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  • Fokus Dienstleistungsmarketing

    Herausgegeben vonM. Benkenstein, Rostock, DeutschlandW. H. Engelhardt, Bochum, DeutschlandS. Fließ (schrift führend), Hagen, DeutschlandM. Kleinaltenkamp, Berlin, DeutschlandA. Meyer, München, DeutschlandH. Mühlbacher, Innsbruck, ÖsterreichS. Roth, Kaiserslautern, DeutschlandH. Woratschek, Bayreuth, Deutschland

  • Der Wandel von der Industrie- zur Dienstleistungsgesellschaft ist de facto längst vollzogen, er stellt jedoch mehr denn je eine Herausforderung für Th eorie und Praxis, speziell im Marketing, dar. Die Schrift enreihe will ein Forum bieten für wissenschaft liche Beiträge zu dem bedeutenden und immer wichtiger werdendenBereich des Dienstleistungsmarketing. In ihr werden aktuelle Ergebnisse der betriebswirtschaft lichen Forschung in diesem Bereich des Marketing präsentiert und zur Diskussion gestellt.

    Herausgegeben vonUniversitätsprofessor Dr. Martin BenkensteinUniversität Rostock, Deutschland

    Universitätsprofessor Dr. Dr. h.c. Werner Hans EngelhardtRuhr-Universität Bochum, Deutschland

    Universitätsprofessorin Dr. Sabine Fließ (schrift f.)FernUniversität in Hagen,Deutschland

    Universitätsprofessor Dr. Michael KleinaltenkampFreie Universität Berlin, Deutschland

    Universitätsprofessor Dr. Anton MeyerLudwig-Maximilians-Universität München, Deutschland

    Universitätsprofessor Dr. Hans MühlbacherLeopold-Franzens-Universität Innsbruck, Österreich

    Universitätsprofessor Dr. Stefan RothTechnische Universität Kaiserslautern,Deutschland

    Universitätsprofessor Dr. Herbert WoratschekUniversität Bayreuth, Deutschland

  • Anton Meyer (Hrsg.)

    Aktuelle Aspektein der Dienstleistungs-forschung

  • HerausgeberAnton MeyerMünchen, Deutschland

    Fokus DienstleistungsmarketingISBN 978-3-658-08089-1 ISBN 978-3-658-08090-7 (eBook)DOI 10.1007/978-3-658-08090-7

    Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbi- bliogra e; detaillierte bibliogra sche Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

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  • Vorwort

    Im Jahre 1991 erstmals durchgeführt, konnte der Workshop Dienstleistungsmar-keting im November 2013 sein 17. Treffen feiern. Die in regelmäßigen Abständen stattfindende Veranstaltung hat mittlerweile wahre Tradition und konnte sich als feste Institution der deutschsprachigen Dienstleistungsforschung etablieren. Der Workshop dient als Plattform sowohl für den wissenschaftlichen Diskurs als auch für den persönlichen Gedankenaustausch unter den dienstleistungsinteressierten Wissenschaftlern. Professoren und Doktoranden zahlreicher Institute nutzen das regelmäßige Zusammentreffen zur Vorstellung und Diskussion aktueller The-menfelder und Forschungsprojekte sowie zur Bestandsaufnahme und Weiterent-wicklung des Forschungsfeldes.

    Der Workshop geht auf eine Initiative einer Interessengruppe von Hochschulleh-rern (insbesondere Prof. Engelhardt und Prof. Stauss) innerhalb der Kommission Marketing des Verbandes der Hochschullehrer für Betriebswirtschaft e.V. zurück, die sich mit den Fragen des Dienstleistungsmarketing beschäftigen.

    Nach Stationen in Bayreuth, Berlin, Bochum, Duisburg, Hagen, Ingolstadt, Inns-bruck, Kaiserslautern und Rostock wurde der 17. Workshop bereits zum dritten Mal vom Institut für Marketing an der Ludwig-Maximilians-Universität Mün-chen ausgerichtet. Die in der Veranstaltung diskutierten und im vorliegenden Band dokumentierten Forschungsprojekte zeigen, wie vielfältig und herausfor-dernd sich das Feld der Dienstleistungsforschung aktuell darbietet.

    Der Sammelband startet mit zwei Beiträgen zum Themenbereich Servicescape. Michael Luck stellt seine Studie zum Einfluss der räumlichen Distanz am POS auf die Aufenthaltsdauer dar. Dabei zeigt er zunächst den Stand der Forschung auf, bevor er seine eigene empirische Untersuchung darlegt. Daran anschließend diskutiert Anna Girard kritisch den langfristigen Einsatz von Raumdüften bei Dienstleistern. Dabei beleuchtet sie die Auswirkungen wiederholter Duftexposi-tion auf die Wahrnehmungsfähigkeit sowie auf das Verhalten und stellt ethische und gesundheitliche Bedenken sowie gesetzliche Bestimmungen gegenüber.

  • VI Vorwort

    Der zweite Teil des Sammelbandes widmet sich der Behavioral Pricing For-schung. Kathrin Bösener und Stefan Roth stellen theoretische Grundlagen zur Wirkung von Kundenzufriedenheit und Kundenpreisverhalten dar. Weiterhin zei-gen sie den aktuellen Stand der Forschung auf und geben einen Ausblick auf zu-künftigen Forschungsbedarf. Lena Himbert und Stefan Roth geben einen weiteren Literaturüberblick zur Informationsaufnahme, -beurteilung und –speicherung des Grundpreises und geben Hinweise für zukünftige Forschungsfragen.

    Auch das zwischenmenschliche Verhalten in Service Encountern wird im dies-jährigen Sammelband thematisiert. Christina Jerger analysiert im Folgenden Fehlverhalten von Mitarbeitern und Kunden in Service Encountern. Dabei stellt sie eine empirische Studie zum gezielten Einsatz von Lügen im Service Kontext vor. Dem gegenüber zeigen Michael Kleinaltenkamp, Christine Mathies und Sa-rah Gansky die Determinanten, den Einsatz sowie die Auswirkungen von Humor in Dienstleistungsinteraktionen auf.

    Forschungsergebnisse im Bereich Dienstleistungsmanagement sind nur soweit praktisch relevant, solange sie auch zu einem ökonomischen Erfolg führen. Diese Fragestellung schließt Tönnjes Freerk Eller, in dem er einen umfangreichen Li-teraturüberblick zur Wirkung der Service Profit Chain darstellt. Der Sammelband schließt mit einem empirischen Beitrag von Madlen Küster und Martin Benken-stein zur Wirkung von Weiterempfehlungsprämien.

    Abschließend darf ich mich bei allen Autoren und Autorinnen für ihre Beiträge sowie bei allen Teilnehmern des Workshops für ihre konstruktive Diskussion be-danken. Dank gilt darüber hinaus meinen Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen, ins-besondere Frau Lena-Marie Rehnen und Herrn Fabian Most, die maßgeblich zum Gelingen der Veranstaltung wie auch des Tagungsbandes beigetragen haben.

    München, August 2014 Univ.-Prof. Dr. Anton Meyer

  • Inhaltsverzeichnis

    Michael Luck Wenn sich fremde Konsumenten am POS zu nahe kommen – Der Einfluss der räumlichen Distanz auf die Aufenthaltsdauer............................1 Anna Girard Langfristiger Einsatz von (Raum-)Düften bei Dienstleistern: Eine kritische Diskussion ................................................................................... 35 Kathrin Bösener / Stefan Roth Kundenzufriedenheit und Kundenpreisverhalten ............................................... 65 Lena Himbert / Stefan Roth Der Grundpreis in der Behavioral-Pricing-Forschung ....................................... 93 Christina Jerger Customer Service Recovery: The Challenge of Misbehavior in Service Encounters ....................................................................................... 119 Michael Kleinaltenkamp/Christine Mathies/Sarah Gansky Humor in Dienstleistungsinteraktionen – Was wir (nicht) wissen.................... 145 Tönnjes Freerk Eller Eine konzeptionelle Analyse der Service-Profit Chain .................................... 163 Madlen Küster/Martin Benkenstein A reward for your voice: The effects of referral rewards on the referrer’s attitude toward the recommended service provider .......................... 201

  • Wenn sich fremde Konsumenten am POS zu nahe kommen – Der Einfluss der räumlichen Distanz auf die Aufenthaltsdauer

    Michael Luck1

    Inhaltsverzeichnis

    1 Problemstellung und Herleitung der Forschungsfrage ........................... 3

    2 Einflüsse anderer anwesender Konsumenten am POS – Stand der Forschung .................................................................................. 5

    3 Die Nähe zwischen zwei Konsumenten – Theoretische Grundlagen und Entwicklung der Hypothesen ................ 8

    3.1 Theorie des persönlichen Raumes .............................................................. 8

    3.2 Übertragung auf den Konsumkontext – Entwicklung von Hypothesen .... 10

    4 Empirische Untersuchung ....................................................................... 13

    4.1 Forschungsdesign und Ablauf .................................................................. 13

    4.2 Entwicklung des Stimulusmaterials .......................................................... 15

    4.3 Operationalisierung der Variablen .......................................................... 16

    4.4 Ergebnisse ................................................................................................ 18

    4.4.1 Manipulationscheck .......................................................................... 18

    4.4.2 Test der Hypothesen .......................................................................... 19

    5 Diskussion ................................................................................................. 22

    5.1 Einordnung der Ergebnisse ...................................................................... 22

    5.2 Limitationen und zukünftige Forschungsfelder ........................................ 24

    Literaturverzeichnis ......................................................................................... 27

    1 Michael Luck ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Marketing und Dienstleistungs-

    forschung an der Universität Rostock.

    A. Meyer (Hrsg.), Aktuelle Aspekte in der Dienstleistungsforschung,Fokus Dienstleistungsmarketing, DOI 10.1007/978-3-658-08090-7_1,© Springer Fachmedien Wiesbaden 2015

  • Der Einfluss der räumlichen Distanz auf die Aufenthaltsdauer 3

    1 Problemstellung und Herleitung der Forschungsfrage

    Konsumenten lassen sich durch viele Faktoren einer Konsumumwelt leiten und beeinflussen. Von daher ist diese Verhaltensbeeinflussung ein zentrales For-schungsfeld in der Käuferverhaltensforschung (Bitner, 1992). Konsumenten rea-gieren bewusst und unbewusst auf kleinste Veränderungen der Umwelt-faktoren und passen ihr Verhalten der konkreten Konsumsituation an (Turley & Milliman, 2000). Daher überrascht es nicht, dass bis zu 80% aller Kaufentscheidungen di-rekt am Point of Sale (POS) getroffen werden (Pornpitakpan & Han, 2013; Un-derhill, 1999). Folglich ist es besonders wichtig, sämtliche Einfluss-faktoren an diesem Ort zu identifizieren, die den Kunden beeinflussen.

    Seit den 1970er-Jahren beschäftigt sich der überwiegende Teil der wissenschaft-lichen Studien in diesem Themenfeld mit dem Einfluss, der von den physischen Gegebenheiten einer Konsumumwelt ausgeht. In diesem Zusammenhang wurde beispielsweise die Wirkung der Lichtelemente, der Farbauswahl, der Warenprä-sentation und anderer Gestaltungsmaßnahmen am POS auf konsumrelevante Ver-haltensweisen untersucht (Turley & Milliman, 2000). Ferner wurde erforscht, wie die Atmosphäre eines Geschäftes so gestaltet werden kann, dass sie positive Ef-fekte für den Handel nach sich zieht (Bitner, 1992; Hackett, Foxall & Van Raaij, 1993; Turley & Milliman, 2000).

    Konsumenten sind in Geschäften aber nicht nur physischen, sondern auch sozia-len Einflüssen ausgesetzt – in erster Linie anderen anwesenden Konsumenten (Bitner & Wang, 2014, S. 221). Sie können definiert werden als „customers who are in the service facility simultaneously with – and who are unacquainted with – a focal customer” (Brocato, Voorhees & Baker, 2012, S. 385). Diese anderen Kon-sumenten tragen maßgeblich dazu bei, wie Kunden eine Kaufsituation wahrneh-men (Grove & Fisk, 1997; McGrath & Otnes, 1995; Tombs & McColl-Kennedy, 2003). Somit beeinflussen sich die anwesenden Konsumenten gegenseitig und sind bedeutsam für das gezeigte Kaufverhalten (Martin & Pranter, 1989; Söder-lund, 2011; Tombs & McColl-Kennedy, 2003). Die für den Handel wichtigen Ver-haltensweisen können mit Blick auf die Ziele des Handelsunternehmens durch die Anwesenheit anderer Kunden sowohl positiv (Argo, Dahl & Manchanda, 2005)

  • 4 Michael Luck

    als auch negativ beeinflusst werden (Martin, 2012). Dementsprechend ist dieser Faktor der Konsumumwelt wesentlich und darf nicht vernachlässigt werden.

    Ungeachtet der aufgezeigten Einflussmöglichkeiten durch andere Konsumenten ist die akademische Forschung auf diesem Gebiet jedoch nicht sehr weit verbreitet und weist entsprechend große Forschungslücken auf (Brocato et al., 2012; Söder-lund, 2011; Tombs & McColl-Kennedy, 2013). Diese Tatsache ist umso erstaun-licher, als das Einkaufen im stationären Einzelhandel grundsätzlich mit der An-wesenheit anderer Konsumenten einhergeht (Brocato et al., 2012) und ein – vor-nehmlich nonverbaler – Customer-to-Customer-Kontakt unvermeidbar ist (Mar-tin & Pranter, 1989; Nicholls, 2010). Söderlund (2011) führt die Forschungsdefi-zite darauf zurück, dass das Management fälschlicherweise davon ausginge, die Anwesenheit und das Verhalten anderer Konsumenten nicht so zielgerichtet kon-trollieren zu können wie beispielsweise das Service-Personal oder die Gestaltung der physischen Umgebung.

    Um diese Forschungslücke zu füllen, soll der Einfluss der sozialen Präsenz am POS näher untersucht werden. In aller Regel bewegen sich die Konsumenten in einem Geschäft und sind keine starren Objekte. Es kommt demnach immer wie-der vor, dass sie auf einzelne andere Konsumenten oder andere Konsumenten auf ihrem Weg durch das Geschäft auf sie treffen. Durch dieses Aufeinander-treffen verändern sich die Distanzen zwischen den anwesenden Konsumenten. Es ist an-zunehmen, dass dadurch das Kaufverhalten beeinflusst werden kann.

    Ziel des vorliegenden Beitrages ist es, die Anwesenheit anderer Konsumenten und den Einfluss der räumlichen Nähe zwischen ihnen auf kaufrelevante Verhaltens-weisen zu untersuchen. Dazu wird die wechselseitige Einflussnahme anwesender Konsumenten in gemeinsam erlebten Konsumsituationen – direkt vor dem Regal – analysiert. Um dieses Ziel zu erreichen, wird in einem ersten Schritt der aktuelle Forschungsstand zum Einfluss anderer Konsumenten dargelegt. Aufgrund der fehlenden Erkenntnisse zur Wirkung von interpersonalen Distanzen werden im zweiten Schritt sozialwissenschaftliche Modelle präsentiert und Hypothesen für den Handelskontext abgeleitet. Die aufgestellten Hypothesen werden im dritten Schritt mithilfe einer bildgestützten Szenario-Studie getestet. Die daraus resultie-

  • Der Einfluss der räumlichen Distanz auf die Aufenthaltsdauer 5

    renden Ergebnisse erweitern die Erkenntnisse auf dem Gebiet der sozialen Inter-aktion im Handelskontext und machen deutlich, warum das Management bei der Gestaltung des POS dem Einflussfaktor „Andere Kunden“ erhöhte Aufmerksam-keit schenken sollte. Zudem liefern die Ergebnisse erste grundlegende Erkennt-nisse über die Wirkung der Nähe zwischen den Konsumenten direkt vor dem Re-gal und zeigen eine Fülle weiterer Forschungsfelder auf.

    2 Einflüsse anderer anwesender Konsumenten am POS – Stand der Forschung

    Einkaufen ist eine soziale Aktivität (Borges, Chebat & Babin, 2010), bei der üb-licherweise mehrere Konsumenten eine Konsumatmosphäre teilen (Grove & Fisk, 1997). Aufgrund der Anwesenheit anderer können soziale Bedürfnisse be-friedigt werden, die über das eigentliche Motiv des Einkaufens hinausgehen, wie etwa das Bedürfnis, Menschen zu beobachten (Sandikci & Holt, 1998; Tauber, 1972). Das Einkaufen in Anwesenheit anderer Konsumenten bietet zudem die Chance, am öffentlichen Leben teilzunehmen und mit Personen außerhalb des ei-genen Haushaltes in Kontakt zu treten (Arnold & Reynolds, 2003; Bloch, Ridg-way & Dawson, 1994; Sandikci & Holt, 1998).

    In Bezug auf kaufrelevante Verhaltensweisen zeigen die bisherigen Untersuchun-gen, dass der Einfluss der anwesenden Konsumenten direkt am POS vielfältig ist. Nach Baker et al. (1994) kann er durch drei Dimensionen – Erscheinung, Verhal-ten und Anzahl – bestimmt werden.

    Wissenschaftliche Untersuchungen zum Erscheinungsbild der Mitkonsumenten können zeigen, dass sich deren Attraktivität auf die allgemeine Wahrnehmung ei-ner erlebten Konsumsituation auswirkt (Grove & Fisk, 1997). Berührt beispiels-weise ein attraktiver Mitkonsument ein Produkt, wird es von den anderen positi-ver bewertet als ein Produkt, das von einem durchschnittlich attraktiven Mitkon-sumenten berührt wird. Daraus resultieren positive Effekte für den Handel, die bis hin zu einer gesteigerten Zahlungsbereitschaft reichen (Argo, Dahl & Morales,

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    2008; Dahl, Argo & Morales, 2012). Andere Studien in diesem Forschungsbe-reich zeigen, dass vor allem auch die Ähnlichkeit zwischen den anwesenden Kon-sumenten das Erleben der Konsumsituation mitbestimmen kann. Sind ähnliche Mitkonsumenten anwesend, führt das zu einer besseren Bewertung und zur Wei-terempfehlung der angebotenen Leistungen als bei Anwesenheit unähnlicher Mit-konsumenten (Brack & Benkenstein, 2012; Brack & Benkenstein, 2014).

    Andere Studien haben sich mit dem Verhalten von Mitkonsumenten in Konsum-umwelten beschäftigt, das ebenfalls kaufrelevante Reaktionsveränderungen der anwesenden Konsumenten herbeiführen kann (Grove & Fisk, 1997; McGrath & Otnes, 1995; Martin & Pranter, 1989). Als Beispiel sei hier die Imitation der Pro-duktwahl eines anderen Konsumenten genannt, die die Gefahr eines möglichen Fehlkaufs reduzieren soll (McGrath & Otnes, 1995). Zudem haben mehrere For-schungsarbeiten gezeigt, dass der Einfluss anderer Konsumenten nicht auf ihre Interaktion oder gegenseitige Verhaltensbeobachtung beschränkt ist (McGrath & Otnes, 1995). Vielmehr entsteht er bereits durch die reine Präsenz am selben Ort (Argo et al., 2005; Dahl, Manchanda & Argo, 2001; Zajonc, 1965). Studien kön-nen zeigen, dass andere Konsumenten als Indikator für das Preisniveau eines un-bekannten Geschäftes genutzt werden (Uhrich & Luck, 2012) und dass sie als Informationssurrogat dienen, um auf die Qualität der angebotenen Leistung zu schließen (Baker et al., 1994; Bateson & Hui, 1986; Becker, 1991; Hackett et al., 1993; Pan & Siemens, 2011; Parker & Ward, 2000).

    Im Zusammenhang mit der reinen Anwesenheit anderer Konsumenten wurde der Einfluss der Anzahl, vornehmlich der zu hohen Anzahl von Konsumenten unter-sucht. Er kann situationsabhängig positiv oder negativ ausfallen (Grove & Fisk, 1997): Beispielsweise trägt die große Anzahl an Mitkonsumenten bei einem Sportevent maßgeblich zur Gestaltung und Wahrnehmung der Atmosphäre bei, wobei die positive Wirkung anderer Personen deutlich wird (Hackett et al., 1993). Im Gegensatz dazu zieht aber eine ähnlich hohe Anzahl anderer Konsumenten im klassischen Handelskontext negative Konsequenzen nach sich. Mit diesem Phä-nomen hat sich eine Vielzahl von Studien in der Crowding-Forschung beschäftigt (Eroglu & Harrell, 1986; Harrell, Hutt & Anderson, 1980; Hui & Bateson, 1991; Pan & Siemens, 2011; Tombs & McColl-Kennedy, 2003). Aus ihnen geht hervor,

  • Der Einfluss der räumlichen Distanz auf die Aufenthaltsdauer 7

    dass durch zu viele Mitkonsumenten vorwiegend negative Verhaltensreaktionen ausgelöst werden – sowohl die Zufriedenheit mit dem Einkaufserlebnis als auch die Aufenthaltsdauer sinken (Eroglu & Machleit, 1990; Harrell & Hutt, 1976). Neuere Forschungsarbeiten haben ergänzend gezeigt, dass nicht nur eine zu hohe, sondern auch eine zu geringe Anzahl von Konsumenten auf kaufrelevante Verhal-tensreaktionen negativ einwirkt. In klassischen Konsumsituationen zeigen posi-tive Emotionen demnach eine umgekehrt U-förmige Abhängigkeit von der An-zahl der anwesenden Konsumenten (Argo et al., 2005). Ein anderes Ergebnis die-ser Studien ist, dass vor allem der erste andere Konsument das Erleben von posi-tiven Emotionen (Argo et al., 2005; Uhrich, 2011) und somit das gesamte Ein-kaufserlebnis positiv beeinflussen kann (Argo et al., 2005; Parker & Ward, 2000; Uhrich, 2011). Andere Forschungsarbeiten weisen hingegen darauf hin, dass die Anwesenheit anderer Konsumenten in bestimmten Bereichen von Geschäften zwar das Interesse am dort präsentierten Warenangebot steigert, gleichzeitig aber die Neigung vermindert, diese Bereiche aufzusuchen (Hui, Bradlow & Fader, 2009).

    Zusammenfassend kann somit konstatiert werden, dass die Anwesenheit anderer Konsumenten einerseits eine positive, eher anziehende Wirkung, andererseits eine negative, eher abstoßende Wirkung hat. Dieser offensichtliche Widerspruch kann durch die uns bekannten Forschungsarbeiten nicht erklärt werden. Zudem wurde bisher das Verhalten von Konsumenten vor und zwischen den Regalen kaum erforscht (Hui et al., 2009; Sorensen, 2003), und es gibt kein gesichertes Wissen darüber, welche Verhaltensweisen durch das bloße Aufeinandertreffen von Konsumenten direkt vor einem Regal ausgelöst werden. Um diese offene Frage zu klären, sollen zunächst Erkenntnisse aus anderen wissenschaftlichen Disziplinen analysiert und anschließend auf den Handelskontext übertragen wer-den.

  • 8 Michael Luck

    3 Die Nähe zwischen zwei Konsumenten – Theoretische Grundlagen und Entwicklung der Hypothesen

    Die Bereiche eines Geschäfts, in denen sich andere Konsumenten befinden, wer-den, wie oben erwähnt, eher gemieden (Hui et al., 2009). Diese Beobachtung trifft nicht nur im Handel zu, sondern auch in anderen Kontexten. Beispielsweise set-zen sich neu ankommende Restaurantgäste nicht an bereits belegte Tische, so-lange es noch freie Tische gibt. Erst wenn die Gäste keine andere Wahl haben, nehmen sie in Kauf, sich zu anderen Personen zu setzen. In einer solchen Situ-ation platzieren sie sich möglichst diagonal zu den bereits anwesenden Personen, um eine möglichst große Distanz zu ihnen aufzubauen (Sommer, 1965; Tombs & McColl-Kennedy, 2010). Ist das nicht möglich, zum Beispiel, weil die Tische sehr klein sind, verzichten viele Gäste sogar gänzlich auf einen Sitzplatz (Manzo, 2005; Sommer, 1967). Dieses Verhalten legt nahe, dass die Anwesenheit anderer Konsumenten und vor allem die Distanz zu ihnen für das gezeigte Verhalten rele-vant sind. Die auftretenden Verhaltensweisen können mithilfe der Theorie des persönlichen Raumes erklärt werden (Sommer, 1969).

    3.1 Theorie des persönlichen Raumes

    Die Theorie des persönlichen Raumes wurde in den 1960er-Jahren durch Hall (1966) und Sommer (1969) geprägt. In dieser Zeit wurden die Einflüsse von in-terpersonalen Distanzen grundlegend erforscht. Nach Hall (1966) können vier Distanzzonen um eine Person differenziert werden: intime, personale, soziale und öffentliche Distanz. Diese Zonen werden zur Regulierung von Interaktionen und Abständen zwischen Individuen und zur Vermeidung von Verletzungen des per-sönlichen Raumes genutzt. Hall (1966) deutet den persönlichen Raum als eine durchsichtige Blase oder einen Schutzbereich, der den eigenen Organismus von einem anderen trennt. Er kann als eine Zone definiert werden, die ein unbekanntes Subjekt – also auch ein anderer Kunde – nicht ohne regulierende Reaktion betre-ten darf (Sommer, 1969). In sozialen Situationen wird den Akteuren nicht immer

  • Der Einfluss der räumlichen Distanz auf die Aufenthaltsdauer 9

    bewusst sein, dass sie auf unterschiedliche Distanzen zu anderen Personen rea-gieren, sondern ihr Verhalten läuft vorwiegend automatisch im Unterbewussten ab (Hall, 1966).

    In öffentlichen Räumen kommt es immer wieder zu Situationen, in denen Perso-nen explizit anstreben oder vermeiden, mit anderen in Kontakt zu treten. In der Literatur wird in diesem Zusammenhang zwischen soziopetalen und soziofugalen Räumen bzw. Situationen unterschieden. Als soziofugal werden Situationen be-zeichnet, in denen Personen nicht mit anderen in Kontakt treten möchten. Klassi-sche Beispiele für solche Räume sind Bibliotheken, Bahnhöfe oder Flughafen-wartezonen (Osmond, 1957). Hier wirkt das ungeschriebene Gesetz, dass die so-ziale Isolation von allen anwesenden Individuen unterstützt und akzeptiert wird. Die soziale Interaktion wird hier nicht gefördert und die Kontaktaufnahme zwi-schen sich Fremde als unerwartet und unerwünscht angesehen (Sommer, 1967).

    In den genannten Bereichen des öffentlichen Lebens wurden die meisten wissen-schaftlichen Studien zu den Effekten unterschiedlicher Distanzen durchgeführt, wobei häufig zwei einander fremde Personen involviert waren. In diesen Studien wurde das Verhalten von derjenigen Person analysiert, für die eine Interaktion unerwartet war und der sich auf eine extreme nahe Distanz angenähert wurde (Sundstrom & Altman, 1976). Felipe und Sommer (1966) untersuchten beispiels-weise die Reaktionen auf das Zunahekommen bei zwei fremden Personen auf ei-ner Parkbank. Dabbs (1972) dagegen analysierte die Verhaltensweisen von Pas-santen unter Berücksichtigung verschiedener Distanzen im Straßenverkehr. Im Fokus all dieser Untersuchungen standen Situationen, in denen eine Person einer anderen aktiv so nahe kam, dass deren persönlicher Raum verletzt wurde. Dabei wurden Verhaltensweisen von einer Person in Situationen untersucht, die sich be-wusst anderen Dingen zuwandte und keinen Kontakt mit den anderen Personen suchte (Sommer, 1969). Zusammenfassend zeigen die Studien aus unterschiedli-chen sozialen Bereichen übereinstimmend, dass eine extreme Nähe zu einer frem-den Person in öffentlichen Räumen als Verletzung des persönlichen Raumes ge-wertet wird. Sie zeigen, dass die Nähe aversive Verhaltenstendenzen auslöst, z.B. Fluchtverhalten, Angst oder Verhaltensreaktionen, die die Distanz zur anderen

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    Person vergrößern (Altman, 1975; Felipe & Sommer, 1966; Hayduk, 1983; Som-mer, 1969).

    Diese Verhaltensänderungen aufgrund der Verletzung des persönlichen Raumes können als äußerst stabil angesehen und kontextübergreifend auch auf andere Be-reiche des öffentlichen Lebens übertragen werden. Obwohl die Untersuchung von Distanzen in der Sozialpsychologie große Beachtung gefunden hat, wurden ihre Auswirkungen auf kaufrelevante Verhaltensweisen im kommerziellen Kontext bislang vernachlässigt. Es kann davon ausgegangen werden, dass ein Handelsge-schäft ein soziofugaler Bereich ist, in dem sich typischerweise mehrere Konsu-menten zeitgleich aufhalten. Aufgrund der fortwährenden Bewegung der Kunden verändern sich ihre Positionen zueinander stetig. Aus diesem Grund ist auch eine geringe Distanz zu den anderen Konsumenten zwischen den Regalen eher die Re-gel als die Ausnahme. Es ist von daher anzunehmen, dass eine Verletzung des persönlichen Raumes durch andere Kunden auftritt und dadurch die kaufrelevan-ten Verhaltensweisen maßgeblich beeinflusst werden.

    3.2 Übertragung auf den Konsumkontext – Entwicklung von Hypothesen

    Die Untersuchungen zur Verletzung des persönlichen Raumes haben gezeigt, dass eine extreme Nähe zu einer fremden Person eine emotionale Reaktion hervorruft (Altman, 1975; Felipe & Sommer, 1966; Hayduk, 1983; Sommer, 1969). Wie be-reits beschrieben versuchen Menschen in öffentlichen Situationen eine möglichst große Distanz zueinander zu wahren. Wenn sich unbekannte Menschen in öffent-lichen Räumen dennoch unerwartet sehr nahe kommen, reagieren sie mit negati-ven Gefühlen (Altman, 1975; Sundstrom & Altman, 1976). Doch neuere Studien im klassischen Einzelhandel zeigen auch, dass durch die Anwesenheit anderer Konsumenten und die Nähe zu einem weiteren Kunden positive Emotionen ge-fördert werden (Argo et al., 2005). Daraus lässt sich schlussfolgern, dass in Kon-sumsituationen in einer Regalreihe mit einem anderen Kunden das Empfinden positiver Emotionen durch eine Verletzung des persönlichen Raumes beeinflusst

  • Der Einfluss der räumlichen Distanz auf die Aufenthaltsdauer 11

    werden kann. Wird der persönliche Raum verletzt, müssten demnach die positi-ven Emotionen schwächer ausgeprägt sein als bei keiner Verletzung des persön-lichen Raumes durch einen anderen Kunden. Hypothese H1 lautet deshalb:

    H1: Durch die Verletzung des persönlichen Raumes in der Konsum-situ-ation vor dem Regal wird ein Konsument geringere positive Emoti-onen erleben als in einer Konsumsituation, in der keine Verletzung des persönlichen Raumes durch einen anderen Konsumenten erfolgt.

    Aus den Ergebnissen der Crowding-Forschung lässt sich ableiten, dass Emotio-nen und die Zufriedenheit mit dem Konsumerlebnis durch die Anzahl der anwe-senden Konsumenten beeinflusst werden (Eroglu, Machleit & Barr, 2005). Sind viele andere Konsumenten anwesend, kommen sie sich unweigerlich auch sehr nahe. Deshalb ist in Konsumsituationen mit einer hohen Anzahl an Mitkonsumen-ten auch das Eindringen in den persönlichen Raum sehr wahrscheinlich (Kaya & Erkip, 1999; Worchel & Teddie, 1976). Außerdem kann davon ausgegangen wer-den, dass der Zusammenhang zwischen der Kundenanzahl und der Zufriedenheit mit dem Einkaufserlebnis durch die Emotionen vermittelt wird, die der Konsu-ment erlebt (Li, Kim & Lee, 2009; Machleit & Mantel, 2001). Daraus wiederum lässt sich ableiten, dass die Emotionen die Zufriedenheit mit dem Konsumerlebnis positiv beeinflussen. Es wird hypothetisiert:

    H2a: Die erlebten positiven Emotionen in der Konsumsituation beeinflus-sen die Zufriedenheit der Konsumenten mit dem Einkaufserlebnis positiv.

    Die Zufriedenheit mit dem Einkaufserlebnis spielt als Verhaltensdeterminante für den Handel eine zentrale Rolle (Donovan & Rossiter, 1982; He, Chen & Alden, 2012). Durch die Anwesenheit anderer Kunden in einem Geschäft werden die Kundenzufriedenheit und andere kaufrelevante Verhaltensintentionen maßgeb-lich geprägt (Eroglu & Harrell, 1986; Eroglu & Machleit, 1990). Wie bereits aus-geführt reagieren Menschen bei zu geringer Distanz mit aversivem Verhalten (Fe-lipe & Sommer, 1966). Hinzu kommt, dass eine Verletzung des persönlichen Rau-mes das Bedürfnis weckt oder steigert, derartige Situationen zu meiden oder schnellstmöglich wieder zu verlassen (Hayduk, 1983). Dieses Bedürfnis führt wiederum zur Reduktion der Aufenthaltsdauer (Becker, 1973; Leibman, 1970;

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    Middlemist, Knowles & Matter, 1976; Sommer, 1969). Auch Donovan und Ros-siter (1982) konnten nachweisen, dass positive Emotionen entscheidend für die Aufenthaltsdauer in einer Situation sind. Zudem gilt als wissenschaftlich gesi-chert, dass die Zufriedenheit mit dem Konsumerlebnis die Verhaltenstendenzen positiv beeinflusst (Martin, O'Neill, Hubbard & Palmer, 2008) und die Beziehung zwischen Emotionen und Verhaltenstendenzen mediiert (Li et al., 2009). Aus die-sen Gründen ist auch die Schlussfolgerung zulässig, dass die Zufriedenheit auf die Aufenthaltsdauer in einer spezifischen Konsum-situation positiv wirkt. Dem-nach wird folgende Hypothese formuliert:

    H2b: Die Zufriedenheit mit dem Einkaufserlebnis von Konsumenten be-einflusst die Verweildauer in einer Konsumsituation positiv.

    Ausgehend von den dargestellten Zusammenhängen zwischen Emotionen und Zufriedenheit kann im Folgenden angenommen werden, dass die Beziehung zwi-schen einer Verletzung des persönlichen Raumes und der Aufenthaltsdauer in ei-ner Konsumsituation durch die erlebten positiven Emotionen und der Zufrieden-heit mit der Einkaufssituation vermittelt wird. Da vorangegangene Studien keinen direkten Zusammenhang zwischen der sozialen Präsenz und dem Verhalten kon-statiert haben (Eroglu & Harrell, 1986; Eroglu & Machleit, 1990; Hui & Bateson, 1991; Li et al., 2009), wird hier ein indirekter Zusammenhang angenommen. Wird der persönliche Raum verletzt, beeinflusst dies die positiven Emotionen negativ, und positive Emotionen werden wiederum die Zufriedenheit positiv beeinflussen, so dass auch die Kombination beider Größen einen negativen Einfluss haben wird. Aus diesem Grund wird von einer insgesamt negativen Mediation ausge-gangen und die Hypothese aufgestellt:

    H3: In einer Konsumsituation mit einer Verletzung des persönlichen Rau-mes wird ein Konsument weniger Zeit vor dem Regal verbringen als in einer Konsumsituation ohne Verletzung des persönlichen Raumes.

    Die hypothetisierten Zusammenhänge werden zusammenfassend im Modell (Abb. 1) dargestellt.

  • Der Einfluss der räumlichen Distanz auf die Aufenthaltsdauer 13

    4 Empirische Untersuchung

    4.1 Forschungsdesign und Ablauf

    Zur Überprüfung der Hypothesen wurde eine empirische Studie in Form eines bildgestützten Szenario-Experiments entwickelt und durchgeführt. Dafür wurde ein einfaktorielles Zwischensubjekt-Forschungsdesign gewählt, das die Wirkung von Verletzungen des persönlichen Raumes („Verletzung des persönlichen Raums“ vs. „keine Verletzung des persönlichen Raums“) erfasst. Diese beiden Faktorstufen wurden herangezogen, um den Effekt einer Verletzung durch einen anderen Konsumenten auf kaufrelevante Verhaltensweisen zu prüfen.

    H1

    H2a

    H2b (–) (+)

    (+)

    H3 (–)

    Abbildung 1: Untersuchungsmodell

    Verletzung des persönlichen

    Raumes

    Positive Emotionen

    Zufriedenheit mit der Ein-

    kaufssituation

    Aufenthalts-dauer in der Regalreihe

    direkter Zusammenhang

    indirekter Zusammenhang

  • 14 Michael Luck

    Zur Manipulation der sozialen Präsenz in Experimenten hat sich die Anwendung von textbasierten Szenarios in Verbindung mit unterstützendem Bildmaterial be-währt (Argo & Main, 2008; Hui & Bateson, 1991; Uhrich, 2011). In der vorlie-genden Untersuchung wurden daher sowohl die Präsenz als auch die Nähe zu ei-nem anderen Konsumenten mithilfe eines Einkaufsszenarios in Verbindung mit Cartoon-Bildern manipuliert. Die herangezogene Cartoon-Methode ist an die Stu-die von He et al. (2011) angelehnt, in der die soziale Präsenz durch Comic-Bilder erfolgreich dargestellt wurde.

    An der Studie haben 98 (MAlter=21,64 (SD=2,55); männlich=63%) Bachelor-Stu-denten und -Studentinnen einer norddeutschen Universität teilgenommen. Diese wurden zufällig einer der beiden Situationen der Verletzung des persönlichen Raumes zugeordnet. Zu Beginn der Untersuchung wurden die Teilnehmer darauf hingewiesen, dass sie an einer Studie zu Gedanken, Erlebnissen und Verhaltens-weisen während des Einkaufens in üblichen Handelsgeschäften teilnehmen. Fer-ner wurde ihnen mitgeteilt, dass sie zunächst ein Einkaufszenario lesen und dann zur Veranschaulichung der dargestellten Situation ein Bild ansehen würden. Sie wurden auch darauf hingewiesen, dass es weder falsche noch richtige Antworten gebe und dass sie die Fragen so beantworten sollten, wie sie am ehesten für sie zutreffend seien. Schließlich wurden sie gebeten, sich möglichst gut in die darge-stellte Situation hineinzuversetzen und bei der Beantwortung der Fragen stets an die auf den Bildern dargestellte Situation denken sollten.

    Das Szenario wurde so gestaltet, dass sich die Probanden in eine Situation hin-einversetzten, in der sie ohne Begleitung einen Einkauf tätigen. Sie sollten sich vorstellen, dass sie an einem Freitagnachmittag in einem Supermarkt spontan Salzgebäck einkaufen wollen. Ihnen wurde geschildert, wie sie zu der dargestell-ten Regalreihe mit sechs verschiedenen Salzgebäckprodukten (ohne Präferenz für eine spezielle Marke und Sorte) gelangen. Danach wurde den Probanden die dar-gestellte Regalreihe mit der Manipulation der interpersonalen Distanz auf einem Bild präsentiert. Nachdem sie das Bild gesehen hatten, wurde ihnen geschildert, wie schon kurz nach ihrem Eintreffen ein weiterer Kunde die Regalreihe betritt und, wie auf dem Bild dargestellt, ein Produkt sucht.

  • Der Einfluss der räumlichen Distanz auf die Aufenthaltsdauer 15

    4.2 Entwicklung des Stimulusmaterials

    Wie bereits erläutert, kann von der äußeren Erscheinung (Argo et al., 2008) und dem Verhalten des anderen Konsumenten (Grove & Fisk, 1997; Martin & Pranter, 1989) ein möglicher Einfluss auf das gezeigte Konsumentenverhalten aus-gehen. Durch den Einsatz von einfarbigen Cartoon-Bildern konnte dieser neutral und konstant gehalten werden. Diese Tatsache war in der vorliegenden Untersuchung besonders relevant, da ausschließlich die reine Präsenz eines anderen Konsumen-ten und die Verletzung des persönlichen Raumes im Fokus der durchgeführten Studie standen. Bei der Produktion des Stimulusmaterials wurde darauf geachtet, dass von den dargestellten Personen ausschließlich die Silhouette, eine gleichblei-bende Körperhaltung und kein Gesicht dargestellt wurden. Um trotz der Anony-misierung eine möglichst reale Konsumsituation zu simulieren, wurde die Regal-reihe aus einem Supermarkt schemenhaft dargestellt. Alle Bilder zeigten densel-ben Abschnitt einer Regalreihe. Durch dieses Vorgehen konnte eine Kontrolle möglicher Störgrößen aus der Ladenumwelt in sämtlichen Situ-ationen sicherge-stellt werden.

    Damit sich männliche wie weibliche Probanden in das Szenario hineinversetzen konnten, wurde die entsprechende Figur neutral in Weiß mit der Kennzeichnung „Sie“ in das Stimulusmaterial eingearbeitet. Um die Distanz des hinzukommen-den Kunden zu manipulieren, wurde neben die Figur des Probanden ein weiterer Kunde im Design des Cartoons integriert. Dieser wurde schrittweise immer weiter von dem Suchfeld mit dem angestrebten Salzgebäck entfernt positioniert. Durch dieses Vorgehen entstanden 29 Bilder mit unterschiedlichen Distanzen zwischen den dargestellten Personen.

  • 16 Michael Luck

    Anschließend hatten acht Teilnehmer eines Pre-Testes die Aufgabe, sämtliche Bil-der in die Kategorien „Nah“ und „Fern“ einzuteilen. Nicht eindeutig zugeordnete Bilder wurden für das weitere Vorgehen ausgeschlossen. Fünf Marketingexper-ten, die mit der Thematik der Untersuchung vertraut waren, bewerteten im An-schluss die verbliebenen 15 Bilder. Da in der vorliegenden Studie der Einfluss einer Verletzung in einem Konsumkontext und nicht die Größe des persönlichen Raumes im Zentrum stand, wurde jeweils ein Bild für eine sehr nahe und eine sehr ferne soziale Präsenz ausgewählt. In der Situation, mit der sehr nahen Prä-senz des anderen Kunden (vgl. Abb. 2) wurde darauf geachtet, dass sich die dar-gestellten Personen nicht berührten, um Interpretations-spielräume bezüglich des Verhaltens durch den Probanden zu umgehen. Diese Distanz stellte eine Situation mit einem Abstand von weniger als 30 Zentimetern dar, da sich einander fremde Personen in diesem Abstand besonders unwohl fühlen (Hayduk, 1983).

    4.3 Operationalisierung der Variablen

    In verschiedenen Studien werden positive und negative Emotionen simultan un-tersucht (White & Yu, 2005). Gleichzeitig gilt als gesichert, dass positive Emoti-onen vor allem positive Verhaltenstendenzen hervorrufen (Machleit & Mantel, 2001). Da der Einfluss einer Verletzung des persönlichen Raumes auf die Zufrie-

    Abbildung 2: Stimulusmaterial zur Manipulation der sozialen Präsenz und der Nähe