DStR-Beihefter 2012 48...Deutsches Deutsches Steuerrecht Steuerrecht Beck SteuerDirekt 50. Jahrgang...

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Deutsches Steuerrecht Deutsches Steuerrecht Beck SteuerDirekt 50. Jahrgang 2012 Beihefter zu Heft 48/2012 Seiten 121* - 132* 30. 11. 2012 Pflichtenkollision des Berufsgeheimnisträgers in der Außenprüfung Vom wissenschaftlichen Arbeitskreis „Steuerrecht“ des DWS-Instituts

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Deutsches SteuerrechtDeutschesSteuerrecht

BeckSteuerDirekt

50. Jahrgang 2012 Beihefter zu Heft 48/2012 Seiten 121* - 132* 30. 11. 2012

Pflichtenkollision des Berufsgeheimnisträgers in der Außenprüfung

Vom wissenschaftlichen Arbeitskreis „Steuerrecht“ des DWS-Instituts

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122* Beihefter zu DStR Heft 48/2012 Pflichtenkollision des Berufsgeheimnisträgers in der Außenprüfung

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Pflichtenkollision des Berufsgeheimnisträgers in der Außenprüfung Beihefter zu DStR Heft 48/2012 123*

Pflichtenkollision des Berufsgeheimnisträgers in der Außenprüfung

Vom wissenschaftlichen Arbeitskreis „Steuerrecht“ des DWS-Instituts*

Dieser Beitrag befasst sich mit der bisher ungeklärten Frage, inwie-weit berufsrechtliche Verschwiegenheitspflichten für die davon be-troffenen Berufsangehörigen das Gebot nach sich ziehen, im Falleiner sie selbst betreffenden Außenprüfung die mandanten- oderpatientenbezogenen Unterlagen zu schwärzen oder anderweitigzu anonymisieren. Diese Diskussion ist durch einen vom BFH ent-schiedenen Streitfall ausgelöst worden, in dem ein Rechtsanwaltdie Mitwirkung bei einer ihn betreffenden Außenprüfung unterHinweis auf seine Verschwiegenheitspflicht vollständig verweigerthatte.

1. ProblemlageVerschwiegenheits- versus Mitwirkungspflicht: Freie Berufewie Steuerberater, Rechtsanwälte, Wirtschaftsprüfer, aberauch Ärzte sind berufsrechtlich zur Verschwiegenheit ver-pflichtet (vgl. dazu für Steuerberater § 57 Abs. 1, § 62StBerG). Steuerrechtlich sind diese Berufsträger dagegen ge-genüber dem Finanzamt (FA) grundsätzlich zur Mitwirkung,insbesondere zur Offenlegung der maßgeblichen Tatsachen(§ 90 AO), zur Auskunft (§ 93 AO) und zur Vorlage von Un-terlagen (§ 97 AO) verpflichtet. Gesteigerte Mitwirkungs-pflichten bestehen während der Außenprüfung (§ 200 AO).Dabei ist zwischen den eigenen steuerlichen Verpflichtungen(des Steuerberaters als Steuerpflichtigem) und der Unterstüt-zung der steuerlichen Verpflichtungen der Mandanten durchden Berufsträger zu differenzieren. Um den berufsrechtli-chen Verschwiegenheitspflichten Rechnung zu tragen, siehtdas Gesetz für Berufsgeheimnisträger Mitwirkungsverwei-gerungsrechte vor. Geistliche, Abgeordnete und im Einzel-nen aufgezählte freie Berufe „können“ über das, was ihnen indieser Eigenschaft anvertraut worden oder bekannt gewor-den ist, die Auskunft verweigern (§ 102 AO) und ebenso dieVorlage von Urkunden ablehnen (§ 104 AO).BFH-Urteil vom 28. 10. 2009 und offene Fragen: Inhalt undReichweite dieser Verweigerungsrechte und ihr Verhältnis zuden Mitwirkungspflichten sind zum Teil unklar. Ebenso istaus berufsrechtlicher Perspektive fraglich, ob und unter wel-chen Voraussetzungen eine Pflicht des Berufsgeheimnisträ-gers zur Verweigerung besteht, wann also das „können“ in§§ 102, 104 AO als „müssen“ zu lesen ist. Das BFH-Urteilvom 28. 10. 2009, VIII R 78/051, hat eine Diskussion überdie Reichweite des Mitwirkungsverweigerungsrechts ausge-löst. In jenem Verfahren verweigerte ein Rechtsanwalt in ei-ner ihn betreffenden Außenprüfung unter Berufung auf seineVerschwiegenheitspflicht jegliche Mitwirkung und lehnte

auch die Vorlage von Unterlagen insgesamt ab. Der BFH hatdas Vorlageverlangen des FA als rechtmäßig beurteilt, weildieses sein Vorlageverlangen dahin beschränkt hatte, dass derKläger das Recht habe, mandantenbezogene Unterlagen, dieseiner Verschwiegenheitspflicht unterliegen, zu schwärzen.

Diese Ausführungen des BFH haben die Frage aufgewor-fen, ob Freiberufler verpflichtet sind, bei einer sie betreffen-den Außenprüfung alle mandantenbezogenen Unterlagen zuschwärzen. Eine Antwort darauf ergibt sich aus dem genann-ten BFH-Urteil nicht. Denn der BFH hat lediglich entschie-den, dass das Vorlageverlangen jedenfalls dann rechtmäßigist, wenn das FA dem Steuerpflichtigen die Möglichkeit derSchwärzung oder anderweitigen Anonymisierung einräumt.Ob ein Freiberufler während der Außenprüfung die Unterla-gen dem Prüfer auch ungeschwärzt zur Verfügung stellendarf, ist damit nicht entschieden. Die Antwort auf diese Frageist nicht steuerrechtlicher Natur. Sie kann sich nur aus berufs-rechtlichen Grundsätzen ergeben.

Nach Auffassung vieler Berufsrechtler, insbesondere auchdes zuständigen Ausschusses der Bundesrechtsanwaltskam-mer, unterliegen sämtliche Daten der Mandanten bzw. Pati-enten des Freiberuflers der Verschwiegenheitsverpflichtung.Dies gilt nach dieser Auffassung nicht nur für die Inhalte derTätigkeit, sondern auch für die Namen, also schon allein fürdie Tatsache, dass eine Tätigkeit stattgefunden hat, unabhän-gig von deren Inhalt. Dies soll auch unabhängig davon gelten,ob derjenige, dem gegenüber die Daten offenbart werden,seinerseits wieder zur Berufsverschwiegenheit verpflichtetist. Damit würde die Verpflichtung zur Verschwiegenheitsich auch auf die Namen der Mandanten bzw. Patienten be-ziehen und zwar trotz des Steuergeheimnisses auch gegenü-ber dem Betriebsprüfer.Praktische Schwierigkeiten bei der Umsetzung des Urteils: Folgtman dieser Auffassung, so stößt die Umsetzung der Entschei-dung des BFH auf erhebliche Schwierigkeiten. Abgesehendavon, dass das Schwärzen beim elektronischen Datenzugrifftechnisch höchst aufwendig, wenn nicht im erforderlichenUmfang sogar unmöglich ist, dürfte das Schwärzen auf denUnterlagen auf Papier gänzlich unzumutbar sein. Es beginntdamit, dass die Kreditinstitute schon seit Jahren bei Gut-schriften auf dem Konto keine Anlagen mehr fertigen, son-dern der Name des Auftraggebers auf dem Kontoauszug ge-nannt ist. Alle diese Namen müssten geschwärzt werden. Ab-gesehen von dem Aufwand steht zu erwarten, dass der Be-triebsprüfer den Verdacht hegt, es sei zu viel geschwärztworden und misstrauisch wird. Darüber hinaus müsstensämtliche Kontoauszüge vorher kopiert werden, damit sie ih-ren Informationsgehalt für den Freiberufler behalten.

Dies setzt sich in der Finanzbuchhaltung fort. Damit siekontrollierbar bleibt und ihre Aussagefähigkeit behält, ist esunerlässlich, dass auf den Einnahmekonten die Namen derMandanten/Patienten vermerkt sind. Auch diese Kontenmüssten für die Betriebsprüfung vollständig geschwärzt wer-den. Damit ergeben sich erneut die oben genannten Schwie-rigkeiten. Mittlerweile beschäftigen sich verschiedene berufs-rechtliche, steuerrechtliche und EDV-technische Gremien

* Der wissenschaftliche Arbeitskreis „Steuerrecht“ besteht aus folgen-den Mitgliedern: Prof. Dr. Roman Seer (Vorsitzender), StB/vBP Dipl.-Kfm. Dr. Harald Grürmann, Vors. Richter am BFH Prof. Dr. Heinz-JürgenPezzer, Prof. Dr. Ekkehart Reimer, Prof. Dr. Wolfram Scheffler u. StBDipl.Ök. Dr. Hartmut Schwab. Die nachfolgende Stellungnahme beruhtim Wesentlichen auf der Arbeit von Prof. Dr. Heinz-Jürgen Pezzer.1 BFH v. 28. 10. 2009, VIII R 78/05, BStBl II 2010, 455, BFHE 227,338, DStR 2010, 326, DStR 2010, 950 m. Anm. Mutschler.

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mit der Frage, inwieweit eine elektronische „Schwärzung“möglich ist. Diese Aktivitäten sollten koordiniert werden.Insbesondere muss vermieden werden, dass die EDV-Spezia-listen komplizierte Lösungen vorgeben und damit unnötigeBürokratie in den Praxen und Kanzleien aufgebaut wird.Dem Vernehmen nach soll im Programm der DATEV ab Ver-sion 5.0 für den „Z3-Zugriff“, d. h. bei der Überlassung einesmaschinell auswertbaren Datenträgers an den Prüfer (§ 147Abs. 6 Satz 2 Alt. 2 AO2), eine elektronische „Schwärzung“möglich sein. Technisch unmöglich bleibt es dagegen aber,die Daten für den unmittelbaren Zugriff nach § 147 Abs. 6Satz 1 AO („Z1-Zugriff“) zu schwärzen, da sie damit für ih-ren eigentlichen Zweck unbrauchbar würden. Ob eine davonzu unterscheidende Auswertung anonymisierter Daten i. S.des § 147 Abs. 6 Satz 2 Alt. 1 AO („Z2-Zugriff“) möglich ist,ist dem Arbeitskreis nicht bekannt und kann nicht einfach an-genommen werden.

Im Folgenden wird ein – naturgemäß nicht abschließen-der – Überblick über die einschlägige Rechtsprechung ausden verschiedenen Rechtsgebieten gegeben. Im Anschlussdaran wird versucht, Maßstäbe für die Lösung der aufgewor-fenen Fragen aufzuzeigen.

2. Überblick über die Rechtsprechung und Verwaltungs-auffassung2.1 Entscheidungen des BFH2.1.1 BFH-Beschluss vom 11. 12. 1957, II 100/53 U – Patientenkartei

Ein Facharzt für Hautkrankheiten weigerte sich, währendeiner ihn betreffenden Betriebsprüfung die Patientenkarteivorzulegen. Der BFH3 entschied, dass Ärzte auch bei einerzur Nachprüfung der Erfüllung ihrer eigenen Steuerpflich-ten vorgenommenen Betriebsprüfung die Vorlage der von ih-nen geführten Patientenkarteien zwecks Einsichtnahmedurch das FA insoweit verweigern dürfen, als darin Eintra-gungen enthalten sind, auf die sich ihr Recht zur Auskunfts-verweigerung nach § 177 Abs. 1 Ziff. 2 RAO (entspricht§ 102 Abs. 1 Ziff. 3 AO 1977) erstreckt. Der vom Finanzge-richt vorgesehene Ausweg, dem Arzt aufzugeben, die Patien-tenkartei vorzulegen und dabei durch „Verdecken“ einzelnerTeile dem Betriebsprüfer geheimhaltungspflichtige Dingevorzuenthalten, stand nach Auffassung des BFH mit dem Ge-setz nicht in Einklang. Denn nach § 183 Satz 3 i. V. m. § 171Abs. 1 Ziff. 2 RAO (entspricht § 104 Abs. 1 Satz 1 i. V. m.§ 102 Abs. 1 Ziff. 3 lit. c AO 1977) habe gerade der Arzt dasuneingeschränkte Recht, die Vorlage der Patientenkartei in-soweit zu verweigern, als sein Auskunftsverweigerungsrechtreicht. Außerdem würde ein solches Verfahren in der Praxiszwangsläufig bei der Durchführung Schwierigkeiten undUnzuträglichkeiten mit sich bringen. Es könne dabei dahin-gestellt bleiben, ob z. B. einem vielbeschäftigten Arzt eine

Mitwirkungspflicht in einem so weitgehenden Umfangeüberhaupt zugemutet werden könnte oder nicht. Hinzukommt, dass es auch vom Standpunkt der Verwaltung als un-tragbar angesehen werden muss, dem Betriebsprüfer zuzu-muten, dass jeweils der beteiligte Arzt einzelne Teile der Pati-entenkartei „verdecken“ darf. Nach Ansicht des erkennendenSenats kann vielmehr dem mit der ärztlichen Schweigepflicht(§ 300 StGB) im Zusammenhang stehenden Recht des Arzteszur Auskunftsverweigerung über ihm anvertraute Dinge(§§ 177, 183 RAO) nur durch eine klare Entscheidung dahinRechnung getragen werden, dass er die Einsichtnahme in diePatientenkartei verweigern dürfe, soweit sie – wie im Streit-fall – Eintragungen enthalte, auf die sich das Auskunftsver-weigerungsrecht erstreckt.

Nach Auffassung des BFH kann das FA, wenn es berech-tigte Zweifel an der Richtigkeit und Ordnungsmäßigkeit derBuchführung des Arztes hat, diesem aber aufgeben, in geeig-neter Form Auszüge und Zusammenstellungen über die ein-zelnen Besuche und sonstigen Leistungen aus der Patienten-kartei mit Namensangaben für die Nachprüfung zu fertigen,welche sich auf die finanziellen Beziehungen beschränkenund welche die das Auskunftsverweigerungsrecht begrün-denden Tatsachen nicht enthalten. Außerdem habe das FAnach § 217 Abs. 1 RAO (entspricht § 162 Abs. 1 AO 1977)das Recht der Schätzung, soweit es die Besteuerungsgrundla-gen nicht ermitteln oder berechnen könne. Insbesonderehabe das FA nach § 217 Abs. 2 Satz 2 RAO (entspricht § 162Abs. 2 AO 1977) diese Befugnis, wenn der SteuerpflichtigeBücher oder Aufzeichnungen, die er nach den Steuergesetzenzu führen hat, nicht vorlegen kann oder wenn die Bücheroder Aufzeichnungen unvollständig oder formell oder sach-lich unrichtig sind. Die nach den vorstehenden Darlegungengerechtfertigte Verweigerung der Vorlage der Patientenkar-tei als solche erlaube allerdings die Schätzung nicht.

2.1.2 BFH-Beschluss vom 27. 2. 1996, IV B 5/96 – Prüfungsanordnung

In diesem Verfahren ging es um die Frage, ob gegen Frei-berufler, denen ein Auskunftsverweigerungsrecht wegen einesBerufsgeheimnisses zusteht, überhaupt eine Prüfungsanord-nung (§ 196 AO 1977) ergehen kann. Der BFH4 sah kein Be-dürfnis für eine derart weitgehende Einschränkung der Au-ßenprüfungsbefugnis. Dazu führt er an, dass der Gesetzgeberder Abgabenordnung (AO 1977) es ausdrücklich abgelehnthabe, die Befugnis zur Versendung von Kontrollmitteilungennach § 194 Abs. 3 AO 1977 bei der Prüfung Steuerpflichtigereinzuschränken, denen Auskunfts- und Vorlageverweige-rungsrechte zustehen5. Gleichwohl habe die Finanzverwal-tung angeordnet, dass „die Fertigung von Kontrollmitteilun-gen zu unterbleiben hat“, soweit dem Steuerpflichtigen einAuskunftsverweigerungsrecht nach § 102 AO 1977 zustehtund er hierauf nicht ausdrücklich verzichtet6. Zwar enthaltenweder der AO-Anwendungserlass noch die Betriebsprüfungs-ordnung heute noch diese Selbstbindung7. Jedoch wird diese

2 Siehe im Einzelnen die Grundsätze zum Datenzugriff und zur Prüf-barkeit digitaler Unterlagen (GDPdU), BMF v. 16. 7. 2001, IV D 2 – S0316 – 136/01, BStBl I 2001, 415, DStR 2001, 1299; zuletzt geändertdurch BMF-Schrb. v. 14. 9. 2012, IV A 4 – S 0316/12/10001 (2012/0831628), BeckVerw 264676.3 BFH v. 11. 12. 1957, II 100/ 53 U, BFHE 66, 225, BStBl III 1958,86, NJW 1958, 646.

4 BFH v. 27. 11. 1996, IV B 5/96, BFH/NV 1997, 274.5 BT-Drs. VI/1982, S. 162; und BT-Drs. 7/4292, S. 35.6 BMF v. 24. 9. 1987, IV A 5 – S 0062-38/87, BStBl I 1987, 664, 704,BeckVerw 066696; § 8 Abs. 1 Satz 1 BpO 1987.7 Schallmoser, in: H/H/Sp, AO/FGO, Febr. 2011, § 194 AO, Rz. 171.

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restriktive Auffassung und Praxis der Finanzverwaltung imSchrifttum ganz allgemein unverändert als zutreffende Ausle-gung des Gesetzes anerkannt8.

2.1.3 BFH-Urteil vom 14. 5. 2002, IX R 31/00 – Postaus-gangsbuch

In dem der Entscheidung zugrunde liegenden Fall hatteein Steuerberater ein Wiedereinsetzungsgesuch mit einer Ko-pie aus seinem Postausgangsbuch untermauert, in der nureine einzige Zeile lesbar, der Rest aber vollständig abgedecktwar. Das FG hatte keine Wiedereinsetzung gewährt, weil dieVollständigkeit der Eintragungen im Postausgangsbuch nichtüberprüfbar sei. Dem folgte der BFH nicht9. Die Befugnis desSteuerberaters zur Zeugnisverweigerung beziehe sich auchauf die Identität des Mandanten und die Tatsache seiner Bera-tung. Ergeben sich solche Tatsachen aus vorzulegenden Ur-kunden (Postausgangsbuch, Fahrtenbuch), so erstrecke sichdas Zeugnisverweigerungsrecht auch darauf. Aus dem Aus-üben des Verweigerungsrechts folge aber nicht, dass nunmehrvom Vorliegen der zu beweisenden Tatsache auszugehen sei.Die Zeugnis- oder Mitwirkungsverweigerung sei eine neu-trale Tatsache, aus der keine Folgerungen zulasten der Betei-ligten gezogen werden dürften. Jedoch bleibe es bei der Fest-stellungslast des Steuerpflichtigen, wenn aufgrund der Mit-wirkungsverweigerung der maßgebliche Sachverhalt nichtnachgewiesen werden könne. Im konkreten Fall hat der BFHdie Sache an das FG zurückverwiesen, um zu prüfen, ob le-diglich solche Eintragungen unkenntlich geblieben waren,die den Gegenstand des Zeugnisverweigerungsrechts bilden.Das seien nur die Namen anderer Mandanten.

2.1.4 BFH-Urteil vom 26. 2. 2004, IV R 50/01 – Bewirtungs-belege

In dem Streitfall hatte ein Rechtsanwalt auf seinen Bewir-tungsbelegen ungenaue Angaben (z. B. allgemeine Bezeich-nungen: Geschäfts- bzw. Mandantenbesprechung) gemacht.Das FA erkannte die Bewirtungskosten trotz des in § 102 AO1977 statuierten Auskunftsverweigerungsrechts nicht an,weil die Angaben nicht den Anforderungen des § 4 Abs. 5Satz 1 Nr. 2 EStG entsprachen. Dem folgte der BFH10. Nachseiner Ansicht können Rechtsanwälte die nach § 4 Abs. 5Satz 1 Nr. 2 EStG erforderlichen Angaben zu Teilnehmernund Anlass einer Bewirtung in der Regel nicht unter Beru-fung auf die anwaltliche Schweigepflicht verweigern. Wennvon einem Rechtsanwalt die Angabe eines konkreten Bewir-tungsanlasses gefordert wird, werde dadurch nicht in unver-hältnismäßiger Weise in das Vertrauensverhältnis zwischendem Rechtsanwalt und dem Mandanten eingegriffen. Dennbei der gebotenen Güterabwägung zwischen anwaltlicherSchweigepflicht und Gleichmäßigkeit der Besteuerungkönne der Senat den Schutz des Rechtsanwalts und seinerMandanten durch das mit empfindlicher Strafe bewehrteSteuergeheimnis (§ 30 AO 1977; § 355 StGB) nicht unbe-

rücksichtigt lassen. Als Gegenstück zu den weitgehenden Of-fenbarungspflichten des Steuerrechts diene § 30 AO 1977zum einen dem privaten Geheimhaltungsinteresse des Steu-erpflichtigen und der anderen, zur Auskunftserteilung ver-pflichteten Personen. Zugleich bezwecke die Vorschrift aberauch, durch besonderen Schutz des Vertrauens in die Amts-verschwiegenheit die Bereitschaft zur Offenlegung der steu-erlich erheblichen Sachverhalte zu fördern, um so das Steuer-verfahren zu erleichtern, die Steuerquellen vollständig zu er-fassen und eine gesetzmäßige, insbesondere gleichmäßige Be-steuerung sicherzustellen. Nach Auffassung des Senatskommt diesen im Rechtsstaatsprinzip und im Gleichbehand-lungsgebot verankerten öffentlichen Interessen, die über dasnur fiskalische Interesse an der Sicherung des Steueraufkom-mens hinausgehen, jedenfalls in Bezug auf die Offenbarungs-pflichten des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 2 EStG Vorrang vor deranwaltlichen Schweigepflicht zu.

Der Rechtsanwalt setzt sich nach Auffassung des BFHauch nicht der Gefahr aus, eine Straftat gemäß § 203 Abs. 1Nr. 3 StGB zu begehen, falls er gegenüber seiner zuständigenFinanzbehörde neben dem Namen des jeweiligen Teilneh-mers an der Bewirtung detailliert das Gesprächsthema be-nennt. Zwar stelle eine derartige Offenbarung von Informati-onen aus dem Mandatsverhältnis möglicherweise eine Verlet-zung der anwaltlichen Schweigepflicht dar. Jedoch handele essich um keine unbefugte Offenbarung i. S. des § 203 Abs. 1Nr. 3 StGB, da in solchen Fällen eine konkludente Einwilli-gung des jeweils an der Bewirtung teilnehmenden Mandan-ten angenommen werden könne. Der konkludenten Einwil-ligung komme jedenfalls eine rechtfertigende Wirkung zu.

Für einen Vorrang der Gleichmäßigkeit der Besteuerunggegenüber der anwaltlichen Schweigepflicht sprächen schließ-lich auch die Bedeutung der Abzugsvoraussetzungen des § 4Abs. 5 Satz 1 Nr. 2 EStG, die in der Missbrauchsabwehr undin der Eingrenzung des „Spesenunwesens“ liege. Damit werdedie effiziente Durchführung einer Außenprüfung beimRechtsanwalt überhaupt erst ermöglicht. Eine Außenprüfungwürde im Falle einer erfolgreichen Berufung auf die anwaltli-che Schweigepflicht sinnlos sein, weil Einsicht nicht nur in dieAkten, sondern z. B. auch in alle Honorarrechnungen verwei-gert werden könnte.

2.1.5 BFH-Urteil vom 8. 4. 2008, VIII R 61/06 – Prüfungs-anordnung, Kontrollmitteilungen

In dem Streitfall wandte sich ein Steuerberater und Wirt-schaftsprüfer gegen eine ihn betreffende Prüfungsanordnungunter Berufung auf die berufliche Verschwiegenheitspflichtund das sich daraus ableitende Auskunftsverweigerungsrecht.Er bat um eine schriftliche, verbindliche Bestätigung seitensder Betriebsprüfung, dass diese keine Kopien und Kontroll-mitteilungen fertigen werde. Solange eine solche Zusagenicht vorliege, halte er die Durchführung der Betriebsprü-fung für unzulässig. Diesem Anliegen erteilte der BFH11 eineAbsage. Auch gegen gesetzlich zur Verschwiegenheit ver-pflichtete und zur Verweigerung von Auskünften berechtigtePersonen, wie Steuerberater und Wirtschaftsprüfer, könne

8 Schallmoser, (Fn. 7), § 194 AO, Rz. 172; Seer, in: Tipke/Kruse, AO/FGO, Jan. 2010, § 194 AO, Rz. 34.9 BFH v. 14. 5. 2002, IX R 31/00, BFHE 198, 319, BStBl II 2002,712, DStR 2002, 1300.10 BFH v. 26. 2. 2004, IV R 50/01, BFHE 205, 234, BStBl II 2004, 502,DStR 2004, 715.

11 BFH v. 8. 4. 2008, VIII R 61/06, BFHE 220, 313, BStBl II 2009,579, DStR 2008, 1233.

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eine Außenprüfung angeordnet werden. Die Rechtmäßigkeitder Prüfungsanordnung werde nicht durch die spätere Formder Durchführung der Außenprüfung beeinträchtigt. Füreine vorbeugende Unterlassungsklage gegen die Finanzbe-hörde, sich bereits vor Beginn der Außenprüfung zu ver-pflichten, keine mandantenbezogenen Kopien oder Kontroll-mitteilungen anzufertigen, fehle in aller Regel das erforderli-che besondere Rechtsschutzbedürfnis. Die Finanzbehördemüsse im Einzelfall im Rahmen pflichtgemäßer Ermessens-ausübung über die Anfertigung von Kontrollmitteilungenentscheiden und den Steuerpflichtigen (Berufsträger) recht-zeitig von einer entsprechenden Absicht informieren. DemSteuerpflichtigen werde dadurch die Möglichkeit eröffnet,sich mit den gesetzlich eingeräumten Rechtsbehelfen im kon-kreten Fall gegen die Umsetzung zur Wehr zu setzen.

2.1.6 BFH-Urteil vom 28. 10. 2009, VIII R 78/05 – Mitwir-kungsverweigerung

In dem Streitfall hatte ein Rechtsanwalt, Steuerberater undNotar in einer ihn betreffenden Außenprüfung unter Berufungauf seine Verschwiegenheitspflicht jegliche Mitwirkung unddie Vorlage von Unterlagen generell abgelehnt. Das FA hat da-raufhin versucht, die Vorlage von Unterlagen durch Zwangs-gelder durchzusetzen. Der BFH12 entschied, dass nach § 104AO kein umfassendes, sondern nur ein jeweils auf die einzelneUnterlage bezogenes Vorlageverweigerungsrecht existiere.Der BFH räumt in seiner Entscheidung ein, dass Unterlagen,wie etwa die Ausgangsrechnungen, denen die Identität desMandanten wie auch die Tatsache seiner Beratung zu entneh-men ist, dem Auskunftsverweigerungsrecht nach §§ 102 Abs. 1Nr. 3 Buchst. b, 104 AO unterfallen. Für den Schutz des Ver-trauensverhältnisses zwischen Rechtsanwalt oder Steuerbera-ter und seinem Mandanten mache es auch keinen Unterschied,in welchem Steuerrechtsverhältnis es zu einer Offenbarung dermandantenbezogenen Informationen gegenüber der Finanz-verwaltung komme. § 102 AO gelte deshalb für eigene undfremde Steuersachen des Berufsträgers.

Jedoch gelte das Verweigerungsrecht nicht für Mandan-ten, die auf eine Geheimhaltung ihrer Identität verzichtet ha-ben; ein solcher Verzicht sei in aller Regel dort anzunehmen,wo der Berufsträger an der Erstellung von Steuererklärungenseiner Mandanten mitgewirkt und dies der Finanzbehördegegenüber kenntlich gemacht, Klageverfahren beim FG undAmtshaftungsprozesse geführt oder in Sachen von Mandan-ten Dienstaufsichtsbeschwerden erhoben habe. Im konkretenStreitfall hat der BFH das Vorlageverlangen des FA als recht-mäßig beurteilt, weil das FA sein Vorlageverlangen dahin be-schränkt hatte, dass der Kläger das Recht habe, mandantenbe-zogene Unterlagen, die seiner Verschwiegenheitspflicht un-terliegen, zu schwärzen.

2.2 Auffassung der FinanzverwaltungNach einem Beschluss der ESt-Referatsleiter der obersten

Finanzbehörden des Bundes und der Länder13 berechtigenberufliche Verschwiegenheitspflichten bei Personen, die zum

Kreis der nach § 102 Abs. 1 Nr. 3 AO 1977 Auskunftsverwei-gerungsberechtigten gehören, nicht dazu, bei der Führungeines Fahrtenbuches zum Nachweis der betrieblichen Nut-zung eines Pkw im Hinblick auf den Reisezweck, das Reise-ziel und die aufgesuchten Geschäftspartner auf die Angabeder Namen von Patienten, Mandanten oder Kunden zu ver-zichten. Auch Ärzte, die regelmäßig Hausbesuche machen,hätten neben Datum, Kilometerstand, Reisezweck „Patien-tenbesuch“, Reiseziel, d. h. dem Ort, an dem diese Tätigkeitdurchgeführt wurde, den aufgesuchten Patienten – als Ge-schäftspartner – zusätzlich zu der Angabe „Patientenbesuch“als Reisezweck genau zu bezeichnen.

Sind die erforderlichen Angaben im Fahrtenbuch des ge-nannten Personenkreises nicht enthalten, sei das Fahrtenbuchnicht ordnungsgemäß geführt. Die Nutzung des betriebli-chen Kraftfahrzeugs zu Privatfahrten, zu Fahrten zwischenWohnung und Betriebsstätte und zu Familienheimfahrten seisodann nach den Pauschsätzen zu bewerten.

2.3 Rechtsprechung zum Zivilrecht2.3.1 BGH-Urteil vom 10. 7. 1991, VIII ZR 296/90 – Abtretung ärztlicher Honorare

Mit diesem Urteil hat der BGH14 die Abtretung einerärztlichen oder zahnärztlichen Honorarforderung an eine ge-werbliche Verrechnungsstelle, die zum Zwecke der Rech-nungserstellung und Einziehung unter Übergabe der Ab-rechnungsunterlagen erfolgt, wegen Verletzung der ärztli-chen Schweigepflicht (§ 203 Abs. 1 Nr. 1 StGB) gemäß § 134BGB in dem Fall für nichtig erklärt, dass der Patient ihr nichtzugestimmt hat. Der BGH verneint eine stillschweigendeEinwilligung der Patienten. Im Hinblick auf die Schweige-pflicht obliege es dem Arzt, die Zustimmung des Patienten ineindeutiger und unmissverständlicher Weise einzuholen. Essei grundsätzlich nicht Sache des Patienten, der Weitergabeseiner Daten zu widersprechen, um den Eindruck des still-schweigenden Einverständnisses zu vermeiden.

2.3.2 BGH-Urteil vom 11. 12. 1991, VIII ZR 4/91 – Praxis-verkauf, Übergabe der Patientenkartei

Derselbe BGH-Senat erweiterte diese Rechtsprechungfür den Verkauf einer Arztpraxis und der in diesem Zuge er-folgenden Übergabe der Patienten- und Beratungskartei. Ge-schieht die Weitergabe ohne Einwilligung der betroffenenPatienten, verletzt der übertragende Arzt nach Auffassungdes BGH15 das Recht auf informationelle Selbstbestimmungder Patienten und die ärztliche Schweigepflicht. Daraus fol-gert der BGH unter Anwendung des § 134 BGB (Verstoß ge-gen § 203 Abs. 1 Nr. 1 StGB als Verbotsgesetz) die Nichtig-keit des Übertragungsvertrages.

2.3.3 BGH-Urteil vom 5. 12. 1995, X ZR 121/93 – Abtre-tung ärztlicher Honorare

Auf derselben Linie bewegt sich das BGH-Urteil vom5. 12. 199516. Danach ist die Abtretung von Honorar oderSchadensersatzforderungen nichtig, wenn die Weitergabe

12 BFH v. 28. 10. 2009, VIII R 78/05, BFHE 227, 338, BStBl II 2010,455, DStR 2010, 326, DStR 2010, 950 m. Anm. Mutschler.13 OFD Frankfurt v. 19. 1. 2011, S 2145 A – 15 – St 210.

14 BGH v. 10. 7. 1991, VIII ZR 296/90, BGHZ 115, 123, NJW 1991,2955.15 BGH v. 11. 12. 1991, VIII ZR 4/91, BGHZ 116, 268, NJW 1992, 737.16 BGH v. 5. 12. 1995, X ZR 121/93, NJW 1996, 775.

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Pflichtenkollision des Berufsgeheimnisträgers in der Außenprüfung Beihefter zu DStR Heft 48/2012 127*

ärztlicher Behandlungsdaten einen Verstoß gegen § 203 StGBdarstellt.

2.3.4 BGH-Urteil vom 13. 6. 2001, VIII ZR 176/00 – Ver-kauf einer Rechtsanwaltskanzlei

Mit dieser Entscheidung17 begrenzt der BGH seine unter2.3.2 dargestellte Rechtsprechung zum Praxisverkauf. DerVertrag über den Verkauf einer Rechtsanwaltskanzlei, nachwelchem der Erwerber in die bisher bestehende (Außen-)So-zietät eintritt, während der Veräußerer als freier Mitarbeiterfür eine Übergangszeit weiterhin tätig bleibt, soll nicht we-gen Verstoßes gegen § 203 Abs. 1 Nr. 3 StGB i. V. m. § 134BGB nichtig sein. Bei zeitweise bestehender Außensozietätzwischen Erwerber und Veräußerer ist grundsätzlich nichtnur von der Erstreckung der Mandatsverhältnisse auf denneuen Inhaber, sondern auch von einer Einwilligung derMandanten in die Aktenherausgabe an diesen auszugehen.

2.3.5 BGH-Beschluss vom 16. 10. 2003, IX ZB 133/03 – Auskunft im Insolvenzverfahren

Diese Entscheidung des BGH18 behandelt die Auswirkungdes Berufsgeheimnisses auf die Vollstreckung von Forderun-gen. Der Schuldner (ein Rechtsanwalt) hatte einen Antrag aufErlass einer einstweiligen Anordnung auf Aussetzung derVollziehung von Sicherungsmaßnahmen des Insolvenzge-richts darauf gestützt, es gereiche ihm zum Nachteil, dass ergezwungen sei, Auskünfte über Honorarforderungen undeingehende Mandantengelder zu erteilen. Nach Auffassungdes BGH verletzt er damit aber nicht die in § 203 Abs. 1 Nr. 3StGB normierte Schweigepflicht. Honorarforderungen einesRechtsanwalts seien grundsätzlich pfändbar; sie gehörten zurInsolvenzmasse. Die dem vorläufigen Insolvenzverwalter ver-liehenen Befugnisse verletzen danach grundsätzlich weder eindurch die Verfassung geschütztes Recht des Rechtsanwaltsnoch Grundrechte seiner Mandanten.

2.3.6 BGH-Urteil vom 1. 3. 2007, IX ZR 189/05 – Abtre-tung einer Anwaltsgebührenforderung

Mit diesem Urteil hat der BGH19 die Frage geklärt, ob dieAbtretung einer Anwaltsgebührenforderung an einenRechtsanwalt auch ohne Zustimmung des Mandanten wirk-sam ist. Dies bejaht der BGH unter Hinweis auf § 49b Abs. 4BRAO.

(1) Für die Zeit vor Inkrafttreten des § 49b Abs. 4 BRAOhatte der BGH im Anschluss an die Rechtsprechung zur Ab-tretung ärztlicher Honorarforderungen20 und zur Weiter-gabe einer ärztlichen Patienten- und Berufskartei21 entschie-den, dass die Abtretung von Honorarforderungen einesRechtsanwalts (§§ 398, 675 BGB) ohne Zustimmung desMandanten in der Regel den objektiven Tatbestand der Straf-vorschrift des § 203 Abs. 1 Nr. 3 StGB erfüllt, weil mit der

Abtretung die umfassende Informationspflicht des § 402BGB gegenüber dem neuen Gläubiger verbunden ist. Des-halb waren – vor Einführung des § 49b Abs. 4 BRAO – so-wohl das schuldrechtliche Grundgeschäft der Forderungs-übertragung als auch die Abtretung als dingliches Erfüllungs-geschäft gemäß §§ 134, 138 BGB nichtig.

(2) Nach der im Jahre 1994 in Kraft getretenen, im Streit-fall anwendbaren Vorschrift des § 49b Abs. 4 BRAO ist einRechtsanwalt, der eine Gebührenforderung erwirbt, in glei-cher Weise zur Verschwiegenheit verpflichtet wie der beauf-tragte Rechtsanwalt (Satz 1); die Abtretung von Gebühren-forderungen oder die Übertragung ihrer Einziehung an einennicht als Rechtsanwalt zugelassenen Dritten ist unzulässig, essei denn, die Forderung ist rechtskräftig festgestellt, ein ersterVollstreckungsversuch fruchtlos ausgefallen und der Anwalthat die ausdrückliche schriftliche Einwilligung des Mandan-ten eingeholt (Satz 2). Aus dieser Vorschrift ergibt sich nachAuffassung des BGH, dass – entgegen der zuvor geltendenRechtslage – nunmehr die Abtretung der Honorarforderungan einen anderen Rechtsanwalt ohne Zustimmung des Man-danten allgemein zulässig ist.

2.3.7 BGH-Beschluss vom 2. 12. 2009, I ZB 65/09 – Aus-kunft in der eidesstattlichen Versicherung

Mit diesem Beschluss behandelte der BGH22 schließlichdie vollstreckungsrechtliche Frage, ob ein Rechtsanwalt zurAuskunft über Name und Anschrift des Schuldners sowie dieHöhe der Honorarforderung in der eidesstattlichen Versiche-rung verpflichtet ist. Da Honorarforderungen von Rechtsan-wälten trotz der in § 43a Abs. 2 BRAO, § 203 Abs. 1 Nr. 3StGB geregelten Verschwiegenheitspflichten grundsätzlichpfändbar sind, sei der Rechtsanwalt als Schuldner nach § 807ZPO verpflichtet, in der eidesstattlichen Versicherung Na-men und Anschrift seiner Mandanten sowie die Höhe derihm gegen diese zustehenden Forderungen anzugeben. Inso-weit tritt nach Meinung des BGH das Grundrecht des Man-danten auf informationelle Selbstbestimmung hinter dasdurch Art. 14 GG geschützte Befriedigungsrecht der Gläubi-ger zurück. Daraus ergibt sich ein Rechtfertigungsgrund fürdie Offenbarung der Angaben über die Mandanten sowohlfür den Schuldner in der Einzelvollstreckung als auch für denInsolvenzverwalter gegenüber den Gläubigern.

2.4 Rechtsprechung zum Strafrecht2.4.1 BGH-Urteil vom 7. 4. 2005, 1 StR 326/04 – Zeugnis-verweigerungsrecht eines Notars

Der BGH behandelt in dieser Entscheidung23 das Zeug-nisverweigerungsrecht eines Notars und seines Gehilfen nach§ 53 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 StPO. Es stellte sich die Frage, ob dasZeugnisverweigerungsrecht durch die bei einem Geldwä-scheverdacht nach § 11 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 GwG bestehendeAnzeigepflicht eingeschränkt wird. In dem Streitfall war einNotargehilfe zur Aufklärung zwielichtiger Geldgeschäfte alsZeuge vernommen worden. Der BGH beanstandete die Ver-letzung des beruflichen Zeugnisverweigerungsrechts für den

17 BGH v. 13. 6. 2001, VIII ZR 176/00, BGHZ 148, 97, DStR 2001,1262 m. Anm. Goette.18 BGH v. 16. 10. 2003, IX ZB 133/03, NJW-RR 2004, 54.19 BGH v. 1. 3. 2007, IX ZR 189/05, BGHZ 171, 252, DStR 2007,1010 m. Anm. Ueberfeldt.20 BGH v. 10. 7. 1991, VIII ZR 296/90, BGHZ 115, 123, 130, NJW1991, 2955, siehe oben unter 2.3.1.21 BGH v. 11. 12. 1991, VIII ZR 4/91, BGHZ 116, 268, 272 f., NJW1992, 737, siehe oben unter 2.3.2.

22 BGH v. 2. 12. 2009, I ZB 65/09, NJW 2010, 1380.23 BGH v. 7. 4. 2005, 1 StR 326/04, BGHSt 50, 64, BeckRS 2005,06641.

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128* Beihefter zu DStR Heft 48/2012 Pflichtenkollision des Berufsgeheimnisträgers in der Außenprüfung

Zeitraum vor Einführung des Geldwäschebekämpfungsge-setzes vom 8. 8. 2002: Auch die mögliche Einbindung einesBerufsgeheimnisträgers in kriminelle Machenschaften be-rühre die Verschwiegenheitspflicht und das umfassendeZeugnisverweigerungsrecht in § 53 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 StPOim Grundsatz nicht. Für den Umfang des Zeugnisverweige-rungsrechts gemäß § 53 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 StPO sei alleinder berufliche Bezug der Tätigkeit maßgebend, unabhängigvon deren disziplinar- oder strafrechtlicher Bewertung. Des-halb besagten auch Entscheidungen dazu, ob tatbestandsmä-ßiges Verteidigerverhalten im Einzelfall noch gerechtfertigtoder strafbar ist, nichts über die Reichweite des Zeugnisver-weigerungsrechts gemäß § 53 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 StPO.

Zwar unterliege auch ein Notar zahlreichen gesetzlichenMitteilungspflichten, die dann insoweit die Verschwiegen-heitspflicht durchbrechen. So habe der Notar gemäß §§ 18,20, 21 GrEStG grunderwerbsteuerpflichtige Vorgänge unterBeifügung einer Abschrift der Urkunde dem FA anzuzeigen,in dessen Bezirk das Grundstück belegen ist. Auf die danachmitgeteilten Erkenntnisse hätten Strafverfolgungsbehördenund Strafgerichte dann Zugriffsmöglichkeiten. Identifikati-ons-, Aufzeichnungs- und Aufbewahrungspflichten nach demGeldwäschegesetz (§§ 3 Abs. 1, 9 Abs. 1 und 3 GwG) und dieVerpflichtung, entsprechende Unterlagen auf Verlangen derStrafverfolgungsbehörden im Zusammenhang mit Ermittlun-gen wegen Verdachts einer Straftat gemäß § 261 StGB heraus-zugeben (§ 10 GwG), berührten den Umfang des Zeugnisver-weigerungsrechts des Notars gemäß § 53 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3StPO ebenfalls nicht. Aus einer Pflicht zur Herausgabe vonUnterlagen ergebe sich keine Einschränkung der Verschwie-genheitspflicht und des Zeugnisverweigerungsrechts.Einschränkung durch Anzeigepflichten nach dem GWG: Ein-geschränkt werde das Zeugnisverweigerungsrecht des § 53Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 StPO allerdings mit der Erweiterung desKreises der Anzeigepflichtigen durch das Geldwäschebe-kämpfungsgesetz vom 8. 8. 2002 – in Kraft getreten am15. 8. 200224 – gemäß § 11 Abs. 1 GwG n. F. i. V. m. § 3Abs. 1 GwG u. a. auf Notare. Danach haben nunmehr auchdiese bei der Feststellung von Tatsachen, die darauf schließenlassen, dass eine Finanztransaktion einer Geldwäsche nach§ 261 StGB dient oder im Falle ihrer Durchführung dienenwürde, diese der Bundesnotarkammer (§ 11 Abs. 4 Satz 1GwG) anzuzeigen, die zur Weiterleitung der Meldung an diezuständigen Strafverfolgungsbehörden verpflichtet ist (§ 11Abs. 4 Satz 3 GwG). Zwar sind Notare – und die anderen in§ 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und 2 GwG genannten Personen –nicht zur Anzeige verpflichtet, wenn dem Geldwäschever-dacht Informationen von dem und für den Mandanten zu-grunde liegen, die sie im Rahmen der Rechtsberatung oderder Prozessvertretung dieses Mandanten erhalten haben (§ 11Abs. 3 Satz 1 GwG). Aber auch dann bleibe die Anzeige-pflicht bestehen, wenn die insoweit privilegierten Berufsan-gehörigen wissen, dass der Mandant ihre Rechtsberatung be-wusst für den Zweck der Geldwäsche in Anspruch nimmt.Soweit diese Anzeigepflicht reicht, stehe den danach Offen-barungspflichtigen – letztlich gegenüber den Strafverfol-

gungsbehörden – bei der strafrechtlichen Verfolgung der an-zeigepflichtigen Vorgänge dann auch kein Zeugnisverweige-rungsrecht gemäß § 53 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 StPO zu, undzwar unabhängig davon, ob diese ihrer Meldepflicht genügenoder nicht.

2.4.2 BGH-Beschluss vom 21. 10. 2008, 1 StR 536/08 – Gutachter im Strafprozess

Mit diesem Beschluss entschied der BGH25, dass für ein imAuftrag des Gerichts oder der Ermittlungsbehörden erstatte-tes Gutachten die sonst erforderliche Zustimmung des Ange-klagten zur Preisgabe von Geheimnissen durch die damit ein-hergehende gesetzliche Duldungspflicht ersetzt werde, weilhier das staatliche Interesse an der Aufklärung des Sachver-halts vorgehe. Deshalb liege kein Verstoß des Sachverständi-gen gegen § 53 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 StPO und mithin auchkeine wie auch immer geartete Straftat des Sachverständigennach § 203 StGB vor, wenn er seinem Gutachten Angabendes Angeklagten sowie Erkenntnisse aus den Krankenaktenzugrunde gelegt habe.

2.4.3 Kammergericht, Beschluss vom 20. 8. 2010, 1 Ws (B) 51/07-2 Ss 23/07 – Keine Informationspflicht des Rechts-anwalts gegenüber dem Datenschutzbeauftragten

In einem Strafverfahren hatte der Verteidiger (ein Rechts-anwalt) zwei Briefe zum Gegenstand der Hauptverhandlunggemacht, die ein Zeuge an seine Hausverwaltung geschriebenhatte. Der Zeuge beschwerte sich darüber beim Berliner Be-auftragten für Datenschutz und Informationsfreiheit. Dieserverlangte von dem Verteidiger, mitzuteilen, wie er in den Be-sitz der Briefe gelangt sei. Im Hinblick auf § 203 Abs. 1 Nr. 3StGB hielt das Kammergericht26 den Rechtsanwalt jedochnicht für verpflichtet, dem Datenschutzbeauftragten mandats-bezogene Informationen zu geben, die seiner Verschwiegen-heitspflicht unterliegen. Aus der Kontrollpflicht der Daten-schutzbehörde ergibt sich keine gesetzliche Befugnis (oder garVerpflichtung) des Rechtsanwalts zur Weitergabe mandatsbe-zogener Informationen an den Datenschutzbeauftragten27.

2.5 Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts – Einsicht des Rechnungshofs in Krankenunterlagen

Schließlich hat sich auch das BVerfG zumindest in einemNichtannahmebeschluss vom 29. 4. 199628 mit dem Verhältnisvon Berufsgeheimnissen zu staatlichen Eingriffsbefugnissenim Zusammenhang mit der Einsichtnahme des Niedersächsi-schen Rechnungshofs in stichprobenartig ausgewählte Kran-kenunterlagen eines vom Land getragenen Krankenhauses be-fasst. Nach Auffassung des BVerfG steht der Untersuchungs-auftrag eines verfassungsrechtlich verankerten Kontrollorgans(hier: des Landesrechnungshofs) dem grundrechtlich verbürg-ten Datenschutz grundsätzlich gleichrangig gegenüber29. In

24 BGBl I 2002, 3105.

25 BGH v. 21. 10. 2008, 1 StR 536/08, NStZ-RR 2009, 15.26 Kammergericht v. 20. 8. 2010, 1 Ws (B) 51/07-2 Ss 23/07, DStR2010, 2375 m. Anm. Weitze.27 Siehe auch Fischer, StGB, 59. Aufl. 2012, § 203 Rn. 37; Lenckner/Eisele, in: Schönke/Schröder, StGB, 28. Aufl. 2010, § 203 Rn. 29.28 BVerfG v. 29. 4. 1996, 1 BvR 1226/89, NJW 1997, 1633.29 Zum Beweiserhebungsrecht von parlamentarischen Untersuchungs-ausschüssen vgl. BVerfG v. 1. 10. 1987, 2 BvR 1178/86, BVerfGE 77, 1,47, NJW 1988, 890.

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Pflichtenkollision des Berufsgeheimnisträgers in der Außenprüfung Beihefter zu DStR Heft 48/2012 129*

Kollisionsfällen sei das Verhältnis der grundrechtlich ge-schützten Positionen je nach den Umständen des Einzelfallesim Wege der Abwägung festzulegen. Dabei dürfe der Zugriffauf grundsätzlich geheimhaltungsbedürftige Unterlagen re-gelmäßig nicht verwehrt werden, wenn ansonsten die Wirk-samkeit der Kontrolle gefährdet würde und den Belangen desGeheimnisschutzes durch Schutzvorkehrungen gegen einezweckwidrige Weitergabe der Informationen Rechnung ge-tragen werden könne.

Von Verfassungs wegen sei es nicht zu beanstanden, wennein Fachgericht im Hinblick auf die im Überprüfungszeit-raum herrschende Aktenführung und Abrechnungsweiseeine stichprobenartige Vollprüfung für erforderlich halte undes bei Abwägung der betroffenen verfassungsrechtlichen Po-sitionen als ausreichend ansehe, dass ein noch hinlänglicherSchutz gegen die zweckwidrige Weitergabe des Akteninhaltsdurch die Prüfungsumstände (anonyme Beziehungen zwi-schen Prüfern und betroffenen Patienten, Verschwiegen-heitspflicht der Prüfer, lediglich anonymisierte Daten enthal-tende Prüfberichte) gewährleistet sei.

3. Konsequenzen aus der Rechtsprechung: Gebot der Abwägung

In dem letztzitierten Beschluss wägt das BVerfG im Zu-sammenhang mit einer Prüfung des Rechnungshofes zwi-schen dem Recht der Patienten auf Geheimhaltung ihrer Da-ten (hier durch Chefärzte einer psychiatrischen Universitäts-klinik) und dem Recht des Staates ab, die Abrechnungen derÄrzte zu überprüfen. Es kommt zu dem Ergebnis, dass dann,wenn die Prüfung anderenfalls unmöglich wäre, das Rechtder Patienten zurückstehen müsse. Im vorliegenden Fall ginges sogar nicht nur um die Namen der Patienten, sondern umdie gesamten Behandlungsinhalte. Allerdings wird ausdrück-lich darauf Bezug genommen, dass es sich beim Rechnungs-hof um ein verfassungsrechtlich verankertes Kontrollorganhandelt. Dies ist bei der steuerlichen Betriebsprüfung nichtder Fall. Allerdings folgt auch der Prüfungsauftrag der Fi-nanzverwaltung unmittelbar aus dem Grundgesetz. Der all-gemeine Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG) enthält mit demGebot der Gleichmäßigkeit der Besteuerung im Vollzug dassog. Verifikationsprinzip30. Die Abwägung fällt daher bei dersteuerlichen Außenprüfung eines Berufsgeheimnisträgersebenso aus wie in dem hier wiedergegebenen Beschluss desBVerfG.

Die Durchsicht der übrigen Rechtsprechung zeigt eben-falls, dass sich das Spannungsverhältnis zwischen der Schwei-gepflicht des Freiberuflers und den gesetzlichen Mitwir-kungs- und Offenbarungspflichten im Steuerrechtsverhältnisund hier insbesondere während einer Außenprüfung nichteinseitig auflösen lässt. Die widerstreitenden Rechtsprinzi-pien müssen durch Abwägung zu einem sachgerechten Aus-gleich gebracht werden. Deshalb sind radikale Lösungen nachbeiden Seiten unangebracht. Vielmehr gilt:

3.1 Kein genereller Vorrang der steuerrechtlichen Mit-wirkungspflichten

Das zur Durchsetzung der Gleichmäßigkeit der Besteue-rung (Art. 3 Abs. 1 GG) erforderliche Verifikationsprinzip istein hohes Gut. Gleichwohl darf es nicht absolut gesetzt wer-den, weil sonst die – ebenfalls grundrechtlich fundierten –Mitwirkungsverweigerungsrechte der §§ 101 bis 104 AOvollständig ausgehebelt würden. Einerseits gibt es daher kei-nen generellen Vorrang der steuergesetzlichen Mitwirkungs-und Offenbarungspflichten31.

3.2 Kein genereller Vorrang der berufsrechtlichen Mit-wirkungsverweigerungsrechte

Andererseits dürfen auch die berufsrechtlichen Schweige-pflichten und die daraus herzuleitenden Mitwirkungsverwei-gerungsrechte nicht verabsolutiert werden. Zunächst ist zubedenken, dass in den letzten vom BFH entschiedenen Fällendie Steuerpflichtigen keineswegs für den Persönlichkeits-schutz ihrer Mandanten gefochten, sondern die beruflicheSchweigepflicht als Hebel eingesetzt haben, um die sie selbstbetreffende Außenprüfung zu inhibieren. Dazu sind dieSchweigepflichten nicht bestimmt. Eine Zweckentfremdungdurch die Steuerpflichtigen lässt die Rechtsordnung nicht zu.

Die Verschwiegenheitspflichten verlieren aber vor allemdann an Bedeutung, wenn ihnen höherrangige Rechtsgütergegenüberstehen. Das zeigt sich schon in manchen gesetzli-chen Regelungen, die versuchen, die Pflichtenkollision aus-zutarieren: So ist die Nichtanzeige bestimmter schwerer ge-planter Straftaten grundsätzlich strafbar (§ 138 StGB). FürBerufsgeheimnisträger nimmt das Gesetz indes auf das Ver-trauensverhältnis zum Mandanten Rücksicht (§ 138 Abs. 3StGB): Der Rechtsanwalt braucht seinen Mandanten nichtwegen geplanter Straftaten anzuzeigen, wenn er sich ernst-haft bemüht, diesen von der Tat abzuhalten oder den Erfolgabzuwenden, außer wenn es sich um Mord, Völkermord, er-presserischen Menschenraub, Geiselnahme oder Terrorismushandelt. Nur bei diesen besonders schweren Straftaten wirddie Verschwiegenheitspflicht gegenüber dem Mandanten ineine Anzeigepflicht umgekehrt.

Im Übrigen sind gesetzliche Offenbarungspflichten gene-rell als Rechtfertigungsgründe für die Durchbrechung derSchweigepflicht anerkannt32. Dementsprechend hat der BGHz. B. entschieden, dass ein vom Gericht im Strafprozess be-stellter Sachverständiger nicht gegen § 53 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3StPO und mithin auch nicht gegen § 203 StGB verstößt,wenn er seinem Gutachten Angaben des Angeklagten sowieErkenntnisse aus den Krankenakten zugrunde gelegt hat. Dasstaatliche Interesse an der Sachaufklärung hat in diesem FallVorrang33.

Geraten Freiberufler in Zahlungsschwierigkeiten, sindihre Honoraransprüche trotz der Verschwiegenheitspflichtengrundsätzlich pfändbar. Freiberufler müssen daher nach

30 Grundlegend BVerfG v. 27. 6. 1991, 2 BvR 1493/89, BVerfGE 84,239, 271, 273 f., DStR 1991, 971; v. 9. 3. 2004, 2 BvL 17/02, BVerfGE110, 94, 112 ff., DStRE 2004, 396.

31 A.A. wohl BFH v. 26. 2. 2004, IV R 50/01, DStR 2004, 715, oben2.1.4.32 Fischer, (Fn. 27), § 203 Rn. 37; Schünemann, in: Leipziger Kommen-tar zum StGB, 12. Aufl. 2009, § 203 Rn. 120; Lenckner/Eisele, (Fn. 27),§ 203 Rn. 29 ff.33 So ausdrücklich BGH v. 21. 10. 2008, 1 StR 536/08, oben 2.4.2.

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130* Beihefter zu DStR Heft 48/2012 Pflichtenkollision des Berufsgeheimnisträgers in der Außenprüfung

§ 807 ZPO in der eidesstattlichen Versicherung Namen undAnschrift der Mandanten sowie die Höhe der Forderungenangeben. Insoweit tritt das Grundrecht des Mandanten aufinformationelle Selbstbestimmung hinter das durch Art. 14Abs. 1 GG geschützte Befriedigungsrecht der Gläubiger zu-rück. Daraus ergibt sich ein Rechtfertigungsgrund für dieOffenbarung der Angaben über die Mandanten sowohl fürden Schuldner in der Einzelvollstreckung als auch für den In-solvenzverwalter gegenüber den Gläubigern34. Aus dem glei-chen Grund lassen sich die Verschwiegenheitspflichten auchnicht gegen Sicherungsmaßnahmen des Insolvenzgerichts inStellung bringen35.

Auch die Anzeigepflichten nach §§ 33, 34 ErbStG und§§ 18, 20, 21 GrEStG sowie die durch das Geldwäschegesetzneu geschaffenen Anzeigepflichten für freie Berufe durchbre-chen die berufsrechtliche Verschwiegenheitspflicht und ge-hen ihr vor (so auch das BGH-Urteil oben 2.4.1). Gleichesgilt, wenn ein Steuerberater als Fiskalvertreter nach § 22bUStG tätig wird und die Besteuerungsgrundlagen des vertre-tenen Unternehmers in einer Steuererklärung anzugebenhat, zu der er ebenso verpflichtet ist, wie zur Abgabe seinereigenen Steuererklärung. Man kann allenfalls fragen, ob derFreiberufler – als Nebenpflicht aus der Verschwiegenheits-pflicht – in derartigen Fällen verpflichtet ist, den Mandantenauf die gesetzliche Offenbarungspflichten hinzuweisen.

3.3 Reichweite der Verschwiegenheitspflichten im ärztli-chen Bereich

Reichweite und Gewicht der freiberuflichen Verschwie-genheitspflichten können je nach Art des freien Berufs unter-schiedlich sein. Am striktesten wirken die Verschwiegen-heitspflichten im ärztlichen Bereich. Dort würde die Offen-barung von Patientendaten und Krankheitsverläufen den Be-troffenen in seiner Privat- und Intimsphäre treffen und seinPersönlichkeitsrecht daher am intensivsten schädigen. Dem-entsprechend hat der BFH schon recht früh entschieden, dassÄrzte bei einer sie betreffenden Betriebsprüfung die Vorlageder Patientenkarteien insoweit verweigern dürfen, als darinEintragungen enthalten sind, auf die sich ihr Recht zur Aus-kunftsverweigerung erstreckt36.

Dem Arzt darf auch nicht aufgegeben werden, die Patien-tenkartei vorzulegen und dabei durch „Verdecken“ einzelnerTeile dem Betriebsprüfer geheimhaltungspflichtige Dingevorzuenthalten. Vielmehr hat der Arzt das uneingeschränkteRecht, die Vorlage der Patientenkartei insoweit zu verwei-gern, als sein Auskunftsverweigerungsrecht reicht. Das FAkann dem Arzt die Vorlage von Auszügen und Zusammen-stellungen über die einzelnen Besuche und sonstigen Leistun-gen aus der Patientenkartei mit Namensangaben deshalb in-soweit aufgeben, als sich diese Angaben auf die finanziellenBeziehungen beschränken, die das Auskunftsverweigerungs-recht begründende Tatsachen nicht enthalten und auch ausdem Ob des konkreten Arzt-Patienten-Kontakts keine dasPersönlichkeitsrecht des Patienten verletzenden Schlüsse zie-

hen lassen. Zwar hat das FA das Recht der Schätzung, soweites die Besteuerungsgrundlagen nicht ermitteln oder berech-nen kann. Die gerechtfertigte Verweigerung der Vorlage derPatientenkartei als solche erlaubt allerdings die Schätzungnicht. Zu dieser strengen Sichtweise des BFH in Bezug aufdie ärztliche Schweigepflicht passt es, dass auch zivilrechtlichdie Abtretung ärztlicher Honorar- oder Schadenersatzan-sprüche wegen Verletzung der Schweigepflicht nichtig ist,wenn der Patient nicht zugestimmt hat37.

Aus dem besonderen Gewicht der ärztlichen Schweige-pflicht folgt, dass in der Außenprüfung bei einem Arzt das„Können“ in § 102 AO zu einem „Müssen“ wird. Er hat inso-weit kein Ermessen, sondern muss die Vorlage der sensiblenKrankenakten verweigern. Ansonsten handelt es sich um ei-nen Verstoß gegen die berufliche Schweigepflicht und damitgegen § 203 StGB. Das gilt mit dieser Strenge aber nur für dieKrankenakten und wohl auch für die Inhalte der Privatrech-nungen, nicht aber für die Namen der Patienten.

3.4 Verschwiegenheitspflicht anderer freier BerufeDie beruflichen Schweigepflichten anderer freier Berufe,

z. B. von Rechtsanwälten und Steuerberatern, wiegen dem-gegenüber weniger schwer38. So hat der BGH zwar in seinerfrüheren Rechtsprechung geurteilt, dass die Abtretung vonHonoraransprüchen eines Rechtsanwalts an einen anderenRechtsanwalt wegen Verletzung der Schweigepflicht nichtigsei. Er hat diese Rechtsprechung jedoch revidiert, nachdemaufgrund der geänderten Fassung des § 49b Abs. 4 Satz 1BRAO (im Steuerberatungsrecht: § 64 Abs. 2 Satz 1 StBerG)ein Rechtsanwalt, der eine Gebührenforderung erwirbt,nunmehr in gleicher Weise zur Verschwiegenheit verpflichtetist wie der beauftragte Rechtsanwalt. Aus dieser Vorschriftergibt sich nach Auffassung des BGH, dass – entgegen der zu-vor geltenden Rechtslage – nunmehr die Abtretung der Ho-norarforderung an einen anderen Rechtsanwalt ohne Zu-stimmung des Mandanten allgemein zulässig ist39.

Die vorgenannte BGH-Entscheidung betrifft allerdingseine Spezialregelung und ist deshalb nicht zu verallgemei-nern. Die Intensität des Grundrechtseingriffs ist zwar gemin-dert, wenn die Daten aus einem sachlichen Grund an jeman-den weitergegeben werden, der seinerseits einer vergleichba-ren gesetzlichen Schweigepflicht unterliegt. Ohne Zustim-mung des betroffenen Mandanten liegt in einer Weitergabegeschützter Daten von einem gesetzlich abgeschlossenen Be-reich in einen anderen ebenso abgeschlossenen Bereich abersogar ein doppelter Grundrechtseingriff: Beeinträchtigt wirdhier nicht allein das Recht auf informationelle Selbstbestim-mung des betroffenen Mandanten, sondern ebenso – weil esan der berufsregelnden Tendenz nicht fehlt – die Berufsfrei-heit des Freiberuflers. Das Gewicht dieses doppelten Grund-rechtseingriffs ist dadurch erhöht, dass der Betriebsprüfer, der

34 So BGH v. 2. 12. 2009, I ZB 65/09, NStZ-RR 2009, 15, oben 2.3.7.35 BGH v. 16. 10. 2003, IX ZB 133/03, NJW-RR 2004, 54, oben2.3.5.36 BFH v. 11. 12. 1957, II 100/53 U, NJW 1958, 646, oben 2.1.1.

37 BGH v. 10. 7. 1991, VIII ZR 296/90, NJW 1991, 2955, oben 2.3.1;v. 5. 12. 1995, X ZR 121/93, NJW 1996, 775, oben 2.3.3.38 Ob insoweit eine Differenzierung vorzunehmen ist und ob etwa fürdie mandantenbezogenen Angaben eines Steuerberaters weniger strengeMaßstäbe gelten, wurde im Arbeitskreis „Steuerrecht“ nicht einheitlichbeurteilt.39 BGH v. 1. 3. 2007, IX ZR 189/05, DStR 2007, 1010 m. Anm.Ueberfeldt, oben 2.3.6.

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Pflichtenkollision des Berufsgeheimnisträgers in der Außenprüfung Beihefter zu DStR Heft 48/2012 131*

anlässlich einer Betriebsprüfung davon Kenntnis erhält, dassein anderer Steuerpflichtiger möglicherweise falsche Steuer-erklärungen abgegeben hat, dienstrechtlich verpflichtet ist,den Sachverhalt umfassend aufzuklären und die Daten u. U.sogar in ein – öffentliches40 – Strafverfahren einzuführen. Da-mit verlassen die geschützten Daten den abgeschlossenen Be-reich.

Durch eine Offenbarung von Mandantennamen und an-deren mandantenbezogenen Angaben unter dem Dach desSteuergeheimnisses drohten zudem die Mitwirkungsverwei-gerungsrechte nach §§ 102, 104 AO leerzulaufen. Daran än-dert auch das BFH-Urteil vom 26. 2. 2004 (IV R 50/01) zuden erforderlichen Angaben in den Bewirtungsbelegennichts41. Dort führt der BFH zwar aus, dass bei der Forderungeines konkreten Bewirtungsanlasses nicht in unverhältnismä-ßiger Weise in das Vertrauensverhältnis zwischen demRechtsanwalt und dem Mandanten eingegriffen werde, dabei der gebotenen Güterabwägung zwischen anwaltlicherSchweigepflicht und Gleichmäßigkeit der Besteuerung derSchutz des Rechtsanwalts und seiner Mandanten durch dasmit empfindlicher Strafe bewehrte Steuergeheimnis (§ 30AO; § 355 StGB) nicht unberücksichtigt bleiben könne. AlsGegenstück zu den weitgehenden Offenbarungspflichten desSteuerrechts diene § 30 AO u. a. dem privaten Geheimhal-tungsinteresse des Steuerpflichtigen und der anderen zurAuskunftserteilung verpflichteten Personen. Dies führt je-doch berufsrechtlich nicht zu einer Entlastung. Dafür sprichtauch die Regelung in § 105 Abs. 1 AO: Danach gilt die Ver-schwiegenheitspflicht der Behörden und sonstigen öffentli-chen Stellen nicht gegenüber der Finanzverwaltung. Eineentsprechende Entbindung der in § 102 AO genannten Be-rufsgeheimnisträger von ihrer Verschwiegenheitspflicht istim Gesetz hingegen nicht vorgesehen. Dem BFH-Urteil vom26. 2. 2004 (IV R 50/01) ist allerdings im Ergebnis zuzustim-men, dass es nicht unzumutbar ist, einen korrekten Nachweiszu verlangen, wenn ein Steuerpflichtiger den Abzug von Be-triebsausgaben begehrt. Wenn dies nur unter Offenbarungdes Mandantennamens möglich ist, so muss eben das Einver-ständnis des Mandanten eingeholt werden.

3.5 Postulat zur Ausgestaltung des Steuergeheimnisses für Berufsgeheimnisträger

Im Übrigen ist das Steuergeheimnis für Berufsgeheimnis-träger so auszugestalten, dass Mandantennamen und anderemandantenbezogene Angaben stets geschützt sind und zwarauch gegenüber der Finanzverwaltung. Wäre dies sicherge-stellt, so könnten Berufsgeheimnisträger wie Rechtsanwälteund Steuerberater ihren steuerrechtlichen Mitwirkungs- undOffenbarungspflichten während der sie betreffenden Außen-prüfung grundsätzlich nachkommen, auch ohne die mandan-

tenbezogenen Unterlagen zu „verdecken“, zu schwärzenoder auf andere Weise zu anonymisieren. Dies würde aller-dings voraussetzen, dass der Schutz des Steuergeheimnissestatsächlich wasserdicht ist und das Vertrauensverhältnis zwi-schen Freiberufler und Mandant komplett nach außen abge-schirmt wird. Ob dieses Postulat ohne Gesetzesänderung zuerreichen ist, erscheint fraglich:Unzulässigkeit von Kontrollmitteilungen über der Verschwie-genheit unterliegende Daten: Anlässlich von Außenprüfun-gen bei Berufsgeheimnisträgern sollten Kontrollmitteilun-gen in Bezug auf Mandanten grundsätzlich unzulässig sein,soweit dem Steuerpflichtigen ein Auskunftsverweigerungs-recht nach § 102 AO 1977 zusteht und er hierauf nicht aus-drücklich verzichtet hat42. Dem steht zwar die Verpflichtungdes Prüfers entgegen, alle von ihm gewonnenen Erkenntnisseauch zu verwerten. Selbst das BMF hat in seiner Stellung-nahme vom 16. 9. 2011 indes eingeräumt, dass der Zugriffauf geschützte Daten durch den Verhältnismäßigkeitsgrund-satz begrenzt sei. Folglich ist der Prüfer, der berufsrechtlichgeschützte Daten für eine Kontrollmitteilung verwendenwill, verpflichtet, den Schutz der beruflichen Verschwiegen-heitspflicht gegen das steuerrechtliche Verifikationsprinzipabzuwägen. Nach der hier vertretenen Auffassung ist derSchutz der berufsrechtlich geschützten Daten grundsätzlichvorrangig. Dafür spricht auch der Umkehrschluss aus § 105AO. Kontrollmitteilungen über der beruflichen Verschwie-genheit unterliegende Daten sind danach grundsätzlich un-zulässig; sie kommen allenfalls in Extremfällen in Betracht.Divergierende Auffassungen in Verwaltung und Schrifttum:Obwohl der Gesetzgeber der Abgabenordnung es ausdrück-lich abgelehnt hatte, die Befugnis zur Versendung von Kon-trollmitteilungen nach § 194 Abs. 3 AO bei der PrüfungSteuerpflichtiger einzuschränken, denen Auskunfts- undVorlageverweigerungsrechte zustehen43, hatte sich die Fi-nanzverwaltung ursprünglich selbst dahin gebunden, dassKontrollmitteilungen im Anwendungsbereich des § 102 AOzu unterbleiben haben44. Eine entsprechende Verwaltungsan-weisung gibt es heute zwar nicht mehr45. Die ganz h. M. inder Literatur geht aber nach wie vor davon aus, dass Kontroll-mitteilungen im Fall des § 102 AO unzulässig sind46. DieseAuffassung verdient nachdrückliche Unterstützung, auchwenn sie für die Praxis der Außenprüfung keine „Lebensver-sicherung“ bedeutet. Der Gesetzgeber der AO 1977 wusstenoch nichts vom Recht auf informationelle Selbstbestim-mung, das das BVerfG erst im Jahr 1983 aus Art. 2 Abs. 1i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG hergeleitet hat47. Die gesetzlichenVerschwiegenheitspflichten für Berufsgeheimnisträger sindAusformungen dieses Grundrechts, die nicht durch fiskali-sche Effizienzgesichtspunkte überspielt werden dürfen. Eswäre daher verfassungsrechtlich geboten, dass das Steuerge-

40 Von der Möglichkeit eines Ausschlusses der Öffentlichkeit nach§§ 171b, 172 Nr. 2 GVG, die im pflichtgemäßen Ermessen des Gerichtssteht, wird i. d. R. kein Gebrauch gemacht: Meyer-Goßner, StPO,55. Aufl. 2012, § 172 GVG, Rn. 11; Diemer, in: KK StPO, 6. Aufl. 2008,§ 172 GVG, Rn. 8. Im Unterschied zu den Fällen des § 171b GVG hat derBetroffene in den Fällen des § 172 GVG keinen Anspruch auf Ausschlussder Öffentlichkeit.41 Oben 2.1.4.

42 Sehr streitig, a. A. z. B., Rüsken, in: Klein, AO, 11. Aufl. 2012, § 194Rz. 30.43 BT- Drs. VI/1982, S. 162; und BT- Drs. 7/4292, S. 35.44 BMF v. 24. 9. 1987, IV A 5 – S 0062-38/87, BStBl I 1987, 664, 704,BeckVerw 066696; § 8 Abs. 1 Satz 1 BpO 1987.45 Schallmoser, (Fn. 7), § 194 AO, Rz. 171.46 Schallmoser, (Fn. 7), § 194 AO, Rz. 172, m. w. N.47 BVerfG v. 15. 12. 1983, 1 BvR 209/83 u. a., BVerfGE 65, 1, NJW1983, 1307, Volkszählung.

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heimnis im Fall des § 102 AO bei der Außenprüfung eines Be-rufsgeheimnisträgers vollkommen undurchlässig bleibt undKontrollmitteilungen unterbleiben.

Fraglich ist, ob das Verbot von Kontrollmitteilungen auchdann eingreift, wenn die Finanzbehörde Informationen da-durch erlangt, dass der Berufsgeheimnisträger gegen seineberufsrechtliche Verschwiegenheitspflicht verstößt oder vonseinem Auskunftsverweigerungsrecht keinen Gebrauchmacht. Jedenfalls dann, wenn der Betriebsprüfer die Datenanfordert (m. a. W. die Aktivität von ihm und nicht von demBerufsgeheimnisträger ausgeht), sollte es beim Verbot vonKontrollmitteilungen bleiben.Verbot von Mitteilungen nach §§ 31a, 31b AO, § 4 Abs. 5 Nr. 10 Satz 3 EStG: Aus den gleichen Gründen sind die ge-setzlichen Durchbrechungen des Steuergeheimnisses in§§ 31a, 31b AO, § 4 Abs. 5 Nr. 10 Satz 3 EStG im Steuer-rechtsverhältnis eines Berufsgeheimnisträgers grundsätzlichnicht anwendbar, wenn Mandanten betroffen sind. Eine Aus-nahme davon sind die bereits oben genannten Fälle des § 2Abs. 1 Nr. 7 und 8 GwG, nach denen Freiberufler auskunfts-pflichtig werden können (§ 11 GwG). Dann ist die beruflicheVerschwiegenheitsverpflichtung spezialgesetzlich durchbro-chen.„Überwachungspflicht“ des Freiberuflers: Für den Freiberuf-ler, bei dem eine Außenprüfung stattfindet, ergibt sich darausdie Pflicht, darüber zu „wachen“, dass die dem Prüfer unge-schwärzt überlassenen Angaben tatsächlich nur für die Prü-fung des Freiberuflers selbst, nicht aber gegen den Mandan-ten verwendet werden. Er muss bei ersten Anzeichen, dassder Prüfer Kontrollmitteilungen oder Mitteilungen nach§§ 31a, 31b AO, § 4 Abs. 5 Nr. 10 Satz 3 EStG fertigen will,mit den gebotenen Rechtsmitteln (insbesondere der vorbeu-genden Unterlassungsklage) dagegen vorgehen.Erfordernis einer Gesetzesänderung: Die hier vertretene Auf-fassung, dass Kontrollmitteilungen im Fall des § 102 AOgrundsätzlich unzulässig sind, entspricht zwar der h. M. imSchrifttum, aber nicht (mehr) der Auffassung der Finanzver-waltung. Dies führt dazu, dass der Freiberufler seiner Ver-schwiegenheitspflicht unterliegende Daten angesichts derGefahr ihrer Weitergabe grundsätzlich nur noch geschwärztfür die Prüfung herausgeben kann. Bei einer digitalen Außen-prüfung darf die Finanzbehörde umgekehrt keinen unmittel-baren Datenzugriff („Z1-Zugriff“) i. S. des § 147 Abs. 6Satz 1 AO darauf vornehmen. Dasselbe gilt für einen mittel-baren Datenzugriff im Wege einer maschinellen Auswertungder Daten i. S. des § 147 Abs. 6 Satz 2 Alt. 1 AO („Z2-Zu-griff“), wenn sich die Daten in der Auswertung nicht digitalschwärzen lassen. Nur wenn es datentechnisch möglich ist,die zu überlassenden Daten digital zu schwärzen, kann diemaschinelle Datenträgerüberlassung („Z3-Zugriff“) i. S. des§ 147 Abs. 6 Satz 2 Alt. 2 AO vom Freiberufler verlangt wer-den. Um für die Praxis Rechtssicherheit zu erreichen, sollte

daher ein Kontrollmitteilungsverbot in einer AO-Vorschriftoder wenigstens in der BpO aufgenommen werden.

3.6 Entbindung von der VerschwiegenheitspflichtEntschärft wird die Problematik dadurch, dass eine Ver-

schwiegenheitspflicht nicht besteht, wenn der Mandant denBerufsgeheimnisträger von der Verschwiegenheitspflichtentbindet. Das ist in aller Regel dort anzunehmen, wo derBerufsträger an der Erstellung von Steuererklärungen seinerMandanten mitgewirkt und dies der Finanzbehörde gegenü-ber kenntlich gemacht, Klageverfahren beim FG und Amts-haftungsprozesse geführt oder in Sachen von MandantenDienstaufsichtsbeschwerden erhoben hat48. Der Fachanwaltfür Steuerrecht oder Steuerberater kann deshalb die Datenund sogar die Inhalte seines Auftrages der Finanzbehörde of-fenbaren. Das gilt nicht für reine, insbesondere steuerstraf-rechtliche Beratungen, nach deren Ausführung er nicht ge-genüber einer Behörde tätig wird. Nur für diese Fälle stelltsich die hier diskutierte Problematik in voller Schärfe. Dernormale Steuerberater müsste dieses Problem deshalb rein or-ganisatorisch lösen können und den Beratungsbereich in derBuchhaltung und Rechnungstellung vom übrigen Bereichtrennen.

4. ZusammenfassungDer Berufsgeheimnisträger darf während der ihn betref-

fenden Außenprüfung unbedenklich die für die Prüfung er-forderlichen Daten und die Namen solcher Mandanten of-fenbaren, deren Steuererklärungen er beim FA eingereicht,die er im Klageverfahren beim FG und in Amtshaftungspro-zessen vertreten oder für die er Dienstaufsichtsbeschwerdenerhoben hat.

Die Beratungsgegenstände sind grundsätzlich für dieDurchführung der Prüfung unerheblich. Deshalb dürfendem Prüfer weder Mandanten-/Patientenakten oder -kar-teien übergeben werden, noch darf er Einsicht in die Aus-gangsrechnungen erhalten.

Geht es um Mandanten, die lediglich intern beraten wor-den sind, sollten Mandantennamen und andere mandanten-bezogene Angaben geschwärzt werden, um berufsrechtlichauf der sicheren Seite zu sein; dies jedenfalls solange, wie sichdie hier vertretene Auffassung, nach der im Fall des § 102 AOKontrollmitteilungen grundsätzlich unzulässig sind, wederde lege lata noch de lege ferenda durchgesetzt hat.

Rechtsanwälten muss mit Rücksicht auf die restriktivereRechtsauffassung der Bundesrechtsanwaltskammer angeratenwerden, mandantenbezogene Daten stets in vollem Umfangzu schwärzen, um das Risiko eines – strafbewehrten – Versto-ßes gegen die Verschwiegenheitspflicht auszuschließen.

48 So ausdrücklich BFH v. 28. 10. 2009, VIII R 78/05, BFHE 227, 338,BStBl II 2010, 455, DStR 2010, 326, DStR 2010, 950 m. Anm. Mutschler.