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Rollen durch die Stadt Paralympics Zeitung Köhler: „Ich fiebere mit“ DONNERSTAG, 18. MÄRZ 2010 Der Bundespräsident erzählt, was ihn an den Paralympics fasziniert Wie behindertengerecht ist Vancouver? Der Curler Jens Jäger hat es getestet In Kooperation mit der

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Rollen durch die Stadt

ParalympicsZeitung

Köhler: „Ich fiebere mit“

DONNERSTAG, 18. MÄRZ 2010

Der Bundespräsident erzählt,was ihn an den Paralympics fasziniert

Wie behindertengerecht ist Vancouver?Der Curler Jens Jäger hat es getestet

In Kooperation mit der

Page 2: DONNERSTAG, 18. MÄRZ 2010 Paralympics Zeitung5_Paralympics Zeitung_18. März 2010 Nach diesem Erfolg wollte Verena Bentele ihren Begleitläufer Thomas Friedrich gar nicht mehr loslassen

Sledgehockey ähnelt dem Eishockeyund fasziniert die Kanadier genauso

Der Bundespräsident erzählt,was die Paralympics bewegen können

Bilder von der Eröffnungsfeier derSpiele und aus der Stadt Vancouver

Mit dem Rollstuhl durch die Stadt –Curler Jens Jäger testet Vancouver

Biathletin Verena Bentele holt dieerste Goldmedaille für Deutschland

Martin Braxenthaler fährt im Slalomauf seinem Monoski allen davon

14 Schlittenspiel

Der Tagesspiegel_2

„Viele denken um“ 6

Impressionen 815 Ohne Barrieren

Goldig 510 Der Tüftler

Inhalt

Fotos: Thilo Rückeis (2), dpa (3), AFP (Getty Images); Titelbild: AFP (Getty Images)

Paralympics 2010Paralympics 2010Dabei sein ist alles!Dabei sein ist alles!

Bei KLM ist der Weg zum Bei KLM ist der Weg zum

Ziel schon das halbe Ziel schon das halbe

Vergnügen. Das gilt gemäß Vergnügen. Das gilt gemäß

dem olympischen Motto dem olympischen Motto

auch für die spannenden auch für die spannenden

Spiele in Vancouver. Spiele in Vancouver.

Wir wünschen allen Athleten Wir wünschen allen Athleten

viel Freude bei der viel Freude bei der

Teilnahme und viel Erfolg Teilnahme und viel Erfolg

bei den Wettkämpfen!bei den Wettkämpfen!

www.klm.dewww.klm.de

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Leistung gehört zu denzentralen Werten derWirtschaft wie desSports. Gerade deshalbbegeistern sich in denFührungsetagen der Un-ternehmen so viele Ma-nager für Spitzenereig-nisse wie die Olympi-

schenSpiele.WeltkonzernesorgenalsSpon-soren dafür, dass viele Wettkämpfe über-haupt stattfinden können. Lange waren dieParalympics nicht auf dem Radarschirm derWirtschaft.Aberdashatsichinzwischenein-deutig geändert. Immer mehr Menschen be-greifen, dass die Spitzenleistungen von be-hinderten Sportlern keineswegs wenigerwert sind als die Spitzenleistungen von Top-athleten bei den Olympischen Spielen. ImGegenteil: Viele Leistungen ringen uns alleneinen Respekt ab, der vieles andere aus derWelt des Sports in den Schatten stellt.

Gerade als Chefredakteur einer Wirt-schaftszeitung freue ich mich deshalb überdiese Zeitung zu den Paralympics, die in Ko-operationmitdemTagesspiegelundderZeitentstandenist.VielebehinderteSportlerzei-gen nicht nur Leistungen der Sonderklasse –sondern auch eine ungebrochene Freude anderLeistung,vonderwirallelernenkönnen.

Bernd Ziesemer, Handelsblatt

AlsJunge, wennmichet-was besonders gepackthatte, hab’ ich immer ge-sagt: Da habe ich michreinverliebt. Und, ganzehrlich, ein bisschen istes jetzt wieder so. Wennich sehe, wie diese Zei-tung gemacht wird, mit

wie viel Liebe, Begeisterung – herrje, das istschon ansteckend. Und wie schön sie aus-sieht. Sehr angemessen, will ich mal sagen;denn die Paralympics sind eine tolle Sache.Überhaupt: toller Sport, tolle Typen. Diekann man gar nicht genug hervorheben. DieBilder (und Texte) zeigen es. Nun lese ich,dass die „ Vancouver Sun“, die größte Lokal-zeitung in Vancouver und drittgrößte Zei-tung in Kanada, mit dem Titel aufmacht:Olympische Spiele für alle. Für alle Sportler.Und Robert Steadward, der 1.Präsident desInternationalen Paralympischen Komitees,hat sich diese Forderung bei einem offiziel-len Dinner zu eigen gemacht. Also, wersieht, was in Vancouver geleistet wird, derwird wenigstens mal darüber nachdenken.OballeSportartensozusammenpassenoderwie das ist mit Wettbewerbsvor- und -nach-teilen: Das kommt alles später. In dieser Zei-tung. Thank you!

Stephan-Andreas Casdorff, Der Tagesspiegel

One Game, one Team: Das sind die Macher der internationalen ParalympicsZeitung des Tagesspiegels. Aus Vancouver berichten acht Schüler aus ganz

Deutschland, sowie neun kanadische Schüler der David Thompson, Eric

Hamber, Lord Byng und der Kitsilano Secondary School. In Vancouver trafen

sie nun alle erstmals zusammen. Mit im Team ist die Deutsche GesetzlicheUnfallversicherung (DGUV) als Kooperationspartner und Förderer. Gregor

Doepke, Kommunikationschef der DGUV und bei den Paralympics in Athen

2004 Initiator des internationalen Zeitungsprojekts, sagt: „Die Begeisterung

der kanadisch-deutschen Schülerredaktion ist ansteckend und symbolisierthervoragend den paralympischen Geist hier in Vancouver.“

Seit Tagen läuft bei mirwieder jede Nacht derFernseher. SportlichenGroßereignissen kannich mich einfach nichtentziehen, und die Para-lympics in Vancouverund Whistler sind zwei-fellos ein ganz besonde-

res Spektakel: Mehr als 500 Athleten aus 44Ländern, spannende Wettkämpfe, unge-wöhnliche Sportarten wie Rollstuhl-Cur-ling und Sledge-Eishockey – dafür verzichteich gern auf ein paar Stunden Schlaf.

Keine Frage, die Medaillen sind das Wich-tigste für Sportler und Fans, aber es geht na-türlichauchumetwasanderes.WenndiePa-ralympics nur ein bisschen das Bewusstseindafürschärfen,wiewichtigzumBeispielBar-rierefreiheitundSportprogrammefürBehin-derte sind, dann ist schon viel gewonnen.

Die Paralympics Zeitung führt mir all dasvor Augen, was die Paralympische Bewe-gung ausmacht: Zusammenarbeit überGrenzen hinweg, Begeisterung für den Spit-zensport, leidenschaftliches Engagement.Und die Artikel informieren mich über al-les, was ich wissen muss, wenn ich nachtsvor dem Fernseher sitze. Ich wünsche Ih-nen viel Freude bei der Lektüre!

Giovanni di Lorenzo, Die Zeit

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Hallo! Hallo!Hallo!

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Foto: Thilo Rückeis

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Auch bei den Slalom-Wettbewerben gab esetwas zu Feiern im deutschen Team. GerdSchönfelderund Andrea RothfußgewannenamMontag jeweils Silber im Slalom. AndreaRothfuß war darüber „sehr glücklich“. Siesagte:„MiristderersteSteinvomHerzenge-fallen. Was ich mir vorgenommen hatte, istjetzt schon erreicht.“ Und Schönfelder warebenfalls zufrieden. „Das ist ein Juhu-Silber.Ich habe Silber gewonnen, wenn man vomvierten Platz kommt.“ Fast wäre der 39-Jäh-rige noch ganz oben auf dem Podest ange-kommen: Der erstplatzierte Adam HallstürzteinDurchgangzwei,setzteseineFahrtaber gerade noch rechtzeitig fort, um einehalbe Sekunde Vorsprung auf Schönfelderzu retten. „Ich dachte schon, das könnte mirjetztreichen.“Tatesnicht,esbliebbeiSilberfür Schönfelder. Und er ist froh, sich so frühbei den Paralympics schon eine Medaille ge-sichert zu haben und nun lockerer in dienächstenRennengehenzukönnen.DieGold-medaille von Martin Braxenthaler, ebenfallsim Slalom, war für den Vollblut-Bayern einextraAnsporn,sicheineMedaillezuerkämp-fen. Raphael Menke, 18 Jahre

Willi Brem triumphierte. Er trug zwar nichtden Sieg davon, trotzdem war er zufrieden.Bei seinem ersten Rennen in Whistlerwurde er Vierter. Es gab „die Blechme-daille“ wie er sagt. Doch wenn die persönli-che Leistung optimal abgerufen wird undder Athlet sich bestmöglich vorbereitet hat,zählen nicht nur erste Plätze.

Es spornt den ehrgeizigen Brem an, sichmit Athleten aus anderen Nationen zu mes-sen. Dadurch testet Brem seine Leistungs-grenze immer wieder aufs Neue und weitetdiese aus. Aber vor allem will der 32-Jährigeaus Ketterschwang im Allgäu sich selbst be-weisen, dass er nach 16 Jahren Leistungs-sport immer noch zur absoluten Weltspitzegehört. Das funktioniert natürlich nur durcheinsehrdiszipliniertesLeben,ständigeshar-tes Training und viel Ausdauer.

Aufgrund seines hervorragenden Laufesim Qualifikationsrennen des Biathlons inder Klasse der Sehbehinderten (B1) durfteBrem in der Drei-Kilometer-Verfolgung mitfast einer Minute Vorsprung auf seine Kon-kurrenten starten. Am Schießstand lief allesfehlerfrei, doch die Konkurrenz aus derUkraine, Russland und Weißrussland holteschnell auf. Aufgrund eines Sturzes rücktendannauchdie letztenAussichtenauf Gold inweiteFerne.TrotzallemkannderehrgeizigeWilli Brem, der im Olympiastützpunkt Frei-burg als Physiotherapeut arbeitet, gut mitdemviertenPlatzundder„Blechmedaille“le-ben: „Das zeigt, dass wir dabei sind und dassdie Form stimmt.“

Deswegen sind Brem und sein Begleitläu-fer Florian Grimm für die nächsten Wett-kämpfe auch guten Mutes. Die Kommunika-tionderbeidenfunktionierteinWhistlerwieimmer reibungslos. Seit drei Jahren läuftGrimmschonvorBremundleitetihnperZu-rufdurchdiekompliziertenStrecken.Durchdie Geräusche der Bewegungen und durchKommandos wie ein ständiges „Hop“ orien-tiert sich Willi Brem. Grimm, der früherselbst Biathlet war, warnt Willi Brem auchvor Kurven oder Abfahrten – bei rasendenGeschwindigkeiten in den Abfahrten brau-chendieAthletenvorallemeinigenMut.Ge-meinsamwollenesBremundGrimminVan-couver noch auf das Podium schaffen. Elisa Kremerskothen, 18 Jahre

Nicht erst seit Vancouver bietet die welt-größte Veranstaltung im Behindertensporteine optimale Plattform für internationaleInitiativen zurFörderung körperlich beein-trächtigter Menschen. Bereits die Paralym-pics in Peking 2008 wurden dafür genutzt:Die Deutsche Gesetzliche Unfallversiche-rung (DGUV) unterhält in Deutschland 13berufsgenossenschaftliche Kliniken, dieführend in der Versorgung von Unfallpa-tienten sind. Vom Fachwissen der Klinikenprofitieren nicht nur ihre Patienten, son-dernauchRehabilitationszentrenundKran-kenhäuser weltweit.

Im Rahmen dieses globalen systemati-schen Wissenstransfers ist es der DGUV ge-meinsam mit dem Unfallkrankenhaus Ber-lin (UKB) gelungen, die Öffnung Chinas imVorfeld der paralympischen Sommerspielezu nutzen, um eine weitreichende und nach-haltige Zusammenarbeit mit dem China Re-habilitation Research Center (CRRC) in Pe-king zu sichern. Das Abkommen zwischenUKB und CRRC sorgt für regelmäßigen Er-fahrungsaustausch zwischen Deutschlandund China zu Themen der Prävention, Ver-sorgung und Rehabilitation von Menschenmit Handicap. „Der Transfer von Ärztenund medizinischer Fachexpertise ist keineEinbahnstraße“, erklärt UKB-Geschäftsfüh-rer Ernst Haider. Auch in Vancouver bemü-hen sich engagierte Akteure des Gesund-heitswesens wie die DGUV und das Ortho-pädie-Technik-Unternehmen Otto Bock umweitere Fortschritte in der Versorgung undIntegration behinderter Menschen. PZ

Nachwuchs im Behindertensport bedeutetnichtimmer,dassdieSportlerjunganJahrensind. Im Falle von Franz Hanfstingl zumin-destistesso.Eristbereits29Jahrealt;andersist es bei seiner Kollegin Anna Schaffelhu-ber,sieisterst17Jahrealt.Auchwenndiebei-den deutschen Skifahrer nach ihren Auftakt-rennen nicht so ganz zufrieden waren –Hanfstingl wurde 29. im Slalom, den derBayer Martin Braxenthaler gewann (sieheSeite 10), Schaffelhuber wurde bei denFrauen Vierte – so gelten beide doch als diegroßenHoffnungenfürdieZukunftderdeut-schen Alpinen.

Franz Hanfstingl kommt aus dem bayri-schenBruckmühl.ErstartetbeidenParalym-picsinderKlasseLW12/1,istalsoMonoski-fahrer mit einer „niederen inkomplettenQuerschnittlähmung“. Seine Behinderungzog er sich ausgerechnet durch einen Skiun-fall zu, als er 2006 beim Freeriden verun-glückte. Er hatte am Wendelstein, einemBerg in den Bayerischen Alpen, auf der Su-che nach Tiefschnee die Piste verlassen undsich schließlich verfahren. HanfstinglstürzteeineFelswandhinab.Esfolgteeinlan-ger Krankenhausaufenthalt.

Schon mit fünf Jahren hatte der sportlicheBayer mit dem Skifahren begonnen, damalswollte er Freestyle-Profi werden. Dass ernach seinem Unfall jemals wieder skifahrenwürde, hatteFranz Hanfstingl anfangsselbstnicht gedacht. Ein Jahr nach seinem Unfall,im Winter 2007, lieh er sich ein Gerät ausund fuhr, einzig mit Tipps von Martin Bra-xenthaler gerüstet, in den Skiurlaub. Von daan war sein Ehrgeiz entbrannt. Hanfstinglwidmete sich ganz dem Training, im WinteraufderPiste,imSommermitdemHandbike.

Schon bald wird das „Deutsche ParalympicSkiteam“ (DPS) auf ihn aufmerksam, undseit April 2008 ist er Mitglied der National-mannschaft Ski Alpin. Auf seine Paralym-pics-Nominierung ist Franz Hanfstingl zuRecht stolz. Führt man sich vor Augen, dasseresinnerhalbvonnurdreiJahrenzudenPa-ralympics geschafft hat, bekommt man eineVorstellungdavon,mitwasfüreinemehrgei-zigen Athleten man es zu tun hat.

Wie für Hanfstingl, so sind die Paralym-pics auch für Anna Schaffelhuber noch eineneue Erfahrung. Schaffelhuber ist mit ihren17 Jahren die jüngste der deutschen Nach-wuchssportler, die für die Alpin-Wett-kämpfebeidenParalympics2010nominiertwurden.DieGymnasiastin istvonGeburtan

querschnittgelähmt.InVancouverstartetsiein der Klasse sitzend LW 11. Zum Behinder-tensport kam die Bayerin durch ihre Eltern.Mit fünf meldeten diese sie bei einem Ski-kurs an. Nun ist die 17-Jährige, als jüngsteTeilnehmerin der Wettkämpfe, für die Para-lympics in Vancouver nominiert worden.Konkrete Ziele hat Schaffelhuber sich nichtgesetzt, sie will „einfach das Beste draus ma-

chen und sich nicht zu sehr unter Druck set-zen“. Das Skifahren bedeutet ihr viel: „Frei-heit, purer Spaß, die Geschwindigkeit...“Dasssie langsamzueinem Star imBehinder-tensport wird, genießt sie, Profi zu werdenwar schon immer ihr Ziel.

Wenn Schaffelhuber gerade nicht trai-niert, besucht sie die 11. Klasse des Burk-hart-Gymnasiums in Mallersdorf-Pfaffen-berg, nächstes Jahr steht das Abitur an. Da-nachkönnteeinJurastudiumfolgen,amliebs-teninMünchen,ummöglichstnahandenge-liebten Bergen zu sein. Was ihre Ausbildungangeht, ist Schaffelhuber sehr diszipliniert.DerSportistdaseine,Schuledasandere.Bei-des unter einen Hut zu bekommen, ist nichtimmer leicht, „doch solange man konse-quentdabeibleibt,schafftmanesauch“,sagtsie.So folgenauf Trainingseinheitenoftmalsnoch Hausaufgaben, das Lernen für Klausu-ren – eben der ganz normale Wahnsinn, dendas Abitur mit sich bringt. Wenn sie für län-gere Zeit weg ist, bekommt Schaffelhuberdie Aufgaben per Mail zugeschickt.

So, wie nun dieser Tage während derSpiele von Vancouver, die aus Schaffelhu-bers Sicht eher unerfreulich begannen.Nachdem sie den vierten Platz Sitzend-Sla-lom belegt und Bronze um 1,75 Sekundenverpasst hatte, sagte die querschnittge-lähmte Sportlerin aus Bayerbach: „Jetzthabe ich schon Wut im Bauch. Der viertePlatz ist eine zweischneidige Sache. Es isttoll, dass ich von mir sagen kann, dass ichdie viertbeste der Welt bin, aber es ist auchder blödeste Platz, den man machen kann.“Aber Anna Schaffelhuber hat ja in ihrer Kar-riere noch viele Gelegenheiten, es besser zumachen. Annemieke Overweg, 18 Jahre

Der Tagesspiegel_4

Slalom:Zwei Mal Silber

Auch Blech glänztDer sehbehinderte Willi Brem ist mit seinem viertenPlatz in der Verfolgung der Biathleten zufrieden

Abseits derRennstrecken

Franz Hanfstingl und Anna Schaffelhuber gelten als Nachwuchshoffnungen imdeutschen Team – auch wenn sie im Slalom von Vancouver ohne Medaillen bleiben

Die Debütanten

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:dpa

Gut durch die Stangen gekommen –und am Ende unglücklich.Anna Schaffelhuber wurde im SlaIomvon Vancouver Vierte. Foto: dpa

Eingeschneit. Trotz einer MinuteVorsprung verpasste Willi Brem dasPodest am Ende knapp. Foto: dpa

Page 5: DONNERSTAG, 18. MÄRZ 2010 Paralympics Zeitung5_Paralympics Zeitung_18. März 2010 Nach diesem Erfolg wollte Verena Bentele ihren Begleitläufer Thomas Friedrich gar nicht mehr loslassen

5_Paralympics Zeitung_18. März 2010

Nach diesem Erfolg wollte Verena Benteleihren Begleitläufer Thomas Friedrich garnicht mehr loslassen – so gut tat die Umar-mung nach dem Gewinn der Goldmedaillezu Beginn der Paralympics in Whistler. Dieblinde Langläuferin und Biathletin aus Tett-nang feierte am ersten Tag der Spiele ihrenSieg in der Verfolgung über drei Kilometerder Biathleten – obwohl sie sich drei Fehl-schüsse leistete. Am Montag dann jubelteVerena Bentele zum zweiten Mal. Auch dieGoldmedaille über die 20 Kilometer langeCross-Country-Strecke gehörte ihr.

Mit 28 Jahren kann Verena Bentele nunbereits neun paralympische Goldmedaillenfür sich verbuchen. Ihr Erfolg ist hart ver-dient. Morgens und abends sind bei ihr Jog-gen und Krafttraining angesagt. Doch wannimmer es im Winter möglich ist, stürzt siesich nach draußen in den Schnee. Manch-mal allein mit ihrem Begleitläufer ThomasFriedrich, manchmal mit der ganzen Mann-schaft. Friedrich aber ist nicht wegzuden-ken.

Verena Bentele besuchte in ihrer Kind-heit die Blindenstudienanstalt Marburg.Seit der Grundschule ging sie ins Internat,nur am Wochenende war sie zu Hause.Ganz schön hart für ein kleines Mädchen.„Heute würden mich meine Eltern sicherauch auf eine Regelschule schicken, aber da-mals war das noch nicht so gang und gäbe“,erzählt sie. „Außerdem sind wir auf demLand groß geworden, da gab es einfachnicht so viele Möglichkeiten.“ Auch für dieEltern war dieser Umstand schwer zu ertra-gen, doch die Förderung durch den Sportdürfte für einiges entschädigt haben. In ei-ner Regelschule hätte Bentele eben niediese guten Bedingungen gehabt. Dort wer-den Kinder mit Behinderung in der Regelvom Sportunterricht befreit, statt sportlichgefördert .

Ob Judo, Leichtathletik, die Pflege ihresPonysoderSkialpinmit ihrenEltern,VerenaBentelehatsichnieaufdieErsatzbankschie-ben lassen, sie war immer aktiv. Schon alsKind war sie extrovertiert und immer offenfür Neues – dass Bentele irgendwann an ei-nem Langlaufschnupperkurs teilnahm, warda nicht verwunderlich. Diese Sportart,draußenimKalten,imSchnee,hatteesihrso-fortangetan.Undschnellzeigtesich,dasssiesehrvielTalenthatte.Mit13JahrennahmVe-rena Bentele an ihrer ersten Meisterschaftteil. Sie war eine der Jüngsten im Team. Dashabe sie motiviert, erzählt sie. „So hatte ichimmer tolle Vorbilder, ich wollte dahin, wodie anderen schon standen.“

Irgendwann einmal an den Paralympicsteilnehmen – das war fortan ein Traum, dersie nicht mehr losließ. Das ist jetzt 15 Jahreher, eine aufregende und spannende Wett-kampfzeit für Verena Bentele. An Motiva-tion mangelte es ihr nie. Ehrgeizig verfolgtesie ihre Ziele. 1998 holte sie bei den Para-lympischen Spielen in Nagano Gold, zweiMal Silber und einmal Bronze. Die folgen-den Spiele 2002 in Salt Lake City und 2006in Turin waren ein einzigartige Erfolgsseriefür die junge Athletin.

Biathlon und Langlauf, diese beidenSportarten bestimmen seit langem ihr Le-ben. Die berufliche Ausbildung kommt da-bei aber nicht zu kurz. Bentele paukte ne-ben dem Sport für die Schule, machte 2002ihr Abitur mit dem Schwerpunkt Wirt-schaftslehre. Anschließend studierte sie ander Ludwig-Maximilians-Universität Mün-chen. Aber die Magisterarbeit für das Litera-turstudium muss warten – bis nach den ge-rade laufenden Paralympics.

Kurz vor dem Abflug nach Vancouverfuhr sie noch einmal zum Trainingslager insösterreichische Toblach. Um sich den „letz-

ten Schliff“ zu holen, wie sie sagt. Denn esgebe immer etwas zu verbessern.„Ich bineinfach kein Mensch, der sich leicht zufrie-den gibt. Ich versuche immer etwas zu ver-bessern.“ Vor jedem wichtigen Wettkampfsei sie nervös. Selbstkritisch sagt sie: „Ich

geh jetzt hart auf die 30 zu, da wird sich dasauch nicht mehr ändern.“

Die vielen Zuschauer, die Sportler in denverschiedenen Disziplinen aus unterschied-lichen Ländern, die einzigartige paralympi-sche Atmosphäre – das gefällt der Medail-lenfavoritin gut. Insgesamt geht sie in derWettkampfwoche fünfmal an den Start, im-mer mit dem Ziel, Medaillen nach Hause zubringen. Eine goldene hat sie nun schon ge-wonnen, aber sie sagt auch: „Wenn du allesgibst, dann reicht das.“

Verena Bentele ist aber nicht nur die er-folgreiche Sportlerin, Topathletin, Paralym-

picssiegerin. Sie ist auch eine junge Frauund Studentin mit vielseitigen Interessen.Inlineskaten und Radfahren gehören dazu,und Bentele liebt es, ins Theater zu gehen,Konzerte zu besuchen, lange zu telefonie-ren und mit Freunden zu quatschen. Undsie liest gerne. Stieg Larsson, Milan Kun-dera, Hermann Hesse. Wenn sie über Bü-cher spricht, sprudelt es nur so aus ihr he-raus. Gerade hat sie sich mit Jostein Gaar-ders „Kartengeheimnis“ auf eine philosophi-sche Reise begeben. „Stieg Larssons Krimishabe ich verschlungen und als Literaturstu-dentin kann man auch Hermann Hesse mö-gen“, sagt Verena Bentele. Lesen, die großeLeidenschaft. Lesen? „Naja, eigentlich höreich die Bücher“, antwortet Bentele ver-schmitzt. Bücher in Blindenschrift seienviel zu unpraktisch, viel zu dick, um sie zuden vielen Sportwettbewerben mitzuneh-men.

Verena Bentele ist Optimistin. Einiges ih-rer vielen Erlebnisse, ihrer fröhlichen Artund ihrer Lebenseinstellung gibt sie in Semi-naren weiter. Ihre Erfahrungen aus demSport lassen sich auf viele Lebensbereicheübertragen, weshalb sie immer wieder vonFirmen für Vorträge angefragt wird. Da gebees ganz verschiedene Themen, sagt Bentele.Teambuilding, Stressbewältigung oder dasErkennen eigener Stärken sind nur einige Bei-spiele aus ihrem Seminarrepertoire. Mal ar-beitet sie mit ganz kleinen Gruppen, ein an-deres Mal sind es bis zu einhundert Zuhörer.

Das ist etwas, was ihr viel Spaß macht. Undwenn es weiter so gut läuft, möchte VerenaBentele nach dem Studium gern in der Perso-nalentwicklung oder im Sport und in derSportorganisation arbeiten. Was tatsächlichkommt, weiß sie allerdings noch nicht, sagtsie.

Sicher ist dagegen, dass die blinde Sport-lerin auch bei den Spielen von Vancouverwieder im Mittelpunkt steht. Schon vor derersten Goldmedaille wurde sie von den ka-nadischen Tageszeitungen als Star der Para-lympics gefeiert. Für Verena Bentele selbstwird es aber erst einmal kein großes Fest ge-ben. Denn sie hat bei diesen Paralympicsnoch zu viel vor. „Ich habe noch drei Ren-nen, in denen ich Gold gewinnen kann“,sagte Bentele nach ihrem zweiten Triumphvon Whistler, der sie zur bisher erfolgreichs-ten Athletin der Spiele macht.

Einmal zu den Paralympics, niemals auf die Ersatzbank: So begann die Erfolgsgeschichte der Verena Bentele.In Kanada hat die blinde Athletin bereits zwei Goldmedaillen gewonnen – und es sollen noch mehr werden

Der vergoldete Traum

„Wenn du alles gibst,dann reicht das“

Von Anne Balzer

Das Strahlen der Siegerin. Die blinde Biathletin und Langläuferin Verena Bentele holt das erste Gold für Deutschland. Foto: Thilo Rückeis

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Bundespräsident Horst Köhler (CDU) ist nichtnur selbst ein begeisterter Sportler, er warauch das erste deutsche Staatsoberhaupt,das sowohl die Olympischen als auch dieParalympischen Spiele besucht hat. DennMenschen mit Behinderung sind dem Bun-despräsidenten ein persönliches Anliegen.Durch die Sehbehinderung seiner Tochter Ul-rike, die als Teenager aufgrund einer Krank-heit erblindete, weiß der deutsche Bundesprä-sident aus eigener Erfahrung, wie hoch dieLeistungen der Athleten und Athletinnen mitBehinderung einzuschätzen sind. Die Para-lympischen Sommerspiele in Athen und Pe-king sowie die Winterspiele in Turin hat HorstKöhler persönlich besucht, das Projekt derParalympics Zeitung hat Köhler dabei auf-merksam verfolgt. Leider muss der Bundes-präsident bei den Paralympischen Winterspie-len in Vancouver aus Zeitgründen von zuHause mit den Athleten fiebern – jedochnicht minder enthusiastisch, als er das vorOrt in Kanada getan hätte, wie er unsererSchülerredaktion gegenüber bemerkt.

Herr Köhler, Sie haben als erster Bundes-präsident Deutschlands nicht nur dieOlympischen, sondern auch die Paralympi-schen Spiele besucht – was hat Sie dazubewegt?Ich will helfen, dass den Paralympionikendie öffentliche Aufmerksamkeit zuteil wird,die sie verdienen. Ich wünsche mir eine Ge-sellschaft, in der das Miteinander von Men-schen mit und ohne Behinderungen selbst-verständlich ist. Der Sport hilft sehr, die-sem Ziel näher zu kommen. Und daherfreue ich mich, dass immer mehr Men-schen in aller Welt die ParalympischenSpiele verfolgen und sich von den großarti-gen Spitzenleistungen der Athletinnen undAthleten begeistern lassen.

Durch die Sehbehinderung Ihrer TochterUlrike haben Sie selbst erlebt, welcheSchwierigkeiten eine Behinderung füreine Familie bedeutet. Was haben Sieempfunden, als Sie die Entschlossenheitund die Leistungen der paralympischenAthleten beobachten konnten, die sich au-ßergewöhnlichen Herausforderungen stel-len mussten?Ein Unfall oder eine Krankheit können dasLeben verändern. Mit einem Mal vor derErkenntnis zu stehen, dass alles unabän-derlich anders wird, das erschüttert. Undeine Behinderung nicht als Einschränkung,sondern als Herausforderung zu empfin-den – das ist leichter gesagt als getan. Daist es gut zu wissen, dass man nicht alleineist. Es gibt Vorbilder, die zeigen, wie manauch mit einer Behinderung am gesell-schaftlichen Leben selbstbestimmt teilha-ben kann. Die paralympischen Spitzensport-ler machen anderen Menschen mit Behin-derung Mut, den Weg zum Sport zu findenund ihr Leben aktiv zu gestalten.

Ihre Tochter Ulrike hat ihr Abitur auf derBlindenstudienanstalt Blista in Marburgabsolviert. Wäre es nicht sinnvoller heut-zutage, im Sinne der Gleichstellung Sehbe-hinderte oder beziehungsweise auch Kör-perbehinderte eine Regelschule besuchenzu lassen?

Wir waren froh, dass es die Blista gab. DieRegelschule meiner Tochter war leider aufeinen Fall wie ihren überhaupt nicht einge-stellt. Und meine Tochter sieht ihren Auf-enthalt in der Blista sehr positiv. Dennochhalte ich es für richtig, dass Kinder mitund ohne Behinderung möglichst gemein-sam an einer allgemeinen Schule lernen,als Regel, die natürlich auch Ausnahmenkennen darf. Dazu verpflichtet auch dasÜbereinkommen der Vereinten Nationenüber die Rechte von Menschen mit Behinde-rungen. Hier ist ein Umdenken im Gange,das den Forderungen und Wünschen vielerEltern und Schüler entspricht. Ich denke,wir sind dabei, das Können und Engage-ment unserer qualifizierten Förderpädago-

gen künftig deutlich mehr als bisher fürden gemeinsamen Unterricht an Regelschu-len zu nutzen. Wie das gelingen kann, willich mir in Kürze bei einem Schulbesuch inSchleswig-Holstein anschauen: Dort ist inden vergangenen Jahren besonders viel da-für getan worden, um mehr gemeinsamenUnterricht zu ermöglichen. Von guten Bei-spielen zu lernen – darum geht es mir, da-rum sollte es im Bildungswesen insgesamtgehen.

Gab es bei den vergangenen Paralympi-schen Spielen in Athen, Turin und Peking,bei denen Sie ja jeweils anwesend waren,ein Ereignis, das Sie besonders beein-druckt hat?Es gab so viele tolle Wettkämpfe und faszi-nierende Momente, zum Beispiel beim Sled-gehockey oder beim Tischtennis, dass ichkein einzelnes Ereignis herausheben will.Mich haben der Wille und die Lebensfreudeder Sportler angefasst. Davon kann manlernen.

Sind Ihnen bei den Paralympics beim Am-biente oder auch im Umgang der Men-schen miteinander Unterschiede zu denOlympischen Spielen aufgefallen?

Olympische Spiele und Paralympics bietenbeide sportliche Spitzenleistungen. Aberbei den Paralympics geht es immer nocheinen Tick fröhlicher, unverbrauchter, ja fa-miliärer zu.

Wie erklären Sie das zu beobachtendePhänomen, dass die Paralympics mit je-der Durchführung einen weiteren Schrittaus dem Schatten der Olympischen Spieletreten?Die Paralympics sind heute nach den Olym-pischen Spielen die weltweit größte Sport-veranstaltung. Das ist eine großartige Er-folgsgeschichte, die sich herumspricht. Mil-lionen von Menschen in aller Welt erlebendie hervorragenden Leistungen der Para-lympioniken und fiebern bei ihren spannen-den Wettkämpfen mit. Ich freue mich darü-ber, dass die Berichterstattung von Spitzen-ereignissen im Behindertensport in denvergangenen Jahren deutlich zugenommenhat. Da hat sich eine Menge getan.

Bei den Paralympischen Winterspielen2006 in Turin haben Sie betont, dass wiralle – auch die Menschen ohne Behinde-rung – etwas von den paralympischenSportlern lernen könnten. Worin sehenSie die Vorbildfunktion der Sportler kon-kret?Es geht um die Bewältigung schwierigerLebenssituationen. Wie man sich nicht fal-len lässt, wie man sich Ziele setzt.

Was macht Deutschland denn, um die kör-perliche Aktivität von Jugendlichen zu för-dern?Deutschland ist eine Sportnation, das fängtbereits in der Schule an. Und setzt sich inüber 90 000 Sportvereinen fort, in denenrund 9,5 Millionen Kinder, Jugendliche undjunge Menschen aktiv sind. Diese Ausgangs-lage ist nicht schlecht, aber die Konkurrenzdurch andere Freizeitbeschäftigungen wiezum Beispiel Computerspiele ist groß.Wenn der Sport auch in Zukunft für Jungwie Alt attraktiv bleiben soll, müssen dieVerantwortlichen im wahrsten Sinne desWortes ständig am Ball bleiben.

Welchen Eindruck haben Sie bislang vonden Paralympics in Kanada? Werden Sienoch selbst hinreisen können?Ich wäre gern in Vancouver dabei gewesen,leider ließ sich das nicht einrichten. Aber na-türlich fiebere ich mit unserer Mannschaftmit und drücke unseren Paralympionikenganz fest die Daumen.

— Die Fragen stellten Leonie Arzberger, 19Jahre, Dom-Gymnasium Freising, Haag an derAmper; Cameron Farnden, 18 Jahre, KitsilanoSecondary School, Vancouver; Tassilo Hummel,18Jahre,GymnasiumNeckargemünd,Neckarg-münd; Raphael Menke,18 Jahre, Auguste-Vikto-ria-Gymnasium, Trier; Annemieke Overweg, 18Jahre, Lessing-Gymnasium, Uelzen; VeroniqueWest,17Jahre,KitsilanoSecondarySchool,Van-couver.

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Mehr zu den Paralympics unter:www.tagesspiegel.de/paralympics

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„Es gibt ein Umdenken“Schülerinnen und Schüler fragen, der Bundespräsident antwortet –Horst Köhler erzählt, was die Paralympischen Spiele bewegen können

Bundespräsident Horst Köhler, 67,bewundert die paralympischen Athleten. Ersieht in ihnen große Vorbilder für Menschen

mit und ohne Behinderung. Foto: dpa

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Es begann bei der offiziellen Begrüßung derolympischen und der Verabschiedung derparalympischen Nationalmannschaft nachKanada. Da war ganz München aus demHäuschen, und, jawohl, die deutschen Ath-leten mit Handicap waren auch geladen.Während aber die Moderatoren und Red-ner allein die herkömmlichen Sportler in ih-ren Reden lobten, wirkten einige Rollifah-rer still wie Staffage in der Mitte der Olympi-schen Ringe, die die Menschen auf demPlatz formten. Kein Satz war ihnen jedochvergönnt, sie blieben Statisten und standenauch sprichwörtlich im Regen.

So ist das oft, wenn behinderte und nichtbehinderte Leistungssportler gemeinsamauftreten. Paralympischer Sport ist nochnicht ausreichend bekannt: Die Disziplinen,die Regeln, die Klassifizierungen, viele bli-cken da nicht durch. Nur während der Para-lympics ist das anders. In Kanada gibt esjetzt gar „einen neuen paralympischen Stan-dard“, lobt die Tageszeitung „The Globeand Mail“, und auch die „Vancouver Sun“beschäftigt sich mit der Forderung desGründers des Internationalen Paralympi-schen Komitees (IPC), Robert Steadward:Die Winterspiele sollten künftig gemein-sam abgehalten werden, weil es ver-schenkte Mühe sei, die Energie, die sich mitOlympia bilde, nach der Veranstaltungs-pause für die Paralympics erst wieder neuaufzubauen.

Der Gedanke ist nicht neu. Doch je profes-sioneller die Sportler mit ihren Hightech-prothesen und MonoskiabfahrtsgeschossenLeistungssport treiben, desto eher wird erwieder aufgegriffen. Sir Philip Craven, derPräsident des IPC, hält jedoch sofort dage-gen: Die Paralympics sind dabei, sich als ei-genständige Marke zu etablieren, der Spirit,die Stimmung in der weltweiten Paralympi-schen Familie seien einzigartig. Der großeBruder Olympia bliebe immer stärker alsdie kleine Schwester Paralympia.

„Man muss auf jeden Fall vorsichtig sein,dass man nicht total untergeht und als Sport-ler zweiter Klasse gilt. Bei den Paralympicssind wir die Stars – und ob das bei einer Zu-sammenlegung immer noch so wäre, daswage ich stark zu bezweifeln“, meint An-drea Eskau, die in ihrem Sitzschlitten beiden nordischen Skidisziplinen für Deutsch-land startet. Ihr kanadischer SportskollegeBourgonje pflichtet ihr bei: „Ich finde, siesollten das nicht tun. Wir haben viel mehrMöglichkeiten, wenn wir ein eigenständi-ger Wettbewerb bleiben. Wir sollten es ab-solut so beibehalten, wie es ist.“

In Kanada verfolgte auch die ehemaligeBundesjustizministerin Brigitte Zypries, jet-zige Vorsitzende des Kuratoriums des Deut-schen Behindertensportverbandes DBS, zuBeginn die Wettkämpfe. „Ich bin der Über-zeugung, wir sollten das erst mal auf natio-

naler Ebene ausprobieren, da werden jetztschon vielfach Schaukämpfe erfolgreich in-tegriert.“

Sollten denn zunehmend Athleten mit Be-hinderung bei Olympia starten – wie es zu-letzt der sehbehinderte kanadische Skilang-läufer in Kanada versuchte? „Ich hab da someine eigene Meinung“, sagt die Speer-wurf-Weltmeisterin Steffi Nerius beim Emp-fang der Bundesregierung im DeutschenHaus in Whistler. Sie ist seit 1. Oktober2008 Vollzeittrainerin im Behindertenleis-tungssport, „und das ist meine Berufung, dablühe ich auf“. Aber sie selbst habe, wennsie mal einen verletzten Finger mit Tape um-wickelt, Ärger gehabt, „weil man Gelenkenicht unterstützen darf“. Und dann soll ei-ner gleich ein ganzes ultramodernes Sport-

gerät wie eine Prothese einsetzen dürfen –wie etwa der südafrikanische beinampu-tierte Oscar Pistorius mit seinen Carbonpro-thesen.

An den Pisten und Loipen, in den Listenund Gondeln, an den Medaillentreppchenwird nun auch diskutiert, ob man die Para-lympicsvielleichtvordenOlympischenSpie-len und nicht als Anhängsel abhalten sollte.„Nein“,findetZypries,„dannwürdendiePa-ralympics nur wirken wie ein zweitrangigerTestlauf für die Olympischen Spiele.“ UndWendy Underwood, Manager bei TourismVancouver, gibt bei einem PressegesprächimTheListleHotelinVancouverDowntownFolgendes zu bedenken: „Die Karten für dieParalympicsverkaufensichauchjetztsogut,weil die Leute einfach noch in Olympiastim-mung sind und mit dem Partyfeeling, demPublic Viewing nicht aufhören wollen.“Auch dadurch würden die ParalympischenSpiele jetzt prima im Windschatten derOlympischen Spiele mitgezogen. Annette Kögel, Mitarbeit: Tassilo Hummel

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Kombiniert?Soll man Olympia und Paralympia zusammenlegen?Darüber diskutieren in Kanada Athleten und Offizielle

Skifahrer GerdSchönfelder samtAnhang. Auch beiden Paralmpicshaben die Sport-ler viele Fans.

Foto: Thilo Rückeis

Sportler sind dageteilter Meinung

FÜR EIN GESUNDESBERUFSLEBEN

Mitten im Lebenund sicher mobil.Silber bei den Paralympics 2008, Spaß und Power im Alltag – Nicole Seifert weiß, wie wichtig Mobilität für Rollstuhlnutzer ist.

Als Botschafterin der Kampagne „sicher mobil“gibt sie ihre Erfahrungen weiter.

„sicher mobil“ ist die aktuelle Kampagne derBerufsgenossenschaft für Gesundheitsdienst und Wohlfahrtspflege (BGW) und des Deutschen Rollstuhl- Sportverbandes (DRS).

„sicher mobil“ zielt auf• Lebensqualität• Selbstbestimmung• Teilhabe am beruflichen und

gesellschaftlichen Leben

Mehr zur Kampagne:www.bgw-online.dewww.rollstuhlsport.de

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Alles VancouverDer Tagesspiegel_8

Stadtansichten aus Vancouver. Ladies derRed Hat Society „Purple Pumps“ in GranvilleIsland (2. v. links oben), Kunst unter der Gran-ville-Bridge in Downtown (links oben), Haus-boote in Granville Island vor der Skyline vonDowntown (links unten) und Dan Wood, Boots-führer der „False Creek Ferry“ von Granvillenach Downtown-Vancouver (2. v. links unten).Eine Zeitungsleserin vor einem Coffee-Shop inDowntown-Vancouver und Sonja Gaudet vomkanadischen Curling-Team beim Fackellauf zurAnkunft des Olympischen Feuers rund um Rob-son Plaza (rechts unten).Fotos: Thilo Rückeis (6)

Die Paralympischen Spiele sind eröffnet! Eine farbenprächtige Feierentließ die Kanadier und ihre Gäste aus aller Welt in zehn Tage voller Wettkämpfe.

Die Begeisterung ist nicht weniger groß als während der Olympischen Spiele. Impressionen

Let the games begin! Wo die bunten Luftballonsaufsteigen und das olympische Feuer seinenPlatz findet, wurden die Paralympischen Spieleam Freitag offiziell eröffnet – durch IPC-Präsi-dent Philip Craven (unteres Bild, links) und JohnFurlong, Chef des Organistationskomitees Vanoc(unteres Bild, rechts). Zwölf Tage nach demErlöschen der olympischen Flamme entzündeteder 15 Jahre alte beinamputierte Kanadier ZachBeaumont im BC Place Stadion das Feuer für dieOlympischen Spiele der Sportler mit Behinde-rung (links). Fotos: Thilo Rückeis, AFP, dpa

Auf die Skier, fertig, ... Nach der farben-prächtigen Eröffnungsfeier durften dieParalympioniken am Samstag erstmalsauf Loipen und Pisten. Links kämpfendie stehenden Biathleten um Medaillenim Biathlon der Männer. Rechts rast diesitzende Athletin Linnea Ottosson Eideaus Schweden im Slalom auf demMonoski den Hang hinunter. Mehr als500 Athletinnen und Athleten aus44 Ländern tragen in den zehn Tagender Paralympics 64 Entscheidungenim Curling, Sledge-Hockey, im nordi-schen und alpinen Skisport und imBiathlon aus. Fotos: AFP (2)

Ein Gruß an die Gastgeber!Die deutsche Mannschaft läuft

und fährt bei der Eröffnungsfeierder Paralympics 2010 in das

BC Place Stadion ein (rechts).Insgesamt 20 deutsche Athleten

gehen in Kanada aufMedaillenjagd.

Aber auch kleinere Staaten wieetwa Kasachstan, für das

Oleg Syssolyatin die Fahne in dasmit 60 000 Zuschauern volle

Stadion trug, sind dabei(zweites Bild rechts).

Fotos: AFP, dpa

„Ein Einzelner inspiriert viele“ – unter die-sem Motto stand die Eröffnungsfeier derParalympics (links und oben). Inszenierthatte sie Patrick Roberge, der schon fürEröffnungs- und Schlussfeier der Spiele1988 in Calgary verantwortlich war. Insge-samt 5055 Beteiligte im Alter von 6 bis 92Jahren verwandelten das BC Place Stadiumfür knapp drei Stunden in eine große Party-zone. Fotos: Thilo Rückeis (2), dpa

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Martin Braxenthaler hat bei den Paralym-pics in Vancouver nach Biathletin VerenaBentele die zweite deutsche Goldmedaillegewonnen. Drei Tage nach seinem 38. Ge-burtstag fuhr der querschnittgelähmte Ski-sportler im Slalom von Whistler Creeksidein seinem Monoski zum Sieg. 2006 in Turinhatte der gebürtige Traunsteiner im Su-per-G, im Riesenslalom und im Slalomschon dreimal Gold gewonnen.

Nach dem ersten Lauf hatte Braxenthalernoch auf Platz zwei gelegen. Wie er dannnoch aufholen konnte? Mit vollem Risiko,sagte er. „Da gab es nur die Flucht nachvorne mit 100 Prozent.“

Vorsprung durch Technik – Martin Bra-xenthaler gilt in seinem Metier als Mannmit viel Ideen und gutem Material. Ob es anseiner Vergangenheit als Handwerker liegt?Martin Braxenthaler tüftelt für sein Lebengern. „Es gibt kaum einen Athleten, der sichderart professionell mit seinem Materialauseinander setzt“, sagt sein Teamkollegeund Freund Gerd Schönfelder.

Jede Saison versucht Martin Braxentha-ler seinen Monoski so weit zu optimieren,dass dieser inzwischen ein High-Tech-Pro-dukt ist: Karbonschienen und spezielle Stoß-dämpfer sorgen dafür, dass Braxenthaler inWindeseile über die Pisten donnern kann.Auch dem Sitz kommt eine besondere Auf-gabe zu. „Die Sitzschale vergleiche ichgerne mit dem Skischuh bei nichtbehinder-ten Fahrern: Natürlich braucht man den nö-tigen Komfort, dennoch muss alles knackigeng sein, damit man die Balance hält undeine optimale Kraftübertragung auf den Skimöglich ist.“

Jedoch lag es nicht nur am Material, dassMartin Braxenthaler schon bei den vorigenParalympischen Winterspielen in Turin undnun zum Auftakt in Vancouver von nieman-den einzuholen war. Der Traunsteiner, derschon seit zwölf Jahren mit seinem Monoskieinen internationalen Erfolg nach dem ande-ren erreicht, ist einer der herausragendendeutschen Sportler bei den Paralympics.

Bundestrainerin Maike Hujara ist nachder ersten Goldmedaille für Braxenthalerzuversichtlich: „Martin ist technisch einerder stärksten seiner Zunft, auch in Whistler

wird er kaum zu schlagen sein.“ Hochkon-zentriert hat sich der achtmalige Weltcup-sieger auf die Paralympics vorbereitet, auchweil er weiß, dass er mit 38 Jahren nichtmehr zu den Jüngsten zählt. „Natürlich lässtmit wachsendem Alter die Geschwindigkeitein wenig nach, was sich vor allem im Ab-fahrtslauf negativ bemerkbar macht“, sagtBraxenthaler. „Dennoch denke ich, dass ichnach dem Sieg im Slalom, auch noch im Rie-

senslalom und Super-G wieder aufs Podestfahren kann, denn hier zählen insbesonderedie technischen Fertigkeiten.“

Der größte persönliche Erfolg Martin Bra-xenthalers ist jedoch, dass er „gelernt hat,die Behinderung zu akzeptieren“. Nach ei-nem schweren Arbeitsunfall steckte er in ei-ner völlig neuen und tragischen Situation,doch der sportliche Ehrgeiz, der schon im-mer in ihm steckte, diente dabei als Motiva-tion. „Ich wollte nach dem Unfall einfachwieder mit meinen Freunden zum Skifah-ren gehen“, sagt er. Braxenthaler belegte da-raufhin einen Monoskikurs, das ist nun-mehr schon 15 Jahre her. Und es zahlte sichaus für den Bayern: Braxenthalers Karriereals Monoskifahrer kannte immer nur eineRichtung – extrem steil nach oben. Seit sei-nen ersten Paralympics 1998 in Nagano zie-ren mittlerweile 18 internationale Medail-len und acht Weltcuptitel die heimische Vi-trine. Es werden mit Sicherheit nicht dieletzten sein.

Am Sonntag hat er in seinem Auftaktren-nen bei den Paralympics in Whistler einenfür ihn ganz besonderen Erfolg erreicht. Be-vor Martin Braxenthaler die Goldmedaillenach seinem Triumph im Slalom umge-hängt bekam, sagte er nämlich : „Im Mo-ment ist das auf jeden Fall die emotionalsteMedaille für mich. Mir kribbeln gerade totaldie Hände.“ Tassilo Hummel, 18 Jahre

Sport und Aktion bestimmen sein Leben.Acht Jahre war Stefan Krohn aus Magde-burg erst alt, als ihn 1982 auf dem Schul-weg die Straßenbahn erfasste und er unterden Triebwagen geriet. Ein schwerer Bruchdes Oberschenkels mit schwersten Weich-teilschäden am linken Bein waren die Fol-gen. Mit der Konsequenz, dass sein Bein am-putiert werden musste. Doch Stefan Krohngab nicht auf. An der Körperbehinderten-schule in Magdeburg, die er nach der Ampu-tation seines Beines besuchte, bot seinSportlehrer den Schülern Kurse in verschie-denen Sportarten an, um alles einmal aus-probieren zu können. „Ein glücklicher Zu-fall“, sagt Stefan Krohn heute, denn dasSchwimmen begeisterte ihn so sehr, dass erbegann, intensiv zu trainieren. Nach derWiedervereinigung im Jahre 1990 bekamer die Möglichkeit, auch international beiWettkämpfen anzutreten, und er qualifi-zierte sich für die Paralympischen Spiele inBarcelona 1992.

Nachdem sich Krohn danach auf seineAusbildung konzentrierte – er arbeitet bisheute als Fachberater im Marketing der

AOK Magdeburg – begann er ab 1997 wie-der, an internationalen Wettkämpfen teilzu-nehmen und trat 2000 in Sydney erneut beiden Paralympischen Spielen an. Zwar been-dete er danach seine Schwimmkarriere,doch der Sport lässt ihn nicht los. „Mir wareinfach langweilig. Also haben wir ein paarFreunde zusammengetrommelt und eineSitzvolleyball-Mannschaft gegründet“, sagtStefan Krohn. Bei den „Sivobas“ (kurz fürSitzvolleyballer) des HSV Medizin sindauch nicht behinderte Volleyballer mit da-bei. „Im Prinzip ist der Sitzvolleyball beiuns eine integrative Sportart. Aber umge-kehrt, wir integrieren die Spieler ohne Be-hinderungen“, sagt Krohn.

Seitdem es die jetzige Form der gesetzli-chen Unfallversicherung gibt, begleitet ihndie Unfallkasse Sachsen-Anhalt, da der Un-fall als entschädigungspflichtiger Schulweg-unfall anerkannt wurde. So erhielt StefanKrohn 1996 zunächst Unfallrente undKfz-Hilfe für eine behindertengerechte Zu-satzausstattung eines Autos. Besonderswichtig ist jedoch die Versorgung mit denneuesten technischen Möglichkeiten. Sowar Stefan Krohn einer der ersten Deut-schen überhaupt, die im Januar 1999 eineC-Leg-Beinprothese erhielten. Und auch2008 trug er als einer der ersten das Hüftge-lenk Helix 3D.

Stefan Krohn schaut auch bei den Para-lympics genau hin, was die Technik angeht:„Als Betroffener und aktiver Sportlerschaut man solche Spiele natürlich mit ande-ren Augen.“ PZ

Der Tagesspiegel_10

Die Metropole am Pazi-fik begrüßt uns so, wiesieesoffenbarambestenkann: Mit Regen. Dasmuss aber gar nicht vonNachteilsein.„Wisst ihr,warum es gut ist, dass esinderParalympics-StadtVancouver so oft reg-

net?“ fragt Louis „Lou“ Sohar, ShuttlefahrerderSpieleinVancouver,dieParalympics-Be-richterstatteraufderRückbank.„Wirhierha-ben immer schön feuchte Haut und sehenviel jünger aus als die Leute in Kalifornien.“Dasistdochschonmalwas.Gut,dassdieFar-ben Kanadas trotz der Grautönung da drau-ßen wieder strahlend leuchten,wenn unser-eins das Hotel betritt. Denn das „The ListleHotel“ in Downtown Vancouver empfängtseineGästewieeineKunstgalerie.IneinigenZimmern hängen Bilder der Buschlen Mo-watt Galery, der bekanntesten Galerie derStadt.Undaufdem„MuseumFloor“sinddieZimmer mit Kunstwerken der indianischenUreinwohner geschmückt. Selbst derGäste-service-Chef Marinho Maelissa zeigt denJournalisten aus Deutschland stolz seineKunstfotografien.Und HotelchefinLiseMa-gee hat viele Nachbarn, die die Kanadaflag-gen jetzt wieder im Garten und an den Auto-scheiben hissen: Goodbye Olympics, helloParalympics! Da klart das Gemüt auf.

Die Schülerredakteure der ParalympicsZeitung reden nicht übers Wetter. Schon aufdem Umsteigeflughafen Amsterdam gibt esnur ein Thema. Annemieke Overweg ausUelzenmailt inzwischenregelmäßigmitderFrau des Athleten im serbischen National-team, der vor seinem Arbeitsunfall Profi-handballerwerdenwollte–unddersichjetztseinenTraumvonParalympicsimSchneeer-füllt. Dann gibt es da den heißen Draht zwi-schen den Schülerschreibern aus Deutsch-land und der Trainerin des zweiköpfigenTeams aus Mexiko. Leonie Arzberger ausHaag an der Amper hat herausgefunden,dass die Designerin der Medaillen damitauchihremGroßvaterimRollstuhleineEhreerweisen will. Tassilo Hummel aus Neckar-gemünderzählt,dass seine Basketballmann-schaft von blinden Spielern lernen konnte,wie man auf dem Feld besser durch Zurufekommuniziert. Und Heiko Möckl aus Uhl-dingen-Mühlhofenwiederumweiß,dassdieMaschine, mit der das Team über den Atlan-tik jettete, schon zu denVerdientender Luft-fahrtgeschichte gehört.

Pilot Marcel Schoorl aus Holland ließ denFlugfan nach der Landung sogar für ein FotoinsKLM-Cockpit.„IchwerdemirinVancou-veraufjedenFalleinenWettbewerbderPara-lympics ansehen“, sagt der Flugkapitän.Ach, in Vancouver geht doch ganz schnelldie Sonne auf. Annette Kögel

Après Ski

Erfolgreicher Tüftler

Jede Chance genutztDas Wetter in Vancouver spielt nicht immer mit,

die Gastgeber gleichen das mit Herzlichkeit aus -die Jungjournalisten sind begeistert

Martin Braxenthaler gilt als der alpine Fahrer mit dem besten Material. Die Konkurrenzbekommt es auch in Kanada zu spüren: Im Slalom holt der einstige Handwerker Gold

Das Leben des Sportlers Stefan Krohn istein gutes Beispiel für erfolgreiche Rehabilitation

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Martin Braxenthaler war der Star dervergangenen Paralympics. Auch inVancouver hat er gleich wieder Goldgewonnen. Foto: dpa

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Eishockey ist das Heiligtum der Kanadier.Dabei spielt es kaum eine Rolle, ob es sichum Eis- oder Sledgehockey handelt. Die Eis-hockeynation Kanada wird in diesen Tagenwieder toben. Ihr Team geht als aktueller Ti-telverteidiger in das paralympische Sledeho-ckey-Turnier von Vancouver. Ins Leben ge-rufen haben diese Sportart einst versehrteEishockeyspieler in den 1960er Jahren.1994 wurde Sledgehockey in Lillehammerparalympisch. Die Regeln unterscheidensich kaum vom Eishockey der Steher. Ge-spielt wird drei Mal 15 Minuten, ein Teamdarf nicht mehr als sechs Spieler auf demEis haben. Die Schläger sind viel kürzer alsdie bei den Fußgängern, weil sie als Stöckezum Anschieben und als Schläger zugleichdienen. Die meisten Schlitten sind immernoch Einzelstücke, aus Norwegen impor-tiert, rund 1200 Euro teuer, in Heimbau-weise veredelt. Jeder Schlitten muss jetztvorne einen Aufprallschutz haben. Aller-dings sind nicht alle Spieler darüber glück-lich, dass sie nun mehr Gewicht mit sich he-rumschleppen müssen. Immerhin müssensie nun ihre Beine nicht mehr wie in Turinmit Tape am Schlitten festzurren, da gibt esinzwischen richtige Schnallen. Sledgeho-ckey macht auch vielen NichtbehindertenSpaß, die – aber nur auf unterer Leistungs-ebene – im Schlitten mitspielen dürfen.Dass sich Eis- und Sledgehockey von denRegeln her kaum unterscheiden, macht sichauch an der Bande bemerkbar. Viele Natio-nalteams haben Eishockeycoaches als Trai-ner. Beim Team Kanada hat der ehemaligeEishockey-Juniorentrainer Jeff Snyder seit

2004 das Sagen. Snyder und seine Spielerwollen nun vor heimischer Kulisse Ge-schichte schreiben. Noch nie gelang es demTitelverteidiger bei paralympischen Spie-len, sich erneut die Goldmedaille zu holen.Vor vier Jahren in Turin hatten sich die Ka-nadier durch einen imposanten 3:0-Sieg imFinale gegen Norwegen den Turniersieg ge-holt. Zuvor mussten sich auch die deut-schen Sledgehockey-Cracks dem Team mitdem Ahornblatt auf der Brust beugen. InVancouver wollen vor allem die Teams ausNorwegen und den USA einen kanadischenDoppelerfolg verhindern. Diese Nationensind auch so stark, weil anders als inDeutschland Sledge- und Eishockeyver-band unter einem Dach vereint sind. In Ka-nada gibt es schon seit vielen Jahren eine ei-gene Sledgehockey-Liga, die Spieler sindständig in Wettkämpfe involviert. Deutsch-land hat dagegen erst seit dem Jahr 2000 ei-nen eigenen Ligaspielbetrieb. Sieben Teamskämpfen dort um den Titel, in den USA undKanada sind es jeweils gut 20.Dass die Deutschen nicht in Vancouver mitdabei sind, lag jedoch nicht am Niveau ihrerSledgehockey-Liga. Viel mehr war es eineUnachtsamkeit, die den Ausschlag zur ver-passten Qualifikation gab. „Eine Sekundehat vier Jahre kaputt gemacht“, sagt GerdBleidorn, Spieler und Manager der deut-schen Sledgehockey-Nationalmannschaft,mit ironischem Klang in der Stimme. „Aberwir haben uns das selbst zuzuschreiben,dass wir das Ding im Dezember in Malmövergurkt haben.“ Exakt eine Sekunde fehlteder deutschen Sledgehockey-Nationalmann-schaft. Kurz vor Spielende hatte sie sich inUnterzahl auf dem Eis bei der Paralym-pics-Qualifikation gegen die Schweden be-hauptet: 2:1. Und dann zirkelte der ältesteund erfahrenste Kollege im schwedischenSitzschlitten, Jens Kask, den Puck linksoben in den Kasten. Der Traum von denSpielen in Kanada im März war aus.Nun müssen sich die deutschen Sledgeho-ckey-Haudegen den Publikumsmagneten-sport bei den Winterspielen im ParalympicSport TV oder bei ARD und ZDF auf dem

Bildschirm verfolgen. Das wird hart für dieSpieler um Kapitän Jörg Wedde, schließlichwaren sie 2006 in Turin noch Vierter.Ohnehin ist die Motivation etwas gesunken,nachdem die Deutschen ihren großen Spon-sor Radisson SAS verloren haben. Ein knap-pes Dutzend Spieler hat jetzt hingeschmis-sen. Keine Lust mehr auf Berufsleben undden harten Trainingsalltag im Morgen-grauen und bis Mitternacht, bei dem die Fa-milie immer den Kürzeren zieht. Daswurmt Manager Bleidorn, denn Nach-wuchsförderung beim Sledgehockey istschwierig. Er muss in Physiopraxen, an Be-hindertenschulen, in Eisstadien „jeden per-sönlich ansprechen und das Feeling vermit-teln“. Jörg Wedde sagt, „wir Spieler sind jajetzt schon alles alte Säcke“. Wedde liebtSledgehockey, „weil ich das Gefühl habe,übers Eis zu schweben“.Sledgehockey sei ein anspruchsvollerSport, und „nicht jeder hat Bock darauf,sich in der Kälte warmzuspielen“, sagt Spie-ler Bleidorn. Aber wenn man damit an-fängt, ist man schnell heiß darauf. Die Spie-ler wuseln herum wie Ameisen. Blitz-schnell, wendig, einsatzfreudig. Knochen-krebs, Motorradunfall, Brandopfer, jederhat seine eigene Geschichte, ganz egal, ober für Kanada oder Deutschland spielt.„Wenn dir so was passiert, hast du zweiMöglichkeiten“, sagt Torwart Marius Hat-tendorf, „entweder du hängst dich auf, oderdu gibst Gas.“ Dann aber richtig, wie Kapi-tän Jörg Wedde. Der 44-jährige Medizin-techniker verlor im Alter von zwölf Jahrenbei einem Unfall an einem Bahnübergangbeide Beine. Das nächste sportliche Ziel deszweifachen Familienvaters ist die Europa-meisterschaft 2011. Sotschi 2014 kann sichder passionierte Sledgehockey-Spieler eben-falls vorstellen. Dann vielleicht noch mal ge-gen Kanada.

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Gold ist die einzige Farbe, die zählt fürKanada. Zum Auftakt des Sledge-

hockey-Turniers kamen die Kanadiervor 7000 Zuschauern in der UBC Thun-derbird Arena zu einem 4:0. Foto: AFP

Hockey auf SchlittenSledgehockey unterscheidet sich von den Regeln her kaum vom Eishockey.In Vancouver will die kanadische Mannschaft ihren Triumph von Turin wiederholen -dem deutschen Team fehlte dagegen eine Sekunde, um sich für die Spiele zu qualifizieren

Von Annette Kögel

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At the height of the 2010 Olympic Games,downtown Vancouver was pulsating withlife; as the games closed, it seemed that thisinspiring new energy might abate. Howe-ver, the avid curiosity and support of count-less spectators was anything but extingui-shed as the Paralympic Torch Relay beganon March 11th. „The games have broughtthe best in us,“ said one spectator watchingthe 24 hour torch relay along with hundredsof others. A tide of red and white, of surgingfaces and hands, and of wildly whipping Ca-nadian flags greeted a ceremony that was in-timate, yet unabashedly hearty. Paul Gaut-hier initiated the 24h relay that culminatedin the lighting of the Paralympic flame atthe Opening Ceremony on March 12th.From the selection process of the torch bea-rers emerged determined, empowered indi-viduals, all of whom are either passionateadvocators of equality and inclusion, orhave overcome immense challenges. Veronique West, 17 Jahre

Alter schützt vor Leistung nicht! Mit 76 Jah-renistTakashiHidaiderältesteaktiveSport-ler der Paralympics. Dem Japaner, der fürsein Land im Rollstuhlcurling startet, ist da-mit ein Eintrag in die Geschichtsbücher si-cher. Hidai’s Gegenpart bei denParalympicsist der erst16 Jahre alte Schwede ZebastianModin. Der sehbehinderte Biathlet debü-tiert inKanadaalsderjüngsteunterallenAk-tiven. PZ

MarcAhrsitztmitPinselundFarbenamStra-ßenrand, füllt seine Bilder mit Leben. Mo-mente der Olympischen Spiele, der Eröff-nungsfeier, des Fackellaufs, aber auch vielederWettkämpfeverewigter.NochistdieAr-beitnichtzuEnde–auchdieparalympischenEvents will er mit seinen Bildern unvergess-lich machen. „Während der Spiele sind esganz besondere“, antwortet er. Marc Ahrkommt aus Frankreich, lebt jetzt in Kanada.Angefangen hat alles mit Berlin, Gorba-tschow und der Mauer. Seitdem malt er. Bil-der, bei denen man das Gefühl hat, dabei zusein. Anne Balzer, 18 Jahre

Atop the mountain slopes, Cross CountrySkiing enthusiasts will be able to spot a newface on the scene. Courtney Knight is a le-gally blind athlete from Burnaby, BC. Gro-wing up, she competed in numerous sportsand became the first disabled athlete to winan event at the BC High School Track andFieldChampionship.In1992,Knightwasap-pointed to Canada’s Paralympic team. Hermostrecentendeavourisherninthplacinginthe2010WorldCupclassicsprint.Thesega-mes will be her first attempt at a winter po-dium finish. Tamara Morrison, 16 Jahre

„Spine“racontequatrehistoires:celled’unté-traplégique et de sa femme qui vient de luiquitter, celle de Carmella, qui devient para-plégique, celled’unCanadienobsédéde„Se-condLife“,puis celled’un groupequiperfor-ment des expériences controversés sur descorps humaines. „Spine“ avait son début le12 mars au complexe du nouveau Wood-ward SFU à Vancouver. Anais West, 17 Jahre

As the 2010 Winter Olympics rolled to anend on Sunday February 28th, the last at-tempts to get a hand on the infamous Olym-pic red mittens were a rush. Throughoutthe Games, people have been buying awaythe iconic Canadian memento for the Olym-pics. Having sold almost 3.5 million pairsalready, people are beginning to find it har-der to get their hands on a pair. The glovesare only available to the torch bearers andCanadian Paralympic athletes so to get apair you would have to have the right con-nections and know the right kind of people. Angela Yang, 16 Jahre

Trois mois avant les Jeux Paralympiques,beaucoup de gens n'étaient pas encore sûrsà propos de ce que les Paralympiques étai-ent. Certaines personnes croyaient que lesJeux Paralympiques étaient exactement lamême chose que les Olympiques, ce qui fai-sait que ceux qui étaient contre les Olympi-ques, l’étaient aussi pour les Paralympi-ques. Cependant, il y a de plus en plus d’écri-teaux et de publicités pour les Paralympi-ques qui sont affichés partout. Maintenantun grand nombre de citoyens de Vancouveressayeront de transmettre l’enthousiasmedes Jeux Olympiques. Zaga Gubash, 17 Jahre

Les Jeux Paralympiques recevront le plus decouverturemédiatiséequetouslesJeuxPara-lympiquesprécédentsn’ontjamaiseuxauCa-nada,doncilfautentirerprofit.Lesjeuxvontbénéficierde50heuresdereportagetéléviséen Français et en Anglais. Celui-ci va mon-trer des événements sportifs actuels, des cé-rémoniesderemisedeprixetunrésuméquo-tidien des grands moments. Les jeux vontêtre diffusés par le Consortium médiatiquecanadien de diffusion olympique, créé parunfusionnementdessociétésCTVglobeme-diaetRogersMedia.Onvapouvoirvisionnerles évènements sur les chaînes de sport RDSetRISInfo SportsenFrançais,et sur leschaî-nes CTV, TSN et Rogers Sportsnet en An-glais. Quotidiennement, il y aura des récapi-tulations de 90 minutes des moments para-lympiques les plus importants. Chaque jeudans lequel l’équipe canadienne va partici-per, sera démontré en direct sur les chaînesRDS, RIS Info Sports, CTV, TSN et RogersSportsnet. Veronique West, 17 Jahre

„Bewegung verbindet“ – unter diesemMotto steht die Kliniktour 2010. Start waram 27. Januar auf der Zugspitze. 14 nationalund international erfolgreiche Sportler mitBehinderungen werben zusammen mit derDeutschen Gesetzlichen Unfallversiche-rung (DGUV), der Vereinigung Berufsge-nossenschaftlicher Kliniken und dem Deut-schen Rollstuhl-Sportverband für den Be-hindertensport. Neu dabei sind dieses Jahrdie Wintersportlerin Andrea Rothfuss, Ten-nisspielerin Katharina Krüger, LeichtathletMathias Mester und der Rugby-SpielerChristian Götze. Reha- und Behinderten-sport stehen im Mittelpunkt der Infotourder berufsgenossenschaftlichen Kliniken.Dazu Gregor Doepke, Leiter Kommunika-tion DGUV: „Im Laufe des Trainings erken-nen viele behinderte Menschen, dass sietrotz ihres Handicaps sehr erfolgreich seinkönnen. Daraus ziehen sie Kraft und denWillen, nach Rückschlägen nicht aufzuge-ben. Sport unterstützt damit den Rehabilita-tionsprozess entscheidend.“ PZ

Short!

Games broughtthe best in us

50 heures dereportage

Mit 76 Jahrenam Start

Der Malerder Spiele

The rush on thered mittens Kurz!

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A new faceon the scene

Spine: théâtrecorporelle

L’enthousiasmes’intensifie!

Sportler aufKliniktour

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Ein Mann ohne Beine, mit nur einem Arm– jeden Sonntag schwimmt er seine Bah-nen in unserer örtlichen Schwimmhalleim brandenburgischen Forst. Der Bade-meister sagt: „Die Leute mit Behinderung,die hier schwimmen, brauchen kaum Hilfe– ehe wir da die Einstiegshilfen rausgeholthaben, sind sie schon längst im Wasser.“

Aber wann treffen wir sonst mal aufMenschen mit einem Handicap? In derSchule kaum, auf der Arbeit selten. Inanderen europäischen Ländern, wie etwaNorwegen, ist Inklusion längst fest etab-liert. Inklusion bedeutet, die individuellenUnterschiede der Menschen zu akzeptie-ren und die Lebensbedingungen diesenUnterschieden anzupassen. Schon Anfang2009 hat Deutschland die UN-Konventionzu den „Rechten von Menschen mit Behin-derungen“, einschließlich Inklusion, ratifi-ziert. Wie sieht es aber mit der Umset-zung aus, beispielsweise in der Bildungs-politik? Hubert Hüppe, Beauftragter derBundesregierung für die Belange von Men-schen mit Behinderung, sagt: „Ich glaube,dass kein Weg daran vorbeigehen darf,dass Kinder mit Behinderungen mit ande-ren Kindern zusammen lernen, und dasbeginnt schon im Kindergarten.“

In Forst beispielsweise gibt es eine Inte-grations-Kita der evangelischen Kirchenge-meinde. In einer Gruppe von 16 Kindern ha-ben fünf eine Behinderung, es gibt dort ei-nen Erzieher und einen Heilpraktiker. Inden regulären Kitas mangelt es oft an denRäumlichkeiten oder am Personal. Bei biszu 19 Kindern pro Erzieher ist jemand mitsogenanntem „Mehrbedarf“ schwierig un-terzubringen.

Dabei ist Integration gar nicht soschwierig. Die 19-jährige Jana Majunke istSchülerin der Lausitzer Sportschule, Spas-tikerin und Doppelweltmeisterin im Rad-fahren. Die Sportschule bemüht sich, Men-

schen mit Behinderung aufzunehmen, ge-rade wird ein Fahrstuhl eingebaut. Undohne die Unterstützung des Brandenburgi-schen Präventions- und Rehabilitations-sportvereins (BPRSV) in Cottbus wäreJana Majunkes Erfolg auch nicht möglich.Sie hat aber auch negative Erfahrungengemacht, und zwar von einer Seite, vonder eigentlich Hilfe kommen sollte. „Ichhabe festgestellt, dass Menschen mit Be-hinderung bei der Agentur für Arbeit oftnur in die Nische ’Behinderte’ gestecktwerden.“

Noch immer gibt es viele Arbeitgeber, dienicht wissen, was Menschen mit Behinde-rungen leisten können. „Wenn wir von Kin-desbeinen an mit Menschen mit Behinde-rungen zusammenleben würden“, ergänztHubert Hüppe, „würde eine solche Fragegar nicht auftauchen. Deswegen ist einevollständige Inklusion ja so wichtig.“

Ein weiteres Problem für viele Betroffeneist die Bürokratie. Was steht mir eigentlich

zu? Worauf hat mein Kind Anspruch? „Wirmüssen schauen, ob wir nicht manches ent-bürokratisieren und effektiver machen kön-nen“, sagt Hüppe.

Sabine Bulei ist Lehrerin an der Hans-Fal-lada-Schule für geistig Behinderte in Neuen-hagen: „Die Integration von Schwerstmehr-fachbehinderten wird oft als besonderesHindernis angesehen. Diese Kinder brau-chen einen komplett strukturierten Tag.Eine intensive Betreuung mit vier Pädago-gen für sechs bis zehn Kinder ist an einerRegelschule schwer vorstellbar.“ Was Hu-bert Hüppe bestätigt: „Man kann nicht ei-nen Einzigen mit Down-Syndrom in dieKlasse setzen und sagen, nun mach mal.“

Natürlich gibt es Probleme – große wiekleine. Die 18-jährige Ellen aus Wismar lei-det an Muskelschwund, wiederholt wegenihrer Ausfälle gerade die 11. Klasse desGymnasiums. Die nächstgelegene Schule,die sich mit Körperbehinderungen aus-kennt, wäre nur bis zur 10. Klasse gegan-gen. Doch Ellen will ihr Abitur machen,will ihre gewohnte Umgebung ungern ver-lassen. Durch ihre Krankheit hat sie abernach einiger Zeit Probleme mit demSchreiben. Viele ihrer Lehrer sagen, siesoll sich melden, wenn sie nicht mehrkann. Doch wer macht das schon gern,ohne dass das Selbstwertgefühl leidet?

Bei der 22-jährigen Annemarie Hackelhat das ganz gut geklappt. Seit der Geburtfehlt ihr der linke Unterarm. Weder einHindernis fürs Abitur noch für das Stu-dium in Dresden – und auch das Autofah-ren funktioniert.

Es gibt sie also, die guten Ansätze. Ineinigen Altersstufen erleben behinderteund nicht behinderte Schüler der Hans-Fal-lada-Schule den Kunst- und Sportunter-richt zusammen. Auch ein Beispiel dafür,dass man „erst mal schauen muss, wasgeht, was möglich ist, und nicht, wasnicht funktioniert“, sagt Hüppe.

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Die Bundesregierung will das Miteinander von Menschen mit und ohne Handicap an Schule und Arbeitsplatz.Der Weg dahin ist lang, wie Schülerredakteurin Anne Balzer an Beispielen aus Brandenburg festgestellt hat

Inklusion als Ziel

Gemeinsam durch das Leben. Die körperbe-hinderte Jalina spielt in der Römerstadt-schule in Frankfurt am Main in der Pausemit Klassenkameraden Seilhüpfen. Grund-schulen prüfen im ganzen Land immer häufi-ger die Vorteile inklusiver Unterrichtsfor-men. Foto: ddp

Science Center MedizintechnikBerlin, GermanyAn interactive exhibition about human and mobility presented by Otto Bock.Open to the public since June 2009.

X.Paralympic Winter GamesVancouver, CanadaThe Paralympic and Mobility experiencein Whistler presented by IPC and Otto Bock.12.-21.March 2010

Expo 2010Shanghai, ChinaHuman Life and Mobility for the first timeever at the World Expo presented in theLife+Sunshine Hall by Otto Bock.1.May – 31.September 2010

www.ottobock.de

BEGREIFEN, WAS UNS BEWEGT.Technologie für Menschen – Weltweit

Die X. Paralympischen WinterspieleVancouver, Kanada

Die interaktive Ausstellung, das Erlebnis Paralympics und Mobilität in Whistler, präsentiert vom IPC und Otto Bock.12. - 21. März 2010

Das International Paralympic Committee (IPC) und Otto Bock präsentieren: Spirit in Motion – Discover what moves us. Im Zentrum des Austragungsortes Whistler wird der paralympische Gedanke als Ausstellung erlebbar. Spitzensport und Technologie für Menschen mit Mobilitätseinschränkungen als Beitrag zum gesellschaftlichen Dialog zu Integration und Lebensqualität.

www.ottobock.com/2010

X. Paralympische Spiele Vancouver

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Jens Jäger fragt uns: „Ihr wollt mit mir Van-couver auf den Kopf stellen?“ Ja, das wollenwir. Wir wollen erleben, wie Jens Jäger, derMannschaftskapitän, der Skip der Deut-schen Rollstuhlcurling-Mannschaft, eineTourdurchdiekanadischeMetropolebewäl-tigt.Gemeinsammit Jägerwollenwirtesten,wie behindertengerecht Vancouver ist.

Unsere Tour durch die Stadt beginnt in ei-nem Hotel im Viertel Yaletown. Von dortaus geht es quer durch die ganze Stadt. DasFahren im Rollstuhl ist für Jäger, der seit1983 aufgrund eines Motorradunfalls quer-schnittgelähmt ist, überhaupt nicht anstren-gend, sagt er. „Wenn man seit 26 Jahren imRollstuhl sitzt und Sport auf einem hohenNiveau macht, weiß man, wie man sich be-wegen kann und wie man seine Kräfte ein-teilen muss.“

Jens Jäger fährt in seinem Rollstuhl, wirgehen zu Fuß. Nach den ersten Metern mer-ken wir den Unterschied zwischen beidenFortbewegungsarten schon gar nicht mehr.Jens Jäger ist so schnell, so wendig und somobil wie wir. Hauptsächlich liegt das anden vielen kleinen Hilfen überall in Vancou-ver, die Menschen mit Behinderung ein fastbarrierefreies Leben ermöglichen. Es gibtabgesenkte Bürgersteige, Geschäfte und Lo-kale, die durch Rampen mit der Erde ver-bunden sind. Auch der Nahverkehr hat sichauf behinderte Bürger gut eingestellt. DerEinstieg in Bahn und Bussen ist behinderten-gerecht und in den Bussen sind ausreichendPlätze für Menschen mit Behinderung ein-geplant. Und falls es mit dem Einstieg maldoch nicht alleine geht für die Rollis, dann„ist da immer ein netter Kanadier, der ei-nem hilft“, hat Jäger beobachtet.

Von der Freundlichkeit der Menschen inVancouver können wir uns des Öfterenüberzeugen. Wildfremde Leute grüßen unsbei unserem Spaziergang und wollen einFoto mit dem Skip der Deutschen Curling-Mannschaft. Jens Jäger hat bis jetzt nur guteErfahrungen mit den Kanadiern gemacht:„Sie sind sehr offen gegenüber Menschenmit Handicap. Sie bringen Menschen, dieim Rollstuhl sitzen oder ein anderes Handi-cap haben, sehr viel Achtung entgegen.“Das sei eine neue Erfahrung für ihn, erzähltJens Jäger. In seiner Heimatstadt Rottweilsei das anders. Da gebe es oft Vorurteile ge-genüber Menschen mit Handicap. Der 47Jahre alte Jäger weiß besonders gut, wovoner spricht. In seiner baden-württembergi-schen Kleinstadt ist er im sozialen Bereichtätig, sitzt im Stadt- und im Kreisrat und istBehindertenbeauftragter der Stadt Rott-weil.

Eine kanadische Passantin spricht uns aufunserem Weg durch Downtown Vancouveran. Sie sagt: „Es ist so toll, diese ganzenLeute zu treffen. Ich finde es wirklich span-nend ein Teil der Spiele zu sein. Sobald manauf die Straße geht, weiß man nicht, wenman gleich treffen wird.“ Für Jens Jäger istdie Offenheit der Menschen „das, was Ka-nada ausmacht“. „So etwas würde es inDeutschland leider nicht geben, dort würdeman eher sagen: Was willst du denn vonmir, schau zu, dass du wegkommst.“

Es ist nicht zu übersehen, dass Jens Jägerals deutscher Athlet für die Paralympics inVancouver unterwegs ist. Die Plastikschaleinnerhalb der Räder des Rollstuhls hat er inden Farben Schwarz-Rot-Gold gestalten las-sen. „Das sieht aus wie Lava“, sagt Jens Jä-ger und schmunzelt. Auf der Rückseite sei-ner Jacke prangt in großen Lettern„Deutschland“. Aber nicht nur das Outfitvon Jäger sorgt für Aufsehen. Begleitet vonuns Schülerjournalisten und einem Fotogra-fen fällt er unter der Masse an Menschenfast jedem ins Auge. Im Laufe unserer Tourkommen wir an einem Tattoo-Shop vorbei.Jens Jäger weiht uns ein, dass er sich, falls er

eine Goldmedaille gewinnen sollte, ein in-dianisches Emblem, einen Raben, in den Na-cken stechen lassen will. „Der Rabe ist auchauf der Medaille und das Symbol der Spiele.Außerdem ist er ein intelligentes Tier undIntelligenz, das ist auch beim Curling sehrwichtig.“

Viel von Vancouver sehen konnte Jens Jä-ger leider noch nicht, da die Vorbereitun-gen für die ersten Spiele im vollen Gange

sind. Er ist sich trotzdem sicher, dass dieMentalität und Weltoffenheit der Einwoh-ner auf die Architektur der Stadt und damitverbundene Barrierefreiheit Auswirkungenhat. Viel zu der Behindertenfreundlichkeitbeigetragen hat wohl auch die Amtszeit vonSam Sullivan. Er war von November 2005bis November 2008 Bürgermeister von Van-couver. Sullivan sitzt selbst im Rollstuhlund hat im öffentlichen Leben vieles behin-dertengerechter gestalten lassen.

Aber Vancouver ist nicht das Paradies fürMenschen mit Handicap. So ist erstaunli-cherweise ein wichtiger Ort der Spiele

nicht komplett behindertengerecht einge-richtet: das olympische Dorf. Jens Jäger er-zählt, dass sein Badezimmer keine Halte-griffe hatte und auch sonst alles andere alsbehindertengerecht war. „Ich musste daherschon bald nach meiner Ankunft das Zim-mer wechseln.“

Und natürlich gibt es, wie in fast jederwestlichen Metropole, auch Armut in Van-couver. Jens Jäger trifft auf seinem Rund-gang auch auf einen Obdachlosen, mit demer ins Gespräch kommt. Auch das für dieSpiele herausgeputzte Vancouver ist ebentrotz Olympia und Paralympics keine pro-blemfreie Zone.

Auf unserem Rundgang treffen wir dannwenig später den Künstler Marc Ahr. DerFranzose hat es sich zur Aufgabe gemacht,Bilder von den Olympischen Spielen undnun von den Paralympics anzufertigen. Diezufällige Begegnung ermöglicht Jäger, auf ei-nem von Ahrs Bildern verewigt zu werdenund der Skip der Deutschen Rollstuhlcurlerlässt es sich nicht nehmen, das fertige Bildauch gleich zu signieren.

Als es weitergehen soll, werden wir voneiner Polizistin angehalten. Es gibt keinenÄrger, stellen wir nach einer Schreckse-kunde fest: Wir sehen die olympischeFlamme direkt auf uns zukommen, wir ha-ben zufällig den Fackellauf gekreuzt. Jens Jä-ger scheint die Szene zu genießen, etwasverträumt wirkend sagt er: „Olympia ist ein-fach ein Volksfest. Man soll miteinander fei-ern, Menschen aus der ganzen Welt kom-men zusammen, um den Spirit der Spiele zugenießen.“

Der Höhepunkt unserer Tour ergibt sichdann am Ende, als wir am Robson Plaza an-kommen. Dort sind eine Bühne und viele

kleine Stände zur Feier des Fackellaufs auf-gebaut. Zudem gibt es eine kleine Curling-bahn. Da juckt es Jens Jäger in den Fingern,er nutzt die Möglichkeit, eine Kanadierinzu einem Curling-Match herauszufordern.Die beiden haben dann auch ihren Spaß, amEnde gewinnt allerdings die Kanadierin.Jens Jäger nimmt die Niederlage mit Humorhin. Die verpatzte Generalprobe gebe ihmnun die Hoffnung, dass es beim Wettbe-werb in Vancouver besser laufen werde fürihn.

Damit ist unsere Tour durch Vancouverdann auch beendet. Das Fazit fällt aus JensJägers Sicht positiv aus: Vancouver machees Menschen mit Handicap leicht undkönne in vielen Bereichen als Vorbild fürdeutsche Großstädte gesehen werden, sagtJens Jäger.

Mehr zu den Paralympics unter:www.tagesspiegel.de/paralympics

Ergebnisse, Livebilder, Analysenund Hintergrundberichte zu denSpielen im großen Online-Specialdes Tagesspiegels.

Der Tagesspiegel_14

Straßen ohne BarrierenWie behindertengerecht ist Vancouver? Unsere Schülerredakteure Elisa Kremerskothen und Heiko Möcklhaben es mit Rollstuhlcurler Jens Jäger erkundet – und kamen zu einem positiven Fazit

Hier rollt Schwarz-Rot-Gold. Jens Jäger hat in Vancouver wenig Mühe, begegnet aber auch großstädischem Elend. Fotos: Thilo Rückeis

Im Olympischen Dorfgibt es Probleme

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Herausgeber:Stephan-Andreas Casdorff,Lorenz MaroldtRedaktion:Annette Kögel (verantwortlich),Robert Ide, Claus Vetter, Anke Myrrhe,Sebastian Stier; Mitarbeit: Sarah DoepkeFotoredaktion:Thilo RückeisSchülerredaktion:Karin Preugschat (Ltg.),Leonie Arzberger, Anne Balzer,Franziska Ehlert, Cameron Farnden,Zaga Gubash, Stephanie Gustin,Tassilo Hummel, Priscilla Korompis,Elisa Kremerskothen, Heiko Möckl,Tamara Morrison Florence Ng,Annemieke Overweg, Anais West,Veronique West, Angela YangChef vom Dienst: Thomas WursterArt Direktion: Simone KitzingerProduktion: Detlev JackschentiesAnzeigen: Jens Robotta, LuxxMedienGeschäftsführung:Frank Lüdecke, Dr. Marion BleßVerlag Der Tagesspiegel GmbH,Askanischer Platz 3,10963 Berlin

Die Paralympics Zeitung ist ein Gemein-schaftsprojekt von Tagesspiegel, Deut-scher Gesetzlicher Unfallversicherung(DGUV) und panta rhei, Beratungsgesell-schaft für gesellschaftliche Prozesse mbH.

Viele der paralympischen Sportler sindnicht von Geburt an körperlich beeinträch-tigt. Oft sind es schwere Unfälle und Krank-heiten, die zu einer dauerhaften Behinde-rungführen.Wieistesmöglich,dassjemandnach einem gravierenden Einschnitt in seinLeben, trotz aller Einschränkungen – phy-sischundpsychisch–fähigist,SportaufLeis-tungsebene zu betreiben? Hier kommen dieBerufsgenossenschaftlichen Kliniken insSpiel. Sie legen den Grundstein für das zu-künftige Leben der Patienten. Neun dieserKliniken gibt es in Deutschland, nach derErstversorgungSchwerverletzteristihrLeit-gedankeeinganzheitlichesVersorgungskon-zept,dasdenPatientenvomUnfallortbiszurRückkehr an den Arbeitsplatz begleitet.

Die Behandlung von Querschnittlähmun-gen ist zum Beispiel ein Schwerpunkt desBundesgenossenschaftlichen Unfallkran-kenhauses Hamburg (BUKH). Von der Erst-versorgung bis zur lebenslangen Nachsorgereicht das Behandlungsspektrum. Durch-schnittlich 190 Menschen werden jährlichim dortigen Querschnittgelähmtenzentrumbehandelt. Schon früh wird mit sportthera-peutischen Mitteln gearbeitet. „Die sportli-chenMaßnahmenwirkensichaufalleBerei-chederFitness,GesundheitundVitalitätpo-sitiv aus. Wir erzielen durch diese Maßnah-men große Erfolge“, sagt der Chefarzt desZentrumsRoland Thietje. SeinBerliner Kol-lege Kai Dragowsky, Oberarzt der Klinik fürUnfallchirurgie und Orthopädie im Unfall-krankenhaus Berlin, hebt hervor, dass auchder soziale Aspekt entscheidend sei: „Durchden Sport gelingt die Reintegration des Be-troffenen in einem leistungsorientiertenKontext.DarausentwickeltsichzunehmendSelbstwertgefühl, das dem Patienten die Si-cherheitvermittelt,inderGesellschaftinsge-samt bestehen zu können.“

ImSüdenderRepublikliegendieBG-Klini-ken Murnau, Ludwigshafen und Tübingen.ObwohlalleKlinikengrundsätzlichdenglei-chenPrinzipienfolgen,werdenunterschied-liche Schwerpunkte gesetzt. So ist das Quer-schnittzentruminMurnaumitseinen85Bet-

ten eines der größten und modernsten Zen-treninganzDeutschland.Ludwigshafenhin-gegen hat im Vergleich zu anderen Klinikeneinen Schwerpunkt in der Hand-, Plasti-schen und Mikrochirurgie und in der Be-handlung Schwerbrandverletzter. Tübingenhebt sich neben ihren verschiedenen Abtei-lungen,unter anderem der Klinik für Unfall-chirurgie,durchdieKooperationmitderme-dizinischen Fakultät der Universität hervor.

Ein Punkt steht bei allen Kliniken stark imVordergrund: Es ist das aufeinander abge-stimmte Behandlungskonzept von Akutver-sorgungundRehabilitation,daseinenerfolg-reichen Heilungsprozess ausmacht. EinevollständigeRehabilitationmussauchimso-zialen Bereich stattfinden. Innerhalb diesesProzesses spielt der Sport eine große Rolle.SvenSender,SprecherderBG-KlinikTübin-gen, sagt: „Viele junge Menschen erkennendurchdenSport,dasssietrotzihrerBehinde-rung Höchstleistungen bringen können.Zum anderen erlernt man im Therapiesportalle Funktionen für den Alltag, zum Beispielwie man als Rollstuhlfahrer in ein Auto ein-steigt.“ Auch Ärztin Doris Maier von der

BG-KlinikinMurnaubetontdiepositiveWir-kung des Sports auf die Psyche der Patien-ten. Die Rehabilitation müsse daher „ein be-sonderes Augenmerk auf den Sport legen“,zumaldiesereinElementdersozialenReinte-gration sei, da man etwas zusammen mitFreunden und Familie unternehmen könne.

DochohnedieArbeitdervielenPhysiothe-rapeuten und Sportlehrer in den Klinikengäbe es wohl nicht so viele exzellente behin-derte Leistungssportler in Deutschland. SosindbeispielsweiseRad-WeltmeisterinNata-lie Simanowski und Paralympicssieger Mi-chaelTeuber ehemaligePatientenderKlinikMurnau, aber auch einige ehemalige Mitar-beiter der Kliniken sind als Betreuer vondeutschen Nationalteams tätig. Sie nutzendie Chance, so auf die Arbeit aller BG Klini-kenaufmerksamzumachen. InDeutschlandsind das außer den fünf genannten noch dieUnfallklinikeninDuisburgundFrankfurtamMain, die Klinik Bergmannstrost Halle unddas Universitätsklinikum in Bochum.

Sich ins Leben zurückspielen. Im Vor-feld der Paralympics besuchte unsereSchülerredaktion das Unfallkranken-

haus Berlin. Foto: UKB

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Die WegbereiterIn den Berufsgenossenschaftlichen Unfallkliniken wird für das Leben mit einerdauerhaften Behinderung trainiert – und der Weg zu den Paralympics geebnet

Impressum

Von Leonie Arzberger und Anne Balzer

Wir starten durch: München ist gemeinsam mit Garmisch- Partenkirchen und der Kunsteisbahn Königssee im Rennen um die Olympischen und Paralympischen Winterspiele 2018.

Für Vancouver wünschen wir dem deutschen Paralympic-Team viel Erfolg! www.muenchen2018.org

Nationale Förderer

Nationale Ausstatter

München im olympischen Rennen

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VANCOUVER 2010 – DEN ERFOLG FEST IM BLICKDie Apotheken – Offizielle Partner Ihrer Gesundheit

Die ABDA – Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände engagiert sich als Spitzenorganisation der 21.600 Apotheken mit mehr als 145.000 Mitarbeitern seit 2008 für die Paralympische Bewegung. Als verlässlicher Partner des Deutschen Behindertensportverbandes (DBS) fördern wir nachhaltig den Behindertensport in Deutschland und setzen uns für Werte wie Leistung, Toleranz und Integration ein. Es ist Teil un-serer gesellschaftlichen Verantwortung, die deutsche Paralympische Mannschaft in Vancouver aktiv nach Kräften zu unterstützen. Und natürlich drücken wir den Athletinnen und Athleten ganz fest die Daumen und wünschen viel Erfolg!