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SCHWEIZER ILLUSTRIERTE 50 Ihre Racing-Camps sind heiss begehrt. Und für ihre drei erwachsenen Söhne sind sie der sichere heimatliche Hafen. ERIKA & JACQUES REYMOND-HESS sind auch nach 31 Jahren ein Traumpaar. Das Geheimnis ihrer Liebe. Ewigi Liebi auf Ski Glühend Erika und Jacques Reymond-Hess geniessen den Sonnenuntergang in den Bergen von Saas-Fee VS. «Wir sind verliebt wie am ersten Tag!»

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Ihre Racing-Camps sind heiss begehrt. Und für ihre drei erwachsenen Söhne sind sie der sichere heimatliche Hafen.

ERIKA & JACQUES REYMOND-HESS sind auch nach 31 Jahren ein Traumpaar. Das Geheimnis ihrer Liebe.

Ewigi Liebi auf Ski

Glühend Erika und Jacques Reymond-Hess geniessen den Sonnenuntergang in den Bergen von Saas-Fee VS. «Wir sind verliebt wie am ersten Tag!»

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«Ich bin rund um die Uhr für die Kids da. Als wären

sie unsere eigenen»ERIKA REYMOND-HESS

TEXT ISO NIEDERMANN FOTOS KURT REICHENBACH

S ie kichern, tuscheln und kuscheln. Die Girls im Teenager-Alter strecken ihre Köpfe unter den Bett-

decken hervor. Jede will noch rasch etwas loswerden, bevors heisst: «Lichterlöschen!» Und mit- ten drin sitzt ihr «Ersatz mami». Erika Hess, 53, hört den Mädchen aufmerksam zu, hat für diese ein gutes Wort, lacht mit jener über ein besonderes Erlebnis und wünscht schliesslich allen eine gute Nacht, ehe sie die fröhliche Rasselbande der verdienten Bett-ruhe überlässt. Im Hotel Berghof in Saas-Fee VS kehrt endgültig Ruhe ein. So ein Ski-Trainingstag auf dem Gletscher macht müde.

Man würde meinen, spätes-tens wenn die Skischuhe an der Wärme deponiert und die Sport-Utensilien vom Nachmittagspro-gramm versorgt sind, ist das Tag-werk der ehemaligen Slalom- und Riesenslalomqueen vollbracht.

Schliesslich heisst es «Erika Ski Racing Camp» und nicht Herbst-Ferienlager. Doch weit gefehlt: Die Bauerntochter aus Wolfenschiessen NW, in den 80er-Jahren eine der besten Skirenn-fahrerinnen der Welt, hat sich in diesen Camps einer Rundum- Betreuung verschrieben. Am Vor-mittag zeigt sie den Skikids auf dem Allalin-Gletscher die per-fekte Technik zwischen den Kipp-stangen, am Nachmittag absol-viert sie mit ihnen das polyspor-tive Fitness training auf dem na-hen Sportplatz, und anschliessend verrät sie im Ski keller die Ge-heimnisse von Skipräparation und Material pflege. Dazwischen nimmt Erika Hess mit ihren Schützlingen die Mahlzeiten ein und stellt schliesslich sicher, dass alle rechtzeitig im Bett sind. Ein Fulltime-Job. «Ich arbeite

in diesen Camps mit den Kindern und Jugendlichen, als ob sie mei-ne eigenen wären», sagt sie. «Sie sollen hier nicht nur skifahre-risch geformt werden, sondern auch etwas fürs Leben lernen.» Gegenseitiger Respekt und Ess-manieren stehen bei ihren Wo-chenzielen ähnlich weit oben wie Carvingtechnik und Kurvenbe-schleunigung. «Ich bin rund um die Uhr für die Kids da. Immerhin vertrauen uns die Eltern ihre Kinder blind an.»

Wobei – «blindes» Vertrauen brauchen die Eltern nicht. Der Name Erika Hess strahlt noch im-mer Seriosität, Bodenständigkeit und Glaubwürdigkeit aus. Er ist sicher auch das stärkste Marke-tinginstrument für diese Camps,

die es nun seit mehr als 25 Jahren gibt. Andere solche Kurse mit prominenten Aushängeschildern kommen und gehen, das «Erika Ski Racing Camp» hält sich be-ständig. Mehr als 300 Durchfüh-rungen dürften es inzwischen sein, meint Erika, und zwischen 12 000 und 13 000 Skihoffnungen wurden in ihnen genährt. Ein Silvan Zurbriggen oder eine Mar-lies Oester habens später bis in den Weltcup geschafft.

Klar, dass auch eine Erika Hess so hohe Erwartungen nicht im Alleingang erfüllen kann. Und so zählt sie jeweils auf ein vier- bis sechsköpfiges Trainerteam. Der wichtigste Support aber kommt aus der eigenen Familie. Ehemann Jacques Reymond ist der eigentli-

che Organisator der Kurse. Was Technik, Tagesablauf, Trainings-methoden und Logistik betrifft, hat er die Fäden in der Hand. Mit seiner zwölf Jahre jüngeren Ehe-frau bildet der Romand ein über-aus symbiotisches Leitergespann.

Und hier liegt wohl auch einer der Erfolgsgründe für die Camps, in deren 27 Jahren es gerade mal drei eher leichte Unfälle gab. Wie Erika und Jacques auf der Piste und im übrigen Kursleben perfekt zusammenspielen, scheint das Abbild ihres Privatlebens zu sein. «Wir sind verliebt wie am ersten Tag», sagt Jacques. Und Erika er-gänzt: «Es tönt wohl unglaublich, aber wir hatten in den 31 Jahren, die wir nun zusammen sind, noch keine einzige Beziehungskrise!»

Goldmarie In den 80er-Jahren gewann Erika Hess 6 WM- Titel, 1 × Olym-piabronze, 31 Weltcup-rennen, 2 × den Gesamtwelt- cup und 7 Disziplinen-Weltcups.

Rechts oben: Im Schwung

Erika zeigt den Kids auf dem

Allalingletscher die perfekte

Carvingtechnik.

Mitte: Vielseitig Die Rennschüler lernen bei Erika

Hess und dem Leiterteam auch die korrekte Ski-

präparation.

Unten: Balance Zum Camp-

programm ge-hört das Fitness-training in Saas-

Fee. Hier hilft «Ersatzmama»

Erika auf der Slackline.

Familiär Beim Abendessen im Hotel Berghof ist Sohn Marco zu Besuch. Der Hotelier hat Pilze gekocht, die Jacques am Nachmittag gesammelt hat.

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sport zurückgetreten war, stand die Familie im Vordergrund. Mit Fabian, 27, Nicolas, 25, und Marco, 21, hat das Paar drei Söhne. Nur der jüngste wohnt noch bei den Eltern in St-Légier ob Vevey VD. Erika und Jacques haben gelernt loszulassen. Fabian ist Feinme-chaniker und hat eine Ausbildung zum Helikopterpiloten hinter sich. Gerade ist er für ein halbes Jahr zu einem Einsatz bei den Ifor-Truppen in den Kosovo abgereist. Nicolas, der Schreiner, meistert als Freerider die spektakulärsten Abfahrten auf Ski. Und nur Marco, der im letzten Ausbildungsjahr als Hochbauzeichner steht, setzt auf den alpinen Skisport. Er ge-hört dem Nationalen Leistungs-zentrum in Brig an und will die-

Das Geheimnis ihrer «ewigen Liebe» geben die beiden gerne preis. Man habe sich immer be-wusst Zeiten der Zweisamkeit ge-nommen und Spannungen stets sofort ausdiskutiert, «ehe aus kleinen Problemen grosse werden konnten», so Jacques. Begonnen hatte diese grosse Liebe in Erikas Aktivzeiten, als er ihr Konditions-trainer in der Skinati war. «Es gab damals schon leichte Eifersüchte-leien bei anderen Fahrerinnen», erinnert sich Erika Hess, aber ih-re einzigartigen Erfolge erstickten da jeden Anflug von allfälliger Unruhe im Keim.

Nachdem die begnadete Technikerin schon mit 25 Jahren und den WM-Titeln Nr. 5 und 6 in Crans-Montana vom Aktiv-

sen Winter den Sprung in ein nationales Kader schaffen. Dafür reisen Jacques und Erika in den nächsten Wochen, wenn keine Camps anstehen, als Trainer mit ihrem Jüngsten im Camper durch Colorado.

Doch keine Bange: Ist dann einst auch Marco ausgezogen, wird es dem Ehepaar Reymond-Hess garantiert nicht langweilig. Im waadtländisch-jurassischen Vallé de Joux, der Heimat Rey-monds, haben sie von Jacques’ Bruder ein Restaurant übernom-men und bauen das An-wesen nun um und aus. Ein Handwerksmuseum mit ursprünglicher Uhr-macherkunst oder auch ein kleines Erika-Hess-Muse-

um schwebt Jacques vor. Zu- dem besitzen sie ganz in der Nähe eine Wohnung in Reymonds Elternhaus. Beide können sich vorstellen, einst dort zu wohnen. «Ich bin längst eine halbe Roman-de», sagt Erika in ihrem nach wie vor urchigsten Nidwaldner Dia-lekt, «und ich habe schon immer da ran gedacht, einmal da oben im Jura zu leben.»

Seit ein paar Wochen ist Jacques zwar offiziell pensioniert, und vor drei Jahren musste er sich künstliche Kniegelenke einsetzen lassen. Doch aktiv und fit ist das Paar wie eh und je. Nebst dem Ski-sport segeln sie leidenschaftlich gern. Er hat das Hochsee-Patent und will in Bälde einen Törn mit seinen Söhnen in die Südsee machen. Ohne Maman? «Nein, lieber nicht. Aber ich erwarte meine Männer dann dort unten mit einem Glas Champagner!», sagt Erika Hess lachend.

Ein Ende der «Erika Ski Racing Camps» ist indessen nicht abzusehen. Schon allein der Nachfrage wegen! Auch der zwölf-jährige Andri aus Küblis GR  – einer der wenigen Deutsch-schweizer unter den 34 Campteil-nehmern – hat davon geträumt, bei Erika Hess das Rennfahren zu lernen. Und während drei Som-mern hat er dafür bei seinem Onkel im Berner Oberland wäh-rend der Schulferien die Geissen auf der Alp gehütet, bis er das Geld beisammenhatte. Seine Eltern hatten es als eigenen Bei-trag an die Kurskosten von ihm gefordert. «Erika ist sehr berühmt, sie war eine der Besten», weiss er. «Deshalb wollte ich unbedingt da dabei sein, nachdem ich bei uns im Skiclub einen Werbezettel

gesehen hatte.»Man wird das Gefühl nicht

los, dass der Enthusiasmus des ewigen Liebespaares auf Ski noch aus vielen Andris einen Zurbriggen macht.

«Wir hatten in den 31 Jahren noch keine ein-zige Beziehungskrise!»

ERIKA REYMOND-HESS

Fans Erikas Name zieht die jungen Renn-Hoffnungen an. Andri, 12, aus Küblis GR hat für die Teil - nahme drei Sommer lang Geissen gehütet.

Treue Ihre Camps führen Erika und Jacques Reymond-Hess seit 27 Jahren durch, 25 davon in den Bergen von Saas-Fee.

Links oben: Gute Nacht! Erika Hess ver-kündet den Kids im Hotelzimmer das Lichter-löschen.

Mitte: Team-work Erika und Jacques beim Debriefing mit den Leitern: (v. l.) Malik Détraz, Alex Languetin, Annick Bonzon und Julian Fischer.

Unten: Zweisam Am Abend vor Camp beginn gönnen sich Eri-ka und Jacques ein Glas Wein.