fecit 04/2011

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Tierbuden in der Malerei Die Menagerie von Paul Meyerheim Kunst als Statussymbol Giottos Scrovegni Kapelle in Padua Altniederländische Malerei des 15. Jahrhunderts Die Kunst des Sehens und der Interpretation Die Blütezeit der St. Galler Buchmalerei Illustrierte Handschriften in der Schweiz Teil 2 Eine rätselhafte Bekannte Uta von Naumburg fecit die neue zeitschrift für alte kunst Nr. 04/2011 Heft 4 CHF 12.80 / € 9.–

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fecit – das neue magazin dür alte kunst

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Tierbuden in der MalereiDie Menagerie von Paul Meyerheim

Kunst als StatussymbolGiottos Scrovegni Kapelle in Padua

Altniederländische Malerei des 15. JahrhundertsDie Kunst des Sehens und der Interpretation

Die Blütezeit der St. Galler BuchmalereiIllustrierte Handschriften in der Schweiz Teil 2

Eine rätselhafte BekannteUta von Naumburg

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t d i e n e u e z e i t s c h r i f t f ü r a l t e k u n s t

Nr. 04/2011 Heft 4

CHF 12.80 / € 9.–

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KUNSTHANDLUNG GION FIDEL CONDRAU

Dufourstrasse 132, 8008 ZürichTelefon +41(0)44 382 12 12www.kunsthandlung-condrau.ch

Paul Nauen (Hamburg 1859–?)FrüchtestillebenÖl auf Leinwand, 33 x 63 cm

d i e n e u e z e i t s c h r i f t f ü r a l t e k u n s t

Besuchen Sie unsere Website www.fecit.ch

fecit widmet sich dreimal jährlich Themen der bildenden Kunst von der Antike bis in das 19. Jahrhundert. Mit Hintergrundin-formationen, Literaturhinweisen und Serviceteil. Die Beiträge stammen von Kunsthistorikern und Fachspezialisten. fecit bietet Ihnen eine anregende und facettenreiche Lektüre.

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td i e n e u e z e i t s c h r i f t f ü r a l t e k u n s t

Liebe Freunde der Kunst

Zoobesuche laden zur Begegnung mit unseren lebenden Ver--

terung. Aber auch wir Erwachsene fühlen uns von der Tierwelt angesprochen. Wie Künstler ihre Eindrücke in der Frühzeit der Mena-gerien und Zoos verarbeitet haben, schildert unsere Titelgeschichte.

Giotto di Bondo gilt als Erneuerer der Malerei bezüglich Perspek-tive und Raumgestaltung. Als Meilenstein seiner Kunst gilt die Privat-

-

Mit einer besonderen Art des Sehens und der Bildinterpretatio-nen setzt sich der Beitrag zur altniederländischen Malerei auseinan-

der Schweiz behandelt noch einmal die Erzeugnisse der St.Galler Buchkunst, um bereits den Blick nach Reichenau zu wenden.

Rezeptionsgeschichte hinter sich. Im Beitrag «Trouvaille» verfolgen wir ihre Spuren und ihre Einbettung in das Gesamtprogramm der Stif-

-schen wir Ihnen eine besinnliche und freudenreiche Weihnachtszeit sowie viel Spass im Skiurlaub.

Gion Fidel CondrauHerausgeber

«fecit» entsprichtder lateinischen Aussage: «Er hat es gemacht»Der meist mit «fe» oder «fec» abgekürz-te Ausdruck ist bei älteren Kunstwerken

gibt in Verbindung mit einer Signatur an, dass der Unterzeich-nende das Objekt gemalt, gestochen oder geschnitzt hat.

E D I T O R I A L

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I N D I E S E M H E F T

6 T I T E L

Die Menagerie von Paul Meyerheim Der Entwicklung der Zoologischen Gärten geht die traditionelle Haltung von wilden Tieren als

nur einzelne Exemplare exotischer Tiere von

und von Gebieten von Afrika und Asien entwickelte sich jedoch in Europa ein regelrechter Markt für

Priska Bätschi

1 6 A R C H I T E K T U R

Kunst als Statussymbol Der von Giotto di Bondone gemalte Freskenzyklus in der Arena Kapelle

Giottos und weist für diese Zeit eine ganz andere Form der Malerei auf, welche Italien die führende Rolle auf dem Gebiet der bildenden Kunst

Sandra Holenstein

«Zoobesuch ist unbewusster Ahnenkult»FERNANDEL

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3 8 T R O U VA I L L E

Kamla Zogg

44 SERVICE: BÜCHER

44 IMPRESSUM

46 SERVICE: AGENDA

2 2 M A L E R E I

Altniederländische Malerei des 15. JahrhundertsAls Hieronymus Münzer 1495 den Genter Altar des

Jeannine Bromundt

2 8 S E R I E

Die Blütezeit der St. Galler Buchmalerei

Christoph Eggenberger

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td i e n e u e z e i t s c h r i f t f ü r a l t e k u n s t

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Öl auf Leinwand, 130 x 160 cm, Staatliche Museen Schwerin

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M A L E R E I

Der Entwicklung der Zoologischen Gärten geht dietraditionelle Haltung von wilden Tieren als

nur einzelne Exemplare exotischer Tiere von

Priska Bärtschi

Die Menagerie von Paul Meyerheim

Die Haltung wilder Tiere war bis zum 19. Jahrhundert ein Privileg der ge-

tung und die Seltenheit der Tiere repräsentierten das

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Enrico Scrovegni, einer der reichsten Männer -

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Testament von Enrico Scrovegni erwähnt. Die reine

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Der von Giotto di Bondone gemalte Freskenzyklus in der Arena Kapelle von Padua zu Beginn des Trecento kann in mehrfacher Hinsicht als ein ‹Manifestbild› der Kunstgeschichte der Renaissanceverstanden werden. Es ist das erste gesicherte Werk Giottos und weist für diese Zeit eine ganz andere Form der Malerei auf, welche Italien die führende Rolle auf dem Gebiet der bildenden Kunst ermöglichte.

Sandra Holenstein

Kunst als Statussymbol

A R C H I T E K T U R

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Die Familie Scrovegni

Die Kapelle ist eines der wenigen Bauwerke aus dem Trecento, bei welchem der Bauherr von vornherein die Absicht hatte, die gesamten Mauern mit Wandmalereien zu schmücken.

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Als Hieronymus Münzer 1495 den Genter Altar des Jan van Eyck (um 1390–1441) sah, bemerkte er staunend: «Alles ist mit so kunstfertigem Verstand gemalt,

dass du nicht nur die Malerei, sondern die Malkunst selber siehst – und alle Figuren scheinen lebendig.» Mit seiner Aussage begab sich Münzer auf das gefährliche Terrain der Bilderverehrung, insbesondere weil seine Äusserungen

dem Abbild Gottes galten.

Jeannine Bromundt

Altniederländische Malerei des 15. Jahrhunderts

M A L E R E I / P L A S T I K

Jan van Eyck und Hubert van Eyck, Genter Altarretabel, Sint Baafs Kathedrale, Gent, um 1432/1435.

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Hans Memling, Segnender Christus, 1481.

Seit dem 14. Jahrhundert wurde in theologischen Kreisen Nordeuropas darü-ber debattiert, wie mit Bil-

dern umzugehen sei. Vor allem im -

dankengutes war man der Ansicht, dass eine Abkehr von Bildern und äusseren Zeichen notwendig sei, denn manche Menschen seien nicht in der Lage, zwischen dem Bild und dem, was auf ihm darge-stellt ist, zu unterscheiden. Trotz dieser Einwände entwickelte sich in den Niederlanden im ersten Viertel des 15. Jahrhunderts eine Malerei, deren wirklichkeitsge-treue künstlerische Darstellung die Betrachter bis heute fasziniert.

Der niederländische Theologe -

tet in seinem Traktat «De quattuor generibus meditabilium», dass der einfache Mensch meine, er könne in einem gemalten Abbild Christi

wahrnehmen. Es sei also möglich, Christus mit den äusseren Sinnen zu sehen, zu hören und ihn zu berühren. Dies sei nicht ohne

Menschen halten das Zeichen für das bezeichnete Ding, wie jemand, der das Bild Christi mit Christus selbst verwechsle. Wer Hans Mem-

-den Christus» in Boston sieht, be-

-

chen Verführungen erlagen. Das

besitzt noch seinen ursprünglichen Rahmen. Die Hand des Dargestell-ten ruht auf der unteren Leiste und scheint aus dem Bildraum heraus-zuragen. Das Antlitz Christi ist in eine beherrschende Symmetrie-achse gespannt, deren Anfang der Scheitel und das Ende die Finger-kuppe bilden. Klare Augen fangen den Blick des Betrachters ein. Angesichts derartiger Suggestion wird verständlich, dass man den Schöpfern solcher Bilder mit Skep-sis begegnete: «Maler sind Lügner, denn sie malen Heilige ganz wirk-lich, ob-wohl sie diese nie gesehen haben», lautete der Vorwurf.

Zu ihrer Zeit waren derartige Tafelbilder luxuriöse Ausnahmen und meist im Besitz wohlhabender Vertreter der städtischen Elite.

-ten diese ausserordentlichen

-hunderts ins Blickfeld der For-schung. Man wertete sie als Aus-

Norden und nahm sie in einen rati-onalen Fokus. Von der Entdeckung «schonungsloser Sachlichkeit» und von «metaphysikfreier Schönheit» war die Rede und man mutmasste, die Absicht der Maler sei die doku-mentarische Erforschung der sicht-baren Natur gewesen. Andere

dem Schlagwort «disguised sym-

Verschlüsselungen. Erst in der jün-geren kunsthistorischen Forschung trat die Erkenntnis in den Vorder-grund, dass die Exklusivität altnie-derländischer Malerei auch mit einer besonderen Art des Sehens verbunden war. Der innere und der äussere BlickDas visuelle Wahrnehmen von Dingen im Mittelalter ist mit dem mechanistisch-rationalen Wahr-nehmen moderner Prägung nicht vergleichbar. «Sehen» war keine

Wahrnehmungsfunktion von syn-ästhetischer Qualität. Sinnlich Er-fahrenes ist dem Individuum grundsätzlich nur durch die zuge-ordnete Bedeutung fassbar. Das Bedeutung vermittelnde Prinzip, auf das sich im ausgehenden Mit-telalter jede Erfahrung bezog, war

-logen von der Überzeugung aus, dass sich im Sichtbaren das unsichtbare Absolute wie in einem

Erst in der jüngeren kunsthistorischen Forschung trat die Erkenntnis in den Vordergrund, dass die Exklusivität altniederländischer Malerei auch mit einer besonderen Art des Sehens verbunden war.

synästhetisch-

tet die Miterregung eines Sinnesorgans

-

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s sind die Ausgewo- genheit und die Mensch-lichkeit, die die Regel gegenüber den früheren, asketischen Mönchsre-geln auszeichnen; dies wird im Klosterplan an-

schaulich mit der erstaunlichen Dimension des Weinkellers unmit-telbar neben dem der Spiritualität vorbehaltenen Kreuzgang. Die Menschlichkeit paart sich mit Strenge im ersten in St. Gallen er- haltenen Bild. Der Psalter Ms. C 12 der Zentralbibliothek Zürich liegt heute unter der gleichen Signatur als befristete Dauerleihgabe in der

im Zweiten Villmerger Krieg von den Zürchern verschleppten Hand-

Zentralbibliothek Zürich, sind 2006 als 38-jährige Dauerleihgabe nach St.Gallen zurückgebracht worden).

zeigt König David in Reue und Demut vor dem Propheten Nathan, der ihm die Strafe Gottes für sei-

E

Der St. Galler Klosterplan und die Benediktinerregel dienten als Einstieg in die Serie zur Buchmalerei. Die «Regula Sancti Benedicti» gilt noch heute als Grundlage des Zusammenlebens der Mönche in den Klöstern. Die allgegenwärtige Regel

530–560 die Regel geschrieben.

Christoph Eggenberger

Die Blütezeit der St. Galler Buchmalerei

S E R I E F O L G E 2 :B U C H M A L E R E I

der Regel sind diesem Thema gewidmet. Dies ist bei der Beschäf-tigung mit dem Buch und der Buchmalerei von zentraler Bedeu-tung. Das Christentum ist eine Buchreligion, weshalb die Psalmen nicht auswendig gebetet werden, auch wenn die Mönche dazu mit den Jahren in der Lage gewesen wären. Deutlich wird dies in Kapi-tel 10, wo ausdrücklich und als Ausnahme das auswendige Vortra-gen von Texten aus dem Alten Tes-

geschieht dies «mit Rücksicht auf die kurzen Nächte» in der Som-merzeit. Die Chorgestühle sind so gestaltet, jeder Mönch hatte sein Lesepult, konnte in den Büchern blättern, hatte den Text vor sich, auch wenn er vielleicht gar nicht drauf schaute, sondern auswendig psalmierte. Wichtig ist, dass der Text im Gottesdienst, im Chorgebet präsent ist. Jeder Mönch hatte sei-nen eigenen Psalter, aber auch viele frommen Laien lasen in dem Buch, das sich im Laufe der Zeit zu den berühmten Stundenbüchern wandelte, die in Schweizer Biblio-

Riches Heures du Duc de Berry» im Schloss Chantilly nördlich

Psalmen im Alten Testament eine -

zählung der Psalmen hängt zusam-men mit der verschiedenen Num-merierung in der griechischen Übersetzung Septuaginta, der latei-nischen Vulgata und der dem heb-räischen Original folgenden Zäh-lung durch Luther. Hier wird die Zählung nach der Vulgata ange-wendet, da es ausschliesslich um

Das Buch der Psalmen, der Psalter, wiederum nimmt im Alten und Neuen Testament eine Schlüssel-stellung ein. Der Psalter ist neben

abgeschriebene, später gedruckte Buch der Bibel. Zum einen schreibt Benedikt in seiner Regel vor, die

Woche im Chorgebet mit lauter Stimme zu beten; mehrere Kapitel

Der Psalter ist neben den Evangeliaren das am meisten abgeschriebene, später gedruckte Buch der Bibel.

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Prophet Nathan und König David.Prophet Nathan und König David Zentral-bibliothek Zürich, Ms. C 12, f. 53r.

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T R O U V A I L L E

BekannteNaumburg ist heute eine verschlafene Kleinstadt in Sachsen-Anhalt. Eindrücklich beherrscht der Dom, eine

eine Ikone der deutschen Kunstgeschichtsschreibung.

Kamla Zogg

Sobald die Besucher den Westchor des Doms von Naumburg betre-ten, suchen sie mit ihrem Blick das vertraute Gesicht von Uta.

Die Figur weist sich durch Kleidung und

trägt einen roten Tasselmantel mit golde-nem Saum und grünem Pelzbesatz. Auf der linken Schulter sehen wir die als Blu-me gefertigte Tasselscheibe, welche den

-menhält. Darunter die Surcot, ein ärmel-loses Übergewand. Das Gewand reicht bis über die Schuhe, nur die Zehenspit-zen schauen hervor. Schliesslich die Cot-

welches rote Ärmelbündchen aufweist. Auf der Brust prangt eine grosse, sechs-zackige Brosche. Das im 13. Jahrhundert

Naumburg Dom St.Peter und

Uta von Ballenstedt, 1243–1249.

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Markgraf Hermann und seine Frau Reglindis, 1243–1249.

Die Steinmetze und Bauleute müssen die französische Hochgotik gekannt haben, sie verwendeten nicht nur französische Motive, sondern auch die moderne französische Bautechnik und Bauorganisation.

für verheiratete Damen übliche Gebende aus Leinen

Eine massive goldene Lilienkrone sitzt dem Kopf auf, welcher leicht nach links gewendet ist. Zarte Augen-brauen überwölben die mandelförmigen Augen, der Blick ist quer durch den Chor in die Weite gerichtet.

Gesichts gestaltet – breite Wangenknochen, ausge-prägte Unterlidfalten, ein starkes Kinn, die gerade, schmale Nase mit breiten Flügeln und der gerade

--

deutigen Gefühlslage zuzuordnen.

-deckt so ihre untere rechte Gesichtspartie, die Wange schmiegt sich an den Kragen. Die Linke umfasst mit

-

einem grossen Ring geschmückt. Der Körper der Figur -

pierungen der Kleidung zart und zugleich bodenstän-dig – wie überhaupt die ganze Figur von Kontrasten geprägt ist, welche sich durch verschiedene Blickwin-

kann sie nicht isoliert betrachten.

Ein aussergewöhnliches EnsembleDie Figur der Uta gehört zu einem Zyklus von zwölf

späten 1240er Jahren, rund 200 Jahre nach dem Tod

wurde von ca. 1243 bis 1249 vom sogenannten Naum--

ter zeichnete auch für die Bauskulptur verantwortlich. Der Westchor fügt sich harmonisch an die älteren spätromanischen Bauteile an. Die Steinmetze und Bauleute müssen die französische Hochgotik gekannt

sondern auch die moderne französische Bautechnik und Bauorganisation. Dennoch bleibt eine Verwurze-

lung in der Spätromanik der sächsisch-thüringischen

-tektur des Westchors eingebunden, Architektur und Ausstattung sind sorgfältig aufeinander abgestimmt. An das fast quadratische Chorjoch, von einem sechs-teiligen Rippengewölbe überspannt, schliesst sich nach Vorbild französisch-gotischer Architektur ein Fünfachtel-Polygon an. Über dem Chorgestühl im Chorjoch erhebt sich eine Säulen-Arkadenreihe mit zierlichen Blattkapitellen und Baldachinen. Darüber

-nungen, welche im Bereich der Fenster enden. Auf

ChorjochTeil des Chores, in

das Chorgestühl be-fand.

Rippengewölbeein Gewölbe ist eine Raumüberdeckung, die räumlich ge-krümmt ist. Durch Verstärkung der dia-gonalen Grate mit Rippen entstand das Kreuzrippengewölbe.