diogenes magazin nr 11 | 2o12 herbst

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Jakob Arjouni schickt seinen Ermittler Kayankaya zum fünften Mal auf den Frankfurter Kiez Die grüne Insel am Ende der Welt Anthony McCarten über Katherine Mansfield und Neuseeland Sehnsüchtig erwartet: Neue Romane von John Irving, Martin Suter und Ingrid Noll Ohne Brunetti, trotzdem spannend: Donna Leon hat für Cecilia Bartoli einen Musikkrimi geschrieben Sonderteil 60 Jahre Diogenes 9 783257 850116 4 Euro / 7 Franken Diogenes Magazin Nr. 11 Herbst 2012

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diogenes.ch

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Jakob Arjounischickt seinen Ermittler Kayankaya zum fünften Mal auf den Frankfurter Kiez

Die grüne Insel am Ende der WeltAnthony McCarten über Katherine Mansfield und Neuseeland

Sehnsüchtig erwartet:Neue Romane von John Irving,Martin Suter und Ingrid Noll

Ohne Brunetti, trotzdem spannend:Donna Leon hat für Cecilia Bartolieinen Musikkrimi geschrieben

Sonderteil60 Jahre Diogenes

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Diogenes Magazin

Nr. 11 Herbst 2012

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Ich bekomme dauernd Aufsätze zu Gesicht, in denen Schriftsteller sich

darüber auslassen, dass sie grundsätz-lich nie auf Inspiration warten; sie set-zen sich einfach jeden Morgen um acht an ihren kleinen Schreibtisch, ob’s reg-net oder ob die Sonne scheint, ob sie einen Kater haben oder einen gebro-chenen Arm oder was weiß ich sonst, und knallen ihr bisschen Pensum hin.

Wie leer ihr Kopf auch sein mag und wie öde alles, was ihnen durch die Ge-danken trudelt, mit solchem Quatsch wie Inspiration haben sie nichts im Sinn.

Ich entbiete ihnen meine Bewunde-rung und gehe ihren Büchern sorgfältig aus dem Weg.

Ich hingegen, ich warte auf Inspira-tion, obwohl ich sie nicht unbedingt bei diesem Namen nenne.

Ich glaube, dass alles Schreiben, das auch nur etwas Leben in sich hat, aus dem Solarplexus kommt. Es ist harte Arbeit insofern, als man hinterher tod-müde sein kann, sogar total erschöpft.

Im Sinne bewusster Bemühung frei-lich ist es überhaupt keine Arbeit. Wichtig ist dabei vor allem eins: Der Berufsschriftsteller sollte einen be-stimmten Zeitraum haben, sagen wir mindestens vier Stunden am Tag, wo er nichts anderes tut als schreiben.

Er muss nicht unbedingt schreiben, und wenn ihm nicht danach ist, dann sollte er’s auch nicht versuchen. Er kann aus dem Fenster schauen oder ei-nen Kopfstand machen oder sich auf dem Fußboden schlängeln, aber er soll nicht lesen, Briefe schreiben, in Zeit-schriften blättern oder Schecks ausfül-len. Entweder schreiben oder gar nichts.·

Inspiration ist »das Licht einer wunderbaren Einsicht« (Descartes), »man hört, man sucht nicht, man nimmt, man fragt nicht, wer da gibt« (Friedrich Nietzsche). Nur wenigen Schriftstellern schenkt die Muse einen Kuss. Aber es gibt auch solche, die nichts von ihrer Zärtlichkeit wissen wollen: Autoren, deren Bücher Raymond Chandler tunlichst meidet.

Raymond Chandler

Inspiration

Buchtipp

Was wissen Sie über Lessing? Was über Kleist? Die Fakten sind oft schnell

vergessen – doch diese mit lebhaftem Strich skizzierten Porträts prägen sich ein. Denn Böhmer richtet seinen Blick auf das Innerste des Schriftstellers, auf

den Ursprung seiner Inspiration.

432 Seiten, LeinenISBN 978-3-257-06831-3

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Ersatz für das leidige

Interviews

60 Jahre Diogenes

Editorial

Martin Suter 18Sein neuer Roman Die Zeit, die Zeit handelt von einem Mann, der die Zeit zurückdrehen will, um den Tod seiner geliebten Frau ungeschehen zu machen. Martin Suter über seinen eigenen Umgang mit der Zeit und über Zeit experimente in der Literatur.

Im ersten Diogenes Buch, dem Cartoonband Weil noch das Lämpchen glüht von Ronald Searle, das vor 60 Jahren erschien (mehr dazu auf Seite 96), ist folgende Zeichnung abgedruckt, die wir mit fundierten Zitaten über einen dubiosen Berufs-stand komplettieren:

»Die Buchhändler sind alle des Teufels, für sie muss es eine eigene Hölle geben.« Johann Wolfgang Goethe (mit ›Buchhändler‹ sind Verleger gemeint)

»Es ist leichter, mit Christus über die Wogen zu wandeln, als mit einem Verleger durchs Leben.« Friedrich Hebbel

»Sie gehen mit einem Buch um, wie ein Kolonialwarenkrämer mit seinen Backpflaumen. Man hat wirklich ein Kreuz mit Euch Verlegern …« Honoré de Balzac

»Verleger sind keine Menschen, sie tun nur so.« Kurt Tucholsky

»Auch ein Verleger ist ein Mensch.« Siegfried Unseld in einem Brief an Thomas Bernhard

»Ein Verleger ist eine Mischung aus Irrenhaus- und Zirkusdirektor.« Daniel Keel

Wer war Diogenes? 94Über den Namensgeber des Verlags

Das allererste Diogenes Buch 96Daniel Keel und Ronald Searle

Eine Verlagschronik 100

Philipp Keel 108Der neue Diogenes Verleger stellt sich vor

Tomi Ungerers Bücherbilder 110

Doris Dörrie 112liegt das Erzählen im Blut

Bernhard Schlink 114Sein Selbstverständnis als Autor

Daniel Keel (1930 – 2011) 116Der Diogenes Gründer auf der einsamen Insel

Jakob Arjouni 4

Martin Suter 18

John Irving 22

Christian Schünemann 35

Annalena McAfee 82

Philipp Keel 108

Impressum 118Vorschaufenster 118

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Diogenes Magazin Nr. 11

Rubriken

Inhalt

Neuseeland literarisch 50 Neuseeland ist Ehrengast auf der dies jährigen Frankfurter Buchmesse. Der neuseeländische Schriftsteller Anthony McCarten über die Geschichte seiner Heimat, das Wesen seiner Lands leute – und über Leben und Werk eines neuseeländischen Klassikers: Katherine Mansfield, Meisterin der Short Story. Außerdem: Katherine Mansfields letzte Erzählung Der Kanarienvogel und ein Auszug aus ihrem Tagebuch.

Auf hoher See 70 Ingrid Nolls neuer hinterhältiger Familienroman Über Bord spielt zur See. Darin geht so einiges über Bord, nicht nur die Illusion einer letzten Liebe. Die Schriftstellerin erzählt von ihren eigenen Seereisen.

René Goscinny zeigt uns augen-zwinkernd in Wort und Bild das seltsame Treiben an Bord eines ›Traumschiffs‹ und wie man eine Kreuzfahrt ohne größere Blessuren übersteht.

Jakob Arjouni 4 Endlich: Kemal Kayankaya ist zurück. Jakob Arjouni über seine Beziehung zu Kayankaya, Kopf- und Bauch-entscheidungen und stilbewusste Schriftsteller. Außerdem: ein Auszug aus dem neuen Kayankaya-Roman Bruder Kemal und ein Porträt des Schnüfflers von Christian Seiler.

Paulo Coelho 30 Eine Begegnung mit dem Tod

Anna Stothard 32 über den Horror Vacui

Donna Leon und Cecilia Bartoli 36 Eine musikalisch-literarische Entdeckung: Agostino Steffani

Petros Markaris 40 über die Finanz- und Wertekrise

Martin Walker 46 über frühe Menschen und Künstler

Die einsame Insel Petros Markaris 43Daniel Keel 116

Ein Autor – Eine Stadt 44Istanbul mit Petros Markaris

Denken mit Ludwig Marcuse 66

Literarisches Kochen 68John Irving

Kopfnüsschen Denkspiele 80

Top 10 Songtexte 86von Astrid Rosenfeld

Lesefrüchtchen 90

Wer schreibt hier? Gewinnspiel 119

Mag ich – Mag ich nicht 120Fabio Volo

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Jakob Arjouni, geboren 1964 in Frankfurt am Main, lebt mit seiner Frau und seinen Kindern in Berlin und Südfrankreich. Zuletzt erschien sein Roman Cherryman jagt Mr. White bei Diogenes.

»Ein großer, phantastischer Schriftsteller, der genau und planvoll und lesbar schreibt.« Maxim Biller.

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Nach zehn Jahren treffen wir in Bru-der Kemal den Privatdetektiv Kemal Kayankaya wieder. Warum?Ich glaube, ich hatte Lust, nach Hause zu kommen. Mich auf vertrautem Ter-rain mit jemandem zu bewegen, den ich seit langem kenne und mag.Wie vertraut bist du mit Kayankaya denn? Er ist schließlich mit den Jah-ren eine ziemlich andere Figur ge-worden, älter und milder – und du hast zwischendurch einige andere Romane geschrieben, in denen er nicht vorkam.Ich habe ein bisschen in Kismet rumge-lesen, dem letzten Kayankaya-Roman. Den habe ich vor zehn Jahren geschrie-

ben, aber beim Wiederlesen war es, als hätte ich ihn gestern abgeschlossen. Kayankaya war mir sehr präsent. Es gibt meine erste Schreib-Phase, die geht ungefähr bis Magic Hoffmann, da weiß ich nicht mehr viel. Da gehören die ersten drei Kayankaya-Romane dazu und die Theaterstücke. In die Ro-mane habe ich wegen Namen und alten Geschichten reingeguckt, die in Bruder Kemal angedeutet werden – und war schon erstaunt: wie viel Zeit seitdem vergangen ist …Hast du den Schriftsteller Jakob Ar-jouni wiedererkannt?Das kann ich literarisch nicht beurtei-len. Einerseits ist das zu lange her –

Happy Birthday, Türke! ja fast schon dreißig Jahre, du lieber Himmel! –, an-dererseits bin ich immer noch viel zu nah dran. Das wäre so, als müsste ich Bilder bewerten, die ich als Kind ge-malt habe. Die ersten Bücher sind halt anders. Sehr viel jünger. Ich habe den ersten Krimi mit neunzehn geschrie-ben, das merkt man dann schon. Aber man merkt auch, dass ein Grundton da ist, den es auch heute noch gibt. Ein Abstand, eine Skepsis gegenüber der Welt. Humor natürlich. Aber auch der Humor ändert sich ja zum Glück mit dem Alter.Es stehen viele gute Witze in Happy Birthday und Mehr Bier.

Gerade mal 23 Jahre alt war Jakob Arjouni, als sein Frankfurter Privatdetektiv Kemal Kayankaya zum ersten Mal ermittelte in Happy Birthday, Türke!. Ein hochgelobtes Debüt. Nach vier Fällen zog sich der deutsch-türkische Schnüffler zurück. Zehn Jahre später ist er wieder da. Wie sein Autor ist er älter geworden, entspannter – und in festen Händen ist er auch. Ein Gespräch über Figuren, die einen nicht loslassen, Instinkt und Stilbewusstsein beim Schreiben, Georges Simenon und Richard Yates, die Neu-gier auf Menschen und die Freundschaft mit Büchern.

Jakob Arjouni im Gespräch mit Christian Seiler

Kayankaya ist zurück

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Interview

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Freut mich, aber wie gesagt, das kann ich nicht beurteilen. Mir ist im Nachhin-ein aufgegangen, dass ich den Kayan-kaya ganz schön nah an mich rangelegt habe, viel näher als die meisten anderen Figuren, über die ich geschrieben habe. Wahrscheinlich war das die einzige Möglichkeit, eine Figur wie Kayankaya entstehen zu lassen.War das eine bewusste oder eine un-bewusste Entscheidung?Es ist geschehen. Um bewusste oder intellektuelle Entscheidung geht’s beim Schreiben sehr wenig, bei mir jeden-falls. Sondern?Ganz viel um Instinkt, um Gefühl, und darum, dass ich mich wohl fühle mit einer Figur oder einer Geschichte. Ich hätte über den Kayankaya nie so selbstverständlich schreiben können – Frankfurter mit türkischen Eltern und einem Hang zu speziellen Milieus –, wenn ich der nicht auch bis zu einem gewissen Punkt gewesen wäre. Als ich ihn jetzt bei Bruder Kemal wiederge-troffen habe, war das so, als würde ich einen alten, sehr guten Freund wieder-treffen.Vertraut?Ganz vertraut. Wie Familie.Wie funktioniert bei dir das Finden eines Themas? Du hast schließlich schon sehr viele Themen auf sehr un-terschiedliche Weise behandelt, Ent-wicklungsromane, Science-Fiction, sogar Märchen geschrieben. Was braucht es, damit sich ein Thema und die passende Form konkretisieren?Lustprinzip. Wie gesagt, das sind ei-gentlich nie bewusste Entscheidungen. Ausschlaggebend ist, zu welcher Art von Figur es mich aus irgendeinem Grund gerade hinzieht, und in wel-chem Rahmen ich glaube, diese Figur am besten erzählen zu können. Es geht ja immer nur um Figuren. Das mag von außen anders aussehen, denn es gibt manchmal einen Fall, manchmal ist ein Buch politisch, es kann sogar eine Fee auftauchen. Aber am Ende geht es im-mer nur um Figuren, also um Men-schen.Was fasziniert dich an diesen Figuren so, dass du ein Buch über sie schreibst?Mich faszinieren eben Menschen, und so muss das bei einem Schriftsteller ja

auch sein. Meistens habe ich Fragen zu ihnen. Warum sie sich so oder so ver-halten. Was sie denken, welche Träume oder Ängste sie haben und warum. Dann suche ich mir den Rahmen. Ein gutes Beispiel ist Max in Chez Max, meinem Zukunftsroman. Mit Science-Fiction hab ich nie etwas zu tun ge-habt … … nie SF gelesen?Nur die Klassiker. H. G. Wells und Ju-les Verne und ein bisschen Stanisław Lem, als ich sechzehn war. Das Genre interessiert mich auch nicht – aber für die Figur, für einen völlig korrekten Spießerverbrecher schien mir so eine rosige, ziemlich faschistische Bio-Corn flakes-Welt der passende Rahmen zu sein. Kayankaya ist die richtige Fi-gur, wenn ich mich wohlfühlen will.Warum?Keine Ahnung. Vielleicht weil er für mich tatsächlich wie ein Bruder ist.Du sagst, dass Kayankaya immer bei dir ist und in Gedanken bei dir auf-taucht. Wird er denn nicht eifersüch-tig, wenn du so sympathische Gau-ner wie den Eddy in Der heilige Eddy erfindest, der auf einem ähn lichen Terrain unterwegs ist wie Kayan kaya?Es gibt ein Zitat von Fitzgerald, der sagt, dass man über einen Schriftsteller keine Biographie schreiben kann, weil er zu viele ist. Ich finde, das stimmt. Ich bin auch relativ viele. Und das ver-trägt sich miteinander. Ich glaube, Eddy und Kayankaya könnten sich durchaus vertragen. Aber genauso gut könnte Kayankaya Eddy einbuchten.Mir ist unlängst etwas Interessantes aufgefallen, und zwar deshalb interes-sant, weil es keinesfalls geplant war: In keinem Kayankaya-Roman bringt Kayankaya jemanden in den Knast. In Happy Birthday lässt er den Bruder laufen, in Mehr Bier findet er über-haupt keinen, bei Ein Mann, ein Mord ist der Verbrecher sein bester Freund, in Kismet ist es er selbst. Es gibt in den Büchern natürlich Verbrecher, aber es kommt nie zum klassischen Show-down: »Jetzt bring ich Sie mal zur Wache.« Auch deshalb also: Er würde den Eddy nicht ins Gefängnis bringen.Vom Ergebnis her betrachtet: Was steckt da für eine Moral dahinter?

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Kayankaya entwickelt seine Moral von Fall zu Fall, von Moment zu Moment neu, und anders geht’s ja auch gar nicht. Vorgegebene Moralmuster funktionie-ren in der Praxis ja nur höchst selten. War dir nach diesen zehn Jahren seit Kismet klar, wie Kayankaya heute sein muss, oder musstest du dir darü-ber erst den Kopf zerbrechen? Er ist doch ein ziemlich anderer geworden.Ich fand es immer merkwürdig, wenn Figuren in Krimis oder anderen Serien immer gleich alt und von der Wirklich-keit unverändert sind. So wie Tim und Struppi. Ich bin ja kein großer Krimi-leser, inzwischen lese ich eigentlich nur noch Simenon und Charles Willeford. Und diese beiden gehen mit ihren Hauptfiguren auch immer tiefer in de-ren Lebensgeschichten hinein, lassen sie altern. Es war für mich überhaupt keine Frage, das mit Kayankaya genau-so zu machen. Alterslos sind Fernseh-polizisten, die über zehn Jahre funktio-nieren müssen, und man merkt nur, dass die Schauspieler älter werden, nicht aber die Figuren. Oder die Frau-en in Sex and the City, da werden nicht mal die Schauspielerinnen älter.Eine Kopf- oder eine Bauchentschei-dung?Die einzige Kopfentscheidung war, dass ich keinen Roman über das The-ma Altern schreiben wollte. Kommis-sare in Rente wissen nichts mit sich anzufangen, und plötzlich liegt eine Leiche vor ihrer Tür – das interessiert mich nicht. Kayankaya ist älter in Bru-der Kemal, ganz natürlich, weil wir das eben werden, und weil für mich Kayan-kaya einer von uns ist.Kayankaya ist also nicht künstlich, sondern mit dir gealtert. Er ist bezie-hungsfähiger und ein bisschen milder geworden. Gilt das auch für dich?Klar, das ist bei den meisten so und bei mir auch. Ich könnte heute nicht mehr über den jungen Kerl schreiben, der sich dauernd rumprügelt und die große Klappe hat wie der Kayankaya früher – soweit ich mich erinnere.Hast du dich denn früher geprügelt?Nein, so eine physische Kraft, das war nur Wunschdenken – im Ernst: Kayan-kaya ist ja kein Doofer, im Gegenteil. Es wäre also völlig unerklärlich, wenn er mit fünfzig nicht rausgekriegt hätte,

wie er ein paar Euro mehr macht und bessere Sachen zu essen bekommt. Es wäre allerdings auch nicht glaub-würdig, wenn er in der Zwischenzeit als Privatdetektiv Millionen gemacht hätte und im Immobiliengeschäft tä-tig wäre …Natürlich nicht. Und zwar nicht des-halb, weil er so was vielleicht nicht ge-konnt, sondern weil er es nicht gewollt hätte. Dafür ist er einfach nicht der Typ. Es mag solche originellen Ent-wicklungen, Veränderungen im Leben geben, aber normal ist das eher nicht. Und mich interessiert das Normale, nicht das Besondere. Oder vielleicht: das Besondere im Normalen. Jeden-falls: Wichtige Merkmale von Kayan-kaya waren immer Verlässlichkeit, Bodenständigkeit, eine gewisse Spie-ßigkeit. Was soll der mit Millionen und ’nem Pool? Ein Bier und ein gutes Würstchen, das mag er.

hen konnte, weil ich mich auf die eine Stunde vorbereitete, die ich am Abend noch schreiben wollte. Wie entstanden die ersten Romane, als du kaum zwanzig warst?Das war so ein Rauschschreiben. Ich wusste zwar, dass ich den Roman nicht in einer Nacht fertig kriegen würde, aber ich hab es versucht. Allerdings bin ich bald daraufgekommen, dass zum Romaneschreiben vor allem Durchhal-tevermögen gehört und dass das sehr viel mit Pausen zu tun hat. Mit Ausru-hen und Sich-nicht-verrückt-machen-lassen. Aber der Traum ist schon im-mer noch da: ein Roman in einer Nacht, in einem Zug, in einer sich steigernden Stimmung – wie ein glückliches Saufen bis zum Umfallen. Vor allem, wenn du Simenon so liebst, der seine Romane tatsächlich in ein bis zwei Wochen schrieb.Ja, Simenon ist beängstigend. Eine Wo-che schreiben, eine Woche nachdenken, was der nächste Roman sein könnte, in der nächsten Woche diesen Roman aufschreiben. Und jedes Mal ist der Roman gut, oder schlimmstenfalls nicht schlecht.Wenn du über längere Zyklen – ein, zwei Jahre – an einem Roman schreibst, lässt du dich dann von ak-tuellen Ereignissen beeinflussen? In Hausaufgaben kam zum Beispiel die damals intensiv diskutierte Walser-Debatte vor …Kommt natürlich auf die Figuren an. Figuren ändern sich nicht, bloß weil gerade eine Debatte stattfindet. Wenn die auch meine Figuren interessiert, lasse ich mich allerdings auch gerne ak-tuell inspirieren. Ich bin kein Autor, der aus dem Zettelkasten arbeitet.Was heißt das genau?Ich habe nie auch nur einen einzigen Dialog an der Würstchenbude aufge-schrieben. Und selbst wenn ich mir ir-gendwelche Sätze gemerkt habe, um sie irgendwann mal anzubringen, Wit-ze, Dialoge, Vergleiche, hat das nie funktioniert. Weil Schreiben so viel mit Rhythmus zu tun hat, jede Geschichte ihren ganz eigenen, zwingenden Fluss entwickelt, und da kann man dann nicht einfach irgendwas von irgend-wann – und sei es noch so hübsch – ein-fach reinquetschen.

Kayankaya ist mir viel näher als die meisten

anderen Figuren, über die ich geschrieben habe.

Wendest du beim Schreiben spezielle Techniken an, oder lässt du dich von der Geschichte treiben?Ich kann nicht länger als zwei, drei Stunden pro Tag hochkonzentriert sein. Wenn ich aber nicht hochkonzen-triert bin, kann ich nicht schreiben. Wenn ich in einer Schreibphase bin, ist das ein bisschen wie bei einem Hun-dertmeterläufer: Der arbeitet ja auch nicht nur die zehn Sekunden während des Rennens. Der bereitet seinen Lauf vor, trainiert, ernährt sich bewusst, denkt an das Rennen, geht den Lauf im Kopf durch – so ist das bei mir auch ein bisschen. Ich bereite mich den Rest des Tages auf die drei Stunden vor, in de-nen ich schreibe. Du sitzt auf dem Sofa und starrst in die Luft und siehst deine Geschichte? So klischeehaft?Etwa so, meistens gehe ich spazieren. Ab einem gewissen Alter war es halt so, dass ich nicht mehr Fußball spielen ge-

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Wie entsteht dieser Rhythmus?Der Rhythmus ist bei einem Roman ziemlich schnell klar. Nach fünf, spä-testens zehn Seiten kommst du als Au-tor da nicht mehr raus. Kannst du das ein bisschen techni-scher beschreiben?Zuallererst geht es um das richtige Wort. Mehrere richtige Wörter bilden einen hoffentlich richtigen Satz, der für sich alleine funktioniert. Darauf folgt der nächste Satz. Entweder die bauen aufeinander auf, verhalten sich in ge-wisser Weise zwangsläufig zueinander und schaffen eine Spannung, dass du Lust hast, den dritten Satz zu lesen, oder sie sind so gemütlich und beliebig, dass es dir egal ist, wie es weitergeht. Die Spannung entsteht im Satz, das hat oft gar nicht so viel mit Inhalt zu tun, glaube ich. Gute Autoren – oder jeden-falls, was ich dafür halte – erzeugen ei-nen Sog, indem jeder Satz den nächsten ankündigt, geradezu erzwingt. Bei so einem Text denkt man: Der kann nur so, genau so da stehen.Wie vergewisserst du dich dieses Rhythmus?Ich lese viel laut. Ich sitze an meinem Schreibtisch und überprüfe, ob der Text fließt. Das heißt natürlich nicht, dass der Text glatt wäre, manchmal muss es Pausen oder eine Pointe geben. Es hat viel mit Musik zu tun. An welchen Musiker denkst du bei dieser Definition von Rhythmus?An den für mich größten lebenden: Keith Jarrett. Ich weiß nicht, ob der er-klären kann, warum er das Piano plötz-lich fünf Sekunden ruhen lässt und dann wieder mit der Melodie beginnt oder mit dem Rhythmus und es stimmt. Es stimmt halt. Das ist beim Schreiben genauso. Kann man das in eine Theorie fassen?Weiß ich nicht.

Ich weiß nur, dass die ganzen Ger-manisten sich sehr schwertun, das Ver-gnügen an Literatur zu erklären, so wie die ganze Kunsttheorie an die Kunst nicht rankommt. Auch der Schriftstel-ler selbst kommt an das eigene Ge-heimnis nicht ran. Denn warum er die-sen Rhythmus hat und nicht einen anderen, diese Melodie, diesen Blick auf die Welt, diese Geschichten und nicht ganz andere, die er erzählen will

und erzählen muss, weiß auch er nicht. Glaube ich jedenfalls.Weißt du’s?Ich weiß nur, wenn es stimmt. Wenn es für mich stimmt. Warum? Keine Ah-nung.Du näherst dich den eigenen Texten also wie ein Leser?Absolut. Ich muss mich mit meinen Texten am allermeisten unterhalten. Wenn ich dann auf eine Pointe stoße, eine formale oder inhaltliche, ist das ein großes Vergnügen für mich. Fällt dir das Schreiben im richtigen Rhythmus leicht?Es ist Kleinarbeit. Das ist der Grund, warum ich so langsam schreibe, warum ich hochkonzentriert sein muss. Es ist kein Problem, schnell irgendeinen langatmigen, beliebigen Text hinzu-hauen. Aber auf den Punkt zu kom-men, das braucht Zeit und ist harte Ar-beit. Man muss sich und die Sätze immer wieder überprüfen und in Frage stellen.

zentration. Ich find’s stinklangweilig und irgendwie feige. Nach dem Motto: Möglichst viele Sätze, dann gehen die schlechten unter, und ein paar gute werden schon dabei sein. Es gibt natür-lich lange Romane, wo fast jeder Satz sitzt. Bei Flaubert oder Richard Yates.Wie muss ein Buch losgehen, damit du es weiterliest?Es muss im Detail stimmen, die Wörter, die Sätze. Ich lese am Anfang immer nur eine Seite. Diese Seite ist das Ver-sprechen, das mir das Buch gibt. Wenn mir diese Seite also erzählt, dass es hier eigentlich nur um Handlung geht und die vielleicht erst in hundert Seiten richtig startet, verlässt mich augen-blicklich die Geduld. Aber wenn auf der ersten Seite zwischen den Wörtern und Sätzen eine Spannung entsteht, egal, um was es geht, dann lese ich ger-ne weiter. Für welchen 800-Seiten-Roman gilt das?Für Die Elenden von Hugo zum Bei-spiel, aber den hab ich, zugegeben, schon vor einiger Zeit gelesen. Damals habe ich während der letzten Seiten ge-weint.Auch was Zeitgenössisches?Ich mochte Eine Geschichte von Liebe und Finsternis von Amos Oz sehr. So würden den Roman wahrscheinlich nicht viele bezeichnen, aber für mich war’s ein echter Schmöker. Ich habe am Ende abends immer extra wenig Seiten gelesen, damit ich noch länger etwas davon habe. Liest du auch Bücher, bei denen du dich plagen musst?Nicht mehr, und auch früher kaum. Lesen ist für mich Genuss und mein Verhältnis zu Büchern ein sehr sinnli-ches. Entweder ich liebe ein Buch oder nicht. Ich muss nicht den neuen So-undso lesen. Da geht es mir mit Bü-chern wie mit Menschen. Ich verbringe meine Zeit auch möglichst nur mit Menschen, die ich mag. Mit denen ich Spaß habe, die mich inspirieren, die ich liebe. Wo etwas über den reinen Zeit-vertreib hinaus passiert.Du nimmst also den Begriff ›Unter-haltungsliteratur‹ wörtlich.Dass der Begriff so abfällig verwendet wird, finde ich absurd. Jeder Autor ver-sucht zu unterhalten, sonst würden die

Ich habe nie auch nur einen einzigen Dialog an der Würstchenbude

aufgeschrieben.

Simenon schafft es, mit ganz kurzen, scheinbar banalen Sätzen, eine Welt entstehen zu lassen …Genau, er beschreibt eine Straße mit einem Küchengeruch, ein Milieu, eine Welt: Darum geht’s. Ich glaube, Litera-tur – und alle Kunst – ist Konzentration oder Destillation, wie beim Schnaps-brennen. Und die natürliche Sehnsucht des Schriftstellers ist es, die ganze Welt, seine ganzen Erfahrungen, Wünsche, Träume, das eigene Leben, alles in den einen, einzigen Satz zu brennen. Da trifft sich die Sehnsucht des Erzählers mit der des Lyrikers.Einige amerikanische Kollegen haben gerade mit sehr breiten 800-Seiten-Romanen enormen Erfolg.Ja, aber das kommt mir meistens vor wie Fotorealismus. Franzen ist so ein Fall. Da wird dann alles bis zum letzten Eckchen höchstgenau beschrieben und ausgeleuchtet. Das Gegenteil von Kon-

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Leser die Bücher ja sofort weglegen. Aber ich mag keine Bücher, die nur die Zeit vertreiben. Ein bisschen mehr muss da schon sein. Da fällt mir einmal mehr Simenon ein. Du schlägst ein Buch auf, und da sind dieselben Stra-ßen, dieselben Figuren, die du schon kennst, und trotzdem packt es dich, in-spiriert – und unterhält dich. Ich fand übrigens immer schön, dass im Wort ›unterhalten‹ das Wort ›halten‹ steckt. Und genau das sollte ein Buch für mich sein: Halt gebend, Mut machend, Rü-cken stärkend. Du liest manche Bücher immer wie-der von Neuem. Was findest du beim Wiederlesen darin?Ich bin älter geworden, habe neue Er-fahrungen gemacht, womöglich meine Sicht auf die Welt geändert – und dann lese ich auch ein Buch anders und neu. Ich kann vielleicht andere Schichten, andere Ecken sehen. Oder auch nicht. Vielleicht gibt’s keine anderen Schich-ten, vielleicht hat das Buch genau da-mals in einem bestimmten Alter mir alles gegeben, was es für mich hatte. Aber manchmal geht auch was Neues auf. Und bei den mir liebsten Büchern geht bei jedem Wiederlesen etwas Neues auf. Ich nehme da wieder die Musik und Keith Jarrett als Beispiel: die Platte A Melody at Night With You habe ich zum ersten Mal gehört – su-per –, zum zweiten Mal gehört – su-per –, dann habe ich sie eine Million Mal gehört – und jedes Mal, egal, wie ich mich gerade fühle, geht ein neues, und wenn auch noch so kleines Tür-chen auf. Und so ist es auch bei den Büchern, die ich immer wieder lese. Wie ein Kind. Das liest seine Lieblings-bücher auch mindestens fünfzig Mal.Von welchen Autoren?Dashiell Hammett, Tobias Wolff, Charles Willeford, Čechov, Jörg Fau-ser, Maupassant, Frank O’Connor, Heine und natürlich Richard Yates. Sehr deprimierend, Yates …Ja, aber so unfassbar gut geschrieben. Yates hat einen Rhythmus in seinen Worten, einen Sog im Schreiben. Der schreibt über die schlimmsten, düsters-ten Sachen, über Dinge, die du nicht wissen willst, die mir beim Lesen zum Teil viel zu nahe gehen. Du weißt von Anfang an, es geht immer nur abwärts,

wie in der griechischen Tragödie, es gibt sicher kein Happy End, keine Er-lösung, und trotzdem … ich muss wei-ter immer weiterlesen. Auf trockene, böse Art ist Yates übrigens oft sehr lus-tig, finde ich zumindest. Aber er ver-kneift sich jeden Scherz zur Auflocke-rung, es gibt bei ihm nichts umsonst. Dabei fällt mir ein, ich habe oft gesagt, Humor sei für mich nichts anderes als Abstand – bei Yates stimmt das ziem-lich hundertprozentig. Der Humor liegt bei ihm in der sehr genauen, poin-tierten, kühlen Beschreibung, und die kriegt man nur mit Abstand hin. Du hast früher einmal gesagt, Bü-cher ohne Humor kannst du nicht lesen.Hab ich gesagt, stimmt aber nicht. Si-menon ist zum Beispiel sicher kein Meister des Humors, und trotzdem lese ich ihn begeistert. Nach einer Wei-le stimmt ja fast alles nicht, was man so sagt. Was liest du, während du selbst gera-de an einem Buch schreibst?Fast nur Simenon. Das ist wie Wasser trinken. Das beeinflusst mich nicht, und wenn doch – hoffentlich.Simenon hat einen jederzeit verträg-lichen Stil?Ich habe ein Problem mit dem Wort ›Stil‹. Hammett sagt, sobald er begrif-fen hatte, dass er Stil hat, konnte er nicht mehr schreiben. Das verstehe ich sehr gut. Wenn man eine bestimmte, formale Art hat, an die Dinge heranzu-gehen, wird es langweilig. Auch Sime-non hat einen gewissen Stil, aber er hat sich darüber nicht so viele Gedanken gemacht. Sondern?Er macht, was wir alle machen, wenn wir bei einem Abendessen eine Ge-schichte erzählen: Wir wollen sie so schnell und unterhaltsam wie möglich und so tiefgründig wie nötig erzählen, damit die anderen am Tisch nicht weg-schlafen. Das hat mit Respekt für unse-re Zuhörer zu tun. Beim Schreiben ge-hört sich das auch. Statt Stil benutze ich lieber das Wort ›Mittel‹. Jeder hat seine Mittel, um eine Geschichte zu er-zählen, und die sucht man sich nicht aus. Denkst du an dein Publikum beim Schreiben? Bei Lesungen zum Beispiel

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kriegst du viel Applaus für deine prä-zis gesetzten Pointen, legst du die mit diesem Hintergedanken im Text an?Schreiben und Vorlesen sind zwei völ-lig verschiedene Berufe. Das Auftreten musste ich erst lernen, das jagte mir auf den ersten Lesereisen richtig Angst ein. Inzwischen macht mir Vorlesen Spaß. Aber es hat nicht das Geringste mit dem Schreiben selbst zu tun. Beim Schreiben zählt nur der Inhalt. Ich würde keinen Witz hinschreiben, nur um einen Witz zu machen. Die Ge-schichte muss das verlangen. Beim Schreiben denke ich nie an einen Le-ser – außer an mich selbst natürlich. Ich bin noch immer mehr Leser als Schreiber und muss mich selbst unun-terbrochen unterhalten.Wenn du jetzt mit Kayankaya am Schreibtisch sitzt: Was muss der für dich tun?Er muss mich überraschen. Das heißt: Ich muss mich überraschen. Eine schi-zophrene Situation. Es sitzen also drei Personen am Tisch: der Schreiber, der Leser und die Figur. Klingt ein biss-chen irre und ausgedacht, ist es aber nicht. Ich habe es zuerst so erlebt und erst später Worte dafür gefunden.War das von Anfang an so?Schon als ich in Frankreich an Happy Birthday, Türke! schrieb, war es genau-so. Ich habe viel getrunken und die ganze Nacht geschrieben und hatte ei-nen Riesenspaß dabei, weil ich wissen wollte, was sich der Kayankaya als Nächstes ausdenkt. Viele Schriftsteller arbeiten streng nach Konzept. Wie machst du das?Ich weiß den Anfang, und ich weiß – wie jetzt beim Krimi – den Plot. Der erzählt sich in zwei Sätzen, mehr ist das nicht. Dann schreibe ich von vorne nach hinten, logisch. Denn um den Sät-zen einen Rhythmus zu geben, kann ich ja den dritten nicht vor den ersten zwei schreiben. Was dem Kayankaya dann während der Geschichte wider-fährt, ob er sich verliebt oder pleite-geht, ob er den Mörder findet oder nicht, selbst ob das dann überhaupt noch wichtig ist, weiß ich nicht.Die Figuren beginnen ihr Eigenleben zu führen.Sie verhalten sich zueinander, und das tun sie durch mich. Aber ich kann den

Kayankaya nicht zwingen, sich in eine Frau zu verlieben, nur weil ich sie auf-treten lasse. Wenn ich es wichtig finde, dass er sich verliebt, muss ich eine Frau hinschreiben, in die er sich verlieben kann.Bekommt jedes Buch im Vorfeld ein spezielles Thema?Ja, wobei: Viele Themen gibt’s ja nicht. Es geht um Freundschaft, Liebe, Al-tern, Tod, Jugend, Krankheit. Viel-leicht noch zwei, drei andere. Eifer-

Im besten Fall sind Bücher Freunde, die

man ins Regal stellen kann. Das Blöde ist, dass

sie einem nicht die Hand halten können.

Der Autor soll während der Geschichte, die er

erzählt, die Klappe halten.

sucht. So ein Thema habe ich dann jeweils als Grundgeräusch. Bei Bruder Kemal zum Beispiel habe ich während des Schreibens immer gesagt, es geht um Religion. Kann man sagen, man könnte aber auch etwas ganz anderes sagen. Das spielt anfangs eine Rolle, aber im Grunde geht es dann wie im-mer ganz schnell nur noch um die Fi-guren und darum, ihnen möglichst nahe zu kommen. Religion war einfach nur eine Möglichkeit, mich dem Kayan-kaya neu zu nähern.

Irak, arabischer Frühling. Oder in Deutschland: Wer bekennt sich neuer-dings nicht alles zum Papst oder ir-gendeinem Glauben. Und die meisten nehmen die Sache ungeheuer ernst, auch die Religionsgegner. Ich halte es da hundertprozentig mit Ricky Ger-vais: »Thank God I’m an atheist.« In Bruder Kemal wird Religion als Busi-ness und Entertainment beschrieben. Religion als Möglichkeit, Geld zu ver-dienen und sich abzulenken. Wie steht denn Kayankaya zur Reli-gion?Das war für mich der Anfang des Ro-mans. Wie geht Kayankaya mit dem Thema um? Er hat türkische Eltern, ist von Geburt Muslim. Da habe ich mich drauf gefreut. Was passiert, wenn die anderen ihm mit gewissen Erwartungs-haltungen begegnen? Und es hat mir Spaß gemacht, ihm dabei zuzusehen, wie er unbelästigt vom Religionskram mit seiner Arbeit weitermacht und sich nicht aus der Ruhe bringen lässt. Das entspricht nun eins zu eins der Art, wie du selbst mit diesem Kram umgehst.Ich hoffe es. Und ich hoffe, grundsätz-lich immer freier von Ansichten und Absichten zu werden. Im Leben, aber noch mehr beim Schreiben. Beim Schreiben musst du jede Situation sachlich durchdenken: Wer hat welche Beweggründe? Was motiviert die Figu-ren, so zu handeln, wie sie handeln? Und nicht: Was motiviert den Autor? Der Autor soll während der Geschich-te, die er erzählt, die Klappe halten. Er ist eigentlich nur für die Mathematik zuständig, für das Gleichgewicht, den Rhythmus, die Form. Ansichten und Absichten soll er seinen Figuren über-lassen. Kannst du das ein bisschen genauer erklären? Sagen wir’s so: Wenn ich bei einem Buch die Absicht des Autors erkenne, dann interessiert mich die ganze Ge-schichte nicht mehr, auch wenn die Absicht noch so richtig ist, selbst wenn sie einfach nur darin besteht, einen unterhaltsamen, guten und möglichst gewichtigen Roman zu schreiben. Oft sind das ja dann diese perfekten Schreibwerkstatt-Bücher, stimmt al-les – originelle Hauptfigur, perfekte

Bruder Kemal hinterfragt jede Form von Gläubigsein.Eigentlich geht es um etwas, was alle ernsthaften Schriftsteller tun: Du hin-terfragst durchgesetzte Bilder. Religio-nen aller Art und Herkunft sind in den letzten Jahren ja wieder eine mächtige, die Welt bestimmende Sache geworden. Elfter September, Mohammed-Karika-turen, Tea-Party, Bushs Kreuzzug im

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Dramaturgie, Thema ernst, Sprache heiter, ein bisschen ironisch, ein biss-chen gewagt –, interessiert mich null. Aber wenn ich merke, dass einer nicht anders kann, als jetzt diese – und zwar genau diese – Geschichte zu erzählen, weil er ein Geschichtenerzähler ist, weil er unbewusst etwas von sich erzäh-len will oder weil er jemandem Freude machen möchte, und wenn er das so gut und so kurzweilig tut, wie’s geht und wie er’s eben kann – das finde ich die höchste Form der Literatur. Wenn ich ein Beispiel geben müsste, was die-sem Ideal ziemlich nahekommt, würde ich Heine-Gedichte nennen.Welchen Effekt hat gute Literatur?Ich finde, Bücher sollten Mut machen. Die Bücher von Richard Yates zum Beispiel machen inhaltlich bestimmt nicht so viel Mut. Aber einfach, dass es jemanden gibt – oder gab –, der die Dinge so gesehen hat wie du, lässt dich nicht so alleine sein mit deinen Beob-achtungen, deinen Ängsten, deinen Sehnsüchten. Im besten Fall sind Bü-cher wie Freunde. Freunde, die man ins Regal stellen kann, das ist das Gute. Das Blöde ist, dass sie einem nicht die Hand halten können. Könnte es sein, dass dein nächstes Buch wieder ein Kayankaya ist?Jedenfalls habe ich mich im letzten Jahr sehr wohl mit der Figur gefühlt. Und vielleicht sind ja noch ein paar Fragen offen. Oft habe ich, wenn ein Buch ein-mal fertig ist, Lust auf etwas Neues. Das ist diesmal nicht so. Aber eine richtige Idee habe ich auch noch nicht. Und vielleicht kommt ja morgen je-mand ganz anderes um die Ecke – ein charmanter Henker, eine schwatzsüch-tige Geheimagentin, ein Junge wie mein Sohn –, und ich denke: Mit dieser Person will ich jetzt sofort unbedingt viel Zeit verbringen, zwei, drei Jahre, ganz egal. Da wäre der Kayankaya dann erstmal wieder weg, da hätte ich keine Wahl, das ist wie sich verlieben.·

Über Kayankaya

Christian Seiler

Ein FreundEr ist ein bisschen was über fünfzig und längst ein Klassiker. In Bruder Kemal ermittelt er zum fünften Mal, nach seinem Debüt 1987 in Happy Birthday, Türke! Ein kleines Porträt des furiosen Privat detektivs Kemal Kayankaya, geschrieben von Christian Seiler, einem Fan der ersten Stunde.

Wenn der Privatdetektiv Kemal Kayankaya einen Auftrag an-

nimmt, geht der Welt ein Licht auf. Der Mann ist hell. Er hat Mumm. Sein Witz ist schneidend und hinterlässt Spuren, gleich hinter dem ersten Affektlachen, wenn der Scherz bitter zu schmecken beginnt.

Kayankayas Schlagfertigkeit ist hohe Kunst. Das Bittere ist die Wirklichkeit.

Kayankaya wird am 11. August 1957 in der Türkei geboren. Seine Mutter Ülkü stirbt bei der Geburt, sein Vater Tarik geht nach Deutschland und heu-ert bei der Frankfurter Müllabfuhr an. Der Junge kommt mit. Drei Jahre spä-ter überfährt ein Postauto den Vater. Kemal wird von einem deutschen Pä-dagogenehepaar adoptiert. Er wächst in einer durch und durch deutschen

Umgebung auf, macht Abitur und be-wirbt sich 1980 für eine Lizenz als Pri-vatdetektiv, die er »merkwürdigerwei-se« auch bekommt.

»Manchmal«, räsoniert Kayankaya in Happy Birthday, Türke!, »macht der Job sogar Spaß.«

In Happy Birthday ermittelt Kayan-kaya im Drogenmilieu, in Mehr Bier unter rabiaten Umweltschützern, in Ein Mann, ein Mord in der Schatten-welt von Asylanten. Er handelt sich von ungemütlichen Zeitgenossen eine Menge Ohrfeigen ein und vergisst auch nicht, auszuteilen.

Weil er aussieht wie ein Türke, wird er im Kiez schon mal gefragt, ob die Polizei, harhar, jetzt eine Fremdenlegi-on habe. Wenn ihn jedoch eine Türkin auf Türkisch anspricht, muss er sich als

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als ihm lieb ist. In Kismet, dem vierten Kayankaya-Roman Jakob Arjounis, ist Kayankaya dann gut zehn Jahre älter, ein bisschen schwerer und langsamer, aber, wenn notwendig, nicht weniger entsichert als eh und je. Das hilft, weil er es immerhin mit der Mafia aufge-nommen hat.

Heute ist Kemal Kayankaya ein un-rasierter Mann von Mitte fünfzig mit leichtem Hang zum Übergewicht, was ziemlich sicher mit den Bieren und den Würsten zusammenhängt, die er in den schönen Stunden zu sich nimmt, und ›Fitnessstudio‹ kann er natürlich im-mer noch nicht buchstabieren.

Seine Lakonie – Kayankaya bezeich-net den trockenen Humor, den er selbst in den ungelegensten Situationen nicht ablegen kann, tiefstapelnd als »müde Witze reißen« – ist eine verdeckte Variante von Lebensweisheit, ein vor-urteilsloses Misstrauen gegen alle, die

Landsmann zu erkennen geben, der »Türkisch wegen besonderer Umstände weder sprechen noch verstehen« kann.

Die Zuhälter, Schlepper, Kleinkrimi-nellen, die Alltagsrassisten und die Be-kloppten, denen Kayankaya über den Weg läuft, haben eines gemeinsam: Kayankaya hat nichts gegen sie, eigent-lich. Er interessiert sich nicht dafür, woher sie kommen und warum sie tun, was sie tun. Aber er weiß ziemlich ge-nau, ob sie in Ordnung sind, Elende oder Arschlöcher.

Mit denen, die in Ordnung sind, ist er gern Freund und trinkt bei Gelegen-heit ein paar Bier, selbst wenn er sie ei-gentlich hinter Gitter bringen müsste. Mit den Elenden hat er Mitleid, weit über alle Konventionen hinaus. Mit den Arschlöchern aber legt er sich an, auf Gedeih und Verderb. Nicht, dass ihm das immer gut bekäme – Kayan-kaya holt sich regelmäßig seine Beu-

len –, aber der Kampf gegen die wirk-lich Unanständigen, ob sie nun Polizisten sind oder knallharte Gangs-ter im Frankfurter Bahnhofsviertel, ist der Ausdruck seines Kampfes um das, was er intuitiv als Gerechtigkeit emp-findet.

Gerechtigkeit ist, auch wenn Kayan-kaya das so nie sagen würde, sein Treibstoff, sein genuines Thema. Er selbst, oft angeschippert, mehrheitlich pleite und kleinen krummen Geschäf-ten nicht abgeneigt, ist ein zutiefst mo-ralischer Mensch. Moral ist schließlich am Ende nur das, was man nach Abwä-gung aller Fakten richtig findet, und Fakten abwägen kann Kayankaya wie ein Apotheker.

Der junge Kayankaya ist ein ziem-lich verwegener Held, der sich schnel-ler mit bösen Jungs schlägt als vielleicht notwendig, sicher mehr trinkt, als ihm gut tut, und ein bisschen einsamer ist,

Fotografien auf diesen Seiten von Fred Prase (1946 – 2003). Jahrelang ermittelte Fred Prase als Polizeihauptkommissar im Frankfurter Bahnhofsviertel mit seinen Stundenhotels, Bars und Bordellen. Das Fassbinder-Zitat: »Was man nicht ändern kann, sollte man wenigstens beschreiben«, führte zu seiner Entscheidung, den Kiez fotografisch festzuhalten.

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etwas zu verbergen haben, dividiert durch die milde Skepsis, mit der er sich morgens im Spiegel selbst betrachtet.

Kayankaya ist längst nicht mehr der einsame Wolf der frühen Tage. Da ist eine Deborah mit ziemlich viel Ver-gangenheit und Kinderwunsch, und Kayan kaya ist seltsam angerührt von der Vorstellung, doch noch in so etwas wie Familie hineingerutscht zu sein. Allein, dass er nicht augenblicklich in den Sonnenuntergang reitet und sich

aus der Geschichte verabschiedet wie Lucky Luke, zeigt deutlich, wie stark das Heimweh nach Aufgehobenheit ist, das diesen Mann am Ausgang seiner besten Jahre bisweilen heimsucht.

Im neuen Roman Bruder Kemal sondiert Kayankaya religiöse Angele-genheiten und stellt als guter Nihilist wenig überrascht fest, dass es mit dem Glauben derer, die am lautesten beten (oder sich über die lauten Beter noch lauter beschweren), nicht weit her ist.

Also fragt er sich selbst, woran es zu glauben lohnt. Er tut es nicht laut, son-dern zwischen den Zeilen, und er kommt zu einem Ergebnis, von dem er als junger Ermittler niemals geträumt hätte, als er, der Whiskeytrinker, maxi-mal an die Wunder glaubte, die drei Aspirin bewirken.

Die Antwort lautet: Scheiße. Es gibt etwas. Keine Ahnung, was, aber ir-gendwas gibt es. Ganz sicher.

Man kann zum Beispiel an diesen Kumpel glauben, der alle paar Jahre auftaucht, ohne sich angemeldet zu ha-ben. Dann ist er da, und es ist mindes-tens so schön wie immer, auch wenn nicht mehr die ganze Nacht getrunken wird, weil – Kayankaya kriegt einen warmen, nicht weiter zu entschlüsseln-den Blick – dann mal gut ist.

Dann hörst du wieder eine Zeitlang nichts von ihm.

Aber er kommt wieder, ganz sicher. Er vergisst dich nicht.·

Auftritt Kemal KayankayaPrivatdetektiv. Geboren 1957 in der Türkei. Aufgewachsen in

Deutschland. Wohnhaft in Frankfurt. Familienstand: ledig. Humor: trocken. Gerechtigkeitssinn: aus geprägt. Gewaltbereitschaft: hoch.

Eine Entwicklungs geschichte zwischen Bahnhofs- und Banken-viertel, Würstchenbude und Buchmesse in fünf Romanen.

Neu240 Seiten, Leinen

ISBN 978-3-257-06829-0Auch als Diogenes E-Book

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Auf dem Weg zur Messe kam im Taxi mit einem Mal sogar richtig gute

Stimmung auf. Rashid erkundigte sich bei Katja Lipschitz, der Pressechefin des Verlags, wer noch alles käme, Lutz Dingsbums vielleicht oder der »witzi-ge Bodo«, wie viele Interviewtermine er habe, wo man vor der Veranstaltung am Abend noch schnell was essen kön-ne, und schien sich zu freuen wie ein Kind, auch wenn er zwischendurch immer wieder stöhnte: »Gott, wird das anstrengend!«

Zu mir sagte er: »Sie werden sehen, die Buchmesse, das ist die Hölle!« Und strahlte dabei übers ganze Gesicht.

Die Buchmesse war nicht die Hölle, sie roch nur ein bisschen so. In den riesi-gen Hallen breiteten sich über mehrere Stockwerke, jedes mit einer Fläche von etwa zwei Fußballfeldern, Stellwand an Stellwand gefühlte Millionen Verlags-stände bis in die letzte Ecke aus. Da-zwischen schob sich durch Gänge und Stände, über Rolltreppen, in Toiletten und durch Eingangstüren pausenlos ein schwitzendes, ungewaschenes, par-

fümiertes, alkoholgetränktes, verkater-tes, mit Haargel beschmiertes Men-schengewühl. Aus Würstchen-, Pizza-, Chinapfannen-, Thaicurry- und Brat-kartoffelbuden zog Fettdampf über die Köpfe, unsichtbare Heizungen schie-nen bis zum Anschlag aufgedreht – vielleicht produzierten aber auch nur

nen-Kuchens, den ein junger US-ame-rikanischer Autor den Verlagsmitar-beitern mitgebracht hatte, »For you, guys, for all the amazing work you do!«, und der aus Bountys und faulem Obst zu bestehen schien.

Der Stand des Maier Verlags war un-gefähr fünfundzwanzig Meter lang und fünf Meter breit. An den Wänden hingen Autorenporträts und Plakate von Buchumschlägen, in mehreren Re-galen lagen stapelweise Neuerschei-nungen, zum Sitzen gab es einfache Holzbänke und -stühle, dazu kleine runde Tische, auf jedem zwei Schalen mit Keksen und Salzgebäck. Ein etwa fünf Meter breites Wandstück in der Mitte des Stands sowie der Tisch und die vier Stühle davor unterschieden sich vom Rest der Einrichtung. Hier schmückten die Wand ein Fischernetz, zwei Plastikhummer, ein Plastiktinten-fisch, eine Glasflasche mit Flaschen-post, eine kleine Boje und fünf ins Netz gehängte Exemplare des neuen Romans von Hans Peter Stullberg: Eine okzitanische Liebe. Der Tisch war ein klassischer französischer Bistro-

Kemal Kayankaya, der Frankfurter Privatdetektiv, ermittelt wieder und bewegt sich dabei auf fremdem Terrain, denn bei ihm zu Hause liest nur seine Freundin: Das Buch des marokkanischen Autors Malik Rashid hat in der arabischen Welt für große Aufregung gesorgt, geht es darin doch auch um die gleich-geschlechtliche Liebe unter Muslimen. Rashid fürchtet um sein Leben. Er engagiert Kayankaya als Leib-wächter. Gemeinsam fahren sie zur Frankfurter Buchmesse ...

Jakob Arjouni

Das ist die Hölle!

Die Buchmesse war nicht die Hölle, sie roch nur ein

bisschen so.

die vielen Körper die Wärme –, und für Frischluft sorgten ausschließlich die paar wenigen auf- und zuschlagenden Eingangstüren.

Dazu drangen aus der kleinen Ver-pflegungskammer des Maier Verlags schräg hinter mir die Ausdünstungen von auf der Wärmeplatte vor sich hin schmorendem Filterkaffee, verschmäh-ten Ei- und Harzer-Käse-Brötchen, deren Aromen sich im Laufe des Tages immer deutlicher hervortaten, sowie eines selbstgebackenen Kokos-Bana-

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tisch mit Eisenfuß und Marmorplatte, die Stühle waren Gartenklappstühle aus Holz in den Farben Rot und Gelb. »Die Farben Okzitaniens«, wie uns Katja Lipschitz erklärte.

Rashid hatte bei unserer Ankunft die besondere Präsentation von Stull-bergs Roman trocken mit »wegen der Rückenbeschwerden« kommentiert. Mit seinem eigenen Roman Die Reise ans Ende der Tage war ein ganzes Re-gal vollgestellt, darüber ein Zitat aus Le Monde: »Selten sind inhaltliche Rele-vanz und formaler Ausdruck eine so vollendete Symbiose eingegangen.«

»Ein toller Satz«, sagte Katja Lip-schitz.

»Tja, Le Monde ist eben immer noch Le Monde«, pflichtete Rashid bei.

Und ich sagte: »Man bekommt so-fort Lust zu lesen.«

Katja Lipschitz warf mir einen aus-druckslosen Blick zu, ehe sie in die Ecke neben der Verpflegungskammer deutete. »Da, haben wir uns gedacht, sitzen Sie. Von dort haben Sie den gan-zen Stand gut im Blick und bleiben relativ unauffällig. Malik wird seine Interviews mit Journalisten und Ge-spräche mit Lesern und Buchhändlern an dem Tisch vor Ihnen führen.«

»Wunderbar«, sagte ich und stellte meine Tasche mit gebügeltem Hemd und Nadelstreifenanzug für die Abend-veranstaltung mit Herrn Doktor Brei-tel neben den mir zugedachten Stuhl. Rashid schob seinen schwarz glänzen-den Rucksack mit einer kleinen aufge-nähten kanadischen Stoffflagge und der roten Aufschrift Vancouver Inter-national Writers Festival unter den Tisch, erklärte uns, er gehe mal kurz guten Tag sagen, und begann eine Run-de über den Stand, um die Verlagsmit-arbeiter zu begrüßen; die weiblichen mit Umarmung und Küsschen rechts, Küsschen links, die männlichen mit kräftigem Handschlag. »Tolles Buch, Malik!« – »Ungeheuer berührend!« – »Ganz wichtiger Text.« – »Mein Favo-rit dieses Jahr.«

Während Katja Lipschitz sich ab-wandte, um zu telefonieren, sah ich mich nach Möglichkeiten um, notfalls mit Rashid in Deckung zu gehen. Vor uns der Gang mit dem ständigen, gleichmäßigen Strom von Buchmesse-

besuchern, rechts die Tische des Maier Verlags, an denen Verlagsmitarbeiter mit Geschäftspartnern Verkaufszahlen, Buchmarktentwicklungen, Persona-lien, gemeinsame Veranstaltungen und den jüngsten Buchmesseklatsch be-sprachen – »Gretchen Love!« – »Nächste Woche soll sie auf der Sach-buch-Bestsellerliste sein.« – »Ein Wahnsinn!« – »Ein Skandal!« –, und gleich links neben uns die Stellwand zum Nachbarverlag. Daran Rashids Werberegal mit ungefähr dreihundert Exemplaren seines Romans, dem groß ausgedruckten Le Monde-Zitat und ei-nem Foto, auf dem Rashid den Kopf in drei Finger stützte und so amüsiert und überlegen guckte wie bei meinem Eintreffen in der ›Harmonia‹-Lounge.

Fans, die wollen Malik vielleicht umar-men …«

»Tja, da haben sie Pech gehabt. Ich knall ganz gerne ’n bisschen rum, wis-sen Sie. Gerade hier am Besuchergang, irgendwen erwischt man da immer. Übrigens: Haben Sie die Drohbriefe dabei?«

Wir sahen uns an.Nach einer Pause fragte Katja Lip-

schitz: »Haben Sie eigentlich eine Frau?«

»Sie meinen, ob ich schwul bin?«»Nein, ich meine, ob jemand mit Ih-

nen zusammenlebt?« »Sie werden staunen: seit über zehn

Jahren in festen Händen, gemeinsame Wohnung, keine Affären, jedenfalls, was mich betrifft – darum bin ich ja so ausgeglichen, leicht genießbar, ein Mann umhüllt von weiblicher Nest-wärme. Tut mir leid, falls Sie Interesse hatten.«

Katja Lipschitz lachte kurz auf.»Was ist jetzt mit den Drohbriefen?«»Würden die Briefe an Ihrer Vorge-

hensweise irgendwas ändern?« »Ja. Ich würde wissen, ob ich mich

auf die Informationen meiner Auftrag-geberin verlassen kann.« Wieder mach-te sie eine Pause.

Von einem der Nebentische des Maier Verlags hörte ich: »Hier, die SMS: Platz 1!« – »Ich fass es nicht!« – »Also ehrlich gesagt, ich hätte nichts dagegen, auch mal so eine Gretchen Love im Programm zu haben, kann man doch als Kunst verkaufen.« – »Spermaboarding als Kunst? Ich weiß nicht.« – »Das ist der Titel? Sperma-boarding?« – »Ja, und noch irgendwas dazu.«

Schließlich sagte Katja Lipschitz: »Malik hat vor ein paar Wochen erzählt, er habe solche Briefe bekommen. Lei-der hat er sie bisher nicht mitgebracht. Ich habe ihn mehrere Male darum ge-beten.« Sie betrachtete mich herausfor-dernd. »Zufrieden?«

Ich zuckte mit den Achseln. »Ist mir völlig egal, was ihr Leute anstellt, um den Buchverkauf anzukurbeln. Aber es gehört nun mal zu meinem Job, eini-germaßen genau einzuschätzen, wie groß die Gefahr ist, in der sich die zu schützende Person und ich befinden. Nun gehe ich noch mehr davon aus,

Blieb als mögliche Deckung nur die Verpflegungskammer. Bis wir aller-dings die Schiebetür hinter uns auf- und zugekriegt und uns zwischen Brötchentabletts und Wasserkästen ge-schmissen hätten, wäre ein halbwegs entschlossener Attentäter mit einem vom nächsten Pizzawagen entwende-ten Messer längst mit Rashid fertig und wieder im Besuchergewühl unterge-taucht gewesen.

Neben der Abendgarderobe befan-den sich in meiner Tasche noch ein Baseballschläger, Pfefferspray und Handschellen. Ich zog den Reißver-schluss auf und legte den Griff des Baseballschlägers so auf die Taschen-kante, dass ich ihn möglichst schnell zu fassen bekam. Außerdem nahm ich meine Pistole aus dem Rückenholster und schob sie in die rechte Seitentasche meiner Cordjacke. Niemand würde die Waffe sehen, und ich konnte durch die Jacke schießen.

»Sie werden damit hoffentlich vor-sichtig sein.« Katja Lipschitz trat vor mich und deutete auf meine Jackenta-sche. »Ich habe Sie beobachtet. Ich meine, es gibt auch überschwengliche

»Tolles Buch, Malik!« »Ungeheuer berührend!«

»Ganz wichtiger Text.« »Mein Favorit dieses Jahr.«

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dass wir einen eher ruhigen Nachmit-tag verbringen werden.«

Es kostete sie einen Augenblick Überwindung, dann sagte sie: »Schön, dass Sie das so entspannt sehen. Tut mir leid, die Arbeit mit Autoren …«, sie zögerte, »… na ja, ist nicht immer frei von Eigenheiten, Überraschun-gen – verstehen Sie?«

»Klar – weil die Kerle zu viel nach-denken.«

Sie lächelte müde. »Na, dann ist ja gut«, und sah auf die Uhr. »Ich muss wieder ans Telefon. Wenn Sie irgend-was brauchen, wenden Sie sich bitte wie besprochen an mich. Bis später.«

Kurz darauf ließ sich Rashid am Tisch vor mir nieder und bekam von der jungen, in einen adretten blauen

chenecho-Interview! Wenn das klappt, dann geht die Auflage ...« Er beschrieb mit der Gabel einen steil ansteigenden Strich.

»Prima«, sagte ich.Wenig später brachte Katja Lip-

schitz’ Assistentin den Journalisten der Bamberger Allgemeinen an Rashids Tisch. Ein fülliger, unrasierter, unge-kämmter, gemütlich wirkender Mitt-vierziger in ausgetretenen Schuhen und einem so zerknitterten Regenmantel, als hätte er darin die Nacht verbracht. Er ließ seine anscheinend schwere Um-hängetasche auf den Boden plumpsen und begrüßte Rashid überschwenglich: »… ist mir eine große Ehre … Freue mich sehr … begeistert … Was für ein mutiges Buch … Danke für die Zeit, die Sie mir opfern …«

Rashid bemühte sich, die Kompli-mente so weit wie möglich zurückzu-geben: »… freue mich auch sehr … Danke für Ihre Zeit … Bamberger All-gemeine, tolle kleine Zeitung …«

Dann hob der Journalist ein alter-tümliches Aufnahmegerät aus seiner Umhängetasche – »Tja, zu modernerer Technik reicht’s bei der Bamberger All-gemeinen noch nicht« –, brauchte fünf lange Minuten, um das Gerät zum Laufen zu bringen, und fing schließlich an, seine auf einen kleinen Zettel voller Essensflecken notierten Fragen zu stel-len.

Es war Rashids erstes Interview, dem ich beiwohnte, es sollten noch acht an diesem Nachmittag folgen – mit dem Rüdesheimer Boten, dem Storlitzer Anzeiger, der Studentenzei-tung Randale, mit Radio Norderstedt und noch irgendwem –, und so wenig sympathisch mir Rashid war, so sehr sollte er mir trotzdem spätestens nach dem dritten, vierten Interview leidtun.

»Lieber Malik Rashid«, fuhr der Mann aus Bamberg nach ein paar be-langlosen Fragen zu Rashids Geburts-ort und Biographie fort, »ich pack den Stier jetzt mal gleich bei den Hörnern: Ist der meisterhafte, aufwühlende Ro-man Die Reise ans Ende der Tage nicht vor allem das subtile Coming-out eines nordafrikanischen Mannes, der lange genug in Europa gelebt hat, um sich der religiösen und traditionellen Ket-ten seiner Heimat nun auch öffentlich

Hosenanzug gekleideten Assistentin von Katja Lipschitz eine Tasse vor sich hingeschmorten Filterkaffee und ein Stück Kokos-Bananen-Kuchen serviert.

»Danke, mein Schatz.« Er zwinkerte ihr zu. »Mhmm, riecht der gut. Hof-fentlich schreibt der junge Kollege so gut, wie er backt.«

»O ja«, sagte die Assistentin freund-lich lächelnd, »ein tolles Buch, sehr be-rührend. Wenn Sie noch irgendwas brauchen, sagen Sie bitte Bescheid. Der Mann von der Bamberger Allgemeinen kommt in fünf Minuten.«

»Was ist mit dem Wochenecho-Inter-view?«

»Wir sind immer noch dran, Herr Rashid. Katja macht, was sie kann. Das Problem ist: Der Redakteur, mit dem das Interview vereinbart war, musste aus gesundheitlichen Gründen kurz-fristig absagen. Tut mir leid. Sobald es Neuigkeiten gibt, bekommen Sie Be-scheid.«

Sie wandte sich zu mir: »Darf ich Ihnen auch ein Stück Kuchen brin-gen?«

»Danke, nur ein Glas Wasser bitte.«Während die Assistentin das Glas

Wasser aus der Verpflegungskammer hinter mir holte und mich eine Wolke Harzer-Käse-mit-Banane-Geruch aus der offenen Tür umfing, drehte sich Rashid zu mir um, ein Blick zur Ver-pflegungskammer: »Süß, nicht wahr?« Danach hielt er die Kuchengabel wie ein kleines Schwert in die Höhe. »Wo-

Bilder von oben nach unten: Diogenes Stand auf der Frankfurter Buchmesse, 1973.Tomi Ungerer (ganz links) und Daniel Keel stehend mit Bierglas, Diogenes Stand auf der Frankfurter Buchmesse, 1962.Daniel Keel (rechts) am Diogenes Stand auf der Frankfurter Buchmesse, 1957.

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und sozusagen stellvertretend für viele gleich- … ich sag mal … -gepolte Män-ner zu entledigen?«

»Bitte …?« Rashids Mund blieb of-fen. Er schien tatsächlich völlig über-rascht. Bestimmt hatte er damit gerech-net, dass das Thema von Journalisten angesprochen würde. Dass es der Kern nicht nur seines Auftakt-, sondern auch aller weiteren Interviews an sei-nem ersten Buchmessetag werden soll-te, darauf war er ganz offensichtlich nicht vorbereitet gewesen. Da konnte er noch so viel erklären, dass die ho-mosexuelle Liebe seiner Hauptfigur zu einem Strichjungen einem Gemisch aus sexueller Frustration, Sehnsucht nach Freiheit, Lust am Verbotenen und höchstens zu einem geringen Anteil natürlicher Veranlagung entsprang und dass er, Rashid, sich als Schriftsteller einfach einen Konflikt ausgedacht habe, mit dem er den aktuellen Zu-stand der marokkanischen Gesellschaft beschreiben könne – das Einzige, was die meist eher unvorbereitet wirken-den und preiswert gekleideten Männer und Frauen aus Bamberg und Storlitz interessierte, war: BEKENNT SICH DER MUSLIMISCHE AUTOR ÖF-FENTLICH ZU SEINER HOMO-SEXUALITÄT? ·

Buchtipp

Kayankaya ist zurück: älter, cooler – und liiert. Ein Mädchen verschwindet,

und der Frankfurter Detektiv soll einen muslimischen Schriftsteller

beschützen. Zwei scheinbar einfache Fälle, doch zusammen führen sie zu Mord, Vergewaltigung, Entführung.

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Martin Suter, geboren 1948 in Zürich, lebt in Spanien, Guatemala und in der Schweiz. In diesem Jahr erscheinen gleich zwei Bücher des ungemein produktiven Schweizer Bestsellerautors: ein Band mit Kolumnen aus der Business Class, Abschalten. Die Business Class macht Ferien, und der Roman Die Zeit, die Zeit.

»Martin Suter ist geglückt, was es in der deutschen Literaturszene nur selten gibt: Er verwischt souverän die Grenzen zwischen Unterhaltung und Literatur mit elegant und scheinbar mühelos erzähl-ten Geschichten.« NDR Kultur, Hannover

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Diogenes Magazin: All Ihre Romane befassen sich mit exi stentiellen Fra-gen, zumeist mit Identitätsproble-men, Persönlichkeitsveränderungen, die das Leben Ihrer Protagonisten auf den Kopf stellen – Small World, Die dunkle Seite des Mondes, Der per-fekte Freund, Lila, Lila – aber auch mit dem Verhältnis von Wahrheit und Lüge, wie in Der letzte Weynfeldt. In Ihrem neuesten Roman geht es um das Phänomen der Zeit. Wie sind Sie auf dieses Thema gekommen? Die Zeit interessiert mich seit meiner Jugend. Ich habe leidenschaftlich Zeit-reisegeschichten gelesen, und die Frage, was passiert, wenn man in die Vergan-genheit reisen und dort etwas verän-dern könnte, was die Auswirkungen auf die Gegenwart wären, hat mich im-mer fasziniert. Mein erstes Kinodreh-buch, Jenatsch für Daniel Schmid, war ein Zeitreiseabenteuer, und mein erster

veröffentlichter Roman, Small World, auch.Glauben Sie an das Vergehen der Zeit? Ist Zeit lediglich eine physikali-sche Maßeinheit?Ich glaube schon, dass es nicht die Zeit ist, die vergeht, sondern wir und alles andere es sind, die vergehen. Nur: In der Praxis macht es keinen spürbaren Unterschied.Heilt die Zeit alle Wunden, wie es das Sprichwort behauptet?Nein. Aber sie hilft, dass man mit sei-nen unverheilten Wunden leben lernt. Was halten Sie von dem im Buch be-schriebenen Experiment, die Zeit zu-rückzudrehen? Glauben Sie, dass man Ereignisse auf diese Art und Weise ungeschehen machen kann?An das, was man in einem Roman be-schreibt, muss man auch ein wenig glauben. Und sei es nur während des Beschreibens.

Haben Sie selbst auch zuweilen das Bedürfnis, die Zeit zurückzudrehen?Wer nicht!Kennen Sie andere Zeitexperimente in der Literatur oder im Film? H. G. Wells, Die Zeitmaschine. Daph-ne Du Maurier, Ein Tropfen Zeit. Ro-bert Zemeckis, Zurück in die Zukunft I – III. Alles wunderbare Zeitreisen.Wie haben Sie für Ihren Roman re-cherchiert, welche Bücher haben Sie gelesen? Mussten Sie sich auch mit obskurem Gedankengut auseinan-dersetzen? Ich recherchiere immer gleich: Vor al-lem während des Schreibens, kaum da-vor. So steht man nicht wie der Esel am Recherchenberg. Das Gedankengut, mit dem ich mich auseinandersetzte, war gar nicht so obskur. Alles klang recht einleuchtend und bodenständig.In Albert Camus’ Roman Die Pest wird eine Möglichkeit beschrieben,

Die Zeit, die Zeit ... der Titel von Martin Suters Roman ist Programm: Sein Held will die Zeit buchstäblich zurückdrehen, weil er den Tod seiner geliebten Frau nicht verwinden kann – und dabei scheut er keine Mühen. Wie Suter selbst es mit seiner Zeit hält, ob beim Schreiben, Lesen oder Leben, und wie viele Stunden sein Tag hat, erzählt er in diesem Interview.

Martin Suter im Gespräch

Wo nehmen Sie bloß die Zeit her?

Interview

Foto

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20 Diogenes Magazin

wie man die Zeit strecken kann. Es reiche, eine lange Zugfahrt stehend im Gang zu verbringen. Haben Sie einen persönlichen Trick?Manchmal denke ich, es helfe, einen sehr regelmäßigen Lebensrhythmus einzuhalten. Immer wieder die glei-chen Orte zu besuchen und den glei-chen Menschen zu begegnen, um so die Veränderungen klein zu halten. Wenn man alle paar Stunden in den Spiegel schaut, altert man ja auch lang-samer. Dann wiederum finde ich, auf diese Weise verschmelze alles zu einem einzigen Ganzen, die Lösung sei, im-mer wieder etwas völlig anderes zu ma-chen, um das ganze Leben mit Mark-steinen zu versehen.In welchen Lebenssituationen ver-geht die Zeit für Sie besonders schnell, in welchen besonders langsam?Wie wohl bei uns allen: am lang samsten beim Warten, am schnellsten beim Al-tern.Tragen Sie immer eine Uhr? Und wenn ja, wie oft schauen Sie täglich darauf?Ich trage immer eine, doch ich schaue nicht so oft darauf. Aber nur, weil ich die meiste Zeit des Tages am Computer verbringe, wo oben rechts immer die Zeit läuft und läuft.Warum leiden so viele unserer Zeitge-nossen an permanenter Zeitknapp-heit? Und kann man daran etwas än-dern?Es ist wohl tatsächlich ein zeitgenössi-sches Problem. Vielleicht liegt es daran, dass wir heute die Möglichkeit haben, so viel in einen Tag zu packen, so schnell die Standorte zu wechseln, so viele Informationen zu empfangen und zu verbreiten. Man könnte daran schon etwas ändern: radikal im Jetzt anstatt im Morgen und Übermorgen leben. Aber wer kann das schon? Ich nicht.Hat sich Ihr Umgang mit Zeit im Laufe Ihres Lebens verändert?Wenn man älter wird, wird man sich der Zeit immer bewusster. Erstens, weil sie einem langsam ausgeht. Zwei-tens, weil man immer mehr Vergangen-heit und immer weniger Zukunft hat. Aber trotzdem schaffe ich es nicht, be-wusster mit der Zeit umzugehen.Wenn Sie H. G. Wells’ Zeitmaschine besteigen könnten, wohin würden

Sie reisen? An einen anderen Zeit-punkt in Ihrem Leben? In eine ande-re Epoche? Oder würden Sie womög-lich gar nicht einsteigen wollen?Auf jeden Fall nicht in die Zukunft.Vergessen Sie die Zeit eher beim Le-sen oder beim Schreiben? Beim Schreiben.Ein berühmtes Bonmot von Karl Kraus lautet: »Wo nehm ich nur all die Zeit her, so viel nicht zu lesen?« Was antworten Sie jemandem, der sagt, er habe keine Zeit, Bücher zu lesen?Ich gehöre leider ab und zu auch zu de-nen.

Das kann ich nicht sagen. Aber in Gu-atemala hat die Zeit am wenigsten Be-deutung. Der Titel Ihres Romans Die Zeit, die Zeit klingt wie ein Vers aus einem Ge-dicht. Woher stammt er?Ich habe die Zeilen »Die Zeit, die Zeit / ihre Reise ist weit / sie läuft und läuft / in die Ewigkeit« als Knabe einem Mäd-chen ins Poesiealbum geschrieben. Aber ich finde nicht heraus, wo ich ihn abgeschrieben habe.·kam / kb

Woher nehmen Sie bloß all die Zeit? Sie haben nach Ihrem Erfolgsroman Der Koch aus dem Jahr 2010 zwei Ro-mane um den Gentleman-Gauner Johann Friedrich von Allmen ge-schrieben, und obendrauf zwei Dreh-bücher. Hat Ihr Tag mehr als 24 Stun-den?Ich glaube, es war nur ein Drehbuch, Giulias Verschwinden hatte ich schon geschrieben. Aber sonst stimmt die Statistik. Aber so gewaltig ist das nicht: Der Koch war im Herbst 2009 fertig. Ich habe also in den vergangenen drei Jahren neben dem Drehbuch – eine Ar-beit von vielleicht sechs Wochen – drei Romane von insgesamt etwa 700 Seiten geschrieben, das sind im Schnitt keine zwanzig Zeilen pro Tag. Daran überar-beitet man sich nicht.Folgen Sie einem strengen Zeitplan beim Schreiben?Wenn ich an einem Roman bin, schon. Dann schreibe ich täglich, vormittags und nachmittags, wie ein Büroange-stellter. Nicht, weil ich so fleißig bin, sondern, weil ich so ungeduldig bin.Sie leben und schreiben in Ibiza, Gu-atemala und Zürich. Vergeht die Zeit unterschiedlich schnell für Sie an die-sen drei Orten?

Radikal im Jetzt anstatt im Morgen oder

Über morgen leben. Wer kann das schon?

Ich nicht.

Buchtipp

»Etwas war anders, aber er wusste nicht, was.«

Anfangs begreift Peter Taler nur, dass im Haus gegenüber, in dem der

achtzigjährige Knupp wohnt, sonder­bare Dinge vor sich gehen. Er beginnt zu beobachten – und merkt erst spät, dass er selbst beobachtet wird und längst in die Geschehnisse auf der

anderen Seite der Straße verstrickt ist. Ist es verrückt, wenn einer glaubt, die Zeit lasse sich ›zurückdrehen‹?Es ist verrückt, denkt Taler, als er begreift, was sein Nachbar vorhat.

Knupp, der vor zwanzig Jahren seine Frau verloren hat, ist davon überzeugt,

dass man nicht wie Orpheus ins Totenreich hinab steigen muss, um einen

geliebten Menschen ins Leben zurückzuholen. Er hat eine Theorie

und kann sich dabei sogar auf berühmte Leute berufen. Allerdings ist die Umsetzung nicht ganz einfach.

Um nicht zu sagen: schier unmöglich. Taler soll ihm dabei helfen.

Liebes geschichte, Thriller und Zeitreise: ein geistiges Abenteuer, das für die Zeit der Lektüre die Welt auf den Kopf stellt.

304 Seiten, LeinenISBN 978-3-257-06830-6

Auch als Diogenes Hörbuch und E-Book

21Diogenes Magazin

Bücher

32,5%

Parfüm

20,0%

Spiele und Spielzeug

18,1%

Gutscheine

17,6%

Süßigkeiten

14,0%

DVDs

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für Mama

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540.0002010

757.000

Verbreitung von E-Books

E-Book-Käufer(Publikumsmarkt)

Verlage mit E-Books im Programm

Buchhandlungen mit E-Books im Programm

Reise

Schule und Lernen

Sachbuch

Wissenschaft

Belletristik

Warengruppen: Umsatzanteile im

Buchhandel

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9,7% (10,3%) 11,6%

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Kinder- und Jugendbuch

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Verkaufte E-Books(Publikumsmarkt)

Wachsender E-Book-Markt

Umsatzanteil E-Book(Publikumsmarkt)

Quellen: Arena der Rekorde: Adressbuch für den deutschsprachigen Buchhandel 2012/13, Mitglieder Börsenverein, Orte über 100.000 Einw., Statistisches Bundesamt; Unter den Lesern: Allensbacher Markt- und Werbeträgeranalyse, 2011, Bevölkerung Deutschland ab 14 Jahren; Marktplatz: Weihnachtsgeschenke: Handelsverband Deutschland, 2011; Buchkaufkraft: infas geodaten, LOCAL® 2012, Gemeinden ab 20.000 Einw.; Börse: Belletristik, Kinder- und Jugendbuch, Schulbücher: Deutsche Nationalbibliogra�e, VLB, 2011, Berechnungen Börsenverein; E-Books: E-Book-Studie Börsenverein, 2012, auf Grundlage GfK Verbraucherpanel Media Scope Buch, ohne Schul- und Fachbücher; Messehallen: Deutsche Nationalbibliogra�e, VLB, 2011, Berechnungen Börsenverein und Börsenblatt; Flughafen/Airport: Lizenzen: Börsenverein, 2012; Übersetzungen: Deutsche Nationalbibliogra�e, VLB, 2011, Berechnungen Börsenverein; Ideenfeld: E-Book-Studie Börsenverein, 2012, auf Grundlage GfK Verbraucherpanel Media Scope Buch, ohne Schul- und Fachbücher; E-Werk: E-Book-Studie Börsenverein, 2012, auf Grundlage GfK Panel Services; Platz der Umsätze: Buchmarkt: Börsenverein, 2012; Fachmedien: Deutsche Fachpresse 2012; Filmwirtschaft: Statista, PwC German Entertainment and Media Outlook 2011; Computer- und Videospiele: Bundesverband Interaktive Unterhaltungssoft-ware, 2012; Musikindustrie: Bundesverband Musikindustrie, 2012; Themenpark: Börsenverein, 2012, auf Grundlage Media Control GfK International, nur Sortiment und Warenhäuser (Barumsatz), E-Commerce; An den Vertriebswegen: Börsenverein, 2012

© Börsenblatt. Dieses Poster erscheint als redaktionelle Beilage im Börsenblatt, Heft 25 vom 21. Juni 2012. Redaktion: Sandra Schüssel, Sabine Cronau, Jana Lippmann

Schulbuch (Hardcover)

Darmstadt

6.564

Göttingen

7.121

Regensburg

7.529

Bonn

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Köln

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Einwohner pro Buchhandlung

Größte Buchhandelsdichte

82.048 (-2,7%)

Titelproduktiongesamt

Belletristik

15.141 (+4,3%)

Kinder- und Jugendbuch

8.225 (+1,8%)

Schulbuch

4.308 (-17,8%)

Der Stapel mit Neuerscheinungen

2011 wäre etwa

16x

Neuerscheinungen

ÜBERSETZUNGEN INS DEUTSCHE: DIE WICHTIGSTEN SPRACHEN

ANKUNFT / ARRIVAL

6.0%3.0%

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ENGLISCHFRANZÖSISCHJAPANISCHITALIENISCHSCHWEDISCHZAHL DER ÜBERSETZUNGEN (ERSTAUFLAGE) 10. 716 (-0,4%)

8,1%

Zahl der Lizenzverträge 8.000 (-2,3%)

1. China

13,4%

2. Russland

3. Polen

4. Spanien

5. Italien

5,3%

6,9%

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Lizenzvergaben ins Ausland:

die wichtigsten Länder

Büchernutzung: Wer liest wie oft?

ungefähr einmal im Monat/seltener

Frauen

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Männer

29%

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täglich/ mehrmals

in der Woche

etwa einmal pro Woche/

alle 14 Tage

Gemeinden mit der höchsten Buchkaufkraft

Bad Sodenam Taunus

Hessen

161

Bad Homburg v. d. Höhe

Hessen

156

Ingelheim am Rhein Rheinland-Pfalz

155

StarnbergBayern

155

VaterstettenBayern

150

Gemeinden mit der niedrigsten Buchkaufkraft

7879

7980

EislebenSachsen-

Anhalt

ZittauSachsen

ZeitzSachsen-

Anhalt

CrimmitschauSachsen

QuedlinburgSachsen-Anhalt

81

Gestaltung und Illustration: Sabine ZanderTextkonzept: Christoph Schröderwww.infogra�k-hamburg.de

Buchmarkt9,6 (-1,4%)

Musikindustrie1,7 (+0,1%)2,0 (+3,5%)

3,1 (+1,9%)Fachmedien

Computer- und Videospiele2,6 (+0,9%)

Filmwirtschaft

Umsatz in Mrd. €

Messehallen

Flughafen/Airport

Arena der Rekorde

Unter den Lesern

Themenpark

An den Vertriebswegen

Marktplatz

E-Werk

Baustelle

Ideenfeld

Platz der Umsätze

Börse

so hoch wie der Kölner Dom

(157,38 Meter)

0,19 (-12,7%)Buchgemeinschaften

0,91 (+-0,0%)

Sonstige Verkaufsstellen

0,18 (-13,1%)Warenhäuser

Versandbuchhandel (einschließlich Internet)

1,71 (+2,3%) 1,83 (+1,7%)

4,78 (-3,0%)

9,601 (-1,4%)

Verlage direkt

Sortimentsbuchhandel(ohne E-Commerce)

Gesamtumsatz

49,7%

Die beliebtesten Weihnachtsgeschenke

Kinder- und Jugendbuch (Hardcover)

11,78 € (-1,1%)

15,75 € (-0,5%)

Ausgaben für Bücherin € pro Jahr und Person

4,7 Mio. 2,0 Mio.2010

Berlin

180

München

138

Frankfurt am Main

88

Hamburg

89

Stuttgart

72

Anzahl der Verlage

Orte mit den meisten Verlagen

Umsatz im Buchmarkt nach

Vertriebskanal

Branchen im Vergleich

15,48 € (+0,7%)Belletristik (Hardcover)

E-Book8,07 € (-22,4%)

Wie viel kosten

Bücher?

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Bücher

32,5%

Parfüm

20,0%

Spiele und Spielzeug

18,1%

Gutscheine

17,6%

Süßigkeiten

14,0%

DVDs

12,0%

für Mama

59% 28%2010

49% 35%2010

540.0002010

757.000

Verbreitung von E-Books

E-Book-Käufer(Publikumsmarkt)

Verlage mit E-Books im Programm

Buchhandlungen mit E-Books im Programm

Buch und Buchhandel in Zahlen

Bitte einsteigen!

Reise

Schule und Lernen

Sachbuch

Wissenschaft

Belletristik

Warengruppen: Umsatzanteile im

Buchhandel

8,8% (8,8%)

9,7% (10,3%) 11,6%

(11,9%)

15,7% (15,2%)

34,4% (33,8%)

6,1% (6,0%*)

Kinder- und Jugendbuch

1,0% 0,5%2010

Verkaufte E-Books(Publikumsmarkt)

Wachsender E-Book-Markt

Umsatzanteil E-Book(Publikumsmarkt)

Quellen: Arena der Rekorde: Adressbuch für den deutschsprachigen Buchhandel 2012/13, Mitglieder Börsenverein, Orte über 100.000 Einw., Statistisches Bundesamt; Unter den Lesern: Allensbacher Markt- und Werbeträgeranalyse, 2011, Bevölkerung Deutschland ab 14 Jahren; Marktplatz: Weihnachtsgeschenke: Handelsverband Deutschland, 2011; Buchkaufkraft: infas geodaten, LOCAL® 2012, Gemeinden ab 20.000 Einw.; Börse: Belletristik, Kinder- und Jugendbuch, Schulbücher: Deutsche Nationalbibliografie, VLB, 2011, Berechnungen Börsenverein; E-Books: E-Book-Studie Börsenverein, 2012, auf Grundlage GfK Verbraucherpanel Media Scope Buch, ohne Schul- und Fachbücher; Messehallen: Deutsche Nationalbibliografie, VLB, 2011, Berechnungen Börsenverein und Börsenblatt; Flughafen/Airport: Lizenzen: Börsenverein, 2012; Übersetzungen: Deutsche Nationalbibliografie, VLB, 2011, Berechnungen Börsenverein; Ideenfeld: E-Book-Studie Börsenverein, 2012, auf Grundlage GfK Verbraucherpanel Media Scope Buch, ohne Schul- und Fachbücher; E-Werk: E-Book-Studie Börsenverein, 2012, auf Grundlage GfK Panel Services; Platz der Umsätze: Buchmarkt: Börsenverein, 2012; Fachmedien: Deutsche Fachpresse 2012; Filmwirtschaft: Statista, PwC German Entertainment and Media Outlook 2011; Computer- und Videospiele: Bundesverband Interaktive Unterhaltungssoft-ware, 2012; Musikindustrie: Bundesverband Musikindustrie, 2012; Themenpark: Börsenverein, 2012, auf Grundlage Media Control GfK International, nur Sortiment und Warenhäuser (Barumsatz), E-Commerce; An den Vertriebswegen: Börsenverein, 2012

© Börsenblatt. Dieses Poster erscheint als redaktionelle Beilage im Börsenblatt, Heft 25 vom 21. Juni 2012. Redaktion: Sandra Schüssel, Sabine Cronau, Jana Lippmann

Werte 2011 für Deutschland, Veränderung gegenüber dem Vorjahr in Klammern

Schulbuch (Hardcover)

Darmstadt

6.564

Göttingen

7.121

Regensburg

7.529

Bonn

7.736

Köln

7.747

12 3

4 5

Einwohner pro Buchhandlung

Größte Buchhandelsdichte

82.048 (-2,7%)

Titelproduktiongesamt

Belletristik

15.141 (+4,3%)

Kinder- und Jugendbuch

8.225 (+1,8%)

Schulbuch

4.308 (-17,8%)

Der Stapel mit Neuerscheinungen 2011 wäre etwa

16x

Neuerscheinungen

ÜBERSETZUNGEN INS DEUTSCHE: DIE WICHTIGSTEN SPRACHEN

ANKUNFT / ARRIVAL

6.0%3.0%2,1%

63,8%10,4%

ENGLISCHFRANZÖSISCHJAPANISCHITALIENISCHSCHWEDISCHZAHL DER ÜBERSETZUNGEN (ERSTAUFLAGE) 10. 716 (-0,4%)

8,1%

Zahl der Lizenzverträge 8.000 (-2,3%)

1. China

13,4%

2. Russland

3. Polen

4. Spanien

5. Italien

5,3%

6,9%

6,2%

Lizenzvergaben ins Ausland:

die wichtigsten Länder

Büchernutzung: Wer liest wie oft?

ungefähr einmal im Monat/seltener

Frauen

45%

19%36%

Männer

29%

18%54%

täglich/ mehrmals

in der Woche

etwa einmal pro Woche/

alle 14 Tage

Gemeinden mit der höchsten Buchkaufkraft

Bad Sodenam Taunus

Hessen

161

Bad Homburg v. d. Höhe

Hessen

156

Ingelheim am Rhein Rheinland-Pfalz

155

StarnbergBayern

155

VaterstettenBayern

150

Gemeinden mit der niedrigsten Buchkaufkraft

7879

7980

EislebenSachsen-Anhalt

ZittauSachsen

ZeitzSachsen-Anhalt

CrimmitschauSachsen

QuedlinburgSachsen-Anhalt

81

Gestaltung und Illustration: Sabine ZanderTextkonzept: Christoph Schröderwww.infografik-hamburg.de

Buchmarkt

9,6 (-1,4%)

Musikindustrie1,7 (+0,1%)

2,0 (+3,5%)

3,1 (+1,9%)Fachmedien

Computer- und Videospiele2,6 (+0,9%)

Filmwirtschaft

Umsatz in Mrd. €

Das Börsenblatt – meistgelesenes Fachmagazin der Branche – liefert Ihnen Fakten, Hintergründe und Meinung zum Buchmarkt. Aktuell, zuverlässig und reichweitenstark – print, online und mobil. www.boersenblatt.net

»Buch und Buchhandel in Zahlen« – das statisti-sche Jahrbuch des Börsenvereins – bündelt die wichtigsten Daten rund ums Buchgeschäft. Neu: ein ausführliches Kapitel zum E-Book-Markt. Das Buch (140 Seiten) erscheint im August 2012 und kostet 39,50 €. Jetzt vorbestellen! www.mvb-online.de/bubiz

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Mehr Fakten: Im Börsenblatt – und im BuBiZ 2012

Messehallen

Flughafen/Airport

Arena der Rekorde

Unter den Lesern

Themenpark

An den Vertriebswegen

Marktplatz

E-Werk

Baustelle

Ideenfeld

Platz der Umsätze

Börse

Leser

Linien:

L BuchproduktionB UmsatzU E-BookE

so hoch wie der Kölner Dom

(157,38 Meter)

0,19 (-12,7%)Buchgemeinschaften

0,91 (+-0,0%)

Sonstige Verkaufsstellen

0,18 (-13,1%)Warenhäuser

Versandbuchhandel (einschließlich Internet)

1,71 (+2,3%) 1,83 (+1,7%)

4,78 (-3,0%)

9,601 (-1,4%)

Verlage direkt

Sortimentsbuchhandel(ohne E-Commerce)

Gesamtumsatz

49,7%

Die beliebtesten Weihnachtsgeschenke

Kinder- und Jugendbuch (Hardcover)

11,78 € (-1,1%)

15,75 € (-0,5%)

Ausgaben für Bücherin € pro Jahr und Person

4,7 Mio. 2,0 Mio.2010

Berlin

180

München

138

Frankfurt am Main

88

Hamburg

89

Stuttgart

72

Anzahl der Verlage

Orte mit den meisten Verlagen

Umsatz im Buchmarkt nach

Vertriebskanal

Branchen im Vergleich

15,48 € (+0,7%)Belletristik (Hardcover)

E-Book8,07 € (-22,4%)

Wie viel kosten

Bücher?

*Werte 2010

Ratgeber

13,6% (13,9%)

Umsatz in Mrd. €

Linien:

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Buch-produktion

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E-BookE

Buch und Buchhandel in Zahlen

Noch Fragen?Wer liest wie oft? Wo gibt es die meisten Buchhandlungen pro Einwohner? Ist Berlin auch Verlagshauptstadt? Und viele weitere Fragen: Vier Statistik-

Linien führen durch den Bücherdschungel. – Bitte einsteigen!

Werte 2011 für Deutschland. Veränderungen gegenüber dem Vorjahr in Klammern. Die Broschüre Buch und Buchhandel in Zahlen und die hier abgebildete Grafik als DIN A3-Plakat sind bei der MVB Marketing- und Verlagsservice des Buchhandels GmbH bestellbar (Telefon 069 1306 550 in Frankfurt am Main).

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22 Diogenes Magazin

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: © Is

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Ohl

baum

Billy Abbott, der Protagonist und Ich-Erzähler von In einer Person, ist bisexuell. Was glauben Sie, warum Bisexuelle so selten in der Literatur vorkommen?Die bisexuellen Männer, die ich früher gekannt habe, waren weder schüchtern noch verunsichert. (Das gleiche gilt für die bisexuellen Männer, die ich jetzt kenne.) Ich würde sogar sagen, dass so-wohl meine ältesten als auch meine jüngsten bisexuellen Freunde zu den selbstsichersten Männern gehören, die ich kenne. Und doch schlug bisexuel-len Männern – besonders aus meiner Generation – von allen Seiten Miss-trauen entgegen. Ihre schwulen Freun-de sahen in ihnen Schwule, die sich ein Hintertürchen offenhalten, nicht aufs Ganze gehen oder sich nicht vollstän-dig outen wollten. Die meisten Hete-

ro-Männer bemerken an einem bisexu-ellen Mann nur den homosexuellen Anteil; vielen Hetero-Frauen erscheint ein Bi-Mann doppelt unzuverlässig – der könnte sie ja sowohl wegen einer anderen Frau als auch wegen eines schwulen Typen sitzenlassen! Bisexua-lität besetzt das, was Edmund White den ›Zwischenraum‹ nennt – das, was ›zwischen zwei bekannten Gegenpolen liegt‹. Ich empfinde es als müßig, darü-ber zu spekulieren, warum andere Au-toren keine bisexuellen Hauptfiguren haben. Ich weiß nur, dass ich schon immer etwas für sexuelle Außenseiter übrighatte.

Auch Schriftsteller sind Außenseiter, zumindest wird von uns erwartet, ›dis-tanziert‹ zu sein. Und mich faszinieren sexuelle Außenseiter nun mal beson-ders. Da wären der schwule Bruder in

Das Hotel New Hampshire, die schwu-len (bei der Geburt getrennten) Zwil-linge in Zirkuskind, die transsexuellen Figuren in Garp und wie er die Welt sah und jetzt wieder in In einer Person (diesmal als markantere, eigenständige-re Figuren). Ich mag diese Leute; sie ziehen mich an, und ich sorge mich um ihre Sicherheit – darum, wer sie hassen und ihnen Schaden zufügen könnte.Charles Dickens’ Große Erwartungen hat in mehr als einer Hinsicht einen enormen Einfluss auf Billy. Welche Bücher haben Sie geprägt?Wie Billy habe ich einen Teil meiner Kindheit hinter den Kulissen eines Kleinstadt-Theaters verbracht; meine Mutter, die – in so mancher Hinsicht – nicht wie Billys Mutter war, war auch Souf fleuse. Mein frühestes Interesse am Geschichtenerzählen rührt vom

Für Außenseiter hat er seit jeher Sympathien – er fühlt sich als einer von ihnen. So handelt auch John Irvings dreizehnter Roman In einer Person von Menschen, die am Rande stehen. Hier erzählt er von seiner Liebe für die Romane des 19. Jahrhunderts, davon, wie er seine eigenen Roman themen findet und sie ihn, aber auch von der Aids-Krise im New York der achtziger Jahre und seinem Unverständnis gegenüber sexueller Intoleranz.

John Irving

Was wir begehren, prägt uns

Interview

23Diogenes Magazin

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Ohl

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Theater her, und im Geiste habe ich mich als Schauspieler gesehen (auf der Bühne, nie im Film), bevor ich mich als Romanautor sah. Aber Große Erwar-tungen und andere Werke von Dickens weckten in mir den Wunsch, auch sol-che handlungsstarken Romane mit großem Personal wie in der Prosa des 19. und ersten Hälfte des 20. Jahrhun-derts zu schreiben. Man könnte hier auch Hardy, Melville, Hawthorne und Flaubert nennen, Thomas Mann, Tols-toi oder Dostojewskij.

Bevor ich jedoch alt genug war, die-se Romane schätzen zu lernen, habe ich Shakespeare- und Sophokles-Auf-führungen gesehen; Stücke mit viel Handlung. Jahrhunderte bevor die ers-ten Romane geschrieben wurden, hat das Theater Geschichten erzählt.In Ihrem neuen Roman schildern Sie die Folgen von Aids am Beispiel New Yorks. War es schwierig für Sie, diese Phase der Geschichte einzufangen?Wenn Sie ›schwierig‹ in puncto Recher-che meinen: nein. Andere Romane wa-ren da sehr viel anspruchsvoller, weil ich mich in eine fremde Materie einar-beiten musste. Aber schwierig war es trotzdem – für mich persönlich. Ich habe von 1981 bis 1986 in New York gelebt, war zu Beginn der Aids-Krise da, habe (junge und alte) Freunde an die Seuche verloren. Bei manchen die-ser Erinnerungen hätte ich mir ge-wünscht, sie nie wieder hervorkramen zu müssen.

Zum Glück habe ich zwei gute Freunde, Schriftstellerkollegen, von denen ich wusste, dass sie das Manu-skript lesen – mir sozusagen beim Schreiben über die Schulter schauen. Ich weiß nicht, ob ich mich an In einer Person gewagt hätte, wenn ich nicht ge-wusst hätte, dass ich mich auf diese Freunde als Erstleser verlassen konnte: Edmund White und Abraham Verghe-se. Wenn mir ein Fehler passiert, wür-de er ihnen auffallen; auf ihr Urteil kann ich mich vollkommen verlassen. Sie haben mir den Rücken gestärkt, mir den freien Zugang zum Stoff ermög-licht, sie waren mein Sicherheitsnetz.In einer Person enthält einige der Zu-taten, die Ihre Leser mittlerweile von Ihnen erwarten: Ringen, Auslands-aufenthalt in Wien, Verlust der kind-

lichen Unschuld, einen fehlenden El-ternteil, Internate in Neuengland, Abweichungen von der sexuellen Norm etc. Was zieht Sie immer wie-der zu diesen Motiven und Schau-plätzen hin?Nun ja – da gibt es zum einen die The-men oder ›Motive‹, für die ich mich freiwillig entscheide, und dann die, die sich für mich entscheiden. Mit dem Ringen kenne ich mich aus: Ich habe zwanzig Jahre lang als Leistungssport-ler auf der Matte gestanden und war als Trainer tätig, bis ich 47 war. Das Leben in einem Internat in Neuengland und als Auslandsstudent in Wien – all das kenne ich einfach sehr gut. Dafür ent-scheide ich mich, weil ich unendlich viel aus jener Zeit im Gedächtnis ge-speichert habe.

War der Schreibprozess bei diesem Roman anders als bei Ihren vorigen Büchern? Haben Sie auch diesmal, wie man es von Ihnen kennt, den letzten Satz zuerst geschrieben?Ich fange immer mit dem Schluss an, mit den letzten Sätzen – normalerweise mit mehr als nur einem letzten Satz, oft ist es ein ganzer Absatz (oder zwei). Ich verfasse ein Ende und schreibe dar-aufhin, als wäre dieses Ende eine Melo-die, die ich die ganze Zeit höre – ganz gleich, wie viele Jahre später ich sie er-reiche. Das Ende von In einer Person ist ein Refrain – die Wiederholung von etwas, das Miss Frost zu Billy gesagt hat, und Billy gibt es an Kittredges zornigen Sohn weiter. Es ist ein Ende in wörtlicher Rede.

So etwas habe ich auch früher schon gemacht: In Gottes Werk und Teufels Beitrag wird der Segensspruch wieder-holt, den der alte Arzt den Waisen vor dem Einschlafen sagt – dieses Echo des »Ihr Prinzen von Maine, ihr Könige Neu englands«-Refrains. Das erinnert an den wiederkehrenden Schlussvers eines Kirchenlieds.

Und dann gibt es noch das Echo eines frühen Satzes in Witwe für ein Jahr, den Marion ihrer Tochter gegen-über am Ende des Romans wiederholt: »Weine nicht, Schätzchen. Wir sind es nur, Eddie und ich.«

Das Ende meines neuen Romans ist wieder ein sogenanntes Refrain-Ende, das den Leser an die Stelle zurückführt, wo diese Worte zum ersten Mal fallen. Es müssen Worte sein, an die sich der Leser erinnert!In einer Person ist Ihr dreizehnter Roman. Haben Sie einen Lieblings-roman von John Irving?Ich habe drei Kinder; keines davon ist mein Lieblingskind. Man liebt sie alle. Aber über meine Romane kann ich sa-gen: Die letzten acht, ab meinem sechs-ten Roman Gottes Werk und Teufels Beitrag, sind handwerklich besser als die ersten fünf – besser komponiert und geschrieben. Ich weiß auch, war-um. Erst nach der Veröffentlichung von Garp und wie er die Welt sah (mei-nem vierten Roman) konnte ich mich hauptberuflich dem Schreiben wid-men; erst nachdem ich Das Hotel New Hampshire (meinen fünften Roman)

Aber der »Verlust von kindlicher Un-schuld« oder der »fehlende Elternteil«, und auch die sexuellen Außenseiter und / oder Sonderlinge, die mich in meinen Romanen immer wieder be-schäftigen – tja, diese Dinge suche ich mir nicht aus. Sie verfolgen mich; sie suchen mich heim. Den Alptraum, der einen um vier Uhr morgens weckt, kann man sich nicht aussuchen, oder? Dieser Alptraum verfolgt einen stets aufs Neue.Gibt es autobiographische Gründe dafür, dass Bibliotheken so wichtig für Billy Abbotts Entwicklung sind?Ich mag Bibliotheken. Dort habe ich früher gelesen, geschrieben, mich darin versteckt. Bibliotheken sind Orte der Stille – für mich damals genau richtig. Ich bin in Bibliotheken gegangen, um meine Ruhe zu haben. So vieles am Schriftstellertum ist Suche nach dem Alleinsein – ja, sogar das Bedürfnis, al-lein zu sein. In Buchhandlungen ist es nicht das Gleiche; dort geht es geselli-ger zu. Ich war ein ungeselliges Kind. Bibliotheken waren meine Höhle.

Diese Dinge suche ich mir nicht aus. Sie

verfolgen mich; sie suchen mich heim.

24 Diogenes Magazin

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25Diogenes Magazin

geschrieben hatte, gewöhnte ich mir an, acht oder neun Stunden am Tag zu schreiben.

Es ist ein Unterschied, ob man die ganze Zeit schreibt oder ob man nur einen Teil seiner Zeit damit zubringt.Ihr neuer Roman beschäftigt sich vor allem mit dem Thema Toleranz, ins-besondere mit der LGBT (lesbisch-schwul-bisexuell-transgender)-Com-munity, in einem Zeitraum ab den späten fünfziger Jahren bis in die Gegenwart. Was weckte in Ihnen den Wunsch, über ein so heftig umstritte-nes Thema zu schreiben?›Wunsch‹ trifft es nicht ganz; vielleicht motivierte mich diesmal eher das Ge-fühl, ich ›müsste‹, oder ›sollte‹, eine be-stimmte Geschichte schreiben. Als ich Ende der siebziger Jahre Garp und wie er die Welt sah geschrieben hatte, war ich erleichtert: Das war ein zorniger Roman; das Thema Intoleranz gegen-über sexuellen Abweichungen ließ mir keine Ruhe. Garp ist radikal, was Poli-tik und was Gewalt angeht. Ein Mann wird von einer Frau ermordet, die Männer hasst, seine Mutter von einem Mann, der Frauen hasst. Geschlechts-spezifische Mordanschläge als Reakti-on auf eine falsch verstandene soge-nannte sexuelle Befreiung der sechziger Jahre; damals wollte ich sagen: »Und warum hassen sich Menschen mit un-terschiedlicher sexueller Orientierung immer noch gegenseitig?« Ich hätte nie gedacht, dass ich noch mal auf das The-ma zurückkommen würde. In einer Person ist kein so radikaler Roman wie Garp, es geht um eine persönlichere Erfahrung – Billy habe ich zum Ich-Erzähler gemacht, damit die Geschich-te persönlicher wird. Er ist ein einsa-mer Mann. »Was wir begehren, prägt uns«, sagt er – erstes Kapitel, erster Ab-satz. Später – über 300 Seiten weiter in seiner Geschichte – heißt es dann: »Ich wusste, nicht eine Person konnte mich vor dem Wunsch retten, mit Männern und Frauen Sex zu haben.« Er beklagt sich nicht, er sagt nur, wie es ist. Ich bin nicht der Meinung, dass die Rechte Schwuler – oder die der Bisexuellen – oder der Transgender-Leute – so ›hef-tig umstritten‹ sind, wie Sie sagen. Ich halte die Leute, die sexuelle Identität nicht als ein Bürgerrecht akzeptieren

können, für moralische und politische Fossilien. Die sexuell Intoleranten wer-den aussterben – sie wissen es nur noch nicht.Über die Jahre haben Sie mit Ihren Romanen Redensarten geprägt: »Pass auf den Sog auf«, »Halt dich fern von offenen Fenstern«, »Gute Nacht, ihr Prinzen von Maine  – ihr Könige Neuenglands« etc. Wie kommen Sie auf diese Sprüche? Zu Anfang von In einer Person gibt es auch so einen Satz. »Alle Kinder lernen, sich chiffriert zu unterhalten.« Oder Miss Frosts Aufforderung an Billy, die er am Romanende wiederholt: »Mein lieber Junge, bitte steck mich nicht in eine Schublade. Ordne mich nirgends ein …« In meinen Romanen gibt es im-mer solche refrainartigen Sätze. Sie er-zeugen einen Widerhall in meinem Kopf; ich kann sie nicht vergessen. Denken Sie an die Rolle des Chors in der antiken Tragödie oder an das, was die Narren, die Spaßmacher und He-xen in Shakespeares Stücken sagen: Diese Figuren kommentieren nicht nur das Geschehen, sondern werfen Schat-ten voraus – sie geben eine Vorahnung von dem, was kommen wird. Ich mag solche Vorausdeutungen; so ein Satz steht ganz am Anfang von In einer Per-son, wenn es heißt: »Ach ja, die Zeiten ändern sich, und sie ändern sich un-sanft im rauhen Klima der Kleinstädte des nördlichen Neuengland.« Wir sind noch viele Seiten von der Stelle ent-fernt, wo Miss Frost geächtet wird, aber das ist eine Vorwarnung.Haben Sie ein neues Buch in Arbeit? Ich habe das Glück, immer zwischen mehreren Storyideen wählen zu kön-nen. In der Regel gibt es zwei oder drei (sogar bis zu vier) Romane, die nur da-rauf ›warten‹, der nächste zu sein. Manchmal wartet so ein Roman viele Jahre; doch ich wähle nicht immer den, der am längsten im Hinterkopf schlum-mert. Oft fällt die Entscheidung nach dem Kriterium, wie viel ich über den Schluss weiß – wie deutlich oder un-deutlich ich das Ende des Romans vor mir sehe. Die Idee zu In einer Person habe ich sechs oder sieben Jahre lang mit mir herumgetragen (wenn nicht länger), bevor ich im Sommer 2009 mit der Niederschrift begann. Noch im

Juni 2009 hätte ich nicht geglaubt, dass In einer Person der nächste Roman wäre – aber dann sah ich plötzlich das Ende vor mir, und damit die ganze Ge-schichte. Für meine Verhältnisse habe ich diesen Roman sehr schnell ge-schrieben – in nur zwei Jahren. Aber ich musste auch kaum recherchieren – der Aufwand ist meist ungleich grö-ßer –, und diese Figuren und ihr Schicksal hatten mich schon fast ein Jahrzehnt lang begleitet. Zurzeit befas-se ich mich mit vier verschiedenen Ro-manideen, habe mich aber noch für keine entschieden: eine Gespenster-geschichte, eine Wundergeschichte, eine Liebesgeschichte, eine Adoptions-geschichte.·Aus dem Amerikanischen von Hans M. Herzog

Buchtipp

»So spiele ich in einer Person viele Menschen, und keine ist zufrieden.«

Shakespeare, Richard II.

Die ganze Welt ist eine Bühne … William Dean jr., genannt Billy, Sohn

eines verschollenen GI und einer Souffleuse, verbringt seine Jugend hinter und auf der Bühne des groß­väterlichen Kleinstadttheaters in

Neuengland. In den düsteren Dramen von Shakespeare und Ibsen lernt er seine Familie – und sich selbst – in

unerwarteten Rollen kennen, die ihn beunruhigen, aber auch faszinieren.

Keiner ist der, der er zu sein scheint – zuallerletzt er selbst. William will nicht Schauspieler werden, sondern Schrift­steller, und um herauszufinden, wer er

wirklich ist, macht er sich auf die Suche nach seinem Vater. Eine abenteuerliche Reise um die halbe Welt beginnt – von New York über San Francisco bis nach

Hamburg und Wien.

736 Seiten, LeinenISBN 978-3-257-06838-2

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Wenn sich alle fangen wir an

einig sind,zu zweifeln.

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einig sind,zu zweifeln.

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Brunos Heimat

Ein Leser & Eine Leserin

Wer einen Arbeitsplatz hat, der so aus-sieht wie auf dem Foto und für Ohren und Augen wenig angenehm ist, der greift zur Entspannung gerne zum Buch. Hans Peter Geerdes, besser be-kannt als H. P. Baxxter und Frontmann der Musikgruppe Scooter, hat dem Zürcher Magazin verraten, was er macht, wenn er nicht im Studio ohren-betäubende Musik aufnimmt oder auf der Bühne unter Lasern ins Mikro-phon schreit: »Zu Hause ist mein Abendprogramm sehr entspannt – un-ter der Woche jedenfalls. Filme schau-en, essen gehen, in einer Zeitschrift blättern. Im Winter sitze ich oft vor dem Kamin, trinke Tee und lese. Fach-bücher über englische Oldtimer zum Beispiel – meine Leidenschaft. Mitun-ter hatte ich acht. Von meinem 73er Ja-guar E-Type werde ich mich nie tren-nen. Manchmal schmökere ich auch in einem Roman von Paulo Coelho und Thomas Bernhard.«

Martin Walker spricht immer besser deutsch. Während einer Lesung vor 200 Buchhändlerinnen und Buchhänd-lern in Stuttgart aus Delikatessen, sei-nem neuesten Fall für Bruno, verriet er seine Lernmethode. Er hört ganz ein-fach die deutschen Hörbücher seiner eigenen Romane – denn so kann er auch ihm unbekannte deutsche Wörter erraten, weil er das Buch ja selbst ge-schrieben hat. Die Stimme von Johan-nes Steck, der für Diogenes die vier Bruno-Romane eingelesen hat, gefalle ihm ausgezeichnet, so Martin Walker. Außerdem lese er sehr deutlich.

Viel Zeit zum Lesen hatte Aung San Suu Kyi – gezwungenermaßen. Sie zählt zu den bedeutendsten politischen Widerstandskämpfern unserer Zeit. Seit den 1980er-Jahren setzt sie sich für die gewaltlose Demokratisierung ihrer Heimat Myanmar (ehemals Birma) ein. Immer wieder wurde Aung San Suu Kyi von der Militärführung in Ge-wahrsam genommen. Fünfzehn lange Jahre ihres Lebens verbrachte sie unter Hausarrest, die Begründung: »sie ge-fährde die staatliche Sicherheit«, bis sie 2010 endlich und hoffentlich endgültig freigelassen wurde. Ihre erste Aus-landsreise nach 24 Jahren führte sie auch nach Paris. In einem Interview mit dem Fernsehsender TF1 erzählte sie von ihrem Leben in der Gefangen-schaft. »Wenn man so viel Zeit nur mit sich selbst verbringt, ist Selbstdisziplin außerordentlich wichtig. Es ist wichtig, dass man etwas für sich tut, bei dem man nicht auf andere angewiesen ist. Musik hören, malen oder lesen. Ich habe in der Gefangenschaft viele Ro-mane von Georges Simenon gelesen, auch um mein Französisch nicht zu verlernen. Ich liebe die Menschlichkeit seiner Figuren.«

Bei ihrem Besuch im Élysée wenig später überreichte ihr Präsident Fran-çois Hollande ein Geschenk: das Ge-samtwerk des belgischen Romanciers.

Hier muss man sich noch ein wenig gedulden. Zwar ist die Maigret-Ge-samtausgabe in 75 Bänden weiterhin lieferbar, aber bislang sind von den ge-planten 50 Bänden der Non-Maigret-Edition erst 35 Bände erschienen. Zum Glück folgt jeden Monat ein weiterer.

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Vielleicht kann der gebürtige Schotte, der in Washington und im Périgord lebt, seine Deutschkenntnisse dem-nächst sogar im Périgord nutzen, falls er einen deutschen Nachbarn be-kommt. In einem Immobilieninserat in der Zeit wird jedenfalls das Périgord bereits als »Inspektor Bruno’s Heimat« angepriesen, um Deutsche für den Kauf eines Hauses zu ködern.

29Diogenes Magazin

D I E A U T O R E N Z E I T S C H R I F T F Ü R P O L I T I K , W I R T S C H A F T U N D K U L T U R

« Ich freue mich auf jede Ausgabe!»Thomas Hürlimann, Schriftsteller

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Kritiken

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Schöner Lesen

Diogenes-DuFanpost

Über ungewöhnliche Fanpost eines Lesers freute sich Tim Krohn, von dem vier Romane als Diogenes Taschenbü-cher erschienen sind, darunter der Ro-man Vrenelis Gärtli – ein virtuoses, lustvolles Spiel mit Mythen und ein li-terarisches Denkmal für den bekann-testen Berg des Glarnerlandes: Vrene-lisgärtli. Urs Mattle schickte ein Foto mit den Worten: »Guten Tag Herr Krohn. Vor zwei Wochen hatte ich un-

»So etwas wird uns das E-Book nie bie-ten können: Das Gefühl eines Leinen-einbandes, das Lesebändchen, den Schuber. Das, was ein schönes Buch ausmacht. Ein solches ist der kleine Band Eine Rose für Emily mit dem der Diogenes Verlag an den vor fünfzig Jahren gestorbenen William Faulkner erinnert«, so die Nürnberger Nach-

Du Heft über Diogenes

erwartet Gelegenheit einen Besuch beim Vrenelisgärtli zu machen: Nach dem vielen Neuschnee waren leider von Vreneli keine Spuren mehr zu se-hen …

Ich bin seit ein paar Jahren Fotograf und Kameramann bei Patrouille Suisse.Der Pilot der PC-7 ist übrigens Dani Hösli (Kommandant der Patrouille Suisse), er stammt ebenfalls aus dem Glarnerland.«

Du, die Schweizer Kulturzeitschrift, hat dem Diogenes Verlag zum Sechzigsten die September-Ausgabe gewidmet: Im reich bebilderten Heft erzählen Dioge-nes Autoren wie Donna Leon, Ingrid Noll, Joey Goebel vom Erzählen. Urs Widmer erinnert sich an Diogenes Gründer Daniel Keel. Und einen Blick hinter die Verlagskulissen gibt es auch.

richten. Das stimmt so sehr, dass wir hier ein Foto all der schönen Schuber-bändchen zeigen, die bei Diogenes er-schienen sind: Die Gesammelten Stü-cke von Anton Čechov, Erzählungen von Carson McCullers, D. H. Law-rence, Ray Bradbury und F. Scott Fitz-gerald und die Grüne Insel mit irischen Meister erzählungen.

Die Zeitschrift der Kultur Nr. 829

Über das Erzählen – Sechzig Jahre Diogenes

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Alle Ärzte waren sich einig, die Dia - gnosen eindeutig: Zwei Herzarte-

rien seien blockiert. Man gab mir noch einen guten Monat. Ich begann, über mein Leben nachzudenken.

Der Tod ist eine schöne Frau, immer an meiner Seite. Ich weiß, eines Tages wird sie mich küssen. Sie ist eine Be-gleiterin, die mich daran erinnert, nichts auf später zu verschieben: »Tu es jetzt, tu es jetzt, tu es jetzt.« Ihre Stim-me ist nicht drohend, nur beharrlich. Es kommt, sagt sie, nicht darauf an, wie lange ich lebe, sondern wie ich lebe.

Ich war einmal in der Mojave-Wüste gestrandet, die Wasservorräte gingen zur Neige, und ich hatte keinen dieser Ratgeber gelesen, die einem erklären, wie man unter solchen Bedingungen überlebt. Einmal verirrte ich mich beim Bergwandern in den Pyrenäen. Beide Male glaubte ich, dass ich es nicht mehr schaffen würde, aber es ging gut aus.

Vor fünf Monaten ließ ich einen me-dizinischen Check-up machen. Von allein wäre ich nie darauf gekommen, eine gute Freundin hatte mich ein-

dringlich darum gebeten. Ihr Vater war gerade gestorben, nun beschwor sie alle ihre Freunde, eine Herzuntersu-chung machen zu lassen. Ich sagte: »Ich bin doch kein Hypochonder.« Sie bestand trotzdem darauf. Also meldete ich mich zu einem Belastungs-EKG an, bei dem man sich auf einem Ergometer abstrampelt.

»Herr Coelho«, sagte der Arzt, »Sie haben noch dreißig Tage zu leben. Zwei Arterien sind blockiert.«

Ich sagte: »Was?« Und dann: »Sind Sie sicher? Ich spüre nichts.«

Es war nicht mehr als ein medizinischer Check-up. Doch die Diagnose, die Paulo Coelho vor einigen Monaten bekam, war erschütternd. Er konnte es nicht glauben, konsultierte etliche Ärzte. Das Ergebnis war jedes Mal dasselbe: Noch einen Monat habe er zu leben. Der brasilianische Schriftsteller blickt im Angesicht des Todes zurück auf seine Vergangenheit: Wie habe ich gelebt? Habe ich Liebe erfahren? Bin ich meinen Träumen gefolgt?

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»Es ist ein schleichender Herzin-farkt«, sagte der Arzt. »Diese beiden Arterien sind zu neunzig Prozent ver-stopft.«

Ich erwiderte, dass ich rasch noch ein, zwei andere Ärzte konsultieren wolle. Es war jedes Mal das gleiche Er-gebnis. Bei derart verstopften Arterien würde ich in einem Monat sterben. Zwei Tage später hatte ich einen Ter-min. Alles hinge davon ab, was die Un-tersuchung ergeben würde. Der Chir-urg würde entscheiden, ob eine Angioplastie, also eine Er-weiterung der Arterien mittels Ballonkatheter, oder ein Bypass erfor-derlich wäre – wenn mir überhaupt noch zu helfen sei.

Einen ganzen Tag, den 29. November, saß ich mit dem Tod zusammen. Als Christ glaube ich, dass mich das Lamm Gottes nicht fragen wird: »Wie viele Sünden hast du begangen?«, sondern: »Wie sehr hast du geliebt?«

Ich empfand eine tiefe Dankbarkeit, dass ich die letzten 33 Jahre mit meiner Frau Christina hatte teilen dürfen. Nicht viele Menschen finden die Liebe ihres Lebens. Mir war dies vergönnt. (Ich brauchte allerdings vier Ehen, um sie zu finden.) Christina und ich haben Liebe in ihrem tiefsten Sinn erfahren, dieses Gefühl von Vertrautheit und Hingabe. Ja, ich habe wirklich geliebt.

Habe ich gelebt? Ich gehöre zu den Babyboomern und habe alles mitge-macht – Sex, Drogen, Rock ’n’ Roll. Ich war ein Hippie, ein Aussteiger, ein großer Kummer für meine Eltern. 1974 wurde ich von der brasilianischen Mili-tärregierung wegen ›subversiver‹ Akti-vitäten verhaftet. Ich hatte diese ver-rückten Jahre überlebt und am Ende beschlossen, das zu tun, was mir wirk-lich wichtig war: Ich wurde Schriftstel-ler. Ich habe oft gezweifelt, wenn mir jemand sagte: »Von der Schriftstellerei kann man nicht leben.« Aber ich spür-te, dass es nicht ums Geldverdienen ging. Mir ging es darum, wie ich leben wollte.

Es gibt zweierlei Schriftsteller – die-jenigen mit einer ausgeprägten Phanta-sie wie Proust oder Joyce und solche,

die die Dinge erst erleben müssen, um darüber schreiben zu können, wie He-mingway und Baudelaire. Ich muss meine Themen erfahren haben. Mein erstes Buch habe ich mit vierzig ge-schrieben – in einem Alter, in dem manche bereits daran denken, kürzer zu treten, fing ich ein neues Leben an. Das Buch hieß Auf dem Jakobsweg.

Ich schreibe noch immer. Wenn es nur ums Geld gegangen wäre, hätte ich vor fünfzehn Jahren aufgehört, mit

dem Alchimisten. Das Schrei-ben ist meine Berufung, et-

was, was ich mit aller Energie und Hingabe tue. Am 29. November dachte ich also: »Ich habe Liebe erfahren, ich habe alles getan, was

ich tun wollte, ich habe meinen Auftrag erfüllt,

mein Glück gefunden. Wenn ich morgen sterbe, werde ich mit Freu-de aus dieser Welt gehen.« Im Grunde hat es nichts damit zu tun, ob man an ein Leben im Jenseits glaubt. Jeder will dem Tod mit Anstand und Würde be-gegnen.

Offensichtlich – ich schreibe gerade diese Zeilen – bin ich nicht gestorben. Die Katheteruntersuchung ergab, dass drei Arterien total verstopft waren. Der Arzt öffnete sie mit Hilfe eines Ballons und legte drei Stents, kleine Metallröhrchen, die die Arterien offen-halten. Als ich aus der Narkose er-wachte, sagte er: »Übermorgen kön-nen Sie Golf spielen.« Ich sagte, dass ich mehr vom Bogenschießen hielte.

Seitdem führe ich mein Leben wie gewohnt weiter. Ich halte allerdings eine Art Diät. Ich habe auch ein GPS dabei, wenn ich in den Bergen unter-wegs bin, sicherheitshalber. Meine Frau und ich unternehmen viele Berg-wanderungen. Manchmal frage ich mich, wo ich jetzt wäre, wenn diese Freundin mich nicht genötigt hätte, zum Arzt zu gehen. Christina und ich steigen weiterhin Berghänge hinauf, aber inzwischen behalte ich die Koor-dinaten im Auge, nur für den Fall, dass wir uns verlaufen.·Aus dem Englischen von Matthias FienborkDieser Artikel erschien zuerst in ›The Spectator‹, London.

Buchtipps

D E R A LC H I M I S T

Das erfolgreichste Buch von Paulo Coelho – jetzt als Geschenkausgabe

192 Seiten, PappbandISBN 978-3-257-06840-5

Auch als Diogenes Hörbuch

Die Welt wird in diesem Augenblick zugleich geschaffen und zerstört.

Wen auch immer du getroffen hast, er wird wiederauftauchen,

wen auch immer du verloren hast, er wird zurückkommen.

Erweise dich der Gnade würdig, die dir zuteilwurde.

Erkenne, was in dir vorgeht, und du wirst wissen, was in allen anderen vorgeht.

A L E P H

PA U L O C O E L H O gilt für Millionen Leser auf

der ganzen Welt als Alchimist des Wortes und als

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seiner Bücher regen weltweit Leser zum

Nachdenken und zu einem neuen Blick auf die

Welt an und dazu, ihren eigenen Weg zu suchen.

Die kolumbianische Künstlerin C ATA L I N A

E S T R A D A hat sich für ihre Bilder von der

üppigen Natur in ihrem Heimatland inspirieren

lassen. Heute ist sie international berühmt und lebt

in Barcelona. Ihr staunender Blick auf die Welt

widerspiegelt sich in der Farbenpracht ihrer Bilder.

VERÄNDERUNGENB u c h - K a l e n d e r 2 0 1 3

VERÄNDERUNGEN

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Ein inspirierender Begleiter

durch das Jahr – ein Tage-Buch

mit Auszügen aus der Gedank en

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welt eines der meistgelesenen

Autoren der Welt.

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Tage­Buch und Lebensbegleiter mit Auszügen aus der Gedankenwelt eines der meistgelesenen Autoren der Welt

264 Seiten, PappbandISBN 978-3-257-06825-2

»Schutzengel zeigt Paulo Coelho verletzlich und authentisch wie nie.«

News, Wien

Diogenes Taschenbuchdetebe 24170, 208 Seiten

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Anna Stothard, 1983 als Kind eines Journalisten und einer Schriftstellerin in London geboren, aufgewachsen in Washington, Peking und New York, hat nach Pink Hotel wieder einen Roman abgeschlossen, der im kommenden Jahr bei Diogenes erscheinen wird. Zwei Jahre lang studierte sie in L. A. Dreh-buchschreiben. Ihre Wohnung lag ganz in der Nähe von Charles Bukowskis liebstem Schnaps laden. Heute lebt sie wieder in London.

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 Ich schreibe am selben Tisch, an dem ich schon als Kind Märchen hinten

in mein Matheheft gekritzelt habe. Spuren von Kugelschreiberherzen sind noch im Holz zu erkennen, die Käst­chen für Drei gewinnt, gespielt mit der Spitze eines Winkelmessers, und ein Schwung wütender Kerben von was auch immer für einer Enttäuschung. Vor ein paar Jahren habe ich den Tisch weiß gestrichen, doch die Konturen ju­gendlicher Langeweile sind geblieben.

Nicht, dass man normalerweise die Oberfläche meines Schreibtisches über-haupt zu sehen bekäme: Ich bin unor-dentlich, umgeben von Festungen aus alten Notizbüchern, unlesbaren Post-its, Kaffeetassen und stapelweise Zei-tungen, aufgehoben aus unerfindlichen Gründen. Wenn ich allein zu Hause bin, sitze ich an diesem alten Schreib-tisch, aber sobald irgendjemand da ist,

verziehe ich mich. Am liebsten gehe ich dann ins Café Nero in der Frith Street, das nach geröstetem Kaffee und Schweiß riecht. Umgeben von den Ge-räuschen fremder Menschen arbeite ich wunderbar, aber ich kann keinen kla-ren Gedanken fassen, sobald jemand in der Nähe ist, der mir etwas bedeutet.

te Moment bei der Entstehung eines Buchs. Eineinhalb Jahre hat man sich in einer erfundenen Welt vergraben, ei­nen ganzen Haufen Alter Egos bei Laune gehalten und ein ausgeklügeltes Netz falscher Erinnerungen gewoben. Wie oft bin ich nachts aufgewacht, habe Stücke eines Dialogs vor mich hin­gemurmelt und mich geweigert, ›echte‹ Freunde zu treffen, weil die erfunde­nen so anspruchsvoll sind. Und dann wird mir meine Obsession aus den Händen gerissen (ich bin ein bisschen melodramatisch, ich habe das Manu­skript selbst abgeschickt, nahezu frei­willig). Seither habe ich das ständige Bedürfnis, mich bis zur Besinnungslo­sigkeit zu betrinken und Fremde in der Schlange an der Supermarktkasse an­zuquatschen. Ich dachte, ich würde er­leichtert sein. Ich hatte vergessen, dass hier der Spaß aufhört.

Eigentlich kennt sie diesen Zustand: Als Anna Stothard ihren letzten Roman Pink Hotel in die Welt entließ, ihren Roman also zum ersten Mal aus den Händen gab, ging es ihr ganz ähnlich wie jetzt bei ihrem so-eben vollendeten Roman, der im Herbst 2013 bei Diogenes erscheinen wird: Sie findet sich nicht mehr im Leben zurecht und weiß nichts mit sich anzufangen. Ein Bericht aus der Schreibwerkstatt.

Anna Stothard

Die Leere nach dem Buch

Unglücklicherweise habe ich vor zwei Tagen meinen neuesten Roman einem Freund zum Lesen geschickt. Es ist zwar nur ein Entwurf, aber dennoch ist dies wahrscheinlich der unangenehms­

Ich dachte, ich würde erleichtert sein. Ich hatte vergessen, dass hier der

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Wenn das Schreiben gut läuft, ist es, als hätte ich einen Nerv gefunden, den ich kitzle, um mich selbst zu stimulie-ren. Das reine Vergnügen ist auch das nicht, aber ich fühle mich auf dem rich-tigen Weg und bin wie befreit. Ich webe also so nah an der Wahrheit wie möglich, dieses Netz aus falschen Erin-nerungen, das einerseits mir gehört, andererseits aber auch nicht. Denn so-bald ich jemanden um eine zweite Mei-nung bitte und der Druck, den ich jeden Morgen verspürt habe, ver-schwunden ist, habe ich keine Ahnung mehr, wie ich mich verhalten soll. Ge-nau genommen fühle ich mich gerade regelrecht krank und ein bisschen be-nommen. Mein Leben steht kopf, und ich habe furchtbares Lampenfieber, denn in diesem Moment blättert viel-leicht jemand anderer in der U-Bahn durch meine falschen Erinnerungen, verbringt einen Moment mit meiner Obsession, bevor er mittagessen geht.

Wenn ich nicht schreibe, ist mein ge-schundener alter Schreibtisch geradezu unheimlich aufgeräumt, und ich kann sogar die herzförmigen Narben in der rechten oberen Ecke sehen. Ich fühle mich eingeengt und bin mir mehr als bewusst, dass ich mich in einer Art Lakune befinde, in der ich unkluge Entscheidungen treffe: Ich gebe meine letzten Ersparnisse für ein One-Way-Ticket oder einen asymmetrischen Haarschnitt aus und schreibe theatrali-sche Gast-Blogs voller verkrampfter Sätze mit Ausdrücken wie ›Lakune‹ (was nichts anderes als Hohlraum heißt) und Phrasen wie ›mein Leben steht kopf‹. Den Tiefpunkt erreichte ich gestern, als ich ›Babys‹ googelte – nicht anders, als wenn man ›Edelstahl-toaster‹ googeln würde –, und erst auf der achten Bildseite wurde mir klar, dass mich schwängern zu lassen ver-mutlich auch nicht der richtige Weg ist, um die Zeit zwischen zwei Büchern totzuschlagen.

Ich hätte wissen können, dass es nicht angenehm sein würde, mein Buch wegzugeben. Schließlich bin ich, als ich Pink Hotel das erste Mal verschickt habe, auf dem Rückweg von der Post in einem Zeitungsladen umgekippt und fand mich auf dem schmutzigen Boden wieder – mit einer Beule an der Stirn, Staub im Mund und einer Lücke in meinem Leben, die die Form eines Romans hatte. Der Schreibprozess hat­te bei Pink Hotel im Sommer nach meinem Studienabschluss begonnen, in dem Moment, als ich die Art­déco­Lobby eines ›echten‹ pinkfarbenen Hotels in Venice Beach, Los Angeles betrat. Er endete, weniger glamourös, damit, dass ich ohnmächtig auf dem Boden lag, Staub spuckend und flu­chend (bis jetzt habe ich keine medizi­nische Erklärung für diese Reaktion). Es sollte mich also nicht überraschen, dass meine Augen blutunterlaufen sind und mein Urteilsvermögen etwas wacklig, seit ich meinen neuen Roman aus den Händen gegeben habe.

Es ist ein schrecklich verwirrendes Durcheinander. Trotz allem: Ich kann es kaum erwarten, meinen Roman zu­rückzubekommen, um ihn weiter zu über ar beiten.·Aus dem Englischen von Kati Hertzsch

Buchtipp

Das hinreißende Debüt einer jungen und ausdrucksstarken Stimme aus

England: Sommer, Sonne, Kalifornien – sie ist 17, als sie vom Tod ihrer Mutter

erfährt, die sie nie gekannt hat. Mit einer Handvoll Briefe und Fotos verlässt sie ihre Heimatstadt London

und macht sich auf die Suche nach dem Menschen, der ihre Mutter gewesen ist.

Diese Reise in die Vergangenheit ist zugleich der Beginn eines neuen Lebens

und einer großen Liebesgeschichte.

»Unglaublich gut. Anna Stothard schreibt vollendet und fesselnd.«

The Times, London

368 Seiten, PaperbackISBN 978-3-257-30007-9

Auch als Diogenes E-Book

Bücher können auch Kalender sein

365 Geschichten oder Gedichte für jeden Tag des Jahres

Für alle, die jeden Tag des Jahres lesen wollen

Diogenes Taschenbuch detebe 24155, 832 Seiten

Diogenes Taschenbuch detebe 24179, ca. 416 Seiten

Erscheint im November

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Serie

Welchen Film haben Sie als Letztes im Kino gesehen?Belgrad Radio Taxi von Srdjan Kolje-vic.

Wann bekommen Sie Herzklopfen?Vor einer Lesung, vor einem Rendez-vous, wenn die Lektorin anruft, wenn die Bank anruft – also immer, wenn das Schäfchen noch nicht im Trocke-nen ist.

Bewundern Sie jemanden?Meistens ist der Respekt größer.

Wenn man Ihnen irgendwo auf der Welt ein Büro zum Schreiben zur Verfügung stellen würde, wo würde dieser Ort sein?In Frank Lloyd Wrights Haus ›Fal-lingwater‹, Pennsylvania, USA, das in einen Wasserfall hineingebaut wurde.

Mit welchem Schriftsteller, tot oder lebendig, würden Sie am liebsten ein Abendessen verbringen?Nikolaj Gogol. Falls er unpässlich sein sollte (was gut möglich ist), wür-de ich auch sehr gerne mit Roland Barthes speisen.

Small TalkChristian Schünemann

Gehen Sie bei Rot über die Straße?Ja – obwohl Roland Barthes immer davor gewarnt hat. Und starb, weil er von einem Auto angefahren wurde.

Was würden Sie an sich ändern?Weniger Zeit mit Schlafen zuzubrin-gen, wäre schon mal eine Sache.

Wein oder Bier?Ja. Und gern auch einen Whisky.

Welche Musik hilft Ihnen beim Schreiben?Nur die Ruhe hilft. Erlaubt ist ein Rauschen: Meeresrauschen und das Rauschen von Spül- und Waschma-schine.

Was haben Sie aus Romanen gelernt?Mit jeder guten Geschichte ist es wie mit dem Leben – leider irgendwann zu Ende.

Was tun Sie am Abend als Letztes? Ganz zuletzt – die Augen zu.

Das erste Diogenes Buch, das Sie gekauft haben?Wahrscheinlich Das Parfum oder ein Roman von John Irving.

Welches Buch haben Sie zuletzt verschenkt?Gregor Weber, Kochen ist Krieg!

Beste Schulnote – worin?Textiles Gestalten – sehr gut.

Ihr Traumberuf?Schriftsteller.

Ihr Lieblingsfilm?Swimmingpool. Und wenn Sie nach einer Serie gefragt hätten: Brothers and Sisters.·kam / ng

Herausforderungen hat er schon immer gesucht: Während seines Slawistikstudi-ums zog es Christian Schünemann nach Moskau und Bosnien-Herzegowina, spä-ter besuchte er eine Journalistenschule, wurde Storyliner für Daily Soaps und end-lich Krimiautor. »Kriminalromane gibt es wie Sand am Meer. Umso erfreuter stimmt es die Leser, wenn sie in ein neu-artiges Milieu eintauchen dürfen und ei-nem überraschenden Helden begegnen. So wie in den Romanen von Christian Schünemann. Dort ist es ein Frisör, der ungewollt zum Kriminalisten wird«, lobte etwa der WDR. Daily Soap ist der vierte Fall des charmanten Tomas Prinz.

Diogenes Taschenbuch detebe 24052, 240 Seiten

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«Als ich für mein neues Aufnahmeprojekt auf die wunderbare Musik Agostino Steffanis stieß, der ein geheimnisumwittertes Leben führte, wusste ich sofort: Das ist ein Fall für Donna Leon.« Cecilia Bartoli

Cecilia Bartoli und Donna Leon,die Primadonna assoluta und die Lady of Crime in gemeinsamer musikalisch-literarischer Mission: Agostino Steffani, ein lang vergessener Barockkomponist.Cecilia Bartoli singt seine Arien auf ihrer neuen CD Mission. Donna Leon erzählt seine Lebensgeschichte in ihrem neuen Kriminalroman Himmlische Juwelen, der auch ohne Commissario Brunetti packend ist.

Agostino Steffani 1654 1728

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Zweimal in meinem Leben hat mir ein Genie am Wegesrand aufgelau-

ert und mich überwältigt. Das erste war Patrick O’Brian, Autor von zwan-zig Seefahrerromanen um Captain Aubrey, der es in der Flotte Lord Nel-sons mit den verruchten Franzosen aufnahm; das zweite Agostino Steffani, Priester, Diplomat und Komponist.

Bis vor etwa zwanzig Jahren im New Yorker ein Artikel über O’Brian erschien, war er – um mich der Sprache des Spionageromans zu bedienen – ein Schläfer: Kenner lobten ihn in den höchsten Tönen, es gab eine kleine Kultgemeinde, stets wurde er als einer der besten lebenden Autoren von his-torischen Romanen genannt, aber eine Berühmtheit war er nicht.

Agostino Steffani, der im 18. Jahr-hundert Opern und Duette, Orchester- und Kirchenmusik komponierte, ist ebenfalls ein Schläfer. Immer wieder findet sein Name in Artikeln über Ba-rockmusik Erwähnung und im Zusam-

menhang mit Komponisten, für deren Schaffen er von Bedeutung war. Er-wähnt wird auch sein jahrzehntelanges Bemühen – im Auftrag des Vatikan – um die Rückführung Norddeutsch-lands in den Schoß der katholischen

te und ihre Entdeckerfreude. Wie vor Howard Carter beim Fund der Grab-kammer Tutanchamuns taten sich auch vor Cecilia ›wunderbare Dinge‹ auf.

Enthusiasmus ist ebenso ansteckend wie beflügelnd. Während Cecilia die Arien und Kammerduette für Mission auswählte, erzählte sie mir von Steffani und meinte, eine Krimiautorin müsste eigentlich fasziniert sein von den vielen Fragen, die sein Leben aufwerfe. Ob-wohl er Italiener war, verbrachte er fast sein ganzes Leben in Deutschland. Während Europa noch von der Refor-mation erschüttert wurde, versuchte Steffani, Norddeutschland für die ka-tholische Kirche zurückzugewinnen, und scheiterte. Er war ein Kirchen-mann, ein allem Anschein nach ernster, nüchterner Mensch, und geriet in den größten Sexskandal seiner Zeit – weil die Liebenden seine Opernverse als Geheimcode benutzten. Steffani, Pries-ter und Bischof dem Namen nach, könnte möglicherweise ein Kastrat ge-

Schon lange sind Cecilia Bartoli und Donna Leon miteinander befreundet. Eines Tages stieß die Mezzosopranistin auf die Spur des italienischen Barockkomponisten Agostino Steffani und erzählte der musikbegeisterten Schriftstellerin von ihrer Entdeckung. Donna Leons Neugier war geweckt und wurde immer größer, je mehr sie von seinem Leben erfuhr, einem Leben voller Widersprüche zwischen Kirche, Musik und Geheimdiplomatie. Eigentlich ein guter Stoff für einen spannenden Roman ...

Donna Leon

Von Schönheit überwältigt

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Kirche. Es gibt vereinzelte Aufnahmen seiner Werke, und immer mal wieder wurde eine Oper aufgeführt, aber eine Berühmtheit war er so wenig wie O’Brian.

Bis er Cecilia Bartolis Aufmerksam-keit erregte. Auch sie stieß hin und wieder auf Steffanis Namen und hörte Musik von ihm, was ihre Neugier weck-

Wie beiläufig erwähnte Cecilia, die verwickelte

Geschichte könnte als Vorlage für eine Art

Roman dienen.

Seine diplomatischen Missionen führten den italienischen Komponisten und Kirchenmann Agostino Steffani auch nach München, Hannover, Frankfurt und Düsseldorf.

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Buch- und CD-tipp

Kann ein Venedig­Roman ohne Brunetti spannend sein? Selbstverständlich …

solange Donna Leon erzählt. Eine faszinierende Mischung aus Wahrheit und Fiktion: Caterina Pellegrini liebt ihre Heimatstadt

Venedig ebenso wie die Musik. Als sich ihr die Chance bietet, in der

Fonda zione Musicale Italo­Tedesca zwei verschollene Truhen mit dem

Nachlass eines Barockkomponisten zu begutachten, ist sie Feuer und Flamme.

Der ehedem berühmte Agostino Steffani entpuppt sich als schillernde

Gestalt. War er womöglich in den berühmtesten Mordfall seiner Zeit verwickelt? Nicht nur Caterina ist

neugierig auf die Schätze, die sich hinter den Dokumenten verbergen könnten …

304 Seiten, LeinenISBN 978-3-257-06837-5

Auch als Diogenes Hörbuch und E-Book

Nach der Grammy­prämierten CD Sacrificium über die Neapolitaner

Kastraten begibt sich Cecilia Bartoli auf die Spuren eines geheimnisvollen

Barockkomponisten: Agostino Steffani. Bis ins 18. Jahr hundert bewundert und

beliebt, ist er heute so gut wie unbe­kannt. Nun hat Cecilia Bartoli eine neue CD mit seinen hinreißenden

Arien eingespielt: eine sensationelle Wiederentdeckung.

CD, Universal Music Germany

Musik hören mit Donna Leon

Donna Leon erzähltIl Complesso Barocco

musiziert

144 Seiten, Pappband, VierfarbendruckISBN 978-3-257-06763-7

80 Seiten, Pappband, VierfarbendruckISBN 978-3-257-06798-9

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wesen sein. Er stand auf vertrautem Fuß mit Königen, Herzögen und Prin-zen, aber niemand scheint ihm wirk-lich nahegestanden zu haben.

Je mehr Belege für die Unstimmig-keiten in seinem Leben Cecilia mir schickte, desto größer wurde mein In-teresse, eine Erklärung zu finden, die das alles auf einen Nenner brachte. Und dann erwähnte sie die zwei Tru-hen aus Steffanis Besitz, die nach sei-nem Tod in den Vatikan gerieten und erst unlängst wiederentdeckt wurden.

Ein reizvolles Puzzle! Und wie bei-läufig bemerkte Cecilia, die verwickel-te Geschichte könnte ohne weiteres als Vorlage für eine Art Roman dienen. »Eine Art Roman.« – »Eine Art Ro-man?« Warum eigentlich nicht?

Und da geschah es, dass Caterina Pellegrini, eine italienische Musik-wissenschaftlerin, die Steffanis Papiere untersuchen sollte, auf dem Weg zur Marciana-Bibliothek in meinem Ar-beitszimmer vorbeischaute. Ich ging hinter ihr her, um ihr über die Schulter zu sehen: Was würde sie in den Archi-ven entdecken? In einer der großartigs-ten Bibliotheken der Welt? Gab es dort Antworten auf die vielen Rätsel in Stef-fanis Leben? Voller Tatendrang machte sie sich auf den Weg und fand schließ-lich: Himmlische Juwelen.·Aus dem Amerikanischen von Werner Schmitz

Die CD zum Buch,das Buch zur CD – in einer opulenten Deluxe-Ausgabe mit vielen Fotos, Hintergrundinfor-mationen und Bonustrack

384 Seiten, Leinen im Schuber mit CD. Universal Music Germany. Erhältlich im Buch- oder Musikfachhandel.

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Als ich in Griechenland mein Projekt angekündigt hatte, eine Ro-mantrilogie über die griechische Krise zu schreiben, fragte mich eine junge griechische Journalistin: »Herr Markaris, Sie wollen drei Romane über die Krise schreiben?«

»Eine Trilogie sind eben drei Romane«, antwortete ich.»Und Sie glauben, dass die Krise so lange dauern wird?«, fragte

sie entrüstet.Inzwischen ist klar, dass es nicht bei einer gewöhnlichen Trilo-

gie bleiben wird. Ich habe drei Varianten vor Augen: Entweder füge ich der Trilogie noch einen Epilog hinzu, der das Ende der Krise il-lustriert, oder ich mache aus der Trilogie eine Tetralogie. Es könnte aber auch sein, dass ich die erste Trilogie abschließe und mit einer neuen beginne. Das wäre die schlimmste Variante. Zum jetzigen Zeitpunkt weiß ich nicht, welche von den drei Varianten am wahr-scheinlichsten ist.

Mit dem Projekt der »Krisentrilogie« wollte ich ja einerseits die Mechanismen und andererseits die Entwicklung der Krise und de-ren Auswirkungen auf die Bevölkerung darstellen. Für einen Autor ist es riskant, wenn er sich mit aktuellen Themen beschäftigt, de-ren Entwicklung noch nicht abgeschlossen ist. Die Artikel, die Re-den und die Interviews, in denen ich mich über die Krise geäußert habe, waren eine willkommene Hilfe. Denn darin habe ich die Krise nicht nur den Lesern zu erklären versucht, sondern auch mir selbst. Sie haben mir geholfen, einen klaren Kopf zu bewahren und die Krise in den Romanen mit Blick auf ihre Ursprünge und Ursachen zu beschreiben. Ich war von Anfang an überzeugt, dass die Krise ge-kommen war, um zu bleiben. Sie würde uns nicht so schnell verlas-sen, und ich würde Zeit genug haben, um drei Romane zu verfas-sen.

Seien wir aber ehrlich: Keiner hat ihr Ausmaß und ihre Auswir-kungen auf die Bevölkerung vorausgesehen. Wir hatten keine Ah-

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nung, was da auf uns zukam. Hauptsächlich weil die Pasok-Regie-rung den Bürgern nie die ganze Wahrheit sagte. Sie versuchte sie zu beruhigen, indem sie ihnen versicherte, dass jede neue Maß-nahme, egal, ob es um Kürzungen der Löhne und Renten ging oder um neue Steuern, die letzte sei. Es kamen aber immer neue Maß-nahmen und Sparpakete dazu. Diese falsche Politik der Besänfti-gung traf die Griechen völlig unvorbereitet, sie verunsicherte und empörte sie.

Wenn eine finanzielle Krise ausbricht, dann fragen sich die Leu-te immer, warum es so weit gekommen ist und wer die Schuld da-für trägt. Die Gründe liegen im Falle der griechischen Krise weit in der Vergangenheit. Der monströse Staatsapparat, der Griechen-land heute lahmlegt, ist das Produkt einer Entwicklung, die in der Zeit nach dem Bürgerkrieg Ende der vierziger, Anfang der fünfziger Jahre begonnen hat. Viele Menschen in Griechenland und anders-wo gehen jedoch irrtümlicherweise davon aus, dass das heutige Desaster eine Folge der Misswirtschaft der letzten dreißig Jahre ist. Das stimmt nicht. Wenn man den geschichtlichen Aspekt beiseite-lässt, dann gelangt man, wie viele Deutsche und andere Ausländer, zu einer falschen Schlussfolgerung: dass nämlich die Griechen al-lesamt korrupt sind.

Für mich besteht kein Zweifel daran, dass die politischen Eliten von der frühen Nachkriegszeit bis heute die Hauptschuld am Zu-sammenbruch des Landes tragen. Sie haben durch ihre Klientel-mentalität das Land an den Rand des Abgrunds gebracht.

Allerdings bin ich Schriftsteller und nicht Politikwissenschaftler. Auch deswegen ist mir der kulturelle Aspekt der Krise sehr wichtig, nicht nur in Bezug auf Griechenland, sondern auch auf die EU. Im Folgenden komme ich darauf zu sprechen, wie sich diese kultu-relle Krise im Alltag bemerkbar macht, ob in Brüssel, in Berlin oder in Athen.

Petros Markaris

Die Krise hat das letzte

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Anthi ist zehn Jahre alt und Niki sie- ben. Sie sind die Töchter des grie-

chischen EU-Vertreters in Brüssel. Beim Frühstück spricht die Familie Griechisch. In der Schule sprechen die Mädchen Deutsch. Wenn sie von der Schule nach Hause kommen, erwartet sie die französische Studentin, die sie betreut. Mit ihr sprechen sie Franzö-sisch. Beim Abendessen schließt sich der Kreis, und sie sprechen wieder Griechisch.

Jedes Mal, wenn ich die Familie in Brüssel besuche, frage ich mich, ob die-ser dreisprachige Alltag eine EU-Reali-tät ist, ob die Integration so weit fort-geschritten ist, dass die Bürger der verschiedenen Länder miteinander in mehreren Sprachen umgehen können. Diese Mehrsprachigkeit spüre ich auch, wenn ich Lesungen in Deutschland, in Italien oder in Spanien mache. Ich wer-de immer wieder gebeten, eine Wid-mung auf Griechisch zu schreiben.

Das zeigt, die Europäer lernen mitt-lerweile neben Englisch, Deutsch oder Französisch auch andere europäische Sprachen.

Wer aber daraus den Schluss ziehen wollte, die Kommission in Brüssel sei eine Art europäisches Modell in Klein-format, der täuscht sich gewaltig. Im-mer wenn ich in Brüssel bin, muss ich an meinen Vater denken, der mich in eine österreichische Schule in Istanbul schickte, weil er, in Zeiten des deut-schen Wirtschaftswunders, fest davon überzeugt war, dass Deutsch sich als internationale Unternehmersprache etablieren würde. Es wird nicht einmal in der Kommission Deutsch gespro-chen, obwohl Deutschland den größ-ten finanziellen Beitrag in der EU leis-tet. Zwar sind die Sprachen aller Mitgliedsländer gleichrangig in der EU, gesprochen wird aber überwiegend Englisch wie überall sonst in der Welt. Das Land, das der EU gelegentlich größte Sorgen bereitet, verleiht ihr sei-ne Sprache.

Die sprachliche Vielfalt in der Fami-lie des griechischen EU-Vertreters ist eine Ausnahme. Belgien selbst liefert das beste Beispiel, dass sprachliche Vielfalt nicht unbedingt Offenheit und Integration bedeutet. Flamen und Wal-lonen leben in Distanz zueinander und

ohne große Sympathien füreinander. Sie streiten über jeden Quadratzenti-meter sprachlichen Raums.

Brüssel ist der Sitz einer Weltorgani-sation, der Nato, und zweier europäi-scher Institutionen, der Europäischen Kommission und des Europäischen Parlaments. Die Stadt hat diese beson-dere Stellung durch ihre Unauffällig-keit erworben. Anstatt die Konkurrenz zwischen London und Paris auszu-fechten, waren die politischen Führer der fünfziger und sechziger Jahre klug genug, das unauffällige Brüssel zu wählen. Dieser Charakterzug ist den Belgiern immer zugutegekommen. Als ich einen belgischen Abgeordneten der

sationen arbeiten, haben wenig Kon-takt zu den Belgiern.

Die Abgeordneten des EU-Parla-ments haben zwar Kontakt zur Euro-päischen Kommission, dieser ist aber, außerhalb von offiziellen Anlässen, auf die nationale Ebene beschränkt. Die Deutschen verkehren mit den Deut-schen, die Griechen mit den Griechen, die Italiener mit den Italienern und so weiter.

Die Politiker und Bürger Europas sind empört, wenn Migranten in Paral-lelgesellschaften leben und sich nicht integrieren wollen. Dabei leben die Vertreter dieser Länder in Brüssel auch in Parallelgesellschaften. Das Europäi-sche Parlament kommt der Integration am nächsten. Dort wird offen disku-tiert, und die Parlamentarier sind zu-gänglich, weitgehend frei von Vorurtei-len. Vielleicht, weil die Parlamentarier weniger ins politische Tagesgeschäft der EU verwickelt sind als die Funkti-onäre der Kommission. Vielleicht auch, weil sie nicht in allen Fragen dieselbe Meinung wie die Kommission vertre-ten und mitunter die Kommission of-fen kritisieren.

Das Verhältnis zwischen dem Süden Europas und den mittel- und nordeu-ropäischen Ländern hat sich seit dem Beginn der Krise zunehmend ver-schlechtert. Das spiegelt sich auch auf der Ebene der Funktionäre aus den verschiedenen Mitgliedsländern. Die Griechen fühlen sich von den anderen Mittel- und Nordeuropäern, ob zu Recht oder zu Unrecht, oft gedemütigt. Sie haben zunehmend das Gefühl, dass sie mehr toleriert als akzeptiert werden. Die Deutschen wiederum leiden an ei-ner Art ›griechischer Erschöpfung‹. Die Griechen sind ihnen eine Last, und sie glauben, dass sie mit ihnen nie fertig werden. Sogar Funktionäre aus dem Süden versuchen sich von den Grie-chen abzugrenzen. Die Italiener und die Spanier wollen nicht mit den Grie-chen gleichsetzt werden. Das wird von den Politikern der südeuropäischen Staaten bei jedem Anlass betont, und es wird auch von den Funktionären dieser Staaten in der EU übernommen.

Man könnte diese Haltung mit feh-lender Solidarität erklären. Die Solida-rität existiert zwar auf finanzieller Ebe-

Grünen fragte, wieso ein dem europäi-schen Publikum unbekannter Politiker wie Herman Van Rompuy zum Präsi-denten des Europäischen Rats gewählt worden ist, antwortete er ohne Zögern: »Er ist nett, gutmütig, meidet Kontro-versen und ist vor allem unauffällig.«

Die Unauffälligkeit hat den Vorteil, Spannungen zu verdecken. Die Span-nung zwischen Wallonen und Flamen ist nicht die einzige in Europa. Span-nung existiert auch zwischen dem Bas-kenland und Kastilien in Spanien, zwi-schen dem Süden und dem Norden in Italien. Von alledem merkt man in Brüssel auf den ersten Blick gar nichts.

Während meiner Jugend war Istan-bul eine Stadt mit vier Sprachen. Es wurde Türkisch, Griechisch, Arme-nisch und die Sprache der sephardi-schen Juden gesprochen. Von Integra-tion war trotzdem nichts zu spüren. Die vier Ethnien lebten in Parallel-gesellschaften. Auch Brüssel ist eine Stadt mit Parallelgesellschaften. Die Ausländer, die in den drei EU-Organi-

Das Verhältnis zwischen dem Süden Europas

und den mittel- und nord-europäischen Ländern hat

sich seit dem Beginn der Krise zunehmend ver-

schlechtert.

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ne. Nicht nur Griechenland bekommt großzügige Unterstützung von der EU. Sie fehlt aber auf menschlicher Ebene. Doch fehlende Solidarität wäre eine zu einfache Erklärung. Was in der europä-ischen Einigung vernachlässigt wurde, waren die Werte. Die Herausforderung für die Gründerväter der europäischen Einigung war, aus einem Kontinent mit unterschiedlicher nationaler Geschich-te, unterschiedlicher Kultur und unter-schiedlichen Traditionen eine Gemein-schaft zu gründen, die auf gemeinsamen Werten beruhte.

Die ursprüngliche Gemeinschaft, die EWG, war nicht nur eine Europäische Wirtschaftsgemeinschaft, sondern auch eine Wertegemeinschaft. Die gemein-samen europäischen Werte waren das Bindeglied, der gemeinsame Nenner, für die Einigung der Staaten unter ei-nem Dach. Diversität mit gemeinsa-men Werten war das Ziel.

Wir haben seit der Einführung des Euro diese Werte vernachlässigt und Europa mit dem Euro identifiziert. Und jetzt, mit der Rettungsaktion für den Euro, werfen wir die gemeinsamen Werte, die Diversität der europäischen Geschichte, die verschiedenen Kultu-ren und Traditionen als Ballast über Bord. Europa hat viel in die Wirtschaft investiert, aber zu wenig in die Kultur und die gemeinsamen Werte. Das Schengen-Abkommen hat zwar die Grenzen zwischen den Staaten aufge-hoben, aber was kennt die große Mehr-heit der Europäer schon von Italien, außer der Toskana, von Spanien, außer Mallorca, oder von Griechenland, au-ßer Kreta und den Kykladen?

Jetzt, in Zeiten der Krise, merkt man, wie sehr das Verständnis für die kultu-relle Diversität fehlt. Die Griechen hat-ten in den Zeiten des europäischen Wachstums ein enges Verhältnis zu den Deutschen. Jetzt sind sie empört, weil die Deutschen sie mit Arroganz be-handeln. Und die Deutschen sind ih-rerseits gekränkt, weil ihre griechi-schen Freunde sie in der letzten Zeit so kühl grüßen und auf Distanz gehen. Weil ich seit langen Jahren als eine Art Vermittler zwischen Deutschen und Griechen gelte, bekomme ich das Kla-gelied von beiden Seiten zu hören. So-wohl die Deutschen als auch die Grie-

chen haben recht, nur kann man es ihnen schwer erklären, weil auf beiden Seiten das Verständnis für die kulturel-le Basis des anderen fehlt. Das lässt den Raum für Vorurteile und Ressenti-ments offen. Man irrt sich, wenn man glaubt, dass die Krise in Europa nur eine finanzielle ist. Wir erleben auch eine Krise der europäischen Werte. Die finanzielle Krise hat dazu beigetragen, dass wir sie überhaupt wahrnehmen.

In den offiziellen Kontakten in Brüssel wird das verschwiegen oder hinter guten Umgangsformen ver-steckt, aber in privaten Gesprächen tritt es offen hervor. Statt wegen der Krise zusammenzurücken, entfernen

keine europäische Großstadt wäre, sondern vor allem, weil die deutschen, französischen und englischen Politiker ihre Metropolen wichtiger nehmen als Brüssel. Brüssel ist aber unser Spiegel-bild. Wir sollten es genauer betrachten. Aber ohne Schminke, bitte.·Auszug aus ›Finstere Zeiten. Zur Krise in Griechenland‹

sich die verschiedenen Kulturen vonein-ander. Brüssel ist der Ort, wo man die-ses Versagen aus der Nähe betrachten kann. Worüber redet man in Brüssel? Über die Krise natürlich. In der Kom-mission und im Parlament, in den Ca-fés und Restaurants, überall hat die Krise das letzte Wort, wobei die Stim-mung immer wechselt.

Es gibt ja auch fast jeden zweiten Tag eine neue Meinung oder ein neues Statement von Olli Rehn oder von Ma-rio Draghi oder irgendeinem anderen hohen europäischen Funktionär, wo-bei die Parole, zumindest nach außen hin, lautet: »Wir schaffen das schon.« Diese Zuversicht wirkt gespielt. Denn es passiert fast immer etwas, und die gute Stimmung kippt. Zuletzt war es die Herabstufung der Bonität Frank-reichs und anderer EU-Staaten. Nach jeder schlechten Nachricht machen sich die Politiker und die Kommission daran, neue Pläne zu schmieden oder die alten zu revidieren. Dazu passt die erste Strophe eines Lieds aus Brechts Dreigroschenoper: »Ja, mach doch ei-nen Plan / Sei nur ein großes Licht / Dann mach noch einen zweiten Plan / Geh’n tun sie beide nicht.«

Brüssel ist nicht so wichtig wie Ber-lin, Paris oder London. Nicht, weil es

Europa hat viel in die Wirtschaft investiert, aber zu wenig in die Kultur und die gemeinsamen Werte.

Buchtipps

Teil 2 der Krisentrilogie nach Faule Kredite: Reiche Griechen zahlen keine Steuern. Arme Griechen empören sich

oder verzweifeln. Ein Unbekannter handelt. Mit Drohbriefen, Schierlings­gift und Pfeilbogen – im Namen des

Staates. Kostas Charitos ermittelt.

Er hat die Krise kommen sehen. Schon 2004 fragte er anlässlich der Olympiade:

»Wer soll das bezahlen?« Die griechische Tragödie kommentiert von Petros Markaris, in zwölf Artikeln und einem Interview, in Erwartung des bitteren Endes – und eines Neubeginns.

432 Seiten, LeinenISBN 978-3-257-06841-2

Auch als Diogenes E-Book

176 Seiten, PappbandISBN 978-3-257-06836-8

Auch als Diogenes E-Book

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Serie

Joey Goebel

Im nächsten Magazin:

Roman Stendhal, Die Kartause von Parma

Sachbuch Eric Hobsbawm, Wie man die Welt verändert. Über Marx und den Marxismus

Lyrikband Jiannis Ritsos, Gedichte

Theaterstück William Shakespeare, Maß für Maß

Erzählung Edgar Allan Poe, Der Untergang des Hauses Usher

Zeitung Süddeutsche Zeitung

Zeitschrift The New York Review of Books

Fernsehsender keinen

Radiosender keinen

Film Theo Angelopoulos, Der Blick des Odysseus

TV-Serie keine

Schauspieler Bruno Ganz

Schauspielerin Meryl Streep

Oper Wolfgang Amadeus Mozart, Die Zauberflöte

Jeder kennt die Frage: »Welches Buch würden Sie auf die einsame Insel mitnehmen?« In jedem Diogenes Magazin stellen wir diese Frage. Und um es ein wenig spannender (und bequemer) zu machen, darf Petros Markaris mehr als nur ein Buch auf die Insel mitnehmen.

Petros Markarisauf der einsamen Insel

Klassik Gustav Mahler, 4. Symphonie

Jazz Take the A-Train (Duke Ellington, Count Basie, Glenn Miller, Lionel Hampton, Benny Goodman)

Pop / Rock Manos Hadjidakis and The New York Rock & Roll Ensemble, Reflections

Essen (nicht süß) Gemista

Essen (süß) Ekmek Kadayif

Getränk (nicht alkoholisch) Orangensaft

Lieblingsgetränk (alkoholisch) Scotch

Gemälde Juan Miró, Nocturne

Photo ein Bild meiner Tochter

Musikinstrument keins

Möbelstück meinen Schreibtisch

Technisches Gerät meinen CD- / DVD-Spieler

Kleidungsstück einen Regenmantel

Parfum keins

Spiel Monopoly

Lebenspartner meinen Laptop

Lebensretter Kommissar Kostas Charitos

Gesprächspartner Eleni Torossi

Streitpartner meinen griechischen Verleger Samis Gavrielides

Briefpartner keinen

Nachbar keinen

Haustier Can, meinen Kater

Joker-Artikel meine Faust- Übersetzung

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Ein Autor – Eine Stadt

Istanbul mit Petros Markaris

Verlorenes Istanbul im Café Ara Mitten im Szeneviertel Beyoğlu, gleich neben der Istiklal Caddesi, der Hauptstraße des Viertels, liegt das kleine Café Ara: ein Treffpunkt für Literaten, Filmschaffende, Journalis-ten und Studenten bei Tag und Nacht. Das Café gehört dem weltberühmten Magnum-Fotografen Ara Güler. In der Tür-kei wurde er zum ›Fotografen des Jahrhunderts‹ gekürt. Man nennt ihn auch ›das Auge Istanbuls‹. Mit seiner Kamera fing er das Stadtleben der fünfziger und sechziger Jahre ein: Straßenhändler, Fischer, Handwerker, Passanten, Leute in Lokalen, Kinder und Alte – und schuf einen neuen Stil in der türkischen Fotografie. Seine großen schwarz-weißen Stadt-ansichten schmücken die Wände des zauberhaften Cafés.

Tosbag Sok. 8/A

Fischeintopf im Restaurant Koço Die traditionelle ›Istanbuler Küche‹ wurde von griechischen und armenischen Köchen geprägt. Der Grieche Koço war einer von ihnen. Das Restaurant Koço auf der asiatischen Seite liegt etwas ab vom Schuss, aber die Reise lohnt sich: Ein typisches Fischrestaurant mit dem Charme der alten Zeit. Man speist auf einer alten Holzveranda, mit Blick aufs Marmarameer oder auf die Fotogalerie, die Szenen aus dem Leben Atatürks zeigt. Von hier aus sieht man auch die Prin-zeninseln, auf denen ich meine Kindheit verbracht habe. Mein Lieblingsgericht ist der Fischeintopf Buğlama: ein im Dampf gegarter Fisch mit Tomaten, grünen Peperoni, Cham-pignons, Dill, Lorbeer mit Schafskäse drauf. Köstlich! Davor isst man Meze und trinkt verdünnten Raki. Afiyet olsun!

Caferağa Mh., Moda Caddesi 265, Kadıköy

Petros Markaris führt uns an seine Lieblingsorte der Millionen - me tropole. Hier in Istanbul ist er als Sohn eines Armeniers und ei-ner Griechin geboren. Seine Familie lebte eine Zeitlang auf den Prinzeninseln. Das hieß für den jungen Petros täglich drei Stunden Schifffahrt auf dem Marmarameer. Drei Stunden, die er zu nutzen wusste: Die Hausaufgaben erledigte er konsequent auf dem Schiff.

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Schlemmen in der Saray-Konditorei Morgens bin ich oft im Café Saray. Typisch ist Menemen, eine Eierspeise, die in der Regel zum Frühstück gegessen wird, aber auch zu jeder anderen Tageszeit mundet, zum Beispiel als Meze zu Raki. Menemen enthält Eier, Tomaten, grüne Paprika und Zwiebeln und ist mit schwarzem und ro-tem Pfeffer gewürzt. Zubereitet und serviert wird das Ge-richt in einem Pfännchen. Wer danach noch Lust auf Zu-ckerwerk hat, ist hier richtig. Das Café ist ein Schlaraffenland für Liebhaber orientalischer Süßigkeiten! Ich empfehle Fırında Sütlaç, einen Milchreis, der im Ofen gebacken wird, mit karamellisierter Oberfläche, oder Künefe, ein gebacke-nes Dessert aus dünnen Teigfäden, mit Schafskäse gefüllt, in Zuckersirup getränkt und mit gehackten Pistazien bestreut.

Istiklal Cad. 173

Yerebatan-Zisterne Byzanz, Konstantinopel, Istanbul: Die Stadt ist durchdrun-gen von Geschichte. Unser Spaziergang führt uns vorbei an der Hagia Sophia in eine byzantinische Zisterne, die auch Versunkener Palast genannt wird. Ein beeindruckendes Bau-werk. Als Kind beschlich mich immer ein zwiespältiges Ge-fühl, wenn ich dort hinabstieg. Alles war feucht, dunkel, kühl und unheimlich, aber ich tauchte in eine längst versun-kene Welt ein. Damals konnte man noch mit einem Ruder-boot hindurchfahren. Das Wasser kam aus dem ›Belgrader Wald‹ westlich von Istanbul. Das Gewölbe wird von acht Meter hohen Säulen mit überwiegend korinthischen Spolien-kapitellen getragen. Auch heute noch zieht es mich oft hinab zu diesem unterirdischen Kunstwerk.

Yerebatan Caddesi 7, Sultanahmet, Fatih

Chora-Kirche und -Museum Immer wieder bewundere ich die einmaligen Fresken und Mosaiken, die mit ihrem Detailreichtum zu den bedeutends-ten byzantinischen Bildwerken zählen. Unter der Herrschaft der Osmanen wurde aus der Kirche eine Moschee, heute ist sie ein Museum. Unbeschwert genieße ich die Taxifahrt an den Rand der Altstadt, vorbei an der Theodosianischen Landmauer. Auf dem Weg zurück in die Stadt mache ich ei-nen Umweg über den Pierre-Loti-Hügel im Stadtteil Eyüp. Der französische Schriftsteller und Reisende Pierre Loti ging jedes Mal, wenn er nach Istanbul kam, in das kleine, damals noch schäbige Café, um den herrlichen Blick auf das Golde-ne Horn zu genießen.

Kariye Camii Sok., Kariye Meydani, Edirnekapi

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Nie werde ich den Moment verges- sen, als ich die Höhlen von Las-

caux zum ersten Mal sah. Der Höhlenführer hatte uns mit sei-

ner Taschenlampe geleuchtet, ihren Strahl aber nur auf die Stufen und den Boden unter unseren Füßen gerichtet. Dann hatte er die Lampe ausgemacht, es war plötzlich stockdunkel, und wir verloren jedes Zeitgefühl. Als der Mann die Lampe wieder einschaltete, schie-nen die Höhlenwände auf einen Schlag zum Leben zu erwachen. Über, neben und hinter mir tauchten drohend wie aus dem Nichts große Auerochsen auf – so dass ich mich wie von einer rie-sigen Herde umzingelt fühlte. Erschro-cken fuhr ich herum und sah eine Her-de von Auerochsen, Pferden und Hirschen geradewegs auf mich zu ga-loppieren. Erst dann machte ich auch die Umrisse anderer Tiere aus: ein zie-genartiger Steinbock und eine dunkle

Silhouette, die an einen Bären erinner-te. Doch was mich am meisten über-wältigte, war der Eindruck von Bewe-gung und urtümlicher animalischer Kraft, von überbordendem Leben.

Die Malereien wirkten einerseits sehr realistisch, weil man auf Anhieb die dargestellten wilden Tiere erkannte, und andererseits ab strakt, da den Künstlern Form, Farbe und Bewegung offenbar wichtiger gewesen waren als eine naturgetreue Darstellung. Nach und nach erfasste ich die Kunstfertig-keit der Höhlenmaler: wie sie durch einen kleinen Abstand zwischen Bein und Körper den Eindruck von Bewe-gung schufen und wie gekonnt sie den Eindruck von Perspektive erweckten.

»Ich habe meine Meister gefunden«, hatte Picasso gesagt, als er die Höhle kurz nach ihrer Entdeckung im Jahr 1940 besuchte. Und er stellte ernüch-tert fest, dass die Menschheit in

17 000 Jahren künstlerischen Schaffens nicht viel weiter gekommen sei: »Wir haben nichts dazugelernt!« Die wah-ren Alten Meister – das waren die un-bekannten Künstler von Lascaux: Zu dieser Einsicht kommt die erschüttern-de Erkenntnis, dass sie kein primitives, kulturloses Volk waren, sondern Leute mit einem dem unsrigen vergleichba-ren künstlerischen Gespür und einer durch und durch modernen Auffas-sung von Gestalt und Form, Farbe und Bewegung. Ihr Werk spricht zu uns über die Jahrtausende hinweg, und sei-ne Kraft und Schönheit ist schlicht atemberaubend.

Die gesamte Höhle ist ein Meister-werk, das von Abbé Breuil, dem ange-sehenen französischen Archäologen und Priester, zu Recht als ›die Sixtini-sche Kapelle der prähistorischen Menschheit‹ bezeichnet wurde. Sie ist das unbestrittene Juwel in dem an prä-

Martin Walker führt uns durch seine Wahlheimat, das Vézère-Tal im Périgord, zu den etwa 17 000 Jahre alten Höhlenmalereien von Lascaux, zur Fundstelle des Cro-Magnon-Menschen, der vor 40 000 Jahren auf der Bildfläche erschien und den Neandertaler ablöste. Von den Ursprüngen unserer Zivilisation, gro-ßen historischen Rätseln und einem frühzeitlichen Kunstwerk erzählt Walker, bekannt geworden durch seine Bruno-Krimis, auch in seinem neuen Roman Schatten an der Wand.

Martin Walker

Das Tal der Höhlen und Schlösser

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historischen Höhlen, Gräbern und Siedlungsstätten überreichen Vézère-Flusstal; nirgendwo auf der Welt erfah-ren wir mehr über unsere Herkunft und unsere Urahnen als hier, dem ein-zigen Ort, an dem Menschen 40 000 Jahre lang ohne Unterbrechung gelebt haben.

Ein großer Teil unseres Wissens über unsere früheste menschliche Vergangenheit stammt von hier. Bei La Micoque in der Nähe von Les Eyzi-es finden sich Feuersteine aus der Zeit des Homo Erectus, die mehr als 200 000 Jahre alt sind. Unter dem Fel-sendach von La Ferrassie stieß der gro-ße französische Archäologe Denis Peyrony 1909 auf mehrere Grabmäler von Neandertalern, eins davon barg zwei Erwachsene, vier Kinder und ei-nen Fötus. Der Schädel des Mannes ist bis heute das besterhaltene Exemplar, das wir besitzen, und die Knochen-struktur der vor 70 000 Jahren bestat-teten Neandertaler lieferte den Wissen-schaftlern den entscheidenden Beweis dafür, dass unsere Vorfahren sich schon damals aufrecht fortbewegten. Außer-dem zeigte die Art des Begräbnisses, dass sie ihre Toten wertschätzten, ih-nen die letzte Ehre erwiesen.

Ein kleines Stück weiter oben im Tal, gleich hinter dem Bahnhof von Les Eyzies, befindet sich die originale Cro-Magnon-Fundstelle. Sie wurde 1868 von Eisenbahnarbeitern entdeckt. Auf Okzitanisch, das hier in der Gegend gesprochen wird, heißt Cro-Magnon so viel wie ›große Höhle‹. Darin wur-den die Überreste eines Mannes und einer Frau gefunden, deren Schädel sich deutlich von denen der Neander-taler unterschieden. Ihnen fehlten die typischen knöchernen Augenüber-wülste, und ihre Schädel waren hoch und gewölbt. Ihre Skelette waren grö-ßer und feingliedriger, und um ihre Hälse waren Tierzähne und Muscheln drapiert, die sie offenbar als Halsketten trugen.

Zu der Zeit, als Europa mit der Gründung weltumspannender Imperi-en beschäftigt war, veranlasste der Vergleich der ›wilden‹ Neandertaler mit den offenbar kultivierteren Cro-Magnon-Menschen einige Gelehrte dazu, eine rassistische Legende zu ent-

wickeln – sie handelte von Europas fortschrittlicher Bevölkerung, die die primitiven Höhlenmenschen verdrängt hatte. Doch wie kam es dazu, dass die Cro-Magnon-Menschen vor mehr als 40 000 Jahren im Tal erschienen und die Neandertaler innerhalb von 10 000 Jah-ren von der Bildfläche verschwanden? Lag es an der Evolution, oder starben sie aufgrund von Nahrungsknappheit, Krankheit oder Krieg aus – oder viel-leicht gar wegen Völkermord? Liegt

Vor allem durch die Malereien und Ritzzeichnungen, die sie vor 30 000 Jah-ren neben den lebensnotwendigen Werkzeugen zu schaffen begannen und deren Zweck offensichtlich ein primär ästhetischer, vielleicht auch spiritueller war.

Zur Rolle dieser Kunstwerke gibt es viele Theorien, aber kaum gesicherte Fakten. Abbé Breuil ging davon aus, dass sie eine Art Jagdzauber beschwö-ren sollten. Die bei den Behausungen gefundenen Tierknochen liefern je-doch Hinweise darauf, dass die meis-ten der in Lascaux dargestellten wilden Tiere gar nicht gejagt wurden. Die Menschen ernährten sich vor allem von Rentieren, von Fisch und einigen Wild-pflanzen und -früchten. Auch lebten sie nicht in den Höhlen, sondern nutz-ten diese für verschiedene andere Zwe-cke. Überwiegend scheinen sie in Wig-wam-ähnlichen Unterkünften gewohnt zu haben oder im Schutz von Felsvor-sprüngen, die zu niedrig waren, um als Höhlen bezeichnet zu werden. Ob-wohl die Höhlenzeichnungen von Las-caux während einer kurzen warmen Phase zwischen zwei Eiszeiten (mit ei-nem unserem heutigen vergleichbaren Klima) entstanden, lebte der Großteil der Cro-Magnon-Menschen wie die heutigen Ewenken in Sibirien. Sie jag-ten Rentiere, die ihnen Fleisch und Fel-le lieferten und aus denen sie Seile und knöcherne Werkzeuge fertigten. Trotz-dem sind Rentiere in den Höhlenmale-reien nur sehr selten dargestellt.

Trotz all unserer wissenschaftlichen Erkenntnisse – Ausgrabungen, Kar-bon-Zeitbestimmung und DNA-Ana-lyse – bleibt vieles, was unsere frühen Vorfahren betrifft, rätselhaft. Dieses Rätsel ist aber auch Teil ihrer Faszinati-on – und trägt zur Einzigartigkeit die-ses Tals bei, in dem ich lebe und in dem meine Bruno-Romane spielen. Im Herbst dieses Jahres erscheint die Übersetzung meines Romans Schatten an der Wand, in dem ich versuche, ein Bild jener menschlichen Gemeinschaft zu entwerfen, die die meisterhaften Höhlenzeichnungen von Lascaux her-vorgebracht hat. Bruno selbst taucht in diesem Roman nicht auf, dafür begeg-nen uns einige alte Bekannte aus den Bruno-Romanen, etwa der deutsche

hier der Ursprung der biblischen Ge-schichte von Kain und Abel?

Aufgrund von DNA-Analysen wis-sen wir heute, dass es neben gemeinsa-men kulturellen Fertigkeiten auch ge-netische Überkreuzungen zwischen Neandertaler und Cro-Magnon gab. Der heutige Mensch ist nicht das Pro-dukt eines langen Gemetzels, in dessen Verlauf irgendwann auch der letzte Ne-andertaler hingeschlachtet worden wäre – das beruhigt mich sehr hinsicht-lich meiner Urahnen! Die beeindru-ckende und spannende Geschichte un-serer Vorväter und ihr Marsch durch die Zeiten erschließt sich hier im Vézère-Tal ganz unmittelbar und kon-kret – sie sind spürbar gegenwärtig.

Die wahren Alten Meister – das waren die unbekannten

Künstler von Lascaux.

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Archäologe Horst Vogelstern und sei-ne Geliebte Clothilde Daunier, die als Kuratorin am Museum für Frühge-schichte in Les Eyzies arbeitet. Ge-meinsam versuchen sie, das Geheimnis eines neu entdeckten Höhlengemäldes zu lüften. Es handelt sich um eine bemalte Steinscherbe, die – ohne jegli-chen Hinweis auf ihre Herkunft – ei-nem der großen Londoner Kunst auk-tions häuser zum Verkauf angeboten wird. Stammt sie aus einer bisher un-entdeckten Höhle? Wie hat man sie vom Fundort entfernt? Und warum ist sie gerade jetzt aufgetaucht?

Die Zusammenführung von ferner Vergangenheit und Gegenwart ist der Schlüssel zur Lösung des Rätsels, und ich hoffe, mein Roman vermittelt den

Lesern die Faszination und die Ehr-furcht, die ich angesichts der Höhlen und ihrer Kunstwerke empfinde. Vor allem wünsche ich mir, dass der Ro-man etwas vermittelt, wovon ich per-sönlich überzeugt bin: dass unsere frü-hesten Vorfahren gar nicht so weit von uns entfernt sind. Und dass das große Erbe, das sie uns mit ihrer Kunst hin-terlassen haben, noch heute die Kraft hat, uns erschauern zu lassen und uns zutiefst zu bewegen.

··Aus dem Engli-schen von Michael Windgassen

»Sehr schön, was Sie da machen, aber Ihre Galerie ist etwas ab vom Schuss ...«

Buchtipp

Ein Thriller aus dem Périgord – diesmal ohne Bruno, Chef de police.

Eine Höhlenzeichnung – fünf Menschen, die sie besitzen wollen. Wer die Zeichnung findet, hat den Schlüssel

zur Aufklärung eines Verbrechens, während der Résistance begangen, von

dem bis heute niemand wissen darf.

ca. 592 Seiten, LeinenISBN 978-3-257-06843-6

Auch als Diogenes E-Book

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»Anthony McCarten zählt zu den aufregendsten literarischen Exporten aus Neuseeland.« International Herald Tribune, Paris

Anthony McCarten, 1961 im neusee-ländischen Plymouth geboren, lebt heute in London. Mindestens einmal im Jahr fliegt er nach Hause, ans andere Ende der Welt. Und das, obwohl er sich nach der Reise jedes Mal so fühlt, als seien ihm die Hirnnerven durchtrennt worden.

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Neuseeland, ein verlottertes Provinzstädtchen am

anderen Ende der Welt. Drei unschuldige Mädchen,

die plötzlich schwanger sind. Von Außer irdischen,

versichern sie. Ein spannender Roman

über Wunder, Täuschungen und die Geschichten, die wir

erfinden, um uns vor der Wahrheit zu schützen.

Und eine phantastische Liebesgeschichte.

Diogenes Taschenbuchdetebe 24208, 368 SeitenAuch als Diogenes E-Book

464 Seiten, LeinenISBN 978-3-257-06794-1

Auch als Diogenes Hörbuch und E-Book

Jeff Delpe lebt wie McCarten in England. Sein wahres

Leben aber findet im Internet statt: Hier verdient er viel Geld, und hier kämpft er

auch gegen die Geister, die ihn nicht loslassen:

die Schule, die Mädchen, der Tod seines Bruders.

Sein Vater will nicht noch einen Sohn verlieren

und loggt sich in die ihm fremde Welt der unbegrenz-

ten Möglichkeiten ein.

Die Fortsetzung von McCartens erfolgreichem

Roman Superhero

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Mindestens einmal im Jahr fliege ich nach Hause. Zwölftausend

Meilen hin, zwölftausend Meilen zu-rück. Mir würde etwas fehlen, sollte ich einen Besuch auslassen. Ich würde gern viel öfter hinfahren, wenn man sich nach einem Flug dieser Länge nicht jedes Mal so fühlen würde, als seien einem die Hirnnerven durch-trennt worden.

Mein Zuhause? Neuseeland. Die Reisedauer? Von meiner Wohnung (in London) sind es etwa 36 Stunden, und das auch nur, wenn man die Reise an einem Stück macht, was der schiere Wahnsinn ist. Nehmen wir den not-wendigen Zwischenstopp in Los Ange-les oder Hongkong hinzu, dann reden wir schon von der Lebensspanne klei-ner Säugetiere.

Deshalb hat Neuseeland sich einiges bewahren können: Es hat noch den ge-heimnisvollen Reiz aller weit entfern-ten, kaum bekannten Orte, vergleichs-weise wenig Einwohner (ideal, um

Zufallsbekanntschaften und Verkehrs-staus zu vermeiden), eine (trotz hefti-ger Angriffe) weitgehend intakte Landschaft, global gesehen eine ge-ringe Bedeutung (wofür die Neusee-länder sich schämen), einen ausgepräg-ten Hang zum Antiintellektuellen, (worauf sie stolz sind) und zu guter Letzt den (wohlverdienten) Ruf, ein unglaublich schönes Land zu sein.

Der Besucher kommt in Auckland an, dem einzigen wirklich internatio-nalen Flughafen des Landes (Welling-ton und Christchurch zählen nicht, denn von da geht es nur nach Australi-en und in die Antarktis: beides keine echten Länder – und diese Bemerkung über das benachbarte Australien ist gleich ein schönes Beispiel für die Ri-valität zwischen den Aussies und den Kiwis; eine grundlose Rivalität, aber wann hätte es dafür je einen Grund ge-braucht?).

Wenn man über dem blauen Wasser und den Grüppchen von kleinen Küs-

teninseln heranschwebt, sieht man bald – sofern es nicht regnet – Blech-dächer mit jeweils einem halben Mor-gen Land dazwischen, Häuser und Gärten mit dem obligatorischen Zitro-nenbaum und der Plastikschaukel für die Kinder, Häuser, deren Betonauf-fahrten die Besitzer, allesamt Bastler-typen, selbst gegossen haben, und schwarze Straßen, die sich die Berge hinaufschlängeln, von denen aus man, wie fast überall hier, das Meer sehen kann.

Ein Land im Südpazifik. Eines, das weit weniger europäisch ist, als es sich die ersten Siedler vorgestellt haben, da-mals in den 1840er-Jahren: weiße Bri-ten, Iren auf der Flucht vor der großen Hungersnot, ein paar beflissene nord-deutsche Missionare. Sie alle wollten in der Südsee ein besseres Britannien bau-en, einen Garten Eden, den sie be-ackern konnten, ohne die grausigen Fehler bei der »Entdeckung« Amerikas und Indiens zu wiederholen. Dieses

Die ersten Siedler, hauptsächlich arme Briten und Iren, wollten ein besseres Britannien aus dem Land im Südpazifik machen. Aber sie hatten nicht bedacht, dass ihnen das Land und seine Ureinwohner feindlich gesinnt sein könnten. Schwere Zeiten für die Pioniere – es ging ums bloße Überleben –, prä-gende Zeiten für den Nationalcharakter der Neuseeländer, wie Anthony McCarten, selbst einer von ih-nen, zu berichten weiß.

Anthony McCarten

Der Kiwi ist ein seltsamer Vogel

Über Neuseeland

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18 601 Kilometer trennen Frankfurt von Wellington. Vom 10. – 14. Oktober 2012 kommen sie zusammen: Neuseeland ist Ehrengast der diesjährigen Frankfurter Buchmesse.

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Vorhaben geriet jedoch schnell in Ver-gessenheit: Die Einwanderer mussten erkennen, dass es für europäische Kul-tur europäischen Boden brauchte und sehr viel mehr Europäer. Die eingebo-renen Maori waren alles andere als be-geistert, als die Weißen aus ihren Boo-ten sprangen und »Ich beanspruche dieses Land für die Königin [Viktoria] und für England« riefen, und machten den Neuankömmlingen sehr deutlich, dass dieses Land nicht ohne Blutver-gießen zu haben war.

Für die Pioniere begannen schwere Zeiten. Sehr schwere Zeiten sogar. In einem Brief an seine Tante mütterli-cherseits zu Hause in Irland berichtet mein Großvater Tom Walsh (in meiner Erinnerung ein schweigsamer, geheim-nisvoller Mann) über das Leben der Neuseeländer Anfang des 20. Jahrhun-derts:

Glaube mir, liebe Tante, ich werde nie vergessen, wie Mutter am Fluss ankam. Dort lag ein Kanu (ein aus-gehöhlter Baumstamm), der uns den Tongaporutu hinaufbringen sollte. Mutter sagte: »Das überlebe ich nicht.« Dann kamen ihr die Tränen, und das kann ihr keiner verdenken.

Nicht viele Frauen hätten solch eine Reise gewagt. Aber in mancher Prü-fung hat sie bewiesen, was für eine tapfere Frau sie ist. Als wir die Ka-nufahrt hinter uns hatten, ging es weiter in den wilden Urwald, die letzte Meile zu unserem »Zuhause im Busch«, das aus »Pungas« (einem Baumfarn) gebaut war. Das Holz ist sehr weich; aus den Stämmen, etwa acht Zoll im Durchmesser, werden die Wände gezimmert. Für das Dach nimmt man Nikau-Wedeln (etwas Ähnliches wie Palmen), obwohl sie nicht wasserfest sind. Von der Decke hingen Drähte, daran unsere Kessel und Kochtöpfe. Die Betten bauten wir aus Pungas, deren Blätter dien-ten als Matratze; der Tisch war aus grob behauenem Holz, die Schemel einfache Holzklötze. (Ein schönes Zuhause war das!) Schließlich rodete Vater 200 Morgen Urwald, alles mit der Axt, und wir bekamen 40 Milch-kühe. Meine Mutter molk sie und verkaufte die Butter. Vater war meist nicht da – er baute überall im Land neue Straßen. Er hat nie auf der Farm gearbeitet, nicht eine Kuh

mer nur Arbeit und kein Vergnügen, so war das damals. Das sind die Menschen, die Neuseeland gegrün-det haben. Sie nennen es »God’s own Country«. Vielleicht ist es das heute, aber damals bei den ersten Siedlern, da war das Leben hart, ganz besonders für die Frauen.

Diese Entbehrungen sorgten dafür, dass die Neuseeländer, ob Mann oder Frau, hart im Nehmen sind – auch heu-te noch: Der typische Neuseeländer redet nicht viel und psychologisiert noch weniger, er lacht zwar gern, aber ist nur selten ausgelassen.

Als die neuseeländische Schriftstel-lerin Katherine Mansfield im Jahr 1907 von ihrer ersten, aufregenden Reise nach England und Deutschland zu-rückkehrte (die Schiffspassage dauerte 100 Tage pro Strecke, der Reisende von heute möge sich also nicht beschwe-ren), war sie enttäuscht von Wellington, ihrer Geburtstadt, die damals noch kei-ne fünfzig Jahre alt war, und schimpfte darüber, dass es dort nicht das nötige Maß an Kultiviertheit gäbe:

Ich schäme mich für das junge Neu-seeland. Der ganze Speck, in den ihr

gemolken. Meine Mutter musste al-lein auf uns sieben aufpassen – im-

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Hirn gepackt ist, muss weg, bevor sie überhaupt anfangen können, etwas zu lernen! Wir brauchen zwei oder drei Leute, die sich zusammentun – an Straßenecken, in den Läden, Häusern, Teestuben – und über Vers und Form und Atmosphäre diskutie-ren. Aber diese Leute beherrschen ja noch nicht einmal das ABC!

Für die literarischen Salons, die Mans-field herbeisehnte, war im Alltag der Pioniere kein Platz. Es ging ums Über-leben. Land musste bestellt werden, Sümpfe trockengelegt, Straßen gebaut. Aus einem Traum entstand eine moder-ne Nation, und das ohne einen einzi-gen Traktor, ohne auch nur eine Ma-schine. Und wer nahm diese gewaltige Bürde auf sich? Ein paar hunderttau-send Paare: Männer und Frauen, die sich aus jugendlichem Optimismus, Mut oder Einfalt freiwillig gemeldet hatten. Fast alle waren arm oder zu-mindest minderbemittelt. Wenn man hier etwas erreichen wollte, dann nur durch harte körperliche Arbeit, geisti-ger Höhenflüge bedurfte es nicht. Wohl den Müttern, die ein Dutzend Kinder ohne Rat und Ärzte großzie-hen konnten. Jeder Neuseeländer von

heute, dessen Wurzeln in diese Zeit zu-rückreichen (und so lange ist es noch nicht her), hat einen Familienfriedhof voller Grabsteine für die Kinder, die bei der Geburt gestorben sind oder mit drei, fünf, zehn Jahren. Kaum jemand wurde damals alt genug, um zu heira-ten und die nächste Generation von Kämpfernaturen in die Welt zu setzen. Zäh, wie sie waren, wussten die Neu-seeländer, dass sie fast alles aus eigener Kraft erreichen konnten. Das hatten sie bereits bewiesen.

Und so ging das 20. Jahrhundert da-hin. Aus dem europäischen Experi-ment wurde ein pazifisches. Der engli-sche Anstrich blätterte ab, es bildete sich eine eigene Identität heraus, die sich nicht vom englischen Mutterland ableitete, sondern auf der Verwandt-schaft mit den polynesischen Nach-barn beruhte und der eigenen langen Maori-Tradition. Das junge Land ge-wann neuen Stolz aus seiner alten Kul-tur, die viel älter war als die Flagge, die die Kolonialisten gesetzt hatten. Im Laufe des 20. Jahrhunderts flirtete Neuseeland sogar mit dem Fortschritt: Es war der erste Staat, in dem Frauen wählen durften (1893), das erste Land, das sich dem Wohlfahrtsstaatsprinzip

verpflichtete (1937). Später, ein politi-sches Wagnis, legte es sich mit einer Großmacht an, als es US-Kriegsschif-fen nur Zugang zu neuseeländischen Häfen gewährte, wenn die Amerikaner versicherten, keine Kernreaktoren an Bord zu haben. Heute – und das ist ein Wunder, bedenkt man, wie wenig Steuerzahler es gibt – hat Neuseeland alles, was ein Land braucht. Zu den Er-rungenschaften zählen Opernhäuser, Ballett ensembles, Theater und eine blühende Literaturszene.

Komm zurück, liebe Katherine Mansfield! – Sieh dir an, was aus dei-nen Leuten geworden ist, vier Millio-nen sind es heute, und hör dir an, wie sie an den Straßenecken über Vers, Form und Atmosphäre diskutieren! Sieh dir an, wie sich die »Kiwis« entwi-ckelt haben – den spöttischen Spitzna-men haben sich die Neuseeländer selbst gegeben, und sie sind stolz dar-auf: Denn der Kiwi ist ein seltsamer Vogel, ein Vogel, der nicht fliegen kann, aber doch ein Vogel, einer, den es nur hier gibt, auf den drei neuseeländischen Inseln North, South und Stewart.·Aus dem Englischen von Manfred Allié

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Der literarische Klassiker aus Neuseeland – Katherine Mansfield

Oft wird sie in einem Atem-zug mit englischen Schrift-stellern wie Thomas Hardy, Virginia Woolf oder T. S. Eliot genannt. Geboren wird sie jedoch 1888 in Wellington, Neuseeland. 1903 geht sie nach London und reüssiert bald als Schrift stellerin. Die Meisterin der Short story stirbt 1923, erst 34 Jahre alt, in Fontainebleau.

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Tuberkulose. Sie alle erkrankten da- ran: Catull, Voltaire, Molière, John-

son, Keats, Balzac, Čechov (die Liste ist unvollständig, es fehlen, um nur ei-nige wenige zu nennen: Kafka, Mau-passant, Austen und sämtliche Brontë-Schwestern); ein jeder von ihnen starb daran. Man gewinnt den Eindruck, dass es sich für große Schriftsteller ge-hörte, an Tuberkulose zu erkranken. Wie ein ungebetener Gast nistet sich die Krankheit im Körper ein, um Stück für Stück das zerbrechliche Mobiliar zu zerstören. Am Ende löst ein einzi-ges Räuspern einen ganzen Blutschwall aus. Man sollte denken, dass die innere Zerstörung dem Kranken das Leben zur ständigen Qual macht, ihn wütend werden lässt, sprachlos. Doch die Krankheit befähigte die neunundzwan-zigjährige Katherine Mansfield, das Wunderbare hinter den Dingen zu se-hen.

Nach der Diagnose im Jahr 1917 sah sie Wunder, wohin sie auch blickte. Ihre Hingabe an das schiere Staunen,

diese Offenbarungen fanden zunächst zögernd Eingang in ihr Werk, bald aber strömten sie. Die Krankheit, die Mans-field einem Alltag entrückte, den sie sich stets besser gewünscht hatte, führ-te sie in die Todeszone, einen sublimen Lebensraum, dessen Bewohner sich der Betrachtung der letzten Dinge widmen. Dort ist es den Glücklichsten vergönnt, die Welt mit einem Maß an Ehrfurcht wahrzunehmen, das nur der empfindet, der weiß, dass er sie bald verlassen wird.

In der Todeszone wird das Leben zur Essenz seiner selbst: Der Baum vor dem Fenster ist der Inbegriff eines Baumes, ein Kind wird zum Sinnbild der Kindheit, die kleinste Geste löst eine wahre Oper an Emotionen aus. Katherine Mansfield schrieb fast jedes ihrer besten Werke in dieser Zone. Die Krankheit, die sie allmählich verzehrte, eröffnete ihr zugleich einen neuen Blick auf die Welt. Zuvor hatte sie sich nur zu gern zynisch und kritisch gege-ben. Allzu oft wirkte ihr Betragen

mutwillig oder rücksichtslos – sie ver-ließ ihren ersten Ehemann am Hoch-zeitsabend, und so mancher misstraute ihr, fürchtete sich vielleicht sogar vor ihr. D. H. Lawrence geriet dermaßen in Rage, dass er schrieb: »Du bist eine wi-derwärtige Schlange; ich wünsche Dir den Tod.« Aber die Gewissheit, dass ihre Tage gezählt waren, ließ Mansfield milder werden; sie wurde eine begeis-terte, geradezu hymnische Verehrerin des Augenblicks und der kleinen Din-ge, die so große Bedeutung erlangen können. Sie suchte und fand die ganze Welt vor ihrer Nasenspitze.

Kleine, zarte, funkelnde Meister-werke entstanden. Sie sicherten ihr ei-nen Platz unter den großen Autoren der Moderne; schlicht erzählte Ge-schichten, subtil und psychologisch scharf beobachtet. Meist kreisen sie um einen Augenblick jäher Erkenntnis.

Ihr kam es vor, als hätte sie nie ge-wusst, wie die Nacht eigentlich war. Bis jetzt war sie dunkel und stumm

Ihr Leben und ihr Schreiben waren eine Flucht aus der Vereinzelung: Früh verlässt Katherine Mansfield ihre neuseeländische Heimat und taucht ein ins Treiben der Londoner Bohème. Sie hat Beziehungen zu Männern und Frauen, erleidet eine Fehlgeburt, das Scheitern einer Ehe und erkrankt schwer an Tuber-kulose. Schon zu Lebzeiten sorgte sie für Aufsehen: durch ihren Lebensstil, vor allem aber durch ihre Erzählkunst, wie Anthony McCarten, ihr Landsmann, in seinem biographischen Essay erzählt.

Anthony McCarten

Das Wunderbare hinter den Dingen

Über Katherine Mansfield

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gewesen, oft sehr schön, o ja, aber auch etwas traurig. Feierlich. So würde die Nacht nie wieder sein: Sie hatte sich in ihrer strahlenden Helle gezeigt.

Mansfield nahm die Witterung auf. In der Todeszone hatte sich ihre Auf-merksamkeit geschärft. Die Welt ver-setzte sie in Erstaunen. Bis zu ihrem letzten qualvollen Atemzug schrieb sie wie beseelt durch diese neugewonnene, ungekannte Sensibilität.

Kathleen Mansfield Beauchamp kam als Provokateurin auf die Welt. Nie-mand hatte es leicht mit ihr.

Geboren im Jahr 1888 als drittes von fünf Kindern einer angesehenen und wohlhabenden Familie in Wellington – eine erst vierzig Jahre zuvor gegründe-te Kolonialsiedlung –, verbrachte sie eine glückliche Kindheit. Doch mit ih-rem lebhaften, rebellischen Wesen stand sie einer Kultur, die so eng und blass, so pragmatisch und unliterarisch war wie die ihre, schon früh kritisch gegenüber. Über ihre Landsleute schrieb sie später: Sie »beherrschen ja noch nicht einmal das ABC«. Als be-gabte Cellistin schickten ihre Eltern die erst 14-Jährige für drei Jahre nach London; und dort, am Queen’s Col-lege, schrieb sie die ersten Geschichten und Gedichte; sie bescherten ihr den Posten der Chefredakteurin der Schü-lerzeitung. In Berichten an ihre Eltern

und unter diesem Namen bestieg sie zum zweiten Mal ein Schiff nach Eng-land.

Ihr Leben wie ihre Literatur waren eine einzige Flucht aus der Vereinze-lung in die Universalität; zunächst be-deutete das die Abkehr von Neusee-land und die Rückkehr nach Europa, später überwand sie das traditionelle Erzählen des 19. Jahrhunderts und schuf etwas völlig Neuartiges, das, wie James Joyce einmal sagen sollte, in der Schmiede der eigenen Seele gehärtet worden war.

In London tauchte sie fünfzehn Mo-nate lang in die Welt der Bohème ein. Sie verdiente Geld mit Darbietungen auf Partys. Tanzte kurzzeitig in einer Revuetruppe. Hatte Affären – mit Männern und Frauen. Wurde schwan-ger von einem, heiratete einen anderen, verließ beide. Schrieb fast nichts. Ein »sinnloses und schäbiges Intermezzo«, das ihr dennoch half, sich von gewissen naiven Vorstellungen zu lösen, derer sich gerade jemand aus den Kolonien häufig schämt.

Als Katherines Mutter Annie Beau-champ von der gescheiterten Ehe ihrer Tochter erfuhr, reiste sie nach England. Sie vermutete, Katherines Freundschaft mit Ida Baker – die sie für lesbisch hielt (was sie nicht war) – sei die Ursache für das leichtfertige Verhalten ihrer Tochter. Es gibt so manchen Grund, Deutsch land zu besuchen, ein eher un-gewöhnlicher ist die Suche nach einem Mittel gegen lesbische Neigungen.

Annie verfrachtete Katherine in den bayrischen Badeort Bad Wörishofen, dessen Wasser angeblich »unharmoni-sche Regungen« wie Homosexualität heilte. Dann trat sie die Heimreise an und ließ die schwangere Katherine al-lein in dem Bad zurück, wo sie tagtäg-lich mit kaltem Wasser übergossen wurde. In der Pension Müller brachte sie ganz allein ihr Kind zur Welt. Es war tot.

Sie verbrachte noch mehrere Monate in Deutschland. Eine glücklose Affäre mit einem polnischen Übersetzer führ-te immerhin dazu, ihr Interesse an den Werken Anton Čechovs zu wecken, dessen Dramen und Erzählungen da-mals in England so gut wie unbekannt waren.

bezeichneten ihre Lehrer sie als »im-pulsiv«, »störrisch«, »aufsässig« und, was noch beunruhigender war, als ein Mädchen »voller Ideen«. Zurück in Neuseeland war sie todunglücklich. Dem Vaterland entfremdet und dürs-tend nach Kultur schrieb sie an Ida Ba-ker, die einzige echte Freundin, die sie in London gefunden hatte:

Die Vorstellung, stillzusitzen und auf einen Ehemann zu warten, ist abstoßend. Ich wünschte, ich hätte Macht über die Umstände. Ich bin ganz und gar krank vor Kummer und Trauer – hier –, das ist ein Alp-traum. Wie man sich jemals wün-schen kann, hier zu leben, das kann ich mir nicht vorstellen –

Sie kam als Provokateurin auf die Welt. Niemand hatte

es leicht mit ihr.

Empört über die simple Tatsache, dass Neuseeland nicht England war, be-schloss sie, ihr Geburtsland zu verlas-sen. Nur so schien es ihr möglich, sich in der Phantasie mit ihrer Heimat zu befassen.

Auch ihren Namen ließ sie zurück. Von ihrem achtzehnten Lebensjahr an nannte sie sich Katherine Mansfield,

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Čechovs größte Neuerung, derent-wegen er vielen als Erfinder der moder-nen Kurzgeschichte gilt, besteht darin, in minimalistischer Prosa und mit ei-nem Mindestmaß an Handlung – er vertraute ganz auf seine Figuren – die starken Unterströmungen zu enthül-len, die scheinbar belanglosen Ereig-nissen zugrundeliegen. Anstelle der üblichen chronologischen Aneinan-derreihung von Handlungselementen rückte er Augenblicke der Erkenntnis und Erleuchtung in den Vordergrund, und das innerhalb eines engen zeitli-chen Erzählrahmens. Es war die Ge-burt der Vorstellung, dass eine Kurzge-schichte »ein Stück Leben« sein soll.

Die Erzählungen von Čechov – der ebenfalls an Tuberkulose litt und im Alter von vierundvierzig Jahren starb – hatten einen gewaltigen Einfluss auf Mansfields.

Zurück in England, allein und un-glücklich, begann sie die Arbeit an ih-rem ersten Band mit Erzählungen und vollendete ihn rasch. In einer deutschen Pension erschien 1911 und behandelt ihre Erlebnisse in Bayern. Die Ge-schichten sind düster und allzu sati-risch, journalistisch unterkühlt – sie selbst empfand sie später als unreif –, aber die Familienbeziehungen, die sie dort in all ihrer Verlogenheit bloßstellt, sind doch scharf beobachtet.

Auf der Suche nach einer festen Blei-be, wo sie sich ganz auf das Schreiben konzentrieren konnte, bezog sie eine Wohnung mit der ihr treu ergebenen Ida Baker, und jetzt, da sie Zugang zu den literarischen Kreisen hatte, nahm sie einige längst überfällige Korrektu-ren an ihrem Leben vor. Sie gewöhnte sich das Rauchen an. Sie ließ sich die Haare so kurz schneiden, dass sie aus-sah wie eine japanische Puppe. Lon-don im Jahre 1912 schwirrte von neuen Ideen – insbesondere, was die Rolle der Frau anging –, aber kaum jemand hatte den Mut, diese Ideen tatsächlich zu le-ben. Katherine war gern eine Ausnah-me. Sie lebte die freie Liebe. Plauderte in vornehmer Gesellschaft mit der Un-bekümmertheit der Ausländerin.

Bald wurde sie zum Sinnbild – für die neue Stimmung, die neue Frau, eine neue Geisteshaltung. Sie entwarf ihre eigenen Kleider, ganz ohne allen vikto-

Woolf angehörten. Bertrand Russell bewunderte ihren Verstand und wäre gern ihr Liebhaber gewesen; Virginia Woolf war eifersüchtig auf ihre Schreib-kunst – das erste und einzige Mal, dass sie auf einen Autor neidisch war – und bekannte sich zu einer gewissen Zunei-gung, »auf meine sehr eigene Weise«. In Werken von Christopher Isherwood und Aldous Huxley tauchte Katherine sogar als literarische Figur auf, und als Lawrence Liebende Frauen schrieb, nahm er sie als Vorbild für die Gestalt der Gudrun. Sie vermochte selbst schwer zu beeindruckende Menschen wie Frieda Lawrence davon zu über-zeugen, dass sie »mehr über die Wahr-heit wusste als irgend ein anderer Mensch«.

Sie zog mit Murry zusammen. Ida Baker blieb jedoch immer in der Nähe und war gern zu Diensten (als platoni-sche Freundin, Therapeutin, Putzfrau); weitere Geschichten entstanden. Millie und Ole Underwood zeigen Neusee-land in einem gnadenlosen Licht; düs-ter und schwer ist das Leben der Figu-ren in der Wildnis.

In Paris, wo Katherine und Murry gemeinsam das Bohèmeleben erprob-ten, schrieb sie Etwas Kindliches, aber sehr Natürliches, die anmutig-zarte Geschichte von Harry, »beinah acht-zehn«, der sich auf einer Zugfahrt in Edna, »sechzehn gewesen«, verliebt. Zaghaft träumen sie von einer gemein-samen Zukunft, beschließen gar, ein

»Oh, ich möchte, dass für einen Moment unser

unentdecktes Land vor den Augen der Alten Welt

aufblitzt.«

rianischen Zierrat und Firlefanz. Sie änderte wieder ihren Namen, und das gleich mehrfach, von Katya zu Kysien-ka, Katarina, Kathy Schönfeld (die Germanisierung ihres Mädchenna-mens Beauchamp), dann wieder zu-rück zu Katherine, stets auf der Suche nach einer Identität, die ihr ruheloses und unbehaustes Wesen ausdrückte.

Trotz allem fand sie Zeit zum Schreiben und versenkte sich immer tiefer in den Čechov’schen Minimalis-mus. Sie schickte eine Reihe neuer Er-zählungen (u. a. Die Frau im Kaufladen, Die kleine Gouvernante) an die literari-sche Vierteljahresschrift Rhythm, deren Herausgeber John Middleton Murry zum Mittelpunkt ihres Lebens werden sollte, zunächst als Lektor, später als ihr zweiter Ehemann.

Mit diesen Erzählungen gewann sie nicht nur neue Leser, sie verschafften ihr auch Zugang zu einer Gruppe von aufstrebenden Literaten, die unter dem Namen ›Bloomsbury Group‹ berühmt wurde und der Modernisierer wie D. H. Lawrence, T. S. Eliot, Lytton Strachey und Virginia und Leonard

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idyllisches Cottage bei London zu mieten. Harry richtet das Häuschen her, doch Edna taucht nicht auf. Na-türlich nicht. Harry steht am Tor und wartet, er wartet auf eine Wirklichkeit, die niemals eintreten wird.

Im Jahr 1913, als Katherine und Mur-ry das Geld ausging und der Weltkrieg drohte, kehrten sie nach England zu-rück und bezogen ein Cottage gleich neben dem der Lawrences. Schon bald jedoch störten Rivalität und Eifersucht (Lawrence soll Murry Avancen ge-macht haben, die dieser jedoch zurück-wies) das Leben in der Kommune. Und Katherine schrieb nicht mehr.

Schon zu Anfang ihrer Beziehung zu Murry litt sie unter seinem ge-hemmten Wesen. Schnell begriff sie, dass sie längere und regelmäßige Aus-zeiten von ihm brauchen würde, um arbeiten zu können.

1915 kehrte sie nach Paris zurück und schrieb Murry von dort jeden Tag einen Brief. (Bis zu ihrem Tod sollte sie ihm täglich schreiben.) Sie begann eine Affäre mit dem französchen Romancier Francis Carco, die sie rasch beendete. Dennoch überließ er ihr später seine Pariser Wohnung, in der sie einen Mo-nat lebte und schrieb. In Eine unbeson-nene Reise, die Erzählung spielt in Zei-ten des Krieges, verarbeitete sie dieses Intermezzo, doch erst drei Jahre später fand sie die passende, weit eindrucks-

vollere Form dafür, in Je ne parle pas français.

Als ahnte sie, dass sie in Murrys Ge-genwart nicht würde schreiben können, begann sie vor der Rückkehr nach England hastig mit der Arbeit an einem Roman.

Aloe sollte von ihrer Familie in Neu-seeland, den Beauchamps, handeln, aber sie suchte vergeblich nach einem angemessenen Ton, einem Stil, der ih-rem Wunsch nach einer neuen, freieren, impressionistischen Erzählweise ent-sprach. Ihre zwiespältige Haltung zu Neuseeland verhinderte, dass die Ge-schichte in Schwung kam.

Zurück in London bei Murry, be-kam Katherine wichtigen Besuch.

Ihr Lieblingsbruder Leslie, der in einem britischen Regiment in Frank-reich diente, kam auf Fronturlaub nach London. Es war das letzte Mal, dass die Geschwister sich sahen. (Leslie starb einen Monat später an der Front, seine letzten, im Fieberwahn gesprochenen Worte waren: »Halt mir den Kopf hoch, Katie, mir fällt das Atmen so schwer.«) Als spürten Bruder und Schwester, dass sie beide sich der Todeszone näherten, waren sie während Leslies Aufenthalt unzertrennlich; sie verbrachten ganze Nachmittage miteinander und schwelg-ten in Erinnerungen an ihre Kindheit in Wellington. Leslies Tod verwandel te Katherines Schreiben vollständig. Vol-

ler nostalgischer Kindheitserinnerun-gen schwanden all ihre Vorbehalte ge-genüber der Heimat. Katherine war nun bereit, Neuseeland über alle Ma-ßen romantisch zu verklären.

Ja, ich will über mein Heimatland schreiben, bis mein Vorrat erschöpft ist. Nicht nur, weil ich eine heilige Verpflichtung meiner Heimat gegen-über habe, weil mein Bruder und ich dort geboren sind, sondern auch, weil ich in Gedanken all die ver-trauten Orte mit ihm durchstreife. Ich sehne mich danach, sie im Schreiben wieder zum Leben zu er-wecken. Ach, die Menschen die wir dort lieb hatten – auch von ihnen will ich erzählen. Oh, ich möchte, dass für einen Moment unser unent-decktes Land vor den Augen der Al-ten Welt aufblitzt. … Aber alles muss mit einem Sinn für das Ge-heimnisvolle erzählt werden, mit einem Glanz, einem Nachglühen …

Sie arbeitete Aloe um zu Prélude, einer brillant gebauten Novelle, der ersten bedeutenden Erzählung ihrer reifen Phase. Čechovs Einfluss ist darin un-verkennbar – das Vokabular ist einfach, die Erzählweise direkt, unzweideutig, die Handlung den Charakteren unter-geordnet. In einer anderen Geschichte aus dieser Zeit, Der Wind weht, zeich-

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Wärme hatten.« Joseph Roth, Gedicht von Wandkalendern

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net sie ein lebendiges, romantisch über-höhtes Bild ihrer Kindheit in Welling-ton, geradezu trunken vor Nostalgie.

Die Liebe hatte Einzug in ihr Werk gehalten.

Doch es ist fraglich, ob man ihr heu-te noch so viel Achtung zollen würde, wenn ihre Karriere an diesem Punkt zu Ende gewesen wäre. Erst die Erzählun-gen, die jetzt folgen, haben Katherine Mansfield unsterblich gemacht. Sie alle kreisen um einen existentiellen Augen-blick bewusster oder unbewusster Of-fenbarung und sind durchdrungen von einer neuen Zartheit und Intensität, ge-prägt vom Krieg und dem eigenen na-hen Tod. Es war der Anfang von Mans-fields fruchtbarster Schaffensphase. Sie schrieb einhundert Rezensionen für die von Murry herausgegebene Zeit-schrift Athenaeum und viele Erzäh-lungen, unter ihnen Meisterwerke wie Miss Brill, Der Fremde und Die Töchter des jüngst verstorbenen Colo-nel Pinner.

Um jeden Atemzug rang sie mittler-weile und schrieb doch in dieser Zeit die schönsten Neuseelandgeschichten ihres Lebens. An der Bucht, Ihr erster Ball, Das Gartenfest, Das Puppenhaus – sie zeugen von einer spät erwachten Liebe, von Sehnsucht und Vergebung; die Nähe des Todes schärfte Mansfields Bewusstsein davon, was sie zu geben hatte und was sie sagen wollte.

Ihre letzte vollendete Erzählung ist Der Kanarienvogel. Nach Stationen in Bandol, San Remo, Menton und Montana-sur-Sierre wohnte sie nun im sechsten Stock des Victoria Palace Ho-tel in der Rue Blaise Desgoffe in Paris, wo sie vergeblich auf neue Kräfte hoff-te. Aus ihrem Zimmer blickte sie auf

die Fenster gegenüber. Die Frau … hat einen Weidenkäfig voller Kana-rienvögel. Wie kann man die Schön-heit ihres flinken kleinen Lieds in Worte fassen, das, wie es scheint, di-rekt aus dem Gemäuer aufsteigt? Ich frage mich, wovon sie wohl träu-men, wenn sie am Abend zugedeckt werden, und was ihr hastiges Flat-tern bedeutet… Ich denke, meine Geschichte für Dich wird von Kana-rienvögeln handeln. Der große Kä-fig mir gegenüber hat mich absolut fasziniert. Ich denke & denke über sie nach – über ihre Gefühle, ihre Träume, über das Leben, das sie hat-ten, bevor man sie einfing … Worte können die Schönheit des hohen, schrillen kleinen Lieds nicht be-schreiben, das direkt aus dem Ge-mäuer aufsteigt …

Sie identifiziert sich mit den Vögeln und macht schließlich ihren Frieden mit dem Gefängnis der menschlichen Existenz und mit der Unabwendbar-

keit des Todes. In einem letzten Brief schreibt sie:

Aber die Wahrheit ist wohl, dass manche Menschen eingesperrt und andere frei sind. Man tut besser dar-an, sich mit seinem Käfig abzufin-den und nichts weiter darüber zu sagen. Ich kann es – ich will es. Und ich finde es wirklich unverzeihlich, wenn man seine Freunde mit einem ›Ich kann nicht raus‹ langweilt.

Sie stirbt am 9. Januar 1923 im französi-schen Fontainebleau, gerade einmal vierunddreißig Jahre alt. Die Samm-lung Das Gartenfest und andere Ge-schichten erschien wenige Wochen nach ihrem Tod. Mehr als jedes andere ihrer Werke besiegelte es ihren Ruhm als Neuerin, als literarische Impressio-nistin, als eine der Ersten, die die tranche de vie-Technik in die englische Literatur einführten, eine Meisterin der Darstellung wundersamer Erscheinun-gen im Alltäglichen.

Was kann man auch tun, wenn man dreißig ist und an der eigenen Stra-ßenecke plötzlich von einem Glücks-gefühl, von einem Gefühl reinen Glücks überwältigt wird …·

Aus dem Englischen von Manfred Allié und Gabriele Kempf-Allié

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Einige Seiten aus meinem Tagebuch. Sie sollen dir keinen Kummer bereiten. Diese Geschichte nimmt ein glückliches Ende – wirklich und wahrhaftig.

14.10.1922Heute Morgen habe ich nachgedacht. Ich glaube, dass ich die Dinge klarer sehe, wenn ich versuche aufzuschrei-ben … wo ich stehe. Seit ich wieder in Paris bin, bin ich so krank wie nie zu-vor. Gestern dachte ich gar, ich müsse sterben. Das ist keine Einbildung.

Mein Herz ist so furchtbar müde, wie zusammengeschnürt, dass ich es kaum weiter schaffe als bis zum Taxi und wieder zurück. Ich stehe mittags auf und gehe um halb sechs wieder zu Bett. Ich versuche »zu arbeiten«, spo-radisch, aber die Zeit dafür ist vorbei.

Ich kann nicht arbeiten. Seit April habe ich eigentlich nichts mehr getan. Warum? Manoukhins Behandlung hat zwar eine positive Wirkung auf meine Blutwerte, mein Aussehen, meine Lun-gen, aber meinem Herzen geht es kei-nen Deut besser. Und die »Verbesse-rung« meines Zustands verdanke ich wohl hauptsächlich dem Umstand,

dass ich hier im Victoria Palace Hotel das Leben einer Leiche führe.

Mein Geist ist beinah verbraucht. Mein Lebensquell führt nur noch so viel Wasser mit sich, dass er nicht ganz versiegt. Fast alles an meinem verbes-serten Zustand ist Schein, Komödie. Wozu? Kann ich gehen? Nur kriechen.

sagt, Manoukhin sei ein Wissenschaft-ler. Er tue seinen Teil. Nun müsse ich meinen Teil beitragen. Aber, was soll das heißen?

Ich kann meine Seele genauso wenig heilen wie meinen Körper. Ja, meine Seele noch viel weniger. Und ist nicht Bogey selbst, obwohl munter und bei bester Gesundheit, oft deprimiert we-gen ein paar Furunkeln im Nacken.

Fünf Jahre im Gefängnis. Jemand muss mir helfen, auszubre-

chen. Wenn das ein Ausdruck von Schwäche ist, dann ist es eben so. Nur wer einfallslos ist, nennt es Schwäche. Ich bin hilflos. Aber wer wird mir hel-fen? Damals in der Schweiz hat er ge-sagt: »Ich bin hilflos.« Natürlich ist er das. Ein Gefangener kann nicht einem anderen helfen.

Ob ich an die Medizin als Allheil-mittel glaube. Nein. Niemals. An die Wissenschaft? Nein. Niemals. Die Vor-stellung, man könne geheilt werden wie eine Kuh, selbst wenn man keine Kuh ist, ist naiv und lächerlich. In all den Jahren hier habe ich jemanden ge-sucht, der ebenfalls dieser Überzeu-gung ist. Gurdjieff scheint meine Mei-

Die Schriftstellerin ist schwerkrank, die Tuberkulose zehrt an ihren Kräften: Etliche Therapien hat sie schon hinter sich, die letzte bei dem Esoteriker Gurdjieff steht ihr noch bevor. Drei Monate später stirbt sie in seinem »Institut« in Fontainebleau. Diese Zeilen aus ihrem Tagebuch, die von ihrem Leid, aber auch von ihrem Lebenswillen erzählen, will sie ihrem Mann schicken, dem Schriftsteller John Middleton Murry (›Bogey‹) – sie erreichen ihn erst nach ihrem Tod.

Katherine Mansfield

Alles ist gut

Tagebuch

Kann ich irgendetwas tun, mit meinen Händen, meinem Körper. Gar nichts. Ich bin hoffnungslos krank. Was ist mein Leben? Das Dasein eines Parasi-ten. Fünf Jahre sind vergangen, und meine Fesseln sind enger denn je.

Ach, jetzt, da ich schreibe, bin ich schon etwas ruhiger. Gott sei Dank kann ich schreiben. Ich habe schreckli-che Angst vor dem, was ich tun werde. Alle Stimmen der Vergangenheit be-schwören mich, es nicht zu tun. Bogey

Ich kann meine Seele genauso wenig heilen wie meinen Körper. Ja, meine Seele noch viel weniger.

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Ich wünsche mir einen Garten, ein kleines Haus, eine Wiese, Tiere, Bücher,

Bilder, Musik. Und aus alldem heraus möchte ich

schreiben.

nung zu teilen, ja, von diesen Dingen unendlich mehr zu wissen als ich. War-um also zögern?

Aus Angst. Angst wovor? Davor, Bogey zu verlieren?

Vermutlich. Um Himmels willen, stell dich den Dingen. Was hast du jetzt von ihm? Was ist eure Beziehung? Er spricht mit dir – manchmal –, dann geht er wieder fort. Seine Gedanken für dich sind zärtlich. Er träumt von einem Leben mit dir – irgendwann –, wenn das Wunder geschehen ist. Du bist ein Traum, aber keine Realität für ihn. Denn du bist keine Realität. Was teilt ihr miteinander? Beinahe nichts. Und doch ist da ein süßer, tiefer Strom in meinem Herzen aus Liebe und Sehn-sucht nach ihm.

Aber wozu das alles – so wie die Dinge stehen? Ein Leben mit mir, die ich krank bin, wäre schlicht eine Qual, mit einigen wenigen glücklichen Mo-menten. Das ist kein Leben. Seit ich krank bin, versuche ich vor ihm zu ver-bergen, was wirklich mit mir passiert (mit ein, zwei desaströsen Ausnahmen). Ich hätte ihn damit konfrontieren sol-len. Ich konnte es nicht. Und deswegen kennt er mich nicht. Er kennt nur die Wig [Murrys Spitzname für Mansfield], der es irgendwann schon besser gehen wird. Nein. Du weißt genau, dass ihr, Bogey und du, nur ein Traum seid, von dem, was sein könnte. Und es kann niemals, niemals Wirklichkeit sein, wenn du nicht gesund wirst. Und du wirst nicht gesund werden, indem du dir Dinge vorstellst oder auf sie wartest oder denkst, du könntest selbst das Wunder zustande bringen.

Wenn dir also der Großlama von Ti-bet Hilfe verspricht – wie kannst du da zögern? Wage etwas! Wage alles! Küm-mere dich nicht mehr um die Meinung anderer. Tu, was auf Erden das Schwerste für dich ist. Handle eigen-ständig. Stell dich der Wahrheit.

Es stimmt wohl, Čechov hat es nicht getan. Ja, aber Čechov ist tot. Und, um ehrlich zu ein, wie viel wissen wir denn aus seinen Briefen von ihm? War das wirklich alles? Natürlich nicht. Glaubst du wirklich, er hatte keine Sehnsüchte, nur weil er sie kaum je mit einem Wort erwähnt? Dann lies die letzten Briefe. Diese letzten Briefe sind schrecklich,

wenn man sie ohne Sentimentalität be-trachtet. Er hat alle Hoffnung aufgege-ben. Da gibt es keinen Čechov mehr. Die Krankheit hat ihn verschlungen.

Das mag unsinnig für all jene klin-gen, die nicht krank sind. Sie sind die-sen Weg nie gegangen. Wie könnten sie verstehen, wo ich stehe? Ein Grund mehr, mutig alleine weiterzugehen. Das Leben ist nicht einfach. Obwohl wir alle immerzu vom Mysterium des Lebens reden, wünschen wir uns doch, es möge ein Kindermärchen sein.

Nun also, Katherine, was meinst du mit Gesundheit? Und wozu brauchst du sie?

all dessen – möchte ich schreiben. (Selbst wenn ich dann über Taxifahrer schreibe. Das tut nichts zur Sache.) Warmes, hingebungsvolles Leben – ganz im Leben verwurzelt sein –, ler-nen, wissen wollen, fühlen, handeln. Das wünsche ich mir. Nichts weniger als das. Danach muss ich streben.

Ich habe dies für mich geschrieben. Jetzt wage ich, es Bogey zu schicken. Er kann damit tun, was er möchte. Er muss sehen, wie sehr ich ihn liebe. Und wenn ich sage, dass ich Angst habe, soll dir das keinen Kummer bereiten, Liebster. Wir alle haben Angst in War-teräumen. Wir müssen sie hinter uns lassen, und wenn der andere Ruhe be-wahrt, ist das Hilfe genug.

All das klingt sehr angestrengt und ernsthaft. Aber jetzt, da ich es durch-kämpft habe, empfinde ich es nicht mehr so. Ich bin glücklich – tief im In-nersten. Mögest auch du glücklich sein.

Am Montag fahre ich nach Fon-tainebleau. Dienstagabend oder Mitt-woch in der Früh bin ich wieder zu-rück. Alles ist gut.·Aus dem Englischen von Cornelia KünneAntwort: Unter Gesundheit verstehe

ich die Fähigkeit, ein erfülltes, erwach-senes, lebendig-atmendes Leben zu führen, eng verbunden, mit dem, was ich liebe – der Erde und ihren Wun-dern, dem Meer, der Sonne. All dem, was wir meinen, wenn wir von der äu-ßeren Welt sprechen. Ich will in sie ein-gehen, ein Teil von ihr sein, in ihr leben, von ihr lernen, alles abstreifen, das nur angenommen, oberflächlich an mir ist, um ein waches, offenes menschliches Wesen zu sein. Ich möchte die anderen verstehen, indem ich mich selber ver-stehen lerne. Ich möchte all das sein, dessen ich fähig bin, damit ich (und hier halte ich inne und warte und warte, vergeblich – es gibt dafür nur einen Ausdruck) ein Kind der Sonne werde. Es ist falsch, darüber zu reden, dass man anderen helfen will, ein Licht vor-antragen möchte. Ein Kind der Sonne. Damit ist genug gesagt.

Und ich möchte arbeiten. Woran? Ich wünsche mir so sehr, mit meinen Händen, meinen Gefühlen, meinem Verstand zu arbeiten. Ich wünsche mir einen Garten, ein kleines Haus, eine Wiese, Tiere, Bücher, Bilder, Musik. Und aus alldem heraus – als Ausdruck

Buchtipp

Vordergründig passiert nicht viel in den hier versammelten Geschichten, die Mansfield in den letzten Jahren

ihres Lebens geschrieben hat und die zum Besten gehören, was in diesem Genre je erreicht wurde. Und doch

erzählen sie in einem scheinbar beiläufigen Ton zartester Heiterkeit, vom Drama des Lebens: von heftiger Liebe, die jäh enttäuscht wird, vom

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… Sehen Sie den großen Nagel rechts von der Haustür? Selbst jetzt noch mag ich kaum hinschauen, doch bring’ ich’s nicht über mich, ihn rauszuziehen! Ich möchte gern denken, dass er immer dort bliebe, auch wenn ich nicht mehr da bin. Manchmal hör’ ich, wie die Leute, die nach mir hier wohnen, zuein ander sagen: »Dort muss mal ein Käfig gehangen haben!« Und das trös-tet mich; dann denke ich, er ist nicht ganz vergessen.

… Sie können sich nicht vorstellen, wie wunderschön er sang! Gar nicht wie andere Kanarienvögel. Und das bilde ich mir nicht etwa bloß ein. Vom Fenster aus habe ich oft gesehen, wie die Leute an der Gartenpforte stehen blieben, um ihm zuzuhören, oder wie sie sich beim Jasmin über den Zaun lehnten und eine ganze Zeit lang zu-hörten, so hingerissen waren sie. Wahr-scheinlich kommt es Ihnen verrückt vor – aber nicht, wenn Sie ihn gehört hätten –, doch mir schien es wirklich immer, dass er ganze Lieder sang – mit einem Anfang und einem Ende.

Wenn ich zum Beispiel am Nach-mittag mit meiner Hausarbeit fertig

war und eine andre Bluse angezogen hatte und meine Näharbeit hier auf die Veranda brachte, dann hüpfte er immer hopp-hopp-hopp von einer Stange auf die andre, klopfte gegen die Gitterstä-be, wie um meine Aufmerksamkeit auf sich zu lenken, nippte einen Schluck Wasser wie jeder Sänger und stimmte dann ein so herrliches Lied an, dass ich

kleines Haus und den Garten, aber aus irgendeinem Grund genügte mir das nicht. Blumen haben ihre eigene, wun-dervolle Sprache, aber Mitgefühl ken-nen sie nicht.

Den Abendstern – den hab’ ich ge-liebt. Klingt Ihnen das töricht? Nach Sonnenuntergang bin ich immer in den Hof gegangen und hab’ auf ihn gewar-tet, bis er über dem dunklen Eukalyp-tus aufgegangen ist. Dann hab’ ich ge-flüstert: »Da bist du also, mein Guter!« Und genau in jenem ersten Moment schien er für mich allein zu leuchten. Er schien zu verstehen, was mich be-wegte – etwas, was wie Sehnsucht und doch keine Sehnsucht war. Vielleicht Trauer – ja, eher wie Trauer. Aber wes-halb denn Trauer? Es gibt vieles in mei-nem Leben, wofür ich dankbar sein muss.

… Doch nachdem er in mein Leben gekommen war, vergaß ich den Abend-stern. Ich brauchte ihn nicht mehr. Aber es war sonderbar. Als der Chine-se, der immer an die Tür kommt und Vögel verkaufen will, ihn in seinem kleinen Käfig hochhielt, flatterte er nicht ängstlich herum, wie die armen

Wie ein kleiner Vogel im Käfig habe sie sich gefühlt, als sie ihre letzte Geschichte, eine Hommage an Flauberts Schlichtes Herz, schrieb, sagte Katherine Mansfield einmal. Und doch ist die Geschichte einer alten Frau, die das einzige Wesen, das sie je geliebt hat, betrauert, frei von Bitterkeit. Denn tief in ihrem Herzen, so Mansfield, habe es gesungen.

Katherine Mansfield

Der Kanarienvogel

Erzählung

Vielleicht kommt es nicht so sehr darauf an, was man

in dieser Welt liebt. Aber etwas lieben muss man.

die Nadel sinken lassen musste, um ihm zuzuhören. Ich kann’s nicht be-schreiben – ich wollte, ich könnt’s. Da-bei ging’s jeden Nachmittag so, und immer war mir, als hätte ich jeden Ton verstanden.

… Ich habe ihn geliebt! Und wie ich ihn geliebt habe! Vielleicht kommt es nicht so sehr darauf an, was man in die-ser Welt liebt. Aber etwas lieben muss man. Natürlich hatte ich immer mein

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kleinen Stieglitze, sondern er piepste nur einmal ganz leise, und ich – genau wie ich’s dem Stern über dem Eukalyp-tus immer zugeflüstert hatte – sagte: »Da bist du also, mein Guter!« Von dem Augenblick an war er mein.

… Selbst in der Erinnerung wundert es mich, wie er und ich miteinander lebten. Sowie ich frühmorgens nach unten kam und das Tuch von seinem Käfig zog, begrüßte er mich mit einem schläfrigen kleinen Ton. Ich wusste, er meinte: ›Missie! Missie!‹ Dann hängte ich seinen Käfig draußen an den Nagel und machte für meine drei jungen Bur-schen das Frühstück zurecht, und ich holte ihn erst wieder herein, wenn wir das Haus ganz für uns allein hatten. Nachdem ich das Geschirr abgewa-schen hatte, begann eine richtige kleine Vorstellung. Ich breitete auf der einen Tischecke eine Zeitung aus, und sowie ich den Käfig draufstellte, schlug er wie ein Verzweifelter mit den Flügeln, als wüsste er nicht, was käme. »Du bist ein richtiger kleiner Komödiant!«, schalt ich dann. Ich schrubbte den Einsatz, streute frischen Sand drüber, füllte sei-ne Körner- und Futternäpfchen und klemmte etwas Vogelmiere und eine halbe Paprikaschote zwischen die Stä-be. Und ich bin ganz sicher, dass er jede Einzelheit dieser kleinen Prozedur begriff und schätzte. Er war nämlich von Natur überaus reinlich. Nie hat er seine Stange bekleckert. Und man musste nur sehen, wie er sein Bad ge-noss – dann wusste man sofort, dass er einen geradezu leidenschaftlichen Sau-berkeitsfimmel hatte. Sein Bädchen kam immer zuletzt hinein. Und kaum hing es drin, da stürzte er sich förmlich hinein. Zuerst spreizte er den einen Flügel, dann den andern, dann tauchte er den Kopf ein und besprengte seine Brustfedern. Er hatte die ganze Küche voll Wassertropfen gespritzt, aber er wollte noch immer nicht heraus. Meis-tens sagte ich zu ihm: »Das genügt jetzt wirklich – du spielst dich nur auf!« Und endlich hüpfte er heraus, und auf einem Bein stehend, begann er sich tro-cken zu zupfen. Schließlich schüttelte er sich noch einmal, wippte und pieps-te und reckte die Kehle – oh, ich kann’s kaum ertragen, daran zu denken. Es war immer die Zeit, in der ich die Mes-

ser putzte, und es schien mir fast, als sängen auch die Messer, wenn ich sie auf dem Brett blank rieb.

… Gesellschaft, verstehen Sie – das bedeutete er für mich. Eine einzigarti-ge Gesellschaft! Wenn Sie allein gelebt haben, werden Sie einsehen, wie kost-bar so etwas ist. Ich hatte natürlich meine drei jungen Burschen, die abends zum Essen kamen, und manch-mal blieben sie hinterher im Esszim-mer und lasen die Zeitung. Aber ich konnte nicht von ihnen erwarten, dass sie sich für die hunderterlei Kleinigkei-ten interessierten, die zu meinem All-tag gehörten. Warum auch? Ich bedeu-tete ihnen ja nichts. Eines Abends hörte ich sogar, wie sie auf der Treppe von mir als ›Vogelscheuche‹ sprachen. Macht nichts. Es machte mir nichts aus.

grausam sein –, und noch, nachdem ich wach war, konnte ich ihn nicht ab-schütteln. Daher zog ich mir meinen Morgenrock über und bin in die Küche hinunter, ein Glas Wasser trinken. Es war eine Winternacht, und es regnete sehr. Vermutlich war ich noch halb im Schlaf, denn mir schien es, dass durchs Küchenfenster – es hatte keine Stores – die Finsternis hereinspähte und spio-nierte. Da fand ich es auf einmal uner-träglich, dass ich niemanden hatte, dem ich hätte sagen können: »Mir hat was Furchtbares geträumt!« oder »Steh mir bei vor der Finsternis!« Eine Minute hab’ ich sogar die Hände vors Gesicht geschlagen. Und plötzlich hör’ ich ein kleines ›Piep! Piep!‹. Sein Käfig stand auf dem Tisch, und das Tuch war ein bisschen verrutscht, so dass ein Licht-spalt in den Käfig fiel. ›Piep! Piep!‹, sagte das liebe Kerlchen noch mal ganz leise, als wollt’s mir sagen: ›Ich bin hier, Missie! Ich bin hier!‹ Und das hat mich so wunderbar getröstet, dass ich bei-nah geweint hätte.

… Und jetzt ist er nicht mehr da. Nie wieder will ich mir einen Vogel halten, auch kein andres Tier. Wie könnte ich wohl? Als ich ihn fand, wie er mit mat-ten Augen und verkrampften Kräll-chen auf dem Rücken lag, und als ich begriff, dass mein kleiner Liebling nie wieder für mich singen würde, da war mir, als würde etwas in mir sterben. Mein Herz war ausgeleert, leer wie sein Käfig. Ich werd’s verwinden. Natürlich. Ich muss ja. Mit der Zeit kann man al-les verwinden. Und die Leute sagen immer, ich hätt’ eine fröhliche Ge-mütsart. Da haben sie ganz recht. Da-für bin ich Gott dankbar.

… Immerhin, auch ohne krankhaftes Grübeln und Nichtloskommen von – von Erinnerungen und dergleichen muss ich doch gestehen, dass das Le-ben was Trauriges zu haben scheint, finde ich. Es ist schwer zu sagen, was es eigentlich ist. Ich meine nicht den Kummer, den wir alle kennen: Krank-heit und Armut und Sterben. Nein, es ist etwas anderes. Es ist da – tief innen ist es, ein Teil von einem selber – wie der eigene Atem. Und wenn ich mich noch so sehr abrackere und plage – so-wie ich aufhöre mit der Arbeit, weiß ich, dass es da ist und wartet. Ich frage

Nicht ein bisschen. Ich versteh’s gut. Sie sind jung. Warum sollte ich’s übel-nehmen? Aber ich erinnere mich, dass ich an jenem Abend besonders dank-bar war, nicht ganz allein zu sein. Nachdem sie weggegangen waren, hab’ ich’s ihm erzählt. Hab’ zu ihm gesagt: »Weißt du, wie sie deine Missie nen-nen?« Und er hat seinen Kopf auf die Seite gelegt und mich mit seinen glän-zenden Äuglein angeschaut, bis ich la-chen musste. Ihm schien es Spaß zu machen.

… Haben Sie sich je Vögel gehalten? Wenn nicht, dann muss Ihnen das alles vielleicht übertrieben vorkommen. Die Leute glauben immer, Vögel seien herzlos und kalt – nicht wie Hunde und Katzen. Meine Waschfrau, wenn die montags kam, wunderte sich, wes-halb ich mir keinen ›netten Foxterrier‹ hielte, und sagte: »Ein Kanarienvogel kann einen doch nicht trösten, Miss!« Stimmt nicht. Stimmt überhaupt nicht! Ich kann mich an eine Nacht erinnern: Ich hatte einen furchtbaren Traum ge-habt – Träume können schrecklich

Gesellschaft, verstehen Sie – das bedeutete er

für mich. Eine einzigartige Gesellschaft.

65Diogenes Magazin

mich oft, ob alle Menschen das spüren. Man weiß ja nie. Aber ist es nicht selt-sam, dass in all seinen fröhlichen klei-nen Liedern es gerade das war – diese Trauer – oder was sonst –, was ich ge-hört habe?·Aus dem Englischen von Elisa-

beth Schnack

Buchtipp

Der literarische Klassiker aus Neuseeland

»Am Ende ist die Wahrheit das Einzige, das wert ist, dass man es besitzt: Sie ist

aufwühlender als Liebe, freudvoller und leidenschaftlicher. Sie kann einfach nicht versagen.« Katherine Mansfield

Als Meisterin der Short Story ist Katherine Mansfield in die Literaturge­

schichte eingegangen. Beneidet von ihrer Zeitgenossin Virginia Woolf, war sie Vorbild großer Autoren wie F. Scott

Fitzgerald und Ernest Hemingway. Noch im Alltäglichsten offenbart sie in

einer hochverdichteten Sprache das Drama der menschlichen Existenz und

erinnert darin an einen anderen bedeutenden und von ihr verehrten

Erzähler: Anton Čechov. Oft sind es schmerzliche Einsichten, die Mansfield

mit sanfter Komik vermittelt, immer aber schreibt sie »aus der Mitte ihrer Figuren – ein magischer Vorgang von

verzehrender Intensität« (FAZ).

Diese Ausgabe versammelt 74 Erzäh­lungen der Neuseeländerin, angefangen

bei den frühen satirisch­scharfen Porträts, die auf Mansfields eigenen

bitteren Erlebnissen in einem deutschen Kurort basieren, bis hin zu den

berühmten, in Neuseeland und England angesiedelten Charakter­ und Genre­

studien (Glück, An der Bucht, Das Gartenfest, Der Kanarienvogel).

912 Seiten, LeinenISBN 978-3-257-06839-9

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Die 2000 StifterInnen & SpenderInnen, die mit ihrem Spendengeld die Stiftung arbeitsfähig gemacht haben.

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Der Gedanke an den Tod, verbunden mit dem Gedanken an das Glück, ist das stärkste Dynamit des Daseins, die tiefste Wurzel aller Revolutionen.

Gepriesen sei der Zufall. Er ist we-nigstens nicht ungerecht.

Man hat im Hauptberuf einen Posten.Man hat dann noch, als unbezahlten Nebenberuf, mit seinem Leben fertig zu werden. Da Kraft und Zeit man-geln, erledigt man nur, wofür man be-zahlt wird. – Das andere erledigt der Tod.

Weshalb ist Freundschaft so selten? Weil es, unter dem harten Gesetz des Wettbewerbs, Kraftverschwendung ist, im Nebenmenschen etwas anderes zu sehen als einen Konkurrenten oder einen Alliierten. So ist ›Freundschaft‹ meistens: Spießgesellenschaft.

Viele Rezensenten können schreiben, aber nicht lesen.

Hinknien ist noch kein Beweis – we-der für einen Gott noch für einen Gläubigen; nur dafür, dass einer nicht mehr stehen kann.

Z – A gibt es nicht. Die Letzten wer-den nie die Ersten sein.

Wo Augen und Ohren übersatt sind, hat das Gehirn nie Hunger.

Es liegt im Wesen des Akademischen, nur das Tote zu berücksichtigen; ganz sicher ist man nur dessen, was sich nicht mehr rühren kann.

Die Vernunft macht immer heller, in welchem Dunkel wir leben.

Widersprüche sind kein Einwand ge-gen einen Menschen. Das Wort Indi-viduum meint nur: Unteilbarkeit, nicht: Harmonie der Teile.

Weltanschauung ist nicht selten Man-gel an Anschauung.

Nachruf auf manchen Schriftsteller: Friede seiner Masche!

Bescheidenheit ist mehr eine Konse-quenz des Denkens als des guten Willens. Wer erkannt hat, dass alle Theologien, Philosophien, Wissen-schaften, Institutionen, Überzeugun-gen im besten Fall Zwischenlösungen waren, kann sich nicht helfen: Er muss bescheiden sein oder ein Trottel.

Serie

Friedrich Nietzsche

Im nächsten Magazin:

Denken mitLudwigMarcuse

Diogenes Taschenbuch detebe 20021, 336 Seiten

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03/2012

Und ewig lockt der berg Oldtimer

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Alpine

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ALPINE LEBENSART

#12September/Oktober

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vergessenem Korn.

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Der Berg ruft – und Schriftsteller

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Literarisches Kochen

Morgens, wenn er seinen Pizzateig zubereitete, hörte der Koch gern Radio. Nunzi hatte ihm beigebracht,

einen Pizzateig immer zweimal gehen zu lassen, was eine alberne Angewohnheit sein mochte, die er aber beibehielt. Paul Polcari, ein hervorra-gender Pizzabäcker, hatte Tony Angel erzählt, zwei-mal sei besser als einmal, das zweite Mal sei aber nicht unbedingt notwendig.

In der Küche des Koch-hauses in Twisted River hat-te dem Pizzateig des Kochs eine Zutat gefehlt, die er in-zwischen für unerlässlich hielt.

Vor langer Zeit hatte er den Sägewerksarbeiterfrau-en – Dot und May, diesen alten Zimtzicken – gesagt, die Kruste könnte schon ein wenig süßer sein.

Dot (diejenige, die ihn durch einen Trick dazu ge-bracht hatte, sie zu begrap-schen) sagte: »Du spinnst, Cookie – du machst den besten Pizzateig, den ich je gegessen habe.«

»Vielleicht muss ein we-nig Honig hinein«, hatte ihr der Koch entgegnet.

Allerdings hatte er gerade keinen Honig mehr, weshalb er stattdessen ein wenig Ahornsirup hineintat. Was keine gute Idee war – man schmeckte den Ahorn durch. Dann hatte er die Idee mit dem Honig vergessen, bis May ihn daran erinnerte. Als sie ihm das Honigglas reichte, hatte sie ihn absichtlich mit ihrer dicken Hüfte angerempelt.

Der Koch hatte May ihre Bemerkung über Indianer-Jane nie verziehen – als sie sagte, sie und Dot seien nicht »indianisch genug« für ihn.

»Hier, Cookie«, hatte May gesagt. »Honig für deinen Pizzateig.«

»Ich hab’s mir anders überlegt«, hatte er zu ihr gesagt, doch in Wirklichkeit tat er keinen Honig in den Teig, weil

er May die Genugtuung nicht gönnte.

In der Küche des Vicino a Napoli hatte Paul Polcari ihm als Erstes sein Rezept für Pizzateig gezeigt.

Außer Mehl, Wasser und Hefe hatte Nunzi immer ein wenig Olivenöl in den Teig gegeben, höchstens ein, zwei Esslöffel pro Pizza. Paul hatte dem Koch beige-bracht, etwa genauso viel Honig wie Öl hinzuzufü-gen. Das Öl machte den Teig seidig-glatt – wenn die Kruste dünn war, konnte man sie backen, ohne dass sie trocken und spröde wur-de.

Der Honig – wie er beinahe selbst herausgefun-den hätte – verlieh der Krus-te einen leicht süßlichen Beigeschmack, ohne dass man den Honig herausge-schmeckt hätte.

Tony Angel setzte selten einen Pizzateig an, ohne daran denken zu müssen, wie er beinahe selbst auf den Honig als Zutat seines Rezepts gekommen war.

An die dicke Dot und die noch dickere May hatte er schon seit Jahren nicht mehr gedacht. An jenem Morgen, als er in seiner Küche in Brattleboro an sie dachte, war er neunundfünfzig.

Wie alt mochten die alten Zicken wohl sein?, fragte er sich. Bestimmt über sechzig.·Aus dem Amerikanischen von Hans M. Herzog

Pizzateig mit Honigà la John Irving

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Zubereitung

Das Mehl in eine Schüssel oder auf eine

Arbeitsfläche geben und in die Mitte

eine Mulde drücken. Hefe einbröckeln

und das Wasser dazugießen. Den Honig

in die Mulde geben und alles mit den

Fingern vermengen. Salz und Olivenöl

dazu geben, alles zu einem glatten Teig

verarbeiten. Teig auf der bemehlten

Arbeitsfläche 5 Minuten kräftig mit den

Händen kneten. Den Pizzateig wieder in

die Schüssel geben und mit etwas Mehl

bestäuben. Mit einem feuchten Tuch

abgedeckt etwa 40 Minuten an einem

warmen Ort gehen lassen.

Den Ofen auf 225°C Umluft vor heizen.

Den Teig auf einer bemehlten Arbeits-

fläche dünn aus rollen. Auf ein gefettetes

Pizza blech geben und mit einer Gabel

Löcher einstechen. Dann nach Wunsch

belegen und im heißen Ofen ca. 12 Minu-

ten knusprig backen.

Tipp: Den abgedeckten Teig in ein

mit heißem Wasser gefülltes Wasch-

becken stellen.

Kochen mit dem kleinen Nick

Im nächsten Magazin:

Diogenes Taschenbuchdetebe 24099, 736 SeitenAuch als Diogenes E-Book

Von der Sehnsucht und der Flüchtigkeit des Glücks. Die Odyssee eines Kochs und seines Sohns durch New Hampshire und halb Amerika,

ausgelöst durch eine tragische Verwechslung. Die Geschichte einer

großen Liebe und vieler kleiner.

»Man liest mit Wonne und fühlt sich rätselhaft getröstet.«

Annemarie Stoltenberg / NDR, Hannover

Zutaten für 2 – 3 Personen:

– 275 g griffiges Mehl– ½ Würfel frische Hefe (ca. 20 g)– 125 ml lauwarmes Wasser– 2 TL flüssiger Honig– 2 gestrichene TL Salz– 1 EL Olivenöl– Mehl für die Arbeitsfläche – Fett für das Blech

VON JOE WRIGHT, DEM REGISSEUR VON ‘ABBITTE’

UND ‘STOLZ & VORURTEIL’

DEMNÄCHST IM KINO

K E I R A K N I G H T L E YJ U D E L A W

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Diogenes Magazin: Wann haben Sie Ihre erste Kreuzfahrt gemacht, und welche Erinnerungen haben Sie dar-an?Im Jahr 2000 wurden mein Mann und ich zum ersten Mal zu einer noblen Kreuzfahrt eingeladen; wir haben inter-essante Menschen kennengelernt, auch Kollegen und Künstler sowie sehr net-tes Personal. Unter anderem besuchten wir englische Gärten, irische Pubs, schottische Schlösser und viele Inseln. Skara Brae, eine steinzeitliche Siedlung auf Orkney, hat mich besonders beein-druckt.Wie viele Kreuzfahrten folgten da-nach?Insgesamt waren es sechs, durch das Mittelmeer, die Nord- und Ostsee und das Schwarze Meer. Reykjavík und Odessa, Istanbul und Lissabon, St. Pe-tersburg und Venedig, St. Tropez und Trondheim, Monte Carlo und Mar-seille, Barcelona und Brügge, Korfu

und Korsika, Tallinn und Constanza, norwegische Fjorde, Palmenstrände an der Riviera, Eisberge vor Spitzbergen und noch vieles mehr habe ich auf die-se Weise ganz bequem besichtigen und erleben können.

Andererseits gewinnt man ein ganz neues Publikum, denn Vorträge und Lesungen finden nur an den Seetagen statt, wenn die Gäste Zeit und Lust da-für haben. Zu Hause wäre vielleicht mancher zu bequem, das gemütliche Sofa zu verlassen.In Ihrem neuen Roman präsentieren Sie eine wundervolle verschrobene Kreuz fahrtgesellschaft – neben den Hunde psychiatern Valerie und Ans-gar, die einen depressiven Hund per Seebestattung beisetzen, sind da auch noch der Glitzermann, die Außerir-dische, das rote Toupet und Dicky, das Kind. Werden sich einige Ihrer ehemaligen Mitpassagiere wiederer-kennen?Falls ja, dann ist das ebenso wenig be-absichtigt wie in meinen anderen Bü-chern, und bis jetzt hat sich noch nie jemand beschwert. Mit Sicherheit gibt es auf jedem Schiff auch ein paar Snobs, Querulanten oder Nervensägen, aber

Spätestens seit Agatha Christies Krimi Tod auf dem Nil wissen wir: Auf Schiffen lässt es sich gar prächtig morden. Und auch in Ingrid Nolls neuem hinterhältigem Familienroman Über Bord bildet ein Kreuzfahrt-schiff die Kulisse für ein Verbrechen. Die Schriftstellerin hat Erfahrung mit dem Reisen zu Wasser. Wie sie die Zeit an Bord verbringt, erzählt sie in diesem Interview.

Ein Gespräch mit Ingrid Noll

Über Bord

Interview

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Wie unterscheidet sich eine Lesung an Bord von einer in einer Buch-handlung oder in einem Theater?Nun, zu einer Lesung an Land kom-men die Fans. Touristen, die sich auf eine Kreuzfahrt begeben, haben natür-lich nicht meinetwegen gebucht, des-wegen kann niemand erwarten, dass alle Passagiere zur Lesung strömen.

Es gibt immer ein paar Snobs und Querulanten,

aber die Mehrheit besteht aus angenehmen

Zeitgenossen.

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Buchtipps

Neues von der Grande Dame des deutschen Krimis – ein Familienroman

mit Risiken und Nebenwirkungen.Eine marode Villa, Geldsorgen, eine

betagte Mutter, eine Tochter mit unpassendem Freund, eine langweilige, schlechtbezahlte Stelle – so sieht Ellens

trister Alltag aus. Da taucht ein gutaussehender Mann auf und

behauptet, ihr Halbbruder zu sein. Die Einladung zu einer Mittelmeer­Kreuzfahrt erscheint Ellen als Höhe­punkt ihres Lebens. Doch auf hoher See geht nicht nur die Illusion einer letzten großen Liebe über Bord …

336 Seiten, LeinenISBN 978-3-257-06832-0

Auch als Diogenes Hörbuch und E-BookMajestätische Luxusliner, fremde

Länder, elegante Kapitäns­Dinners, spannende Bordbekanntschaften oder

Landausflüge: Wer eine Kreuzfahrt macht, der kann was erleben – und

erzählen. Wie es weitgereiste Schrift­steller in diesem Buch tun, von F. Scott

Fitzgerald, John Updike und David Foster Wallace bis Jonathan Franzen.

Die ideale Lektüre für angenehme Stunden in der Schiffsbibliothek oder

im Liegestuhl auf dem Oberdeck, als Einstimmung vor der Einschiffung,

aber auch für alle, die lieber nur im Kopf reisen.

400 Seiten, LeinenISBN 978-3-257-06827-6

die Mehrheit besteht aus angenehmen Zeitgenossen. Für Schriftsteller sind natürlich spleenige Exzentriker ein ge-fundenes Fressen, aber die Passagiere in Über Bord entspringen durchweg meiner überbordenden Phantasie. Im Übrigen heißt das edle, aber fiktive Schiff im Roman RENA nach jenem Flüchtlingsdampfer, auf dem unsere Familie 1949 von Shanghai nach Euro-pa gelangte, einem Seelenverkäufer ohne jeglichen Komfort.Ist ein Kreuzfahrtschiff eigentlich ein guter Ort für einen Mord?Und ob! Mehr noch als ein Kuhstall, ein Lehrerzimmer oder der Großstadt-dschungel ist die weite Welt voll güns-tiger Gelegenheiten. Ein Schiff hat darüber hinaus den Vorteil, dass un-liebsame Mitmenschen auf hoher See nicht entrinnen können und man sie auf Nimmerwiedersehen verschwinden lassen kann.Was ist das Gefährlichste an einer Kreuzfahrt?

Die Seekrankheit, vor allem nach ei-nem vorzüglichen Diner.Was das Spannendste? Und was das Langweiligste?Die Häfen sind für eine Landratte wie mich das Größte. Langweilig, aber notwendig, finde ich die obligaten Ret-tungsübungen.

Sie hatten Ihren Roman bereits fertig geschrieben, als das Unglück der Costa Concordia geschah – hätten Sie das Buch sonst anders geschrie-ben?Nein, denn auf keiner meiner Reisen ist es bisher zu einer gefährlichen Situati-on gekommen.Ein berühmtes Buch von David Fos-ter Wallace, in dem er eine selbst er-lebte Kreuzfahrt beschreibt, heißt Schrecklich amüsant – aber in Zukunft ohne mich. Gilt das auch für Sie?Ich hatte das Glück, auf kleinen feinen Schiffen unterwegs zu sein, wo es die ständige Belästigung durch einen frag-würdigen Amüsierbetrieb niemals gab. Einen gigantischen Kahn mit Disko und Entertainment bis zum Umfallen möchte ich auf keinen Fall entern. Denken Sie, dass Sie mit Über Bord wieder zu einer Lesung auf einem Schiff eingeladen werden?Schon passiert, im nächsten Sommer ist es wieder so weit.·kam

Jedes Jahr schließt Miss Reid im Winter ihre Teestube in einem berühmten

englischen Erholungsort und geht auf Winterkreuzfahrt. Diesmal reist sie auf

der ›Friedrich Weber‹, einem Fracht­schiff, das auch einige Passagiere

mitnimmt, und das Ziel ist Cartagena. Die geschwätzige Engländerin ist nach einer Weile die einzige Frau an Bord.

»›Ich akzeptierte jede Erfahrung, die ich unterwegs machte‹, sagte der unermüd­

liche Reisende. Seine Erzählungen geben Mut, ebenso durchs Leben zu

gehen.« Die Weltwoche, Zürich

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Leon Fleisher | Nino Gvetadze | Katia und Marielle Labèque | Paul Lewis | András Schiff | Jean-Yves Thibaudet, Chamber Orchestra of Europe, Bernard Haitink | Daniil Trifonov | Varvara

Piano Off-Stage20. – 25. November 2012

Paolo Alderighi | Jérôme De Carli | Lluís Coloma | Jan Eschke | Marque Lowenthal | Simon Mulligan | Lisa Otey | Johnny Varro | Jon Weber | Robi Weber

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»Und mit diesen Typen soll ich drei Wochen auskommen?, seufzt innerlich jeder. Ein Kleinkind, in seiner Reaktion spontaner als seine Eltern, verkündet heulend, es will nach Hause, und bezieht als letzte Erinnerung ans Festland sei-nen ersten Klaps auf der Reise.« René Goscinny erzählt von den tragikomischen Absonderlichkeiten des Lebens auf See und zeigt in Wort und Bild, wie man eine Kreuzfahrt ohne bleibende Schäden an Körper und Geist übersteht.

René Goscinny

Eine Kreuzfahrt, die ist lustig

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Wir legen ab

»Nach Erledigung der Formalitäten bewegt man sich schließlich auf die Gangway zu; ein letzter Moment der Unsicherheit, bevor man festen Bo-den verlässt: Sind die Koffer auch mitgekom-men? Haben wir nichts vergessen? Und dann, nach wenigen Metern, ist man an Bord!«

»Ein ziemlich trister Verein, diese künftigen Pas-sagiere. Selbst wenn sie einen Luxusdampfer ge-bucht haben, sehen sie eher aus wie Emigranten, die vor einer Krise fliehen, weil die Kartoffel-ernte schlecht war.«

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»Die Wettervorhersage spielt an Bord begreif-licherweise eine wichtige Rolle und stärkt das Gemeinschaftsgefühl. Wenn das Schiff schwankt, schwanken alle, die Leute, die sich sonst höchs-tens flüchtig für das Barometer interessieren (»Liebling, es fällt, soll ich den Regenmantel an-ziehen?«), reagieren höchst empfindlich auf eine frische Brise, unter der sich der Meeresspiegel kräuselt und der Whisky im Glas zu zittern be-ginnt.«

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»Man darf sich vor keiner Schmeichelei scheuen, um sich das Wohlwollen des Zahlmeisters zu si-chern. Der Barmann ist die zweitwichtigste Fi-gur; er mixt bei allen wichtigen Dingen an Bord mit, er hat die besten Verbindungen zu allen Zollbeamten der ganzen Welt.«

Litzen und Tressen

»Ach ja, die Kommandobrücke! Da kann man den Wachoffizier beobachten, der, seitdem die Besucher auf der Brücke sind, mit dem Fernglas angespannt den Horizont absucht; man kann das Steuer aus der Hand des Steuermanns überneh-men und das Gefühl haben, Herr und Meister über das Schicksal der ganzen schwimmenden Menschenansammlung zu sein.«

Bingo»Deckspiele sind, wie der Name schon sagt, nur an Bord möglich, denn für diese dümmliche Un-terhaltung würde sich an Land niemand interes-sieren, trotzdem gibt es kein Schiff, das nicht für diese Sorte Spiele komplett ausgerüstet wäre.«

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Frauen und Kinder zuerst

»Die erste Veranstaltung besteht kurioserweise in einer Demonstration, wie man das Schiff im Katastrophenfall verlässt. Die ›Weitgereisten‹ ha-ben sofort beschlossen, an der Übung nicht teil-zunehmen; mit ihrem verächtlichen Lächeln wollen sie offenbar andeuten, dass sie im Falle eines Schiffbruchs nicht gewillt sind, sich von der Panik anstecken zu lassen. Im Gegenteil: Man wird die Schwimmweste an eine verängstigte Dame abgeben, man wirft sich in den Smoking, leert das letzte Glas Whisky und singt den Cho-ral Näher mein Gott, zu Dir!.«

»Diese Musiker sind merkwürdig blasse Leute. Sie leben irgendwo in der Tiefe des Schiffes, man sieht sie niemals im Freien und in Zivil. Von gro-ßer Bedeutung sind sie im Falle eines Schiff-bruchs, denn sie geben dem Vorgang eine gewis-se Würde, eine Klasse, die von der Mehrzahl der technischen Medien mit ihren majestätischen Abschiedshymnen nicht erreicht wird.«

Girlanden und Papptrompeten

»Der Animateur verteilt Papierhüte, Matrosen-mützen, Zylinder und Dreispitze, und der Bord-fotograf hält die Szenen fest, die morgen am An-schlagbrett, Deck C, neben dem Zahlmeisterbüro zu sehen sind.«

»Der Kapitän ist ein emeritierter Walzerkönig, der Quartiermeister tanzt einen hocherotischen Tango, der Schiffsarzt ist für indonesische Tänze zuständig, und der Maschinenmeister ist Charles-ton-Fachmann.«

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Alle Passagiere von Bord!

»Auf dem Schiff hat sich alles verändert: In den Gängen, vor den Kabinentüren stapeln sich die Gepäckstücke, die von den Trägern aufgenom-men werden. Die Liegestühle sind von den Decks verschwunden und damit die eleganten Ruhezo-nen und die Klatschzirkel, wo Damen und Or-densschwestern vereint über ihre Mitreisenden herzogen. Jetzt balancieren auch die ersten frös-telnden Passagiere über die Gangway. Ein tristes Häufchen. Man kann sich kaum vorstellen, dass sie von einer luxuriösen Kreuzfahrt kommen.«·Aus dem Französischen von Hans Georg Lenzen

Buchtipp

»Ich liebe Schiffsreisen, besonders wenn der Bartresen genauso lang wie das

Schiff breit ist (und ich dann auch).«

René Goscinny – der Erfinder von Asterix und dem kleinen Nick – beschreibt in seinem Logbuch

augenzwinkernd und anhand eigener Erlebnisse die Vergeblichkeit der

Alltagsflucht auf einem ›Traumschiff‹ bei einer Ozeanüberquerung.

Eine Art Selbsthilfebuch in Wort und Bild für alle Kreuzfahrt­Urlauber und

solche, die es noch werden wollen.

184 Seiten, Pappband, VierfarbendruckISBN 978-3-257-06826-9

Landgänge»Ob mit dem Bus, im Taxi oder auf dem Esel – das Exkursionsprogramm hat ein oder zwei Stunden zur freien Verfügung vorgesehen, damit die Passagiere ihre kleinen Einkäufe tätigen kön-nen.«

»Hier zeigt sich übrigens wieder das erstaunliche Zusammengehörigkeitsgefühl der Passagiere, die, wenn sie sich in den Gassen begegnen, voller Freude Wiedersehen feiern und sich gegenseitig ihre Einkäufe zeigen, obwohl sie sich gerade erst getrennt haben.«

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Diogenes Taschenbuchdetebe 23276, 672 Seiten

Auch als Diogenes E-Book

Livio ist verliebt in Misia, doch sie liebt Marco, der

ihre Gefühle zwar erwidert, doch vor Bindung ebenso zurückscheut, wie er das Establishment fürchtet.

Dennoch: Trotz bewegter Zeiten reißen die Bande

zwischen den dreien nicht.

Diogenes Taschenbuchdetebe 24217, 256 SeitenErscheint im November

Weihnachten ist ja schon schlimm genug, und zu allem

Überfluss wird es immer langwieriger. Um die zähe

Vorweihnachtszeit, die gefühlt schon am Ostermontag beginnt, besser zu verkraften, gibt es auch

in diesem Jahr einen Band mit hinterhältigen Weihnachts-

geschichten voller Pleiten, Pech, Pannen und Christbäumen – von Martin Suter, Daniel Glattauer, Georg Kreisler und und und.

Diogenes Taschenbuchdetebe 24200, 288 SeitenAuch als Diogenes E-Book

Erscheint im November

Die wahre und unglaubliche, aberwitzige und traurige

Geschichte von Meir Shalevs Großmutter Tonia und dem

Staubsauger, den ihr Schwager ihr aus Amerika geschickt

hat. Aufgezeichnet von ihrem schelmischen, liebenden,

staunenden Enkel.

Diogenes Taschenbuchdetebe 24218, 256 SeitenErscheint im November

Alle Jahre wieder: Diesmal gibt zum Fest der Nächstenliebe

auch jede Menge Leichen und kriminelle Aktivitäten. Mehr

Vendetta als Lametta also. Eine schöne Bescherung bereiten uns

mit ihren Geschichten Åke Edwardson, Martin Walker,

Ingrid Noll, Simon Beckett und viele andere beliebte Autoren.

Diogenes Taschenbuchdetebe 24206, 400 SeitenAuch als Diogenes E-Book

Die Morde an mehreren Bankern lassen die griechische Finanzwelt erzittern. Die Krise

trifft inzwischen jeden, auch die, die sich in Sicherheit wähnten – und Kommissar Charitos steckt mittendrin. Die Krise mit ihren Auswüchsen beschert Kostas

Charitos mehr Arbeit und Hektik denn je. Geduld und

Sorgfalt wären angesagt, doch dafür hat niemand Zeit. Denn Zeit ist Geld, und Geld

gibt’s keins.

Diogenes Taschenbuchdetebe 24210, 288 SeitenErscheint im November

Die besten Storys von Henry Slesar, der die Pointen zu setzen wusste wie niemand sonst und

hartgesottene Männer das Gruseln lehrte. Geschichten, wie

sie das Leben selbst nie ganz hinkriegt, augenzwinkernd

erzählt von einem »friedfertigen Mann mit ungewöhnlicher

krimineller Begabung – natürlich nur auf literarischem Gebiet«

(Alfred Hitchcock).

Diogenes Taschenbücher Geschenke zum LesenIll

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»Cogito ergo sum« – was heißt das noch mal? Natürlich: »Ich denke, also bin ich.« Das war der erste Grundsatz des Philosophen René Descartes.

Einige mehr oder weniger schwierige Denkaufgaben zum Sich-selbst-Finden oder auch -Verlieren gibt es hier zum Entspannen oder Anregen der grauen Zellen.

Drudel-TestLeicht Mittel Schwer

Hier ist Ihre Phantasie gefragt. Was ist auf den folgenden Bildern zu sehen?

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Serie

Kopfnüsschen

Farben-RätselBunte Titel auf weißen Büchern: Finden Sie die fehlenden Farben in den Buchtiteln!

RossMacdonaldDer blaueHammer

Roman · Diogenes Roman · Diogenes

CarsonMcCullersSpiegelbildim goldnen

AugeGottfriedKeller

Der grüneHeinrichZweite Fassung

Roman · Diogenes

DashiellHammettRote Ernte

Roman · Diogenes

RaymondChandler

Der Königin Gelb

Diogenes

PhilippeDjian

Schwarze Tage,weiße NächteRoman · Diogenes

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weiblichesFabelwesen

Klubs,Organi-sationen

vorher,früher

Einfriedungfür das Vieh

Kurzruf-name vonEduard

eineweibl. Er-wachsene

engl. Wortfür sie

Spielkar-tenfarbe

Abk. fürErdge-schoss

denAtomkernbetreffend

Bete undarbeite - ...et labora

einschrän-kendesWort, le-diglich

Agatha,Autorinvon ’VillaNachtigall’

Georges,Schöpfer d.’KommissarMaigret’

Jack, Autorvon ’DerSeewolf’

franz. Wortfür sehr

religiöserLehrer d.Hindus

Heino,vielseitigerdt. Mime

Bez. fürVerhei-ratete

alle Haus-haltsge-fässe

ugs. für an-sprechen;belästigen

Mulde (anverglet-schertenHängen)

lat. Wort fürJungfrau

heimliches

Gerichts-barkeit:

Gericht

Jörg, Autorvon ’Alleswird gut’

engl. Wortfür Tor

Martin,Autor von’BusinessClass’

Jason,Autor von’Stalking’

Insel vorDalmati-en (Ital.)

bekann-ter See inSchottland:Loch ...

extremstarke Nei-gungen

Top-Level-DomainSpanien

Kurzwortfür Durch-lichtbilder

Abk. Districtof Columbia

Gebühr fürStrassen-benutzung

Wahlmög-lichkeit, Vor-kaufsrecht

Connie,Autorin von’Luzifer’

chin. krimi-nelle Ge-heimorg.

jap. Stadtauf der In-sel Shikoku

engl. Wortfür Geist,Witz

Ort imNordos-ten vonMallorca

Anwesen,Gebäude

Name derFilmfabrikder ehem.DDR

männlicheAnrede

Chemiker-kürzel fürErbium

Flächen-mass (Plur.)

Vorn. vom’Topmo-del’ Klum

Abk. desInt. Luft-verkehrs-verband

Top-Level-DomainLichtenstein

locker, un-befestigt,schlaff

Charlotte,Autorin von’Jane Eyre’

med. Bez.für Schlag-ader

ein (sehr)scharfesGewürz

Abk. für inOrdnung

Währungs-kürzel fürSchweizerFranken

Prominen-tensiedlungam Strandbei L.A.

engl. Wortfür ich,mich, mir

Dick, Autorvon ’Wein-probe’

ehem. Na-me Tokios

int. Auto-Z.:San Marino

John, Au-tor von ’Zir-kuskind’

Aktionärs-vereini-gung (Abk.)

bäuerli-cher Besitz

Geflügel-produkt

Ursprungs-bez. fürfranz. Wei-ne

Abk. lo-garithmusnaturalis

Ingrid, Au-torin von’Die Apo-thekerin’

Organisa-tion, regeltdas Welt-kulturerbeFriedrich,Autor von’Der Chi-nese’

Kürzel fürden Strich-code

Susanna,Autorin von’Kopfi n denWolken’

kurz fürFahrrad

Abk. Abon-nement

Abk. Trans-aktions-nummer

Abk. NeuesTestament

Gegenteilvon Export

Initialender Sänge-rin Turner

Berufung

Kirchen- recht:

in ein Amt

kurz: Allg.Geschäfts-bedingung

schwed.Möbel-hauskette

Ergebnis ei-ner Addition

Kurzwortfür e. Be-wohnerThailands

Abk.Leutnant

Online-Dienstvon Micro-soft (Abk.)

Musikauf einenGrundtonbezogen

öffentli-ches Ver-kehrsmittel

Stadt imWestenFinnlands

Dynastiedes chin.Kaiser-reichs

Norbert,Motorsport-Chef vonMercedes

japan.Elektronik-konzern

Landean-flugverfah-ren (Abk.)

Abk. Elek-trokardio-gramm

Glocke inLondon:Big ...

amerik.Kuckuck,Maden-hacker

Abk. Süd-südost

kurzer,spontanerSchmerz-laut

Init. desSchauspie-lers Moore

Abbau z.B.von Kohlea.d. Erd-oberfläche

Abk. Eu-ropäischeAtomge-meinschaft

Charles,Autor von’David Cop-perfield’

feierlicherBrauch,Zeremonie

kanad. Wa-pitihirsch

ind. Gottdes Feuers

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Autoren und ihre Jobs

Kreuzworträtsel

Die meisten erfolgreichen Schriftsteller haben zunächst einen anderen Beruf erlernt. Kaum ein Schriftsteller, den die brotlose Kunst von Beginn an ernährt hat. Weisen Sie jedem Autor den Job zu, den er hatte, bevor er vom Schreiben leben konnte.

Lösungen auf Seite 89

1. Friedrich Glauser 2. Max Frisch 3. Anton Čechov 4. John Irving 5. Martin Suter 6. Theodor Fontane 7. Andrej Kurkow 8. Dashiell Hammett 9. Dick Francis 10. Lukas Hartmann 11. Joachim Ringelnatz 12. Philippe Djian 13. Raymond Chandler

a. Werbetexterb. Jockey c. Gefängniswärterd. Direktor einer Ölfirmae. Matrosef. Arzth. Trainer für Ringeri. Privatdetektivj. Lehrerk. Gärtnerl. Architektm. Apothekern. Kassierer an einer Autobahnmautstelle

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Annalena McAfee – eine Insiderin packt aus. Der Debütroman der Journalistin sorgte für Aufsehen in der britischen Presse.Die Times, London, schrieb über Zeilenkrieg: »Messerscharf, hochamüsant: über die britische Zeitungskultur, verkörpert von zwei Frauen, die gegensätzlicher nicht sein können. Eine höchst menschliche Geschichte, die neuere Entwicklungen großartig unter die Lupe nimmt.«

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Annalena McAfee sieht ein bisschen besorgt aus. Nachdem sie den

größten Teil ihres Berufslebens über Bücher geschrieben, Interviews mit Autoren geführt, Manuskripte redigiert und in Jurys gesessen hat, die über Li-teraturpreise befinden, wird sie in Kür-ze einen eigenen Roman veröffentli-chen, und das »zerrt ehrlich gesagt ganz schön an den Nerven. Wenn ich jetzt ein eigenes Buch herausbringe, ist das ein bisschen so, als würde ich mich freiwillig an den Pranger stellen und auch noch das faule Obst austeilen – ›Nur zu, bewerft mich.‹«

McAfees Roman stößt schon vorab auf enormes Interesse unter ihren ehe-maligen Kollegen, und der Grund da-für ist leicht zu erkennen. Zum einen geht es darin ausschließlich um sie. Zeilenkrieg – im Original The Spoiler – ist eine Satire auf die Zeitungsbranche und eine höchst vergnügliche dazu. McAfee macht sich über die Dekadenz und die laxe Moral der Fleet-Street-Granden lustig und nimmt die Sex- und Promi-Besessenheit aufs Korn, die noch in den feinsten Redaktionsstuben

herrscht. Insider werden viel Spaß beim Raten haben, welche Personen für die ausgefallensten Gestalten des Buchs Pate standen.

Aufmerksamkeit ist McAfees Buch aber noch aus einem zweiten Grund gewiss. Die Autorin ist die Ehefrau von Ian McEwan, was ihr in der promi-süchtigen Welt, die sie mit so viel Witz beschreibt, selbst einen gewissen Status verschafft. Sie lacht spröde: »Ich müss-te ziemlich dumm sein, wenn ich mir einbildete, innerhalb und außerhalb der Medien würde man der Tatsache, dass ich mit ihm verheiratet bin, keine Beachtung schenken, schon deshalb werde ich also ein paar Besprechungen mehr bekommen. Nicht unbedingt po-sitive, aber auswirken wird es sich schon. Mich darüber zu beklagen wäre doch zu dreist. Wenn jemand sich das Buch anschaut, weil ich mit Ian verhei-ratet bin, werde ich es ihm nicht aus der Hand reißen und sagen: Das gehört sich aber nicht.«

Unser Gespräch findet in dem heiter-eleganten Wohnzimmer in McEwans und McAfees schönem Haus

in Central London statt. Helle Stein-böden und tiefe Ledersofas, durchgän-gig in Creme- und Brauntönen gehal-ten; über dem Kamin ein Bild von Howard Hodgkin, weiter rechts eine Bridget Riley und – nicht überra-schend – Bücher: in den deckenhohen Regalen und ordentlich ge stapelt auf allen verfübaren Flächen und Tischen. Bekanntermaßen lässt McEwan seinen Roman Saturday (2005) in diesem Haus spielen, und angeblich ist seine eigene Frau Vorbild für das berührend liebevolle Porträt der Frau des Prota-gonisten Henry Perowne. (Mc Ewans Beschreibung von Rosalind Perownes Gesicht – »ein vollkommenes Oval mit hellgrünen Augen« – entspricht Mc-Afee genau.) Kennengelernt haben sich die beiden 1994, als sie ihn für die Financial Times interviewte, zusam-mengekommen sind sie aber erst im Jahr darauf, nach dem Scheitern von McEwans erster Ehe mit Penny Allen. »Das Band mit dem Interview besitze ich noch«, sagt McAfee. »Aber ich hab es seitdem nicht wieder abgespielt – ich winde mich innerlich immer vor Pein,

Ein literarischer Befreiungsschlag: In ihrem Erstling Zeilenkrieg seziert Annalena McAfee die Unsitten ihrer Branche, die Verstrickungen zwischen Politik und Presse. Jahrzehntelang hat sie als Journalistin gearbeitet und ist Zeugin der Sex- und Promibesessenheit geworden, die noch in den feinsten briti-schen Redaktionen herrscht. Auch sie hat einen gewissen Prominentenstatus auf der Insel: Verheiratet ist sie mit keinem Geringeren als dem Schriftsteller Ian McEwan.

Lisa O’Kelly trifft Annalena McAfee

Wenn die Wahrheit zur Ware wird

Porträt

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wenn ich meine Stimme auf Band höre.« Geheiratet haben sie 1997, und McAfee wurde die Stiefmutter der bei-den Söhne McEwans, William und George, damals vierzehn und elf. Sie unterstützte ihn während des bitteren Sorgerechtsstreits mit Allen, die in ei-nem Moment der Verzweiflung unter Missachtung einer gerichtlichen Ent-scheidung mit dem jüngeren der bei-den Söhne nach Frankreich floh. Das Gericht sprach Mc Ewan schließlich das alleinige Sorgerecht für die Kinder zu.

Damals arbeitete McAfee in der Re-daktion des Guardian, wo sie die Kunst- und Literaturbeilage Saturday Review gründete und herausgab. Schon damals blickte sie auf eine über dreißig Jahre dauernde Karriere als angesehene Kunst- und Literaturkritikerin zurück, mit Stationen bei der Financial Times, der Sunday Times, dem Evening Stan-dard (und dem bescheideneren Totten-ham Herald), und hatte in den Jurys für den Orange Prize, den Samuel Johnson Prize und für viele andere lite-rarische Auszeichnungen gesessen. »Ich habe fast jeden Augenblick genos-sen. Es hat Spaß gemacht, immer«, sagt sie. In dieser Zeit hatte sie bereits eini-ge von der Kritik gut aufgenommene Kinderbücher geschrieben, aber den Kopf nicht ›frei‹ gehabt für einen ›rich-tigen‹ Roman. Also kündigte sie 2006, um sich ganz dem literarischen Schrei-ben zu widmen.

Vielleicht war es unumgänglich, dass der Journalismus McAfees Thema wurde. »Ich musste mich vom Journa-lismus befreien. Ich bin noch immer abhängig vom gedruckten Wort. Ich besitze zwar einen E-Book-Reader und einen Computer, aber ich komme von der Sucht nach Büchern und Zei-tungen nicht los. Ich hab irgendwo ge-lesen, Tom Stoppard, der vor vielen Jahren als Reporter für eine Zeitung aus Bristol gearbeitet hat, liest die Me-dienzeitschrift Press Gazette immer noch. Genau so bin ich auch.«

McAfee hatte schon an einer Ge-schichte über eine Kriegsreporterin ge-schrieben, die im Alter auf ihr Leben zurückblickt. Sie zeigte das Fragment McEwan, und er redete ihr zu, es wei-ter auszubauen. Aus der Reporterin

wurde Honor Tait, die Hauptfigur in Zeilenkrieg, deren permanente Schar-mützel mit Tamara Sim, einer ehrgeizi-gen jungen Klatschkolumnistin, jede Menge Stoff für komische Situationen liefern.

Die ältere der beiden Frauen ist au-ßerdem besessen von dem Wunsch, jung und schön zu bleiben, und das treibt sie ins Ärztemekka der Harley Street, wo sie sich Schönheitsoperatio-nen und anderen demütigenden medi-zinischen Behandlungen unterzieht. Diese Mentalität ist McAfee ganz fern. Sie hatte schon zweimal Krebs, einmal in den Zwanzigern und und zehn Jahre

Wandel unterworfen war und niemand wusste, was die Zukunft bringen wür-de. Es war auch die Zeit einschneiden-der politischer Veränderungen – die Herrschaft der Torys ging zu Ende, und es lag eine schwache Hoffnung in der Luft. Das wollte ich einfangen.« Obwohl kaum mehr als ein Jahrzehnt her, erscheint die Zeit, die McAfee be-schreibt, wie eine andere Ära, als in Vergessenheit geratene Welt feucht-fröhlicher Mittagessen und üppiger Spesenkonten. (»Wir hätten diesen Unterhausabgeordneten noch das eine oder andere über kreative Spesenab-rechnung beibringen können«, sagt Mc Afee nur halb im Scherz.) Sie glaubt, mit der Erinnerung an die jüngere Ge-schichte tun wir uns schwerer als mit der an Dinge, die weiter zurückliegen. »Ich meine, können wir uns heute eine Welt ohne universell einsetzbare Han-dys vorstellen? Wissen Sie noch, wie es war, in einer Telefonzelle Münzen ein-zuwerfen? Dass es keine E-Mails gab, ist noch nicht so lange her. Die Verän-derungen gingen so rasch vor sich und waren zum größten Teil unvorherseh-bar. Sogar einige der angesehensten Kommentatoren dieses Landes glaub-ten 1997, das Internet sei nur ein vor-übergehendes Phänomen.«

Ihr Roman Zeilenkrieg ist beißend, satirisch, aber auch getragen von Sym-pathie. »Ich habe ein sehr inniges Ver-hältnis zu Zeitungen. Gewiss, sie üben zu viel Macht aus, ohne Verantwortung zu übernehmen, und manchmal schämt man sich als Angehöriger des Berufs-stands für die Aggressivität, die Gier und die politische Unredlichkeit, die in manchen Kreisen an der Tagesordnung sind. Aber alles in allem gehe ich hof-fentlich nicht zu hart mit meiner Zunft ins Gericht. Denn vielleicht kommt ja der Tag, an dem ich wieder einen Job brauche.«

Ich frage vorsichtig, ob es für eine frischgebackene Romanautorin wie sie Nachteile hat, dass sie mit dem Mann zusammenlebt, der als der führende britische Romancier gilt, aber ihr fällt kein einziger ein. »Das klingt unerträg-lich streberhaft, aber bei uns geht es sehr kameradschaftlich zu, ohne jede Konkurrenz. Das Schreiben ist ja ein gemeinsames Interesse, es gehört zu

später noch einmal. »Wenn Leute jam-mern, sie würden alt, kann ich das ei-gentlich nicht nachvollziehen«, sagt sie lächelnd. »Wenn wieder ein Geburtstag vor der Tür steht, denke ich: ›Hurra!‹. Wenn hier eine Falte kommt und da oder dort etwas absackt, ängstigt mich das nicht. Ich bin immer noch da – das ist die Hauptsache.«

Der Roman spielt im Jahre 1997 kurz vor den Unterhauswahlen, die Tony Blair und New Labour an die Re-gierung brachten. Warum gerade dieser Zeitpunkt? »Mich hat der technologi-sche Wandel interessiert, der damals unmittelbar bevorstand. Auf eine Art war das die paradiesische Zeit vor dem Aufkommen des Internets, durch das die Auflagen der Zeitungen ja im freien Fall sanken.

Wie die meisten Journalisten be-wundere ich Michael Frayns Gegen Ende des Morgens, das die zwielichtige Institution Fleet Street zu der Zeit be-schreibt, als das Fernsehen sich durch-setzte und die Printmedien ihre Vor-rangstellung als Nachrichtenlieferant einbüßten. Ich wollte eine vergleichba-re Zeit beschreiben, in der der Journa-lismus wohl einem noch stärkeren

Wenn jemand mein Buch liest, weil ich

mit Ian verheiratet bin, werde ich es ihm nicht aus der Hand reißen.

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den Dingen, die uns zusammenge-bracht haben«, sagt sie.

Die meisten Tage arbeiten sie und McEwan in ihren jeweiligen Arbeits-zimmern, drei Etagen voneinander ent-fernt. Da seine Kinder inzwischen er-wachsen sind, gibt es nur wenig Ablenkung. »Uns tagsüber ignorieren und mit unserer Arbeit weitermachen, das können wir beide ganz gut. In der Beziehung ist Ian ein gutes Vorbild. Es kommt vor, dass wir uns mittags auf ein Sandwich treffen, aber das ist auch schon alles.« Abends besprechen sie beim Essen, wie sie jeweils vorange-kommen sind, und McEwan hilft es, wenn er ihr vorliest, was er geschrieben hat. »Ich bin eine sehr dankbare Zuhö-rerin«, sagt sie. Umgekehrt ist auch er stets ihr erster Leser.

McAfee schreibt bereits an einem neuen Buch, oder werkelt zumindest an etwas herum. Worum es geht, will sie aber nicht verraten, nur dass es defi-nitiv nicht der Journalismus ist. »Ich muss versuchen, das hinter mir zu las-sen – ich hoffe, ich habe es mir mit die-sem einen Buch von der Seele geschrie-ben, fürs Erste jedenfalls.«·Zuerst erschienen in: ›The Observer‹, Sonntag, 10. April 2011

Aus dem Englischen von Silvia Morawetz

Buchtipp

Vom Glanz und Elend der Fleet Street: Über zwei englische Journalistinnen,

die unterschiedlicher nicht sein können. Ein Roman, in dem es auch um die

Schicksale zwischen den Zeilen geht.

480 Seiten, LeinenISBN 978-3-257-06842-9

Auch als Diogenes E-Book

Alles ist ein Märchen

Novalis

25 Jahre Das große Märchenbuch

von Tatjana Hauptmann

Das schönste Märchenbuch der Welt jetzt als Sonderausgabe für nur € 25.–

Auch als Diogenes HörbuchErscheint im November

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86 Diogenes Magazin

Serie

Astrid Rosenfeld

Top 10 Songtexte

Top 10 Klassiker von Hartmut Lange

Im nächsten Magazin:

1. Leonard Cohen AnthemRing the bells that still can ring Forget your perfect offering There is a crack in everything That’s how the light gets in.

2. Phosphorescent It’s Not Supposed to Be That WayAnd like those other little childrenYou’re gonna dream a dream or twoBut be careful what you’re dreamin’’Cause soon your dreams’ll be

dreamin’ you.

3. Tom Waits Innocent When You DreamIt’s such a sad old feelingThe fields are soft and greenIt’s memories that I’m stealingBut you’re innocent when you dream.

4. Timber Timbre Lonesome HunterWell, you have every reason to

be frightenedSince you been reading my mindWho am I to deny this momentAnd who am I to even question it?There is a cross on a mountain, babyThere is a cross glowing over

your head.

5. The Velvet Underground Stephanie SaysStephanie says that she wants

to knowWhy it is though she’s the door She can’t be the room.

6. NicoThe Fairest of the SeasonsI want to know do I stay or do I go

And do I have to do just oneAnd can I choose again if I should

lose the reason?

7. KissGreat ExpectationsYou watch me singing this song You see what my mouth can do And you wish you were the one

I was doing it to.

8. Bob Dylan Visions of JohannaThe peddler now speaks

to the countess Who’s pretending to care for himSayin’, ›name me someone that’s

not a parasite And I’ll go out and say a prayer

for him‹.

9. Janis Joplin Kozmic Blues Don’t expect any answers, dear,For I know that they don’t come

with age, no, no.Well, ain’t never gonna love you

any better, babe.And I’m never gonna love you right,So you’d better take it now,

right now.

10. The Rolling StonesRuby TuesdayThere’s no time to lose,

I heard her sayCatch your dreams before

they slip awayDying all the timeLose your dreamsAnd you will lose your mindAin’t life unkind? ·

400 Seiten, LeinenISBN 978-3-257-06772-9

»Zwei Generationen, die eine große Liebe, das Dritte Reich. Astrid Rosenfeld hat sich viel vorgenommen und erschafft fern von Kitsch eine sensationell universelle Geschichte, die noch lange nachklingt.« Bayrischer Rundfunk

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87Diogenes Magazin

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Das Diogenes Magazin erscheint 3 × im Jahr (Januar / Mai / September)

So können Sie das Diogenes Magazin abonnieren:❶ per Abo-Postkarte❷ per E-Mail: [email protected]❸ per Fax +41 44 252 84 07❹ auf www.diogenes.ch

Das Diogenes Magazin gibt es nicht am Kiosk, sondern nur im Buchhandel – oder im Abo bequem frei Haus.

Ich abonniere das Diogenes Magazin, ab Nr. 12 Ich bestelle den Diogenes Magazin Leerschuber (85000) Ich bestelle den Diogenes Magazin Schuber gefüllt mit 9 Ex. (84999)

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Ich zahle per Rechnung (weitere Länder auf Anfrage) für 3 Hefte € 10.– (D / A) oder sFr 18.– (CH) für 1 Leerschuber € 7.– (D / A) oder sFr 10.– (CH) zzgl. Versandkosten für einen gefüllten Schuber € 25.– (D / A) oder sFr 40.– (CH) zzgl. Versandkosten

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Ich möchte von Diogenes weitere Informationen per E-Mail oder schriftlich (nicht telefonisch) erhalten. (Ihre Daten dienen ausschließlich internen Zwecken und werden nicht an Dritte weitergeleitet.)

Abo-Service: Schwarzbach Graphic Relations GmbH, Tegernseer Landstraße 85, 81539 München, Deutsch-land, Telefon +49 (0)89 64 94 36-6, Fax +49 (0)89 64 94 36-70, E-Mail: [email protected]: Die Bestellung kann ich innerhalb von 2 Wochen ohne Begründung schriftlich wider-rufen. Das Abonnement verlängert sich automatisch. Kündigung bis 8 Wochen vor Ende Bezugszeitraum möglich. Preisänderungen vorbehalten. Stand August 2012

Datum / Unterschrift

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»Ewig währt am längsten.«Der Sammelschuber für

die ersten drei Jahrgänge des Diogenes Magazin

Auch gefüllt er hältlich mit den ersten neun Ausgaben des Diogenes Magazin

DDiogenesMagazin

Nr.1Sommer 2009Euro 2.–sFr 3.50

In der Küche mit Donna Leon

Maigret contra BondIan Fleming trifft Georges Simenon

Auf Reisen mit Arnon Grünberg, Lukas Hartmann und Benedict Wells

Lesen: Martin Suter und Ingrid Noll über das erste Mal

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www.diogenes.ch

DDiogenesMagazin

Nr.2Herbst 2009

Hand aufs HerzAnthony McCartengibt Auskunft

Große ZeichnerPatrick Süskind über SempéZu Besuch bei Tatjana HauptmannEin Interview mit Maurice Sendak

Inspiration: Wie kommenAutoren zu ihren Ideen?

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www.diogenes.chEuro 2.– /sFr 3.50

DDiogenesMagazin

Martin SuterSein neuer Roman Der Koch

25 Jahre Das ParfumGeschichte eines Weltbestsellers

Anna GavaldaEine Liebeserklärungan Tomi Ungerer

Nr.3Winter 2009

9 7 8 3 2 5 7 8 5 0 0 3 1

www.diogenes.chEuro 2.– /sFr 3.50

DDiogenesMagazin

Zu Besuch bei John Irving

Sommer-ReisenIm Périgord mit Martin Walker Am Nordpol mit Ian McEwan Couch-Surfing mit Arnon GrünbergIn Istanbul mit Yadé Kara

Sommer-SpaßSpiele, Tests, Kreuzworträtsel

Nr.4Sommer 2010

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www.diogenes.chEuro 4.– /sFr 7.–

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DDiogenesMagazin

Wir gratulieren Ingrid Noll zum 75. Geburtstag

Der letzte Sommer Eine neue Erzählung von Bernhard Schlink

Mythisches Gestein:Rolf Dobelli und Donna Leonüber den neuen und alten Gotthardtunnel

Ein Leben wie ein Roman:Paulo Coelho

Nr.5Herbst 2010

9 7 8 3 2 5 7 8 5 0 0 5 5

www.diogenes.ch4 Euro/7 Franken

DDiogenesMagazin

Aber hier können Sie das Diogenes Magazin abonnieren.

244 Hörbücher mit Hörprobe:

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Schonen Sie Ihre Augen!Lassen Sie andere lesen:

Otto Sander und Ulrich Matthes lesen Anton ¢echov

Heikko Deutschmann und Daniel Brühl lesen Martin Suter

Hans Korte liest Bernhard Schlink

Anna Thalbach liest F. Scott Fitzgerald

Burghart Klaußner liest Ian McEwan

Mario Adorf, Senta Berger und andere lesen Joseph Roth

Helmut Qualtinger liest H.D. Thoreau

Rufus Beck liest Der kleine Nick

Roger Willemsen liest Die kleine Alice

DiogenesHörbuch

Gelesen vonOtto Sander

»Die Virtuosität deseinfachen Erzählens –

darin liegt SandersMeisterschaft, eine

Meisterschaft derpräzisen Beiläufigkeitund des vielsagenden

Zwischenraums.« Die Welt, Berlin

1 CD

Anton ČechovDie Dame

mit dem Hündchen

Erzählung

Anton ČechovEin Duell

Kleiner Roman

DiogenesHörbuch

Gelesen vonUlrich Matthes

»Wie kaum ein ande rer hat Anton

◊echov auf den Pulsschlag des

modernen Lebens gehorcht, sein lite -rarisches Werk ist

für das 20. Jahr -hundert wegweisend

geworden.« Neue Zürcher Zeitung

4 CD

DiogenesHörbuch

Gelesen vonHeikko

Deutschmann

»Eine ausgesprochenunterhaltsame,

kurzweilige undletztlich auch mora-

lische Geschichte.« ndr Kultur, Hamburg

6 CD

Martin SuterDer Koch

Roman

DiogenesHörbuch

Gelesen vonDaniel Brühl

»Eine Liebesge-schichte und Satire

rund ums Buch –brillant.«

Focus

»Mit dem Plot von Lila, Lila istMartin Suter ein

raffiniertes Kunst-stück gelungen.«

Neue Zürcher Zeitung

5 CD

Martin SuterLila, Lila

Roman

DiogenesHörbuch

Gelesen vonHans Korte

»Bernhard Schlinkist einer der

erfolgreichsten undeiner der viel-

seitigsten deutschen Schriftsteller der

Gegenwart.« Volker Hage/

Der Spiegel

7 CD

BernhardSchlink

Sommerlügen

DiogenesHörbuch

Gelesen vonAnna

Thalbach

»Der erste Roman, der das ›System Hollywood‹ er-

forschte und be-schrieb. Inklusiveeiner schmetter-

lingszarten Liebes-geschichte von

perfekter Schönheit.«Barbara Rett /

Die Presse, Wien

4 CD

F. ScottFitzgeraldDie Liebe

des letztenTycoon

Roman

DiogenesHörbuch

Gelesen vonBurghartKlaußner

»Ian McEwan wagt das schwie-rige Kunst stück,

Wissenschaft undPolitik mit deftiger

Komödie zu ver- binden. Und es

ge lingt ihm großartig.«

Nick Cohen /The Guardian,

London

8 CD

Ian McEwanSolar

Roman

DiogenesHörbuch

Gelesen vonMario Adorf

»Joseph Roths letzteLebensphase mussrauschhaft in jeder

Hinsicht gewesensein. Die Legende

vom heiligen Trinkerliest sich wie die

Versöhnung mit demeigenen Schicksal.«

Süddeutsche Zeitung

1 CD

Joseph RothDie Legendevom heiligen

TrinkerErzählung

DiogenesHörbuch

Gelesen vonHelmut

Qualtinger

»Ein glänzender, umwerfend komi-

scher Kabarettist.« Alfred Polgar

»Das Pointen feuer-werk des Spotts lässt

die Gesellschaft inihrer ganzen Lächer-

lichkeit erstrahlen.« Frankfurter

Allgemeine Zeitung

1 CD

Das HelmutQualtinger

Hörbuch

Von Kaiser Franz Joseph zu Herrn Karl

Weltgeschichte in Pantoffeln

DiogenesHörbuch

Gelesen vonRufus Beck

»Nick ist ein Freund, wie man ihn sich

nur wünschen kann. Ein Freund

fürs Leben. Alt werden? Stillhal-ten? Ohne uns.«

Frankfurter Allgemeine

Sonntagszeitung

1 CD

Goscinny Sempé

Der kleine

im Zirkus

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DiogenesHörbuch

Gelesen vonRoger

Willemsen

Eine der berühmtes-ten Kindergeschich-

ten der Welt, vomAutor selbst für die

Kleinsten der Kleinenneu erzählt: »Jetzt istes mein Ehrgeiz, von

Kindern gelesen zuwerden, die zwischen

null und fünf Jahrealt sind.«

(Lewis Carroll)

1 CD

LewisCarrollDie

kleineAlice

Diogenes

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DDiogenesMagazin

Ian McEwan»Natürlich glaube ich nicht, mit meinem Roman die Welt retten zu können«

Wenn Bücher klingen …Tomi Ungerer, Jean-Jacques Sempé,Donna Leon, Philippe Djian u.a.über ihre Leidenschaft für Musik

Zwei Freunde, ein VerlagDie beiden Diogenes Verleger haben ihren 80. Geburtstag gefeiert

Was ist der größte Luxus?Exklusiv-Interview mit dem neuenSerienhelden von Martin Suter

Nr.6Frühling 2011

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www.diogenes.ch4 Euro/7 Franken

DDiogenesMagazin

Das Diogenes Magazin im Abonnement: Praktisch nach Hause

geliefert, egal wo Sie wohnen.

1569 Bücher von 4.90 bis 480 Euro:

»Wenn ich ein wenig Geld bekomme, kaufe ich mir Bücher. Wenn etwas übrig bleibt,

kaufe ich mir Essen und Kleidung.«Erasmus von Rotterdam

Joseph von Eichendorff

Stendhal

Jeremias Gotthelf

Jules Verne

Kurt Tucholsky

Nikolai Gogol

Johann Wolfgang Goethe

Leo Tolstoi

Theodor Fontane

Joseph Conrad

Wilhelm Busch

Homer

Georges Simenon

Dante Alighieri

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Diogenes Magazin

Nr. 7 Sommer 2011

Martin WalkerLeben und Schreibenim Périgord

Summer Looks & BooksWelches Buch passt zu welcher Strandmode?

Sommerzeit – LesezeitMit Urs Widmer nach Timbuktu, mit Doris Dörrie nach Torremolinos und mit Hansjörg Schneider nach Basel

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www.diogenes.ch4 Euro / 7 Franken

Diogenes Magazin

Nr. 8 Herbst 2011

9 7 8 3 2 5 7 8 5 0 0 8 6

www.diogenes.ch4 Euro / 7 Franken

Alles inklusive!MultitalentDoris Dörrie

Faule Kredite in GriechenlandPetros Markaris hat die Krise zum Krimi gemacht

Loriot im GesprächBitte sagen Sie jetzt nichts

80 Jahre TomiIngrid Noll und Percy Adlon über Tomi Ungerer

Diogenes Magazin

Nr. 9 Frühling 2012

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www.diogenes.ch4 Euro / 7 Franken

Paulo CoelhoDas Leben ist eine Reise

BibliotherapieLesen Sie sich gesund

Ein Elefant in VenedigDonna Leon über venezianische Kuriositäten

FragespielJohn Irving antwortetauf Fragen von Nadine Gordimer

Film-SpecialWenn Bücher Filmstars werden

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Telefon 030 / 447 314 50

Fax 030 / 447 314 51

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weiblichesFabelwesen

Klubs,Organi-sationen

vorher,früher

Einfriedungfür das Vieh

Kurzruf-name vonEduard

eineweibl. Er-wachsene

engl. Wortfür sie

Spielkar-tenfarbe

Abk. fürErdge-schoss

denAtomkernbetreffend

Bete undarbeite - ...et labora

einschrän-kendesWort, le-diglich

Agatha,Autorinvon ’VillaNachtigall’

Georges,Schöpfer d.’KommissarMaigret’

Jack, Autorvon ’DerSeewolf’

franz. Wortfür sehr

religiöserLehrer d.Hindus

Heino,vielseitigerdt. Mime

Bez. fürVerhei-ratete

alle Haus-haltsge-fässe

ugs. für an-sprechen;belästigen

Mulde (anverglet-schertenHängen)

lat. Wort fürJungfrau

heimliches

Gerichts-barkeit:

Gericht

Jörg, Autorvon ’Alleswird gut’

engl. Wortfür Tor

Martin,Autor von’BusinessClass’

Jason,Autor von’Stalking’

Insel vorDalmati-en (Ital.)

bekann-ter See inSchottland:Loch ...

extremstarke Nei-gungen

Top-Level-DomainSpanien

Kurzwortfür Durch-lichtbilder

Abk. Districtof Columbia

Gebühr fürStrassen-benutzung

Wahlmög-lichkeit, Vor-kaufsrecht

Connie,Autorin von’Luzifer’

chin. krimi-nelle Ge-heimorg.

jap. Stadtauf der In-sel Shikoku

engl. Wortfür Geist,Witz

Ort imNordos-ten vonMallorca

Anwesen,Gebäude

Name derFilmfabrikder ehem.DDR

männlicheAnrede

Chemiker-kürzel fürErbium

Flächen-mass (Plur.)

Vorn. vom’Topmo-del’ Klum

Abk. desInt. Luft-verkehrs-verband

Top-Level-DomainLichtenstein

locker, un-befestigt,schlaff

Charlotte,Autorin von’Jane Eyre’

med. Bez.für Schlag-ader

ein (sehr)scharfesGewürz

Abk. für inOrdnung

Währungs-kürzel fürSchweizerFranken

Prominen-tensiedlungam Strandbei L.A.

engl. Wortfür ich,mich, mir

Dick, Autorvon ’Wein-probe’

ehem. Na-me Tokios

int. Auto-Z.:San Marino

John, Au-tor von ’Zir-kuskind’

Aktionärs-vereini-gung (Abk.)

bäuerli-cher Besitz

Geflügel-produkt

Ursprungs-bez. fürfranz. Wei-ne

Abk. lo-garithmusnaturalis

Ingrid, Au-torin von’Die Apo-thekerin’

Organisa-tion, regeltdas Welt-kulturerbeFriedrich,Autor von’Der Chi-nese’

Kürzel fürden Strich-code

Susanna,Autorin von’Kopfi n denWolken’

kurz fürFahrrad

Abk. Abon-nement

Abk. Trans-aktions-nummer

Abk. NeuesTestament

Gegenteilvon Export

Initialender Sänge-rin Turner

Berufung

Kirchen- recht:

in ein Amt

kurz: Allg.Geschäfts-bedingung

schwed.Möbel-hauskette

Ergebnis ei-ner Addition

Kurzwortfür e. Be-wohnerThailands

Abk.Leutnant

Online-Dienstvon Micro-soft (Abk.)

Musikauf einenGrundtonbezogen

öffentli-ches Ver-kehrsmittel

Stadt imWestenFinnlands

Dynastiedes chin.Kaiser-reichs

Norbert,Motorsport-Chef vonMercedes

japan.Elektronik-konzern

Landean-flugverfah-ren (Abk.)

Abk. Elek-trokardio-gramm

Glocke inLondon:Big ...

amerik.Kuckuck,Maden-hacker

Abk. Süd-südost

kurzer,spontanerSchmerz-laut

Init. desSchauspie-lers Moore

Abbau z.B.von Kohlea.d. Erd-oberfläche

Abk. Eu-ropäischeAtomge-meinschaft

Charles,Autor von’David Cop-perfield’

feierlicherBrauch,Zeremonie

kanad. Wa-pitihirsch

ind. Gottdes Feuers

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c Copyright PuzzleCompany GmbH. Alle Rechte vorbehalten.

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Leicht

Mittel

Schwer

Kopfnüsschen

Sudoku

Kreuzworträtsel Autoren und ihre Jobs

Farben-Rätsel

Drudel-Test

PhilippeDjian

Schwarze Tage,weiße NächteRoman · Diogenes

GottfriedKeller

Der grüneHeinrichZweite Fassung

Roman · Diogenes

RaymondChandler

Der Königin Gelb

Diogenes

RossMacdonaldDer blaueHammer

Roman · Diogenes

DashiellHammettRote Ernte

Roman · Diogenes

Roman · Diogenes

CarsonMcCullersSpiegelbildim goldnen

Auge

1: Schmollendes Elefantenpaar2: Tennisball (fehlerhaftes Sück) 3: Bibliothek, die durch ein E-Book ersetzt wurde4: Frau Raiss hat verschlafen und fehlt im morgendlichen Stau

1. Friedrich Glauser – k. Gärtner; 2. Max Frisch – l. Architekt; 3. Anton Čechov – f. Arzt; 4. John Irving – h. Trainer für Ringer; 5. Martin Suter – a. Werbetexter; 6. Theodor Fontane – m. Apotheker; 7. Andrej Kurkow – c. Gefängniswärter; 8. Dashiell Hammett – i. Privat-detektiv; 9. Dick Francis – b. Jockey;10. Lukas Hartmann – j. Lehrer; 11. Joachim Ringelnatz – e. Matrose; 12. Philippe Djian – n. Kassierer an einer Autobahnmautstelle; 13. Raymond Chandler – d. Direktor einer Ölfirma

Lösungen

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TranshelveticaSchweizer Magazin für Reisekultur

TranshelveticaSchweizer Magazin für Reisekultur

Traumreisen & Abenteuerin derSchweiz

Am Kiosk oder auftranshelvetica.ch

Serie

habe den Bierschaum als deutschen Schaum Nummer eins klar abgelöst.« Jakob Arjouni, ›Bruder Kemal‹ (Diogenes Hardcover)

»Wir leben in einem Zeitalter der Überarbeitung und der Unterbil-dung, in einem Zeitalter, in dem die Menschen so fleißig sind, dass sie verdummen.« Oscar Wilde, ›Extra-vagante Gedanken‹ (detebe 21648).Eingeschickt von Michael Graf, Neubeuern

»›Ist dein Computer noch an?‹›Wie die Liebe des Heiligen Geistes erhellt er stets meine Wege.‹« Donna Leon, ›Himmlische Juwelen‹ (Diogenes Hardcover)

»Kunst ist starker Wein, und es gehört ein starker Kopf dazu, um ihn zu ertragen. Das göttliche Feuer brennt am hellsten in denen, die seine Glut durch nüchternen Verstand dämpfen.« W. Somerset Maugham, ›Die Macht der Umstän-de‹ (Erzählung: ›Das fremde Samen-korn‹) (detebe 20334). Eingeschickt von Thomas Eichhorn, Leipzig

Schicken Sie uns bitte Ihre Lieblings -sätze aus einem Diogenes Buch. Jedes veröffentlichte Zitat wird mit einem Bücherpaket im Wert von € 50.– honoriert. Bitte per E-Mail an [email protected] oder auf einer Postkarte an: Diogenes Magazin, Sprecherstr. 8, 8032 Zürich / Schweiz

»Nach dem Umsturz machen sich zwei Straßenkehrer an ihre Arbeit. Da sagt der eine Arbeiter zum andern: ›Ich habe gemeint, nach der Revoluti-on würden die Herren die Straße keh-ren.‹ Worauf der zweite antwortet: ›Aber wir sind doch jetzt die Her-ren.‹« Hugo Loetscher, ›Die Papiere des Immunen‹ (detebe 21659).Eingeschickt von Peter-Alexander Fiedler, Weimar

»Alles Glück will Ewigkeit? Wie alle Lust? Nein, dachte er, es will Stetigkeit. Es will in die Zukunft dauern und schon das Glück der Vergangenheit gewesen sein.Phantasieren Liebende nicht, dass sie sich schon als Kinder begegnet sind und gefallen haben?« Bernhard Schlink, ›Sommerlügen‹ (detebe 24169). Eingeschickt von Anne Peters-Strache, Michelstadt

»Weißt du, welchen Fehler man immer wieder macht? Den, zu glauben, das Leben sei unwandelbar, und wenn man einmal einen Weg eingeschlagen hat, müsse man ihn auch zu Ende gehen. Das Schicksal hat viel mehr Phantasie als wir.«Susanna Tamaro, ›Geh, wohin dein Herz dich trägt‹ (detebe 23030).Eingeschickt von Marie-Luise Schäfer, Seelze

»Ohne Schaumberg, hatte Deborah neulich gesagt, gehe ja kaum mehr was im deutschen Kaffeegeschäft. Der Milchschaum auf dem Kaffee

»Wenn ich gewusst hätte, dass Sie Ihre stümperhaften Gedichte hier hinein schreiben, hätte ich Ihnen niemals dieses Heft geschenkt. Ich hatte vielmehr gedacht, dass dieses Heft Ihnen dazu dienen würde, kluge und nützliche Sätze abzuschreiben, die Sie in verschiedenen Büchern gelesen haben.« Daniil Charms

Lesefrüchtchen

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Das Mädchen küsste den Frosch und wurde zur Kröte.

Ennio Flaiano Der Vorhang öffnet sich. Ich trete an die Rampe.

Ich erschieße mein Publikum. Ich verbeuge mich. Der Applaus kommt vom Band. F. K. Waechter

Das Ungeheuer war etwa 100 Fuß lang und lächelte

an beiden Enden.Nikolaus Heidelbach

Ein Kurzsichtiger macht eine Liebeserklärung; vorher

aber sagt er: Ehe ich anfange, geben Sie mir Ihr Wort, dass Sie die und die wirklich sind.

Friedrich Hebbel

Er machte sie glücklich und nahm ihr damit das Einzige,

wozu sie Talent hatte.Connie Palmen

Patient: »Ich schreibe einen Brief.«Direktor: »Wem schreiben Sie denn?«

Patient: »Mir.«Direktor: »Was steht denn drin?«Patient: »Das weiß ich doch nicht, der Brief ist noch nicht angekommen.«

Friedrich Dürrenmatt

Sie kaufte drei Paar Eheringe, alle in der

gleichen Größe.Astrid Rosenfeld

Immer wenn er den Mond sah, musste er an sie denken. Er konnte

sich nicht erinnern, wie lange schon er das Haus nur noch bei Neumond verließ. Petra Hartlieb

Wie geht’s, sagte ein Blinder zu einem Lahmen. Wie Sie sehen,

antwortete der Lahme.Georg Christoph Lichtenberg

Der Einzige, der hier gut aufgelegt war, war der Telefonhörer. Dann

klingelte es. Otto Jägersberg

Wenn du nicht abhaust, such ich mir einen andern.

Raymond Chandler

Ein junger Mann hatte eine Million Mark beisammen, legte sich darauf und

erschoss sich. Anton Čechov

Auf die Sätze, fertig, los!

Buchtipp

222 allerschnellste Geschichten in einem Mini­Buch, ein literarischer Weltrekord. Mit vielen Klassikern und vielen neuen Geschichten von Martin Walker, Joey Goebel, Ingrid Noll, Astrid Rosenfeld,

und und und.

Diogenes Taschenbuch detebe 24223, ca. 288 Seiten

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60 Jahre Diogenes – dazu das Geschenk für leidenschaftliche Leser: 12 Erfolgs bücher in ele ganten Leinenbänden – einzeln oder im Schuber zum Jubiläumspreis.

12 Bände in Kassette3928 Seiten, Leinenca. € (D) 100.– / sFr 140.–*/ € (A) 100.–ISBN 978-3-257-05720-1

Die Jubiläums-Edition

60 JAHRE DIOGENES

€10.-

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60 Jahre Diogenes

Sonderteil

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Er war genügsam, unangepasst und sah sich als Kosmopolit – Weltbürger. Seine philosophischen Überzeugungen kennen wir hauptsächlich aus über lieferten

Anekdoten. Die bekannteste ist wohl die von »Diogenes in der Tonne«, der Alexander um einen kleinen Gefallen bittet. Freiheit, Bewusstheit und die Freude

am Leben bildeten die Kerngedanken seiner Ethik. Daniel Keel war der bedürfnislose Philosoph so sympathisch, dass er seinen Verlag nach ihm benannte.

Obwohl Diogenes nichts Schriftliches hinterlassen hat. »Sein Geist aber lebt.«

»Er zündete bei Tage ein Licht an und sagte: ›Ich suche einen

Menschen.‹« Diogenes Laertios

60 Jahre Diogenes

Wer war Diogenes?

»Ich stelle mir jenen Diogenes, der als Kultur-Verächter verschrien ist,

eher als einen zarten, empfindlichen Menschen vor, dem vor all den

Komplikationen graute, die mit den Wonnen eines Palastes verbunden sind.

Da wohnte er schon lieber in der Tonne – aus purer Genuss-Sucht.«

Ludwig Marcuse

»Die Lehre des Diogenes war keines-wegs das, was wir heute unter

›zynisch‹ verstehen – im Gegenteil. Diogenes suchte Tugend und morali-sche Freiheit in der Wunschlosigkeit:

Sei gleichgültig gegenüber Gütern, die das Glück zu verschenken hat, und

du wirst frei von Furcht sein.« Bertrand Russell

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Daniel Keel in seinem Element, fotografiert von Tomi Ungerer in

Kanada, 1973

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Buchtipp

»Als Alexander einst an ihn herantrat und erklärte: »Ich bin Alexander, der große König«, sagte er: »Und ich bin Diogenes, der Hund.« Auf die Frage,

was er denn tue, dass man ihn »Hund« nenne, antwortete er: »Die mich

beschenken, umwedle ich, die mir nichts geben, belle ich an, und die

Schufte beiße ich.« Alexander wollte ihm jeden Wunsch erfüllen, doch

Diogenes hat nur eine einzige einfache Bitte: »Geh mir aus der Sonne!«

Der Denker im Fass ist indes kein harmloses Original. Wohl streift er sich

als antiker Eulenspiegel gern das Narrengewand über, doch hinter der

Maske des Witzboldes steckt ein kühner Querdenker, ein radikaler Tabubrecher, der gegen sinnentleerte Konventionen und hinfällige Dogmen ins Feld zieht. Er ist der Ahnherr all derer, die Glück

und Freiheit in der Abkehr von den herrschenden Normen und Zwängen

suchen.

»Erstaunlich modern ist dieser Diogenes – ein köstliches Büchlein.«

Facts, Zürich

96 Seiten, LeinenISBN 978-3-257-06698-2

»Diogenes hatte einen possenhaften Zug, der sich jedoch in seinem

Nachruhm über Gebühr vorgedrängt hat, denn er war daneben auch ein

wirklicher Weiser … Er hat mit seiner lachenden Menschendurchleuchtung und Verachtung aller Konvention viel

Sozialkritisches an sich … Er selbst nannte sich mit einem von ihm

geschaffenen Wort ›kosmopolites‹, Weltbürger.« Egon Friedell

»Ich durchsuchte die Kulturgeschichte nach einer Galionsfigur. Diogenes von

Sinope, der kuriose griechische Philosoph, schien mir der Richtige.

Obwohl ich in der Regel Philosophen nicht besonders mag, ausgenommen

Denker, die auch als Dichter herhalten können – wie Michel de Montaigne oder Henry David Thoreau –, war

dieser Diogenes mir besonders sympa-thisch, weil er nicht nur theoretisch,

sondern auch durch seinen Lebensstil alles Konventionelle bekämpfte. Auch

war er der erste Kosmopolit (er soll gesagt haben, er sei ein Bürger des

Kosmos und die einzig richtige Staatsordnung wäre eine Weltregie-rung), und auf die Frage, was die

Philosophie nutze, soll er geantwortet haben: ›Wenn nichts anderes, so doch, dass man für jedes Schicksal gerüstet

ist.‹ Seine Askese war nicht Weltflucht, sie war derbste Lebensbejahung. Und was mich erheitert: Nichts Geschrie-benes von ihm ist bekannt, sein Geist

aber lebt.« Daniel Keel

»Als man den Diogenes fragte, wo er nach seinem Tod begraben sein wolle, antwortete er: ›Mitten auf das

Feld.‹ Was, versetzte jemand, willst du von den Vögeln und wilden Tieren

gefressen werden? ›So lege man meinen Stab neben mich‹, antwortete

er, ›damit ich sie wegjagen könne.‹ Wegjagen! rief der andere; wenn du tot

bist, hast du ja keine Empfindung! ›Nun denn, was liegt mir daran‹, erwiderte er, ›ob mich die Vögel

fressen oder nicht?‹« Heinrich von Kleist

Bob van den Born

Tomi Ungerer

Jean-Jacques SempéPaul Flora

Diogenes Zeichnung von Daniel Keel

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Das Verlegertum wurde Daniel Keel zwar nicht in die Wiege gelegt,

aber einen familiären Nährboden gab es. Sein Vater Josef Keel arbeitete im Verlag Benziger & Co in Einsiedeln, eine Schweizer Institution, die, 1792 gegründet, lange eine Schlüsselrolle im katholischen Verlagswesen spielte und noch Mitte des 20. Jahrhunderts zu den wichtigsten Verlagen der Schweiz zähl-te. In den Sommerferien nahm er den

Sohn mit in den Verlag, wo »mich mein Vater in die Geheimnisse der Verlegerei einweihte, als ich dort für Kinderbü-cher Werbeprospekte basteln durfte.«

Das Interesse an Büchern war bei Daniel Keel einem unglücklichen Um-stand geschuldet: Als Kind litt er an starkem Asthma und musste oft das Bett hüten, Bücher waren sein einziger Zeitvertreib. Als Jugendlicher schwand das Interesse an Literatur wieder: »Ich

ging lieber ins Theater, oder dreimal am Tag ins Kino. Ich habe Alec Guin-ness, Louis Armstrong, Lawrence Oli-vier, Louis Jouvet, Duke Ellington, Danny Kaye live gesehen. Ich war ziemlich lesefaul«, erinnerte sich Keel. In dieser Zeit entwickelte er auch eine ausgeprägte Vorliebe für die bildende Kunst und das Groteske.

Mit sechzehn brach Daniel Keel das Gymnasium an der Klosterschule Ein-

Das erste Diogenes Buch, das vor 60 Jahren erschien, verdankt seine Entstehung einer ganzen Reihe von Zufällen, Hindernissen und Misslichkeiten: Eigentlich wollte der junge Buchhändler-Gehülfe Daniel Keel gar nicht Verleger werden, aber es gelang ihm einfach nicht, pünktlich in der Buchhandlung zu erschei-nen. So reifte in ihm der Wunsch nach beruflicher Unabhängigkeit ...

60 Jahre Diogenes

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siedeln ab, vordergründig wegen Asth-ma, tatsächlich wegen seiner Probleme mit der griechischen Grammatik und mathematischen Formeln. Nach einem Sprachaufenthalt in der französischen Schweiz begann er eine Buchhändler-lehre in Zürich bei Plüss in der Bahn-hofstraße, einer eleganten internationa-len Buchhandlung. Es folgten Lehr- und Wanderjahre in Paris, Frankfurt am Main, München und in London, bis er 1951, zurück in Zürich, in der Buch-handlung Orell Füssli als Gehilfe an-fing.

Aus London hatte Keel drei Bücher mit Karikaturen von Ronald Searle mitgebracht, die nach dem Zweiten Weltkrieg in England für Aufsehen sorgten. Ronald Searle, 1920 in Cam-bridge geboren, hatte mit fünfzehn Jahren die Schule verlassen, als Büro-bote gearbeitet, abends Kunstunter-richt genommen und zu zeichnen begonnen – und nie mehr damit aufge-hört: Weder Krieg noch Gefangen-schaft (er war am Bau der Brücke am Kwai beteiligt) konnte ihn davon ab-halten. Zurück in England wurde er freischaffender Künstler, reiste zeich-nend durch Europa, Nordafrika und die USA. Über Nacht bekannt mach-ten ihn in England seine rabenschwar-zen Zeichnungen über eine englische Mädchenschule, in der es drunter und drüber geht: Da wird ein Mädchen auf einer Streckbank von ihren Mitschüle-rinnen malträtiert, eine Hexe fliegt als neue Chemielehrerin ein, und Acces-soires wie Maschinenpistolen, Alkohol und Zigaretten sind in den Klassenräu-men und auf dem Pausenhof hoch im Kurs. Harter Tobak für die Nach-kriegszeit, in der die Lebensmittelrati-onierung noch aktuell war und die Sit-ten nicht besonders locker. Immerhin erschien das Buch 1948 – zwanzig Jahre vor 1968. Very shocking, aber die Eng-länder waren auch highly amused, und so wurden Searles Zeichnungen ein rie-siger Erfolg.

Daniel Keel hatte aus den drei Car-toonbänden Hurrah for St. Trinians, The Female Approach und Back to the Slaughterhouse, die zwischen 1948 und 1951 erschienen waren, eine Auswahl zusammengestellt und schon in Lon-

don versucht, sie als Herausgeber an einen deutschen Verlag zu vermitteln. Doch die Mädchen von St. Trinian wa-ren den deutschen Verlegern viel zu makaber und lasterhaft. Siebzehn Ver-lage sagten ab. So kam der junge Buch-händler auf die Idee, neben seinem Brotjob als Buchhändler selber ›Verle-ger‹ zu spielen.

Der Zufall wollte es, dass die deutschsprachigen Rechte an den Bü-chern von Ronald Searle nicht etwa in London, sondern in Zürich von der

die Rechte an Ronald Searle, den er so großartig fände, dass er damit einen Verlag aufmachen wolle. Ich sagte ihm, fünftausend Franken sei ja schön viel Geld, aber um einen Verlag zu gründen, brauche es schon etwas mehr, und dass die anderen Verlage den Autor abge-lehnt hätten, sei wohl kein gutes Zei-chen. Ich riet ihm also ab, und etwas bedrückt ging er weg. Vierzehn Tage später stand er wieder da und sagte, er habe es sich überlegt. Er wisse schon, was ich sagen würde, aber er wolle es trotzdem machen. Wir haben dann also einen Vertrag aufgesetzt.«

Für vierhundert Franken Vorschuss erhielt Daniel Keel die Rechte an den Zeichnungen von Ronald Searle. Keel bat Erich Kästner, den er aus seiner Zeit als Buchhändler in München per-sönlich kannte, um ein Vorwort zum Searle-Buch. Doch Kästner sagte aus Zeitmangel ab. Keels zweiter Wunsch-kandidat sagte zu: Friedrich Dürren-matt. Ihn verehrte Keel wie keinen an-deren jungen Schriftsteller, und er wusste von dessen Sinn für Groteskes und Makabres. Das Vorwort von Dür-renmatt sollte, »ganz offen gestanden, meinem jungen und zunächst noch zerbrechlichen Unternehmen einen handfesten Namen mitgeben«, so Keel in einem Brief an Dürrenmatt. Dass Keel Dürrenmatt, der 1952 mit seiner Komödie Die Ehe des Herrn Mississip-pi just seinen ersten großen Erfolg in Deutschland feiern konnte, für das Vorwort des ersten Diogenes Buchs ge-winnen konnte, liest sich im Nachhin-ein wie ein Zeichen. Denn es war einer der Höhepunkte im Verlegerleben von Daniel Keel, als Dürrenmatt Anfang 1978 Diogenes Autor wurde und wenig später sein Gesamtwerk in Keels Ob-hut gab. »Damals hätte ich mir nie träumen lassen, dass ich einmal Dür-renmatts ›richtiger‹ Verleger werden würde«, sagte Daniel Keel später.

Eine Galionsfigur brauchte Keel aller-dings nicht nur für das Vorwort zum Searle-Bändchen, sondern auch für den Namen des Verlags, in dem es er-scheinen sollte. Er fertigte eine Liste von nicht weniger als hundert Namen an und entschied sich für ›Diogenes‹, weil er fand, dass man unter diesem

Agentur Mohrbooks vertreten wurden. Am 12. Juni 1952 um 17 Uhr sprach Da-niel Keel beim Gründer der Agentur, Lothar Mohrenwitz, vor, der ihn zu seinem jungen Partner Rainer Heu-mann schickte. An das erste Treffen erinnerte sich Heumann 1977 so: »Mein Partner, Lothar Mohrenwitz, damals schon ein alter Mann, kam zu mir und sagte: ›Da draußen ist ein Ver-rückter, gehen Sie mal zu dem, ich ver-steh das nicht.‹ Das war also Daniel Keel, ein sehr bescheidener Mann mit einem Dufflecoat, den er noch jahre-lang getragen hat. Er sagte, er sei in der Buchhandlung Orell Füssli angestellt, und sein Vater habe ihm fünftausend Franken garantiert. Wir hätten doch

»Da draußen ist ein Verrückter, gehen Sie

mal zu dem, ich versteh das nicht.«

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Namen machen konnte, was man woll-te. Natürlich hätte er seinen Verlag ein-fach Keel Verlag nennen können, aber das kam für ihn nicht in Frage. »Ich habe geahnt, dass die Leute mir dann schreiben wie Herrn Rowohlt und Herrn Piper. Hinter Diogenes kann ich mich verstecken.«

Nach dem Verlagsnamen fehlte nur noch der Buchtitel, wie sollte das erste Diogenes Buch heißen? Solange noch das Lämpchen glüht; Das Leben kein Traum; Des Lebens ungeschminkte Freude; Leben und leben lassen; To be or not to be; Ophelia und Caliban; Ophelia, ein Sonntagskind. Schließlich fiel die Entscheidung auf Weil noch das Lämpchen glüht. Als Motto wählte Keel ein Bonmot von Oscar Wilde (der in der ersten Auflage noch ›Oskar‹ Wilde genannt wurde): »Das Leben ist zu wichtig, als dass man ernsthaft dar-

eigentlich heute noch«, erinnerte sich Daniel Keel 1962 in einem Interview.

Und da das erste Diogenes Buch au-ßer dem jungen Verleger wider Willen noch einigen anderen Leuten gefiel (die erste Auflage war nach einem Jahr ausverkauft), machte Keel weiter.

Aus dem ersten Diogenes Buch wur-den nach 60 Jahren 4070 veröffentlich-te Titel. Und das Lämpchen erlosch nie: Fast 60 Jahre lang war der Dioge-nes Erstling ununterbrochen lieferbar.

Der St. Trinian-Zyklus, der den Kern des Buches bildet, zählt zu den Meis-terwerken Ronald Searles und erfreut sich auch heute noch größter Beliebt-heit: Zuletzt trieben die ungezogenen Mädchen von St. Trinian 2007 in einer britischen Kinoproduktion (unter an-derem mit Rupert Everett, Colin Firth, Stephen Fry) ihr Unwesen. Und Ro-nald Searle gilt inzwischen in England als mit Abstand wichtigster satirischer Zeichner des 20. Jahrhunderts. »Er war der zeichnende Chronist des zwan-zigsten Jahrhunderts und nicht nur der furchtloseste, sondern auch charman-teste Vertreter seiner Zunft. Mit ihm

über sprechen könnte.«Searles Buch war keine leichte Geburt. Das Vertriebliche war zwar rasch ge-klärt, doch der Monat vor dem geplan-ten Erscheinungstermin war dann alles andere als ruhig: Im September 1952 musste Keel ins Krankenhaus – Man-delentzündung. Zuvor machte er das Buch in Nachtarbeit druckfertig, liefer-te das selbst übersetzte Manuskript in der Druckerei Käser Presse in Zürich ab und sich selbst ins Krankenhaus ein. Letztlich ging alles gut: Die Mandeln wurde herausgenommen, das Buch ge-druckt. »Heute endlich ist mir vom Drucker das erste fertige Buch in die Hand gedrückt worden. In der ›Ver-lagshöhle‹ türmen sich die Bände auf Nachttisch und Kommode, es häuft sich das Papier in allen Ecken, derma-ßen, dass die Putzfrau sich bald wei-gern wird, ihren Fuß wieder in meine Bude zu setzen«, schrieb Keel im Ok-tober 1952 an den Freund Hans Leo-pold Davi. Am 20. Oktober wurde Weil noch das Lämpchen glüht ausge-liefert.

Ronald Searle war »delighted«, und er war nicht der Einzige: Hans Leo-pold Davi berichtete Keel Ende 1952: »Das Lämpchen glüht! Die Zeitungen waren voll des Lobes, Orell Füssli hat bald hundert Exemplare, Plüss bald fünfzig verkauft. Ich werde vermutlich

im Lauf des Frühlings meine Stelle in der Buchhandlung aufgeben, um eine Halbtagsstelle anzunehmen. So hätte ich mehr Zeit für meine Verlagsprojek-te.« Eines der ersten Exemplare, mit einer gezeichneten Widmung, schickte Keel seinem Jugendfreund Rudolf C. Bettschart, der später eine bedeutende Rolle im Verlag einnehmen sollte: als helfende Hand in der frühen Sturm-und-Drang-Zeit, und dann als Keels Geschäftspartner und Teilhaber des Verlags.

»Ich hatte überhaupt kein Konzept, als ich das erste Diogenes Buch herausgab. Da war nicht die Spur einer verlegeri-schen Vision. Nur meine hartnäckige Überzeugung, dass die Cartoons von Ronald Searle gut waren und unter die Leute kommen sollten. So mache ich es

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starb nicht nur ein Ausnahmekünstler, ein Liebling des Publikums, ein höchst scharfsinniger Beobachter und Kom-mentator seiner Zeit. Mit Ronald Sear-le ist auch eine Ära beendet«, schrieb Andreas Platthaus in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung in einem Nachruf.

Ronald Searle starb am 30. Dezem-ber 2011, wenige Monate nach seinem Schweizer Verleger. Und so ist die Fak-simile-Ausgabe zum 60. Verlagsjubilä-um auch eine doppelte Hommage an Ronald Searle und an Daniel Keel. Und ein Anlass, sich wieder an den Inter-natszöglingen von St. Trinian und an den anderen Karikaturen zu erfreuen, die vor 60 Jahren so anstößig waren, dass kein deutscher Verleger sich an sie herantraute. Zum Glück – denn sonst gäbe es keinen Diogenes Verlag.·kam

Bilder im Uhrzeigersinn, von rechts oben:Daniel Keel (links im Bild) als junger Buchhändler der Münchner Buchhandlung Ludwig in der Theatinerstraße, 1949

Druckofferte vom 29. Juli 1952 für das erste Diogenes Buch

Umschlagentwurf für den Searle- Band, der Titel sollte sich noch ändern. Und nicht Erich Kästner schrieb das Vorwort, sondern Friedrich Dürren-matt.

Der Jungverleger mit einem Andruck, 1959

Dürrenmatts Begleitschreiben zu seinem Vorwort für Weil noch das Lämpchen glüht

Zwar nicht 60 Jahre, aber immerhin 50:

die Verlagsgeschichte

992 Seiten, KlappenbroschurISBN 978-3-257-05600-6

336 Seiten, KlappenbroschurISBN 978-3-257-05620-4

Briefe von und an Loriot, Fellini, Süskind, Ungerer,

Sendak, Highsmith, Schlink u. v. m.

Verstreute Texte aus 60 Jahren. Einblicke in die

Welt des Verlegers und Menschen Daniel Keel

ca. 288 Seiten, KlappenbroschurISBN 978-3-257-05617-4

Buchtipp

Zum 60. Verlagsjubiläum: Das allererste Diogenes Buch,

Cartoons von Ronald Searle mit einem Vorwort von Friedrich Dürrenmatt,

in einer nostalgischen Faksimileausgabe

Ronald Searle – »Der Jonathan Swift der Feder.«

Friedrich Dürrenmatt

112 Seiten, PappbandISBN 978-3-257-02119-6

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Wie gründet man einen Verlag? »Man ›nimmt‹ einen hoffnungsvollen Autor, einen gutgläubigen Drucker, mietet ein möbliertes Zimmer und eine Schreibma-schine, damit man dem Autor leserliche Briefe schrei-ben kann. Zumindest in meinem Fall war das so«, so Daniel Keel über die Geburt des Diogenes Verlags. Das erste Buch erscheint 1952: Cartoons von Ronald Searle, das zweite mit Zeichnungen von Paul Flora, der den ersten Verlagssitz als »altmodisches Untermieter-zimmer in einer altmodischen Wohnung in einem alt-modischen Haus« beschrieb, »mit der Buchhaltung in einem alten Persilkarton unter einem altmodischen Bett«. Im zweiten Verlagsjahr erscheinen sechs, 1954

Daniel Keel steht Hildi Hess in ihrem Atelier Modell, 1953. Verlag und Verleger logierten die ersten acht Jahre von 1952 bis 1960 zur Untermiete in einem möblierten Zimmer bei der Bild-hauerin in der Zürcher Merkurstraße 70.

Werbebrief und Verlagsprospekt für das erste Diogenes Buch, das 1952 erschien.

acht, 1955 zwölf, 1956 fünfzehn Bücher – aus dem Hob-by wird ein echter Verlag, der den Verleger aber nur spärlich ernährt. In einer Anzeige im Schweizer Buch-handel heißt es: »Wer nimmt in seinem Wagen gegen Benzinanteil Diogenes zur Frankfurter Buchmesse mit?«

Mit Cartoonbüchern, zum Beispiel von Tomi Un-gerer oder Jean-Jacques Sempé, aber vor allem von Lo-riot verdient der junge Verleger sein Geld. Das ambiti-onierte Kunstbuchprogramm, die ›Sammlung Atelier‹ mit illustrierten Büchern über Pablo Picasso, Paul Klee, Paul Cézanne, Ambroise Vollard und anderen ist dagegen ein kostspieliger Ladenhüter. Die Mittel blei-

Verlagschronik

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ben lange bescheiden: Der Vater hilft beim Korrigieren der Bücher, der jüngere Bruder übersetzt Bildlegenden aus dem Englischen, die Mutter und Tanten falzen Prospekte. Die ersten acht Jahre dient Keels Wohn-schlafzimmer gleichzeitig als Verlagsbüro. Erst 1957 kann sich der Verleger eine »halbe« Sekretärin leisten. Vor allem aber hilft ein Freund aus Kindheitszeiten: Rudolf C. Bettschart, der wie Keel am 10. Oktober 1930 geboren wurde, exakt zwei Stunden und zwanzig Minuten später. Schon in der Grundschule schrieb Keel die Aufsätze für Bettschart, während der im Ge-genzug die Mathematikaufgaben für Keel löste – ein Traumpaar.

Bettschart beginnt für seinen Freund die Buchhal-tung zu machen – zunächst in seiner Freizeit –, darin fallen besonders die Loriot-Verkaufszahlen positiv auf: Seine Bücher sind die ersten Bestseller und füllen die Kasse für literarische Experimente: illustrierte lite-rarische Texte, von Wolfgang Hildesheimer, aber auch von Balzac oder Čechov. Und für den Ausbau von Programm und Verlag. Die Geschenkbuchreihe ›Tabu‹ mit Cartoons und den ›Für Anfänger‹-Bänden, darun-ter viele humoristische Reiseführer, bildet das Rück-grat des Verlags im ersten Jahrzehnt.

Neben Loriot der zweite Erfolgsgarant für den jungen Verlag: Rudolf C. Bettschart (auf dem Foto rechts, 1969), der 1954 dazustieß und bis heute als Partner die geschäftlichen Geschicke des Verlags lenkt.

Einer der ersten Dio-genes Bestseller hieß bezeichnender weise: Der Weg zum Er folg. Und tat sächlich wäre das Wachstum des jungen Verlags ohne die Bü ch er von Loriot undenkbar. Oben: Loriot und Daniel Keel an der Frankfurter Buchmesse, 1954.

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Oben: Subtile Werbung für die erfolgreiche Geschenkbuchreihe ›Tabu‹, in der ab 1954 bis Mitte der 1960er-Jahre 159 Bände erscheinen.Aus dem Hobby wird ein Geschäft: Der Verlag wächst in den 1960er-Jahren stark.Links: Daniel Keel und Rudolf C. Bettschart mit Mitarbeiterinnen.

Links: Das Diogenes Team, 1969. Unten: Plakat von Tomi Ungerer für die ›Diogenes Kinder-bücher‹, die 1964 lanciert werden – unter anderem mit Büchern von Tomi Ungerer.

In den 1960er-Jahren wird der Verlag erwachsen: 1960 bezieht Diogenes eine ganze Etage in der eleganten Rämistraße und stellt den ersten Lektor ein. Vor allem aber: Am 1. November 1961 wird Rudolf C. Bettschart Keels Partner und verantwortlich fürs Geschäftliche und Organisatorische. Am selben Tag fängt in der Ga-lerie Daniel Keel Anne Diekmann an, die später als Anna Keel, Künstlerin und Ehefrau des Verlegers, den Verlag entscheidend prägen wird.

Das Programm wächst: Bis 1960 gab es nie mehr als 20 Neuerscheinungen pro Jahr, 1961 sind es 24, dann

steigt die Zahl auf 30 und dann 40 Titel pro Jahr. 1970 erscheinen 54 neue Bücher. Mit der Zahl der verlegten Bücher wächst auch die Zahl der Angestellten und der Mut, mehr Literatur zu verlegen: Die ›Diogenes Er-zähler Bibliothek‹ wird begründet, in der insgesamt 60 Bände erschienen. Im Allgemeinen Programm bil-den angelsächsische Autoren wie Carson McCullers, Muriel Spark und Ray Bradbury, irische Literatur und Kriminalliteratur den Schwerpunkt. Diogenes erbringt mit Autoren wie Patrica Highsmith, Eric Ambler oder Ross Macdonald den Beweis, dass Kriminalliteratur

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Kehrausball 1970 vor dem Umzug in die Zürcher Sprecherstraße, in der der Verlag noch heute seinen Sitz hat: Loriot, Roland Topor, Patricia Highsmith und Daniel Keel. Links daneben: Prospekte für die ›detebe‹, die Diogenes Taschenbücher, die ab 1971 zum wichtigsten Programmteil werden.

In den 1960er-Jahren verlagert sich der Schwerpunkt des Verlagsprogramms, weg von Cartoon und Geschenkbuch in Rich-tung Literatur. Ein Prestigegewinn ist der Verlagswechsel von Alfred Andersch (Foto von 1969) zu Diogenes 1967. Efraim ist der erste literarische Best-seller des Verlags, Weihrauch und Pum-pernickel von Otto Jägersberg 1964 das erste große literar ische Debüt bei Diogenes.

literarisch anspruchsvoll sein kann und sich auch noch verkauft – damals ein Novum. Doch auch der Bereich Cartoon wird weiter gepflegt, und da die Diogenes Zeichner auch Kinderbücher machen, gibt es 1964 eine neue Reihe: ›Diogenes Kinderbücher‹. Erste wichtige Titel sind Tomi Ungerers Die drei Räuber und Mau-rice Sendaks Wo die wilden Kerle wohnen. Mit der vielgespielten Molière-Neuübersetzung von Hans Weigel wird 1963 der ›Diogenes Theaterverlag‹ gegrün-det. Doch mit reiner Belletristik verdient Diogenes immer noch kein Geld: Der Umsatz stagniert und geht

1966 sogar zurück. Es sei nicht sein Ziel, Profit zu ma-chen, sondern das zu publizieren, was Spaß mache – beharrt Keel. Mit der Konsequenz, dass der Verlag kurz vor der Pleite steht. Bettschart kann das Blatt wenden, vor allem dank den Diogenes Sonderbänden, literarischen Anthologien, die, günstig in hohen Auf-lagen in der DDR gedruckt, als ideale Geschenke rei-ßenden Absatz finden.

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Oben: Daniel Keel mit Georges Simenon in Lausanne, 1977. Links: Daniel Keel in seiner Galerie mit Tomi Ungerer, 1974. Ungerers Großes Liederbuch wird ein veritabler Longseller.Daniel Keel mit Federico

Fellini, dessen Weltrechte der Verlag seit 1973 betreut, und Friedrich Dürrenmatt, 1977.

Die 1970er-Jahre werden vor allem geprägt von den Diogenes Taschenbüchern, die ab 1971 zu einer gewal-tigen Programmexpansion führen und zum finanziel-len Fundament werden, vor allem die sehr erfolg-reichen schwarz-gelben Krimi-Taschenbücher. (Die Reihe stirbt 1996, nicht ohne ein paar stille Tränen.)

In einer Zeit, in der andere Verlage das Literarische vernachlässigen und vermehrt auf Theorie und Sach-buch setzen, positioniert sich Diogenes als »letzter Belletrist« und publiziert das erzählerische Gesamt-werk vieler Autoren. Inzwischen zählt der Verlag mehr als 20 Mitarbeiter, bald schon 30, die seit 1970 in der Sprecherstraße untergebracht sind. Höhepunkte der

Verlagsgeschichte: 1973 übernimmt der Verlag die Weltrechte an Federico Fellinis literarischem und zeichnerischem Werk, 1977 beginnt Diogenes eine Georges-Simenon-Gesamtausgabe (die 1994 abge-schlossen wird), 1978 wird Friedrich Dürrenmatt, der ein Vierteljahrhundert zuvor das Vorwort zum ersten Diogenes Buch geschrieben hatte, Diogenes Autor. 1977, zum 25-Jahr-Jubiläum, erscheinen 134 Titel, dar-unter Bücher von Alfred Andersch, Urs Widmer und Klassiker-Werkausgaben von Balzac und Schopenhau-er. Aus Diogenes ist nun definitiv ein literarischer Ver-lag geworden. Zwar gibt es immer wieder Erfolge zu feiern, wie 1975 Das große Liederbuch von Tomi Un-

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Rudolf C. Bettschart und Patricia Highsmith bei der Feier zum 25jährigen Verlagsjubiläum in Wien, 1977.Rechts: Patrick Süskind und Daniel Keel vor dem Schloss de Montaigne bei Libourne, 1994. Der Welterfolg von Das Parfum ist der Wendepunkt für den Verlag. Die Essais von Montaigne, einem der Hausheiligen des Verlags, sind 1992 ein großer Erfolg beim Publikum und bei der Kritik.

Daniel Keel überreicht Ingrid Noll die Goldene Diogenes Eule für über eine Million verkaufte Bücher, 1999. Darunter: John Irving bei seinem ersten Besuch im Verlag, 1982.

gerer oder 1978 Wahrscheinlich guckt wieder kein Schwein von F. K. Waechter, doch in der Belletristik kommen selten Auflagen über 10 000 Exemplare vor, von Bestsellern ganz zu schweigen. 1980 schreibt Da-niel Keel in einem internen Memo: »Seit bald dreißig Jahren sammeln wir, nicht Bücher, nicht Objekte, son-dern Autoren. Frage: Haben wir die richtigen gesam-melt? Ich glaube, ja.« Die achtziger Jahre sind die Zeit der Konsolidierung: Die Aufbauphase der Taschen-buchreihe ist vorüber, nach der Rekordmarke im Jahr 1981 mit 169 Novitäten sinkt die Zahl der Neuerschei-nungen langsam. Den bestehenden Autorenfundus zu verwalten, die alten und neuen Bücher der Hausauto-

ren durchzusetzen, wird zum Hauptanliegen. Eine Zäsur markiert 1982 der Weggang des Cheflektors Gerd Haffmans, der nach Differenzen einen eigenen Verlag gründet – ein Großteil des Lektorats verlässt den Verlag.

»Welcher Millionär erleichtert dem jüngsten Verle-ger seine Arbeit, indem er ihm ein paar tausend Fran-ken à fond perdu überlässt?« Diesen Spendenaufruf hatte Keel Ende der 1950er-Jahre notiert, als Idee für eine nie erschienene Anzeige. Erst der Welterfolg von Patrick Süskinds Das Parfum macht Diogenes 1985 fi-nanziell unabhängig und bedeutet auch international den Durchbruch.

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Benedict Wells

Fast genialMartin SuterSmall World

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Astrid Rosenfeld

Adams ErbeRoman · Di ogenes

Links oben: Bernhard Schlink und Daniel Keel, 2000. Unten: Martin Suter und Donna Leon auf der Frankfurter Buchmesse, 1998.Mitte: Diogenes Geschäftsleiter Stefan Fritsch (links), Winfried Stephan (rechts) und Paulo Coelho feiern mit einer Buch-Torte das millionste Exemplar des Alchimisten, 2003.Rechts: Anna Keel mit Federico Fellini in der Galerie Daniel Keel, Mitte der 1970er-Jahre

Das Verlagssignet im Laufe der Zeit: 1955, von Daniel Keel gezeichnet, 1972, von Otto Dörries gestaltet, und seit 1977 ein Entwurf von Hans Höfliger.

Ist der Verlag in den 1970er-Jahren den Kinderschuhen entstiegen, so stehen die 1980er-Jahre im Zeichen der Professionalisierung. Abteilungen wie Werbung, Ver-trieb, Presse und Lizenzen werden personell verstärkt und besser organisiert. Und vor allem: Diogenes schafft es, auf die Erfolgswelle des Parfums aufzu-springen und sich dort zu halten. Diogenes Bücher werden gelesen: von John Irving, Andrzej Szczypiors-ki, Erich Hackl, Ingrid Noll, Doris Dörrie oder Phi-lippe Djian, später Donna Leon, Paulo Coelho, Ian McEwan, Bernhard Schlink, Martin Suter oder Martin Walker – und von vielen mehr. »Diogenes hat den Bo-gen raus. Nicht nur in der Unverfrorenheit, mit der der

Verlag seine Bücher für ›weniger langweilig‹ erklärt; er versteht es auch, den gebildeten Ständen ein Programm zu servieren, das sich zu allem Überfluss auch noch gut verkauft«, schreibt die Süddeutsche Zeitung.

Doch »Longseller sind besser als Bestseller«, findet Daniel Keel, und so leistet sich der Verlag bis heute viele Bücher, die sich nur selten (manchmal auch gar nicht) verkaufen, und versucht, das Gesamtwerk seiner Autoren lieferbar zu halten. Egal, ob als schön ge-drucktes Diogenes Buch, als Hörbuch oder E-Book, noch immer gilt das Diogenes Motto: »Jede Art zu schreiben ist erlaubt, nur nicht die langweilige« (Vol-taire).

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Das Diogenes Team mit Rudolf C. Bettschart (zweite Reihe ganz links) und Daniel Keel (erste Reihe ganz rechts) 2011 vor dem Verlagshaus fotografiert.

Seit 60 Jahren in Zürich beheimatet, immer im selben Quartier. Von ei-nem Zimmer in der Mer-kurstraße 70 zwischen 1952 und 1960, über die Beletage in der Rämi-straße 33 bis 1970, zur Sprecherstraße 8, wo erst drei Etagen bezogen wurden und seit dem Umbau 1995 auch der größte Teil des Neben-hauses genutzt wird.

Der Verwaltungsrat und die Geschäftsleitung (hinten, von links nach rechts): Stefan Fritsch, Rudolf C. Bettschart, Jakob Keel, Katharina Erne, Winfried Stephan; (vorn, von links nach rechts): Ruth Geiger, Philipp Keel und Daniel Kampa, 2012.

Heute besteht das Diogenes Team aus 72 Mitarbeitern: In Zürich arbeiten 54 Frauen und 18 Männer. In 60 Jah-ren sind 4070 Bücher von 796 Autoren erschienen, in einer Gesamtauflage von über 200 Millionen Exemp-laren.

Wie geht es weiter? Nach dem Tod von Anna Keel 2010 und dem Tod von Daniel Keel ein Jahr später hat im April 2012 Philipp Keel die Nachfolge seines Vaters als Diogenes Verleger angetreten, sein Bruder Jakob ist Präsident des Verwaltungsrats. Rudolf C. Bettschart,

Kompagnon der ersten Stunde, Teilhaber und Dele-gierter des Verwaltungsrats, ist weiterhin aktiv im Ver-lag tätig. »Eigentlich bin ich optimistisch, denn schließlich wird der große Mythos vom Menschen, der einem anderen eine Geschichte erzählt, nicht so schnell verschwinden«, so sagte einst Federico Fellini.

Auch der Diogenes Verlag blickt optimistisch in die Zukunft – das Archiv zur Verlagsgeschichte heißt je-denfall seit der Gründung »100 Jahre Diogenes«.·kam

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Herr Keel, Ihr Vater, Diogenes Grün-der Daniel Keel, ist im vergangenen September gestorben. Warum hat es so lange gedauert, bis Sie seine Nach-folge angetreten haben?Mir kam es gar nicht so lange vor. Ir-gendwie war es für uns alle unvorstell-bar, dass mein Vater einmal nicht mehr da sein würde. Trotzdem habe ich mich aber schon lange gefragt, was in dem Falle passieren würde – vor allem: was die Konsequenzen wären, wenn je-mand, also ich, die Verantwortung nicht übernähme. Und ich finde, die Familie, jemand aus der Familie, schul-det das dem Verlag. Die vergangenen sechs Monate haben mir klargemacht, dass ich diese Aufgabe gerne annehme und ich mir einen Frühling für Dioge-nes vorstellen kann.

Sie sind der Jüngere. Wollte Ihr Bru-der Jakob nicht? Wir zwei sind zwar völlig verschieden, verstehen uns aber sehr gut. Jakob ist mehr der Zahlenmensch, weniger ver-spielt. Er hat als Präsident des Verwal-tungsrats ein wichtiges beratendes Mandat und ist mir in dieser Position eine große Stütze.So wie Sie ihn und sich schildern, klingt das doch ähnlich wie die Auf-gabenteilung zwischen Ihrem Vater und seinem Freund, Jahrgangsge-nossen und Partner Rudolf C. Bett-schart. Haben Sie mit Blick auf die Zukunft so etwas schon anvisiert?Ich kann mir wie bei meinem Vater auch gar nicht vorstellen, dass Ruedi Bettschart – mein Patenonkel, mein zweiter Vater – einmal nicht mehr da

ist. Wir leben und arbeiten so dahin, wir machen immer weiter: Das ist das Verrückte an diesem Verlag. Ich bin froh, dass Ruedi Bettschart jeden Tag im Haus ist und sich immer noch um alles kümmert.

Ich bin zwar mit Diogenes aufge-wachsen, konnte aber in den letzten Monaten viel Neues von ihm dazuler-nen. Was denn?Zum Beispiel, dass wir ruhig etwas strenger sein können bei dem, was wir uns bisher geleistet haben. Wir müssen zum Beispiel nicht mehr jedes Buch lieferbar halten, das sich nicht ver-kauft – ohne dass das gleich der Dioge-nes Kultur schadet.Damit sind wir bei dem, was Dioge-nes bleiben soll und was sich unter

Seit April 2012 hat der Diogenes Verlag einen neuen Verleger. Philipp Keel übernahm die Nachfolge seines Vaters Daniel Keel, der den Verlag gegründet und bis zu seinem Tod im September letzten Jahres geleitet hat. Viele Traditionen will Philipp Keel mit seinem Kompagnon Rudolf C. Bettschart fortführen. Ein besonderes Anliegen ist ihm, dem Maler und Fotografen, die Gestaltung der Diogenes Bücher, ihr hoher Wieder erkennungswert. Trotz schwieriger Zeiten für den klassischen Buchhandel ist er überzeugt, dass das gedruckte Buch überleben wird, wie er im Gespräch mit Martin Ebel erzählt.

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Ein Gespräch mit Philipp Keel

Wir machen weiter

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Ihnen ändern wird. Ich frage mal stichwortartig ab. Der Zürcher Ver-lagssitz: Tradition, aber teuer.Wird bleiben.Die Unabhängigkeit des Verlags?Unbedingt!Die rein belletristische Ausrichtung?Auch. Wenn uns allerdings ein gut ge-schriebenes Sachbuch unterkommt, warum nicht?Ihr Vater sagte, er verlege keine Bü-cher, sondern Autoren. Bleiben Sie jedem, der einmal bei Diogenes veröf-fentlicht hat, treu?Ja, wenn er nicht mit einem Agenten kommt und Unmögliches verlangt. Die Verbundenheit mit den Autorin-nen und Autoren ist für Diogenes von besonderem Wert.Die Liebe zu Klassikern und großen Werkausgaben?Ja. Ich halte übrigens eine schöne Aus-stattung für einen Teil der Attraktivität. Sie kann eine zusätzliche Motivation sein, etwa für ein jüngeres Lesepubli-kum, sich an den gesamten Čechov oder den ganzen Balzac zu wagen.Das Erscheinungsbild: Weißer Um-schlag mit abgerundetem Rähmchen um den Titel?Ich behaupte, und das könnte man mit Zahlen belegen, dass diese Ästhetik Diogenes sehr geholfen hat bei ihrer Einführung in den frühen Neunziger-jahren. Sie schafft Ruhe und einen Wie-dererkennungswert in einem unruhi-gen und bunten Verlagsumfeld.Die ›D-Klasse‹ – also das gut unter-haltende, gut verkäufliche Buch als Markenzeichen?Mit diesen Büchern bin ich aufgewach-sen. Mein Vater hat immer wieder Vol-taire zitiert: »Jede Art zu schreiben ist erlaubt, nur nicht die langweilige.« Na-türlich müssen wir gewisse Bücher auch machen, um uns andere leisten zu können … … Paulo Coelho zum Beispiel …Zum Alchimisten habe ich meinen Va-ter sogar etwas gedrängt. Man könnte auch sagen, unsere ganz erfolgreichen Autoren tragen die weniger bekannten.Schließlich die Treue zu den Mitar-beitern – für Diogenes arbeiten 72 Leute, viele seit Jahrzehnten. Kön-nen Sie sich die in den heutigen Zei-ten alle leisten?

So wie der Verlag aufgestellt ist, kann es bleiben. Wir haben eine Geschäfts-leitung und ein Team von Mitarbeite-rinnen und Mitarbeitern, wie es kein zweites gibt, nicht nur in dieser Bran-che! Jeder arbeitet mit Leidenschaft mit, und auf keinen möchten wir ver-zichten.Der hohe Frankenkurs bereitet den Schweizer Verlagen große Probleme, auch Diogenes. Können Sie mit ei-nem Kurs von 1.20 zum Euro lang-fristig leben?Es ist bestimmt nicht einfach im Mo-ment, aber wir hatten ja auch sehr gute Jahre, als der Euro eingeführt wurde und hoch zum Franken stand. Da Deutschland unser größter Markt ist, verfolgen wir alle mit etwas Bangen,

Auftritt, das, was man Corporate Iden-tity nennt. Das kann man sicher noch perfektionieren. Ein anderer Bereich ist das Kinderbuch. Ich bin mit Dioge-nes Kinderbüchern aufgewachsen, die mir mein Vater vorgelesen hat – das waren ja die einzigen Momente, die ich mit ihm allein hatte. Diese Autoren – Ungerer, Sendak, Sempé – möchte ich pflegen; ich denke, die Zeit ist wieder da für freche, lustige Kinderbücher.Das sind gute Namen, aber auch alte Namen. Ähnlich ist es in der Bellet-ristik. Ihre Topautoren sind seit Jahr-zehnten im Verlag. Wo bleiben die tollen neuen Stimmen?Die haben wir. Bestimmt gehören viele unserer besten Autoren zur Generati-on meines Vaters, doch wir sind mitten in einem Generationswechsel. Neh-men Sie Astrid Rosenfeld mit ihrem Roman Adams Erbe: Das ist unsere Entdeckung, und sie ist schon ein in-ternationaler Erfolg. Dann Benedict Wells, Anthony McCarten, Laura de Weck, Christoph Poschenrieder, Mi-randa July. Oder Joey Goebel, von dem wir noch Großes erwarten. Im Herbst kommt mit Anna Stothard eine junge, vielversprechende Engländerin.Die Buchbranche ist schwerem Wet-ter ausgesetzt. Die Umsätze gehen zurück, E-Books sind im Vormarsch, das Urheberrecht ist unter Druck. Wie gut sind Sie aufgestellt fürs nächste Jahrzehnt?Was die Umsätze angeht, halten wir uns gut. Im E-Book-Bereich sind wir weit gediehen und entwickeln etwas, das ›Diogenes-like‹ ist. Meine Ideen kreisen aber doch vor allem um das klassische Buch. Ich denke, wir haben schwierige Zeiten vor uns, aber wir werden sie überstehen, und wenn dann viele nicht mehr wissen, was das gute klassische Buch ist, werden wir zu de-nen gehören, die immer noch wissen, wie man gute Bücher macht. Ich bin sicher, die Freude am Sinnlichen wird wieder eine größere Rolle spielen – ge-rade weil wir von so viel Technik um-geben sind. Es ist ein bisschen wie die alte Vespa, für die es ja auch eine neue Begeisterung gibt.Diogenes, die Vespa der Literatur?(lacht)·Dieses Interview erschien zuerst im

›Tages-Anzeiger‹, Zürich, am 28. April 2012.

Die Freude am Sinnlichen wird wieder eine größere

Rolle spielen, gerade weil wir von so viel Technik

umgeben sind.

wie sich die Eurokrise entwickelt. Aber Unruhe und Angst begleiteten Dioge-nes von Anfang an. Mein Vater kam oft ratlos nach Hause und sah sein Schiff-chen mehr als einmal kentern. Das ha-ben wir alle mitgekriegt. Vielleicht gibt mir diese Krisenerfahrung eine gewisse Ruhe, auch bei schwierigen Perspekti-ven.Sie sind eigentlich Künstler. Wollen Sie den jetzt begraben?Das könnte ich gar nicht. Ich kann doch den Künstler in mir nicht ab-schneiden wie eine Scheibe alter Salami. Das habe ich mir eben auch überlegen müssen, bevor ich die Nachfolge antrat. Das eine wird das andere unterstützen. Ich muss mich künftig nur besser orga-nisieren, denn ich fange nicht ein neues Leben an, sondern es kommt noch ei-nes obendrauf.Wollen Sie den Verlag stärker in den Kunstbereich führen?Kunstbücher machen? Sicher nicht. Da ist der Markt schon gut bestückt. Aber natürlich ist mir das Visuelle wichtig. Das betrifft zum Beispiel den ganzen

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Kurz vor dem 30. Verlagsjubiläum lanciert Diogenes 1971 eine eigene

Taschenbuchreihe, die dem neuen Ver-lagsmotto huldigt: »Jede Art zu schrei-ben ist erlaubt, nur nicht die langweili-ge« (Voltaire). Denn in den Diogenes Taschenbüchern wird erzählt – was damals, kurz nach 1968, irrwitziger-weise geradezu revolutionär war. Denn »während andere Reihen ihr natürli-ches Fundament, das Epische, auf den Altären der Soziologie und Politwis-senschaften geopfert haben, hat der Diogenes Verlag das Gegenteil getan … Diogenes tritt in die epische Lücke ein«, kommentierte Curt Hohoff da-mals. Während also andere Verlage im Taschenbuch auf Wissenschaft und Sachthemen setzten, kaufte Daniel Keel frei gewordene Lizenzen weltbe-rühmter Erzähler und brachte sie als Taschenbücher auf den Markt. William Faulkner, W. Somerset Maugham, D. H. Lawrence, Anton Čechov, Robert Louis Stevenson, aber auch moderne Klassiker der Kriminalliteratur wie Hammett, Chandler, Macdonald, Am-bler oder Patricia Highsmith.

Neben dem abgerundeten Rahmen werden auch die Titelzeichnungen von Tomi Ungerer zum Erkennungszei-chen der Reihe. »Umschlagvignetten, du kannst auf mich zählen, ich werde alle zeichnen«, verspricht Tomi Unge-rer Daniel Keel 1973 in einem Brief. Und er hält sein Versprechen, zeichnet

Der passionierte Leser Tomi Unge-rer schwärmt noch heute: »Es war mehr als eine Arbeit, es war ein Aus-tausch über Literatur, ein Wiederent-decken oder Wiederlesen von Klassi-kern. Was habe ich mit Daniel Keel in diesen Jahren über Bücher gesprochen! Wir haben uns gegenseitig Tipps gege-ben, er hat Klassiker gedruckt, die ich ihm empfohlen habe, und im Gegenzug habe ich Bücher gelesen, die ich sonst nie in die Hand genommen hätte.«

Heute lagern mehr als tausend Ent-würfe für die Diogenes Buchumschlä-ge im Archiv des Museum Tomi Unge-rer in Straßburg, in der professionellen Obhut der Direktorin Thérèse Willer. Die Zeichnungen werden momentan eingescannt und katalogisiert, eine gro-ße Ausstellung ist in Vorbereitung. Vorab erscheint eine Postkartenbox mit 60 ausgewählten Motiven zum 60. Ju-biläum des Diogenes Verlags.

Tomi Ungerer kann es heute fast selbst nicht fassen, wie viele Entwürfe damals entstanden sind: »Woher habe ich nur die Zeit und die Energie ge-habt? Das ist total verrückt. So etwas

»Ein Zeichengenie, einer der großen Zeichner dieser Epoche«, nannte die Frankfurter Allgemeine Zeitung Tomi Ungerer. Und dieses Genie konnte der Diogenes Verlag in den 1970er-Jahren verpflichten, Um-schlagvignetten für die neu lancierten Diogenes Taschenbücher zu zeichnen. Eine Zusammenarbeit, die das Gesicht der Diogenes Taschenbücher prägt – bis heute. Ein Glücksfall.

Die Bücherbildervon Tomi Ungerer

60 Jahre Diogenes

Tomi Ungerer mit Thérèse Willer, die das Museum Tomi Ungerer in Straßburg seit seiner Eröffnung im Jahr 2007 leitet.

»Umschlagvignetten, du kannst auf mich zählen, ich werde alle zeichnen.«

in seinem Atelier auf der Grundlage von Inhaltsangaben oder kommt in den Verlag, wo er manchmal an einem ein-zigen Nachmittag ein ganzes Programm kongenial umsetzt. Bis Mitte der 1980er-Jahre gestaltet Tomi Ungerer mehrere hundert Diogenes Umschläge, vor allem für die bald legendäre schwarz-gelbe Krimireihe, aber auch für die großen Werkausgaben, die in unterschiedlichen Farben gehalten sind: das Faulkner-Blau, das Lawrence-Grün, das Orwell-Rot. Ill

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könnte ich heute gar nicht mehr schaf-fen.« Für die Auswahl der Postkarten-box stöberte er in seinen alten Skiz-zen – es war wie eine Zeitreise für den Zeichner: »Das war eine Zeichnung für einen Highsmith-Roman. Ach, die Pat, so eine skurrile Frau! Das hier sind Skizzen für die Werkausgabe von W. Somerset Maugham, das sind Bilder für die irischen Klassiker, das ist gar nicht so schlecht gezeichnet, nicht wahr?« Das Archiv birgt sogar für Tomi Unge-rer einige Überraschungen: unveröf-fentlichte Skizzen, Zeichnungen, die der Künstler selbst vergessen hat.

Die fruchtbare Zusammenarbeit zwischen dem Verlag und Tomi Unge-rer wird sicherlich nie in Vergessenheit geraten. Denn noch heute werden viele Diogenes Bücher mit Tomi Ungerers Vignetten nachgedruckt, auch wenn die Hintergrundfarbe der Bücher seit 1996 weiß ist. Bereits 1981 schrieb das Magazin Graphik: »Seit zehn Jahren gelingt es dem Verlag, sein ambitio-niertes literarisches Programm ebenso anspruchsvoll wie ansprechend zu prä-sentieren. Die Einbandgestaltung ist mittlerweile zum Markenzeichen ge-worden.« Dieses Lob gebührt vor al-lem Tomi Ungerer und seinen wunder-schönen Bücherbildern.·kam

Buchtipp

Zum 60. Verlagsjubiläum gibt es jetzt eine prächtige Postkarten-Box mit den 60 schönsten Bücherbildern von Tomi

Ungerer. Es ist eine Art visuelle Verlagsgeschichte, eine gezeichnete

Literaturgeschichte, eine Tomi-Unge-rer-Ausstellung en miniature, vor allem

aber ein wahrer Augenschmaus.

Box mit 60 farbigen PostkartenISBN 978-3-257-02117-2Erscheint im November

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Wie lernt man das Erzählen? Eine gewisse vererbte Neugier hilft

wahrscheinlich. Meine ganze Familie ist neugierig. Mein Großvater spazierte in den Sommerferien den ganzen Tag den Strand entlang, die Hände auf dem Rücken, und abends wusste er über alle Urlauber etwas zu erzählen. Verwi-ckelte Familiengeschichten, bestürzen-de Tragödien, komische Anekdoten, unglaubliche Verirrungen und Verwir-rungen. Neben dem Esstisch im Haus meiner Großeltern hing ein Bild mit Judith und dem blutigen, abgeschlage-nen Kopf des Holofernes auf einem Teller. Ich hielt das für sehr passend, zum einen wegen des Tellers, und zum anderen wegen der oft schaurigen Ge-schichten, die mein Großvater zu er-zählen wusste. Wenn er sprach, schwie-gen alle und hörten auch auf zu essen. Das störte mich manchmal ein wenig, aber je besser die Geschichte war, die er erzählte, umso mehr vergaß man den Hunger. Einen härteren Test für einen Erzähler gibt es wohl kaum.

Meine Mutter hat die Neugier und die Fähigkeit, mit jedem ins Gespräch zu kommen, von ihrem Vater geerbt. Außerdem besitzt sie einen überfeinen Hörsinn für intime Gespräche viel wei-ter vorn in einer Warteschlange oder am übernächsten Tisch in einem Res-taurant. Das Aufschnappen gilt in mei-

höhung. Er hat größenwahnsinnige Nachtträume und eine pessimistische Weltsicht, daraus speist sich sein tief-schwarzer Humor und anarchischer Geist.

Seine Ironie und sein Spaß am Un-sinn trieben mich als Kind zu choleri-schen Anfällen, weil er vorsätzlich alle Märchen durcheinanderbrachte. Der böse Wolf fraß Schneewittchen, Gold-marie heiratete Hans im Glück, und Rumpelstilzchen fing mit dem Däum-ling ein neues Leben an.

Ich liebte Märchen über alles, be-sonders die blutrünstigen Versionen. Meine besorgte Mutter erzählte mir die vegetarischen Fassungen, aber von ei-ner robusten und sehr jungen Babysit-terin hörte ich die blutigen. Gefragt, welche Fassung mir denn besser gefiele, antwortete ich wie aus der Pistole ge-schossen: Die mit dem Blut! Denn grässlich mag ich gern!

Na klar – die Dramaturgie der größt-möglichen Fallhöhe erkennt schon je-des kleine Kind.

Der Vater ein Pointenkünstler, die Mutter eine Aufschnapperin – Doris Dörrie liegt das Erzählen im Blut. Schon als Kind verschlang sie Geschichten wie andere Kinder Gummibärchen. Sie glaubt, dass wir gar nicht anders können, als uns unsere Lebens geschichten zu erzählen, weil wir sonst verrückt würden.

Doris Dörrie

Hunger nach Geschichten

Welche Fassung mir am besten gefiel? Die mit

dem Blut! Denn grässlich mag ich gern!

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ner Familie als Kunst. Man kehrt mit ›Aufgeschnapptem‹ nach Hause zurück wie eine Katze mit einer Maus im Maul und legt es stolz vor den erwartungs-vollen Zuhörern ab. Auf die Straße zu gehen und nichts zu erleben, wovon man erzählen könnte, erscheint uns seltsam, fast sinnlos.

Mein Vater ist ein Pointenkünstler und pflegt die Übertreibung und Über-

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Als ich anfing zu lesen, flüchtete ich mich in Grimms Märchen wie in ein Zimmer, das ich hinter mir absperren konnte und zu dem niemand anders Zutritt hatte als ich selbst. In einer gro-ßen Familie war das eine faszinierende Entdeckung, dass ich nur zu lesen brauchte, um allein in eine andere Welt zu gehen. Ich begann Bücher zu ver-schlingen wie andere Kinder Gummi-bären. Ich wurde süchtig und habe die-se Sucht nie wieder ablegen können. Lesen als Betäubung. Die Geschichten der anderen, um der eigenen nicht schutzlos ausgeliefert zu sein.

Irgendwann entdeckte ich, dass ich in den gelesenen Geschichten selbst auftauchen konnte, wenn ich sie mir in der ersten Person selbst erzählte. Ich verwandelte mich abwechselnd in Win-netous Schwester oder sein Pferd, war Robinsons Freitag und fuhr als meu-ternder Matrose mit auf der Bounty. Ich erzählte mir diese Geschichten selbst zum Einschlafen. Wenn ich Glück hatte, wurden sie zu meinen Träumen. Diese Technik habe ich bis heute beibehalten. Ich gehe mit meinen erfundenen Figuren ins Bett und hoffe, dass sie in meinem Traumhirn umher-wandern und aufregende Dinge erle-ben. Klappt erstaunlich oft.

Je älter ich wurde, desto weniger fas-zinierten mich die durch und durch exotischen Welten, dafür immer mehr die, die meiner eigenen ähnelten. Ich las mich von Karl May und Stevenson vor zu Dostojewski, Tolstoi und Čechov, dann immer weiter zu Auto-ren wie Bachmann, Kaschnitz, Frisch und Handke, bis ich, als ich in den USA studierte, bei Carver, Munro, Ford, Beattie anlangte. Dass es möglich war, die alltägliche Welt exotisch zu be-schreiben, beeindruckte mich zutiefst und beeinflusste mich bei meinem ei-genen Schreiben wahrscheinlich am gründlichsten und nachhaltigsten. Der Naturalismus dieser amerikanischen Autoren lehrte mich, dass in der genau-en Beobachtung meiner Umgebung der Schlüssel für mich lag – damit war ich im Grunde wieder bei meinem Großvater und seinen Strandreports gelandet. Zuhören und Zuschauen, ein aufmerksamer Zeuge sein, das wurde meine Schreibgrundlage. Die Neugier,

die mir meine Mutter vermacht hatte, und meine eigene Kommunikations-wut kamen mir dabei sehr zu Hilfe. Um das gesammelte Material drama-turgisch zu formen – also zu überspit-zen und die Pointe beziehungsweise den Sinn zu finden –, orientierte ich mich am Erzählen meines Vaters. Ich betrachte mich also als das erzählgene-tische Produkt meiner Familie.

Die Frage ist, warum alle in meiner Familie so unbedingt erzählen mussten und müssen. Sicherlich, um zu unter-halten, sich zu produzieren, Applaus zu bekommen. Aber der eigentliche Antrieb scheint mir vor allem das Stau-nen darüber zu sein, wie die anderen ihr Leben meistern. Die ernsthafte Neugier darauf, wie man das so macht

Eine große Familie scheint das Er-zählohr und -erbe zu fördern. Wir sa-ßen immer an einem großen Esstisch, und immer hatte einer der Erwachse-nen etwas zu erzählen. Unbeobachtet und unbeachtet konnte man als Kind am Tischende zuhören oder es auch lassen – auf jeden Fall bekam man oft Geschichten mit, die nicht unbedingt für Kinderohren bestimmt waren. Ich konnte studieren, wie eine Geschichte erzählt wurde, ob unterhaltsam oder langweilig, wann man auf die Pointe lauerte, wann man das Interesse verlor, welche Protagonisten interessant wa-ren und welche weniger. Ein Essen ohne Erzählung war nicht vorstellbar. Wozu setzte man sich denn sonst zu-sammen an einen Tisch? In einer Klein-familie wird das Erzählen schnell müh-sam, besonders, wenn einer der beiden Eltern kein Erzähltalent hat. Und wenn man gar nicht mehr zusammen isst, wo wird dann noch erzählt? Und wo wird das Erzählen trainiert? Woher be-kommt man ein knallhartes Publikum wie die eigene Familie, die einfach auf-steht und den Tisch abräumt, wenn die Geschichte nicht gut ist? Vielleicht sollten wir uns also um ein modernes ›Esstischtraining‹ bemühen, um große Tische, viele Leute, jung und alt – und gutes Essen.·

mit dem Leben. Und vor allem mit dem Leiden, das anscheinend das We-sen des Lebens ist. In all den verschie-denen Varianten des Erzählens am Ess-tisch war für mich immer derselbe Impuls zu spüren: Weil das Leben Lei-den ist, müssen wir erzählen. Wir müs-sen erzählen, um nicht verrückt zu werden. Überraschende Happyends nähren die idiotische Hoffnung in uns, dass das Leben am Ende doch gut aus-gehen könnte. Erschütternde Tragö-dien lassen uns erleichtert aufatmen, weil es die Tragödien der anderen sind. Geschichten sollen uns das Unerklärli-che erklären. Wir können nicht nicht erzählen. Unser Gehirn möchte Zu-sammenhänge erkennen. Es besteht darauf, in Wolkenformationen Gesich-ter und Tiere zu sehen. Es kann nicht anders. Wir haben ein Geschichtenge-hirn, das gefüttert werden will. Es ist ein Nimmersatt. Wir bekommen nie genug. Und je mehr wir uns antrainie-ren, in einer scheinbar sinnlosen Anei-nanderkettung von Details erkennbare Formen und Geschichten auszuma-chen, umso mehr haben wir zu erzäh-len.

Wir haben ein Geschichten-gehirn, das gefüttert werden will. Es ist ein

Nimmersatt.

Buchtipp

Ein Sommer in Spanien, nach dem nichts mehr sein kann, wie es war.

Vier ganz unterschiedliche Menschen auf der Suche nach der Sonnenseite des Lebens. Kann man das Glück buchen

wie einen Urlaub, alles inklusive?

256 Seiten, LeinenISBN 978-3-257-06781-1

Auch als Diogenes Hörbuch und E-Book

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Eigentlich erzähle ich alles mir selbst. Als mein Sohn klein war und ich

ihm vor dem Einschlafen Geschichten erzählt habe, habe ich ihm erzählt, was ich als Kind gerne erzählt bekommen hätte. Ich habe die Gestalten in Zeiten gesetzt und in Kostüme gekleidet, von denen ich wusste, dass er sie mochte –mal ins Altertum, mal ins Mittelalter und mal auf einen fernen Planeten. Ich habe den Geschichten auch Wendun-gen und Lösungen gegeben, von denen ich wusste, dass sie ihn freuten. Aber es blieben Geschichten, die ich gerne ge-hört hätte.

Als ich zu schreiben anfing, war es nicht anders. Die Kriminalromane, die ich geschrieben habe, waren Kriminal-romane, die ich gerne gelesen hätte. Ich habe auch, solange ich Kriminalroma-ne geschrieben habe, keine anderen Kriminalromane gelesen – das Lesebe-dürfnis war im Schreibbedürfnis aufge-hoben. Ich meinte nicht, meine Krimi-nalromane seien die besten und ich könnte keine besseren lesen. Aber ei-nen besseren mochte ich neben dem Schreiben meines Kriminalromans ebenso wenig lesen, wie man neben der

Lektüre eines Kriminalromans nicht zugleich einen anderen, besseren lesen mag. Erst seit ich keine Kriminalroma-ne mehr schreibe, lese ich wieder ande-re Kriminalromane.

Nicht dass ich heute neben dem, was ich schreibe, nichts läse. Das Feld der Kriminalliteratur ist klein genug, dass das Lesebedürfnis im Schreib-

auf die Frage kommen, ich vermute, die Lehrer und Lehrerinnen regen sie an. Ich schreibe zurück, dass ich beim Schreiben nicht an Leser und Leserin-nen denken und mir nicht vorstellen kann, was sie gerne lesen, um es ihnen dann zu geben. Das stimmt auch. Dass ich für mich selbst schreibe – so platt mag ich es nicht sagen.

Wer sind Ihre Vorbilder? Auch auf diese Frage habe ich keine rechte Ant-wort. Was ich mir von anderen Auto-ren und Autorinnen gerne erzählen lasse und was ich mir gerne erzähle, hat vermutlich miteinander zu tun. Aber so schreiben, wie sie schreiben, so er-zählen, wie ich mir von ihnen erzählen lasse – es kam mir nie in den Sinn.

Geht es allen Autoren und Autorin-nen so? Ich habe nur eine Autorin fra-gen können, die mir sagte, natürlich, so sei es, so gehe es ihr auch, so gehe es allen. Aber ob das stimmt? Ob andere nicht doch für die Leser und Leserin-nen schreiben? Daran denken, was sie traurig und was sie glücklich macht, was sie hassen und was sie lieben? Da-mit spielen und es so komponieren, dass es wird, was sie wollen? Ich finde

Denkt er an seine Leser, wenn er schreibt; stellt er sich vor, was sie traurig oder glücklich macht, was sie lieben oder hassen? Gibt es Vorbilder, an denen er sich beim Schreiben orientiert? Bernhard Schlink beantwortet in diesem Essay Fragen, die ihm seine Leser immer wieder stellen, und gibt Auskunft über sein Selbstverständnis als Schriftsteller.

Bernhard Schlink

Für wen ich schreibe

Ich kann nur schreiben, was ich gerne läse, nur die Geschichten erzählen, die ich gerne erzählt bekäme.

Essay

bedürfnis aufgehoben wird. Im großen Feld der übrigen Literatur passiert das nicht. Aber es bleibt dabei, dass ich nur schreiben kann, was ich gerne läse, nur die Geschichten erzählen kann, die ich gerne erzählt bekäme.

Für wen schreiben Sie? Die Frage wird mir immer wieder von Schülern und Schülerinnen gestellt, die ein Refe-rat über mich halten, eine Arbeit über mich schreiben müssen. Ich weiß nicht, ob die Schüler und Schülerinnen selbst

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die Vorstellung einer solchen Einfüh-lung, einer solchen Beherrschung der Leser und Leserinnen und der damit einhergehenden Gewissheit, gelesen zu werden, beeindruckend.

Sollten Autoren und Autorinnen es tatsächlich können – ich neide es ihnen nicht. Obwohl ich gelesen werden möchte. Obwohl ich hoffe, dass, was ich mir selbst erzähle, auch andere ger-ne erzählt bekommen. Denn wenn die Hoffnung sich erfüllt – was für ein Ge-schenk! Es macht glücklicher, als die Bestätigung der Gewissheit es machen könnte.

Als Kind habe ich Hauffs Märchen wieder und wieder gelesen. Dabei habe ich den von Hauff wunderbar gestalte-ten Rahmen ebenso gemocht wie die Märchen selbst, die Erzählung, wie die Menschen sich begegnen und dazu kommen, sich etwas zu erzählen, eben-so wie das, was sie sich erzählen. Ich habe davon geträumt, in der Karawane mitzureiten, meine Geschichte zu er-zählen, die Geschichten der anderen erzählt zu bekommen und den Frem-den am Ende seiner Erzählung sagen zu hören: »Man nennt mich den Herrn der Wüste; ich bin der Räuber Orba-san.« Ich habe mir das Leben als Rah-men fürs Erzählen geträumt.

Es ist mehr als das – zum Glück. Aber zum Glück ist es auch der Rah-men, in dem wir einander erzählen.·

Buchtipp

»Bernhard Schlink lotet tief und bietet fein nuancierende, erlesene

Kammerspiele.« Focus

Diogenes Taschenbuchdetebe 24169, 288 Seiten

Auch als Diogenes Hörbuch und E-Book

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Roman Stendhals Die Kartause von Parma und Flauberts Die Erziehung des Herzens

Sachbuch die Bibel, die Essais von Montaigne und Die Kulturgeschichte der Neuzeit von Egon Friedell

Lyrik alles von Goethe, alles von Heine

Philosophie Walden von H. D. Thoreau

Theaterstück Frank V. von Friedrich Dürrenmatt, hochaktuell, Tartuffe von Molière, in der Über setzung von Hans Weigel

Erzählung Der Mantel von Nikolai Gogol

Hörbuch Das Qualtinger Hörbuch und Flattergeist von Anton Čechov, gelesen von Ernst Schröder Zeitschrift D – Das Diogenes Magazin

TV-Sender Tele Züri Film 8 1/2 und Orchesterprobe von Federico Fellini

TV-Serie Die Muppet-Show

Schauspieler Louis Jouvet, Alec Guinness und Fred Astaire

Jeder kennt die Frage: Welches Buch würden Sie auf die einsame Insel mitnehmen? In jedem Diogenes Magazin stellen wir diese Frage. Um es etwas spannender (und bequemer) zu machen, dürfen die Befragten mehr als nur ein Buch mitnehmen. Im letzten Jahr fragten wir Diogenes Verleger Daniel Keel. Leider blieb ihm keine Zeit mehr für die Insel. Er starb im September 2011 im Alter von 80 Jahren.

Daniel Keelauf der einsamen Insel

Schauspielerin Joan Greenwood, Judy Holliday und Marilyn Monroe Oper Cosí fan tutte von Mozart

Klassik Die Streichquartette von Schubert und das Menuett aus Mozarts Violinsonate in e-Moll, KV 304, gespielt von Arthur Grumiaux und Clara Haskil

Jazz Alles von Duke Ellington und Louis Armstrong, und Concert by the Sea von Erroll Garner

Pop / Rock Was ist das?

Musikinstrument eine Harfe

Gemälde Pommes et biscuits (um 1880) von Paul Cézanne, das sonst im

Musée de l’Orangerie des Tuileries, Paris hängt

Parfum Aramis After Shave

Kleidungsstück ein kobaltblaues Leinenhemd

Möbelstück ein harter Stuhl

Spiel Eile mit Weile Essen (süß) Original Zuger Kirschtorte von der Konditorei Speck beim Bahnhof in Zug

Essen (nicht süß) die echten Frankfurter Würstchen mit Meer-rettich

Trinken (alkoholisch) Bordeaux

Trinken (nicht-alkoholisch) Cappuccino, Pina Ferrari macht ihn am besten Lebenspartner eine schöne Frau

Lebensretter eine kräftige junge Frau

Streitpartner Marcel Reich-Ranicki, bekannter Kritiker

Briefpartner Lieber telefoniere ich

Haustier ein weißer Tiger

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Ohne die Freundschaft zwischen Daniel Keel und Rudolf C. Bettschart gäbe es den Diogenes Verlag in

seiner heutigen Form nicht. Eine Hommage an die

beiden Verleger. Texte der Weltliteratur zum Thema

Freundschaft.

288 Seiten, Broschur mit KlappenISBN 978-3-257-05619-8

Bedeutende Geister widmen sich mit viel Herzblut dem

Diogenes Verlag in Wort und Bild: Diogenes Autoren und Zeichner, aber auch Verleger­kollegen und andere große

Persönlichkeiten.

ca. 224 Seiten, Broschur mit KlappenISBN 978-3-257-05616-7

Kein »Alles was man lesen muss«­Kanon, sondern ein

Buch, das einfach Lust machen soll auf mehr –

mehr Bücher, von Homer über Balzac, Simenon

bis Bernhard Schlink und Miranda July.

Diogenes Taschenbuchdetebe 24222, ca. 400 Seiten

250 Autoren – aktualisierte Ausgabe, mit vielen Farbabbildungen

»Glänzend geschrieben.« Marion Dönhoff über die

Erstausgabe.

Diogenes Taschenbuchdetebe 24220, ca. 400 Seiten

Vom Schreiben, Lesen und Büchermachen. 60 Geschichten von

60 Diogenes Autoren. Ein Buch für alle,

die ohne Bücher nicht leben können (wohl aber ohne

Bestsellerlisten).

848 Seiten, LeinenISBN 978-3-257-06845-0

»Der Diogenes Verlag ist einer

der besten Verlage Europas.«

Le Monde, Paris

»Auf dem deutschsprachigen Markt liegt es nahe, neben der E- und der U- eine D-Klasse zu schaffen, benannt nach dem Diogenes Verlag.«

Frankfurter Allgemeine ZeitungFoto

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Serie

Bücher zum Verlagsjubiläum

Der Guten zu viele

Ich habe lange überlegt und am Ende mich doch nicht entscheiden können,

welches Diogenes Buch von den vielen, die ich kenne, mir das liebste ist. Es sind ein paar vom Lesen und vom Altern auf dem Bücherbrett zerfledderte dabei, von Carson

McCullers und Margaret Millar bis Gotthold Ephraim Lessing und so fort. Bei Margaret Millar begegnete ich zum ersten Mal einer Bougainvillea, inmitten

eines üppigen Gartens in Kalifornien, und diese Pflanze animierte mich zu

einer abenteuerlichen Reise ins 18. Jahrhundert und auf die Salomonen­Inseln; der Lessing wiederum und seine Übertragung der Äsopischen Fabeln tat

mir wohl mit der Lebenskraft seiner wunderbar altfränkischen Sprache.

Natürlich schätze ich auch meine eigenen, bei Diogenes erschienenen

Bücher nicht gering. Und nicht zuletzt diejenigen, die ich ohne großes

Überlegen, auf dem Bahnhof oder dem Flughafen in letzter Minute vor einer

Reise kaufte. Weil es Diogenes Bücher waren. Und weil ich wusste, dass sie mir

Leben und Arbeit erleichtern würden.

Von Hans Werner Kettenbach sind elf Bücher bei Diogenes erschienen. Zuletzt: Tante Joice und die Lust am Leben, vermischte Prosa aus sechs Jahrzehnten – hintergründig und voller wunderbarer Einsichten.

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Impressum

Gewonnen haben

Kino & TV

Ausstellungen

Vorschaufenster

Geschäftsleitung: Katharina Erne, Ruth Geiger, Stefan Fritsch, Daniel Kampa, Winfried StephanVerleger: Philipp Keel

Chefredaktion: Daniel Kampa ([email protected])Stellvertretende Chefredakteurin: Cornelia Künne ([email protected])Redaktion: Martha Schoknecht (msc), Nicole Griessman (ng) Mitarbeit: Kerstin Beaujean (kb)

Grafik­Design: Catherine BourquinScans und Bildbearbeitung: Catherine Bourquin, Tina Nart, Hürlimann Medien (Zürich)Webausgabe: Susanne Bühler ([email protected])Korrektorat: Franca Meier, Dominik SüessBildredaktion: Regina Treier, Nicole GriessmanVertrieb: Renata Teicke ([email protected])

Anzeigenleitung: Martha Schoknecht ([email protected])

Abo­Service: Christine Baumann ([email protected])Für ein Abonnement benutzen Sie bitte die auf Seite 87 eingedruckte Abokarte. Abonne­mentspreise: € 10.– für drei Ausgaben in Deutschland und Österreich, sFr 18.– in der Schweiz, andere Länder auf Anfrage.

Beim Gewinnspiel sind MitarbeiterInnen des Diogenes Verlags von der Teilnahme ausgeschlossen. Die Gewinner werden schriftlich benachrichtigt. Die Preise sind nicht in bar auszahlbar. Der Rechtsweg ist ausgeschlossen.

Alle Angaben ohne Gewähr. Redaktions­schluss: 1. August 2012 / ISSN 1663­1641

Diogenes Magazin Sprecherstr. 8, 8032 Zürich, SchweizTel. +41 44 254 85 11, Fax +41 44 252 84 07

Über unverlangt eingesandte Manuskripte kann keine Korrespondenz geführt werden.

Schreibtisch-Gewinnspiel aus dem Diogenes Magazin Nr. 9: Den Haupt-preis, Die vollständige Fernseh-Edition von Loriot auf DVD (Warner Brot-hers) und Das große Loriot Buch, zu-sammen mit einem 250-Euro-Dioge-nes-Büchergutschein, hat Peter Josteit aus Kierspe gewonnen. Je 1 x die Lo-riot-DVD-Box und Das große Loriot Buch haben gewonnen: Kurt Hasler aus Aarau (CH), Ilse Hahn aus Apolda, Oliver Oehm aus Hamburg, Karin Naglik aus Oberndorf (A), Isette Rich-ter aus Schildau, Wiltrud Güse aus Vel-bert, Werner Rosenfeld aus Kirchberg, Gisela Blöcker aus Hamburg und Dr. Volker Klimpel aus Dresden. Herzlichen Glückwunsch!

Martin Suter schrieb das Drehbuch für Christoph Schaubs Film Nacht-lärm. In den Hauptrollen Alexandra Maria Lara und Sebastian Blomberg. Kinostart: 23.8.2012. Markus Welter führte Regie bei Der Teufel von Mailand mit Regula Grauwiller, Ina Weisse und Max Simonischek. Ausstrahlung SF 1: 30.9.2012, ZDF: 5.1.2013 geplant.Anthony McCarten schrieb das Dreh­buch zur Verfil­mung seines Romans Super hero, der unter dem Titel Am Ende eines viel zu kurzen Tages mit Andy Serkis, Thomas Brodie­Sangster, Jessica Schwarz, Michael McElhatton und Sharon Horgan in die Kinos kommt. Regie: Ian FitzGibbon. Kinostart: 30.8.2012.Leo Tolstoi. Joe Wright drehte in England und Russland die Neuver­filmung von Anna Karenina mit Keira Knightley, Jude Law, Aaron Johnson. Kinostart: 25.10.2012.Tomi Ungerer. Stephan Schesch verfilmte in einer europäischen Koproduktion das Kinderbuch Der Mondmann als Animationsfilm. Mit den Stimmen von Katharina Thalbach,

Tomi Ungerer. Das Museum Tomi Ungerer in Straßburg zeigt bis zum 11.11.2012 die Ausstellung Tomi Ungerers Tiergarten und im Anschluss Tomi amüsiert sich. Spiele und Spielzeug aus Tomi Ungerers Samm-lung, vom 16.11.2012 bis 20.1.2013.F. K. Waechter. Zum 75. Geburtstag (3.11.2012) wird in Frankfurt (Haus des Buches) in den literarischen Nachlass geblickt. Vom 2.11. bis 31.12.2012. Die Stadt bibliothek Reutlingen präsentiert Cartoons, Theater und Bilderbücher, bis 20.10.2012.

Ulrich Tukur, Corinna Harfouch, Ulrich Noethen. Voraussichtlicher Kinostart: diesen Winter.Mark Twain. Nach der Neuverfil­mung von Tom Sawyer hat Hermine Huntgeburth nun auch Die Abenteuer des Huck Finn für die Leinwand

adaptiert. Mit Heike Makatsch, August Diehl und

Henry Hübchen. Kinostart: 3.1.2013.F. Scott Fitzge-rald. Regisseur

Baz Luhrmann drehte eine 3D­

Neuver filmung von Der große Gatsby mit

Leonardo DiCaprio, Tobey Maguire und Carey Mulligan.

Kinostart: Sommer 2013.Françoise Dorner. Sandra Nettelbeck führte Regie und schrieb das Drehbuch bei der deutsch­belgischen Adaption von Die letzte Liebe des Monsieur Armand / Mr. Morgan’s Last Love. Mit Michael Caine, Clémence Poésy, Gillian Anderson. Voraussicht ­licher Kino­start: Sommer 2013.

Loriot. Die Ausstellung Mooment – Loriot, der Brandenburger in Bran-denburg folgt den Spuren Vicco von Bülows in seiner Geburtsstadt. Im Bürgerhaus Die Altstädter, Fotostatio­nen in der Brandenburger Innenstadt, bis 16.12.2012.Paul Flora. Ausstellung Tanz der Linien in der Galerie Seywald, Salzburg, vom 27.11.2012 bis 12.1.2013.Wilhelm Busch. Das Olaf Gulbrans­son Museum Tegernsee widmet ihm zum 180. Geburtstag (15.4.2012) die Ausstellung Populär und unbekannt, bis 20.1.2013.

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Hoch über den Dächern von Paris sitzt der wohl treueste Porträtist

der französischen Hauptstadt: »Ich zeichne die ganze Zeit.« Und das noch mit achtzig Jahren. Beinahe nonstop läuft das Radio: meist Jazz – einen Mo-nat lang habe er geweint, als Duke El-lington starb –, manchmal Ravel oder Debussy, die Neutöner sind ihm sus-pekt. Seine Liebe zur Musik findet sich in vielen seiner Zeichnungen wieder, in denen es von kleinen Musikanten mit großen Ambitionen wimmelt. Er zeich-net ganz normale Menschen, die ihr kleines Glück suchen, ob beim Musi-zieren in großbürgerlichen Salons, beim Sinnieren im provenzalischen Garten, beim Flanieren durch Paris oder beim Radfahren in New York. Ei-nem Fahrradhändler hat er übrigens ein ganzes Buch gewidmet: Darin er-zählt er in Wort und Bild von einem, der nie die Tour de France gewinnen wird, dem aber dafür etwas viel Wichti-geres gelingt: glücklich zu werden.

Lösung Diogenes Magazin Nr. 9:John Irving

Schicken Sie die Antwort bis zum 31. Dezember 2012 per Post oder per E-Mail ([email protected]) an: Diogenes Verlag Gewinnspiel ›Wer schreibt hier?‹ Sprecherstr. 8 · 8032 Zürich · SchweizWir verlosen acht Mal Gefährliches Spiel – Commissario Brunetti ermittelt von Ravensburger. Als Hauptpreis zusammen mit den 18 Sonderbänden ›20 Jahre Commissario Brunetti‹.

Gewinnspiel

Werschreibt

hier?

Donna Leon Venezianisches

FinaleCommissario Brunettis

erster FallDiogenes

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Vorschau

Mag ich – Mag ich nicht

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4 Euro / 7 Franken

Diogenes Magazin

Nr. 12 Frühling 2013

Astrid Rosenfeldund ihr neuer Roman Elsa Ungeheuer

Joey GoebelAnthony McCarten Benedict Wells erzählen vom Erzählen

Simenon-SpecialJohn Banville und Elisabeth Bronfen über Georges Simenon

Patricia Highsmithüber die erste Liebe

Fabio Volo

Im nächsten Magazin:

Anthony McCarten

Mag ich:

Rotwein. Erdbeeren. Holz. Die Hände meines Vaters. Magrittes blaue Himmel. Die Rolling Stones. Die Kleider der Frauen. Die Schuhe der Frauen. Die Frauen. Die Per l-ohrringe meiner Großmutter. Zeit mit meinen Freunden verbrin-gen. Die Filme von François Truffaut und Woody Allen. Wasser. Ventilatoren im Sommer. Die ersten Zeichnungen von kleinen Kindern. Dostojewskij. Der Liebestrank von Donizetti. Schokolade, Vanille, Pizza. Bier. Jeden, der mit dem Rauchen aufhört (da musste ich auch durch). Rote Dächer. Das Geräusch der Fahrradkette, wenn man die Pedale rückwärts tritt. Das Geräusch des Schlüssels in der Haustür, wenn mein Vater heimkam. Äpfel. Jeff Buckley. Nick Drake. Chet Baker. Lucio Battisti. Apfelku-chen. Frühling, auch den von Vivaldi. Im September braunge-brannt zu sein. Den Tag vor Weihnachten.

Mag ich nicht:

Ich vergesse das meiste, was ich nicht mag, sofort, um nicht weiter darüber nachdenken zu müssen. Jegliche Form von Gewalt, Macht-missbrauch. Meine Zehen. Senf-früchte. Den Geruch von Zigarren. Esswaren wegwerfen (als ich vorgestern von New York nach Mailand aufbrechen wollte, sah ich noch einen Blumenkohl im Kühl-schrank liegen. Der wanderte von dort auf den Küchentisch, dann auf die Eingangskommode, dann überlegte ich, ob ich ihn einem Nachbarn schenken könnte, aber der wäre vielleicht beleidigt gewesen, also brachte ich ihn doch runter und warf ihn weg – im Flugzeug bereute ich es dann, dachte, ich hätte ihn doch einpacken und nach Mailand mitnehmen sollen). Leute, die ständig von Fußball sprechen. Eifersüchtige Menschen. Feige Menschen. Leute, die schlecht

über andere sprechen.

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gAlles, was er macht, hat Erfolg: Jedes seiner Bücher ist in Italien ein Bestseller. Und auch als Mode-rator und Schauspie-ler ist Fabio Volo ein Star. Sein Roman Noch ein Tag und eine Nacht, eine verspielte Liebes-geschichte vor der Kulisse Manhattans, ist auch auf Deutsch ein Bestseller.

Das nächste Diogenes Magazin erscheint Ende Dezember 2012.

Auf dem Cover: Astrid Rosenfeld, die nach Adams Erbe einen neuen

Roman geschrieben hat.

Joey Goebel, Benedict Wells und Anthony McCarten erzählen

vom Erzählen.Simenon-Special: Zwei Interviews mit

Georges Simenon und Essays von John Banville und Elisabeth Bronfen.

Außerdem: eine neue Erzählung von Hartmut Lange, Daniel Kehlmann

über Arnon Grünberg und – zum Valentinstag – Patricia Highsmith

über die erste Liebe. Und vieles mehr.

Man Munkelt

Kleine Diogenesen

Zu Gast bei Diogenes Im Verlag getroffen

Bruno

Die Zahl

Donna Leon

Iran?

Tolle Tipps!

Als Jugendlicher war Daniel Keel, der 1952 im Alter von nur 23 Jahren den Diogenes Verlag gründete, in seinem innerschweizer Heimatort Einsiedeln Re-dakteur der lokalen Pfadfinderzeitung Haarus. Die beliebteste Rubrik der Zeitschrift, die der junge Redakteur höchstpersönlich schrieb, hieß ›Man mun-kelt‹. Hier wurden Interna aus der Pfadfindergruppe Einsiedeln ausgeplaudert. Diese Tradition wollen wir nun im Diogenes Magazin fortführen, versteckt hinter dem Lesezeichen auf der letzten Heftseite. Denn die Indiskretionen, die hier ausgeplaudert werden, sollen ja nicht von jedem gelesen werden.

Zum Start der neuen Serie ›Ein Au-tor   – Eine Stadt‹ hat das Diogenes Magazin Pech. In der letzten Ausgabe verrieten Martin Suter und Benedict Wells fünf Geheimtipps aus Zürich und Barcelona. Kurz vor Redaktions-schluss kam heraus, dass das Spitzen-geschäft Selina De Giacomi in Zürich, das auf Martin Suters Geheimtippliste war, schließen würde. Aber schlim-mer noch: Von Benedict Wells erhielt die Redaktion eine E-Mail, als das Magazin bereits gedruckt war. Über seinen Tipp Café ›Madame Jasmine‹ mit den besten Sandwiches (Bocadil-los) Barcelonas lamentierte Benedict Wells: »Heute wollte ich mit Freun-den bei Madame Jasmine Bocadillos essen, doch als wir eintraten, mussten wir feststellen: Alles umgebaut, es ist nur noch eine reine Bar, es gibt keine Sandwiches mehr. Nie mehr!! In tiefer kulinarischer Trauer, Benedict.«

Bruno, Chef de police und Held der Kriminalromane von Martin Walker, hat immer mehr Fans, auch unter Buchhändlern. Eine lustige Anfrage erreichte Renata Teicke aus der Ver-triebsabteilung: »Hallo zusammen, bin zwar nicht ›Chef de police‹, aber heiße Bruno und bin Chef in der Hof-Buchhandlung Heinlein in Wiesent-heid und würde mich sehr über ein Exemplar des Romans Delikatessen freuen ;-). Beste Grüße aus Wiesent-heid, Bruno Heinlein.«

Susanne von Bülow, die Tochter von Vicco von Bülow alias Loriot, die sich seit dem Tod ihres Vaters mit viel En-gagement um das Werk ihres Vaters kümmert, traf bei einem Besuch im Verlag in Zürich zufällig auf Tomi Ungerer. Beide wollten sofort ein Er-innerungsfoto. Voilà.

Das Branchenmagazin BuchMarkt kürt jährlich die Buchhandlung des Jahres.

2011 gewann die engagierte Buch-handlung Roth aus Offenburg. Da der Diogenes Verlag die Auszeich-nung seit Jahren sponsert, gibt es als Hauptpreis eine Reise nach Zürich. Inhaberin Barbara Roth besuchte mit ihrem Team am 9. Mai 2012 den Ver-lag, und während des Mittagessens im Restaurant Neumarkt in der Zürcher Altstadt wurde den Gewinnern der Pokal überreicht: Ein über zwei Me-ter hoher Kachelofen im Restaurant. Es wurde schnell klar, dass es sich nicht um einen Wanderpokal handelt, der von einer Buchhandlung zur nächsten weitergereicht wird. Die BuchhändlerInnen nahmen aus Zü-rich also statt einem Pokal, neben vie-len schönen Erinnerungen, etliche Bücher mit. Aber auch der Verlag wurde beschenkt: Es gab für alle Ab-teilungen Süßes und Rot(h)-wein. Wie nett! Herzlichen Dank!

In den letzten Monaten haben mehre-re Diogenes Mitarbeiterinnen gehei-ratet: Aus Stephanie Baumann im Lektorat wurde Stephanie Tettamanti, dafür gibt es jetzt eine Christine Bau-mann, die vorher Kownatzki hieß. Alles nicht so einfach. Ein schönes Detail bei den vielen Hochzeiten: Ein Hochzeitskleid wurde in der Werbe-abteilung weitergereicht: Die Grafike-rin Catherine Bourquin, die zum Bei-spiel das Diogenes Magazin so schön gestaltet (auch unter größtem Ter-mindruck!), gab ihr weißes Kleid an Christine (neu) Baumann weiter. »Ich habe nicht nur einen gebrauchten Na-men, sondern auch ein gebrauchtes Kleid übernommen«, scherzt Christi-ne Baumann, ohne die etwa die Abo-Verwaltung des Diogenes Magazin brachliegen würde.

Nach den vielen Hochzeiten ist nun 2012 das Jahr der Babys: Nicole Griessmann, die tatkräftig in der Wer-bung hilft (und auch viel zum Gelin-gen des Diogenes Magazin beiträgt), ist zum zweiten Mal Mutter gewor-den: Der Prachtbursche heißt Noel Erik. Susanne Bauknecht, die Leiterin der Lizenzabteilung, ist stolze Mutter ihrer kleinen Tochter Liv Salome.

Für Susanne Bauknecht, die unter anderem dafür sorgt, dass die vielen Kinderbücher von Tomi Ungerer in vierzig Sprachen erscheinen, zeichne-te Tomi ein Geschenk, das sehr to-miesk oder ungeresk ist, der glückli-chen Mutter also lieber nicht sofort nach der Geburt überreicht wurde.

Wie in Tausenden anderen Sitzungs-zimmern weltweit gibt es auch im großen Besprechungszimmer des Diogenes Verlags ein Flip-Chart, zu Deutsch: einen Tafelschreibblock. Und wenn man zum Beispiel in der wöchentlichen Sitzung der Geschäfts-leitung und Abteilungsleiter, seit je-her intern »Konzil« genannnt, die Gedanken und den Blick schweifen lässt, kann es vorkommen, dass man auf obskure Notizen stößt und sich zwangsläufig fragt: Wer hat das ge-schrieben und wieso?

Zum Beispiel stand im Juli auf ein-mal eine enigmatische Unterteilung von Arabien in Syrien, Irak, Iran und Kuwait auf der Tafel – wobei der Iran durchgestrichen war. Hatte der ame-rikanische oder israelische Geheim-dienst das Diogenes Sitzungszimmer ohne unsere Kenntnis für eine Sitzung missbraucht? Very strange? Nein, es waren einfach Notizen von externen Datenbankspezialisten, die an einer neuen Datenbank für die Lizenz-abteilung arbeiten – und die brauchen Ländercodes, um festzuhalten, in welchen Ländern eine Übersetzung vertrieben werden darf.

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Das Parfum von Patrick Süskind, 1984 erschienen, ist das erfolgreichste Dio-genes Buch aller Zeiten, millionen-fach verkauft, in 49 Sprachen über-setzt. Jeder hat den Roman gelesen! Wirklich jeder? Auch bei Diogenes? Eine Umfrage im Verlag belegt nun:

aller Diogenes MitarbeiterInnnen ha-ben Das Parfum gelesen. Immerhin!

Ein Diogenese, Reto Brunner, hat ei-nige Seiten des Parfums sogar auf La-tein gelesen, um die Übersetzung von Fragrantia, die 2004 in Brüssel er-schien, zu prüfen. »Gediegenes Neu-Latein, das sich am Cicero-Stil orien-tiert, sorgfältig gemacht, soweit ich das beurteilen kann«, so Reto Brun-ner, der Alte Sprachen und Germanis-tik studiert hat, und auf dessen Diogenes Visitenkarte heute steht: IT-Abteilung – Business Engineering. Fata viam invenient!

Was macht eigentlich Donna Leon, wenn sie einen Roman fertigge-schrieben hat? Händel hören? Einen neuen Roman anfangen? Nein: Nachdem sie ihrer Lektorin Christi-ne Stemmermann Brunettis 22. Fall geschickt hatte, schrieb sie in einer E-Mail: »Bacissimi from a very relie-ved Donna, who is off to make apri-cot jam.« (Küsse von einer sehr er-leichterten Donna, die sich jetzt abmeldet, um Aprikosenmarmelade zu machen.)

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Das ganze Diogenes Team freut sich über den Nachwuchs und auf die Rückkehr der beiden Kolleginnen nach ihrem Mutterschaftsurlaub.

Die Welt gehört denen, die neu denken.

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