Art. 24a Abs. 4 b) der Kapitalrichtlinie Ge-brauch zu machen, dabei aber in § 71 d AktG festzule-gen, dass ein Beschluss der Hauptversammlung der mitMehrheit beteiligten oder herrschenden Gesellschaft er-forderlich ist.

(f) Erwerb eigener Aktien und Asset Manage-ment

Nach derzeitiger Rechtslage ist es Kreditinstituten undsonstigen Finanzdienstleistungsunternehmen in derRechtsform der Aktiengesellschaft verwehrt, im Rahmeneines an einen Index, z. B. den DAX, angelehnten Asset

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Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 97 – Drucksache 14/7515

Management eigene Aktien zu erwerben, wenn und weilin diesem Zusammenhang der Tatbestand des Handels ineigenen Aktien i. S. d. § 71 Abs. 1 Nr. 8 S. 2 AktG erfülltist. Dasselbe gilt für eine Tochtergesellschaft hinsichtlichdes Erwerbs von Aktien der Mutter. Da § 71 Abs. 1 Nr. 7AktG den Erwerb eigener Aktien nur „zum Zwecke desWertpapierhandels“ gestattet, dessen Anwendbarkeit inder betreffenden Konstellation zumindest fraglich ist,kommt als Grundlage eines Erwerbs eigener Aktien imRahmen des Asset Management allein § 71 Abs. 1 Nr. 8AktG in Betracht, der aber den Erwerb zum Zweck desHandels in eigenen Aktien ausdrücklich verbietet (vgl. § 71 Abs. 1 Nr. 8 S. 2 AktG). Diese Regelungen geltenüber § 71 d S. 2 AktG auch für Tochtergesellschaften.

Gegen die Einschränkung des zulässigen Erwerbszwecksin § 71 Abs. 1 Nr. 8 S. 2 AktG, die EU-rechtlich nicht ge-boten ist, wird eingewandt, sie führe hinsichtlich der Ver-waltung von Kapitalanlage-Portefeuilles in Anlehnung aneinen Index zu einer Benachteiligung deutscher Finanz-dienstleister und ihrer Töchter gegenüber ausländischenWettbewerbern, da im Ausland z. T. großzügigere Rege-lungen vorgesehen sind.

Im Hinblick darauf befürwortet die Regierungskommis-sion, dass eine Ausnahme von der Einschränkung deszulässigen Erwerbszwecks in § 71 Abs. 1 Nr. 8 S. 2 AktGfür öffentlich beaufsichtigte Finanzdienstleister ge-schaffen, diesen also der Erwerb eigener Aktien nach § 71 Abs. 1 Nr. 8 AktG auch zum Zwecke des Asset Ma-nagement in eigenen Aktien sowie in Aktien ihrer Mut-tergesellschaft gestattet wird.

(g) Erwerb eigener Aktien im Wege der Wertpapierleihe

Die Regierungskommission hat den Vorschlag erörtert,den außerbörslichen Erwerb eigener Aktien, z. B. im Rah-men der Wertpapierleihe, zuzulassen. Für eine kurzfristigeBeschaffung eigener Aktien im Weg der Wertpapierleihe,insbesondere von einem Großaktionär, bestehe, so wurdegeltend gemacht, in der Praxis ein Bedürfnis, wenn undweil ein Erwerb über die Börse mit unerwünschten Kurs-steigerungen verbunden wäre und eine Kapitalerhöhungsowie die Ausnutzung eines genehmigten Kapitals zu vielZeit in Anspruch nähmen. Die Regierungskommission istder Ansicht, dass es einer gesetzlichen Regelung in diesemBereich nicht bedarf. Ein außerbörslicher Erwerb eigenerAktien im Wege der Wertpapierleihe ist bereits nach gel-tendem Recht zulässig, freilich nur bei Beachtung desGleichbehandlungsgebotes.

(h) Erwerb eigener Aktien bei Schadenersatz-und Versicherungsleistungen

Nicht die Unterstützung der Regierungskommission fin-det der Vorschlag, einen Erwerb eigener Aktien künftig inFällen zu gestatten, in denen die Gesellschaft im Scha-denersatzrecht und im Versicherungsrecht aufgrund ge-setzlichen Übergangs von Ansprüchen oder Rechten bzw.eines Anspruchs auf Abtretung oder Übertragung An-sprüche auf Übertragung eigener Aktien erwirbt und in

Erfüllung dieser Ansprüche Übereignung etwa wieder-aufgefundener gestohlener eigener Aktien an sich selbstverlangen kann. Derartige Fälle können auch ohne ge-setzliche Regelung befriedigend bewältigt werden unddürften im Übrigen angesichts der Entwicklung zustückelosen Effekten praktisch mittlerweile ohnehinkeine Rolle mehr spielen.

(i) Inpfandnahme eigener Aktien

Dem Erwerb eigener Aktien nach § 71 Abs. 1 und 2, § 71dsteht es gemäß § 71e AktG gleich, wenn eigene Aktien als Pfand genommen werden. Jedoch darf ein Kreditinsti-tut oder Finanzdienstleistungsinstitut im Rahmen der laufenden Geschäfte eigene Aktien bis zu dem in § 71 Abs. 2 S. 1 AktG bestimmten Anteil am Grundkapi-tal als Pfand nehmen.

Die Regierungskommission empfiehlt, in § 71e AktGklarzustellen, dass ein abhängiges Kreditinstitut unter dendort genannten Voraussetzungen Aktien des herrschendenUnternehmens als Pfand nehmen darf.

9. Gesetzliche Rücklage

Bemängelt wird die Vorschrift über die gesetzliche Rück-lage. § 150 AktG sei nicht mehr zeitgemäß.

Anders als z. B. die gesetzliche Rücklage bei Erwerb ei-gener Aktien (§ 272 Abs. 4 HGB; dazu Art. 22 Abs. 1Zweite gesellschaftsrechtliche Richtlinie) ist die Bildungeiner allgemeinen gesetzlichen Rücklage europarechtlichnicht vorgeschrieben. Die Regelung ist Teil des in Konti-nentaleuropa entwickelten und bislang beibehaltenen Sys-tem des gesetzlichen Mindestkapitals, seiner Aufbringungund Erhaltung. Die gesetzliche Rücklage schafft weiteresgebundenes Kapital, das dem zur Deckung des Grundka-pitals erforderlichen Vermögen als Pufferzone vorgelagertist. Aus dem so gebildeten Reservefonds können Verlusteausgeglichen werden, ohne das dem Grundkapital entspre-chende Vermögen anzugreifen. Es mag sein, dass diesesSystem, dem amerikanischen Vorgehen folgend, insge-samt oder teilweise auf den Prüfstand gestellt werdensollte. Da dieses System als Ganzes heute aber auf euro-parechtlichen Vorgaben beruht, sollte es nicht dort, wodiese Vorgaben es zulassen, in Einzelschritten stückweiseabgetragen werden, jedenfalls nicht da, wo ein dringendesaktuelles Bedürfnis hierfür nicht erkennbar ist.

10. Vorratsbeschlüsse

Der Regierungskommission ist vorgeschlagen worden,folgende Neufassung des § 179 Abs. 2 AktG zu empfeh-len: „Die Hauptversammlung kann den Vorstand fürhöchstens fünf Jahre ermächtigen, mit Zustimmung desAufsichtsrats die Bestimmungen der Satzung über Artund Gattung der Aktien und die Zerlegung des Grundka-pitals in Aktien zu ändern“. Die Regierungskommissionhat sich diesem Vorschlag, was die Zerlegung des Grund-kapitals in Aktien betrifft, angeschlossen.2

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2 Oben Rdz. 193.

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Drucksache 14/7515 – 98 – Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode

Mit der „Art“ der Aktien ist die Unterscheidung zwischenInhaber- und Namensaktien angesprochen. Die Regie-rungskommission spricht sich dagegen aus, insoweit eineErmächtigung des Vorstands zuzulassen, die Satzungsbe-stimmung darüber zu ändern, ob die Aktien auf den Inha-ber oder auf den Namen ausgestellt werden (vgl. § 23 Abs. 3 Nr. 5 AktG). Soweit es um die seit Inkrafttreten desNaStraG attraktive Umstellung von Inhaber- auf Namens-aktien geht, handelt es sich um einen einmaligen Vorgang,für den es einer Vorratsermächtigung des Vorstands nichtbedarf. Auch aus praktischen Gesichtspunkten ist eine Vorratsermächtigung insoweit nicht erforderlich. Um etwaigen Engpässen bei der Clearstream Banking AGRechnung zu tragen, kann die Hauptversammlung zumBeispiel eine Änderung der Satzungsbestimmung nach § 23 Abs. 3 Nr. 5 AktG beschließen und den Vorstand er-mächtigen, die Anmeldung irgendwann während einer vonder Hauptversammlung gesetzten Frist vorzunehmen.

Während für eine Vorratsermächtigung des Vorstands zurEntscheidung darüber, ob ausstehende Aktien auf den In-haber oder auf den Namen lauten sollten, mithin kein Be-darf gesehen wird, hat der weitere Vorschlag, eine Ent-scheidung des Vorstands über die Art der Aktien beiAusgabe junger, durch Ausnutzung eines genehmigtenKapitals geschaffener Aktien vorzusehen, die Zustim-mung der Regierungskommission gefunden. Bei einemauf diesem Wege vollzogenen Aktientausch kann dafürein praktisches Bedürfnis bestehen.

Die Regierungskommission spricht sich dafür aus, § 204Abs. 1 S. 1 AktG dahin zu ergänzen, dass der Vorstandbei der Ausgabe junger Aktien aus einem genehmigtenKapital auch über die Art der zu emittierenden Aktien(Inhaber- oder Namensaktien) entscheiden kann.

Dem weiteren Vorschlag, eine Ermächtigung des Vor-stands zur Änderung der Bestimmungen der Satzung überdie Gattung der Aktien zu gestatten, stimmt die Regie-rungskommission nicht zu. Dieser Vorschlag zielt na-mentlich auf den Fall, dass Vorzugsaktien aufgrund einesHauptversammlungsbeschlusses nach § 71 Abs. 1 Nr. 8AktG rückerworben und vor Wiederausgabe in Stammak-tien umgewandelt werden sollen. Für eine Vorratsermäch-tigung des Vorstands zur Umwandlung der Aktien bestehtinsoweit kein Bedarf. Die Hauptversammlung kann zugleich mit dem Ermächtigungsbeschluss gemäß § 71Abs. 1 Nr. 8 AktG eine Umwandlung rückerworbenerVorzugsaktien in Stammaktien beschließen, wobei derUngewissheit über die Zahl der rückerworbenen Vorzugs-aktien durch Fassung eines „Bis zu“-Umwandlungsbe-schlusses Rechnung getragen werden kann.

11. Kapitalerhöhung gegen EinlagenZur ordentlichen Kapitalerhöhung (§§ 182 ff. AktG) ha-ben der Regierungskommission mehrere Vorschläge vor-gelegen.

(a) Kapitalerhöhung durch Aufstockung desAusgabebetrages

§ 182 Abs. 1 S. 4 AktG sieht eine Kapitalerhöhung gegenEinlagen nur durch Ausgabe neuer Aktien vor. Eine bloße

Nennwertaufstockung oder, bei Stückaktien, eine Er-höhung des auf die einzelne Aktie entfallenden anteiligenGrundkapitals lässt das Gesetz nicht zu. Kritisiert wirdfolgendes: Kleine Gesellschaften seien bei der Umstel-lung des Grundkapitals auf Euro bestrebt, einen glattenNennbetrag der Aktien oder einen glatten auf die einzelne Aktie entfallenden anteiligen Betrag des Grund-kapitals zu erreichen. Die Ausgabe neuer Aktien sei beiUmstellung des Grundkapitals auf Euro schwierig, wennman im Ergebnis 1 Euro-Aktien erhalten wolle. Die inso-weit gegebene Möglichkeit einer Kapitalerhöhung ausGesellschaftsmitteln ohne Ausgabe neuer Aktien gemäß § 207 Abs. 2 S. 2 AktG sei wenig praxisgerecht.

Bei Nennbetragsaktien wäre eine Kapitalerhöhung mitNennwertaufstockung praktisch ohne weiteres dann durch-führbar, wenn der Anspruch auf Einzelverbriefung gemäߧ 10 Abs. 5 AktG ausgeschlossen ist, da die bei Einzelver-briefung gegebene Notwendigkeit der Umstempelung oderdes Neudrucks der Aktienurkunden entfiele. Bei Stückak-tien käme eine Kapitalerhöhung ohne Ausgabe neuer Ak-tien hingegen nur in Betracht, wenn jeder Aktionär eine Bezugserklärung abgäbe, was allenfalls bei kleinen Gesell-schaften denkbar ist. Im Hinblick darauf, dass es sich letzt-lich lediglich um ein Übergangsproblem bei der Umstel-lung auf Euro handelt, das auch ohne Änderung des § 182Abs. 1 S. 4 AktG lösbar ist, nimmt die Regierungskommis-sion von einer Empfehlung hierzu Abstand.

(b) Fester Ausgabebetrag bei Sacheinlagen

§ 185 Abs. 1 Nr. 2 AktG schreibt auch bei Sachkapitaler-höhungen die Angabe eines festen Ausgabebetrages imZeichnungsschein vor. Kritisiert wird, dies werde den Be-dürfnissen insbesondere liquiditätsarmer, aber schnell intern und extern wachsender Unternehmen nicht hinrei-chend gerecht. Sacheinlagegegenstand seien häufig Un-ternehmen, Beteiligungen, Patente, Domains etc.; denbisherigen Inhabern/Anteilseignern solle und müsse eineBeteiligung an der aufnehmenden Gesellschaft einge-räumt werden. Beim Unternehmenskauf sei es bei Nicht-einigung über den Kaufpreis möglich, einen Vertrag be-reits zu schließen und dennoch die Preisbestimmungeinem Schiedsgutachten (§ 317 BGB) vorzubehaltenoder von der künftigen Entwicklung abhängig zu machen(„earn-out“). Diese Flexibilität sei beim „Kauf“ einesUnternehmens gegen Aktien nicht gegeben; spätestensbei Unterschrift unter die Zeichnungserklärung müssedie Anzahl der von dem Sacheinleger als Gegenleistungbezogenen Aktien und der Betrag, zu dem sie ihm über-lassen werden („Ausgabebetrag“), feststehen (§ 185AktG). Zwar komme in den praktisch relevanten Fällen,in denen die Kapitalerhöhung durch Ausnutzung einesgenehmigten Kapitals erfolge, Abhilfe in Form einer ge-mischten Sacheinlage (Kauf plus Sacheinlage) mit ent-sprechenden schuldrechtlichen Kaufpreisabreden in Be-tracht. Dieser Weg sei allerdings nicht gangbar, wenn derInferent nicht bereit sei, eine Zuzahlung auf die gezeich-neten und empfangenen Aktien für den Fall zu leisten,dass sich im Nachhinein herausstelle, die Sacheinlage seiim Vergleich mit den gezeichneten Aktien zu hoch be-

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Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 99 – Drucksache 14/7515

wertet worden. International stoße die mangelnde Flexi-bilität des deutschen Rechts in diesem Bereich auf Un-verständnis. Die Eintragung von Kapitalerhöhungen, diedem Bedürfnis nach flexibler Gestaltung des „Kaufprei-ses“ beim „Kauf“ eines Unternehmens gegen AktienRechnung zu tragen suchten, hänge vom Wohlwollen deseinzelnen Registerrichters ab.

Die Regierungskommission empfiehlt, die Vorschrift des§ 185 Abs. 1 S. 3 Nr. 2 AktG, wonach auch bei Sachka-pitalerhöhungen bereits bei Zeichnung der neuen Ak-tien der endgültige Ausgabebetrag der Aktien festgelegtwerden muss, zu ändern. Bei einer Kapitalerhöhung ge-gen Sacheinlagen sollte genügen, bei der Zeichnungentweder den Ausgabebetrag oder einen Mindestausga-bebetrag und die Grundlagen, nach denen der endgül-tige Ausgabebetrag errechnet wird, festzulegen.

Die Regierungskommission verkennt nicht, dass diesewünschenswerte Flexibilisierung auf der anderen SeiteFragen des Aktionärsschutzes vor der Verwässerung ihrerBeteiligung aufwirft, der, wenn die Festsetzung des Aus-gabebetrages erst später erfolgt, nicht mehr durch An-fechtungsklage zu gewährleisten ist. Die Regierungskom-mission hat insoweit den Vorschlag erwogen, dieSacheinlageprüfung gemäß § 183 Abs. 3 AktG auszuwei-ten, diesen Vorschlag aber letzten Endes verworfen. Ent-scheidend wird es in solchen Fällen vielmehr darauf an-kommen, dass der Vorstand bei der endgültigenFestsetzung des Ausgabebetrages die ihm der Gesell-schaft und ihren Aktionären gegenüber obliegendenPflichten erfüllt3. Die in diesem Zusammenhang erforder-lichen Entscheidungen wird die Verwaltung ohnedieshäufig nur auf der Grundlage sachverständiger Prüfungund Beratung treffen können.

(c) Bezugsfrist und Kursänderungsrisiko

Nach § 186 Abs. 2 AktG hat der Vorstand bei der Kapita-lerhöhung gegen Einlagen die Aktionäre zur Aus-übungihres Bezugsrechts aufzufordern. Dabei hat er gemäß § 186 Abs. 2 AktG unter anderem den Ausgabebetrag derjungen Aktien in den Gesellschaftsblättern bekannt zumachen. Der Ausgabebetrag muss genau bezeichnet wer-den; es genügt nicht – anders als bei § 193 Abs. 2 Ziff. 3AktG – die Angabe einer Referenzgröße bzw. der Grund-lagen, nach denen dieser Betrag errechnet wird. Hierge-gen wird eingewandt, dies erschwere eine Berücksichti-gung der aktuellen Marktsituation am Ende derBezugsfrist und belaste jede Bezugsrechtskapitaler-höhung mit einem ca. dreiwöchigen Kursänderungsrisiko.Das geltende Recht gebe den Aktionären damit währendder Bezugsfrist eine kostenlose „call option“, eine Speku-lationsmöglichkeit, die freilich nur von den versierten Ak-tionären wahrgenommen werde. Normalerweise müssefür ein solches Kurssicherungsgeschäft gezahlt werden.Die Gesellschaft fungiere als kostenloser Stillhalter zu-

gunsten derjenigen, die bis zum Ende der Zeichnungsfristmit ihrer Erklärung abwarteten. Der Verlust aus dieserStillhalterfunktion werde von der Gesellschaft, d. h. vonallen Aktionären, also auch denen, die ihr Bezugsrecht so-fort ausgeübt haben oder nicht ausüben wollen oder kön-nen, getragen. Dies solle geändert werden. Eine markt-nähere Festsetzung von Ausübungspreisen liege durchausauch insofern im Interesse der Aktionäre, als sie die Formder Kapitalerhöhung gegen Einlagen unter Bezugsrechts-wahrung wieder attraktiver machen könne.

Keine überzeugende Lösung stellt allerdings der Vor-schlag dar, wonach die Festsetzung des Ausgabebetragesbis zum Ende der Bezugsfrist vorbehalten wird. In diesemFall müssten die Aktionäre gewissermaßen die Katze imSack kaufen. Der Ausgabebetrag muss den Aktionärenvielmehr bekannt gegeben werden. Die Bezugsfrist vonmindestens zwei Wochen, die noch dem alten Aktienrechtmit den damals gegebenen Kommunikationsmöglichkei-ten entstammt, erscheint als zu lang. Den Aktionären kannan sich durchaus zugemutet werden, sich binnen drei Ta-gen hinsichtlich der Ausübung ihres Bezugsrechts zu ent-scheiden, wenn ihnen das betreffende 3-Tages-Fensterrechtzeitig vorher mitgeteilt wurde.

Man könnte deshalb Folgendes erwägen: § 186 Abs. 1, 2AktG sollten den modernen Informationstechnologienund Kommunikationsmöglichkeiten Rechnung tragen.Abweichend von § 186 Abs. 1 und 2 sollte die SatzungFolgendes vorsehen können: Die Gesellschaft fordert inden Gesellschaftsblättern die Aktionäre auf, während ei-nes angegebenen Zeitraums von mindestens drei Werkta-gen den Ausgabekurs von ihr zu erfragen (telefonisch, per E-Mail oder aber auf der Website der Gesellschaft),und binnen dieses Zeitraums ihre Bezugserklärung abzu-geben.

Gegenüber diesem Vorschlag muss aber gesehen werden,dass auch die Mindestfrist von zwei Wochen des § 186Abs. 1 AktG europarechtlich festgeschrieben ist (Art. 29Abs. 3 der Zweiten gesellschaftsrechtlichen Richtlinie).

Um eine marktnähere Festsetzung von Ausübungspreisenzu ermöglichen, ist aber denkbar, dem Vorstand die Möglichkeit einzuräumen, die Festsetzung des Ausgabe-betrages bis zu einem bestimmten Termin vor Ablauf derBezugsfrist vorzubehalten, und bei der Bezugsrechtsauf-forderung zunächst entsprechend der Regelung des § 193Abs. 2 Nr. 3 AktG die Angabe einer Referenzgröße genü-gen zu lassen. Bei einer Bezugsfrist von vier Wochen etwakönnte insoweit dem Vorstand gestattet werden, den Aus-gabebetrag erst eine Woche vor Fristablauf festzulegen,und es bei Aufforderung zur Ausübung des Bezugsrechtszunächst bei der Angabe einer Referenzgröße bewendenzu lassen.

Die Regierungskommission empfiehlt, § 186 Abs. 2AktG wie folgt zu ändern: Bei der Aufforderung zurAusübung des Bezugsrechts kann sich der Vorstand da-rauf beschränken, die Grundlagen zu benennen, nachdenen sich der endgültige Ausgabebetrag berechnensoll. Der endgültige Ausgabebetrag ist in diesem Falldann so rechtzeitig vor Ablauf der Bezugsfrist zu veröf-

3 Zur Erleichterung des Verfolgungsrechts der Aktionäre bei Schaden-ersatzansprüchen der Gesellschaft oben Rdz. 72 f.

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fentlichen, dass das Bezugsrecht noch ausgeübt werdenkann; bei der Aufforderung zur Ausübung des Bezugs-rechts ist hierauf und auf Zeit und Ort der Veröffentli-chung des endgültigen Ausgabebetrages hinzuweisen.

(d) Abwicklung des Bezugsrechts über Kreditinstitute

Nach § 186 Abs. 5 AktG können zwar Kreditinstitute i. S. v.§ 1 Abs. 1 KWG, nicht aber Finanzdienstleistungsinstituteim Sinne von § 1 Abs. 1 a KWG und Finanzunternehmeni. S. v. § 1 Abs. 3 KWG damit beauftragt werden, die Ak-tien zum Bezug anzubieten. Der Grund hierfür liegt darin,dass die Emission, der Handel mit und die Verwahrungvon Wertpapieren zu den typischen Bankgeschäftenzählen, vgl. § 1 Abs. 1 S. 2 Nrn. 4, 5, 10 KWG. Bankge-schäfte werden nach der Systematik des KWG von Kre-ditinstituten betrieben. Die Vermittlung des mittelbarenBezugsrechts nach § 186 Abs. 5 AktG steht in unmittel-barem Zusammenhang mit dem Emissionsgeschäft, dasnach der Systematik des KWG eine Erlaubnis als Kredit-institut voraussetzt. In der Rechtsprechung ist zwar gele-gentlich zu § 1 Abs. 3 KWG a. F. die Vorschrift des § 186Abs. 5 AktG analog auch auf nicht der Aufsicht nachKWG unterliegende Finanzunternehmen entsprechendangewandt worden. Angesichts der klaren Abgrenzungder Kreditinstitute, Finanzdienstleister und sonstigen Fin-anzunternehmen in § 1 KWG n. F. bedarf es hier aber kei-ner Korrektur mehr. Eine Aufgabe der durch § 186 Abs. 5AktG verfügten geringfügigen Wettbewerbsbeschrän-kung durch Einbeziehung der Finanzdienstleister in denKreis der gemäß § 186 Abs. 5 AktG zugelassenen Instituteempfiehlt sich wegen des engen Zusammenhangs mitdem Emissionsgeschäft nicht.

(e) Bezugsrechtsausschluss in börsen-notierten Gesellschaften4

Gegenstand der Beratungen war des Weiteren der Vor-schlag, die Eigenkapitalbeschaffung der deutschen Ge-sellschaften stärker internationalen Gepflogenheiten an-zupassen und in größerem Ausmaß als bisher durch § 186 Abs. 3 S. 4 AktG börsennotierten Gesellschaften zuermöglichen, junge Aktien unter Ausschluss des Bezugs-rechts nahe am Börsenkurs der Altaktien zu platzieren.Die insoweit theoretisch denkbare Möglichkeit, hier derSatzungsfreiheit mehr Raum zu geben, scheitert jedoch anArt. 29 Abs. 4 der Zweiten gesellschaftsrechtlichen Richt-linie. Danach kann das Bezugsrecht nur durch konkretenHauptversammlungsbeschluss, nicht generell durch Sat-zungsgestaltung ausgeschlossen werden. In Betrachtkäme daneben, die Grenze von 10 % des Grundkapitalsheraufzusetzen, bis zu welcher eine Kapitalerhöhung ge-gen Bareinlagen unter Ausschluss des Bezugsrechtsgemäß § 186 Abs. 3 S. 4 AktG aufgrund entsprechendenHauptversammlungsbeschlusses zulässig ist, wenn der

Ausgabebetrag den Börsenpreis nicht wesentlich unter-schreitet. Die Regierungskommission spricht sich gegeneine solche Ausweitung der Regelung des § 186 Abs. 3 S. 4 AktG aus. Ein Heraufsetzen der 10 %-Grenze des § 186 Abs. 3 S. 4 AktG erhöht die Gefahr einer Beein-trächtigung von Aktionärsinteressen bei gezielter Aus-gabe der Aktien an befreundete Investoren. Angesichtsder derzeit noch nicht konsolidierten Möglichkeiten desRechtsschutzes hiergegen ist eine solche Empfehlung der-zeit nicht angezeigt, da für eine Erhöhung der Grenze auchkein erhebliches praktisches Bedürfnis angeführt wird.

12. Schuldverschreibungen und Bezugsrechts-ausschluss

Vorgeschlagen wird, es solle die Anwendbarkeit des § 186Abs. 3 S. 4 AktG auf die Ausgabe von Wandelschuldver-schreibungen und Gewinnschuldverschreibungen imSinne des § 221 AktG gelöst werden.

Bei der Emission von Wandelschuldverschreibungen, Ge-winnschuldverschreibungen und Genussrechten habendie Aktionäre gemäß § 221 Abs. 4 AktG ein Bezugsrecht.Wandel- und Optionsanleihen gewähren das Recht zumBezug von (meist jungen, aus bedingtem Kapital zur Ver-fügung gestellten; vgl. § 192 Abs. 2 Nr. 1 AktG) Aktien.Das Bezugsrecht gemäß § 221 Abs. 4 AktG kompensiertdie Aktionäre dafür, dass ihnen auf die im Rahmen des be-dingten Kapitals geschaffenen Aktien kein Bezugsrechtzusteht. Da § 221 Abs. 4 S. 2 AktG auf § 186 AktG unddamit auch auf die Möglichkeit eines Bezugsrechtsaus-schlusses verweist, stellt sich die Frage, ob auch § 186Abs. 3 S. 4 AktG anzuwenden ist. Nach dieser Vorschriftist ein Ausschluss des Bezugsrechts insbesondere dannohne besondere weitere sachliche Rechtfertigung zuläs-sig, wenn eine Kapitalerhöhung gegen Bareinlagen 10 %des Grundkapitals nicht übersteigt, und der Ausgabebe-trag den Börsenpreis nicht wesentlich unterschreitet.

An der grundsätzlichen Geltung auch des § 186 Abs. 3 S. 4 AktG im Rahmen einer Emission von Wandel- undOptionsanleihen kann an sich wegen der pauschalen Ver-weisung in § 221 Abs. 4 S. 2 AktG nicht gezweifelt wer-den. Nach herrschender Meinung im Fachschrifttumscheitert die Anwendung des § 186 Abs. 3 S. 4 AktG imRahmen des § 221 Abs. 4 AktG aber daran, dass es einenbörsenmäßigen Referenzpreis (Börsenpreis für eine be-reits börsengehandelte Schuldverschreibung), mit demder Ausgabepreis der jetzt in Frage stehenden Schuldver-schreibung verglichen werden müsste, nicht gibt. InRechtsprechung und Literatur ist dem widersprochenworden. Danach soll einem Bezugsrechtsausschluss dannnichts entgegenstehen, wenn der finanzmathematisch er-rechnete Wert der Schuldverschreibung den Ausgabebe-trag nicht wesentlich überschreitet. Eine ähnliche Vor-schrift hatten die Wirtschaftsverbände bereits bei denBeratungen zum KonTraG vorgeschlagen, ohne dass derGesetzgeber damals diesen Vorschlag aufgegriffen hätte.Danach sollte § 221 Abs. 4 S. 2 AktG folgenden Wortlauterhalten (vgl. WM 1997, 490, 496):

4 Zum Bezugsrecht beim Börsengang von Konzerntöchtern oben Rdz. 165.

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Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 101 – Drucksache 14/7515

„§ 186 gilt sinngemäß; § 186 Abs. 3 S. 4 AktG gilt mit derMaßgabe, dass bei Ausgabe von Wandelschuldverschrei-bungen ein Ausschluss des Bezugsrechts insbesonderedann zulässig ist, wenn der Nennbetrag der bei Ausübungder Umtausch- oder Bezugsrechte zu gewährenden Aktienzehn von Hundert des im Zeitpunkt der Beschlussfassungder Hauptversammlung bestehenden Grundkapitals nichtübersteigt und sich aufgrund der Gesamtausstattung derWandelschuldverschreibung kein wesentlicher rechneri-scher Bezugswert ergibt.“

Beide Formulierungen, sowohl der „finanzmathematischeWert der Schuldverschreibung“ wie der „wesentliche rech-nerische Bezugswert“, machen deutlich, dass hier nicht, wiedies § 183 Abs. 3 S. 4 AktG fordert, allein auf einen gegen-wärtigen Börsenkurs abgestellt wird, sondern es muss eineBewertung erfolgen. Der Rechtsausschuss des Bundestageshat deshalb bereits bei den Beratungen zum KonTraGgeäußert, § 186 Abs. 3 S. 4 AktG passe bei Wandelschuld-verschreibungen nicht, es müsse bei späterer Gelegenheitgeprüft werden, ob eine gesetzliche Anpassung vorgenom-men werden solle (Bundestagsdrucksache 12/7848, S. 17).

Nach Ansicht der Regierungskommission ist eine solcheAnpassung zu befürworten. Voraussetzung hierfür mussallerdings sein, dass der Aktionär eine quotenmäßige Verwässerung seiner mitgliedschaftlichen Rechte durchZukauf am Markt tatsächlich verhindern kann. Die Be-zugsgröße, die der Ausgabepreis nicht wesentlich unter-schreiten darf, ist hier der nach anerkannten (insbesonderefinanzmathematischen) Methoden ermittelte Marktwertder Schuldverschreibung.

Die Regierungskommission empfiehlt, bei der Emissionvon Wandelschuldverschreibungen (einschließlich Op-tionsanleihen) einen Bezugsrechtsausschluss analog §186 Abs. 3 S. 4 AktG zu ermöglichen, wenn der Nenn-betrag oder der anteilige Betrag der bei Ausübung derUmtausch- oder Bezugsrechte zu gewährenden Aktienzehn von Hundert des im Zeitpunkt der Beschlussfas-sung der Hauptversammlung bestehenden Grundkapi-tals nicht übersteigt und der Ausgabepreis den nach an-erkannten Methoden ermittelten Marktwert derSchuldverschreibung nicht wesentlich unterschreitet,vorausgesetzt, dass die Schuldverschreibung am Markteingeführt wird.

13. Bedingte KapitalerhöhungZu den Vorschriften der §§ 192 ff. AktG sind bei der Re-gierungskommission mehrere Vorschläge eingegangen.

(a) Nackte Optionen („naked warrants“)

In einer bei der Regierungskommission eingegangenenStellungnahme wird vorgeschlagen, nach ausländischemVorbild nackte Optionen (naked warrants) auf den Bezugvon Aktien zu Finanzierungszwecken zuzulassen. DerGesetzgeber des KonTraG hat mit der Regelung des § 192Abs. 2 Nr. 3 AktG die Ausgabe nackter Optionen aus-drücklich nur für Vergütungszwecke anerkannt, worausim Umkehrschluss zu folgern ist, dass die Ausgabe nack-ter Optionen zu Finanzierungszwecken jedenfalls seit In-

krafttreten des KonTraG nicht mehr in Betracht kommt.Bezugsrechte auf Aktien zu Finanzierungszwecken kön-nen demnach nur im Zusammenhang mit Schuldtiteln(Wandelschuldverschreibungen; Optionsanleihen; § 221AktG) geschaffen werden.

Für die Möglichkeit, nach ausländischen Vorbildern auch„naked warrants“ zu Finanzierungszwecken einzusetzen,wird Folgendes geltend gemacht:

– Die Verknüpfung mit einer (Options-)Anleihe sei will-kürlich, weil sie die Finanzierungsmöglichkeiten derGesellschaft unnötig einschränke.

– Das Bezugsrecht der Aktionäre sei analog § 221 Abs. 4AktG zu wahren.

– Die Bedenken, die gegen „naked warrants“ geltendgemacht würden (dazu unten), seien letzten Endesnicht überzeugend, weil im Fall der Optionsanleiheder warrant von der Anleihe sofort abgetrennt undselbstständig gehandelt werden könne.

Gegen die Möglichkeit, von vornherein nackte Optionenausgeben zu können, wird Folgendes eingewandt:

– Dies ermögliche den Unternehmen in sehr viel stärke-rem Maß als bei Verknüpfung mit einer Anleihe dieMöglichkeit der Spekulation in eigenen Aktien. Seidie Option „im Geld“, so hätten die Altaktionäre, diesich an dieser Spekulation nicht hätten beteiligen kön-nen oder wollen, u. U. erhebliche Verwässerungsver-luste zu tragen.

– Es sei regelmäßig nicht Sache der Gesellschaft, alsStillhalter in eigenen Aktien zu fungieren und sichhierfür eine Prämie zahlen zu lassen. Dabei handele essich um eine spezielle Finanzdienstleistung, die vonden dazu berufenen Dienstleistungsinstituten wie z. B.Investmentbanken zu erbringen sei.

– Die Emission von „naked warrants“ vermittle demVorstand der Gesellschaft den Anreiz, vor Fälligwer-den der Option den Aktienkurs zu drücken, um dieAusübung der Option zu verhindern.

– Die Ziele, die mit der Emission von „naked warrants“zu Finanzierungszwecken verfolgt würden, seien imWesentlichen auch mit Optionsanleihen zu erreichen.

Nach Abwägung dieser Argumente und in Anbetracht des-sen, dass der Gesetzgeber mehrfach, zuletzt während derVorbereitung des KonTraG, die Zulassung nackter Optio-nen erwogen, aber immer wieder zurückgestellt hat, siehtdie Regierungskommission gleichfalls von einer entspre-chenden Empfehlung ab. Gegen die uneingeschränkte Zu-lassung nackter Optionen spricht überdies, dass die Regie-rungskommission es abgelehnt hat, die Schaffung einesbedingten Kapitals gemäß § 192 Abs. 2 Nr. 3 AktG auch zurBedienung vergütungshalber gewährter nackter Optionenzugunsten von Aufsichtsratsmitgliedern zuzulassen5. DieRegierungskommission hat sich vielmehr dafür ausgespro-chen, die Bedienung von Optionsrechten von Aufsichts-

5 Rdz. 64.

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Drucksache 14/7515 – 102 – Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode

ratsmitgliedern aus einem bedingten Kapital auch künftignur nach § 192 Abs. 2 Nr. 1 AktG zuzulassen und mithin da-ran festzuhalten, dass vergütungshalber gewährte Options-rechte zugunsten von Aufsichtsratsmitgliedern nicht nackt,sondern nur verknüpft mit einer Wandel- oder Optionsan-leihe geschaffen werden können.

(b) „Contingent shares“

Gegenstand der Beratungen war sodann der Vorschlag,die Vorschrift des § 192 Abs. 2 Nr. 2 AktG, wonach einebedingte Kapitalerhöhung „zur Vorbereitung des Zusam-menschlusses mehrerer Unternehmen“ beschlossen wer-den kann, dahin zu ändern, dass eine bedingte Kapital-er-höhung nach dieser Vorschrift künftig „zur Vorbereitungoder zum Vollzug des Zusammenschlusses mehrerer Un-ternehmen, des Erwerbs eines Unternehmens, einer Be-teiligung oder eines sonstigen Gegenstandes“ beschlossenwerden kann. Eine solche Änderung eröffne in verschie-dener Hinsicht notwendige und wünschenswerte Gestal-tungsmöglichkeiten.

Dies gelte zum einen namentlich im Hinblick auf die Ge-währung von „contingent shares“. Von „contingent shares“spricht man, wenn bei einer Sachkapitalerhöhung verein-bart werden soll, dass der Einbringende später, bei Errei-chen bestimmter Ziele, weitere Aktien zum jetzt festge-legten Ausgabekurs beziehen kann. Der Inferent erhältzusätzlich zu den bereits bezogenen Aktien eine Optionauf weitere Aktien zum vorab festgelegten Ausgabe- oderBezugskurs; die Ausübung der Option ist nur möglich,wenn die genannten Ziele erreicht werden. Nach gelten-dem Recht sei dies nur schwer gestaltbar. Insbesonderekomme nicht in Betracht, „contingent shares“ im Wegeeines bedingten (Sach-)Kapitals nach § 192 Abs. 2 Nr. 2AktG zu schaffen. Es gehe in diesen Fällen nicht um dieVorbereitung eines Unternehmenszusammenschlusses, dadieser bereits vollzogen sei. Mit einer Änderung des § 192Abs. 2 Nr. 2 AktG in dem Sinne, dass eine bedingte Ka-pitalerhöhung auch „zum Vollzug des Zusammenschlus-ses mehrerer Unternehmen“ erfolgen könne, ließen sichauf diesem Wege „contingent shares“ schaffen.

Die vorgeschlagene Gesetzesänderung eröffne darüberhinaus noch in weiterer Hinsicht neue Gestaltungsmög-lichkeiten. Sei eine bedingte Kapitalerhöhung zum Voll-zug des Zusammenschlusses mehrerer Unternehmenmöglich, so könne dieses Instrument etwa auch genutztwerden, um den Aktionären einer übertragenden Gesell-schaft nach einer Verschmelzung durch Aufnahme bei zuniedrigem Umtauschverhältnis der Anteile statt einer ba-ren Zuzahlung gemäß § 15 Abs. 1 UmwG mit ihrem Ein-verständnis an Erfüllungs statt zusätzliche Aktien der auf-nehmenden Gesellschaft zu gewähren. Ferner werde esbei einem Ausschluss von Minderheitsaktionären zuguns-ten eines Hauptaktionärs gegen Barabfindung (freeze out)künftig möglich sein, den ausscheidenden Aktionärennach § 192 Abs. 2 Nr. 2 AktG n. F. mit ihrem Einver-ständnis an Erfüllungs statt anstelle einer BarabfindungAktien des Hauptaktionärs zu gewähren.

Zudem könne nach der vorgeschlagenen Neuregelungüber ein bedingtes (Sach-)Kapital nicht nur eine Fusion,

sondern auch ein Beteiligungskauf, ein Unternehmenser-werb oder der Erwerb eines sonstigen Wirtschaftsguts (z. B. Patente, Grundstück) finanziert werden.

Die Regierungskommission spricht sich für eine entspre-chende Erweiterung der zulässigen Zwecke einer beding-ten Kapitalerhöhung in § 192 Abs. 2 Nr. 2 AktG aus. DieZweite gesellschaftsrechtliche Richtlinie lässt dies zu. Dadas Bezugsrecht der Aktionäre auf die jungen Aktien beimbedingten Kapital kraft Gesetzes ausgeschlossen ist, mussein entsprechender Vorstandsbericht vorgelegt, und derhierzu ermächtigende Hauptversammlungsbeschluss einerInhaltskontrolle nach „Kali & Salz“-Grundsätzen unter-worfen werden. Außerdem sollte erwogen werden, nachdem Vorbild des § 193 Abs. 2 Nr. 4 AktG festzulegen, dass,sofern der Bezug von Aktien vom Erreichen bestimmterZiele abhängt, die Voraussetzungen für den Bezug (Er-folgsziele; Ausübungszeiträume) im Beschluss über diebedingte Kapitalerhöhung festgelegt werden müssen.

Die Regierungskommission empfiehlt, dass die bedingteKapitalerhöhung auch zum Zwecke des Vollzugs des Zu-sammenschlusses von Unternehmen, des Erwerbs einesUnternehmens, einer Beteiligung oder eines sonstigenGegenstandes beschlossen werden kann. Wird der Be-zug der Aktien vom Erreichen bestimmter Ziele abhän-gig gemacht, so sollten die Voraussetzungen hierfür (Er-folgsziele; Ausübungszeiträume) im Beschluss über diebedingte Kapitalerhöhung festgesetzt werden müssen.

(c) Kreis der Bezugsberechtigten

Bemängelt wird, der Kreis der Bezugsberechtigten in § 192Abs. 2 AktG sei zu eng gefasst. Dies zeige sich gerade inUnternehmen der New Economy. Junge Unternehmenwollten auch freie Mitarbeiter, Berater oder Aufsichtsräte6

mit Aktien bedienen. Die Regierungskommission sprichtsich nach eingehender Erörterung gegen diesen Vorschlagaus. Dringender Regelungsbedarf ist insoweit nicht er-sichtlich. Insbesondere jungen Unternehmen, die qualifi-zierte Berater nur durch Gewährung von Aktienoptionengewinnen können, steht zur Beschaffung der zur Bedie-nung von Bezugsrechten erforderlichen Aktien der Wegüber § 192 Abs. 2 Nr. 1 AktG offen. Dieser Weg erscheintauch sachgerecht, weil der Ausschluss des Bezugsrechtsder Aktionäre (vgl. § 221 Abs. 4 AktG) auf die dabei zuschaffenden Wandelschuldverschreibungen anders als imFall des § 192 Abs. 2 Nr. 3 AktG einer sachlichen Recht-fertigung bedarf und damit der notwendige Aktionärs-schutz gewährleistet wird.

(d) Wandelschuldverschreibungen und § 193Abs. 2 Nr. 4 AktG

Bei der Schaffung eines bedingten Kapitals nach § 192 Abs. 2 Nr. 3 AktG zwecks Einräumung von Aktien-optionen an Arbeitnehmer und Mitglieder der Geschäfts-führung der Gesellschaft oder eines verbundenen Unter-nehmens sind im Hauptversammlungsbeschluss gemäß

6 Zu Aktienoptionen für Aufsichtsräte gesondert oben Rdz. 64.

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Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 103 – Drucksache 14/7515

§ 193 Abs. 2 Nr. 4 AktG die Aufteilung der Bezugsrechteauf Mitglieder der Geschäftsführungen und der Arbeit-nehmer, Erfolgsziele, Erwerbs- und Ausübungszeiträumeund die Wartezeit für die erstmalige Ausübung, die minde-stens zwei Jahre betragen muss, anzugeben. Für einenHauptversammlungsbeschluss über eine bedingte Kapita-lerhöhung zur Gewährung von Umtausch- oder Bezugs-rechten an Gläubiger von Wandelschuldverschreibungennach § 192 Abs. 2 Nr. 1 AktG sind derartige Feststellungennicht vorgeschrieben. Die in § 193 Abs. 2 Nr. 4 AktG fest-gelegten Mindeststandards für die Ausgestaltung von Ak-tienoptionsprogrammen gelten mithin nicht, wenn Opti-onsrechte vergütungshalber nicht nackt gewährt werden,sondern mit einer Wandelschuldverschreibung oder Opti-onsanleihe oder einem ähnlichen Vehikel verknüpft sind.Der Gesetzgeber des KonTraG hat dieses „Schlupfloch“seinerzeit bewusst offen gelassen, da erst einmal abgewar-tet werden sollte, ob die neu geschaffene Möglichkeit dervergütungshalber erfolgenden Gewährung nackter, nicht – wie bis dahin allein zulässig – mit einer Wandelschuld-verschreibung oder Optionsanleihe verknüpfter Optionenvon der Praxis angenommen werden würde. In Anbetrachtder Akzeptanz dieser Gestaltung durch die Praxis bestehtnach Auffassung der Regierungskommission heute keinGrund mehr, die vergütungshalber erfolgende Gewährungvon Optionsrechten, die mit einer Wandelschuldverschrei-bung oder Optionsanleihe oder einem ähnlichen Vehikelverknüpft sind, nicht denselben Mindestanforderungen zuunterwerfen, wie sie gemäß § 193 Abs. 2 Nr. 4 AktG fürvergütungshalber gewährte nackte Optionen gelten.

Die Regierungskommission spricht sich dafür aus, dassdie Regelung des § 193 Abs. 2 Nr. 4 AktG für alle vergü-tungshalber gewährten Optionsrechte gelten sollte.

Der Klarstellung halber sei hinzugefügt, dass die in § 193Abs. 2 Nr. 4 AktG vorausgesetzte und in § 192 Abs. 2 Nr. 3 AktG festgelegte Einschränkung des begünstigtenPersonenkreises für mit einer Wandelschuldverschrei-bung oder Optionsanleihe oder einem ähnlichen Vehikelverknüpfte vergütungshalber gewährte Optionsrechtenicht gelten soll, solche Optionsrechte also weiterhin na-mentlich auch Aufsichtsratsmitgliedern gewährt werdenkönnen sollten.

(e) Die 10 %-Schwelle des § 192 Abs. 3 AktG

Nicht die Zustimmung der Regierungskommission hatauch der Vorschlag gefunden, die Regelung des § 192Abs. 3 AktG zu ändern, wonach der Nennbetrag des nach§ 192 Abs. 2 Nr. 3 AktG zur Gewährung von Bezugs-rechten beschlossen bedingten Kapitals den zehnten Teildes Grundkapitals, das zur Zeit der Beschlussfassung überdie bedingte Kapitalerhöhung vorhanden ist, nicht über-steigen darf. Unbeschadet der Frage der sachlichen Be-rechtigung dieser Regelung hat die Regierungskommis-sion im Hinblick darauf von einer Empfehlung hierzuAbstand genommen, dass diese Vorschrift erst durch dasKonTraG eingeführt worden ist, und sich seither neue Ge-sichtspunkte und Entwicklungen, die bei Einführung die-ser Vorschrift nicht hätten berücksichtigt werden können,nicht gezeigt haben.

14. Genehmigtes KapitalDer Regierungskommission sind Vorschläge zur Überprü-fung der 50 %-Schwelle des § 202 Abs. 3 AktG (dazu (a));zur Ermächtigung der Verwaltung, auch die Art der jungenAktien festzulegen (dazu (b)), und zu der Berichtspflichtbei der Ausnutzung eines genehmigten Kapitals unter Aus-schluss des Bezugsrechts (dazu (c)) unterbreitet worden.

(a) Die 50 %-Schwelle des § 202 Abs. 3 AktG

Nach § 202 Abs. 3 S. 1 AktG darf der Nennbetrag des ge-nehmigten Kapitals die Hälfte des Grundkapitals, das zurZeit der Ermächtigung vorhanden ist, nicht überschreiten.Es wird geltend gemacht, dies könne auch bei sehr großenUnternehmen im Zusammenhang mit der Finanzierung ei-ner Übernahme (Aktien als Akquisitionswährung) ein Pro-blem sein, sei es aber sehr häufig bei kleineren Unterneh-men. Für Kapitalerhöhungen, die das Bezugsrecht derAktionäre wahren, bestehe ohnedies kein Grund, an der 50%-Grenze des § 202 Abs. 3 S. 1 AktG festzuhalten. DerHauptversammlung stehe ohne weiteres frei, eine solche –und sogar engere – Grenzen zu beschließen. AusländischenRechtsordnungen seien solche starren Schranken unbe-kannt; auch die Zweite gesellschaftsrechtliche Richtlinieschreibe eine solche Schranke nicht vor.

Die Regierungskommission vermag sich diesem Vor-schlag nicht anzuschließen. In Fällen, in denen in einerkleineren Gesellschaft das Grundkapital um mehr als dieHälfte erhöht werden soll, wird es in aller Regel keine er-heblichen Schwierigkeiten und Belastung bedeuten, diesgegebenenfalls auch einer außerordentlichen Hauptver-sammlung der bisherigen Eigenkapitalgeber vorzutragenund diese in Kenntnis aller konkreten Gegebenheiten ei-nes derart weit reichenden Schritts, der die Grundlagen ih-res Investments verändert, hierüber entscheiden zu lassen.Dieselbe Erwägung hat aber auch in Publikumsgesell-schaften zu gelten. Richtig ist zwar, dass ausländische Ge-sellschaftsrechte zumindest häufig eine solche formaleBeschränkung nicht kennen. Dies bedeutet aber nicht be-reits, dass die Verwaltungen dort mit dem autorisiertenKapital nach Gutdünken verfahren dürften. Neben dieKontrolle durch Sorgfalts- und Treuepflichten und derenSanktionierung durch Haftung treten hier nicht seltenkonkrete Erfordernisse der Zustimmung aus anderenGründen, z. B. – so die Listing Rules der Londoner Börse– weil die Transaktion mehr als 25 % des Gesellschafts-kapitals betrifft. Mitunter scheint es (z. B. in Großbritan-nien) nach den von der Regierungskommission eingehol-ten Informationen auch informelle Regeln zu geben,wonach institutionelle Investoren eine solche weit rei-chende Ermächtigung der Verwaltung faktisch nicht hin-nehmen würden. Im Hinblick darauf sieht die Regie-rungskommission keine überwiegenden Gründe dafür, dieAufhebung des § 202 Abs. 3 S. 1 AktG vorzuschlagen.

(b) Ermächtigung zur Festlegung der Aktienart

Die Regierungskommission schließt sich dem ihr unter-breiteten Vorschlag an, § 204 AktG dahin zu ergänzen,

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Drucksache 14/7515 – 104 – Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode

dass der Vorstand bei der Ausgabe junger Aktien aus ei-nem genehmigten Kapital auch über die Art der zu emit-tierenden Aktien (Inhaber- oder Namensaktien) entschei-den können soll7.

(c) Berichtspflicht bei Bezugsrechtsaus-schluss

Nach der neueren Rechtsprechung kann sich der Vor-standsbericht zum Ausschluss des Bezugsrechts der Ak-tionäre mit abstrakt-generellen Erwägungen begnügen.Eine konkrete Beschreibung beabsichtigter Ausnutzun-gen wird nicht mehr gefordert. Umstritten ist jedoch, obdie Gesellschaft den Aktionären erneut im Vorfeld derAusnutzung eines genehmigten Kapitals analog § 186Abs. 4 Nr. 2 AktG Bericht erstatten muss, diesmal in kon-kreter Form. Vorgeschlagen wird, eine zeitnahe Berichts-pflicht bei Ausnutzung genehmigten Kapitals in einemCode of Best Practice niederzulegen. Für die Praxis be-deute dies keine große Änderung, da dieser Bericht bereitsheute regelmäßig erstattet werde. Werde den Aktionärenvor Ausnutzung des genehmigten Kapitals in konkreterForm über das Vorhaben und die Einzelheiten berichtet,verschaffe ihnen dies effektiv die Möglichkeit, die beab-sichtigte Kapitalerhöhung durch Erhebung einer Unter-lassungsklage zu verhindern. Denkbar wäre in diesem Zu-sammenhang sogar – so ein weiter gehender Vorschlag –,den Vorstand künftig nicht nur zu einer solchen Vorab-In-formation zu verpflichten, sondern darüber hinaus auchanalog § 246 Abs. 1 AktG vorzusehen, dass der Vorstanddie Kapitalerhöhung nicht vor Ablauf eines Monats nachVeröffentlichung des Berichts durchführen dürfe. DieseVerpflichtungen sollten durch gesetzliche Regelung fest-geschrieben werden; eine Aufnahme in den Code of BestPractice empfehle sich nicht, da Flexibilität und Spiel-raum für Gestaltungen insoweit nicht notwendig seien.

Die Regierungskommission spricht sich nach eingehen-der Diskussion gegen die Einführung einer Vorab-Infor-mationspflicht des Vorstands vor Nutzung eines geneh-migten Kapitals unter Ausschluss des Bezugsrechts derAltaktionäre aus, da damit der Verwaltung die durch dieSiemens/Nold-Entscheidung verschaffte notwendige Fle-xibilität weitgehend wieder entzogen würde. Eine Warte-zeit von vier Wochen vor einer beabsichtigten Nutzungdes genehmigten Kapitals zur Finanzierung einer Trans-aktion würde in der Praxis erhebliche Probleme mit sichbringen. Vorzugswürdig erscheint demgegenüber, aucheine nachträgliche Berichterstattung zu gestatten und denSchutz der Aktionäre vornehmlich durch die Einführungeiner Prüfung der Werthaltigkeit der einzubringendenSacheinlage in bestimmten Fällen zu gewährleisten (dazusogleich unten Rdz. 232).

Die Regierungskommission befürwortet eine durch Er-gänzung der §§ 202 ff. AktG vorzusehende gesetzlichePflicht des Vorstands zu zeitnaher (auch nachträglicher)schriftlicher Berichterstattung über die Nutzung einesgenehmigten Kapitals unter Ausschluss des Bezugs-

rechts der Aktionäre. Der Bericht sollte sich inhaltlichan den Anforderungen des § 186 Abs. 4 S. 2 AktGorientieren, muss also den Grund für den Bezugsrechts-ausschluss angeben sowie insbesondere den Ausgabe-betrag der jungen Aktien begründen. Der Vorstandsbe-richt sollte des Weiteren zum Handelsregistereinzureichen sowie bekannt zu machen sein, und zwarin der in der Satzung für Bekanntmachungen vorgese-henen Form (§§ 23 Abs. 4, 25 AktG).

Gegen eine Verpflichtung des Vorstands zur Begründungdes Ausgabebetrags der jungen Aktien ließe sich einwen-den, eine Begründung des Ausgabebetrages sei u. U. nichtmöglich, ohne die mit einem Unternehmens- oder Betei-ligungserwerb verfolgte mittel- bis langfristige strategi-sche Unternehmensplanung offen zu legen und damit Ge-sellschaftsgeheimnisse preiszugeben. Eine Verpflichtungdes Vorstands zur Begründung des Ausgabebetrages derjungen Aktien bei der Nutzung eines genehmigten Kapi-tals unter Bezugsrechtsausschluss ist gleichwohl unerläs-slich. Bei einer genehmigten Kapitalerhöhung kann inso-weit nichts anderes gelten als bei einer ordentlichen odereiner bedingten Kapitalerhöhung mit Bezugsrechtsaus-schluss, bei denen der Vorstand den Altaktionären gegen-über im Hinblick auf die ihnen drohende Gefahr einerVerwässerung des Wertes ihrer Aktien den Ausgabebetragder jungen Aktien zu begründen hat. Überdies hat der Vor-stand jeder der beteiligten Gesellschaften bei der Ver-schmelzung, die letztlich einen qualifizierten Fall derSachkapitalerhöhung mit Bezugsrechtsausschluss dar-stellt, nach § 8 Abs. 1 UmwG das Umtauschverhältnis derAnteile zu begründen. Ein Verzicht auf die Verpflichtungdes Vorstands, den Altaktionären (auch) im Rahmen einergenehmigten Kapitalerhöhung mit Bezugsrechtsschlussden Ausgabebetrag der jungen Aktien zu begründen,kommt nach alldem nicht in Betracht. Mit Blick auf dasBedenken, hieraus könne sich ein Zwang zur Preisgabevon Geschäftsgeheimnissen ergeben, ist die Empfehlungzur Berichtspflicht des Vorstands bei Nutzung eines ge-nehmigten Kapitals mit Bezugsrechtsausschluss aller-dings dahin zu ergänzen, dass die Vorschriften der §§ 293aAbs. 2 AktG, 8 Abs. 2 UmwG entsprechend anzuwendensind. Danach brauchen in den Bericht über einen Unter-nehmensvertrag bzw. in den Verschmelzungsbericht Tat-sachen nicht aufgenommen zu werden, deren Bekannt-werden geeignet ist, einem der vertragschließendenUnternehmen oder einem verbundenen Unternehmenbzw. einem der beteiligten Rechtsträger oder einem ver-bundenen Unternehmen einen nicht unerheblichen Nach-teil zuzufügen.

Die Regierungskommission regt an, die Berichtspflichtdes Vorstands über die Nutzung eines genehmigten Ka-pitals unter Ausschluss des Bezugsrechts der Aktionäreentsprechend §§ 293a Abs. 2 AktG, 8 Abs. 2 UmwG zubeschränken.

Die Regierungskommission befürwortet neben einer zeit-nahen, auch nachträglichen Berichtspflicht des Vorstandsüber die Nutzung eines genehmigten Kapitals mit Be-zugsrechtsausschluss außerdem eine Prüfung der Wert-haltigkeit der Sacheinlage in solchen Fällen, in denen7 Oben Rdz. 214.

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nach den konkreten Umständen die Gefahr einer Überbe-wertung der Sacheinlage gegeben ist. Als Vorbild sollteinsoweit die Nachgründungsvorschrift des § 52 Abs. 1 S. 1 AktG i. d. F. des Gesetzes zur Namensaktie und zurErleichterung der Stimmrechtsausübung (NaStraG) die-nen. Danach werden Verträge, durch die sich eine AG zumErwerb von Vermögensgegenständen verpflichtet, nur mitZustimmung der Hauptversammlung und durch Eintra-gung in das Handelsregister wirksam, sofern die Vergü-tung zehn Prozent des Grundkapitals übersteigen soll undder Vertragsschluss in den ersten zwei Jahren nach Ein-tragung der AG in das Handelsregister erfolgt. Im Unter-schied zur früheren Rechtslage gilt dies nunmehr nichtmehr ausnahmslos, sondern nach § 52 Abs. 1 S. 1 AktG n. F. nur noch dann, wenn es sich um Verträge der Gesell-schaft mit Gründern oder mit mehr als zehn vom Hundertdes Grundkapitals an der Gesellschaft beteiligten Ak-tionären handelt. Es empfiehlt sich, im vorliegenden Zu-sammenhang an diese Regelung anzuknüpfen und vorzu-sehen, dass – zusätzlich zu der zeitnahen schriftlichenBerichtspflicht des Vorstands – in den Fällen, in denen derSacheinleger mit mehr als zehn vom Hundert des Grund-kapitals an der Gesellschaft beteiligt ist, eine Prüfung derSacheinlage daraufhin vorzuschreiben, ob ihr Wert nichtnur, was derzeit allein zu prüfen ist, den geringsten Aus-gabebetrag, bei Nennbetragsaktien also den Nennbetrag(vgl. § 9 Abs. 1 AktG), erreicht, sondern auch einen höhe-ren Ausgabebetrag, mit anderen Worten unter der ge-nannten Voraussetzung eine Werthaltigkeitsprüfung vor-zuschreiben. Dabei ist ferner, um eine unabhängigePrüfung zu gewährleisten, vorzusehen, dass die Sachein-lageprüfung durch einen vom Gericht bestellten Prüfer zuerfolgen hat, der nicht mit dem Abschlussprüfer der Ge-sellschaft und/oder des Sacheinlegers identisch sein darf.Der Prüfungsbericht muss zudem beim Handelsregistereingereicht werden.

Die Regierungskommission schlägt vor, dass in Fällen,in denen die neuen Aktien gegen eine Sacheinlage anmit mehr als 10 vom Hundert des Grundkapitals an derGesellschaft beteiligte Aktionäre ausgegeben werden,eine Werthaltigkeitsprüfung vorgeschrieben werdensollte. Für diese Fälle sollte vorgesehen werden, dassder vom Gericht zu bestellende Prüfer weder der Ab-schlussprüfer der Gesellschaft noch der des Sacheinle-gers sein darf. Der Bericht über die Werthaltigkeitsprü-fung ist zum Handelsregister einzureichen.

15. Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln

Nach § 207 Abs. 3 AktG kann eine Kapitalerhöhung ausGesellschaftsmitteln erst beschlossen werden, nachdemder Jahresabschluss für das letzte vor der Beschlussfas-sung über die Kapitalerhöhung abgelaufene Geschäfts-jahr (letzter Jahresabschluss) festgestellt ist und dieRücklagen, aus denen die Kapitalerhöhung finanziertwerden soll, in dieser Bilanz ausgewiesen sind (§ 208Abs. 1 AktG). In einer bei der Regierungskommissioneingegangenen Stellungnahme wird geltend gemacht,diese Vorschrift sei insbesondere für junge Unternehmenhinderlich, weil erst ein entsprechender Jahresabschluss

aufgestellt werden müsse. Außerdem sei die Vorschriftzu umgehen, weil das Geschäftsjahr geändert werdenkönne.

Das Warten auf den Jahresabschluss ist nicht damit zu er-klären, dass erst eine testierte Bilanz vorliegen muss, dieentsprechend hohe umwandlungsfähige Rücklagen aus-weist. Denn dem Kapitalerhöhungsbeschluss kann zwardie Jahresbilanz zugrunde gelegt werden (vgl. § 209 Abs. 1 AktG); dies ist aber nicht zwingend (§ 209 Abs. 2AktG). § 207 Abs. 3 AktG hat seinen Ursprung vielmehrin seinem Vorläufer (§ 1 KapitalerhöhungsG), der aller-dings noch zusätzlich vorsah, dass vor dem Kapitaler-höhungsbeschluss die Hauptversammlung den Gewinn-verwendungsbeschluss gefasst haben sollte. DiesesErfordernis sollte die Souveränität und Entscheidungs-freiheit der Hauptversammlung sicherstellen. Bereits inder Aktienrechtsreform 1965 wurde aber auf das Erfor-dernis des vorgängigen Gewinnverwendungsbeschlussesverzichtet, weil es sich dabei um eine unnötige Bevor-mundung handele (Kropff, Aktiengesetz, 1965, S. 310).Damit hat aber die Vorschrift des § 207 Abs. 3 AktG ihrenSinn im Wesentlichen eingebüßt. Will die Hauptver-sammlung die Entscheidung über eine Kapitalerhöhungaus Gesellschaftsmitteln erst in Kenntnis der Jahresge-winnsituation und der zu erwartenden Ausschüttung tref-fen, kann sie der Verwaltung die Umwandlung der Rück-lagen in Grundkapital verweigern.

Im Hinblick auf diese Erwägungen spricht sich die Re-gierungskommission dafür aus, die Vorschrift des § 207Abs. 3 AktG aufzuheben.

16. Einziehung von Stückaktien ohne Kapitalherabsetzung

Die Einziehung von Aktien geht nach geltendem Rechtzwangsläufig mit einer Kapitalherabsetzung einher (vgl.§ 237 AktG). Geltend gemacht wird, diese Regelungstamme aus der Zeit vor Einführung der Stückaktie, seialso auf die Nennbetragsaktie zugeschnitten. Bei Stück-aktien sei kein Grund ersichtlich, weshalb die Einziehungzu einer Kapitalherabsetzung führen müsse. Nach Ein-ziehung von Stückaktien entfalle ohne Kapitalherabset-zung auf die verbliebenen ausgegebenen Stückaktien je-weils ein entsprechend größerer anteiliger Betrag desGrundkapitals. Es erfolge in diesem Fall also ein umge-kehrter „stock split“. Einer Kapitalherabsetzung bedürfees nicht.

Die Regierungskommission schließt sich diesen Erwä-gungen an.

Die Regierungskommission regt an, die Einziehung vonStückaktien auch ohne Kapitalherabsetzung zuzulas-sen.

III. Neue Finanzierungs- und Gestaltungs-instrumente

Auf Aufforderung der Regierungskommission in dem vonihr versandten Fragenkatalog hin ist ihr eine Reihe weite-rer Vorschläge zu in ausländischen Rechten eingeführten

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Drucksache 14/7515 – 106 – Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode

und erprobten Finanzierungs- und Gestaltungsinstrumen-ten benannt worden, deren Übernahme ins deutsche Rechtgeprüft werden solle.

1. Rückerwerbbare Aktien („redeemable shares“)

Gegenstand der Beratungen war in diesem Zusammen-hang zunächst der Vorschlag, in Ausübung und nach Maßgabe des Art. 39 der Kapitalrichtlinie rückerwerbbareAktien (redeemable shares) im deutschen Aktienrechtvorzusehen.

Rückerwerbbare Aktien sind dadurch gekennzeichnet,dass der Rückerwerb der Aktien durch die Gesellschaftschon bei Ausgabe der Aktien festgelegt worden und nurnoch von der Ausübung eines der Gesellschaft oder demAktionär zustehenden Optionsrechts abhängig ist. DerVorteil dieser Gestaltung gegenüber der Schaffungrückerwerbbarer Aktien auf schuldrechtlichem Wegdurch Begründung eines entsprechenden Optionsrechtseiner der beiden Parteien liegt darin, dass die durch dieAusgabe rückerwerbbarer Aktien begründeten Rechteund Pflichten im Zusammenhang mit der Rückveräuße-rung in der Mitgliedschaft verkörpert und damit „dingli-cher“, in der Person jeden Erwerbers fortbestehender Na-tur sind. Es handelt sich, wenn man so will, um mit derjeweiligen Aktie verbundene „calls“ zugunsten der Ge-sellschaft bzw. um „puts“ zugunsten des dazu berechtig-ten Aktionärs.

Rückerwerbbare Aktien, bei denen es sich um ein im eu-ropäischen Ausland und in den USA verbreitetes Finan-zierungsinstrument handelt, werden vor allem in zwei Zu-sammenhängen eingesetzt. Zum einen geben mitWagniskapital finanzierte Unternehmen häufig rücker-werbbare Aktien aus, die ihnen eine call option für denFall einräumen, dass bestimmte Ergebnisse übertroffenwerden. Damit kann die Gesellschaft verhindern, dass dieInvestoren „übermäßig“, in einem vorab nicht in Betrachtgezogenen Umfang von einer hervorragenden Entwick-lung profitieren würden. Umgekehrt können Investorenauch Rückgaberechte hinsichtlich der von ihnen bezoge-nen Aktien eingeräumt werden („puts“), um ihnen denAusstieg aus der Gesellschaft zu sichern. Zum anderenfinden sich rückerwerbbare Aktien vor allem bei Vor-zugsaktien. Wenn das Zinsniveau und damit die Rendi-teerwartungen des Kapitalmarktes sinken, kann sich dieGesellschaft durch Rückerwerb und Neuemission günsti-ger refinanzieren.

Das deutsche Recht sieht rückerwerbbare Aktien bislangnicht vor. Zwar verfügt das deutsche Aktienrecht mit demvereinfachten Einziehungsverfahren des § 237 Abs. 3 bis5 AktG über ein der Ausgabe rückerwerbbarer Aktien imAnsatz vergleichbares Institut. In mehreren Punkten be-stehen indes nicht unwesentliche Unterschiede. Zum ei-nen kann der Rückerwerb von „redeemable shares“, istdie Ausgabe einmal durch die Satzung zugelassen, ohneweitere Mitwirkung seitens der Hauptversammlung erfol-gen. Zum anderen geht mit der vereinfachten Einziehungnach § 237 Abs. 3 AktG zwangsläufig eine Kapitalherab-

setzung einher8, während die von der Gesellschaft rücker-worbenen Aktien nicht eingezogen werden müssen, son-dern als eigene Aktien gehalten werden können, wobei die10 %-Grenze des § 71 Abs. 2 S. 1 AktG insoweit nicht ein-greifen würde. Und schließlich kennt das deutsche Rechtnicht die Einrichtung eines mit der Aktie „dinglich“ ver-knüpften Andienungsrechts („Put“) zugunsten des jewei-ligen Aktionärs.

Die Regierungskommission spricht sich dafür aus,rückerwerbbare Aktien im Rahmen und nach Maßgabeder Vorschriften des Art. 39 der Kapitalrichtlinie auch imdeutschen Aktienrecht vorzusehen. Darüber hinaus solltenach dem Vorbild des § 139 Abs. 2 AktG eine Höchst-grenze von 50 % des Grundkapitals eingeführt werden.

Verschiedene denkbare Einwände gegen die Einführungrückerwerbbarer Aktien wurden im Ergebnis als nichtdurchgreifend erachtet. Dem Einwand, die Einführung ei-ner solchen neuen Aktiengattung laufe dem Ziel zuwider,Aktien möglichst als standardisierte Produkte auszuge-stalten, um die Vergleichbarkeit am Kapitalmarkt zu erleichtern, ist entgegenzuhalten, dass rückerwerbbareAktien vornehmlich von nicht börsennotierten Gesell-schaften genutzt und in der Praxis vor dem Börsengangbeseitigt werden. Daher steht praktisch auch kaum zu be-fürchten, dass solche Aktien an der Börse gehandelt unddabei zu einer Irreführung des anlagesuchenden Publi-kums Anlass geben würden. Auch ist die Einführungrückerwerbbarer Aktien nicht deshalb entbehrlich, weilschuldrechtliche Gestaltungsmöglichkeiten gegeben sind.Schuldrechtlich vereinbarte Optionsrechte bieten keinengleichwertigen Ersatz, da sie eben nicht in der Mitglied-schaft verkörpert sind und daher bei Übertragung der Aktie nicht ohne weiteres mit übergehen. Unter dem Gesichtspunkt des Gläubigerschutzes sind rückerwerb-bare Aktien schuldrechtlich vereinbarten Optionsrechtensogar vorzuziehen, da die Gläubiger sich über damit ver-bundene „put options“ von Aktionären leicht durch einenBlick in die Satzung informieren können. Dem Argumentschließlich, mit rückerwerbbaren Aktien verbundene „putoptions“ zugunsten von Aktionären könnten dazu führen,dass in einer Krise des Unternehmens dringend benötigteliquide Mittel zur Unzeit abgezogen würden, ist entge-genzuhalten, dass Unternehmen ohne die Einräumung ei-ner solchen Ausstiegsmöglichkeit u. U. erst gar keine In-vestoren fänden.

2. Spartenaktien („tracking stock“)

Unter Spartenaktien versteht man Aktien, die von einer inverschiedene (Produkt-)Sparten gegliederten Aktienge-sellschaft ausgegeben werden und den Inhaber nicht an-teilig am Erfolg des gesamten Unternehmens, sondern nuram Erfolg einer bestimmten Teileinheit teilhaben lassen.Dabei kann sich das Gewinnbezugsrecht aus der Sparten-aktie entweder nach dem Ergebnis einer rechtlich un-

8 Zum Vorschlag, die Einziehung von Stückaktien künftig auch ohneKapitalherabsetzung zuzulassen, oben Rdz. 234.

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Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 107 – Drucksache 14/7515

selbstständigen Unternehmenssparte („divisional sha-res“) oder nach den Gewinnen bemessen, welche dieSpartenaktien emittierende Muttergesellschaft aus einerTochtergesellschaft bezieht („subsidiary shares“).

In den USA sind Tracking Stocks durchaus verbreitet; inFrankreich und Japan gibt es gleichfalls Unternehmen, dieSpartenaktien ausgegeben haben. In Deutschland sindderartige Aktien bisher nicht emittiert worden.

Das wissenschaftliche Schrifttum, das sich mit Sparten-aktien nach deutschem Recht beschäftigt, geht einhelligvon der Zulässigkeit und grundsätzlichen Gestaltbarkeitsolcher Aktien bereits nach geltendem Recht aus; die Ein-führung werde allerdings durch einzelne bestehende Re-gulierungen behindert. Alternative Gestaltungsformenwie Genussscheine oder stimmrechtslose Vorzugsaktienwiesen ihrerseits praktische spezifische Nachteile unddemzufolge eine eingeschränkte Verwendbarkeit auf, so-dass sich wünschenswerte Erleichterungen für Spartenak-tien nicht schon unter Hinweis auf diese alternativen Fi-nanzierungsformen erübrigten.

Die Regierungskommission hat sich in diesem Zusam-menhang nicht mit allen Vorschlägen zu Detailfragen be-fasst, sondern sich nach einer grundsätzlichen Erörterungvon denkbaren Vorzügen und Nachteilen (a) drei Proble-men zugewandt, die die Einführung von Spartenaktien imdeutschen Recht in besonderer Weise infrage zu stellenscheinen ((b) – (d)).

(a) Vorzüge und Nachteile von Spartenaktien

An Vorzügen von Spartenaktien werden insbesondere fol-gende angeführt:

– Für Tracking Stocks ließen sich u. U. deutlich höhereAusgabekurse als für normale Stammaktien erzielen,weil ihr Ausgabepreis nach den u. U. deutlich günsti-geren Kurs-Gewinn-Verhältnissen der betreffendenTeileinheit (bzw. vergleichbarer Aktiengesellschaften)festgelegt, und der bei Mehrspartenunternehmen übli-che Mehrspartenabschlag in der Regel vermiedenwerden könne.

– Durch Segmentierung des Anlageangebots könne dieInvestorennachfrage differenziert befriedigt werden(Substanzaktien versus Wachstumswerte; Old Eco-nomy versus New Economy etc.). Erfahrungsgemäßgeneriere Angebotssegmentierung eine höhere Ge-samtnachfrage; dadurch sei eine Wertsteigerung desGesamtunternehmens bzw. -konzerns möglich. DurchAusdifferenzierung von Dividendentiteln und Wachs-tumswerten, die sich an Anleger mit unterschiedli-chem Risikoprofil wendeten, lasse sich eine Verwäs-serung der Dividendenfähigkeit der Aktien desStammunternehmens durch wachstumsaktive Spartenin gewissem Umfang vermeiden.

– Tracking Stocks eigneten sich besonders als Akquisi-tionswährung, da potenzielle Sacheinleger direkter amBeitrag ihrer Sacheinlage zu Ergebnis oder Wachstumbeteiligt würden, als dies bei einem Mehrspartenun-

ternehmen der Fall sei. Verkäufer eines Unternehmensbestünden häufig darauf, dass sie im Austausch spar-tenspezifische Aktien erhielten. Tracking Stocks derbetreffenden Sparte seien u. U. attraktiver als Aktiendes Stammunternehmens.

– Optionen auf Geschäftsbereichsaktien eigneten sich in besonderer Weise als Anreizinstrumente fürFührungskräfte, die für die betreffenden TeileinheitenVerantwortung trügen. Sie könnten sowohl in der be-treffenden Einheit als auch im Stammunternehmen(dort unter Umständen in unterschiedlichen Mi-schungsverhältnissen mit Aktienoptionen auf Aktiendes Stammunternehmens) verwendet werden.

– Das Potenzial von Tracking Stocks sei am Kapital-markt u. U. leichter analysierbar und besser vermittel-bar als das der herkömmlichen Stammaktie derMehrspartenmutter (Abbau von Fehlpreisungen amAktienmarkt). Tracking Stocks könnten am Kapital-markt als besonders attraktiv wahrgenommen werden.

An Nachteilen von Geschäftsbereichsaktien werden ins-besondere folgende angeführt:

– Die Einführung von Spartenaktien baue Konflikt-potenzial zwischen den Inhabern herkömmlicherStammaktien und denen von Tracking Stocks auf, z. B.wenn es – wie erwartet – zu unterschiedlichen Divi-dendenausschüttungen komme oder spartenbezogeneEntscheidungen anstünden.

– Auch bei einem Geschäftsbereich/Betriebsteil als Teil-einheit seien ein geschlossener Buchungskreis undeine separate Ergebnisrechnung erforderlich. Diesführe zu internem Mehraufwand.

– Es sei eine Selbstbeschränkung auf der Führungs-ebene des Gesamtunternehmens hinsichtlich der be-treffenden Sparte erforderlich; insbesondere sei dasVerbot der Quersubventionierung zu beachten.

– Inhaber von Tracking Stocks nähmen nicht unmittel-bar an Wertsteigerungen der betreffenden Teileinheitteil; eine Substanzverknüpfung mit der getrackten Teil-einheit stoße nach geltendem Recht auf recht engeGrenzen.

(b) Variables Stimmrecht

Vorgeschlagen wird in diesem Zusammenhang zunächst,die Einführung eines variablen Stimmrechts zu prüfen.

In den USA werde bei Emission von Tracking Stock häu-fig ein variables Stimmrecht („floating vote“) vorgesehen.Das Stimmrecht richte sich nicht nach einem fixen Akti-ennennbetrag bzw. bei Stückaktien nach der Zahl der Aktien (vgl. § 134 Abs. 1 S. 1 AktG), sondern nach demVerhältnis der Börsenkurse der jeweiligen Geschäftsbe-reichsaktien zueinander, das auf einen bestimmten Stich-tag festgestellt werde. Andernfalls notierten am Marktzwei Aktiengattungen mit gleichem Stimmrecht zu unter-schiedlichen Kursen. Im Extremfall könne dies dazuführen, dass durch Aufkauf der niedrig bewerteten Akti-

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Drucksache 14/7515 – 108 – Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode

engattung in einer Übernahmesituation die Kontrolle er-worben werde.

Die Regierungskommission ist der Auffassung, dass vonder Einführung eines „floating vote“ im deutschen Recht abgesehen werden sollte. Für die Attraktivität der Geschäftsbereichsaktie dürfte ein variables Stimmrechteher von untergeordneter Bedeutung sein. Die Gefahr,dass sich im Laufe der Zeit das Wertverhältnis zwischenden verschiedenen Aktiengattungen bei nach wie vor glei-chem Stimmrecht erheblich verschieben könnte, und sodann Aufkäufer durch den Erwerb allein der niedrig be-werteten Aktiengattung die Kontrolle über die ertragrei-che Sparte des betreffenden Unternehmens erlangenkönnten, erscheint in Deutschland anders als namentlichin den USA als weniger bedrängend, da das künftigeÜbernahmegesetz nach Erwerb der Kontrollmehrheit dieAbgabe eines Pflichtangebotes vorschreiben wird.

(c) Einschränkung des Sonderbeschluss-erfordernisses

Die Attraktivität von Geschäftsbereichsaktien, bei denenes sich jeweils um eine eigene Aktiengattung handelt (§ 11 AktG), wird nicht unwesentlich beeinträchtigt durchdie zahlreichen nach geltendem Recht bestehenden Son-derbeschlusserfordernisse zugunsten der Aktionäre vonGattungen. Neben der allgemeinen Regel des § 179 Abs. 3 AktG, wonach ein Beschluss, durch den das bishe-rige Verhältnis mehrerer Gattungen von Aktien zumNachteil einer Gattung geändert werden soll, zu seinerWirksamkeit der Zustimmung der benachteiligten Ak-tionäre bedarf, sieht das Aktiengesetz zahlreiche spezielleZustimmungserfordernisse bei Kapital- und Strukturän-derungen vor (z. B. in § 182 Abs. 2 AktG), wobei in die-sen Fällen anders als nach § 179 Abs. 3 AktG das Erfor-dernis des Sonderbeschlusses nicht davon abhängt, ob dieMaßnahme die betreffende Gattung (nachteilig) berührt.

Keine Zustimmung fand in diesem Zusammenhang derVorschlag, in § 138 AktG eine Regelung einzuführen, wo-nach das Erfordernis von Sonderbeschlüssen generelloder in einzelnen Fällen durch die Satzung ausgeschlos-sen werden können sollte, sofern dies – analog § 237 Abs. 1 AktG – vor Ausgabe der entsprechenden Aktiengeschehe. In diesem Fall könne, so der Einwand, die Sat-zung neben den speziellen Sonderbeschlusserfordernis-sen auch Sonderbeschlusserfordernisse nach § 179 Abs. 3AktG wegen Benachteiligung einer Aktiengattung aus-schließen, was bedenklich erscheine.

Die Regierungskommission befürwortet demgegenüber,die Sonderbeschlusserfordernisse gemäß §§ 182 Abs. 2,193 Abs. 1 S. 3, 202 Abs. 2 S. 4, 221 Abs. 1 S. 4, 222 Abs. 2, 229 Abs. 3, 237 Abs. 2 S. 1 AktG sowie die ent-sprechenden Vorschriften des UmwG zu beseitigen undklarzustellen, dass § 179 Abs. 3 AktG gilt.

Unabhängig von der Thematik der Geschäftsbereichsak-tie ist kein Grund ersichtlich, weshalb bei Vorhandenseinmehrerer Gattungen von Aktien den Aktionären jederGattung durch das Sonderbeschlusserfordernis ein Veto-recht eingeräumt werden sollte, wenn sie von der zur Be-

schlussfassung stehenden Maßnahme nicht (nachteilig)berührt sind.

(d) Umtausch/Umwandlung in Stammaktien

Ein entscheidender Gesichtspunkt bei Einführung vonSpartenaktien dürfte sein, dass diese Struktur auch – unter Wahrung der berechtigten Interessen der Investo-ren – rückgängig gemacht werden können muss, wenn dieVoraussetzungen hierfür entfallen sind. Rechtstechnischkommen insofern mehrere Gestaltungsmöglichkeiten in Be-tracht, die an dieser Stelle nicht im Detail zu erörtern sind.

Die Regierungskommission empfiehlt, im Aktiengesetzgeeignete Vorkehrungen zu treffen, damit eine Rück-gabe von Spartenaktien oder ihre Umwandlung inStammaktien auf Verlangen der Gesellschaft oder derSpartenaktionäre in möglichst flexibler Weise durchge-führt werden kann.

3. „Triangular Mergers“

Die Regierungskommission hat sodann über den Vor-schlag beraten, „triangular mergers“ nach US-amerikani-schem Vorbild einzuführen. Dabei handelt es sich um einein zwei verschiedenen Varianten vorkommende Form derÜbernahme einer Zielgesellschaft durch deren Verschmel-zung mit einer Tochter der Erwerbsgesellschaft, die nachgeltendem deutschen Recht nicht gestaltbar ist. Um dies zuändern, bedürfte es insbesondere einer Änderung des Um-wandlungsgesetzes. Ob diese Gestaltungsformen einge-führt werden sollten, mag im Rahmen einer Überarbeitungdes Umwandlungsgesetzes geprüft werden.

4. „Scheme of Arrangement“

Des Weiteren hat sich die Regierungskommission mitdem Vorschlag befasst, das „Scheme of Arrangement“des englischen Gesellschaftsrechts zwecks Übernahmezu prüfen. Nach englischem Recht wird eine mit einerMehrheit von mindestens drei Vierteln gefasste Restruk-turierungsentscheidung für alle Aktionäre unanfechtbarverbindlich, wenn das zuständige Gericht sie gebilligthat. Diese „Schemes of Arrangement“ decken eine Reihesehr verschiedenartiger Gestaltungen ab, wie z. B. Nach-verhandlungen von Anleihebedingungen zwischen Ge-sellschaft und Gläubigern, die Neuordnung der Eigenka-pitalseite durch Zusammenlegung oder Spaltung vonAktien, Einziehung und Beseitigung von Aktien, aberauch Transaktionen zwischen zwei oder mehreren Ge-sellschaften, z. B. Vermögensübertragungen und anderesmehr.

Eine Empfehlung, die Übernahme dieses außerordentlichflexiblen und in der Praxis offenbar beliebten Instrumentsin das deutsche Recht zu erwägen, scheidet nicht nur we-gen der Überschneidung mit bereits vorhandenen Gestal-tungsmöglichkeiten des deutschen Rechts aus, sondernvor allem auch deshalb, weil es, soweit ersichtlich, in derdeutschen wissenschaftlichen Literatur bislang weder inseinen Voraussetzungen, Funktionsweisen und Defiziten

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Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 109 – Drucksache 14/7515

Fünftes Kapitel: Informationstechnologie und Publizität

I. Informationstechnologie und Aktienrecht

1. Allgemeines

Die moderne Informationstechnologie verändert Informa-tion und Kommunikation in noch nicht abzusehendemAusmaß. Ihr Einsatz ist für die Unterstützung von Unter-nehmensleitung und -kontrolle und von interner und externer Unternehmenspublizität heute ebenso un-entbehrlich wie für die Kommunikation zwischen Ge-sellschaft und Aktionär oder für die Organisation vonHauptversammlungen. Dem muss der rechtliche Regulie-rungsrahmen Rechnung tragen. Da der Einsatz dieserTechnologien geradezu dramatische Effizienzvorteileverspricht, sollte er in dem hier betrachteten Bereich desGesellschafts- und Kapitalmarktrechts nach Kräften ge-fördert, und die weitere Entwicklung so wenig wie mög-lich behindert werden.

Vor allem das Gesetz zur Namensaktie und zur Erleichte-rung der Stimmrechtsausübung (NaStraG) hat insoweit,insbesondere für die Kommunikation zwischen Gesell-schaft und Aktionär und für den Informations- und Entscheidungsprozess vor und während der Hauptver-sammlung, wichtige Grundlagen gelegt, auf denen dieRegierungskommission mit ihren Empfehlungen weiter-bauen kann. Nicht in ihre Empfehlungen aufgenommenhat die Regierungskommission die bereits im Entwurf desGesetzes zur Anpassung der Formvorschriften des Pri-vatrechts enthaltenen Änderungen, die auch einzelne ak-tienrechtliche Bestimmungen betreffen. Es ist davon aus-zugehen, dass dieser Teil des Gesetzentwurfs vom derzeitstattfindenden parlamentarischen Vermittlungsverfahrennicht betroffen sein wird.

2. Überblick über die Vorschläge des Kommissionsberichts

Das Thema „Informationstechnologie und Aktienrecht“ist ein Querschnittsthema, das sämtliche Bereicheberührt, die Gegenstand dieses Berichts sind, von derKommunikation innerhalb und zwischen den Leitungsor-ganen bis hin zur handelsrechtlichen Rechnungslegung.Die Empfehlungen, die die Regierungskommission inso-weit ausspricht, sind im jeweiligen Sachzusammenhang,

also z. B. bei Erörterung der Rechte und Pflichten desAufsichtsrats (oben 2. Kapitel), behandelt und eingehendbegründet. An dieser Stelle geht es deshalb nur darum, dieüber den gesamten Kommissionsbericht verstreuten Emp-fehlungen, aber auch ablehnende Stellungnahmen, soweitsie unter dem Aspekt des Einsatzes moderner Informati-ons- und Kommunikationstechnologien von Interessesind, zusammenzustellen.

(a) Vorstand und Aufsichtsrat

Die Vorstandsberichte gemäß § 90 Abs. 1 und Abs. 3 AktGsollten künftig in der Regel schriftlich erstellt werden1.Damit ist aber nicht Festlegung in Schriftform gemeint,sondern dies soll nur sicherstellen, dass die Aufsichtsrats-mitglieder sich anhand der Berichte auf die Aufsichtsrats-sitzung vorbereiten können, und der Abschlussprüfer aufdie Dokumente zugreifen kann2. Eine elektronische Versendung in verschlüsselter Form und elektronischeAufbewahrung genügen dem. Entsprechendes gilt für Be-schlussvorlagen, die den Aufsichtsratsmitgliedern zuzu-leiten sind 3.

Des Weiteren regt die Regierungskommission an, dass inallen Fällen, in denen derzeit die „Aushändigung“ vonDokumenten an Aufsichtsratsmitglieder gesetzlich vorge-schrieben ist, z. B. gemäß §§ 90 Abs. 5, 170 Abs. 3 und314 Abs. 1 AktG, der Begriff der „Aushändigung“ durchden Begriff der „Übermittlung“ ersetzt werden sollte4.

Nach § 110 Abs. 3 AktG muss der Aufsichtsrat bei bör-sennotierten Gesellschaften zweimal im Kalenderhalb-jahr „zusammentreten“; damit ist physische Anwesenheitgemeint. Die Regierungskommission schlägt vor, dassphysische Anwesenheit künftig in begründeten Ausnah-mefällen nicht mehr erforderlich sein sollte; Telefon- oder Videokonferenzen bzw. -zuschaltungen sollten insolchen Fällen die Präsenzpflicht ersetzen können5. Die

1 Oben Rdz. 25.2 Rdz. 26.3 Rdz. 28.4 Rdz. 32.5 Rdz. 57.

analysiert noch den einschlägigen deutschen Institutionengegenübergestellt worden ist.

5. Liquidationsspaltung

Gleichfalls lehnt die Regierungskommission die Über-nahme des Instruments der Liquidationsspaltung nach österreichischem Recht ab, deren Übernahme ineiner bei ihr eingegangenen Stellungnahme empfohlen

wurde. Der handelsrechtliche Gehalt dieses Instruments(§§ 38 a ff. des Umgründungssteuergesetzes), eine Auflösung und Abwicklung einer Aktiengesellschaft,ist auch nach deutschem Recht gestaltbar. Die Beson-derheit liegt in einem steuerlichen Aspekt, nämlich dass eine Aufdeckung und Versteuerung stiller Reser-ven unterbleibt. Hierzu eine Empfehlung auszuspre-chen liegt jenseits des Auftrages der Regierungskom-mission.

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Drucksache 14/7515 – 110 – Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode

Satzung einer Gesellschaft sollte künftig auch vorsehenkönnen, dass Aufsichtsratsmitglieder in begründeten Ausnahmefällen auf telekommunikativem Wege an derHauptversammlung teilnehmen, also im Wege der Bild-und Tonübertragung zugeschaltet werden können6.

(b) Aktionär und Gesellschaft

Die Regierungskommission empfiehlt nicht, über das fürdie Namensaktie vorgesehene elektronische Register hi-naus bereits heute auf dem Wege der „Dematerialisie-rung“ des Wertpapiers Aktie fortzuschreiten und auf jedeurkundliche Verbriefung, auch eine Globalurkunde, zuverzichten, also statt des Wertpapiers Aktie eine aus-schließlich elektronische Aktie einzuführen7.

Die Kommunikation zwischen den Aktionären in Fällen,in denen das Gesetz für das Geltendmachen von Ak-tionärsrechten einen bestimmten Mindestbesitz oder eineMindeststimmrechtsquote fordert, sollte erleichtert wer-den. Als Medium hierfür bietet sich die Internetseite derGesellschaft an8.

Die Aktionäre und Anleger müssen bei der Erteilung rele-vanter, gesellschaftsbezogener Informationen gleich-behandelt werden. Deshalb wird angeregt, in den Corpo-rate Governance-Kodex folgende Regel aufzunehmen:„Die Aktionäre erhalten Zugang zu sämtlichen Informa-tionen, die Finanzanalysten und vergleichbaren Adressa-ten mitgeteilt worden sind. Zur zeitnahen und gleich-mäßigen Information der Aktionäre und Anleger nutzt dasUnternehmen auch die Kommunikationsmedien wie etwadas Internet“9.

(c) Einberufung und Abwicklung der Hauptversammlung

Die Einberufung der Hauptversammlung sollte im Bun-desanzeiger künftig, statt sie dort in schriftlicher Form„einzurücken“ (§ 121 Abs. 3 S. 1 i. V. m. § 25 S. 1 AktG),in einer elektronischen Version des Bundesanzeigers ver-öffentlicht werden können10.

Nicht die Zustimmung der Regierungskommission hat je-doch der Vorschlag gefunden, eine Veröffentlichung derEinberufung ausschließlich über die Website/Homepageder Gesellschaft zuzulassen11. Der Kommission zur Ent-wicklung des Corporate Governance-Kodex für börsen-notierte Gesellschaften wird aber empfohlen, dort festzu-legen, dass die Hauptversammlungstermine außer aufdem in § 121 Abs. 3 und 4 AktG vorgesehenen Weg auchin anderer Weise, z. B. durch einen Finanzkalender, an-gekündigt und auf der Website der Gesellschaft publiziert

werden sollten12. Der Kodex sollte ferner vorsehen, dassdie Gesellschaft allen (insbesondere auch: ausländischen)Finanzdienstleistern und Aktionären, die dies vor nichtlängerer Frist als einem Jahr verlangt haben, die Einberu-fung der Hauptversammlung mitsamt den Einberufungs-unterlagen – auf deren Verlangen auf elektronischemWege – mitteilt13. Die Regierungskommission verwirftdamit zugleich den Vorschlag, auf die Zusendung der Ein-berufungsunterlagen (Einberufungsmitteilung, Tagesord-nung usw.; vgl. § 125 Abs. 1 AktG) zumindest in den Fäl-len des § 125 Abs. 2 AktG (Übersendung an einzelneAktionäre) dann zu verzichten, wenn diese Unterlagen aufder Website der Gesellschaft bekannt gemacht sind14.

Die Regierungskommission schlägt vor, die Informatio-nen deutscher Anleger über an deutschen Börsen gelisteteausländische Unternehmen zu verbessern. Nach Einrich-tung des einheitlichen elektronischen Zugangsportals(„Deutsches Unternehmensregister“) sollte die bisher (fürdie Einberufung) vorgesehene Zeitungspublizität durcheine elektronische Publizität ersetzt werden. Die auslän-dischen, im Inland gelisteten Emittenten sollten ver-pflichtet werden, der Börse bzw. dem Bundesanzeiger diefür die Aktionärskommunikation erforderlichen Daten inelektronischer Form zu Verfügung zu stellen15.

Nach § 128 Abs. 1 AktG hat ein Kreditinstitut die Einbe-rufung und sonstigen Mitteilungen betreffend die Haupt-versammlung unverzüglich an die Aktionäre weiterzuge-ben. Dies lässt auch Weiterleitung in elektronischer Formzu, geschieht aber in der Praxis bisher in der Regel nicht.Die Regierungskommission hat sich dafür entschieden,insoweit keine Empfehlung auszusprechen. Initiativenüberlässt sie insoweit den Emittenten und dem DeutschenAktieninstitut16.

Will ein Aktionär in der Hauptversammlung einen Gegen-antrag stellen, so braucht diese Ankündigung und die Stel-lungnahme der Verwaltung hierzu nach dem Vorschlagder Regierungskommission künftig nicht mehr von derGesellschaft nach § 125 AktG mitgeteilt zu werden, son-dern sie muss ihn lediglich in allgemein zugänglicherForm veröffentlichen, etwa auf ihrer Internetseite17.

Vielfach hat die Verwaltung im Vorfeld einer Hauptver-sammlung Unterlagen und Berichte zu einzelnen Tages-ordnungspunkten zu veröffentlichen und auszulegen, z. B.den Jahresabschluss oder Vorstandsberichte bei Umstruk-turierungsvorgängen, welche der Zustimmung der Haupt-versammlung bedürfen. Die Regierungskommissionschließt sich nicht dem Vorschlag an, dass der Vorstanddiese Pflichten dadurch erfüllen können sollte, dass dieseUnterlagen und Berichte nur mehr auf elektronischemWege publiziert und zur Verfügung gestellt werden18.

6 Rdz. 125.7 Rdz. 194.8 Rdz. 131.9 Rdz. 143.10 Rdz. 83.11 Rdz. 84.

12 Rdz. 84.13 Rdz. 86.14 Rdz. 93, 94.15 Rdz. 88.16 Rdz. 95.17 Rdz. 102.18 Rdz. 96.

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Eine freiwillige Publikation auf der Website der Gesell-schaft ist freilich unbenommen und sollte als gute Unter-nehmenspraxis im Corporate Governance-Kodex emp-fohlen werden19.

Eine Änderung der gesetzlichen Vorschriften, wonach derAktionär von bestimmten Unterlagen und Berichten eine„Abschrift“ verlangen kann, dahin, dass er stattdessen eineelektronische Übermittlung fordern kann, ist nach Auffas-sung der Regierungskommission nicht erforderlich20.

Die Regierungskommission sieht von einer Empfehlungzu der Frage ab, wie sichergestellt werden kann, dass sichnicht Unbefugte zur Hauptversammlung per E-Mail an-melden können. Insoweit entsprechende Vorkehrungenvorzusehen, ist Aufgabe der Gesellschaften selbst, einerRegulierung bedarf es nicht21. – Die Regierungskommis-sion spricht sich dafür aus, die Hinterlegung von Aktienals Teilnahmevoraussetzung oder Voraussetzung einerStimmabgabe zu streichen. Stattdessen sollte die Satzungvorsehen können, dass Aktionäre ihre Inhaberschaft z. B.durch gesicherte elektronische Übermittlung einer durcheine in der Satzung bestimmte Stelle erteilten Bescheini-gung nachweisen können22.

Der Corporate Governance-Kodex für börsennotierte Ge-sellschaften sollte, wenn die Verwaltung einer Gesell-schaft Stimmrechtsvertreter benennt, eine Pflicht der Ge-sellschaft vorsehen, auf ihrer Internetseite entwederelektronische Verknüpfungen (links) zu denjenigenStimmrechtsvertretern anzubringen, die auf der letztenHauptversammlung Stimmrechte für Aktionäre ausgeübthaben, oder, alternativ, deren Stimmrechtsvorschläge un-mittelbar in das eigene Bildschirmformular (bzw. schrift-liche Weisungsformular) zu integrieren23.

Die Regierungskommission schlägt vor, das weit gehendeAuskunftsrecht der Aktionäre gemäß § 131 AktG in ver-schiedener Hinsicht funktionsgerechter auszugestalten.So sollte der Vorstand eine neuerliche Information in derHauptversammlung auch dann verweigern können, wennsie bis zum Ende der Hauptversammlung auf der Websiteder Gesellschaft abrufbar ist und zugleich in der Haupt-versammlung schriftlich ausliegt24. Dies soll insbeson-dere ermöglichen, auf vorab veröffentlichtes Zahlenmate-rial zu einzelnen Tagesordnungspunkten zu verweisen,und in der Hauptversammlung zu erwartende (Standard-)Fragen vorab selbst zu formulieren und zu beantworten(„frequently asked questions“).

Was die Veranstaltung und Abwicklung der Hauptver-sammlung selbst betrifft, so schlägt die Regierungskom-mission vor, die telekommunikative Übertragung von Re-debeiträgen in der Hauptversammlung mit Abbildung des

Redners auch ohne das Einverständnis des betreffendenAktionärs zu gestatten, wenn die Satzung dies vorsieht25.

Das Abhalten einer Präsenzhauptversammlung an ver-schiedenen Versammlungsorten mit getrennten Abstim-mungsvorgängen usw. („Parallelversammlung“) emp-fiehlt sich nicht26. „Satellitenversammlungen“ dagegen,bei denen der Versammlungsleiter und der Notar sich amZentralort der Hauptversammlung aufhalten, und das Ge-schehen von anderen Orten aus durch Ton- und Bildüber-tragung verfolgt, und von dort aus auch abgestimmt wer-den kann, sollten künftig möglich sein27. Dies ist nur eineKonsequenz aus der Empfehlung der Regierungskommis-sion, dass die Satzung der Gesellschaft vorsehen könnensollte, dass die Aktionäre künftig unmittelbar an derHauptversammlung auch ohne Präsenz an deren Ort undohne Zwischenschaltung eines Vertreters teilnehmen undsämtliche oder einzelne Rechte im Wege elektronischerKommunikation ausüben können sollten28. Universalver-sammlungen, in denen alle Aktionäre einer Gesellschafterschienen sind, sollten künftig sogar als reine Internet-Hauptversammlungen (im „Cyberspace“) möglich sein,sofern dort keine beurkundungsbedürftigen Beschlüssegefasst werden29.

(d) Externe Publizität

Die Regierungskommission schlägt der Bundesregierungvor, für ein einheitliches Zugangsportal („Deutsches Un-ternehmensregister“) zu sorgen, das dem Geschäftsver-kehr und den Kapitalmarktteilnehmern den Zugang zu denamtlichen, zu Publizitätszwecken angelegten Unterneh-mensdateien (Handelsregister; einschlägige Bundesanzei-gerbekanntmachungen; Beteiligungsdatenbank des Bun-desaufsichtsamtes für den Wertpapierhandel) eröffnet30. –Eine Online-Abfrage beim Handelsregister eröffnet demNutzer nach geltendem Recht lediglich Zugriff auf die Eintragungen in das Handelsregister, nicht aber auf diezum Handelsregister eingereichten Schriftstücke. Die Regierungskommission empfiehlt, eine Online-Abfrageauch hinsichtlich der zum Handelsregister eingereichtenSchriftstücke zu ermöglichen31. Die in den §§ 10, 11 HGBfür Handelsregisterveröffentlichungen vorgesehene Beschränkung auf Printmedien ist aufzugeben32. Die Re-gierungskommission empfiehlt ferner, dass die Bekannt-machung der Eintragungen in das Handelsregister durchden Bundesanzeiger (§ 10 Abs. 1 HGB) künftig aus-schließlich in elektronischer Form erfolgen sollten33.Klargestellt werden sollte, dass die Gesellschaften die

19 Rdz. 97.20 Rdz. 96.21 Rdz. 103.22 Rdz. 104.23 Rdz. 123.24 Rdz. 105.

25 Rdz. 109.26 Rdz. 110.27 Rdz. 110.28 Rdz. 115 ff.29 Rdz.111.30 Rdz. 252.31 Rdz. 253.32 Rdz. 253.33 Rdz. 254.

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Drucksache 14/7515 – 112 – Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode

nach § 325 Abs. 1 HGB einzureichenden Dokumente(Jahresabschluss usw.) dem Registergericht in Papierformoder in für das Registergericht lesbarer elektronischerForm übermitteln können34. Große Kapitalgesellschafteni. S. d. § 267 Abs. 3 HGB haben den Jahresabschluss, denLagebericht, den Bericht des Aufsichtsrats und den Be-stätigungsvermerk im Bundesanzeiger „bekannt zu ma-chen“ und die Bekanntmachung mit den genannten Unterlagen zum Handelsregister „einzureichen“. Entspre-chendes gilt nach § 325 Abs. 3 HGB für den Konzernab-schluss. Die Bekanntmachung im Bundesanzeiger solltekünftig ausschließlich in elektronischer Form erfolgen35.Zusätzlich sollte in § 325 HGB vorgesehen werden, dassder Bundesanzeiger dem Registergericht die Bekanntma-chung in Papierform oder in für das Registergericht les-barer Form mit den beigefügten bekannt gemachten Do-kumenten übermittelt36. Schließlich sollte der Zugang zur„Stimmrechtsdatenbank“ des Bundesaufsichtsamtes fürden Wertpapierhandel vom Internetportal „Deutsches Un-ternehmensregister“ aus ermöglicht werden37.

Nach dem Vorschlag der Regierungskommission müssenkünftig alle börsennotierten Gesellschaften i. S. d. § 3 Abs. 2 AktG Zwischenberichte aufstellen. Diese Zwi-schenberichte sollten in elektronischer Form übermitteltund veröffentlicht werden sowie schnell und zentral ab-rufbar sein, was durch elektronische Verknüpfung einerentsprechenden zentralen Datenbank mit dem künftigeneinheitlichen Zugangsportal („Deutsches Unternehmens-register“) sichergestellt werden sollte38.

II. Verbesserung der Unternehmenspublizität

1. Allgemeines

Publizität ist Korrelat der Marktteilnahme. Je nach dem inAnspruch genommenen Markt sind, entsprechend dessenBesonderheiten, die Anforderungen an die Publizität derUnternehmen verschieden. Da Publizität in diesem weitenSinne auch die Informationen der Verwaltung gegenüberden Eigenkapitalgebern umfasst, gehört sie zu den Instru-menten der Unternehmensleitung und Unternehmenskon-trolle und ist deshalb auch Gegenstand der Beratungen derRegierungskommission gewesen. Wegen dieses Zusam-menhangs finden sich zahlreiche Empfehlungen der Re-gierungskommission zur Verbesserung der Unterneh-menspublizität auch in den vorangehenden Kapiteln desvorliegenden Berichts. Auch das Sechste Kapitel („Rech-nungslegung und Prüfung“) befasst sich maßgeblich mitder Unternehmenspublizität. Die dort entwickelten Emp-

fehlungen sollen hier aber nicht wiederholt werden. Imvorliegenden Abschnitt befasst sich der Kommissionsbe-richt vielmehr zum einen mit Vorschlägen, die ihr zu denMedien der Publizität (Handelsregisterpublizität; Bundes-anzeigerpublizität; sonstige Medien) unterbreitet wordensind, soweit sich der Auftrag der Regierungskommissionhierauf erstreckt (unten 2.). Zum anderen enthält der vor-liegende Abschnitt mehrere Vorschläge zur inhaltlichenVerbesserung der Unternehmenspublizität in kritischenEinzelpunkten (unten 3. bis 6.).

2. „Deutsches Unternehmensregister“; Publizitätsmedien

(a) „Deutsches Unternehmensregister“

Die amtliche Unternehmenspublizität in Deutschland istauf verschiedene Medien aufgeteilt (Handelsregister;Bundesanzeiger; sonstige Gesellschaftsblätter; Beteili-gungsdatenbank des Bundesaufsichtsamtes für den Wert-papierhandel; Sammlung der Ad-hoc-Mitteilungen sowieArchivierung der Zwischenberichte bei den Börsen).Ferner ist sie weithin noch dem Medium schriftlicher Do-kumentation verhaftet. Als Folge beider Umstände sinddie publizitätspflichtigen Daten vergleichsweise (und inje unterschiedlichem Maße) schwer zugänglich. Für diepublizitätspflichtigen Unternehmen wie für die Nutzerbedeutet dies Belastung mit vermeidbaren, erheblichenKosten, Informationserschwernis und Intransparenz. Diemit den Publizitätsvorschriften verfolgten Ziele werdenso in erheblichem Maße verfehlt. Ausländische Rechts-ordnungen halten hier zum Teil sehr viel fortschrittli-chere, kostengünstigere und benutzerfreundlichere Sys-teme vor.

Die Mängel des deutschen amtlichen Systems der Unter-nehmenspublizität sind allerdings nur teilweise einer an-passungsbedürftigen Regulierung zuzuschreiben. So las-sen etwa die §§ 8a, 9a HGB durchaus die Führung derHandelsregister in elektronischer Form und einen exter-nen Abruf der Registerdaten zu. Die mit erheblichem Auf-wand verbundene Erfassung der alten Datenbestände derHandelsregister schreitet aber bisher nur langsam voran.Die Regierungskommission sieht in diesem Punkt, auchim Hinblick auf den von der Bundesregierung vorgeleg-ten Entwurf eines Gesetzes über elektronische Registerund Justizkosten für Telekommunikation – ERJuKoG –,der weitere Verbesserungen für automatisierte Abrufver-fahren vorsieht, von Empfehlungen ab.

Die Regierungskommission hält es allerdings für unerläss-lich und dringlich, zeitgleich mit der elektronischen Er-fassung der Unternehmensdaten für die Benutzer eineneinheitlichen Zugang hierzu zu schaffen. Es genügt nicht,die einzelne Handelsregisterdatei für den elektronischenAbruf zu öffnen; auch das Zusammenlegen mehrererHandelsregisterbezirke oder die elektronische Verknüp-fung mehrerer Handelsregisterdateien reicht nicht aus.Vielmehr müssen die in den Handelsregistern gespeicher-ten Daten von einem einzigen Portal aus zugänglich sein,und dieses Portal („Deutsches Unternehmensregister“)muss auch Verknüpfungen mit den weiteren amtlichen, zuPublizitätszwecken angelegten Unternehmensdateien

34 Rdz. 253.35 Vgl. Europäisches Parlament, Generaldirektion Wissenschaft: Die

Grenzgänger in der Europäischen Union, 05/1997.36 Dabei handelt es sich zum einen um eine Arbeitsgenehmigungsver-

ordnung (IT-ArGV), zum anderen um eine Verordnung über Aufent-haltserlaubnisse für hochqualifizierte ausländische Fachkräfte derInformations- und Kommunikationstechnologie (IT-AV).

37 Rdz. 254.38 Rdz. 253.

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Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 113 – Drucksache 14/7515

(einschlägige Bundesanzeigerbekanntmachungen; Betei-ligungsdatenbank des BAWe) vorsehen. Dies setzt vo-raus, dass diese Dateien jedenfalls auch in elektronischerForm vorliegen. Die Vorschläge der Regierungskommis-sion zu den einzelnen Publikationsmedien und Datenban-ken, die unten folgen, verstehen sich vor dem Hintergrunddieser Empfehlung, einen einheitlichen, zentralen, elek-tronischen Zugang zu ermöglichen.

Die Regierungskommission schlägt der Bundesregie-rung vor, für ein einheitliches Zugangsportal („Deut-sches Unternehmensregister“) zu sorgen, das dem Ge-schäftsverkehr und den Kapitalmarktteilnehmern denZugang zu den amtlichen, zu Publizitätszwecken ange-legten Unternehmensdateien (Handelsregister; ein-schlägige Bundesanzeigerbekanntmachungen; Beteili-gungsdatenbank des Bundesaufsichtsamtes für denWertpapierhandel) eröffnet.

Dieser Zugang kann technisch in verschiedener Weise be-reitgestellt werden. So könnte eine zentrale Datenbank,z. B. beim Bundesanzeiger, angelegt, oder es könnte an einPortal mit elektronischen Verknüpfungen (links) zu dendezentral vorgehaltenen Dateien gedacht werden. Hierzuspricht die Regierungskommission keine Empfehlung aus.

(b) Handelsregisterpublizität

Eine Online-Abfrage beim Handelsregister eröffnet demNutzer nach geltendem Recht (vgl. § 9a Abs. 1 HGB) le-diglich Zugriff auf die Eintragungen in das Handelsregi-ster, also auf das Registerblatt, nicht aber auch auf die zumHandelsregister eingereichten Schriftstücke wie z. B. Sat-zungen oder Unternehmensverträge. Diese Beschränkungist unter Publizitätsgesichtspunkten nicht gerechtfertigt –insbesondere können datenschutzrechtliche Gründe hier-für nicht angeführt werden – und stellt eine erhebliche Be-einträchtigung und Entwertung der elektronischen Ab-frage dar.

Die Regierungskommission empfiehlt, eine Online-Ab-frage auch hinsichtlich der zum Handelsregister einge-reichten Schriftstücke, auf die sich das Einsichtsrechtgemäß § 9 Abs. 2 HGB erstreckt, zu ermöglichen.

Nach § 11 Abs. 1 HGB hat das Registergericht „jährlichim Dezember die Blätter zu bezeichnen, in denen (nebendem Bundesanzeiger) während des nächsten Jahres die in§ 10 vorgesehenen Veröffentlichungen erfolgen sollen“.Nach Auffassung der Regierungskommission sollte dieBeschränkung auf Printmedien („Blätter“) aufgegebenund stattdessen von allgemein zugänglichen Medien ge-sprochen werden, die für einen ausreichenden Zeitraumdie Information abrufbar vorhalten. Damit bliebe es inso-weit der Entscheidung des zuständigen Richters überlas-sen, ob er die Veröffentlichung in elektronischer Formund/oder in Papierform vorschreiben würde. Namentlichin ländlichen Regionen mag durchaus auch zukünftig einBedürfnis für eine Bekanntmachung in regional verbrei-teten Printmedien bestehen.

Die Regierungskommission empfiehlt, die in den §§ 10,11 HGB für Handelsregister- veröffentlichungen vorge-sehene Beschränkung auf Printmedien aufzugeben.

Nach § 325 Abs.1 HGB sind der Jahresabschluss, der La-gebericht, der Bericht des Aufsichtsrats und der Bestäti-gungsvermerk zum Handelsregister „einzureichen“.

Die Regierungskommission empfiehlt klarzustellen,dass die Gesellschaften die nach § 325 Abs. 1 HGB ein-zureichenden Dokumente dem Registergericht in Pa-pierform oder in für das Registergericht lesbarer elek-tronischer Form übermitteln können.§ 325 Abs. 2 HGB sieht vor, dass große Kapitalgesellschaf-ten i. S. d. § 267 Abs. 3 HGB den Jahresabschluss, den La-gebericht, den Bericht des Aufsichtsrates und den Bestäti-gungsvermerk im Bundesanzeiger bekannt zu machenhaben und die Bekanntmachung mit den genannten Unter-lagen zum Handelsregister „einzureichen“ ist. Entsprechen-des gilt nach § 325 Abs. 3 HGB für den Konzernabschluss.

Nach Auffassung der Regierungskommission sollte in § 325 Abs. 2, 3 HGB vorgesehen werden, dass der Bun-desanzeiger dem Registergericht die Bekanntmachungin Papierform oder in für das Registergericht lesbarerelektronischer Form zusammen mit den bekannt ge-machten Dokumenten übermittelt.

(c) Bundesanzeigerpublizität

Nach § 10 Abs. 1 S. 1 HGB hat das Registergericht „die Ein-tragungen in das Handelsregister durch den Bundesanzeigerbekannt zu machen“. Ähnlich sieht § 325 Abs. 1 S. 2 HGBvor, dass die gesetzlichen Vertreter einer Kapitalgesellschaftim Bundesanzeiger „bekannt zu machen“ haben, dass sieden Jahresabschluss beim Handelsregister eingereicht ha-ben. Nach § 325 Abs. 2, 3 HGB ist bei großen Kapitalge-sellschaften bzw. Gesellschaften mit Konzernabschlusszunächst der Jahresabschluss (Konzernabschluss) im Bun-desanzeiger „bekannt zu machen“, und diese Bekanntma-chung dann beim Bundesanzeiger einzureichen.

Die Regierungskommission schlägt vor, die Bekannt-machungen im Bundesanzeiger gemäß §§ 10, 325 HGBsollten künftig ausschließlich in einer elektronischenVersion des Bundesanzeigers erfolgen.Nach Ablauf einer Übergangsfrist kann dies nach Auffas-sung der Regierungskommission auch für sonstige, ak-tionärsbezogene Bekanntmachungen im Bundesanzeiger(u. a. die Einberufung der Hauptversammlung39) erwogenwerden. – Das Gesetz spricht außer bei der Einberufung (§ 121 Abs. 3 AktG) und der Mitteilung der Tagesordnung(§ 124 Abs. 1 AktG) noch in einer Reihe weiterer Vor-schriften von „Mitteilung in den Gesellschaftsblättern“ (§ 20 Abs. 6 AktG: Mitteilung von Beteiligungsbesitz ander Aktiengesellschaft; § 63 Abs. 1 S. 1 AktG: Aufforde-rung zur Einzahlung rückständiger Einlagen; § 64 Abs. 2, 3AktG: Nachfristsetzung und Kaduzierung; § 97 Abs. 1 S. 1AktG: Zusammensetzung des Aufsichtsrates; § 106 AktG:Wechsel der Aufsichtsratsmitglieder; § 186 Abs. 2 und Abs. 5 AktG: Aufforderung, das Bezugsrecht auszuüben; § 214 Abs. 1 S. 2 AktG: Aufforderung, Aktien abzuholen;§ 226 Abs. 2 AktG: Kraftloserklärung von Aktien; § 246Abs. 4 AktG: Mitteilung der Klageerhebung; § 306 Abs. 3

39 Rdz. 256.

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Drucksache 14/7515 – 114 – Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode

AktG: Antrag im Spruchstellenverfahren; § 62 Abs. 3UmwG: Verschmelzung, u. a. m.). Bekanntmachung in den„Gesellschaftsblättern“ meint damit immer, dass die Mit-teilungen in den Bundesanzeiger „einzurücken“ sind; dieGesellschaftssatzung kann daneben weitere Blätter als Ge-sellschaftsblätter festlegen (§ 25 AktG).

Die Regierungskommission ist der Auffassung, dass,nach dem Vorbild des § 121 Abs. 4 AktG, eine Bekannt-machung in den Gesellschaftsblättern künftig nichtmehr erforderlich sein sollte, wenn sich eine Mitteilungausschließlich an die Aktionäre richtet und der Gesell-schaft die Aktionäre namentlich bekannt sind. In diesenFällen sollte eine Bekanntmachungserleichterung ana-log § 121 Abs. 4 AktG vorgesehen werden.

(d) Ad-hoc-Publizität

Die gesetzlich vorgeschriebene Veröffentlichung von Ad-hoc-Meldungen über ein elektronisch betriebenes Informationsverbreitungssystem (vgl. § 15 Abs. 3 Nr. 2WpHG) erfolgt derzeit durch private Dienstleister, imWesentlichen durch die Deutsche Gesellschaft für Ad-hoc-Publizität. Die auf diesem Wege veröffentlichtenAd-hoc-Meldungen sind binnen Minutenfrist über andereMedien allgemein zugänglich. Regulierungsbedarf be-steht insoweit nach Auffassung der Regierungskommis-sion nicht. Weder ist erforderlich vorzusehen, dass dieVeröffentlichung der Ad-hoc-Meldungen auf der Websitedes BAWe zu erfolgen hat, noch, dass veröffentlichte Ad-hoc-Mitteilungen elektronisch zu speichern und überein künftiges einheitliches Zugangsportal („DeutschesUnternehmensregister“) zugänglich zu machen sind. Dasbreite Anlegerpublikum bedarf eines derartigen Zugriffsauf zurückliegende Ad-hoc-Mitteilungen nicht.

(e) Beteiligungspublizität

Gemäß § 21 WpHG sind relevante Beteiligungsverände-rungen an börsennotierten Gesellschaften dem Bundes-aufsichtsamt für den Wertpapierhandel unverzüglich mit-zuteilen; die Mitteilung ist in einem überregionalen Börsenpflichtblatt zu veröffentlichen (§ 25 Abs. 1 WpHG).Das Bundesaufsichtsamt stellt diese Mitteilungen in eineallgemein zugängliche elektronische Datenbank ein.

Die Regierungskommission empfiehlt, den Zugang zur„Stimmrechtsdatenbank“ des Bundesaufsichtsamtes fürden Wertpapierhandel vom Internetportal „DeutschesUnternehmensregister“ aus zu eröffnen.

3. Einzelprobleme

(a) Offenlegung von Vorstandsbezügen undAktienoptionen

Die Unternehmen sind in den letzten Jahren, einem inter-nationalen Trend folgend, zunehmend dazu übergegan-gen, Führungskräfte und qualifizierte Mitarbeiter durcherfolgsorientierte Entlohnungsmodelle anzuwerben bzw.an sich zu binden. Insbesondere Aktienoptionsprogramme

sind inzwischen weit verbreitet. Sie werfen zahlreiche Fra-gen allgemein wirtschafts- und gesellschaftspolitischer,steuerlicher und gesellschaftsrechtlicher Art auf 40, aberauch Fragen nach der zutreffenden Erfassung in der Rech-nungslegung der Unternehmen und dem notwendigenAusmaß an Publizität. Für die am Unternehmen beteilig-ten Anteilseigner, die Arbeitnehmer und Gläubiger wie fürden anlagesuchenden Investor ist insbesondere die Kennt-nis der Anreizstruktur solcher Entlohnungsmodelle für dasFührungspersonal eines Unternehmens eine wichtige In-formation. Entwickelte Kapitalmarktsysteme fordern da-her, den Märkten diese Information detailliert und in stan-dardisierter Form zu bieten.

Für die USA ist hier vor allem auf die Regulierung der SEC aus dem Jahr 1992 und die verschiedenen Rechnungslegungsstandards für Aktienprogramme, Akti-enoptionspläne und ähnliche Entlohnungsformen zu ver-weisen. In Großbritannien haben börsengehandelte Un-ternehmen vergleichbare Vorschriften zu beachten;ähnliche Regeln gelten an der Irischen Börse. In den Nie-derlanden werden börsennotierte Gesellschaften ab 1. Ja-nuar 2002 detaillierte Angaben zu Festgehalt, Boni, Op-tionen und anderen Vergütungsformen für jedesVorstands- und Aufsichtsratsmitglied zu veröffentlichenhaben. In Frankreich werden derzeit entsprechende Ge-setzgebungsvorschläge beraten.

In Deutschland sieht § 193 Abs. 2 Nr. 4 AktG in der Fas-sung des KonTraG von 1998 bei Ausgabe von Aktienop-tionen vor, dass die Aufteilung der Bezugsrechte auf Mit-glieder des Vorstands und die Arbeitnehmer, Erfolgsziele,Erwerbs- und Ausübungszeiträume und die Wartezeit fürdie erstmalige Ausübung anzugeben sind. Allerdings istdiese Regelung beschränkt auf den Fall, dass die Aktien-optionen aus bedingtem Kapital oder mittels von der Ge-sellschaft erworbenen Aktien (§ 71 Abs. 1 Nr. 8 S. 4 AktG)bedient werden sollen, erfasst also den Ausgleich in Geldnicht; die betreffende Information erfolgt nur einmal,nämlich anlässlich des Beschlusses der Hauptversamm-lung hierzu, und Wertangaben zu den Optionen sind dortnicht vorgesehen. Die jährliche, auf den Kapitalmarkt be-zogene Information im Anhang zum Jahresabschluss bzw.im Konzernanhang beschränkt sich auf die pauschale Angabe der Gesamtbezüge des Vorstands bzw. Aufsichts-rats (§§ 285 Nr. 9, 314 Abs. 1 Nr. 6 HGB). Strengere Pu-blizitätsvorschriften gelten insoweit nur für Unterneh-men, die nach IAS oder den GAAP bilanzieren(Anhangangaben nach IAS 19 bzw. SFAS 123).

Die bei der Regierungskommission eingegangenen Stel-lungnahmen der hierzu befragten Experten und Verbändehaben sich ganz überwiegend für eine verbesserte Trans-parenz der Vergütungen für Organmitglieder ausgespro-chen. Die Vergütungen seien getrennt nach Fixum, er-folgsorientierten Belohnungen und anreiz-(aktienkurs-)orientierten Bestandteilen aufgegliedert auszuweisen.

40 Zu Aktienoptionen für Vorstände oben Rdz. 42 ff.; zu Aktienoptio-nen für Aufsichtsräte Rdz. 64.

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Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 115 – Drucksache 14/7515

Wer Bezahlung nach international üblichen Standardswolle, müsse auch die international übliche Publizität ak-zeptieren. Die Arbeitsgruppe „Stock Options“ des Deut-schen Standardisierungsrates (DSR) hat ein „Positionspa-pier Bilanzierung von Aktienoptionsplänen und ähnlichenEntlohnungsformen“ vorgelegt, das in einen entsprechen-den Standard für die Konzernrechnungslegung ausmün-den soll. In dem Diskussionspapier werden Regelungenzum Ansatz und zur Bewertung, aber auch zur Offenle-gung verschiedener Arten von aktienorientierten Ver-gütungssystemen (Aktienoptionspläne; kursorientierte Barvergütungssysteme; Kombinationsmodelle; Aktien-programme) zur Diskussion gestellt. Die derzeit gemäߧ§ 285 Nr. 9a, 314 Abs. 1 Nr. 6a HGB zu veröffentli-chenden Pflichtangaben werden im Hinblick auf dieseProgramme konkretisiert und darüber hinausgehende Vor-schläge zu weiteren detaillierten Angaben unterbreitet.

Danach sind folgende Angaben über Aktienoptionspro-gramme unabhängig von ihrer Durchführungsform im(Konzern-)Anhang zu machen:

– Eine generelle Beschreibung der einzelnen Pro-gramme mit wichtigen Eckdaten. Dazu zählen der Be-zugskurs, ggf. Erfolgsziele, die Anzahl der Rechte, dieLaufzeit, die Sperrfrist, Ausübungsbedingungen so-wie der rechnerische Wert der Rechte bei Gewährung.

– Die Summe des insgesamt in der Periode aus den Pro-grammen entstandenen Personalaufwands. Bestehenmehrere Programme, sind diese Angaben für die ein-zelnen Programme getrennt zu machen.

– Für jedes Programm ist die Anzahl der Optionsrechteund der durchschnittliche Bezugskurs getrennt für alleausstehenden, ausübbaren, während des Jahres gewähr-ten, ausgeübten und erloschenen Rechte anzugeben.

– Der Gesamtwert der insgesamt innerhalb des Jahres zuEntlohnungszwecken gewährten Optionsrechte. DerWert der Optionsrechte, die Mitgliedern des Vorstandsgewährt wurden, ist hierbei gesondert anzugeben.

– Die zur Bewertung der gewährten und der noch aus-stehenden Optionsrechte verwendete Methode so-wie die dabei verwendeten Parameter. Insbesonderesind die Annahmen über die Volatilität, die risiko-lose Verzinsung und die erwarteten Dividenden an-zugeben.

Die Regierungskommission unterstützt den Entwurf ei-nes Standards des Deutschen Standardisierungsrats zuAngaben über Aktienoptionsprogramme im Anhangzum Konzernabschluss.

Aus der Diskussion über den Standard-Entwurf ist insbe-sondere hervorzuheben, dass auch der Regierungskom-mission, wie im Vorschlag des DSR vorgesehen, nicht ge-boten erscheint, die Bezüge für jedes Organmitgliedgesondert, unter Namensnennung, auszuweisen.

Die Regierungskommission hat sodann eingehend dieFrage erörtert, ob sie eine Aufnahme dieser detaillierten

Vorschriften in eine gesetzliche Regelung, zum Beispieldurch Ergänzung der §§ 285 Nr. 9a HGB, 314 Abs. 1 Nr. 6a HGB empfehlen sollte. Sie hat davon ausmehreren Gründen abgesehen. International werden ent-sprechende Publizitätspflichten vor allem kapitalmarkto-rientierten Gesellschaften auferlegt, während es nicht bör-sennotierten Gesellschaften freisteht, ob sie sich demanschließen. Für deutsche Konzernunternehmen besteht,wenn der Standardisierungsrat die von der Arbeitsgruppeentwickelten Vorschläge wie geplant als Rechnungsle-gungsstandard beschließt, eine entsprechende Publizitäts-pflicht, soweit die Konzerne nicht ohnedies nach IAS undGAAP bilanzieren. Es geht demnach nur mehr um unver-bundene, nicht börsennotierte Gesellschaften. Ihnen solltees freigestellt bleiben, entsprechende, über die Pflichtengemäß §§ 193 Abs. 2 AktG, 285 Nr. 9, 314 Abs. 1 Nr. 6aHGB hinausgehende Angaben zu machen. Allerdingssollte nach Auffassung der Regierungskommission in den§§ 285 Nr. 9a, 314 Abs. 1 Nr. 6a HGB klargestellt werden,dass zu den anzugebenden Bezügen die eingeräumten Op-tionen wie die Gewinne aus aktienbasierten Vergütungengehören.

Der einzurichtenden Corporate Governance-Kommissionwird empfohlen, im Code of Best Practice entsprechendeAngaben von den börsennotierten Gesellschaften im Kon-zernanhang und im Anhang zum Einzelabschluss zu for-dern. Für sonstige erfolgsbezogene Vergütungsformen giltentsprechendes. Die Vergütungen der Organmitgliedersind getrennt nach Fixum, erfolgsbezogenen Belohnun-gen und anreiz-(aktienkurs-)orientierten Bestandteilengegliedert auszuweisen. In den §§ 285 Nr. 9a, 314 Abs. 1 Nr. 6a HGB sollte klargestellt werden, dass zu denanzugebenden Bezügen eingeräumte aktienbasierte Ver-gütungszusagen sowie die Gewinne aus solchen Zusagengehören.

Der Klarstellung halber sei hinzugefügt, dass in die Be-richtspflicht Programme in verbundenen Unternehmennur insoweit einbezogen werden sollten, als Organmit-glieder in der berichtspflichtigen Gesellschaft an solchenProgrammen beteiligt sind.

Des Weiteren hat sich die Regierungskommission in die-sem Zusammenhang mit der Frage der bilanziellen Be-handlung von Aktienoptionen befasst. Sie nimmt von ei-ner Empfehlung hierzu Abstand, weil das Positionspapierder Arbeitsgruppe des DSR dazu eingehende, noch zu dis-kutierende Vorschläge enthält.

(b) Angaben zum Aktienbesitz von Organmitgliedern

Erwerb und Veräußerung des Anteilsbesitzes von Mitglie-dern der Leitungsorgane (Vorstand und Aufsichtsrat) sindzum einen bedeutsam im Hinblick auf die unerlaubte Aus-nutzung von Vorzugsinformationen – damit befasst sichdas Wertpapierhandelsgesetz –; zum anderen stellt die Aus-kunft hierüber und über die Höhe des Anteilsbesitzes an derbetreffenden Gesellschaft und mit dieser verbundener Un-ternehmen auch eine wichtige Information darüber dar,

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Drucksache 14/7515 – 116 – Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode

welche Anreize dieser Personenkreis hat, und wie er dieAussichten des Unternehmens einschätzt.

In den USAund in Großbritannien nehmen sich detailliertekapitalmarktrechtliche und Rechnungslegungsvorschriftendieser Frage an. In Deutschland sieht § 160 Abs. 1 Nr. 5AktG eine Angabe im Anhang zur Zahl der Bezugsrechteim Sinne des § 192 Abs. 2 Nr. 3 AktG, der Wandelschuld-verschreibungen und der vergleichbaren Wertpapiere un-ter Angabe der Rechte, die sie verbriefen, vor. Entspre-chendes gilt für den Konzernanhang (§ 298 HGB). EineAngabe zum Anteilsbesitz der Organmitglieder an der Ge-sellschaft oder an verbundenen Unternehmen sowie zumErwerb und zur Veräußerung dieser Anteile ist nicht vorge-sehen; ebenso wenig eine Angabe zu Aktienderivaten. Beider Zulassung von Wertpapieren zur amtlichen Notierungsind gemäß § 28 Abs. 2 Nr. 4 BörsenZulVO im vorzule-genden Börsenprospekt die Gesamtzahl der Aktien desEmittenten, die von den Mitgliedern der Geschäfts-führungs- und Aufsichtsorgane insgesamt gehalten werden,sowie die Rechte, die diesen Personen auf den Bezug vonAktien eingeräumt sind, anzugeben. Des Weiteren habenEmittenten am amtlichen Handel zugelassener Wertpapieregemäß § 44b BörsG einen Zwischenbericht zu veröffentli-chen, in dem Erläuterungen u. a. zu den „Bezugsrechtenvon Organmitgliedern und Arbeitnehmern entsprechendden Angaben nach § 160 Abs. 1 Nr. 5 des Aktiengesetzes zumachen“ sind (§ 55 S. 4 BörsenZulVO). Angaben zum Ak-tienbesitz der Organmitglieder und zu Derivaten auf solcheAktien sind hier nicht vorgesehen.

Die Börse hat versucht, dieses regulatorische Defizit je-denfalls teilweise mit den ihr gegebenen Mitteln auszu-gleichen. So sieht das zum 1. Januar 2001 geänderte Re-gelwerk für den Neuen Markt zum einen vor, dass imQuartalsbericht die Zahl der Aktien des Emittenten anzu-geben ist, die von den Mitgliedern der Geschäftsführungs-und Aufsichtsorgane gehalten werden, sowie die Anzahlder Rechte, die diesen Personen auf den Bezug solcherAktien eingeräumt sind; diese Angaben sind für jedes Or-ganmitglied gesondert zu machen. Zum anderen müssenEmittenten seither der Börse zeitnah (3 Börsentage nachdem jeweiligen Geschäftsabschluss) jedes Geschäft mit-teilen, das einzelne Vorstands- und Aufsichtsratsmitglie-der in den Aktien des Emittenten oder Aktienderivatengetätigt haben. Für die übrigen Gesellschaften gelten ent-sprechende Regeln dagegen nicht. Selbst wenn die Teil-nahmebedingungen der verschiedenen Indizes (DAX,MDAX, SMAX) entsprechend angepasst würden, wäreeine flächendeckende, konsistente Erfassung der börsen-notierten Gesellschaften nicht zu erreichen. Der Kodexder (Frankfurter) Grundsatzkommission „Corporate Go-vernance“ hingegen sieht für alle börsennotierten Gesell-schaften Angaben im Anhang zum Aktienbesitz (ein-schließlich bestehender Optionsrechte) von Vorstand undAufsichtsrat und zu Veränderungen gegenüber dem Vor-jahr im Anhang zum Jahresabschluss vor. Der DeutscheStandardisierungsrat hat einen Entwurf zur Zwischenbe-richterstattung vorgelegt, der insoweit aber keine entspre-chenden Pflichten vorschlägt.

Die Regierungskommission hält eine Publizität des Ak-tien-, Aktienbezugsrechts- und Derivatebesitzes von Org-

anmitgliedern börsennotierter Gesellschaften an der je-weiligen Gesellschaft für notwendig. Hinsichtlich derzeitnahen Aufdeckung von Geschäften in solchen Papie-ren spricht die Regierungskommission keine Empfehlungaus, weil es sich dabei um eine börsenrechtliche Fragehandelt, die u. U. im Rahmen eines Vierten Finanzmarkt-förderungsgesetzes aufzugreifen sein wird. Unabhängigdavon hält die Regierungskommission aber eine Angabejedenfalls im Jahresabschluss und im Konzernabschlussbörsennotierter Gesellschaften für geboten, weil sie überdie Anreize des Leitungspersonals Aufschluss gibt unddeshalb für die Beurteilung der Entwicklung des Unter-nehmens Bedeutung haben kann.

Die Regierungskommission schlägt vor, dass im Corpo-rate Governance-Kodex für börsennotierte Gesellschaf-ten eine Berichterstattung über den Aktienbesitz der Or-ganmitglieder an der berichtenden Gesellschaft, denBesitz von Bezugsrechten hierauf sowie von Derivatenhierzu vorgesehen wird. Diese Angaben sind im Anhangzum Jahresabschluss und im Anhang zum Konzernab-schluss zu machen, in diesem auch insoweit, als die Or-ganmitglieder der berichtenden Gesellschaft zugleichOrganmitglied eines verbundenen Unternehmens sind.

(c) Publizität von Spenden

Die Regierungskommission hat den Vorschlag erörtert,eine größere Transparenz bei von Unternehmensvorstän-den gemachten Spenden zu empfehlen. Nach geltendemAktien- und Bilanzrecht ist hierüber nicht zu berichten.Die Corporate Governance-Grundsätze der (Frankfurter)Grundsatzkommission „Corporate Governance“ sehenvor, dass dem Aufsichtsrat regelmäßig, mindestens ein-mal jährlich, ein Bericht des Vorstands zur Vergabe vonSpenden oberhalb eines vom Aufsichtsrat festzulegendenBetrags vorgelegt wird. Die Aufnahme in einen Code ofBest Practice mit der Möglichkeit, von der dort vorgese-henen Publizität bei Vorliegen besonderer Gegebenheitenabzuweichen, erscheint auch deshalb als eine praktikableRegelung, weil die Spendentätigkeit in großen Unterneh-men nicht selten in Stiftungen ausgelagert ist, sodass an-dere Kontrollmechanismen greifen. Um adversen Effek-ten einer solchen Regelung vorzubeugen, sollte dieSchwelle, ab welcher die Spendenpublizität eingreift,nicht zu niedrig angesetzt werden.

Die Regierungskommission empfiehlt, in den CorporateGovernance-Kodex eine Regelung aufzunehmen, wo-nach dem Aufsichtsrat einmal jährlich ein Bericht desVorstands zur Vergabe von Spenden oberhalb eines vomAufsichtsrat festzulegenden Betrages vorgelegt wird.

Der einzusetzenden Kodex-Kommission bleibt überlas-sen zu bestimmen, ob sich der Betrag auf Einzelspendenoder die Angabe des Gesamtspendenaufkommens bezie-hen sollte.

(d) Eigengeschäfte von Organmitgliedern mitder Gesellschaft

Das geltende Recht enthält eine Reihe materieller Vor-kehrungen, die Nachteilen für die Gesellschaft aus Ge-

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Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 117 – Drucksache 14/7515

schäften zwischen ihr und ihren Organmitgliedern vor-beugen sollen (Vertretungsregelungen und Schadener-satzansprüche sowie die Vorschriften über Kreditge-währung an Organmitglieder, §§ 89, 115 AktG, 15 KWGund die Vorschrift des § 114 AktG zur Geschäftsbesor-gung durch Aufsichtsratsmitglieder. In Kreditinstitutenund Finanzdienstleistungsinstituten gelten für Mitarbei-tergeschäfte besondere, von BAKred und BAWe erlas-sene Verhaltensregeln, die neben dem Kundenschutz auchden Schutz des Instituts bezwecken.). AusländischeRechtsordnungen enthalten hier zum Teil weiterrei-chende, vornehmlich auf Offenlegung abzielende Rege-lungen. So werden Geschäfte zwischen Organmitgliedernund mit der Gesellschaft verbundenen Unternehmenebenso erfasst wie Geschäfte zwischen bestimmten Fami-lienangehörigen von Organmitgliedern41 bzw. deren Be-teiligungsgesellschaften und der Gesellschaft. Von beson-deren Konfliktsituationen abgesehen, in denen speziellematerielle Vorkehrungen oder sogar Verbote in Betrachtkommen, wird insoweit häufig die Offenlegung konflikt-trächtiger Geschäfte gefordert.

Deutsche Unternehmen, die ihren Konzernabschluss nachinternationalen Grundsätzen erstellen, haben ent-sprechende Publizitätsvorschriften zu „related partiestransactions“ zu beachten (IAS 24; SFAS 57). Für dieKonzernrechnungslegung ist ein deutscher Rechnungsle-gungsstandard zu Geschäften mit nahe stehenden Perso-nen geplant. Die Grundsätze der (Frankfurter) Grundsatz-kommission „Corporate Governance“ enthalten Regelnfür Interessenkonflikte und Eigengeschäfte von Organ-mitgliedern. Bei der Regierungskommission eingegan-gene Stellungnahmen von Experten und Verbänden habensich dafür ausgesprochen, interessenkonfliktträchtige Ge-schäfte zwischen den Gesellschaften und ihrem Leitungs-personal offen zu legen.

Die Regierungskommission ist der Auffassung, dass es zuden Leitungsaufgaben des Vorstands und den Überwa-chungsaufgaben des Aufsichtsrats jeder Gesellschaftgehört, durch geeignete präventive Vorkehrungen, dieauch in Geschäftsordnungen oder Verträgen festgelegtwerden können, dafür zu sorgen, dass Beeinträchtigungender Gesellschaft durch Eigengeschäfte des leitenden Per-sonals oder von Organmitgliedern mit der Gesellschaft ef-fektiv unterbunden werden. Eine detaillierte gesetzlicheAusformulierung dieser bereits bestehenden Organpflich-ten sieht die Regierungskommission nicht als geboten an.Eine eingehende gesetzliche Regelung empfiehlt sichauch wegen des zu erwartenden Umfangs einer solchenRegelung nicht. Die Präzisierung dieser Pflichten in ei-nem Corporate Governance-Kodex für börsennotierte Ge-sellschaften, dessen Regeln dann auch als Vorbild für

nichtbörsennotierte Gesellschaften dienen könnten, istaber uneingeschränkt zu begrüßen.

Die Regierungskommission empfiehlt, im CorporateGovernance-Kodex geeignete Vorkehrungen, insbeson-dere Offenlegungspflichten gegenüber dem Vorstandbzw. dem Aufsichtsrat, vorzusehen, die einer Schädi-gung der Gesellschaft und der mit ihr verbundenen Un-ternehmen aus Eigengeschäften mit leitendem Personalund Organmitgliedern sowie mit diesen nahe stehendenPersonen und Unternehmen im persönlichen Beteili-gungsbesitz vorbeugen.

Standardverträge sollten von einer solchen Regelungnicht erfasst werden.

Über eine solche „unternehmensinterne“ Transparenz undKontrolle hinaus mag es hinsichtlich solcher Transaktio-nen, deren Ergebnisse die Vermögens-, Finanz- oder Er-tragslage der Gesellschaft beeinflussen können, gebotensein, auch für eine externe Publizität zu sorgen, z. B. durch Entwicklung eines entsprechenden Rechnungs-legungsstandards. Hierzu nimmt die Regierungskommis-sion in Anbetracht des Vorhabens des DSR nicht Stellung.

Eine spezielle Problematik ergibt sich aber nach Auffas-sung der Regierungskommission dann, wenn Aufsichts-ratsmitglieder der Gesellschaft Beratungsleistungen, Vermittlungsleistungen o. Ä. erbringen. Vertragliche Ver-einbarungen hierüber können zwar im Gegenstandsbe-reich der Aufsichtsratspflichten nicht wirksam geschlos-sen werden; außerhalb dieses Bereichs nur mitZustimmung des Gesamtaufsichtsrats (§ 114 AktG).Gleichwohl sind solche Verträge weit verbreitet. Um dendamit verbundenen Gefahren für die Gesellschaft (über-höhte Vergütungen; Beeinträchtigung objektiver, unab-hängiger Aufsichtsratsarbeit; „Ruhigstellen“ eines Auf-sichtsratsmitglieds) effektiver zu wehren, hält es dieRegierungskommission für angezeigt, die durch § 114AktG bewirkte interne Publizität durch eine gesetzlicheAußenpublizität zu verstärken.

Es sollte vorgesehen werden, dass im Anhang zum Jah-res-(Konzern-)Abschluss für die Mitglieder des Auf-sichtsrats die von der Gesellschaft bzw. vom Mutterun-ternehmen und den Tochterunternehmen für persönlicherbrachte Leistungen, insbesondere Beratungs- undVermittlungsleistungen, bezogenen Vergütungen oderVorteile anzugeben sind.

Standardverträge sollten hiervon ausgenommen sein. Dieoben ausgesprochene Kodexempfehlung würde durcheine solche Regelung nicht obsolet, wenn und weil sicheine gesetzliche Regelung zur Anhangpublizität der Ver-gütungen aus Eigengeschäften nur auf die Aufsichtsrats-mitglieder persönlich, nicht aber auch auf Familienangehörige oder Unternehmen im persönlichen Beteili-gungsbesitz des Aufsichtsratsmitglieds bezöge.

41 Zur Beschäftigung von Familienangehörigen von Organmitgliedernoben Rdz. 69.

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Drucksache 14/7515 – 118 – Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode

I. Empfehlungen zur Rechnungslegung

1. Allgemeines

Die Rechnungslegung der Unternehmen gehört zur Un-ternehmenspublizität und ist damit Teil der Verantwort-lichkeit der Geschäftsleitung gegenüber Unternehmens-beteiligten und Kapitalmarkt. Die Bedeutung stärker alsbisher objektivierter Ansatz- und Bewertungsvorschriftenfür die Information der Unternehmensbeteiligten und dieVerantwortlichkeit der Geschäftsleitung ist nicht zu ver-kennen.

Auch die Abschlussprüfung, mit der sich die Regierungs-kommission eingehender befasst hat (unten II.), kann sichimmer nur innerhalb des Rahmens bewegen, den das ma-terielle Rechnungslegungsrecht ihr vorgibt. Bedeutungund Qualität der Abschlussprüfung hängen damit maß-geblich von diesen Vorgaben ab. Trotz dieser Zusammen-hänge musste die Regierungskommission von vornhe-rein darauf verzichten, auch das materielle Recht derRechnungslegung einer eingehenden Überprüfung undKritik zu unterziehen. Zum einen sind notwendige, mög-liche und wünschenswerte Korrekturen des materiellenRechnungslegungsrechts bereits vielfach anderwärtserörtert; dies betrifft auch die Frage der Entwicklung undGeltung von Rechnungslegungsstandards für den Einzel-abschluss. Zum anderen hätten zur Entwicklung konkre-ter Empfehlungen auch die Auswirkungen solcher Ände-rungsvorschläge insbesondere auf das Steuerbilanzrechtmitbedacht und erörtert werden müssen. Deshalb hat sichdie Regierungskommission darauf beschränkt, einigegrundlegendere Fragen aus den bei ihr eingegangenenStellungnahmen aufzugreifen und es bei solchen Empfeh-lungen zu belassen, deren Umsetzung ihr vordringlichund zugleich ohne systemändernde Eingriffe möglich er-schien.

2. Internationale Vergleichbarkeit der Konzernabschlüsse

Aussagekräftige und möglichst auch nach internationaleinheitlichen Regeln aufgestellte Konzernabschlüsse lie-gen ebenso im Interesse der Kapitalmärkte wie der publi-zitätspflichtigen Unternehmen selbst. Die EU-Kommis-sion hat einen „Vorschlag für eine Verordnung desEuropäischen Parlaments und des Rates be-treffend die Anwendung internationaler Rechnungsle-gungsgrundsätze“ vorgelegt; sie strebt an, dass alle europäischen Gesellschaften mit börsengehandelten An-teilen ab 2005 ihre konsolidierten Abschlüsse nach inter-national einheitlichen Standards, den IAS (gegebenen-falls mit Ergänzungen und Modifikationen) erstellen undoffen legen. Den Mitgliedstaaten soll vorbehalten bleiben,die Anwendung dieser Standards auch für nicht börsen-

notierte Gesellschaften und für Einzelabschlüsse vorzu-schreiben. Während der Übergangsperiode soll den Mitgliedstaaten freistehen, die Anwendung einheitlicherinternationaler Rechnungslegungsstandards zu ermögli-chen oder vorzuschreiben; auch die Anwendung der US-GAAP soll möglich sein. Angesichts des Umstandes, dasseine Reihe deutscher Unternehmen an US-amerikani-schen Börsen gelistet sind, die bisher eine Rechnungsle-gung nach US-GAAP fordern, erscheint eine Harmoni-sierung von IAS und US-GAAP für die Zeit ab 2005besonders dringlich, um kostspielige doppelte Rech-nungslegungspflichten für diese Gesellschaften oder aberNachteile bei der Kapitalaufnahme zu vermeiden. Im Hin-blick darauf empfiehlt die Regierungskommission derBundesregierung, die Bemühungen um eine Harmonisie-rung von IAS und US-GAAP zu unterstützen und derenErgebnissen den Vorrang einzuräumen.

Die Regierungskommission empfiehlt der Bundesregie-rung, die Bemühungen der EU-Kommission um Ein-führung einheitlicher internationaler Rechnungsle-gungsstandards für Konzernabschlüsse ab 2005 zuunterstützen. Dabei sollte dem Ergebnis der Bemühun-gen des IASB, das sich für eine Harmonisierung vonIAS und US-GAAP einsetzt, Vorrang eingeräumt wer-den.

3. Befreiende Konzernabschlüsse

Die Befreiung von der Aufstellungspflicht gemäß § 292aHGB ist derzeit beschränkt auf Konzernmutterunterneh-men, die einen organisierten Markt (§ 2 Abs. 5 WpHG)durch von ihm oder einem Tochterunternehmen ausgege-bene Wertpapiere in Anspruch nehmen. Diese Befreiungist sinnvoll und notwendig, weil ausländische Börsen,aber auch die Anleger an den Inlandsbörsen hinsichtlichder von Unternehmen deutscher Konzerne ausgegebenenWertpapiere Informationen über den Emittenten erwarten,die nach möglichst einheitlichen internationalen Stan-dards aufbereitet sind. Die Beschränkung auf Unterneh-men mit bereits börsengehandelten Wertpapieren führtaber dazu, dass kleinere Gesellschaften, die einen Bör-sengang planen und sich darauf vorbereiten wollen, dieKosten einer doppelten Konzernrechnungslegung, nachHGB und nach internationalen Standards, auf sich neh-men müssen. Auch von sonstigen konzernabschlus-spflichtigen Unternehmen, die nicht an Märkten im Sinnedes § 2 Abs. 5 WpHG gehandelte Wertpapiere emittierenoder sonst die Kapitalmärkte in Anspruch nehmen, wirdnicht selten die Vorlage nach internationalen Standardsaufgestellter Konzernabschlüsse verlangt. Im Hinblickdarauf erscheint der Regierungskommission die Differen-zierung in § 292a HGB nicht sachgerecht. Da den durch die §§ 290 ff. HGB geschützten Interessen hin-reichend durch einen gemäß § 292a HGB erstellten

Sechstes Kapitel: Rechnungslegung und Prüfung

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Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 119 – Drucksache 14/7515

Konzernabschluss Rechnung getragen wird, sollten diekonzernabschlusspflichtigen Unternehmen im Grundsatzselbst entscheiden können, ob sie ihren Abschluss nachden Vorschriften der §§ 290 ff. HGB oder zumindestgleichwertigen internationalen Rechnungslegungsstan-dards aufstellen.

Im Hinblick auf die geplanten Regeln zur Eigenkapital-unterlegung von Bankkrediten (Basel II) dürften die Kre-ditinstitute künftig von mittelständischen Unternehmeneine Rechnungslegung nach IAS häufig auch dann ver-langen, wenn nach der gesetzlichen Regelung ausschließ-lich eine Rechnungslegung nach HGB vorgesehen ist. In-sofern steht nicht zu erwarten, dass die Einräumung einerOption zur Bilanzierung nach IAS einen faktischenZwang zur Nutzung dieser Option nach sich ziehenwürde, der mit Blick auf Basel II ohnedies nicht gegebenwäre. Vor diesem Hintergrund erscheint es sachgerecht,auch nicht kapitalmarktorientierten Unternehmen, diefaktisch zu einer Bilanzierung nach IAS gezwungen seinwürden, vom Zwang zu einer Parallel-Bilanzierung nachHGB zu befreien. In diesem Zusammenhang ist daraufhinzuweisen, dass die geplante EU-Verordnung über die Anwendung internationaler Rechnungslegungs-grundsätze den Mitgliedstaaten die Möglichkeit eröffnenwird, bereits vor dem 1. Januar 2005 allen konzernab-schlusspflichtigen Unternehmen die Option einer aus-schließlichen Bilanzierung nach IAS einzuräumen.

Die Regierungskommission empfiehlt der Bundesregie-rung, die EU-Verordnung über die Anwendung interna-tionaler Rechnungslegungsgrundsätze für alle, auchfür nicht kapitalmarktorientierte Unternehmen, inso-weit bereits vorab vorzuziehen, als allen konzernab-schluss-pflichtigen Unternehmen die Option eröffnetwerden sollte, bereits vor dem 1. Januar 2005 ihre Kon-zernrechnungslegung ausschließlich nach IAS zu er-stellen.

4. Zwischenberichterstattung

(a) Allgemeines; Aufstellungspflicht

Eine Zwischenberichterstattung hat das Ziel, regel-mäßige, zeitnahe und verlässliche Informationen über dieVermögens-, Finanz- und Ertragslage eines Unterneh-mens und die künftige Entwicklung des Geschäftsjahreszu geben. Grundsätzlich wird der Zwischenbericht als eineigenständiges Rechnungslegungsinstrument verstanden,das die Entwicklung seit dem letzten Jahresabschluss dar-stellen und gleichzeitig eine Prognose des Jahresergeb-nisses ermöglichen soll. Dementsprechend konzentriert ersich auf wesentliche Aktivitäten, Ereignisse und Um-stände des Zwischenberichtszeitraums.

Börsennotierten Unternehmen, die nach IAS bilanzieren,wird eine Zwischenberichterstattung nach IAS 34 emp-fohlen. Börsennotierte US-amerikanische Unternehmenhaben nach den Bestimmungen der SEC zumindest Zwi-schenberichte für die ersten drei Quartale eines jeden Ge-schäftsjahres einzureichen.

Im deutschen Recht verpflichtet § 44b BörsG Emittentenvon Aktien oder sie ersetzenden Zertifikaten, die im amtli-chen Handel zugelassen sind, mindestens einen Zwi-schenbericht der ersten sechs Monate des Geschäftsjahreszu veröffentlichen. Gemäß § 72 Abs. 3 BörsenG kann dieBörsenordnung für einen Teilbereich des geregelten Mark-tes bestimmen, dass die Emittenten Zwischenberichte vor-zulegen haben. Für die Indices DAX, SMAX und das Seg-ment Neuer Markt besteht aufgrund der Bedingungenhierfür die Verpflichtung, drei Quartalsberichte pro Ge-schäftsjahr zu veröffentlichen. Darüber hinausgehend sehendie Corporate Governance-Grundsätze der (Frankfurter)Grundsatzkommission eine zeitnahe Quartalsberichterstat-tung für alle börsennotierten Gesellschaften vor. Der Um-fang der Zwischenberichterstattung ist in dem am 13. Fe-bruar 2001 im Bundesanzeiger bekannt gemachtenDeutschen Rechnungslegungsstandard DRS 6 geregelt.

Im Vergleich zur internationalen Praxis ist für deutschekapitalmarktorientierte Unternehmen demnach nach wievor ein deutlicher Bedarf zur Harmonisierung der Anfor-derungen an eine unterjährige Berichterstattung fest-zustellen. Zur Verbesserung der Versorgung der Kapital-marktteilnehmer mit zeitnahen und entscheidungsrele-vanten Informationen und zur Angleichung an die inter-nationale Praxis erscheint eine Ausdehnung derVerpflichtung zur Quartalsberichterstattung auf alle denorganisierten Kapitalmarkt in Anspruch nehmenden Un-ternehmen geboten.

Die Regierungskommission befürwortet insoweit, künftigdurch gesetzliche Regelung alle börsennotierten Gesell-schaften i. S. des § 3 Abs. 2 AktG zur Aufstellung vonZwischenabschlüssen zu verpflichten1. Nicht die Zustim-mung der Regierungskommission findet demgegenüberder Vorschlag, eine Pflicht zur Aufstellung von Quartals-berichten für alle Unternehmen vorzusehen, die einen or-ganisierten Markt i. S. des § 2 Abs. 5 WpHG durch vonihnen ausgegebene Wertpapiere i. S. des § 2 Abs. 1 WpHGin Anspruch nehmen. Für eine damit verbundene Einbe-ziehung solcher Emittenten, die ausschließlich Schuld-verschreibungen begeben, besteht kein sachliches Be-dürfnis. Zur Aufstellung eines Konzernabschlussesverpflichtete Unternehmen sollten nach Auffassung derRegierungskommission Zwischenberichte auf konsoli-dierter Grundlage erstellen müssen. Für in einen konsoli-dierten Zwischenabschluss einbezogene Unternehmensollte die Aufstellungspflicht entsprechend dem Grundge-danken der §§ 291, 292 HGB entfallen. Ferner sind ge-eignete Vorkehrungen dafür zu treffen, dass im Inland ge-listete ausländische Unternehmen von der Pflicht zurAufstellung von Zwischenberichten befreit werden kön-nen, sofern vergleichbare ausländische Rechnungsle-gungswerke zu erstellen sind.

Die Regierungskommission empfiehlt: BörsennotierteGesellschaften (§ 3 Abs. 2 AktG) sollten gesetzlich ver-pflichtet werden, Zwischenabschlüsse aufzustellen. Zur

1 Zur prüferischen Durchsicht von Zwischenberichten unten Rdz. 288,289; zur Prüfung und Billigung durch den Aufsichtsrat unten Rdz. 325.

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Drucksache 14/7515 – 120 – Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode

Aufstellung eines Konzernabschlusses verpflichtete Unternehmen sollten Zwischenberichte auf konsolidier-ter Grundlage erstellen; für in einen konsolidierten Zwischenabschluss einbezogene Tochterunternehmensollte die Aufstellungspflicht entfallen.

(b) Frequenz; Inhalt

Nach Auffassung der Regierungskommission sollte sicheine künftige einheitliche gesetzliche Verpflichtung bör-sennotierter Gesellschaften zur Aufstellung von Quartals-berichten auf die ersten drei Quartale des Geschäftsjahresbeziehen. An die Stelle einer Zwischenberichterstattungauf das Ende des vierten Quartals sollte der Jahres- bzw.Konzernabschluss treten. Eine detaillierte gesetzlicheRegelung zur inhaltlichen Ausgestaltung der Quartalsbe-richte erscheint insofern als entbehrlich, als das DRSC be-reits Anforderungen an den Inhalt von Quartalsberichtenformuliert hat. Geregelt werden sollte daher nur, dass fürQuartalsberichte die Vorschriften für Jahres- bzw. Kon-zernabschlüsse mit noch weiter zu präzisierenden Ein-schränkungen gelten.

Die Regierungskommission empfiehlt, Quartalsberichtefür die ersten drei Quartale des Geschäftsjahres vorzu-sehen. Die gesetzliche Regelung zum Inhalt der Quar-talsberichte sollte sich auf die Festlegung eines Rah-mens beschränken, der durch einen entsprechendenRechnungslegungsstandard auszufüllen ist.

(c) Veröffentlichung

Die Regierungskommission spricht sich dafür aus, dassdie Zwischenberichte künftig in elektronischer Formübermittelt und veröffentlicht werden sowie schnell undzentral abrufbar sein sollten.

Das kann in verschiedener Form sichergestellt werden; insoweit spricht die Regierungskommission keine Emp-fehlung aus. In jedem Fall muss aber eine Eingangs-kontrolle sichergestellt werden, und sollten die Zwi-schenberichte im „Deutschen Unternehmensregister“(Zentraldatei oder Zentralportal2) zur Verfügung stehenbzw. von dort aus zugänglich sein. In Betracht kommtzum Beispiel eine Veröffentlichung auf der Website derjeweiligen Börse, an der die Wertpapiere der Gesellschaftgelistet sind; in einem solchen Falle müssten die Börsenden Unternehmen die Kosten für die Veröffentlichung inRechnung stellen können. Erwägenswert ist auch, eineVeröffentlichung auf der Website des Bundesaufsichts-amtes für den Wertpapierhandel vorzusehen. Denkbar istschließlich auch, die Veröffentlichung von Zwischenbe-richten in ähnlicher Weise zu regeln wie die Veröffentli-chung des Jahres(Konzern)abschlusses (vgl. § 325 HGB).Eine Veröffentlichung der Zwischenberichte ausschließ-lich durch die Gesellschaften selbst auf ihrer Websitereicht demgegenüber nicht aus. Zum einen fehlt es dannan der notwendigen Eingangskontrolle und Fälschungssi-

cherheit, zum anderen an der zentralen Abrufbarkeit derDaten. Mangels Eingangskontrolle würde im Übrigenauch eine bloße (elektronische) Veröffentlichung im Bun-desanzeiger ausscheiden.

5. Segmentberichterstattung; Kapitalfluss-rechnung

Nach § 297 Abs.1 S. 2 HGB haben die gesetzlichen Ver-treter eines börsennotierten Mutterunternehmens denKonzernanhang um eine Kapitalflussrechnung und eineSegmentberichterstattung zu erweitern.

Die Regierungskommission empfiehlt, diese Vorschriftauf alle kapitalmarktorientierten Mutterunternehmenim Sinne des § 292a Abs. 1 S. 1 HGB n. F. zu erweitern.

Für den Kapitalmarkt stellen sowohl die Kapitalfluss-rechnung als auch die Segmentberichterstattung wichtigeAnalyseinstrumente dar. Die Kosten dieser Regulierungdürften für die betroffenen Unternehmen gering sein, dadiese Rechenwerke in aller Regel ohnedies bereits jetztvon ihnen erstellt werden. Von einer Empfehlung, dieseAufstellungen auch für den Einzelabschluss zu fordern,sieht die Regierungskommission ab.

6. Risikoüberwachungssysteme

Der Vorstand der Aktiengesellschaft hat nach § 91 Abs. 2AktG i. d. F. des KonTraG geeignete Maßnahmen zu tref-fen, insbesondere ein Überwachungssystem einzurichten,damit Risiken und Fehlentwicklungen, die den Fortbe-stand der Gesellschaft gefährden, früh erkannt werden.Bei einer Aktiengesellschaft, die Aktien mit amtlicher No-tierung ausgegeben hat, hat der Abschlussprüfer gemäß § 317 Abs. 4 HGB zu beurteilen, ob der Vorstand die ihmnach § 91 Abs. 2 AktG obliegenden Maßnahmen in einergeeigneten Form getroffen hat, und ob das danach einzu-richtende Überwachungssystem seine Aufgaben erfüllenkann. Das Ergebnis dieser Prüfung ist in einem besonde-ren Teil des Prüfungsberichts darzustellen (§ 321 Abs. 4HGB). Bei nicht amtlich notierten Aktiengesellschaftengelten die §§ 317 Abs. 4, 321 Abs. 4 HGB nicht; insoweitkann sich bei Verstößen eine Berichtspflicht aus § 321Abs. 1 S. 3 HGB ergeben.

In mehreren bei der Regierungskommission eingegange-nen Stellungnahmen wird angeregt, die Prüfungs- und Be-richtspflicht gemäß §§ 317 Abs. 4, 321 Abs. 4 HGB aufnicht amtlich notierte Aktiengesellschaften zu er-strecken3. Der Regierungskommission erscheint es imHinblick auf mehrere neuere Vorfälle geboten, jedenfallsbei börsennotierten Gesellschaften, die Risikosteuerungs-pflicht und deren Überwachung durch den Aufsichtsrat zuverstärken, indem das Vorhandensein und die Eignungentsprechender Systeme auch ohne besonderen Prüfungs-auftrag vom Abschlussprüfer regelmäßig geprüft undhierüber dem Aufsichtsrat berichtet wird.

2 Vgl. oben Rdz. 252.3 Zur Ausdehnung der Risikosteuerungspflicht auf alle Kapitalgesell-

schaften oben Rdz. 33.

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Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 121 – Drucksache 14/7515

Die Regierungskommission empfiehlt, die Prüfung dergemäß § 91 Abs. 2 AktG einzurichtenden Überwachungs-systeme durch den Abschlussprüfer (§ 317 Abs. 4 HGB)und die Berichterstattung hierüber (§ 321 Abs. 4 HGB)auf alle börsennotierten Gesellschaften zu erstrecken.

7. Feststellung des Konzernabschlusses

Konzernabschluss und Konzernlagebericht sind unver-züglich nach ihrer Aufstellung dem Aufsichtsrat des Mut-terunternehmens vorzulegen (§ 337 Abs. 1 AktG) und vondiesem zu prüfen (§ 171 Abs. 1 S. 1 AktG). Der Auf-sichtsrat hat über das Ergebnis der Prüfung schriftlich andie Hauptversammlung zu berichten. Anders als für denEinzelabschluss vorgesehen (§ 171 Abs. 2 S. 3 AktG) hatder Aufsichtsrat aber nicht zu dem Ergebnis der Prüfungdes Konzernabschlusses durch den Abschlussprüfer Stel-lung zu nehmen. Ebenso sieht das Aktiengesetz, andersals beim Einzelabschluss ( §§ 171 Abs. 2 S. 4, 172, 173AktG), keine Billigung und keine Feststellung des Kon-zernabschlusses vor.

In mehreren der bei der Regierungskommission einge-gangenen Stellungnahmen wird gefordert, auch für denKonzernabschluss eine formelle Billigung durch den Auf-sichtsrat mit einer entsprechenden Berichterstattung andie Hauptversammlung zu empfehlen. Konzernabschlussund Konzernlagebericht stünden heute als Informations-instrumente praktisch im Vordergrund. Sei die Prüfungs-pflicht mit einem Billigungserfordernis verknüpft, werdedies auch positive Auswirkungen auf Intensität und Qua-lität der Prüfung von Konzernabschluss und Konzernla-gebericht haben.

Die Regierungskommission schließt sich diesen Erwä-gungen an. Einer „Feststellung“ des Konzernabschlussesim Sinne der Feststellung des Jahresabschlusses aufgrundseiner Vorlage durch den Vorstand und der Billigungdurch den Aufsichtsrat (§ 172 AktG) bzw., im Fall des § 173 AktG, durch Beschluss der Hauptversammlung, be-darf es zwar nicht. Denn dem Konzernabschluss kommtkeine Bindungswirkung für den Gewinnverwendungsbe-schluss (§ 174 Abs. 1 S. 2 AktG) und keine Bedeutung fürdie Gewinnansprüche der Aktionäre zu. Das Erforderniseiner Billigungserklärung des Aufsichtsrats dürfte abereine intensivere Befassung des Aufsichtsrats mit der Kon-zernrechnungslegung nahe legen. Außerdem erhält derAufsichtsrat damit notfalls die Möglichkeit, diese Billi-gung zu verweigern und die Entscheidung hierüber derHauptversammlung zu überlassen.

Die Regierungskommission empfiehlt, entsprechendden Vorschriften über den Einzelabschluss eine Billi-gung des Konzernabschlusses durch den Aufsichtsratund die Möglichkeit vorzusehen, diese Billigung derHauptversammlung zu überlassen. Die Berichtspflichtdes Aufsichtsrats gemäß § 171 Abs. 2 S. 3, 4 AktG sollteauf den Konzernabschluss erstreckt werden.

Die Regierungskommission hat in diesem Zusammen-hang die Folgefrage erörtert, ob mit der Einführung einerformellen Billigung von Konzernabschlüssen Nichtig-

keitsgründe und Anfechtungsmöglichkeiten (vgl. §§ 256,257 AktG) geschaffen würden, die sonst nicht gegebenwären. Nach Auffassung der Regierungskommissionkann auch bereits nach bisheriger Rechtslage ein Kon-zernabschluss (etwa mit der allgemeinen Feststellungs-klage, § 256 ZPO) angreifbar sein, wenn er z. B. durch sei-nen Inhalt gläubigerschützende Vorschriften verletzt odergegen Gliederungs- oder Bewertungsvorschriften ver-stoßen wurde. Im Hinblick darauf mag es sich im Inte-resse der Rechtssicherheit ohnedies empfehlen, die An-wendbarkeit der Vorschriften der §§ 256 f AktG mit denerforderlichen Modifikationen auf den Konzernabschlusszu erstrecken, dies jedenfalls dann, wenn eine formelleBilligung durch Aufsichtsrat bzw. Hauptversammlungeingeführt wird.

8. Veröffentlichungsfrist („fast close“)

Nach dem Vorschlag der englischen Gesellschaftsrechts-Reformkomission ist der Jahresabschluss binnen 90 Tagennach Geschäftsjahresende auf der Website der Gesell-schaft zu veröffentlichen. Die Regierungskommission regtan, die zur Entwicklung eines Corporate Governance-Ko-dex einzusetzende Kommission möge die Übernahme die-ser Regel für den Jahresabschluss (Konzernabschluss) undLagebericht (Konzernlagebericht) börsennotierter Gesell-schaften in den Corporate Governance-Kodex prüfen.

9. Durchsetzung ordnungsgemäßer Rechnungslegung

Nach mehreren Unternehmenskrisen der jüngeren Zeitsind die in Deutschland bestehenden Mechanismen zurSicherung der Ordnungsmäßigkeit der Rechnungslegung(„enforcement“) als unzureichend kritisiert worden, undwurde eine Ergänzung nach US-amerikanischem (Befug-nisse der SEC) oder britischem Vorbild (Financial Repor-ting Review Panel) gefordert. Auch die EU-Kommissionhat in ihrer Mitteilung an den Rat und das EuropäischeParlament vom 13. Juni 2000 „Rechnungslegungsstrate-gie der EU: Künftiges Vorgehen“ festgestellt, dass für dasFunktionieren des europäischen Kapitalmarktes ein effi-zientes Enforcement-System unabdingbar sei. Überlegtwird, die Mitgliedstaaten zu verpflichten, ein ausreichen-des Durchsetzungs-System zu schaffen. Auch zahlreichebei der Regierungskommission eingegangene Stellun-gnahmen sprechen sich für eine bessere Durchsetzungordnungsgemäßer Rechnungslegung durch eine hierfür zuschaffende Einrichtung, ganz überwiegend nach dem Vor-bild des englischen Review Panel, aus.

Um festzustellen, ob tatsächlich ein Regulierungsbedarfin diesem Punkt besteht, hat sich die Regierungskommis-sion zunächst mit etwaigen Durchsetzungsdefiziten be-fasst. Sie sind im Ergebnis nicht zu leugnen.

Das deutsche „Enforcement“-System, das die Beachtungder Vorschriften und Grundsätze ordnungsgemäßer Rech-nungslegung gewährleisten soll, besteht derzeit vor allemaus der Prüfung der Jahres- und Konzernabschlüsse durchAbschlussprüfer und Aufsichtsrat, den aktienrechtlichenVorschriften zur Nichtigkeit und Anfechtbarkeit von Jah-

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resabschlüssen §§ 256 f. AktG), den Straf- und Bußgeld-vorschriften der §§ 331 bis 334 HGB sowie der Möglich-keit zur Festsetzung eines Zwangsgeldes durch das Regi-stergericht gemäß § 335 HGB. Einen weiteren Schritt zurVerbesserung des gegenwärtigen Systems stellt die Ein-führung des sog. Peer Review durch die 4. WPO-Novelledar, die eine Überprüfung des praxisinternen Qualitätssi-cherungssystems des Abschlussprüfers durch einen exter-nen Prüfer vorsieht und damit gleichfalls zur Sicherungder Qualität der Abschlussprüfung beiträgt. Eine Korrek-tur fehlerhafter Abschlüsse kann mit dem Peer Review je-doch nicht erreicht werden, da dieser Überprüfung aus-schließlich der Abschlussprüfer, nicht jedoch derJahresabschluss (Konzernabschluss) unterworfen ist.

Auch nach Einführung des Peer Review besteht ein Man-gel des deutschen Systems darin, dass außerhalb der Ab-schlussprüfung keine Einrichtung besteht, die behauptetenFehlern in der Rechnungslegung nachgehen und die Un-ternehmen gegebenenfalls zur Korrektur ihrer Abschlüsseanhalten kann. Die Nichtigkeits- bzw. Anfechtungsklagegemäß §§ 256 f. AktG ist insoweit ein zu grobes Instru-ment, da sie auf die Vernichtung, nicht auf Reparatur ab-zielt. Hinzu kommen in Publikumsgesellschaften die Ko-stenbarrieren und die fehlenden Anreize für Anteilseignermit Splitterbesitz, solche Klagen zu erheben. Überdieswerden Gläubiger und der Kapitalmarkt insgesamt, auf de-ren Schutz die Rechnungslegung vor allem abzielt, durchdie den gegenwärtigen Anteilseignern vorbehaltenen Kla-gen gemäß §§ 256, 257 AktG allenfalls reflexiv geschützt.

Entwickelte Kapitalmarktsysteme sehen weitergehende Si-cherungsmechanismen gegen fehlerhafte Abschlüsse vor. Inden USA sorgen bei kapitalmarktorientierten Gesellschaf-ten Unterabteilungen der SEC für die Einhaltung der durchdas FASB (Financial Accounting Standards Board) erlasse-nen Standards. In Großbritannien wurde als Durchsetzungs-instanz eine besondere Einrichtung, das Financial ReportingReview Panel (FRRP), geschaffen. Dessen Befugnisse be-schränken sich auf börsennotierte und große nicht börsen-notierte britische Unternehmen. Untersuchungen leitet dasReview Panel dann ein, wenn eine dritte Partei, etwa einGläubiger der Gesellschaft, dies anregt und hinreichenderVerdacht eines Fehlverhaltens besteht. Zudem tauschenFRRP und Londoner Börse regelmäßig Informationen überTestateinschränkungen in den Jahresabschlüssen notierterUnternehmen aus. Liegen entsprechende Anhaltspunktevor, so werden die verantwortlichen Unternehmensvertreterund Abschlussprüfer zu einem informellen klärenden Ge-spräch mit dem – mit ehrenamtlichen Mitgliedern besetz-ten – FRRP geladen. Alle Informationen werden vertraulichbehandelt.

Das FRRP hat das Recht, das Gericht zur Klärung vonZweifelsfragen über die Wirksamkeit des Abschlusses an-zurufen. Sanktionen kann es jedoch nicht verhängen.Wohl aber kann es Detailinformationen aus abgeschlosse-nen Untersuchungsverfahren veröffentlichen; der Dro-hung hiermit wird erhebliche Bedeutung beigemessen.

Nach eingehenden Beratungen spricht sich die Regie-rungskommission gegen die Einrichtung einer staat-lichen, am Modell der SEC orientierten Einrichtung aus.

Eine privatwirtschaftlich organisierte und getragene Ein-richtung nach britischem Vorbild ist vorzuziehen.

Gegenstand der Erörterungen vor einer solchen Einrich-tung könnten Jahresabschluss und Lagebericht bzw. Kon-zernabschluss und Konzernlagebericht von kapitalmarkt-orientierten Gesellschaften sein. Die Einrichtung würdenicht in jedem Falle, sondern ausschließlich dann tätig,wenn – aufgrund einer Anregung oder öffentlicher Infor-mationen – der Verdacht eines groben Verstoßes gegenRechnungslegungsvorschriften bestände. Eine Mitwir-kungspflicht der gesetzlichen Vertreter oder Abschluss-prüfer im Verfahren braucht nicht notwendig vorgesehenzu werden. Eine freiwillige Mitwirkung mag sich bereitsdaraus ergeben, dass die Tatsache der Nichtmitwirkungveröffentlicht werden könnte, und dass die Einrichtungnach dem Vorbild der §§ 13 Abs. 2 UWG, 13 Abs. 2AGBG das Recht erhalten könnte, Klage gemäß §§ 256 f.AktG zu erheben. Die Regeln der Einrichtung könnten dasVerfahren im Einzelnen und die Frage einer Veröffentli-chung der Untersuchungsergebnisse regeln.

Die Regierungskommission empfiehlt, nach dem Vor-bild des britischen Financial Reporting Review Paneleine privatwirtschaftlich getragene und organisierteEinrichtung vorzusehen, die nach von ihr entwickeltenVerfahrens-vorschriften im Einvernehmen mit den be-troffenen Unternehmen behaupteten groben Verstößengegen Rechnungslegungsvorschriften nachgeht, unddie im Weigerungsfall das Recht hat, Klage gemäß §§ 256, 257 AktG zu erheben.

II. Abschlussprüfung

1. Allgemeines

Die Abschlussprüfung ist ein wichtiger Baustein im Ge-bäude der Unternehmensverfassung. Sie dient der Selbst-kontrolle der Unternehmensleitung wie der Fremdkontrolleim Interesse der Unternehmensbeteiligten und des Kapital-markts. Dieses unverzichtbare Element guter Corporate Go-vernance gilt es weiter zu stärken und die Bemühungen desKonTraG hierum fortzuführen. Dazu wird nach Auffassungder Regierungskommission insbesondere beitragen, wennden Abschlussprüfern vornehmlich durch Transparenz- undOffenlegungsvorschriften besser als bisher Gelegenheit ge-geben wird, auf ihre korrekte und interessenkonfliktfreieAufgabenerfüllung hinzuweisen.

Einen zweiten Schwerpunkt in diesem Zusammenhanghat die Regierungskommission an der Schnittstelle zwi-schen Abschlussprüfung und Aufsichtsrat gesetzt. Inso-weit hat sie die Frage erörtert, wie der Umgang des Aufsichtsrats mit der Abschlussprüfung und ihren Ergeb-nissen verbessert werden kann (dazu gesondert unten III.:„Aufsichtsrat und Abschlussprüfung“).

2. Prüferauswahl und Prüfungsauftrag

Was die Auswahl der Abschlussprüfer und die Festlegungvon Prüfungsschwerpunkten angeht, hat die Regierungs-

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kommission zunächst den Vorschlag erörtert, dass der Ab-schlussprüfer zwingend und ausschließlich vom Auf-sichtsratsplenum zur Wahl vorgeschlagen werden sollte.Diesem Vorschlag hat sich die Regierungskommissionebenso wenig angeschlossen wie der Empfehlung, alleindas Aufsichtsratsplenum, nicht dagegen ein Prüfungsaus-schuss („Audit Committee“) solle künftig die Prüfungs-schwerpunkte festlegen können (eingehend dazu untenIII. 1.).

Auch dem erneuten Vorschlag, alle fünf Jahre eine externeRotation mit entsprechender Karenzzeit vorzusehen, ver-mag sich die Regierungskommission nicht anzuschließen.Dieses bereits bei den Beratungen zum KonTraG vorge-tragene Anliegen wird auch im wirtschaftswissenschaftli-chen Schrifttum wegen seiner deutlichen Nachteile über-wiegend verworfen. Neue Gesichtspunkte haben sichinsoweit nicht ergeben.

Sind ein Konzernabschluss und ein Konzernlageberichtaufzustellen, dann sollten tunlichst dieselben Prüfungs-verfahren und -methoden wie in den einbezogenen Einze-labschlüssen verwandt werden, und die bei der Prüfungdieser Unternehmen gewonnenen Kenntnisse dem Ab-schlussprüfer des Konzernabschlusses zur Verfügung ste-hen. Im Hinblick darauf empfiehlt sich, dass die Einzel-abschlüsse und Lageberichte derjenigen Unternehmen,die in den Konzernabschluss einbezogen werden, im Re-gelfall vom selben Abschlussprüfer (Prüfungsgesell-schaft) geprüft werden, der den Konzernabschluss undden Konzernlagebericht prüft.

Die Regierungskommission schlägt vor, im Code of BestPractice den Aufsichtsräten konzernabschlusspflichti-ger Mutterunternehmen zu empfehlen, sicherzustellen,dass im Regelfall in den Gesellschafterversammlungender in denKonzernabschluss einzubeziehenden Tochter-unternehmen derselbe Abschlussprüfer (Prüfungsge-sellschaft) bestellt wird, der auch den Konzernabschlussprüft.

Die Regierungskommission verkennt nicht, dass von die-ser Empfehlung eine Konzentrationswirkung ausgehenkönnte. Dies erscheint ihr aber im Interesse einer verbes-serten und schnelleren Konzernrechnungslegung unver-meidlich und hinnehmbar. Insbesondere in Fällen, in de-nen zwischen den Konzernunternehmen umfangreicherLiefer- oder Leistungsverkehr abgewickelt wird, oder wofür die Steuerung des Gesamtkonzerns wesentliche Funk-tionen in eine Konzerntochter ausgelagert sind, sollte dieBewertung und Beurteilung durch diejenige Prüfungsge-sellschaft erfolgen, die den zusammenfassenden Ab-schluss prüft, ihm den Bestätigungsvermerk erteilt undhierfür einzustehen hat. Hinzu kommt, dass nicht seltendie Einzelabschlüsse nicht rechtzeitig genug vorliegen.Die Aufnahme dieser Empfehlung nicht in das Gesetz,sondern in den Corporate Governance-Kodex belässt ge-nug Spielraum, um in Fällen, in denen eine Einzelab-schlussprüfung nicht durch den Konzernabschlussprüferzu erfolgen braucht, hiervon abgewichen werden kann.

Eine nicht wünschenswerte Beschränkung ergibt sichnach Ansicht der Regierungskommission aus § 111 Abs. 2

S. 4 AktG. Danach erteilt der Aufsichtsrat dem Abschlus-sprüfer den Prüfungsauftrag „für den Jahres- und denKonzernabschluss gemäß § 290 des Handelsgesetz-buchs.“ Dieser Verweis auf den Pflichtabschluss schließtoffenbar aus, dass der Aufsichtsrat den Prüfungsauftragauch in den nicht seltenen Fällen erteilt, in denen eine Ge-sellschaft einen freiwilligen Teilkonzernabschluss auf-stellt. In der Praxis erteilt denn auch in solchen Fällen aus-schließlich der Vorstand hierfür den Prüfungsauftrag,gegebenenfalls, bei entsprechendem Vorbehalt, mit Zu-stimmung des Aufsichtsrats (vgl. § 111 Abs. 4 S. 2 AktG).

Der Vorstand sollte diese Möglichkeit, einen freiwilligenAbschluss prüfen zu lassen, zwar durchaus behalten. Je-doch sollte der Aufsichtsrat, der ohnedies gemäß § 111Abs. 2 S. 2 AktG für bestimmte Aufgaben besondereSachverständige bestellen kann, gleichfalls von sich auseinen freiwillig erstellten Abschluss prüfen lassen könnenund in jedem Falle für die Erteilung des Prüfungsauftra-ges zuständig sein. Aus der Formulierung des § 111 Abs. 2 S. 3 AktG könnte in der Tat der Schluss gezogenwerden, dass die Kompetenzen des Aufsichtsrats insoweitauf die kraft Gesetzes aufzustellenden und zu prüfenden(Konzern-)Abschlüsse beschränkt sind.

Die Regierungskommission empfiehlt, in § 111 Abs. 2AktG klarzustellen, dass der Aufsichtsrat einen Prü-fungsauftrag auch hinsichtlich freiwillig aufgestellter(Konzern-)Abschlüsse erteilt.

3. Gegenstand und Umfang der Prüfung

(a) Ordnungsmäßigkeit der Geschäftsführung

Was Gegenstand und Umfang der Abschlussprüfung be-trifft, hat sich die Regierungskommission zunächst mitdem Vorschlag befasst, die bisherige, im Wesentlichen aufdie Rechnungslegung bezogene Prüfung stärker in Rich-tung einer Prüfung der Ordnungsmäßigkeit der Ge-schäftsführung fortzuentwickeln.

Vorgesehen ist eine solche Erweiterung der Abschluss-prüfung zur Prüfung der Ordnungsmäßigkeit der Ge-schäftsführung in § 53 des Haushaltsgrundsätzegesetzes.Gehört einer Gebietskörperschaft die Mehrheit der An-teile eines Unternehmens in einer Rechtsform des Pri-vatrechts, so hat das zuständige Unternehmensorgan aufVerlangen der Gebietskörperschaft den Abschlussprüferauch mit der Prüfung der Ordnungsmäßigkeit der Ge-schäftsführung zu beauftragen. Im Einzelnen erstrecktsich die Prüfungs- und Berichtspflicht des Abschluss-prüfers in einem solchen Falle auf die Ordnungsmäßigkeitder Geschäftsführungsorganisation, des Geschäfts-füh-rungsinstrumentariums und der Geschäftsführungs-tätigkeit (Einzelheiten in IdW – Prüfungsstandard Nr. 720).

Die Regierungskommission spricht sich nach eingehen-der Beratung gegen eine Umformung oder Weiter-entwicklung der Abschlussprüfung zu einer Prüfung derOrdnungsmäßigkeit der Geschäftsführung in den nichtvon § 53 HGrG erfassten Fällen aus. Die damit umschrie-bene Tätigkeit ist ureigene und zentrale Aufgabe des

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Aufsichtsrats (§ 111 Abs. 1 AktG), dem das Aktiengesetzhierfür die erforderlichen Informationen und Befugnissezur Verfügung stellt. In Fällen, in denen der Aufsichtsratsachverständiger Unterstützung bedarf, um komplexeVorgänge aufzuklären oder zu beurteilen, kann er sich die-ser Unterstützung bereits nach geltendem Recht bedienen (§ 111 Abs. 2 S. 2 AktG). Einer allgemeinen Übertragungder Prüfung der Ordnungsmäßigkeit der Geschäfts-führung auf den bisherigen „Abschluss“prüfer bedarf esangesichts dessen nicht. Sie wäre auch nicht wünschens-wert, weil dies dazu führen könnte, dass sich der Auf-sichtsrat von seiner Überwachungspflicht gemäß § 111Abs. 1 AktG entlastet oder gar abgedrängt sähe. Im Übri-gen sieht selbst § 53 HGrG keine generelle Prüfung derOrdnungsmäßigkeit der Geschäftsführung vor, sondernordnet sie nur dann an, wenn die Gebietskörperschaft diesverlangt. Einzuräumen ist, dass sich in der neueren Ent-wicklung Tendenzen ausmachen lassen, dem Abschluss-prüfer durch Gesetz über die traditionelle Rechnungsle-gungsprüfung hinaus weitergehende Prüfungsaufgabenzu übertragen, wie zum Beispiel in §§ 317 Abs. 4, 321Abs. 4 HGB geschehen (Prüfung von Risikofrüherken-nungssystemen und Berichterstattung hierüber). Bei Be-darf könnte diese punktuelle Fortentwicklung der klassi-schen Abschlussprüfung schrittweise fortgesetzt werden.Eine generelle Umsteuerung des Prüfungssystems ist da-gegen nicht zu empfehlen.

(b) Berichterstattung des Vorstands

In mehreren der bei der Regierungskommission einge-gangenen Stellungnahmen wird angeraten, die Prüfunggemäß §§ 316, 317 HGB auf die vom Vorstand gemäß § 90 Abs. 1, 3 AktG dem Aufsichtsrat zu erstattenden Be-richte zu erstrecken. Die Prüfung dieser Berichte wäredann so anzulegen, dass Unrichtigkeiten, die sich auf dieDarstellung oder die Schlussfolgerungen des Vorstandswesentlich auswirken, erkannt werden könnten. Hierüberhätte der Abschlussprüfer dem Aufsichtsrat dann entspre-chend zu berichten.

Die Regierungskommission schließt sich dieser Empfeh-lung nicht an. Der Aufsichtsrat kann ohne weiteres vonsich aus den Abschlussprüfer darauf befragen (§ 171 Abs. 1 S. 2 AktG), ob sich Divergenzen zwischen denVorstandsberichten und seinen eigenen Einsichten imRahmen der Abschlussprüfung ergeben haben bzw. wiesich diese Divergenzen aus seiner Sicht erklären. Insoweithat es der Aufsichtsrat auch in der Hand, darauf zu drin-gen, dass jedenfalls die regulären Berichte schriftlich er-stattet werden; bei zunächst mündlich erstatteten Berich-ten kann schriftliche Fixierung verlangt werden, sodasssie einer Überprüfung im Rahmen der Abschlussprüfungzugänglich sind. Einzuräumen ist, dass eine Befragungdes Abschlussprüfers erst im Rahmen der Bilanzsitzungmöglich ist und damit nicht selten zu spät erfolgen dürfte.Dieser Einwand würde sich freilich auch gegen den Vor-schlag richten, die Abschlussprüfung und Berichterstat-tung hierüber auf die Vorstandsberichte zu erstrecken.Hinzu kommt, dass eine Pflicht zur Prüfung der Bericht-erstattung über die beabsichtigte Geschäftspolitik und an-dere grundsätzliche Fragen der Unternehmensplanung

(§ 90 Abs. 1 Nr. 1 AktG) und über Geschäfte, die für dieRentabilität oder Liquidität der Gesellschaft von erhebli-cher Bedeutung sein können (§ 90 Abs. 1 Nr. 4 AktG), ge-eignet wäre, eine neue Erwartungslücke zu schaffen.Auch bei einer Beschränkung auf eine bloße Plausibilitäts-prüfung würde letzten Endes doch eine umfassende Prü-fung erwartet, was im Rahmen der regulären Abschluss-prüfung schwer zu leisten ist. Der Aufsichtsrat hat zudem,falls erforderlich, die Möglichkeit, sofort von sich auseine Prüfung in Auftrag zu geben, wenn sich Zweifel ander Richtigkeit und Vollständigkeit der Angaben im Vor-standsbericht ergeben, die auch durch Nachfragen nichtzufrieden stellend aufzuklären waren (§ 111 Abs. 2 AktG).Eine generelle Prüfungs- und Berichterstattungspflichtohne konkreten Anlass dagegen würde die Unternehmenmit erheblichen vermeidbaren Kosten belasten.

Eine ganz andere Frage ist, ob der Abschlussprüfer imRahmen und für die Zwecke der Prüfung gemäß §§ 316, 317 HGB auch die Vorstandsberichte zur Kennt-nis zu nehmen hat. Das ist zu bejahen, soweit die Ein-sichtnahme in diese Unterlagen geboten erscheint, umeine pflichtgemäße Prüfung von Jahres-(Konzern-)Ab-schluss oder (Konzern-)Lagebericht gemäß § 317 HGBdurchführen zu können. Zu diesem Zweck steht dem Ab-schlussprüfer ein Recht zur Einsicht in diese Unterlagengemäß § 320 HGB zu. Wird ihm diese Einsicht nicht ge-währt, kann er dies im Prüfungsbericht erwähnen (§ 321Abs. 2 S. 1 HGB); unter Umständen kann dies auch zurEinschränkung des Bestätigungsvermerks führen (§ 322Abs. 4 HGB). Liegen die Vorstandsberichte gemäß § 90Abs. 1 und 3 AktG ausnahmsweise nicht in schriftlicherForm vor4, könnte der Abschlussprüfer notfalls Auskünfteüber deren Inhalt einholen oder aber einen entsprechen-den Hinweis in seinen Prüfungsbericht aufnehmen. Dievorgeschlagene Kommission zur Entwicklung eines Codeof Best Practice mag insoweit erwägen, ob sich eine Re-gel in einem Corporate Governance-Kodex empfiehlt,wonach auch mündlich erstattete Berichte gemäß § 90Abs. 1 S. 2 AktG schriftlich niederzulegen sind, damit derAbschlussprüfer hierauf zurückgreifen kann.

(c) Zwischenberichte

Die Regierungskommission empfiehlt, börsennotierteGesellschaften zur Aufstellung von Zwischenberichten(Quartalsberichten) zu verpflichten5. Der Kapitalmarktschenkt diesen Zwischenberichten eine kaum geringereAufmerksamkeit als den Abschlüssen für das ganze Ge-schäftsjahr. Aus diesem Grund sind Zwischenberichte in-ternational, etwa in den USA, zwar keiner eingehenden,der Jahresabschlussprüfung vergleichbaren umfassendenPrüfung, wohl aber einer prüferischen Durchsicht („re-view“) zu unterwerfen. Der review stellt eine Plausibi-litätsbeurteilung der Quartalsberichte dar. Sie wird mitdem Ziel durchgeführt, mit einer gewissen Sicherheit die

4 Solche Berichte sind in der Regel schriftlich zu erstatten; oben Rdz. 25.

5 Oben Rdz. 269 ff.; zur Prüfung und Billigung durch den Aufsichts-rat unten Rdz. 325.

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Annahme auszuschließen, dass der Quartalsbericht nachden Feststellungen im Rahmen der prüferischen Durch-sicht in wesentlichen Belangen den angewandten Rech-nungslegungsgrundsätzen widerspricht.

Die Regierungskommission spricht sich gleichfalls füreine prüferische Durchsicht der Quartalsberichte aus.Nicht zuletzt, um eine Erwartungslücke zu vermeiden, be-darf es aber einer gesetzlichen Regelung, in welchem Um-fang und mit welcher Ausrichtung die Quartalsberichte ei-ner prüferischen Durchsicht zu unterziehen sind.

In der gesetzlichen Regelung zum review der Quartalsbe-richte sollte nach Auffassung der Regierungskommissionfestgelegt werden, dass die Durchsicht grundsätzlich vondem Wirtschaftsprüfer bzw. der Wirtschaftsprüfungsge-sellschaft durchzuführen ist, der/die nach § 318 HGB alsAbschlussprüfer des Jahres- bzw. Konzernabschlusses fürdas letzte Geschäftsjahr bestellt ist. Durch eine solche, mit§ 313 AktG zur Prüfung des Abhängigkeitsberichts ver-gleichbare Regelung können besondere Regelungen zurWahl und Beauftragung des Prüfers vermieden werden.Eine solche Regelung hat gegenüber der Durchführungdes review durch einen anderen Prüfer, der nicht zugleichAbschlussprüfer des Unternehmens bzw. des Konzernsist, auch den Vorteil, dass die im Rahmen der Abschluss-prüfung erlangte Kenntnis des Abschlussprüfers über dasUnternehmen und dessen Rechnungslegung zu einer ef-fektiven und effizienten Durchführung des reviewbeiträgt. Sofern es nicht ausnahmsweise zu einem Prüfer-wechsel kommt, hat die Durchführung des review durchden Abschlussprüfer aufgrund der kontinuierlichen Be-gleitung des Unternehmens über das gesamte Geschäfts-jahr hinweg auch entsprechend positive Impulse für dieQualität der Abschlussprüfung.

In der Praxis sind allerdings Ausnahmefälle denkbar, indenen wichtige sachliche Gründe dafür sprechen, dass derreview der Quartalsberichte durch einen anderen Wirt-schaftsprüfer als den für das letzte Geschäftsjahr bestell-ten Abschlussprüfer erfolgt. Eine solche Situation könntez. B. bei im Zeitablauf entstehender Inhabilität gem. § 319HGB oder bei einem geplanten Wechsel des Abschlus-sprüfers eintreten. Insofern könnte vorgesehen werden,dass gerichtlich, auf Antrag der zuständigen Organe desUnternehmens, aus wichtigem Grund ein anderer Wirt-schaftsprüfer bzw. eine andere Wirtschaftsprüfungsge-sellschaft für die prüferische Durchsicht der Quartalsbe-richte bestellt wird.

Von näheren Empfehlungen hierzu sowie zu weiterentechnischen Fragen in diesem Zusammenhang (Vorlage-pflicht und Auskunftsrecht entsprechend § 320 HGB; Erstellung einer Bescheinigung über das Ergebnis derprüferischen Durchsicht entsprechend § 322 HGB; Ver-antwortlichkeit des Prüfers entsprechend § 323 HGB)sieht die Regierungskommission ab.

Die Regierungskommission rät, eine prüferischeDurchsicht der Zwischenberichte durch einen Prüfer/eine Prüfungsgesellschaft, der/die grundsätzlich mitdem Abschlussprüfer für das letzte Geschäftsjahr iden-tisch sein sollte, vorzusehen.

(d) „Unterschlagungsprüfung“

Nach geltendem Recht ist es nicht Aufgabe des Abschlus-sprüfers, systematisch und zielgerichtet eine allgemeinebetriebliche Unterschlagungsprüfung (verstanden in ei-nem weiten Sinne als Untersuchung der Fälschung vonUnterlagen, Veruntreuung oder sonstiger Gesetzes- undSatzungsverstöße), vorzunehmen. Dabei sollte es nachAuffassung der Regierungskommission auch künftigbleiben. Freilich obliegt dem Abschlussprüfer gemäß § 321 Abs. 1 S. 3, 2. Halbsatz HGB eine Redepflicht imHinblick auf Verstöße gegen nicht rechnungslegungsbe-zogene Gesetzesvorschriften, etwa des Gesellschafts-, Ar-beits-, Steuer- und Sozialversicherungsrechts insofern, alser über bei Gelegenheit der Prüfung festgestellte Tatsa-chen, „die schwerwiegende Verstöße der gesetzlichenVertreter oder von Arbeitnehmern gegen Gesetz, Gesell-schaftsvertrag oder Satzung darstellen“, zu berichten hat.Diese Formulierung des Gesetzes wird z. T. kritisiert, weilsie darauf hindeute, der Abschlussprüfer habe im Wegeder Subsumtion zu prüfen, ob festgestellte Tatsachen Ge-setzesverstöße begründeten, mithin u. U. juristisch kom-plexe Fragen zu beantworten, wozu er aufgrund seinerAusbildung nicht befähigt sei. Dies könne zu einer nichtwünschenswerten Zurückhaltung bei der diesbezüglichenBerichterstattung führen. Deshalb sei eine Klarstellung zuempfehlen, dass eine Redepflicht bestehe, wenn Tatsa-chen festgestellt worden sind, „die den Verdacht einesschwerwiegenden Verstoßes der gesetzlichen Vertreteroder von Arbeitnehmern gegen Gesetz, Gesellschaftsver-trag oder die Satzung begründen.“

Gegen diesen Vorschlag ist aber einzuwenden, dass dieÄußerung eines Verdachts im Prüfungsbericht u. U. einVorstandsmitglied schwer belasten kann, insbesonderewenn man in Rechnung stellt, dass die Prüfungsberichteu. U. auch Aufsichtsbehörden, Finanzämtern oder Kredit-instituten vorgelegt werden. Vorzugswürdig ist vor die-sem Hintergrund der Vorschlag, eine Redepflicht künftigbei Feststellung von Tatsachen vorzusehen, die schwerwiegende Verstöße der gesetzlichen Vertreter oder vonArbeitnehmern gegen Gesetz, Gesellschaftsvertrag oderdie Satzung „erkennen lassen“. Zuzustimmen ist überdiesdem Vorschlag, die Darstellung gemäß § 321 Abs. 1 S. 3,2. Halbsatz HGB solle künftig gesondert erfolgen, alsovom eigentlichen Prüfungsbericht abgetrennt und nurdem Aufsichtsrat, nicht aber auch den sonstigen Adressa-ten eines Prüfungsberichts (Aufsichtsämter, Finanzamt,Banken) zugänglich gemacht werden, soweit dies nicht,wie etwa gemäß § 341 k Abs. 3 HGB, gesetzlich vorge-schrieben oder ausdrücklich vertraglich vereinbart ist.Dies dürfte es den Abschlussprüfern künftig erleichtern,positive Feststellungen zu (möglichen) Verstößen gegennicht rechnungslegungsbezogene Gesetzesvorschriftenauch tatsächlich darzustellen, und ihre Bereitschaft zuentsprechender Darstellung erhöhen.

Nicht die Zustimmung der Regierungskommission findethingegen der Vorschlag, eine Redepflicht im Hinblick auffestgestellte Tatsachen, die schwerwiegende Verstöße dergesetzlichen Vertreter oder von Arbeitnehmern gegen Ge-setz, Gesellschaftsvertrag oder die Satzung erkennen lassen, nur vorzusehen, „soweit diese (Verstöße) zu

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bedeutenden Nachteilen für das Unternehmen führen kön-nen.“ Eine derartige Beschränkung der Redepflicht istnicht sachgerecht, da in diesem Fall etwa über eine Steu-erhinterziehung zum Nachteil des Fiskus nicht mehr zuberichten wäre. Gleichfalls abzulehnen ist ferner der Vor-schlag, eine Redepflicht gemäß § 321 Abs. 1 S. 3 HGBnicht mehr in jedem Fall („Negativerklärung“), sondernnur noch bei positiven Feststellungen vorzusehen. DieNegativerklärung ist erst durch das KonTraG eingeführtworden. Wesentliche neue Gesichtspunkte, die eine neu-erliche Änderung oder Abschaffung angezeigt erscheinenließen, haben sich seither nicht ergeben. Bei geeigneterFormulierung der Negativerklärung lässt sich auch derfalsche Eindruck vermeiden, es sei insoweit eine positive,erforschende Prüfung angestellt, und dabei seien keineschwerwiegenden Verstöße festgestellt worden.

Die Regierungskommission empfiehlt, die Berichterstat-tung über nicht rechnungslegungsbezogene Gesetzes- undSatzungsverstöße (§ 321 Abs. 1 S. 3, 2. Halbsatz HGB)künftig in eine vom Prüfungsbericht gesonderte Er-klärung aufzunehmen. In dieser stellt der Abschlussprüferdar, ob bei Durchführung der Prüfung Tatsachen festge-stellt wurden, die schwerwiegende Verstöße der gesetzli-chen Vertreter oder von Arbeitnehmern gegen Gesetz, Ge-sellschaftsvertrag oder die Satzung erkennen lassen. § 321Abs. 5 HGB sollte für diese Erklärung sinngemäß gelten.

4. Gestaltung und Inhalt des Prüfungs-berichts

In mehreren bei der Regierungskommission eingegange-nen Stellungnahmen wird zwecks Verbesserung der In-formation der Aufsichtsräte vorgeschlagen, informati-vere, problemorientiertere Prüfungsberichte als bishervorzusehen. Die Regierungskommission hat insoweitmehrere Maßnahmen in Erwägung gezogen.

(a) Zusatzbericht für Aufsichtsbehörden

Zustimmung verdient insoweit zunächst die Anregung,die Berichterstattung über das Ergebnis der Prüfung desJahresabschlusses von der Berichterstattung gegenüberAufsichtsämtern, etwa der Berichterstattung gemäß § 29KWG i. V. mit der Verordnung über den Inhalt der Prüfungsberichte zu den Jahresabschlüssen und Zwi-schenabschlüssen der Kreditinstitute, zu entkoppeln.Feststellungen im Hinblick auf aufsichtsrechtliche Zu-satzanforderungen an den Inhalt des Prüfungsberichtessollten in einen gesonderten Bericht aufgenommen wer-den. Damit wären neben aufsichtsrechtlichen Anforde-rungen aufgrund Gesetzes oder Verordnung etwa auchsolche erfasst, die sich aufgrund der Anordnung einer Prü-fung nach § 53 des Haushaltsgrundsätzegesetzes ergeben.Die sich daraus ergebende „Entzerrung“ der handels-rechtlichen und der aufsichtsrechtlichen Berichterstattungdes Abschlussprüfers ist sowohl unter dem Gesichtspunktder Übersichtlichkeit als auch unter dem Gesichtspunktdes „fast close“ wünschenswert und sachgerecht. Zum ei-nen wird auf diese Weise die Lesbarkeit der Berichte überdas Ergebnis der Prüfung des Jahresabschlusses erhöht,

die derzeit durch die verlangte Vermischung handels- undaufsichtsrechtlich erforderlicher Darstellungen erheblichbeeinträchtigt ist. Zum anderen wird eine zeitnahe han-delsrechtliche Berichterstattung erleichtert und eine fle-xible, zeitnahe, unterjährige aufsichtsrechtliche Bericht-erstattung ermöglicht.

Die gebotene Information des Aufsichtsrats über das Er-gebnis aufsichtsrechtlicher Prüfungen hat in einem gesonderten Abschnitt des handelsrechtlichen Prüfungs-berichts dergestalt zu erfolgen, dass „wesentliche Fest-stellungen aufsichtsrechtlicher Natur“ mitzuteilen sind.Eine alternativ erwogene Berichterstattung im handels-rechtlichen Prüfungsbericht über „wesentliche Ergeb-nisse des aufsichtsrechtlichen Prüfungsberichts“ solltedagegen nach Auffassung der Regierungskommissionnicht vorgesehen werden, da dies voraussetzt, dass deraufsichtsrechtliche Prüfungsbericht bei Erstellung deshandelsrechtlichen Prüfungsberichts bereits vorliegt, wasdem Ziel der – insbesondere auch zeitlichen – Entkoppe-lung der handelsrechtlichen und aufsichtsrechtlichen Be-richterstattung zuwiderliefe. Bereits fertig gestellte unddemgemäß schriftlich vorliegende aufsichtsrechtliche Be-richte müssen den Aufsichtsratsmitgliedern im Übrigenweiterhin zugeleitet werden.

Die Regierungskommission schlägt vor, die Berichter-stattung über die Prüfung des Jahres(Konzern-)Ab-schlusses (§ 321 HGB) von der Berichterstattung ge-genüber Aufsichtsämtern oder Behörden, die aufbesonderer gesetzlicher oder behördlicher Anordnungberuhen, zu trennen. Im Prüfungsbericht gemäß § 321HGB sollten künftig nur mehr wesentliche Feststellun-gen aufsichtsrechtlicher Natur zusammengefasst mitge-teilt werden. Fertig gestellte aufsichtsrechtliche Prü-fungsberichte sind dem Aufsichtsrat vorzulegen; § 321Abs. 5 HGB sollte entsprechend gelten.

(b) Einschränkung von Berichterstattungs-pflichten; „Bestätigungsbericht“

Ein der Regierungskommission unterbreiteter Vorschlagregt eine Neufassung des § 321 HGB hinsichtlich der in-haltlichen Anforderungen an den Prüfungsbericht an. Die-ser Vorschlag sieht u. a. vor, die Verpflichtung des Prüferszur Aufgliederung und Erläuterung der Posten des Jahres-und Konzernabschlusses gemäß § 321 Abs. 2 S. 3 HGB(sog. „Zahlenfriedhof“) zu beseitigen. Im Gegenzug seieine entsprechende Ausweitung der Berichterstattungs-pflicht des Vorstands anzustreben. Denn es sei Aufgabedes Vorstands, nicht des Abschlussprüfers, den Aufsichts-rat über den Inhalt der Rechnungslegung zu unterrichten.Gegen den Vorschlag wurde aber eingewandt, in der Sa-che sei damit nichts gewonnen, da eine diesbezüglicheBerichterstattung des Vorstands, etwa im Rahmen des § 90 Abs. 1 AktG, doch wiederum durch einen Wirt-schaftsprüfer beurteilt werden müsse. Überdies erhielteder Aufsichtsrat in diesem Fall sachlich zusammen-gehörige Informationen über den Jahresabschluss aus verschiedenen Quellen. Eine daraus resultierende Un-übersichtlichkeit der Berichterstattung über den Jahresab-schluss sei nicht wünschenswert.

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Die Regierungskommission nimmt in Anbetracht diesergewichtigen Gegeneinwände von einer entsprechendenEmpfehlung Abstand.

Ebenso sieht die Regierungskommission keinen hinrei-chenden Grund dafür, den Bestätigungsvermerk des § 322HGB, internationalen Vorbildern folgend, in einen „Be-stätigungsbericht“ umzubenennen. Da der praktischeNutzen einer derartigen Änderung gering sein dürfte,kann die Übernahme internationaler Prüfungs- und Be-richtsgepflogenheiten in diesem Punkt abgewartet wer-den.

5. Teilnahme an der Hauptversammlung undRedepflicht

Nach geltendem Recht ist der Abschlussprüfer gesetzlichzur Teilnahme an der Hauptversammlung nur verpflichtet,wenn ausnahmsweise die Hauptversammlung den Jahres-abschluss feststellt (§ 176 Abs. 2 AktG). Der Aufsichtsratkönnte allerdings im Prüfungsauftrag (§ 111 Abs. 2 S. 3AktG) eine über § 176 Abs. 2 S. 1 AktG hinausgehendeTeilnahmepflicht des Abschlussprüfers begründen. ImÜbrigen kann ihn der Versammlungsleiter zulassen; dieTeilnahme ist praktisch auch üblich, jedenfalls bei deneinschlägigen Tagesordnungspunkten. Nimmt der Ab-schlussprüfer an der Hauptversammlung teil, ist er zuAuskünften an Aktionäre nicht verpflichtet (§ 176 Abs. 2S. 2 AktG). Nach der in der juristischen Literatur vorherr-schenden Ansicht kann er aber auf Fragen von Aktionärenantworten, wenn ihn der Vorstand hierzu im Einzelfalloder generell ermächtigt; eine Rechtspflicht hierzu soll je-doch auch dann nicht bestehen. Dagegen muss der Ab-schlussprüfer Fragen des Vorstands beantworten, soweites um die Prüfung des Jahresabschlusses oder des Lage-berichts geht.

In bei der Regierungskommission eingegangenen Stel-lungnahmen wird gefordert, der Abschlussprüfer müsse injedem Fall an der ordentlichen Hauptversammlung teilnehmen und berechtigte Fragen der Aktionäre beant-worten.

Die Regierungskommission schließt sich dem nicht an.Zwar erscheint es auch außerhalb der Fälle des § 176 Abs. 2 S. 1 AktG als nützlich, wenn der Abschlussprüferzum Beispiel an den Verhandlungen über die Verwendungdes Bilanzgewinns teilnimmt, weil er dadurch Fragen derAktionäre zur Rechnungslegung erfährt und seine Auf-merksamkeit dadurch auf Vorgänge gelenkt werden kann,die er bei der Prüfung bisher nicht besonders beachtet hat.Die Entscheidung hierüber liegt aber primär in seinemVerantwortungsbereich. Überdies kann der Aufsichtsratihn bei der Erteilung des Prüfungsauftrages zur Teilnahmeverpflichten. Der einzurichtenden Kommission zur Ent-wicklung eines „Code of Best Practice“ muss überlassenbleiben zu entscheiden, ob sie dies als Grundsatz guterAufsichtsratspraxis in den Corporate Governance-Kodexaufnimmt.

Eine gesetzliche Teilnahmepflicht ist auch nicht im Hin-blick auf eine gesetzlich vorzusehende Rede- und Aus-

kunftspflicht des Abschlussprüfers gegenüber den Ak-tionären vorzusehen. Eine uneingeschränkte Redepflichtdes Abschlussprüfers kommt schon deshalb nicht in Be-tracht, weil er vor der Erteilung von Auskünften von sei-ner Verschwiegenheitspflicht entbunden werden muss.Die Entscheidung hierüber kann nicht dem Abschlussprü-fer aufgebürdet werden, sondern muss den gesetzlichenVertretern der Gesellschaft überlassen bleiben. Der Vor-stand hat zu entscheiden, ob er sich den Auskunftsbegeh-ren der Aktionäre gemäß § 131 AktG allein stellt, oder ober sich hinsichtlich der Rechnungslegungs- und Prü-fungsfragen der Unterstützung durch den Abschlussprüferversichert.

Die Regierungskommission hat in diesem Zusammen-hang auch die Frage erörtert, ob das durch das KonTraGeingeführte Prinzip, wonach nicht der Vorstand, son-dern der Aufsichtsrat den Prüfungsauftrag erteilt (§ 111Abs. 2 S. 3 AktG), erfordert, dass auch die Befreiungdes Abschlussprüfers von der Verschwiegenheitspflichtdurch den Aufsichtsrat oder den Aufsichtsratsvorsitzen-den statt durch den Vorstand auszusprechen sei. Die Re-gierungskommission vermag sich auch dieser Erwä-gung nicht anzuschließen. In der Hauptversammlung istAdressat der Aktionärsfragen zu Rechnungslegung undAbschlussprüfung der Vorstand, der sich bei der Beant-wortung dieser Fragen der Unterstützung durch den Ab-schlussprüfer versichern können muss. Insgesamt solltees daher bei der bisherigen Regelung bleiben.

6. Verschwiegenheitspflicht gegenüberneuem Abschlussprüfer

Nach dem Vorschlag der britischen Gesellschaftsrechts-Reformkommission soll künftig der Abschlussprüfer, derden letzten Jahresabschluss geprüft hat, von seiner Ver-schwiegenheitspflicht gegenüber dem neuen Abschlus-sprüfer befreit werden. Eine entsprechende Regelung er-scheint auch für das deutsche Recht empfehlenswert; siesollte entsprechend für den (vom Abschluss-prüfer ver-schiedenen) Prüfer des Zwischenabschlusses gelten. Einederartige Regelung erscheint als sachgerecht, um das Da-moklesschwert der Strafbarkeit zu beseitigen, das derzeitüber dem vorigen Abschlussprüfer schwebt, wenn er In-formationen an seinen Nachfolger weitergibt, wie es inder Praxis nicht selten auf informellem Wege geschieht.Eine Befreiung des alten Abschlussprüfers von der Ver-schwiegenheitspflicht dem neuen Prüfer gegenüberkommt freilich erst ab dem Zeitpunkt in Betracht, in demder neue Abschlussprüfer die Wahl durch die Hauptver-sammlung angenommen hat, was in der Praxis zugleichmit der Annahme des Prüfungsauftrages zu geschehenpflegt.

Die Regierungskommission schlägt vor, den Abschluss-prüfer, der den letzten Jahresabschluss geprüft hat, vonseiner Verschwiegenheitspflicht gegenüber dem neuenAbschlussprüfer zu entbinden. Entsprechendes solltefür den Prüfer der Zwischenberichte des letzten Ge-schäftsjahres gelten; ebenso sollte der Konzernab-schlussprüfer dem neuen Konzernabschlussprüfer ge-

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genüber von seiner Verschwiegenheitspflicht freigestelltwerden.

7. Offenlegung von Prüfungsberichten

Der Prüfungsbericht ist Vorstand und Aufsichtsrat vorzu-legen (§ 321 Abs. 5 S. 2 HGB), aber, anders als der Be-stätigungsvermerk (§ 325 HGB), nicht zu veröffentlichenoder zur Einsicht zu hinterlegen. Eine allgemeine Publi-zität des Prüfungsberichts kommt nicht in Betracht, weilzu befürchten wäre, dass er nicht mehr hinreichend infor-mativ und kritisch gestaltet würde. Außerdem könntendurch eine allgemeine Publizität des PrüfungsberichtsGeschäfts- und Betriebsgeheimnisse des geprüften Unter-nehmens bekannt werden.

Wegen der Kenntnisse der Interna des geprüften Unter-nehmens einschließlich Geschäfts- und Betriebsgeheim-nissen unterliegt der Abschlussprüfer einer strengen Ver-schwiegenheitspflicht (§ 323 HGB). Verstöße hiergegensind strafbar (§ 333 HGB). Dem Abschlussprüfer wird imHinblick darauf ein Zeugnisverweigerungsrecht einge-räumt, dem eine Zeugnisverweigerungspflicht des Ab-schlussprüfers entspricht. Die Schweigepflicht bestehtnicht nur der Öffentlichkeit (einschließlich der Hauptver-sammlung der geprüften Gesellschaft, § 176 Abs. 2 AktG) gegenüber, sondern auch gegenüber einzelnen Mit-gliedern des Aufsichtsrates der geprüften Gesellschaftund gegenüber dem Aufsichtsrat der Prüfungsgesell-schaft. Diese umfassende Verschwiegenheitspflicht be-steht zum Beispiel auch dann, wenn ein geprüftes Unter-nehmen in wirtschaftliche Schwierigkeiten geraten odersogar insolvent geworden ist, und in der Presse unbe-gründete Vorwürfe unter anderem gegen den Abschluss-prüfer erhoben werden.

In mehreren bei der Regierungskommission eingegange-nen Stellungnahmen wird vorgeschlagen, bei Insolvenz desgeprüften Unternehmens eine Offenlegung der Prüfungs-berichte zu den letzten drei Jahres-(Konzern-)Abschlüssenvor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens vorzusehen.

Die Regierungskommission nimmt nach eingehenderDiskussion diesen Vorschlag in ihre Empfehlungen auf.Dabei beschränkt sie sich ihrem Auftrag entsprechend aufdie Aktiengesellschaft. Eine Offenlegung der Prüfungsbe-richte der letzten drei Geschäftsjahre vor Eröffnung desInsolvenzverfahrens hat folgende Vorteile: Erstens gibtsie dem Abschlussprüfer die Möglichkeit, falschen Mut-maßungen über eine mangelhafte Prüfung entgegenzutre-ten. Neben dem Schutz dieses persönlichen berechtigtenInteresses des jeweiligen Abschlussprüfers ist dies auchgeeignet, das Vertrauen der Märkte in die Abschlussprü-fung zu festigen. Zweitens besteht besonderer Anlass, dieUnabhängigkeit des Abschlussprüfers in der Phase derUnternehmenskrise vor der Insolvenz gegenüber der Un-ternehmensleitung zu stärken. Die Aussicht auf eine Pu-blikation des Prüfungsberichts im Fall einer Insolvenzmag hierzu beitragen. Denn sie dürfte den Anreiz für denAbschlussprüfer verstärken, in einer Unternehmenskrisebei der Erstellung des Prüfungsberichts besondere Sorg-

falt und Offenheit walten zu lassen. Drittens erscheinteine Offenlegung der Prüfungsberichte auch im Hinblickdarauf richtig und sinnvoll, dass sie die Verfolgung be-gründeter Schadenersatzansprüche ermöglichen kann.

Allerdings muss auch bei einer Offenlegung auf weitereberechtigte Interessen Rücksicht genommen werden. Sosind etwa im Prüfungsbericht zur Rechnungslegung einesKreditinstituts unter Umständen Angaben über Kundendes Kreditinstituts enthalten (vgl. § 29 KWG), die nichtveröffentlicht werden dürfen. Ebenso kann es im Insol-venzfall ein Interesse der Gläubigergesamtheit daran ge-ben, dass verwertbare Betriebs- und Geschäftsgeheim-nisse tatsächlich weiterhin geheim bleiben. DieOffenlegung sollte daher auf die Berichtsteile beschränktwerden, die nach § 321 HGB vorgeschrieben sind. Außer-dem sollte der Insolvenzverwalter als Vertreter derSchuldnerin der Offenlegung widersprechen können, so-weit diese auch Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse be-treffen würde. Die Offenlegung sollte der Gläubigerver-sammlung gegenüber erfolgen (§ 79 InsO); derAbschlussprüfer sollte verpflichtet werden, den Prü-fungsbericht auf Befragen in der Gläubigerversammlungzu erläutern. Nach Auffassung der Regierungskommis-sion sollte die Offenlegung auch auf freiwillig in Auftraggegebene und erstellte Prüfungsberichte erstreckt werden.Soweit erforderlich, sind die Sanktionen für die Verlet-zung der Verschwiegenheitspflicht des Abschlussprüfersund die flankierenden Normen (Zeugnisverweigerungs-recht) bei befugter Offenlegung einzuschränken bzw. an-zupassen.

Die Regierungskommission schlägt eine Offenlegungder Prüfungsberichte bei Insolvenz der geprüften Ge-sellschaft vor. Wenn die Jahres-(Konzern-)Abschlüsseder letzten drei Geschäftsjahre vor der Eröffnung desInsolvenzverfahrens zu prüfen waren oder freiwillig ge-prüft worden sind, sollte der Abschlussprüfer verpflich-tet sein, auf Verlangen der Gläubigerversammlung diein § 321 Abs. 1 S. 2, 3 und Abs. 2 HGB vorgesehenenTeile des Prüfungsberichts zur Einsichtnahme auszule-gen und auf Befragen zu erläutern. Der Insolvenzver-walter sollte einer Offenlegung von Betriebs- und Ge-schäftsgeheimnissen widersprechen können. DieVerschwiegenheitspflicht des Abschlussprüfers, seinZeugnisverweigerungsrecht und die Sanktionen beiVerletzung der Verschwiegenheitspflicht sollten dem an-gepasst werden.

8. Vergütung des Abschlussprüfers

(a) Gebührenordnung

In einzelnen bei der Regierungskommission eingegange-nen Stellungnahmen wird eine gesetzliche Gebührenord-nung für die Abschlussprüfung befürwortet. Dieser Vor-schlag ist vor dem Hintergrund zu sehen, dass derWettbewerb auf dem Markt für Abschlussprüfungen ten-denziell die Gewinne hieraus senkt. Um den daraus entstehenden Anreiz zu mindern, einträgliche sonstige

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Beratungsdienstleistungen anzubieten und eine – unterUmständen in ihrer Unabhängigkeit beeinträchtigte – Abschlussprüfung als Entreebillet hierfür zu nutzen, soll-ten, so die Erwägung, die Einkommen aus der Abschluss-prüfung durch eine Gebührenordnung stabilisiert werden.

Die Regierungskommission kann sich dieser Argumenta-tion nicht anschließen. Eine Gebührenordnung mag zweck-mäßig sein, wo Verbraucher Qualität und Schwierigkeit ei-ner von ihnen in Anspruch genommenen Dienstleistungnicht einzuschätzen vermögen, wo die Leistung in ihrerQualität grundsätzlich nicht von der Höhe eines vereinbar-ten Honorars abhängen soll, und überdies nicht Gesprächeüber das Honorar die Beziehungen zwischen dem Anbieterund dem Nachfrager der Leistung belasten sollen. Nachteiljeder Gebührenordnung ist freilich, dass sie einen wesent-lichen Wettbewerbsparameter ausschaltet und dadurch derpreissenkende Effekt des Wettbewerbs vermindert wird.

Im Verhältnis zwischen Kapitalgesellschaft und Ab-schlussprüfer bedarf es keines Mandantenschutzes. In An-betracht dessen wäre es wettbewerbspolitisch verfehlt,Abschlussprüfern über eine Gebührenordnung ein gefes-tigtes Einkommen zu verschaffen und insoweit den Gebührenwettbewerb auszuschalten. Die Qualität derLeistung des Abschlussprüfers gegenüber Aufsichtsrat,Unternehmensbeteiligten und Kapitalmarkt muss durchVorteile aus dem Aufbau von Reputation, durch Verhal-tensstandards, peer review-Verfahren und notfalls durchHaftung gesichert werden. Interessenkonflikten aus derKombination von Abschlussprüfung und prüfungsnahenBeratungsdienstleistungen ist gleichfalls auf anderemWege entgegenzutreten6.

(b) Zuständigkeitsfragen

In der Praxis wird offenbar nach wie vor das Prüferhono-rar nicht selten zwischen dem Vorstandsvorsitzenden oder Finanzvorstand und dem Abschlussprüfer ausge-handelt, obwohl seit Inkrafttreten des KonTraG der Auf-sichtsrat den Prüfungsauftrag erteilt (§ 111 Abs. 2 S. 2 AktG) und damit auch für die Honorarvereinbarungzuständig ist. Nicht selten wird dies auch vom Aufsichts-ratsvorsitzenden ohne entsprechende Entscheidung desAufsichtsrats erledigt. Gerade in diesem Punkt ist aber,ungeachtet der zivilrechtlichen Folgen solcher Verstöße,die Beachtung der aktienrechtlichen Zuständigkeitsvor-schriften von besonderer Bedeutung, da allen Beteiligtenbewusst sein sollte, dass allein der Aufsichtsrat über denPrüfungsauftrag einschließlich des Honorars hierfür zuentscheiden hat, und er allein den Auftraggeber des Ab-schlussprüfers repräsentiert. Der Aufsichtsratsvorsit-zende kann ermächtigt werden, eine Entscheidung desAufsichtsrats auszuführen.

Es empfiehlt sich, im „Code of Best Practice“ daraufhinzuweisen, dass der Aufsichtsrat dem Abschlussprüferden Prüfungsauftrag erteilt und die Honorarvereinba-rung trifft.

Wie bei allen im Corporate Governance-Kodex wiederge-gebenen Vorschriften des zwingenden Rechts ist deutlichdarauf hinzuweisen, dass Abweichungen nicht zulässigsind.

9. Prüferhaftung

(a) Haftungsobergrenze

Der Vorschlag, die Haftungsobergrenzen des § 323 Abs. 2HGB (DM 2 Millionen für eine Prüfung; bei Gesellschaf-ten mit amtlich notierten Aktien DM 8 Millionen) anzu-heben, wurde von der Regierungskommission verworfen,weil diese Obergrenzen erst durch das KonTraG 1998 an-gehoben worden sind. Ein dringender Bedarf für eine wei-tere Anhebung hat sich seither nicht gezeigt.

(b) Vertretung der Gesellschaft

Angeregt wurde des Weiteren, insbesondere im Hinblickauf Schadenersatzprozesse, in Anlehnung an § 112 AktGausdrücklich im Aktiengesetz vorzusehen, dass dem Ab-schlussprüfer gegenüber der Aufsichtsrat die Gesellschaftgerichtlich und außergerichtlich vertritt. Die Regierungs-kommission ist demgegenüber der Auffassung, dass essich bei der Vertretung der Gesellschaft dem Abschlus-sprüfer gegenüber, einschließlich der Vertretung in Scha-denersatzprozessen der Gesellschaft gegen den Abschlus-sprüfer vor und während des Insolvenzverfahrens, umRechtsfragen handelt, die der Erörterung in der wissen-schaftlichen Literatur und der Entscheidung durch die Ge-richte überlassen bleiben sollten.

10. Die Unabhängigkeit des Abschlussprüfers

(a) Allgemeines

Die auf die Aktionäre und Gläubiger des Unternehmensund auf den Kapitalmarkt bezogenen Aufgaben des Ab-schlussprüfers gebieten dessen Unabhängigkeit von dergeprüften Gesellschaft und deren Vorstand. Das deutscheRecht enthält insoweit zwar bereits weitgehende Vorkeh-rungen, die diese Unabhängigkeit sicherstellen sollen; ins-besondere die Inkompatibilitätsvorschriften des § 319Abs. 2 bis 4 HGB, die Generalklausel des § 49 WPO, dieergänzenden Vorschriften der Berufssatzung der Wirt-schaftsprüfer und die Möglichkeit der Abberufung gemäߧ 318 Abs. 3 HGB. International hat sich jedoch in denvergangenen Jahren, auch als Folge des Strukturwandelsund der veränderten Angebotspalette der Wirtschaftsprü-fungsgesellschaften, zunehmend die Notwendigkeit ge-zeigt, die Unabhängigkeit der Abschlussprüfer zu betonenund die entsprechenden Regulierungen zu verstärken.Insbesondere ist insoweit auf das von der US-amerikani-schen Wertpapieraufsicht entwickelte Regelwerk (S.E.C.„Final Rule: Revision of the Commission’s Auditor Inde-pendence Requirements“ vom 5. Februar 2001), den Ent-wurf eines überarbeiteten Ethik-Kodex zur Unabhängig-keit von Abschlussprüfern der „International Federationof Accountants“ (IFAC) vom April 2001 und auf das Kon-6 Unten Rdz. 302 ff.

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sultationspapier der EU-Kommission zur Unabhängigkeitder Abschlussprüfer vom 15. Dezember 2000 zu verwei-sen. In Anbetracht dieser noch im Fluss befindlichen Ent-wicklung hat die Regierungskommission zwar von Emp-fehlungen zu Detailfragen abgesehen und sich aufGrundfragen beschränkt. Sie ist aber, wie sich aus dennachstehenden Erwägungen und Vorschlägen ergibt, derAuffassung, dass die Vorschriften des geltenden Rechts,die die Unabhängigkeit des Abschlussprüfers sicherstel-len und damit die Verlässlichkeit der Prüfung und das Ver-trauen des Kapitalmarkts hierauf stärken sollen, einer An-passung bedürfen.

(b) „Unabhängigkeitserklärung“

Die Regierungskommission hat zunächst erörtert, ob sichdie Einführung einer „Unabhängigkeitserklärung“ emp-fiehlt. Zweck einer solchen Erklärung wäre es, dem Prü-fer seine Pflichten in diesem Punkt nachdrücklich vor Augen zu halten. Die Aufnahme einer derartigen formel-haften Erklärung in den Bestätigungsvermerk empfiehltsich nach Auffassung der Regierungskommission nicht.Befürwortet wird hingegen, eine Unabhängigkeitser-klärung des zur Wahl vorgesehenen Abschlussprüfers ge-genüber dem Aufsichtsrat oder, soweit vorhanden, einemPrüfungsausschuss (audit committee) vor Abgabe desWahlvorschlags gemäß § 124 Abs. 3 S. 1 AktG vorzuse-hen. In dieser Erklärung sollte sich der vorgesehene Prü-fer/die Prüfungsgesellschaft zur Inkompatibilität, zu allenberuflichen, finanziellen und familiären Beziehungenzwischen ihm/ihr und der Gesellschaft und verbundenenUnternehmen, welche die Besorgnis der Befangenheit be-gründen könnten, sowie zu Art und Umfang der Nicht-prüfungsleistungen für die Gesellschaft zu äußern haben.Es empfiehlt sich, eine entsprechende Verpflichtung zurAbgabe einer Unabhängigkeitserklärung gegenüber demAufsichtsrat bzw. einem Prüfungsausschuss gesetzlich – und damit für alle prüfungspflichtigen Gesellschaftenmit Aufsichtsrat – festzulegen. Eine bloße Empfehlung imkünftigen Corporate Governance-Kodex für börsenno-tierte Gesellschaften erscheint nicht als ausreichend.Denn die Frage der Unvoreingenommenheit und Unab-hängigkeit des Abschlussprüfers stellt sich nicht nur beibörsennotierten, sondern bei allen prüfungspflichtigenGesellschaften. Freilich betrifft eine gesetzliche Er-klärungspflicht des Prüfers gegenüber dem Aufsichtsratnur die prüfungspflichtigen Unternehmen, die über einenAufsichtsrat verfügen.

Neben der Einführung einer gesetzlichen Erklärungs-pflicht des Prüfers zu seiner Unabhängigkeit dem Auf-sichtsrat eines prüfungspflichtigen Unternehmens bzw.einem Prüfungsausschuss gegenüber befürwortet die Re-gierungskommission zudem jedenfalls für die Über-gangszeit bis zum Inkrafttreten einer diesbezüglichen ge-setzlichen Regelung die Aufnahme einer entsprechendenRegelung in den künftigen Corporate Governance-Kodexfür börsennotierte Gesellschaften. Eine solche Kodex-Empfehlung sollte dabei um einen klarstellenden Zusatzergänzt werden, dass im Zuge einer künftigen Überarbei-tung des Handelsgesetzbuches eine gesetzliche Pflicht

des (vorgesehenen) Abschlussprüfers zur Abgabe einerUnabhängigkeitserklärung – für alle prüfungspflichtigenUnternehmen mit Aufsichtsrat – eingeführt werden sollte.Ohne einen solchen Zusatz könnte eine gesetzliche Rege-lung angesichts einer bereits bestehenden Kodex-Emp-fehlung möglicherweise als nicht (mehr) erforderlich er-achtet werden. Eine Regelung der Frage im Kodexerscheint im Übrigen nicht nur zur Überbrückung desZeitraums bis zum Inkrafttreten einer gesetzlichen Rege-lung als sinnvoll. Eine Kodex-Empfehlung erlaubt aucheine eingehendere Regelung der Thematik. Während sicheine gesetzliche Regelung darin erschöpfen wird, eineUnabhängigkeitserklärung des (vorgesehenen) Prüfersdem Aufsichtsrat bzw. einem Prüfungsausschuss gegen-über vorzuschreiben, könnte eine Kodex-Empfehlung da-rüber hinaus insbesondere auch Grundsätze zur Frage derVerwertung der aufgrund einer solchen Erklärung gewon-nenen Informationen durch den Aufsichtsrat bzw. einenPrüfungsausschuss festlegen.

Neben der Abgabe einer Unabhängigkeitserklärung des(vorgesehenen) Abschlussprüfers gegenüber dem Auf-sichtsrat bzw. einem Prüfungsausschuss vor Abgabe desWahlvorschlags sollte der künftige Corporate Governance-Kodex dem Aufsichtsrat ferner als Best Practice empfeh-len, bei Erteilung des Prüfungsauftrages (§ 111 Abs. 2 S. 3AktG) zu vereinbaren, dass während des Mandats auftre-tende Inkompatibilitäts- oder Befangenheitsgründe sofortdem Aufsichtsratsvorsitzenden mitzuteilen sind.

Die Regierungskommission empfiehlt, im Handelsge-setzbuch festzulegen, dass sich der zur Wahl vorgese-hene Abschlussprüfer in prüfungspflichtigen Gesell-schaften mit Aufsichtsrat diesem oder seinemPrüfungsausschuss gegenüber zu solchen Umständen(berufliche, finanzielle und familiäre Beziehungen zurGesellschaft, ihren Or-ganmitgliedern und verbunde-nen Unternehmen) zu erklären hat, die die Besorgnisder Befangenheit begründen könnten. Jedenfalls bis zurEinführung einer solchen gesetzlichen Pflicht empfiehltsich eine entsprechende Vorkehrung in dem zu ent-wickelnden Corporate Governance-Kodex für börsen-notierte Gesellschaften. Dieser sollte auch vorsehen,dass während des Mandats auftretende Inkompatibi-litäts- oder Befangenheitsgründe sofort dem Aufsichts-ratsvorsitzenden mitzuteilen sind.

(c) Verbot einzelner Nichtprüfungsleistungen

Ein Verbot bestimmter Beratungsleistungen des Abschlus-sprüfers, etwa der – in den USA untersagten – Unterneh-mensbewertung und der Erstellung von Werthaltigkeits-bescheinigungen, wird von der Regierungskommissionangesichts der noch nicht abgeschlossenen Meinungsbil-dung in IFAC und EU nicht befürwortet. Der einzurich-tenden Kodex-Kommission wird jedoch empfohlen, dieangekündigten IFAC-Vorschläge und das Konsultations-papier der EU-Kommission darauf zu prüfen, inwieweitdie dort erörterten bzw. empfohlenen Regelungen in denKodex aufgenommen werden sollten.

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(d) Genehmigung von Nichtprüfungsleistun-gen durch den Aufsichtsrat

Die Regierungskommission lehnt den Vorschlag ab, die Er-teilung eines Auftrags zu Nichtprüfungsleistungen an denAbschlussprüfer/die Abschlussprüfungsgesellschaft durchden Vorstand gesetzlich der Zustimmung des Aufsichts-rats zu unterwerfen. Dem Aufsichtsrat ist es unbenom-men, im Rahmen des § 111 Abs. 4 S. 2 AktG einen ent-sprechenden Zustimmungsvorbehalt festzulegen. DerEinführung einer gesetzlichen Zustimmungspflicht be-darf es daher nicht.

(e) Gesamtvolumen sonstiger Beratungs-leistungen

Nach Auffassung der Regierungskommission ist eine Be-grenzung der Einnahmen des Prüfers aus der Beratung desUnternehmens auf einen bestimmten Anteil an der Ge-samthonorarsumme sachgerecht. Eine entsprechende Ver-einbarung über eine solche Deckelung kann der Auf-sichtsrat bereits jetzt bei Erteilung des Prüfungsauftragstreffen. Der einzurichtenden Kommission zur Entwick-lung eines Corporate Governance-Kodex ist im Übrigenunbenommen, eine diesbezügliche Empfehlung vorzuse-hen. Die Regierungskommission spricht im Hinblick aufden laufenden Beratungsprozess auf internationalerEbene in diesem Punkt keine Empfehlung für eine ge-setzliche Regelung oder im Corporate Governance-Ko-dex aus.

(f) Offenlegung der Vergütungen

Die Regierungskommission hat eingehend die Frage erör-tert, ob sich eine Offenlegung der Vergütungen aus Prü-fungs- und Nichtprüfungsleistungen gegenüber der Öf-fentlichkeit empfiehlt. In den USA sind die Honorare fürPrüfungs- und Nichtprüfungsleistungen der SEC gegen-über offen zu legen; die dort eingereichten Unterlagensind öffentlich einsehbar. Ähnlich sieht die Empfehlungder EU eine Offenlegung der Vergütungen nach außen,gegenüber dem Kapitalmarkt vor („public disclosure“),wobei die Einzelbeträge, die für Abschlussprüfung undsonstige Dienstleistungen bezogen worden sind, aufge-gliedert sein müssten, und zwar für das laufende Jahr unddas Vorjahr. Sind mehrere Beratungsleistungen erbrachtworden, müssten auch diese aufgeschlüsselt werden.Über die Form der Offenlegung sagt die EU-Empfehlungnichts.

Die Regierungskommission hat mehrere Alternativen er-wogen. Eine Offenlegung könnte im Anhang zum Jahres-abschluss (§ 285 HGB) bzw. zum Konzernabschluss (§ 315 HGB) erfolgen. Dort wäre eine Aufgliederung dervom Abschlussprüfer/der Prüfungsgesellschaft im ge-prüften Jahr und im Vorjahr bezogenen Vergütungen ausder Abschlussprüfung einerseits und aus sonstigen Verträ-gen mit der Gesellschaft bzw., im Fall des § 314 HGB,verbundenen Unternehmen andererseits einschließlich einer Angabe der Art der erbrachten Leistungen vorzu-nehmen.

Eine derartige Transparenz der Vergütungen erschienezwar geeignet, das Vertrauen in die Unabhängigkeit undUnvoreingenommenheit des Abschlussprüfers zu stärkenund der Besorgnis der Befangenheit vorzubeugen. Ande-rerseits sind gegen eine derartig weitreichende Kapital-marktpublizität doch Einwände zu erheben. Zunächst ein-mal ist bei einer Offenlegung der Vergütungshöhe für dieAbschlussprüfung nicht von der Hand zu weisen, dasseine derartige Offenlegung tendenziell einen preissenken-den Effekt haben dürfte, was wiederum negative Auswir-kungen auf die Qualität der Prüfung nach sich ziehenkönnte. Internationale Erfahrungen bestätigen dies. Es istauch fraglich, ob sich aus der bloßen absoluten Vergü-tungshöhe, die schließlich von mancherlei Faktoren be-einflusst sein kann, verlässliche Rückschlüsse auf die(mangelnde) Unabhängigkeit der Prüfer ziehen ließen.Hinzu kommt, dass dem Vorschlag, eine Offenlegung derVergütungen des Prüfers für alle prüfungspflichtigen Un-ternehmen, und damit insbesondere auch für mittelständi-sche Unternehmen, vorzuschreiben, wie dies die Empfeh-lung der EU nach derzeitigem Stand vorsieht, keinesfallsgefolgt werden sollte. Einer künftigen Empfehlung derEU-Kommission wird, anders als einer Richtlinie, keineBindungswirkung gegenüber den Mitgliedstaaten zukom-men, weshalb einer mitgliedstaatlichen Beschränkung aufkapitalmarktorientierte Unternehmen nichts entgegen-steht. Eine derartige Beschränkung, die namentlich denMittelstand vor zusätzlichen Belastungen schützt, ist auchsachgerecht, weil es allenfalls bei kapitalmarktorientier-ten Unternehmen eines Schutzes der Anteilsinhaber undInvestoren durch Offenlegung von Informationen zur Un-abhängigkeit des Abschlussprüfers im Anhang bedarf. Innicht kapitalmarktorientierten Unternehmen können sichdie Anteilsinhaber die entsprechenden Informationenohne weiteres in der Gesellschafterversammlung ver-schaffen; Aufsichtsratsmitglieder und Kreditgeber habengleichfalls Zugang hierzu.

Im Hinblick auf diese Erwägungen erscheint es vorzugs-würdig, anstelle einer Offenlegung gegenüber der Öffent-lichkeit eine Offenlegung der Vergütungen des Abschluss-prüfers aus Prüfungs- und Nichtprüfungsleistungengegenüber dem Aufsichtsrat vor Abgabe des Wahlvor-schlags vorzusehen und den Prüfer zudem zur Informa-tion des Aufsichtsrats über zusätzliche Nichtprüfungsauf-träge zu verpflichten, die ihm unter dem Jahr vomVorstand erteilt werden7. Darüber hinaus sollte vorgese-hen werden, dass der Aufsichtsrat im Rahmen seines Berichts an die Hauptversammlung nach § 171 Abs. 2AktG über das Verhältnis der Vergütungen des Abschluss-prüfers aus Prüfungsleistungen und Nichtprüfungslei-stungen – also nicht über die jeweilige absolute Vergü-tungshöhe – zu berichten und sich außerdem zu der Fragezu erklären hat, ob nach seiner Auffassung die Unabhän-gigkeit des Prüfers gefährdet ist. Eine Offenlegung derPrüfervergütungen aus Prüfungs- und Nichtprüfungsleis-tungen gegenüber dem Aufsichtsrat erscheint insofern

7 Vgl. bereits die Empfehlungen zur generellen „Unabhängigkeitser-klärung“ oben Rdz. 303.

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sachgerecht, als der Aufsichtsrat den Prüfungsauftrag er-teilt und das Prüferhonorar aushandelt. Der Aufsichtsratist eher dazu berufen, die Unabhängigkeit des Prüfers zubeurteilen als die Hauptversammlung.

Die Regierungskommission spricht sich dafür aus, dassdem Aufsichtsrat vor seinem Wahlvorschlag an dieHauptversammlung die Art und die Vergütungen desvorgesehenen Abschlussprüfers aus Prüfungs- undNichtprüfungsleistungen in dem der Abschlussprüfungvoraufgegangenen Geschäftsjahr darzulegen sind.Ferner sollte der Abschlussprüfer verpflichtet werden,den Aufsichtsrat über zusätzliche Nichtprüfungsauf-träge zu unterrichten, die ihm während der Prüfungvom Vorstand erteilt werden. Darüber hinaus sollte vor-gesehen werden, dass der Aufsichtsrat im Rahmen seines Berichts an die Hauptversammlung nach § 171Abs. 2 AktG über das Verhältnis der Vergütungen desAbschlussprüfers aus Prüfungsleistungen und Nicht-prüfungsleistungen zu berichten und außerdem zu er-klären hat, ob nach seiner Auffassung die Unabhängig-keit des Prüfers in Zweifel zu ziehen ist.

III. Aufsichtsrat und Abschlussprüfung

Die Regierungskommission hat eingehend die Frage erör-tert, wie der Umgang des Aufsichtsrats mit den Ergebnis-sen der Abschlussprüfung verbessert werden könnte, undhierzu eine Reihe von Einzelvorschlägen erwogen. Wennnach den Empfehlungen der Regierungskommission dergesetzliche Rahmen nicht wesentlich verändert werdenmuss, bedeutet dies nicht, dass sich nicht doch in der prak-tischen Umsetzung Verbesserungen erzielen ließen, not-falls unterstützt durch Empfehlungen in einem Code ofBest Practice. Die wesentlichen Überlegungen dazu fin-den sich im Folgenden.

1. Qualifikation der Aufsichtsratsmitglieder

Die Besetzung des Aufsichtsrats mit qualifizierten, sach-kundigen Mitgliedern, die persönlich über ausreichendeZeit für die ihnen übertragene Überwachungsaufgabe ver-fügen und die die hierfür erforderlichen Fähigkeiten, dienotwendigen Kenntnisse und fachliche Erfahrungen mit-bringen, stellt die wesentliche Voraussetzung für eine ef-fektive Aufsichtsratsarbeit dar8. Da der Aufsichtsrat unteranderem den Jahresabschluss und den Lagebericht sowiegegebenenfalls den Konzernabschluss und den Konzern-lagebericht zu prüfen hat (§ 171 Abs. 1 AktG), muss ge-währleistet sein, dass die hierfür erforderlichen Kennt-nisse im Aufsichtsrat vorhanden sind. Das kann freilichnicht bedeuten, dass Aufsichtsratsmitglieder über eineähnliche Sachkunde und Kenntnisse wie ein Abschluss-prüfer verfügen müssten, da der Abschlussprüfer geradeals Hilfsorgan des Aufsichtsrats seine besondere Qualifi-kation einsetzen und den Aufsichtsrat bei seiner Aufgabein dieser Beziehung unterstützen und ergänzen soll. Al-

lerdings steht es jedem Unternehmen natürlich frei, sei-nerseits im Interesse einer Professionalisierung der Auf-sichtsratstätigkeit hierüber hinauszugehen und z. B. beientsprechender Größe des Aufsichtsrats für einzelne Mit-glieder eine formale Qualifikation in den Bereichen Rech-nungslegung und Abschlussprüfung zu fordern. Eine all-gemeine Regelung in diesem Sinne, sei es imAktiengesetz, sei es in einem Code of Best Practice,kommt aber nach Auffassung der Regierungskommissionnicht in Betracht.

Wohl aber ist von den Aufsichtsratsmitgliedern eine hin-reichende Sachkunde („financial literacy“) zu fordern, diees ihnen ermöglicht, sich auf der Grundlage von Jahres-abschluss und Lagebericht bzw. Konzernabschluss undKonzernlagebericht sowie des Prüfungsberichts des Ab-schlussprüfers und seiner mündlichen Erläuterungenhierzu ein den tatsächlichen Verhältnissen entsprechendesBild der Vermögens-, Finanz- und Ertragslage der Gesell-schaft entsprechendes Bild zu verschaffen. Diese persön-liche Sachkunde jedes einzelnen Aufsichtsratsmitgliedsist auch nicht etwa dann zu entbehren, wenn im Einzelfallim Aufsichtsrat Mitglieder mit besonderen Kenntnissen inden Bereichen Rechnungslegung und Abschlussprüfungvertreten sind, oder der Aufsichtsrat über einen Prüfungs-ausschuss verfügt. Dies alles braucht allerdings nach Auf-fassung der Regierungskommission nicht als persönlicheQualifikation aller Aufsichtsratsmitglieder im Aktienge-setz niedergelegt zu werden, weil es sich mittelbar bereitsaus § 171 AktG und der persönlichen Verantwortung je-des einzelnen Aufsichtsratsmitglieds für die von ihmübernommene Aufgabe ergibt.

Die Regierungskommission hat sodann die Frage erörtert,ob es sich empfiehlt, dass eine einschlägige Vorbildung undErfahrung der Aufsichtsratsmitglieder im Wahlvorschlagund/oder z. B. im Geschäftsbericht offen gelegt werdensollte. Sie sieht von einer entsprechenden Empfehlung ab.Eine formale Vorbildung (Schulung z. B.) kann ebenso we-nig in jedem Fall erwartet werden wie einschlägige Erfah-rungen bei den neu zu wählenden Aufsichtsratsmitgliedern.Wichtiger als die Offenlegung formaler Qualifikationenund Erfahrungen erscheint, dass darauf geachtet wird, dassbei Ergänzung des Aufsichtsrats durch neue Mitglieder dieerforderliche Sachkunde und Erfahrung, die einzelnen neuhinzutretenden Mitgliedern im Einzelfall noch fehlen mag,im Übrigen im Aufsichtsrat vorhanden ist, und dass die neuhinzutretenden Mitglieder befähigt und bereit sind, notfallsdie erforderlichen und noch fehlenden Kenntnisse umge-hend hinzuzuerwerben.

Die Regierungskommission regt an, in den CorporateGovernance-Kodex folgende Empfehlung aufzuneh-men: „Bei den Wahlvorschlägen an die Hauptversamm-lung achten die Aufsichtsratsmitglieder der Aktionäredarauf, dass die Mitglieder des Aufsichtsrats über dieje-nigen Fähigkeiten, Kenntnisse und fachlichen Erfah-rungen verfügen, die für eine ordnungsgemäße Erfül-lung der Aufgaben des Aufsichtsrats erforderlich sind.“

Diese Empfehlung lässt zu, auf die Kenntnisse und Er-fahrungen aller, auch der bereits vorhandenen Aufsichts-ratsmitglieder abzustellen, sofern der einzelne zur Wahl8 Dazu bereits oben Rdz. 52 ff.

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vorgeschlagene Bewerber befähigt und bereit ist, sich um-gehend die zur Mitwirkung bei der Aufgabenerfüllung er-forderlichen besonderen Kenntnisse, auch soweit sie inden Bereich der Rechnungslegung betreffen, anzueignen.

In der Sache umfasst dies auch die Arbeitnehmervertreterim Aufsichtsrat. Die Regierungskommission verzichtetinsoweit aber darauf, die Empfehlung in einem CorporateGovernance-Kodex auch auf Wahlvorschläge für Arbeit-nehmervertreter zu erstrecken, weil etwa gemäß § 15 Mit-bestG solche Wahlvorschläge von unterschiedlichen Ar-beitnehmergruppen unterbreitet werden können, an diesich ein Code of Best Practice nicht richtet. In der Praxiswird die für die Aufsichtsratsarbeit erforderliche Qualifi-kation der Arbeitnehmervertreter durch entsprechendeSchulungen sichergestellt, soweit sie nicht bereits auf-grund entsprechender Ausbildung und Erfahrung vorhan-den ist.

2. Prüfungsausschüsse

(a) Einrichtung, Besetzung, Aufgaben

Prüfungsausschüsse haben ihren Ursprung in den angel-sächsischen Ländern mit Verwaltungsratsmodell. Das„Audit Committee“ ist dort ein ständiger Ausschuss desBoard of Directors. Wegen der im Verwaltungsratsmodellnicht vorgesehenen institutionalisierten Trennung vonGeschäftsführung und ihrer Überwachung soll die Ein-richtung eines mit unabhängigen Boardmitgliedern be-setzten „Audit Comittee“ neben anderem die Unabhän-gigkeit des von diesem Ausschuss zu bestellendenAbschlussprüfers stärken und damit die Überwachung derGeschäftsleitung verbessern. Auf der Grundlage der Emp-fehlungen des „Blue Ribbon Committee on Improving theEffectiveness of Corporate Audit Committees“ hat dieUS-amerikanische Kapitalmarktaufsichtsbehörde SEC1999 neue Regeln hierfür erlassen; die daran angepasstenBörsenordnungen schreiben für börsengelistete amerika-nische Unternehmen zwingend die Einrichtung von AuditCommittees mit entsprechender Besetzung und Aufga-benstellung vor.

Für deutsche Unternehmen besteht zunächst einmal we-gen der anderen Unternehmensverfassung weniger Anlasszur Einrichtung unabhängiger Unterausschüsse, weil hiermit der personellen und institutionellen Trennung zwi-schen Vorstand und Aufsichtsrat von vorneherein die Un-ternehmensleitung von ihrer Überwachung und Kontrollegelöst ist. Insofern bewegt sich eher das angelsächsischeBoardmodell im Sinne einer Konvergenz auf eine dualis-tische Unternehmensverfassung zu. Dementsprechendsind besondere Prüfungsausschüsse auch in großen deut-schen Gesellschaften nicht sehr verbreitet; teilweise wer-den ihre Aufgaben von anderen Aufsichtsratsausschüssen(Präsidialausschuss; Finanzausschuss) miterledigt.

Gleichwohl kann sich die Einrichtung eines Prüfungsaus-schusses auch in der dualistischen Unternehmensverfas-sung aus folgenden Gründen als vorteilhaft erweisen: DasAufsichtsratsplenum wird von der Aufgabe der notwen-

dig eingehenden und zeitnahen Prüfung gemäß § 171AktG entlastet. Die Einrichtung eines Prüfungsausschus-ses fördert eine kontinuierliche und zeitnahe Sacharbeitdes Aufsichtsrats, die im Hinblick auf die Tendenz zum„Fast Close“ als wünschenswert erscheint. Insbesondereeröffnet sich hier die Möglichkeit, den durch die Aus-schussmitglieder vertretenen Aufsichtsrat bereits vorendgültiger Aufstellung von Jahres-(Konzern-)Ab-schluss und (Konzern-)Lagebericht einzubeziehen, so-dass dieser nicht nur mit Abschlüssen befasst wird, die bereits feststehen. Die Einrichtung eines Prüfungsaus-schusses fördert die Entwicklung und den Einsatz spezi-eller Kenntnisse von Aufsichtsratsmitgliedern in diesemBereich; dies dürfte die Vor- und Aufbereitung der Mate-rialien für die Aufsichtsratsarbeit positiv beeinflussen.Insgesamt wird dadurch das Informations- und Kompe-tenzgefälle zwischen Vorstand und Aufsichtsrat weiter re-duziert. Schließlich mag die Einführung eines „AuditCommittee“ nach internationalem Vorbild auch die ver-breitete Kritik am dualistischen System der deutschenUnternehmensverfassung eindämmen helfen.

Auf der anderen Seite dürfen mit einer Ausschussbildungmöglicherweise verbundene Nachteile nicht übersehenwerden. Allgemein kann die Einsetzung eines Ausschus-ses dazu führen, dass die nicht dem Ausschuss an-gehörenden Mitglieder sich um die dort zu behandelndenwichtigen Fragen überhaupt nicht mehr kümmern, auchwenn jedes Aufsichtsratsmitglied an den Verhandlungendes Ausschusses teilnehmen kann (§ 109 Abs. 2 AktG),und es bei der Gesamtverantwortung des Aufsichtsrateshierfür in jedem Falle bleibt (§ 107 Abs. 3 AktG i. V. m. § 171 AktG). Je nach der Lage des Unternehmens kann esaber erforderlich sein, dass sich jedes Aufsichtsratsmit-glied intensiv mit der Rechnungslegung und -prüfung undden dadurch vermittelten Informationen über die Ertrags-und Finanzlage des Unternehmens und seine Risikoexpo-sition befasst. Letzteres wird freilich durch die Einrich-tung eines Prüfungsausschusses nicht geradezu ausge-schlossen, weil der Gesamtaufsichtsrat dessen Aufgabenjederzeit wieder an sich ziehen kann.

Die Regierungskommission sieht in Anbetracht dieserund der folgenden Erwägungen davon ab, eine gesetzlicheRegelung vorzuschlagen, wonach Aufsichtsräte ab einerbestimmten Größe Prüfungsausschüsse einrichten müs-sen. Eine gesetzliche Verpflichtung würde zu einer geradehier nicht wünschenswerten Beschränkung der notwendi-gen Organisationsflexibilität führen und überdies erhebli-che Abgrenzungsfragen aufwerfen: Ab welcher Auf-sichtsratsgröße sollte ein Prüfungsausschuss vorgesehenwerden; ist hier außerdem auf die Unternehmensgröße,die Rechtsform des Unternehmens, die Konzernabhän-gigkeit oder weitere Kriterien abzustellen? Wie ist derAufsichtsrat zu besetzen; wann sollte das Plenum seineAufgaben wieder an sich ziehen müssen oder dürfen? Dieeinzurichtende Kommission zur Entwicklung eines Cor-porate Governance-Kodex wird zu prüfen haben, ob sieinsoweit geeignete Kriterien hierfür zu entwickeln ver-mag und Empfehlungen zu Einrichtung, Größe, Zusam-mensetzung, zu den Aufgaben und der Arbeitsweise eines

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solchen Ausschusses sowie zu seiner Zusammenarbeitmit interner Revision und Abschlussprüfer ausspricht,oder ob sie sich darauf beschränkt, jenseits der bereits ge-setzlich vorgesehenen Berichterstattung an die Hauptver-sammlung (§ 171 Abs. 2 S. 2 AktG) eine weitergehendePublizität hierzu, zum Beispiel im Geschäftsbericht derGesellschaft, anzuregen. Das gilt auch für den Vorschlag,ein Prüfungsausschuss solle einmal im Jahr in Abwesen-heit des Vorstands tagen.

(b) Aufsichtsratsplenum und Prüfungs-ausschuss

Nach geltendem Recht (§ 107 Abs. 3 AktG i.V. mit § 171AktG) kann ein Prüfungsausschuss im Wesentlichen nurvorbereitend tätig werden. Der Ausschuss muss dem Ple-num über die Ergebnisse seiner Arbeit mündlich oderschriftlich berichten und kann dabei Beschlussempfeh-lungen aussprechen.

Aus den bereits oben angeführten Gründen empfiehlt dieRegierungskommission nicht, an dieser zwingenden Aufgabenverteilung zwischen Plenum und Prüfungsaus-schuss etwas zu ändern, wenn eine Gesellschaft (frei-willig) einen Prüfungsausschuss eingerichtet hat, insbe-sondere also nicht, einem solchen Prüfungsausschuss diegemäß § 107 Abs. 3 S. 2 AktG zwingend dem Plenum vor-behaltene Prüfung von Jahres-(Konzern-)Abschluss und(Konzern-)Lagebericht zur Erledigung anstelle des Plen-ums zu übertragen.

In bei der Regierungskommission eingegangenen Stel-lungnahmen ist umgekehrt angeregt worden, einem Prü-fungsausschuss, wenn ein solcher eingerichtet ist, dasRecht zu entziehen, Vorschläge für die Prüferauswahl zuunterbreiten. Nach geltendem Recht schlägt der Auf-sichtsrat der Hauptversammlung den Abschlussprüfer zurWahl vor (§ 124 Abs. 3 S. 1 AktG). Dabei trifft diese Ent-scheidung über den Wahlvorschlag grundsätzlich dasAufsichtsratsplenum, es sei denn, dass das Plenum dieseAufgabe einem Bilanz- oder Prüfungsausschuss zur Ent-scheidung überwiesen hat, was zulässig ist (vgl. § 107Abs. 3 S. 2 AktG). – Die Regierungskommission hat sichder Anregung, die Entscheidung über den Wahlvorschlagwie in den sonstigen in § 107 Abs. 3 S. 2 AktG genanntenFällen zwingend dem Plenum vorzubehalten, nicht ange-schlossen. In seiner Bedeutung ist der Vorschlag, welcherAbschlussprüfer gewählt werden soll, nicht mit den in § 107 Abs. 3 S. 2 AktG zwingend dem Plenum vorbehal-tenen Entscheidungen zu vergleichen, also mit der Prü-fung der Rechnungslegung gemäß § 171 AktG oder etwader endgültigen Entscheidung über die Bestellung undAbberufung von Vorstandsmitgliedern. Überdies würde,auch wenn der Vorschlag für die Prüferauswahl zwingenddem Plenum vorbehalten wäre, der Prüfungsausschusszweckmäßigerweise um Vorschläge hierfür gebeten wer-den. Im Übrigen kann das Plenum die Delegation dieserAufgabe jederzeit wieder rückgängig machen.

Der Aufsichtsrat, der seit Erlass des KonTraG den Prü-fungsauftrag erteilt (§ 111 Abs. 2 S. 3 AktG), kann dabei

auch besondere Prüfungsschwerpunkte setzen. Diese Be-fugnis kann er nach in der wissenschaftlichen Literaturfreilich umstrittener Auffassung auch einem Prüfungsaus-schuss erteilen (vgl. § 107 Abs. 3 S. 2 AktG). Die Regie-rungskommission sieht in diesem Punkt keinen Anlass,entsprechenden Anregungen zu folgen und die Befugnis,Prüfungsschwerpunkte festzulegen, durch ausdrücklichegesetzliche Regelung ausschließlich dem Plenum vorzu-behalten. Das Plenum ist jedenfalls frei, zusätzlich zu denvom Prüfungsausschuss vorgeschlagenen oder beschlos-senen Prüfungsschwerpunkten weitere festzulegen oderauch dem Ausschuss diese Befugnis wieder zu entziehen.Im Hinblick darauf kann die Entscheidung der angedeu-teten Streitfrage Wissenschaft und Rechtsprechung über-lassen bleiben.

3. Leseexemplare der Entwürfe

Als einer der Vorzüge der Einrichtung eines Audit Com-mittee wird angesehen, dass die Mitglieder des Prüfungs-ausschusses die Möglichkeit haben, noch vor der Er-teilung des Bestätigungsvermerks durch den Abschluss-prüfer (§ 322 HGB) und vor der endgültigen Fertigstel-lung des Prüfungsberichts Entwürfe des Jahres-(Kon-zern-)Abschlusses und des (Konzern-)Lageberichts zuerhalten. Dies ermöglicht dem Ausschuss, Anregungenund gegebenenfalls Kritik anzubringen, die in diesem Sta-dium des Verfahrens noch leicht zu berücksichtigen sind.Dementsprechend werden den Audit Committees in denUSA entsprechende Leseexemplare zugeleitet. Als Vorteildieses Verfahrens wird auch geltend gemacht, dies ge-währleiste eine intensivere Beschäftigung mit dem Rech-nungswerk und dem Prüfungsbericht, als wenn der Aufsichtsrat bzw. Prüfungsausschuss mit praktisch fest-stehenden Ergebnissen konfrontiert werde. Dem Einwandhiergegen, hierfür bleibe keine Zeit, ist entgegenzuhalten,dass dieser Einwand letzten Endes darauf hinausläuft, dieeigene Prüfungskompetenz und -pflicht des Aufsichtsratsin Zweifel zu ziehen, weil der Einwand impliziert, dassspätere Einwendungen gegen den fertig gestellten Ab-schluss ausscheiden. Unter diesem Gesichtspunkt er-scheint es als sinnvoller, wenn berechtigte Vorschläge undKritik frühzeitig angebracht und berücksichtigt werdenkönnen.

Nach Auffassung der Regierungskommission lässt bereitsdas geltende Recht zu, dass der Aufsichtsrat bzw. ein vonihm eingerichteter Prüfungsausschuss bei Erteilung desPrüfungsauftrages gemäß § 111 Abs. 2 S. 3 AktG festlegt,dass dem Ausschuss bzw. vom Aufsichtsrat benanntenMitgliedern der Entwurf des Jahres-(Konzern-)Abschlus-ses und des (Konzern-)Lageberichts vorgelegt werden;dies kann auf den Entwurf des Geschäftsberichts erstrecktwerden. Im Interesse einer qualitativ verbesserten Prü-fung gemäß § 171 AktG ist zu empfehlen, dies als guteAufsichtsratspraxis in einem Code of Best Practice zuverankern.

Der einzurichtenden Kommission zur Entwicklung ei-nes Corporate Governance-Kodex wird empfohlen, alsgute Aufsichtsratspraxis in diesem Corporate Gover-nance-Kodex Folgendes vorzusehen: Der Aufsichtsrat

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bzw. Prüfungsausschuss legt fest, dass den Mitgliederndes Prüfungsausschusses oder je von den Anteilseigner-und Arbeitnehmervertretern ausgewählten Mitgliederndes Aufsichtsrates vor Erteilung des Bestätigungsver-merks Leseentwürfe des Jahres-(Konzern-)Abschlusses,des (Konzern-)Lageberichts und eines Geschäftsbe-richts zur kurzfristigen Prüfung mit der Möglichkeit derStellungnahme hierzu vorgelegt werden.

Eingehend erörtert hat die Regierungskommission auchdie Frage einer Zuleitung von Leseentwürfen des Prü-fungsberichts vor Erteilung des Bestätigungsvermerks. Inder Praxis werden Vorentwürfe des Prüfungsberichts mit-unter durchaus vorab herausgegeben. Eine Empfehlungdieser teilweise anzutreffenden Praxis durch eine Kodex-Regelung als Best Practice für alle börsennotierten Ge-sellschaften ist indes nicht zu befürworten. Eine rechtzei-tige Zuleitung der unterzeichneten Prüfungsberichte vorder Bilanzsitzung des Aufsichtsrates bzw. eines Prüfungs-ausschusses ist zwar zur sachgerechten Vorbereitung derMitglieder des Gremiums namentlich im Hinblick auf diezunehmende Komplexität der Berichte unerlässlich. EineFestschreibung der Vorab-Zuleitung eines (Lese-)Ent-wurfs des Prüfungsberichts als Best Practice ist demge-genüber nicht anzuraten. Eine derartige Empfehlung, dieeine Einflussnahme des Aufsichtsrats bzw. eines Prü-fungsausschusses auf den Inhalt des Prüfungsberichts er-möglichen würde, könnte einer Verwischung der Verant-wortungsbereiche von Abschlussprüfer und AufsichtsratVorschub leisten, nämlich wenn dadurch der Eindruck ei-ner Mitverantwortung des Aufsichtsrats für den Inhalt desPrüfungsberichts entstände. Es ist überdies nicht Aufgabedes Aufsichtsrats, etwaige Mängel des Prüfungsberichteszu korrigieren und damit als Kontrolleur des Abschlus-sprüfers zu fungieren. Zur Ergänzung eines unvollständi-gen Prüfungsberichtes bedarf es der Vorab-Zuleitung ei-nes Berichtsentwurfs gleichfalls nicht, da etwaige offeneFragen im Rahmen des Bilanzsitzung des Aufsichtsratsbzw. des Prüfungsausschusses dem dort anwesenden Ab-schlussprüfer (vgl. § 171 Abs. 1 S. 2 AktG) vorgetragenwerden und die entsprechenden Erläuterungen des Prü-fers im Sitzungsprotokoll festgehalten werden können.Bedenklich wäre eine Empfehlung zur Vorab-Zuleitungvon Leseentwürfen des Prüfungsberichts auch insofern,als eine solche Vorab-Zuleitung die Veröffentlichung desJahresabschlusses in der Praxis regelmäßig um ein biszwei Wochen verzögern würde und damit dem Bemühenum eine möglichst zeitnahe Veröffentlichung („fastclose“) zuwiderliefe. Zumindest eine frühzeitige Kon-taktaufnahme zwischen Abschlussprüfer und Aufsichtsratbzw. Prüfungsausschuss vor Erteilung des Bestätigungs-vermerks ist dagegen sinnvoll und wünschenswert. Einesolche Fühlungnahme im Zuge der Erstellung des Prü-fungsberichtes, die in einen Dialog zwischen Prüfer undAufsichtsrat münden kann, erleichtert dem Prüfer die Ar-beit und liegt insofern auch in seinem Interesse.

4. Teilnahme an der Abschlussbesprechung

In bei der Regierungskommission eingegangenen Stel-lungnahmen wird empfohlen, dass die Anteilseigner- und

die Arbeitnehmervertreter das Recht haben sollten, Perso-nen auszuwählen, die an der Abschlussbesprechung zwi-schen Prüfer und Vorstand teilnehmen können.

Insoweit weist die Regierungskommission zunächst ein-mal darauf hin, dass der Aufsichtsrat als Vertreter der Ge-sellschaft gegenüber dem Abschlussprüfer (vgl. § 111Abs. 2 S. 3 AktG) festlegen kann, ob eine solche Ab-schlussbesprechung mit der Geschäftsleitung stattfindetund wer an ihr teilnimmt. Insoweit bedarf es keiner ge-setzlichen Regelung. Da es aber als wünschenswert er-scheint, dass der Aufsichtsrat über die wesentlichen In-formationen bezüglich der Abschlussprüfung und ihrerErgebnisse verfügt, wird angeregt, dass die einzurich-tende Kommission zur Entwicklung eines Code of BestPractice die Aufnahme einer entsprechenden Empfehlungin den Corporate Governance-Kodex prüfen möge.

5. „Management Letters“

Nach § 321 Abs. 5 HGB ist der Prüfungsbericht dem Auf-sichtsrat vorzulegen. Aus dieser Regelung kann und darf je-denfalls seit dem KonTraG nicht mehr der Umkehrschlussgezogen werden, dass informelle Berichte oder Stellun-gnahmen in einem „Management Letter“ dem Aufsichtsratnicht, selbst nicht auf dessen Anfordern, vorzulegen sind.Seit Inkrafttreten des KonTraG ist vielmehr der Vertreter derAG, mit dem über die Vertragspflichten des Abschlussprü-fers zu verhandeln ist, allein und ausschließlich der Auf-sichtsrat (§ 111 Abs. 2 S. 3 AktG), der in diesem Rahmenauch festlegen kann, dass ein Management Letter ihm vor-zulegen ist. Um auszuschließen, dass wesentliche Informa-tionen dem Aufsichtsrat vorenthalten werden, sollte derAufsichtsrat auch den Prüfungsauftrag entsprechend formu-lieren. Einer gesetzlichen Regelung oder Klarstellung be-darf es insoweit zwar nicht. Die einzurichtende Kommis-sion zur Entwicklung eines Corporate Governance-Kodexmag aber prüfen, ob sich in diesem Kodex eine Regel emp-fiehlt, wonach der Aufsichtsrat sich auch den ManagementLetter oder ähnliche Stellungnahmen gegenüber dem Vor-stand vorlegen lassen sollte.

6. Individualanspruch auf Aushändigung derUnterlagen

§ 170 Abs. 3 AktG hat jedes Aufsichtsratsmitglied dasRecht, von den Vorlagen und Prüfungsberichten Kenntniszu nehmen. Die Vorlagen und Prüfungsberichte sind auchjedem Aufsichtsratsmitglied, oder, soweit der Aufsichtsratdies beschlossen hat, den Mitgliedern eines Ausschussesauszuhändigen. Bemängelt wird an dieser Vorschrift, dassnicht alle Aufsichtsratsmitglieder in jedem Falle das Rechtauf Aushändigung der Unterlagen haben.

Die Regierungskommission hält das Bedenken, die Un-terlagen könnten nicht vertraulich behandelt werden, angesichts der Verschwiegenheitspflicht aller Aufsichts-ratsmitglieder9 und des Umstandes, dass jedes Aufsichts-ratsmitglied diese Unterlagen einschließlich des Prü-

9 Dazu auch oben Rdz. 66 ff.

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fungsberichts einsehen, sich Notizen anfertigen undgrundsätzlich auch an der Ausschusssitzung teilnehmenkann, nicht für durchschlagend. Im Übrigen könnten mitdiesem Einwand auch die übrigen Informationsrechtealler Aufsichtsratsmitglieder ausgehebelt werden. ImHinblick darauf erscheint der Regierungskommission derin § 170 Abs. 3 S. 2 AktG vorgesehene Eingriff in die In-formationsrechte des einzelnen Aufsichtsratsmitgliedsnicht überzeugend. Auch in der wissenschaftlichen Lite-ratur wird die Vorschrift aus den erwähnten Gründen kri-tisiert. Da es sich aber nicht um einen schwerwiegenden,nicht mehr hinnehmbaren Eingriff handelt, nimmt die Re-gierungskommission im Hinblick darauf, dass diese Vor-schrift erst 1998 in diesem Sinne geändert worden ist, voneiner Empfehlung, sie erneut zu ändern, Abstand.

7. Berichtspflicht des Abschlussprüfers

Gemäß § 171 Abs. 1 S. 2 AktG hat der Abschlussprüfer anden Verhandlungen des Aufsichtsrats oder eines Aus-schusses über den Jahres-(Konzern-)Abschluss und den(Konzern-)Lagebericht teilzunehmen und über die „we-sentlichen“ Ergebnisse seiner Prüfung zu berichten.

Angeregt wurde gegenüber der Regierungskommission,der Bericht solle – in Anlehnung an § 322 Abs. 2 HGB –„problemorientiert“ ausfallen. Nach Auffassung der Re-gierungskommission bedarf es, um hierauf hinzuwirken,keiner gesetzlichen Anleitung für den Aufsichtsrat. Aucheine detaillierte Festlegung des Gegenstands der mündli-chen Berichtspflicht des Abschlussprüfers in dem zu ent-wickelnden Corporate Governance-Kodex – etwa in An-lehnung an die Vorschläge des Arbeitskreises ExterneUnternehmensrechnung der Schmalenbach-Gesellschafthierzu (Der Betrieb 2000, S. 2284, Rdz. 48 f.) – empfiehltsich nicht, weil der Kodex inhaltlich nicht überfrachtetwerden sollte. Der Berufsstand der Wirtschaftsprüfer maghierzu, sofern er dies als tunlich erachtet, einen entspre-chenden Standard entwickeln.

8. Sicherstellung der Information durch denAufsichtsrat

Die Berichtspflicht des Abschlussprüfers gemäß § 171Abs. 1 S. 2 AktG ist auf „die wesentlichen Ergebnisse seiner Prüfung“ beschränkt. In mehreren bei der Regierungskommission eingegangenen Stellungnahmenwird angeregt, der Aufsichtsrat solle durch entsprechendeFormulierung des Auftrags an den Abschlussprüfer undFragen an ihn im Rahmen der Verhandlungen gemäß § 171 Abs.1 AktG sicherstellen, dass

– der Aufsichtsrat über alle für seine Überwachungsauf-gabe wesentlichen Feststellungen und Vorkommnisseunterrichtet wird, die sich bei der Durchführung derAbschlussprüfung ergeben haben (z. B. festgestellteOrganisationsmängel, für die keine Pflicht zur Auf-nahme in den Prüfungsbericht besteht);

– der Aufsichtsrat über Konflikte und wesentliche Inter-pretationsdifferenzen zwischen Vorstand und Ab-schlussprüfer hinsichtlich der Bilanzierung und Be-wertung informiert wird;

– das Risikoüberwachungssystem und die interne Revi-sion beurteilt werden und dem Aufsichtsrat hierüberberichtet wird10.

Die Regierungskommission empfiehlt, im Code of BestPractice Folgendes festzulegen:

Der Aufsichtsrat stellt durch entsprechende Formulie-rung des Prüfungsauftrages und Anhörung des Ab-schlussprüfers sicher, dass ihm über die gemäß § 321HGB berichtspflichtigen Gegenstände hinaus über allefür die Überwachungsaufgabe des Aufsichtsrates we-sentlichen Feststellungen und Vorkommnisse berichtetwird, die sich bei der Durchführung der Abschlussprü-fung ergeben haben (z. B. Organisationsmängel). DerAbschlussprüfer sollte über Meinungsverschiedenhei-ten hinsichtlich Bilanzierung und Bewertung zwischenihm und dem Vorstand befragt werden.

Dagegen vermag sich die Regierungskommission nichtdem weitergehenden Vorschlag anzuschließen, dem Ab-schlussprüfer unabhängig von den bestehenden Berichts-pflichten aufzuerlegen, den Aufsichtsrat unmittelbar überalle wesentlichen Feststellungen und Vorkommnisse zuunterrichten, die sich während der Abschlussprüfung er-geben. Im Falle einer krisenhaften wirtschaftlichen Ent-wicklung und bei festgestellten schweren Gesetzesver-stößen hat der Abschlussprüfer bereits nach geltendemRecht, aufgrund seiner Redepflicht nach § 321 Abs. 1HGB, vorab zu berichten, wenn Eile geboten ist. Von die-sen Fällen abgesehen sollte die Unterrichtung des Auf-sichtsrates in der jährlichen Bilanzsitzung den Überwa-chungserfordernissen genügen.

9. Prüfung von Zwischenberichten

Die Regierungskommission empfiehlt, börsennotierteGesellschaften zur Aufstellung von Zwischenberichten(Quartalsberichten) zu verpflichten, die einer prüferi-schen Durchsicht unterworfen werden sollten11. Der Ab-schlussprüfer sollte den Aufsichtsrat über die wesentli-chen Feststellungen der prüferischen Durchsicht inschriftlicher Form unterrichten. Eine derartige Berichter-stattung des Prüfers des Zwischenabschlusses unterstütztden Aufsichtsrat bei der Durchführung sowohl seiner ei-genen prüferischen Durchsicht der Quartalsberichte alsauch darüber hinausgehend bei seinen allgemeinen Über-wachungsaufgaben.

Nach Auffassung der Regierungskommission gehört esferner zu den Überwachungsaufgaben des Aufsichtsrates,einen zur Veröffentlichung bestimmten Zwischenberichtdarauf durchzusehen, ob er ein den tatsächlichen Verhält-nissen entsprechendes Bild der Vermögens-, Finanz- undErtragslage des Unternehmens vermittelt. Mit diesem Zielsollte eine Billigung des Quartalsberichts durch den Auf-sichtsrat vorgesehen werden. Bedenken, dies könne zu ei-ner Zunahme von Ad hoc-Meldepflichten führen (§§ 15 ff.WpHG), teilt die Regierungskommission nicht, da die

10 Zu letzterem Rdz. 58.11 Oben Rdz. 269 ff. und Rdz. 288 ff.

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Ad-hoc-Publizitätspflicht regelmäßig bereits vor der Bil-ligung durch den Aufsichtsrat eingreifen dürfte.

Die Regierungskommission schlägt vor, eine schriftli-che Unterrichtung des Aufsichtsrats durch den Ab-schlussprüfer über die wesentlichen Feststellungen derprüferischen Durchsicht von Zwischenberichten vorzu-sehen. Der Aufsichtsrat sollte den Zwischenbericht da-rauf durchsehen müssen, ob er ein den tatsächlichenVerhältnissen entsprechendes Bild der Vermögens-, Fi-nanz- und Ertragslage des Unternehmens (Konzerns)vermittelt; eine Veröffentlichung sollte von der Billi-gung des Zwischenabschlusses durch den Aufsichtsratabhängig gemacht werden.

10. Rechte der Aufsichtsratsminderheit

(a) Anspruch auf Berichterstattung

Nach § 90 Abs. 3 S. 2 AktG kann jedes Aufsichtsratsmit-glied vom Vorstand jederzeit einen Bericht über Angele-genheiten der Gesellschaft verlangen. Der Regierungs-kommission gegenüber wurde angeregt, § 171 Abs. 1 AktGum eine entsprechende Vorschrift zu ergänzen. Die Re-gierungskommission schließt sich diesem Vorschlag an.Insbesondere in Gesellschaften mit einem Mehrheitsak-tionär oder einer Familie mit Mehrheitsanteilsbesitz kannes vorkommen, dass Informationen und Auskünfte, dieder Abschlussprüfer dem Aufsichtsrat gegenüber erteilensollte, von ihm nicht angefordert werden, oder dass sogarmehrheitlich beschlossen wird, dass bestimmte Fragenvom Abschlussprüfer nicht zu beantworten sind. Demmuss im Hinblick auf die Gesamtverantwortung des Auf-sichtsrates gewehrt werden.

Die Regierungskommission empfiehlt, § 171 Abs. 1AktG um einen Zusatz zu ergänzen, wonach jedes Auf-sichtsratsmitglied das Recht hat, in der Verhandlung desAufsichtsrates oder des hierfür bestimmten Ausschussesvom Abschlussprüfer Auskunft über die Ergebnisse sei-ner Prüfung verlangen zu können.

(b) Festlegung von Prüfungsschwerpunkten

Dagegen vermag sich die Regierungskommission nichtdem weitergehenden Vorschlag anzuschließen, wonachauch einer Aufsichtsratsminderheit das Recht eingeräumtwerden sollte, ihrerseits Prüfungsschwerpunkte im Auf-trag an den Abschlussprüfer festzulegen. Damit würde das

Recht der Aufsichtsratsmehrheit zur Leitung der Prüfunginfrage gestellt. Der Abschlussprüfer könnte in einenKonflikt zwischen Mehrheit und Minderheit hineingezo-gen werden. Außerdem wäre zu befürchten, dass eineSteuerung der Prüfung durch Festlegung von Prüfungs-schwerpunkten zum Beispiel in Familiengesellschaftenmit Konflikten zwischen Minderheit und Mehrheit letzt-lich scheitern könnte, weil im Ergebnis bei Addition dervon Aufsichtsratsmehrheit und -minderheit festgelegtenPrüfungsschwerpunkte die gesamte Prüfungsmaterieschwerpunktmäßig zu prüfen wäre.

IV. Gründungsprüfung

Bei der Regierungskommission sind außer den zahlrei-chen Anregungen zur Abschlussprüfung (dazu oben II.)und zur Verbesserung der Zusammenarbeit zwischen Auf-sichtsrat und Abschlussprüfer (dazu oben III.) auch meh-rere Vorschläge zur Tätigkeit der Prüfer im Rahmen derBewertung von Sacheinlagen12 und der Gründungsprü-fung eingegangen.

Bemängelt wurde zunächst einmal die Vorschrift des § 30Abs. 1 AktG, wonach der Abschlussprüfer für das erste(Voll- oder Rumpf-)Geschäftsjahr in notarieller Form be-reits durch die Gründer bestellt werden muss. Eingewandtwurde, dies könne auch der ersten Hauptversammlungüberlassen, und so die Kosten der Beurkundung gerade fürkleine Gesellschaften erspart werden. Die Regierungskom-mission hält diesen Einwand angesichts der geringen Kos-ten einer Prüferbestellung und des Umstands, dass in dernicht notariell begleiteten ersten Hauptversammlung einerkleinen Hauptversammlung die Prüferbestellung auch ein-mal vergessen werden mag, nicht für durchschlagend.

Geltend gemacht wurde des Weiteren, dass bei Bargrün-dungen (mit Ausnahme der Fälle des § 33 Abs. 2 Nr. 3AktG) eine Bestellung besonderer Gründungsprüfer alsentbehrlich erscheine. Die Gründungsprüfung könne insolchen Fällen auch durch den beurkundenden Notar er-folgen. Dem schließt sich die Regierungskommission an.

Die Regierungskommission empfiehlt vorzusehen, dassin den Fällen des § 33 Abs. 2 Nr. 1 und 2 AktG die Grün-dungsprüfung künftig auch vom beurkundenden Notarvorgenommen werden kann.

12 Dazu oben Rdz. 232.

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Drucksache 14/7515 – 138 – Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode

I. Corporate Governance-Grundsätze für börsennotierte Gesellschaften („Code of Best Practice“)

Im Januar 2000 hat die Grundsatzkommission „CorporateGovernance“ den von ihr entwickelten Code of Best Prac-tice vorgelegt. Daneben gibt es weitere Vorschläge, ent-sprechend internationalen Vorbildern Standards guterCorporate Governance in einem Kodex zusammenzufas-sen. Die Fragen der Regierungskommission betreffenzum einen die Erforderlichkeit und Verbindlichkeit einessolchen Regelwerks und damit verbundene weitere Pro-bleme und zum anderen die inhaltliche Abgrenzung zumgesetzlichen Aktienrecht.

1. Erforderlichkeit und Verbindlichkeita) Wie beurteilen Sie die Erforderlichkeit der Einführung

eines „Code of Best Practice“ in Deutschland für bör-sennotierte Gesellschaften?

b) Sollte es jeder Gesellschaft freistehen, für sich die Ver-bindlichkeit eines „Code of Best Practice“ anzuerken-nen?

c) Sollten (nach dem Vorbild des Neuen Markts) auch fürdie übrigen Börsensegmente die gesetzlichen Voraus-setzungen dafür geschaffen werden, dass die Zulas-sung verweigert bzw. entzogen werden kann, wennder Code of Best Practice nicht anerkannt und beach-tet wird? Muss in diesem Fall der Code of Best Prac-tice formell von den Börsenorganen als Börsensat-zung beschlossen werden?

d) Wird die Anerkennung oder Einrichtung einer Kom-mission Corporate Governance entsprechend §§ 342,342a HGB empfohlen?

e) Sollte für nicht börsennotierte Gesellschaften auf dieEinführung eines Code of Best Practice verzichtetwerden?

f) Sonstige Vorschläge zum Anwendungsbereich und zurVerbindlichkeit eines Code of Best Practice?

2. Inhalta) Welche Vorschriften des Aktienrechts könnten gestri-

chen und erforderlichenfalls der Aufnahme in einenCode of Best Practice überlassen werden, (1) wenndieser unverbindlich ist; (2) wenn dieser im Sinne vonZiffer 1. c) verbindlich ist?

b) Welche inhaltlichen Änderungen des Code of BestPractice der Grundsatzkommission Corporate Gover-nance (i. d. Fassung Juli 2000; www.corgov.de) wer-den empfohlen?

II. Reform des AktienrechtsEs wird um möglichst konkrete Vorschläge gebeten.

1. Organe und Verwaltungskontrollea) Welche gesetzlichen Vorschriften müssten geändert

oder eingeführt werden, um eine effizientere Unter-nehmensleitung und -kontrolle sicherzustellen?2

b) Sollte bei den Vorschriften zu Vorstand und Aufsichts-rat zwischen börsennotierten und nicht börsennotier-ten Gesellschaften und/oder kleineren und größerenbörsennotierten Gesellschaften unterschieden wer-den; wenn ja, in welchen Einzelpunkten?

c) Sollte das deutsche Organhaftungsrecht (Verfolgungs-recht gemäß § 147 AktG) internationalen Standardsangepasst werden?

d) Sind Änderungen im Hinblick auf die erfolgsabhän-gige Vergütung von Unternehmensorganen erforder-lich? Sollte insoweit zwischen börsennotierten undanderen Gesellschaften unterschieden werden? Solltedie Festlegung von Standards und Publizitätspflichtenfür erfolgsabhängige Vergütungen einem verbind-lichen Code of Best Practice (oben I.) überlassen werden?

e) Sollten die Möglichkeiten wechselseitiger Beteiligun-gen für börsennotierte Gesellschaften weitergehendals bisher beschränkt werden?

f) Sonstige Vorschläge zur Ausgestaltung der Organ-rechte und -pflichten?

2. Deregulierunga) In welchem Umfang ist der Abbau bisher zwingender

Vorschriften (§ 23 Abs. 5 AktG) möglich, und sollteSpielraum für individuelle Satzungsgestaltungen ge-schaffen werden? (hier sind möglichst Einzelvor-schriften zu benennen; erforderlichenfalls ist zwi-schen börsennotierten und anderen Gesellschaften zuunterscheiden)

E. Fragenkatalog1

1 Für inländische Sachverständige und Verbände; die ausländischenSachverständigen haben eine abgekürzte englische Version erhalten.

2 Anmerkung: Es ist jeweils anzugeben, ob tatsächlich gesetzliche Re-gelungen als notwendig erachtet werden, oder ob die Regelung durcheinen verbindlichen Code of Best Practice (dazu oben I.) vorzuzie-hen wäre.

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Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 139 – Drucksache 14/7515

b) Sollte Satzungsfreiheit in den Fällen des § 119 Abs. 2AktG zugelassen werden, insbesondere, um den Unsi-cherheiten aus der Holzmüller-Rechtsprechung zu be-gegnen?

c) Welche Gestaltungsmöglichkeiten ausländischer Ak-tienrechte, die das deutsche Aktienrecht bisher nichtvorsieht oder zulässt, werden zur Übernahme vorge-schlagen?

d) Sollte § 23 Abs. 5 AktG um einen Zusatz ergänzt wer-den, wonach das Bundesaufsichtsamt für den Wertpa-pierhandel börsennotierte Gesellschaften, deren Wert-papiere an einer europäischen Börse zugelassen sindund gehandelt werden, von der Einhaltung einzelnerzwingender Vorschriften befreien kann, wenn sichsonst eine Kollision mit Anforderungen des ausländi-schen Rechts (einschließlich ausländischer Codes ofBest Practice und Listing Rules) oder unzumutbareMehrfachbelastungen ergäben?

e) Sonstige Vorschläge zur Deregulierung?

3. Aktionärsklagen und -rechtea) Sollte dem Hauptversammlungsleiter in größerem

Umfang als bisher die Befugnis eingeräumt werden,unberechtigte, nicht im Aktionärsinteresse erforderli-che Fragen auszuschließen?

b) Sollte die Hauptversammlung durch in der Hauptver-sammlung schriftlich auszulegende Vorabauskünfteauf der Webseite entlastet werden?

c) Besteht Bedarf zur Eindämmung missbräuchlicherAktionärsklagen, und wie sollte eine entsprechendeRegelung aussehen?

d) Welche weiteren Möglichkeiten bestehen, Aktionärs-klagen zu erübrigen, ohne die berechtigten Interessender Aktionäre zu verkürzen?

e) Werden gesetzgeberische Maßnahmen zur Verbesse-rung der Spruch(stellen)verfahren des Aktien- undUmwandlungsrechts empfohlen?

f) In welchen Punkten sind die Individual- und Minder-heitenrechte der Investoren zu verbessern? Bestehtinsbesondere Änderungsbedarf im Hinblick auf dieInternationalisierung der Anlegerschaft?3

g) Sollte das System des weisungslosen Vollmacht-stimmrechts der Kreditinstitute beibehalten werden?

h) Sonstige Vorschläge zu Aktionärsklagen und -rechten?4

4. Informationstechnologie und AktienrechtIn welchen Punkten sollte das Aktienrecht (über das NaStraG hinaus) geändert werden, um den Einsatz und

die Nutzung moderner Kommunikationstechniken zu er-leichtern?

III. Publizität und Abschlussprüfung

1. Publizitäta) Werden zusätzliche Publizitätsvorschriften empfohlen

(z. B. Bezüge und Aktienoptionsprogramme; Berater-vergütungen; Geschäfte zwischen Verwaltungsmit-gliedern und nahe stehenden Personen/Unternehmenmit der Gesellschaft; Spenden)?5

b) Empfehlen sich weitere Maßnahmen zur Sicherstel-lung der Ordnungsmäßigkeit der Rechnungslegung?

2. Abschlussprüfung6

a) Wie kann die Abschlussprüfung weiter verbessert undgegebenenfalls die Unabhängigkeit der Abschlussprü-fer weiter gestärkt werden?

b) Wie kann der Umgang des Aufsichtsrats mit den Er-gebnissen der Abschlussprüfung verbessert werden?

c) Ergeben sich (a) aus dem Blue Ribbon Report; (b) ausden Vorschlägen des „Panel on Audit Effectiveness“vom 31. Mai 2000 (www.pobauditpanel.org) Hand-lungsempfehlungen auch für Deutschland und wiewären sie umzusetzen?

d) Sonstige Vorschläge?

IV. Wirtschaftlich tätige Vereine und Versicherungsvereine a.G.

1. Wirtschaftlich tätige Idealvereinea) Sollte der Gesetzgeber die wirtschaftliche Betätigung

von Idealvereinen in stärkerem Umfang als bisher be-schränken? Empfiehlt sich insoweit die Einführungvon Größenkriterien?

b) Empfehlen sich sonstige Maßnahmen zur Verbesse-rung der Verwaltungskontrolle und Transparenz inwirtschaftlich tätigen (Groß-)Vereinen?

2. Versicherungsvereine auf Gegenseitigkeita) Hat sich die Verweisung des VAG auf Aktienrecht und

Vereinsrecht für den Versicherungsverein auf Gegen-seitigkeit bewährt?

b) Welche Maßnahmen sollte der Gesetzgeber ergrei-fen, um Verwaltungskontrolle und Transparenz inVersicherungsvereinen auf Gegenseitigkeit zu ver-bessern?

Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 139 – Drucksache 14/7515

3 Vgl. Anm. 24 Vgl. Anm. 2

5 Vgl. Anm. 26 Vgl. Anm. 2

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Drucksache 14/7515 – 140 – Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode

Prof. Dr. Michael Adams Rechtsanwalt Dr. Martin PeltzerUniversität Hamburg Frankfurt/Main

Dr. Karl-Hermann Baumann Rechtsanwalt Klaus RotterBörsensachverständigenkomission Berlin Grünwald

Prof. Dr. Wolfgang Bernhardt Prof. Dr. Uwe H. SchneiderUniversität Leipzig TU Darmstadt

Prof. Dr. Hans-Joachim Böcking Prof. Dr. Astrid StadlerJ.W. Goethe-Universität Frankfurt Universität Konstanz

Prof. Dr. Peter Böckli Prof. Dr. Dr. Manuel René TheisenUniversität Basel Universität München

Prof. John C. Coffee Rechtsanwalt Georg F. ThomaColumbia University, New York Düsseldorf

Prof. Paul Davies Rechtsanwalt Andreas W. TilpLSE, London Kirchentellinsfurt

Rechtsanwalt Prof. Dr. Dieter Feddersen Prof. Dr. Dr. h.c. Peter UlmerFrankfurt/Main Universität Heidelberg

Dr. Dr. h.c. Heinrich Götz Prof. Dr. Ekkehard WengerBad Soden Universität Würzburg

Prof. Yves Guyon Prof. Dr. Axel v. WerderSorbonne, Paris Technische Universität Berlin

Robert A.G. Monks Rechtsanwalt Dr. Ralph WollburgWashington, D.C. Düsseldorf

Prof. Dr. Bernd Nagel Prof. Dr. Eddy WymeerschUniversität Gesamthochschule Kassel Universität Gent

Prof. Dr. Ulrich NoackUniversität Düsseldorf

F. Sachverständige und Verbände

Schriftliche Stellungnahmen sind von folgenden Sachverständigen, Behörden und Verbänden eingeholt worden:

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Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 141 – Drucksache 14/7515

Bundesaufsichtsamt für den WertpapierhandelFrankfurt/Main

Bundesaufsichtsamt für das KreditwesenBerlin

Bundesaufsichtsamt für das VersicherungswesenBerlin

Deutsches Rechnungslegungs Standards CommitteeBerlin

Berliner Wertpapierbörse

Deutscher Industrie- und HandelstagBerlin

Bundesverband der Deutschen IndustrieBerlin

Bundesvereinigung der Deutschen ArbeitgeberverbändeBerlin

Deutscher GewerkschaftsbundBerlin

Deutsche Angestellten-GewerkschaftHamburg

Bundesverband deutscher BankenBerlin

Gesamtverband der Deutschen VersicherungswirtschaftBerlin

Deutsche AusgleichsbankBonn

WirtschaftsprüferkammerDüsseldorf

Institut der WirtschaftsprüferDüsseldorf

Deutscher AnwaltVereinHandelsrechtsausschußBonn

Deutsche Schutzvereinigung für WertpapierbesitzDüsseldorf

Schutzgemeinschaft der KleinaktionäreEsslingen

Bundesverband Deutscher Investment-GesellschaftenFrankfurt/Main

Deutsche Börse AGFrankfurt/Main

BörsenAG BÖAGHamburg/Hannover

Bremer WertpapierbörseBremen

Deutsches AktieninstitutFrankfurt/Main

ADAC e.V.München

TÜV Bayern Sachsen e.V.München

Deutscher Sparkassen- und GiroverbandBerlin

Bundesverband der Deutschen Volksbankenund RaiffeisenbankenBonn

BundesnotarkammerKöln

Deutscher NotarvereinBerlin

Deutsches Rotes KreuzBonn

Arbeitsgemeinschaft der Versicherungsvereine auf GegenseitigkeitKöln

Deutsche Vereinigung für Finanzanalyseund AnlageberatungDreieich

European Association ofSecurities DealersBrüssel

ics EuropeEdgewood, New York

TIAA – CREFNew York

CalPERSSacramento/KalifornienAndré Baladi & AssociatesGenf

Davis Global AdvisorsNewton, Massachusetts

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Drucksache 14/7515 – 142 – Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode

Prof. Dr. Michael AdamsUniversität Hamburg

Dr. BeerSiemens AG, München

Privatdozent Dr. Tilman BezzenbergerUniversität München

Prof. Dr. Hans-Joachim BöckingJ.W. Goethe-UniversitätFrankfurt/Main

Rechtsanwalt ButzkeDeutsche Bank AGFrankfurt/Main

Geschäftsführer Rainer DiesemBundesanzeiger-Verlag, Köln

Georg DreylingVizepräsidentBundesaufsichtsamt für denWertpapierhandel, Frankfurt/Main

Ministerialrat Carl-Fritz FittingNiedersächsisches Justizministerium

Dr. Manfred KesslerKPMG, Stuttgart

Liesel KnorrDeutsches Rechnungslegungs Standards CommitteeBerlin

Michael KramarschTowers Perrin, Frankfurt/Main

Prof. Dr. Egon LorenzUniversität Mannheim

Notar Prof. Dr. Hans-Joachim PriesterHamburg

Chefsyndikus Dr. Albrecht SchäferSiemens AG, München

Herr SchiefferSiemens AG, München

Dr. Joachim SchindlerKPMG, Frankfurt/Main

Prof. Dr. Astrid StadlerUniversität Konstanz

Rechtsanwalt Georg F. ThomaDüsseldorf

Notar Dr. Oliver VossiusMünchen

Prof. Dr. Axel v. WerderTechnische Universität Berlin

Rechtsanwalt Dr. Ralph WollburgDüsseldorf

Geschäftsführer Dirk ZetzscheLai-Con GmbH, Düsseldorf

Folgende Einzelpersonen haben die Kommission als Sachverständige mündlich beraten:

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