Gefangenen Info #354

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  • 8/6/2019 Gefangenen Info #354

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    gefangenen infounsere solidaritt gegen ihre repression

    april 2010 nr. 354 preis brd: 2 preis ausland: 2,70 www.gefangenen.info

    Dsseldorf: Interview miteiner Anwltin zum 129b-Prozess

    Berlin: Im MG-Prozessgeht die Verteidigungin Revision

    Baskenland: Gewissheit in derUngewissheit - Der Tod Jon Anzas

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    Liebe Leserinnen und Leser,

    am 21. April 2010 steht gegen das GI ein weiteres Verfahren wegen einerVerleumdungsklage an. Wir hatten bisher bereits darber informiert undgehen in dieser Ausgabe etwas nher darauf ein. Neben einem Artikel zurKriminalisierung der linken Presse in der BRD, haben wir mit einem weiterenBeitrag versucht, die Kriminalisierung des GI mit einigen Beispielen aus derGeschichte zu verdeutlichen. Zum aktuellen Verfahren haben wir auerdemein Artikel verfasst, das einige politische Hintergrnde des aktuellen Krimi-

    nalisierungsversuchs hervorheben soll.

    Da das Verfahren unmittelbar mit unserer kritischen Berichterstattung hin-sichtlich der laufenden 129b-Prozesse zusammenhngt, findet sich in dieserAusgabe ein Interview mit Rechtsanwltin Britta Eder, einer Verteidigerin vonCengiz Oban. Dieses Interview betrachten wir als eine inhaltliche Ergnzungbzw. Vertiefung des Schwerpunktes unserer letzten Ausgabe, in der wir aus-fhrlicher ber die 129b-Prozesse informierten.Neben den Prozessen gegen vermeintliche Mitglieder der DHKP-C droht nunneben dem Gefangenen Faruk Ereren auch dem in Italien inhaftierten AvniEr die Auslieferung an die Trkei, zu dem wir ebenfalls einen kurzen Beitraganhand eines Aufrufs von Amnesty International verfasst haben.

    Im Berliner MG-Prozess ist krzlich die schriftliche Unrteilsbegrndung

    des Kammergerichts eingetroffen, woraufhin die Verteidigung in Revisiongegangenen ist. ber diese wird vom Bundesgerichtshof in Karlsruhe ent-schieden werden. Neben einem Artikel zur Revision haben wir einen lcherlichanmutenden Brief der Bundeswehr dokumentiert, der vor der Urteilsbegrn-dung bei einem der Angeklagten eingetroffen ist... aber lest es Euch selberdurch auf Seite 8.

    Bezglich der repressiven Entwicklungen im Baskenland sind wir mit einemBeitrag auf Seite 10 auf das Verschwinden des Aktivisten Jon Anza eingegan-gen, dessen Leiche mittlerweile gefunden wurde.Uns freut es, bezglich der Gefangenenkollektive im Baskenland einen Briefvon Markel Ormazabal erhalten zu haben, der in der Gefangenenrubrik nach-zulesen ist.Ebenfalls mit Gefangenenkollektiven im internationalen Kontext befasst

    sich ein Beitrag der Roten Hilfe International, welcher sich auf die Gefan-genenwiderstnde in Italien, dem Baskenland und den Widerstand der an-archistischen Gefangenen bezieht. An dieser Stelle bedanken wir uns rechtherzlich bei Marco Camenisch, der uns seine bersetzten Dokumente zuminternationalen Hungerstreik anarchistischer Gefangener vom 20. Dezember2009 bis 01. Januar 2010 zukommen lie, die wir versucht haben, ebenfalls ineinem Artikel zusammenzufassen.

    Weitere Themen sind - neben der Repression gegen die kurdische Bewegungin Europa - der Tod des Zeitungsmitarbeiters Alatas in Adana/Trkei unddie in der Trkei weiterhin laufende Kampagne fr die Freiheit der krankenGefangenen.

    Schlielich haben wir wieder mehrere Briefe aus den Knsten abgedruckt

    und unsere Seite 19 mit den aktuellen Gefangenenadressen versehen - ver-bunden mit der Aufforderung, ihnen Briefe und Postkarten zu schreiben.

    Drinnen und drauen - EIN KAMPF!

    Die Redaktion

    Das Gefangenen Info ist aus dem Angehrigen Info hervorgegangen, welches im Hungerstreik der politischen Gefangenen 1989 als Hungerstreik Info entstand.HerausgeberInnen: Netzwerk Freiheit fr alle politischen Gefangenen und FreundInnen.V.i.S.d.P.: Wolfgang Lettow c/o Gefangenen Info, Stadtteilladen Lunte e.V., Weisestrae 53, 12049 BerlinNichtredaktionelle Texte spiegeln nicht unbedingt die Meinung der Redaktion wider. Beitrge der Redaktion sind entsprechend gekennzeichnet.Bestellungen (Inland): Einzelpreis: 2. Ein Jahresabonnement kostet 25,20 (Frderabo 28,00), Buchlden, Infolden und sonstige Weiterverkufer erhalten bei Bestel-lungen ab 3 Stck 30% Rabatt. Bei Bestellungen erhalten Sie eine Rechnung, die anschlieend auf das Konto des Gefangenen Info zu berweisen ist.

    Bestellungen (Ausland): Einzelpreis: 2,70. Ein Jahresabonnement kostet 28,40 (Frderabo 31,20), Buchlden, Infolden und sonstige Weiterverkufer erhalten beiBestellungen ab 3 Stck 30% Rabatt. Bei Bestellungen erhalten Sie eine Rechnung, die anschlieend auf das Konto des Gefangenen Info zu berweisen ist.Anschrift: Gefangenen Info, c/o Stadtteilladen, Lunte e.V., Weisestrae 53, 12049 Berlin, Redaktion: [email protected], Vertrieb: [email protected]: Gefangenen Info, Konto-Nr.10382200, Bankleitzahl: 20010020, Postbank HamburgEigentumsvorbehalt: Nach diesem Eigentumsvorbehalt ist die Zeitung solange Eigentum der/des AbsenderIn, bis es den Gefangenen ausgehndigt worden ist. Zur-Habe-Nahme ist keine Aushndigung im Sinne des Vorbehalts. Wird das Info den Gefangenen nicht persnlich ausgehndigt, ist es der/dem AbsenderIn mit dem Grundder Nichtaushndigung zurckzuschicken.

    e-mail: [email protected] homepage: www.gefangenen.info

    2 gefangenen info april 2010

    vorwort inhalt dieser ausgabe

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    Schwerpunkt

    Kriminalisierung linker Medien

    Zur Kriminalisierung des Infos

    Sie lieben Kriegsgeschfte

    Inland

    EU-Terrorliste: Ein von rechtsstaatli-chen Bindungen befreites Instrumentzur vermeintlichen Gefahrenabwehr

    Revision im MG-Prozess

    Kollaboration BRD - Spanien

    International

    Gewissheit in der UngewissheitDer mysterise Tod Jon Anzas

    Organisierung und KampfmanahmenIn den Knsten regt sich Widerstand

    Repressionswelle gegen KurdInnen

    Erhngt an einem Orangenbaum

    Kampagne fr die kranken Gefangenen

    Zum internationalen Hungerstreikanarchistischer Gefangener

    Avni Er von Ausweisung bedroht

    Polizeioperation gegenRevolutionrer Kampf

    Gefangene

    Brief von Markel Ormazabal

    Brief von Ahmet Dzgn Yksel

    Brief von Devrim Gler

    Thomas Meyer-Falk: Armut im Knast

    Brief von Faruk Ereren

    Brief von Abdallah Abu Rahmah

    Gedicht von Nikita

    Gefangenenadressen

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    april 2010 gefangenen info 3

    seite 3 schwerpunkt inland international dossier gefangene feuilleton kurzmeldungen

    Anlsslich des anstehenden Prozesses ge-gen unsere Zeitung am 21. April 2010 mch-ten wir diese Ausgabe dazu nutzen, um aufstaatliche Repression gegen das Gefange-nen Info und gegen linke Medien im allgemei-nen nher einzugehen. Die Kriminalisierunglinker Medienprojekte durch das bershenmit Strafbefehlen und Prozessen ist nichtsNeues weder in Lndern mit stark repres-siven Staatsapparaten noch in Westeuropaund der hiesigen BRD, wo der Schein der

    Demokratie gewahrt werden soll. Es wresehr naiv anzunehmen, dass hierzulandeso etwas wie Meinungs- oder Pressefrei-heit tatschlich existiert. Dass dem nicht soist, zeigen mehrere konkrete Beispiele klarauf und weisen uns darauf hin, dass wir indem bestehenden System immer mit Krimi-nalisierung zu rechnen haben werden, wennwir es wagen sollten, bestimmte Grenzen zustrapazieren. Es sei hiermit vorweggenom-men, dass wir uns keine Schranken setzenlassen. Das liegt einzig und allein daran, dassnicht ihre Repression unser Handeln dirigiert,sondern unsere Ideen von einer Gesellschaftohne Ausbeutung und Unterdrckung, eine

    Gesellschaft ohne Repression und Knste,eine Gesellschaft, die auf Solidaritt basiert.

    Wo liegt die Grenze zur Medienzensur?

    In den 21 Jahren seit Bestehen des Gefan-genen Infos hat es ber 30 Versuche seitensdes Staates gegeben, die Zeitung mundtotzu machen. In Anbetracht der Tatsache, dasslinke Medienprojekte wie das GefangenenInfo keine kommerziellen Ziele verfolgenund somit nicht ber ein dickes Finanzpol-ster verfgen, gleicht jeder Strafbefehl und

    jede Geldstrafe einem massiven Angriff,der die Existenz der Projekte gefhrdet. Da

    diese repressiven Manahmen in erster Li-nie wirtschaftlichen Schaden anrichten undeinschchtern sollen, stellt sich uns die Fra-ge, ob diese Manahmen nicht hart an derGrenze zur Medienzensur liegen. Wenn derStaatsapparat gem dem Motto wenn Ihr

    weiter darber berichtet, treiben wir Euch inden Ruin denkt und handelt, so beabsichtigtsie Zensur auf Raten und glaubt, nach auenhin ihr demokratisches Anglitz wahren zuknnen. Wer allerdings schonmal selber imKnast gesessen hat, sich von Angestelltenin den Jobcentern sein/ihr Leben diktierenlassen muss, auf Demos die Polizeiknppelin den Rippen gesprt hat oder einfach nurfestgestellt hat, dass die Reichen immer fett-er werden, whrend wir an den Rand des so-

    zialen Abgrundes gedrngt werden, wird sichnicht so leicht etwas vormachen lassen. Indiesem Land gibt es Rechtsbrche, Willkr,Folter und politische Prozesse! Und es gibtRepression gegen jene, die ihren Dreck andie ffentlichkeit befrdern!

    Die Kriminalisierung linker Medien hatTradition

    Obwohl das Gefangenen Info einen klarenBezug zu Antirepressions- und Solidaritts-arbeit hat und dabei die Gefangenen in deneigentlichen Fokus rckt, ist die Anzahl derbis heute erffneten Verfahren gegen unsere

    Zeitung im Verhltnis zu anderen kriminalise-rten Publikationen doch erheblich. Wenn wiruns die letzten Jahrzehnte anschauen, stel-len wir fest, dass neben unserer Zeitung vieleweitere Zeitungsprojekte mit Verfahren ber-zogen, ja sogar teilweise verboten wurden.Die 1967 erstmals erschienene Zeitung agit883 gehrt zu jenen Zeitungen, die bis zu ih-rer Einstellung 1972 einiges an Repressionverkraften mussten. Die Kriminalisierung deragit 883 (Flugschrift fr Agitation und sozialePraxis), die Angaben zufolge Auagen bis zu10.000 die Woche erreichte, begann im Mai1970, als in der Zeitung die RAF-ErklrungDie Rote Armee aufbauen erschien. Bis Juli

    1970 wurde die agit 883 daraufhin fnf malkonsziert oder verboten. Im Februar 1972stellte die agit 883 (u.a. wegen redaktionellerUnstimmigkeiten) ihr Erscheinen ein.Ein anderes Zeitungsprojekt, welches sichu.a. aus ehemaligen Redaktionsmitgliedern

    der agit 883 zusammensetzte und einer nochmassiveren Repression ausgesetzt war,war die Zeitung Fizz. Im Gegensatz zur agit883-Redaktion waren sich die Redaktions-mitglieder der Fizz ber die Solidaritt mit derRAF einig und propagierten den Aufbau derStadtguerilla. Whrend der einjhrigen Exi-stenz wurden neun der insgesamt zehn Aus-gaben der Fizz beschlagnahmt, verboten undverfolgt.Eine weitere Zeitung, die damals die staatli-che Repression zu spren bekam, war die In-fo-BUG (Info Berliner Undogmatischer Grup-pen), die 1973 erstmals erschien. Gegen dieInfo-BUG, die Papiere von westeuropischenGuerillagruppen abdruckte, wurden 1977mehrere Verfahren nach 129a eingeleitet.Nach ihrer Kriminalisierung erschien die Info-BUG klandestin bis zu ihrer Einstellung imSommer 1978. Auch der legale Ableger derInfo-BUG, das BUG-Info, erschien von 1977bis 1978 und wurde ebenfalls kriminalisiert.Wegen des Vorwurfs, das Info-BUG gedrucktzu haben, wurden vier Drucker der AGIT-Dru-

    ckerei im Februar 1979 zu Haftstrafen zwi-schen neun bis zwlf Monaten verurteilt.Die Zeitung, die in der BRD am massivstenverfolgt und am hugsten kriminalisiert wur-de, ist die heute noch erscheinende radikal.Seit ihrem ersten Erscheinen 1976 wurdenmehrere Verfahren gegen die radikal einge-leitet. Der Abdruck des Mescalero-Briefs be-zglich der Ttung Bubacks durch die RAFbrachte der radikal 1978 das erste Verfahrenein. Ein weiteres Verfahren folgte 1982 wegenWerbung fr eine terroristische Vereinigung,womit die RZ (Revolutionre Zellen) gemeintwaren. Nachdem die Repression, Razzienund Verbote, darunter vier Festnahmen im

    Jahr 1995, gegen die radikal bis heute nichtabgerissen haben, wurden nach 2000 mehre-re Ausgaben unter dem Titel schwarze Rei-he publiziert, die ebenfalls von Repressalienbegleitet wurde. Die 162. und bisher letzteAusgabe der radikal, die seit Sommer 2009von der Revolutionren Linken (RL) verffent-licht wird, wurde nach einer Verfgung einesBerliner Amtsgerichts beschlagnahmt. Unddies sind nur einige von vielen Beispielen.

    Fr freie, revolutionre Pressearbeit

    Die Arbeit am Gefangenen Info stellt fr uns wie bereits oben erwhnt keine Ttigkeit

    dar, die das Ziel hat, die Taschen voll zu ma-chen. Die Arbeit am und fr das GefangenenInfo ergibt sich fr uns aus einer Notwendig-keit heraus, im Bereich der Antirepressions-und Solidarittsarbeit effektivere ffentlich-keitsarbeit zu betreiben, die Kommunikationmit den Gefangenen zu gewhrleisten undihnen eine Plattform zu bieten. Aus diesemGrund stellt dieses Engagement ein wichtigesElement der Praxis der revolutionren linkenBewegung dar, auf das weder wir, noch un-sere eingesperrten oder von Repressalienbetroffenen FreundInnen und Freunde ver-zichten werden. (red.)

    Quellen:Gefangenen Info 352Umweltzentrum-Archiv (Beispiele politischerZensur und Kriminalisierung von Texten inDeutschland von 1968 bis heute)www.plakat.nadir.org/883/index.html

    Kriminalisierung linker Medien

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    seite 3 schwerpunkt inland international dossier gefangene feuilleton kurzmeldungen

    Der Staat versuchte seit 1989, also seit Beste-hen dieser Zeitschrift, unter der Federfhrungder Bundesanwaltschaft und den Geheim-diensten durch rund 30 Verfahren, das Infomundtot zu machen. Das Info nannte sichanfangs Hungerstreik Info, nach dem Ende

    des Streiks Angehrigen Info und ab 2004Gefangenen Info (GI). Von den 30 Verfahrenendeten mindestens vier im Gerichtssaal vorder Klassenjustiz, die teilweise durch mehrereInstanzen gingen. Verurteilt wurden wohl min-destens zwei RedakteurInnen.

    Greifen wir mal einige Beispiele raus:

    a. Im Hungerstreik Info Nr. 4 war der Briefvon einem Gefangenen aus der RAF, RolfHeiler, zum Anlass genommen worden, ein90a-Verfahren einzuleiten. In dieser Ausga-be vom 9.3.1989 schrieb Rolf, der sich da-mals im Hungerstreik befand, dass die Bun-desanwaltschaft (BAW) ihre Forderungen vonAnfang an ablehnte und auch tote Gefangeneeinplante. Das war dann Staatsverleumdung(90a) nach Meinung der Herrschenden.Hintergrund war der zehnte kollektive Hunger-streik von 40 Gefangenen aus der RAF unddem antiimperialistischen Widerstand, der am1. Februar 1989 begann. Sie waren durchwegeinzeln oder/und in kleinen Gruppen teilweiseseit ber 16 Jahren isoliert. Gefordert wurdedeshalb u.a. die Zusammenlegung aller die-ser Gefangenen in ein oder zwei Gruppenund die Freilassung aller haftunfhigen Ge-fangenen, wie z. B. Gnter Sonnenberg.

    Oder wie es die aus dem antiimperialistischenWiderstand kommende Gefangene AndreaSievering ausdrckte:(...) fr mich ist der kampf zentral, weil isola-tion (...) nichts ist, was ich aushalten will, jetztfr lange jahre im beton eingebunkert zu wer-den, jeden tag neu den kampf gegen zerst-rung, gegen den entzug von menschen, umdie beziehungen, reduziert auf die schreibma-schine, nie direkt und nah gelebt. mit deinenganzen gefhlen, politischen gedanken, ber-legungen, mit allem, was dich beschftigt, im-mer allein, und immer neu der kampf gegendie mauern durchzukommen (...) so kann undwill kein mensch leben.

    Diese als weie Folter bezeichneten Haft-bedingungen hinterlieen keine sichtbarenphysischen Spuren. Selbst die UNO hatte dieIsolationshaft als Folter gechtet. Neun po-litische Gefangene hatten bisher den Knastnicht berlebt. Davon starben bereits zweiGefangene in Hungerstreiks:- 1974 Holger Meins durch systematischeUnterernhrung.- 1981 Sigurd Debus, dessen Tod bis heutenie auf geklrt werden konnte.

    b. Ein Verfahren nach 129a (wegen Wer-bung fr eine terroristische Vereinigung) gabes wegen des Briefes von Andrea Sievering,

    aus dem schon zitiert wurde, der im Hunger-streik Info Nr. 9 abgedruckt wurde. Anlasswar, dass sie sich fr Zusammenlegung aus-sprach: die zl (Zusammenlegung; die Redak-tion) ist fr mich auch mehr, als die isolationzu durchbrechen, um unsere mglichkeit zu

    kmpfen, zusammenzusein. ich will die zu-sammenlegung in groe gruppen von raf undwiderstand(...).Diese Gefangenen aus dem Widerstandhatten drauen im Gegensatz zu denen ausder RAF nicht bewaffnet als Stadtguerilla

    gekmpft. Die GenossInnen aus dem Wider-stand wurden u.a. dafr kriminalisiert und ein-gesperrt, weil sie sich mit den Illegalen ausder RAF zum Gedankenaustausch trafen, mitden Gefangenen aus der Guerilla kommuni-zierten, sie untersttzten, oder sich ffentlichbzw. verdeckt fr die Verbesserungen derHaftbedingungen einsetzten.In Mnchen versuchte die Polizei, diese Ex-emplare des Hungerstreik Info Nr. 9 sogarzu beschlagnahmen, das zeigt, wie sich dieHerrschenden angegriffen fhlten von der Di-mension und Dynamik des Hungerstreiks, andem sich viele Gefangene aus unterschied-lichen Zusammenhngen beteiligten undEnde April in der damaligen Hauptstadt Bonn10.000 Menschen auf der Strae waren.

    c. Nach Ende des Hungerstreiks hagelte esweiter Verfahren. Nicht nur Texte von Ge-fangenen wurden inkriminiert, sondern auchBeitrge von Rechtsanwlten: z. B. der desinzwischen verstorbenen Anwalts Gerd Kluss-meyer. Er war 1993 auf einer Veranstaltungin Mainz zum Ergebnis gekommen, dass dieHaftbedingungen Ergebnis der Folterlogikdes Staates sind, die sich als Kontinuum bisheute durchzieht.

    d. Noch 2005 gab es eine Medienkampagnedurch den Hamburger Verfassungsschutzmittels Zeitungen und Fernsehen gegen diedamalige Herausgeberin des GI, ChristianeSchneider, weil sie diese Zeitschrift verlegte.Im Info wurde hug das staatliche Vorgehengegen Gefangene kritisiert statt die drako-nischen Bedingungen samt den Sondergeset-zen zu ndern, reagierte der Staat zum Bei-spiel mit Verfahren nach 187 (Verleumdung)und Staatsverleumdung nach 90a - oder eswurde ein 129a-Verfahren wegen Werbungfr eine terroristische Vereinigung erffnet,weil Erklrungen der RAF dokumentiert wor-den sind, die in Prozessen verlesen wurden.

    Weitere Anlsse waren Artikel, die die staatli-che Version z.B. der Selbstmorde in Stuttgart-Stammheim am 18.10.1977 oder von Wolf-gang Grams am 27.6.1993 in Bad Kleinenthematisierten und damit in Frage stellten.Neben der redaktionellen Arbeit musste dieExistenz und damit das Fortbestehen desInfos auch immer vor dem Gericht vertei-digt werden, um damit das Leben vor allemder Gefangenen aus der RAF vor staatli-chen bergriffen hinter Gittern zu schtzen.Heute sind es vor allem Eingekerkerte austrkischen und anderen migrantischen Zu-sammenhngen, die diesen Sonderhaftbe-dingungen und -gesetzen ausgesetzt sind. Es

    bedeutet immer Kampf auf allen diesen Ebe-nen, den Weggesperrten einen unzensiertenRaum zu geben fr ihre politischen Vorstel-lungen bis hin zur ihrer Freiheit! (red.)

    Zur Kriminalisierung des Infos

    21 jahrerepression

    gegen dasgefangeneninfo

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    april 2010 gefangenen info 5

    seite 3 schwerpunkt inland international dossier gefangene feuilleton kurzmeldungen

    Die in Stuttgart-Stammheim und Dsseldorflaufenden drei 129b-Prozesse stellen nichtnur fr unsere GenossInnen, die vor die Ge-richte der Klassenjustiz gezerrt werden, son-dern natrlich auch fr die Angehrigen undFreundInnen derer groe Schwierigkeiten

    dar. Angefangen von den Isolationshaftbedin-gungen und den damit verbundenen Schika-nen und Auslieferungsandrohungen bis hinzu den Auswirkungen auf die Angehrigen-besuche, den Briefverkehr und natrlich dieVerteidigung, bedeutet eine Anklage nach129b anscheinend das volle Repressions-programm. Doch nicht nur das unmittelbaresoziale Umfeld der Gefangenen, sondernauch die Personen und Gruppen, die versu-chen, sich politisch mit einzubringen und eineGegenffentlichkeit aufzubauen, sind miteinem Ausnahmezustand konfrontiert.Wir haben im Rahmen der Arbeit gegen die129b-Prozesse feststellen knnen, dass wir

    mit unseren Aktionen und Aktivitten einenStrfaktor darstellen und von den Repressi-onsbehrden dementsprechend zur Kenntnisgenommen werden. Neben einer Presseer-klrung der Verfassungsschutzvorsitzendenvon Baden-Wrttemberg im Sommer 2008,in der vor einer Zusammenarbeit zwischentrkischen und deutschen Linksradikalen ge-warnt und damit Hetze betrieben wurde, dendarauffolgenden Verhaftungen von NurhanErdem, Ahmet Istanbullu und Cengiz Obanim November 2008 und den Misshandlungenvon ProzessbesucherInnen whrend der Ge-richtsverhandlung im OLG Dsseldorf beimProzess gegen Faruk Ereren am 27. Mai

    2009 ist nun auch das Gefangenen Info malwieder ins Visier der Repressionsmaschine-rie gerckt.Es ist nicht mglich, das Verfahren gegendas Gefangenen Info losgelst von denstaatlichen Angriffen, den Razzien, Verhaf-

    tungen, der Isolationsfolter, den Anti-Terror-Prozessen und den Misshandlungen derProzessbesucherInnen zu sehen, zumal sichdas Verfahren auf jene Gefangenen Info-Aus-gabe bezieht, in der wir ausfhrlich ber dieAngriffe in der OLG Dsseldorf berichtet hat-

    ten. Gegenffentlichkeit und kritische Pres-searbeit sind den StaatsanwltInnen und denSenaten ganz klar ein roter Dorn im Auge.So, wie wir die Repression gegen unsere Zei-tung nicht losgelst von den 129b-Prozes-sen sehen knnen, so drfen wir den ber-geordneten Kontext nicht ausklammern, derdiese Prozesse erst mglich macht. Mageb-lich hierfr ist die Zusammenarbeit zwischender BRD und der Trkei. Und beide liebenKriegsgeschfte!

    Terrorismus, der die Reichen reichermacht

    Wir brauchen heute einem Groteil der Men-schen nicht mehr zu erklren, wer die wahrenTerroristen sind. Zu sehr wurden wir zuge-mllt mit imperialistischer Desinformation,die dazu dienen soll, Feindbilder zu schren.So sehr, dass den Menschen nun bewusstgeworden zu sein scheint, dass Begriffe ver-dreht werden, Lgen als Wahrheiten verkauftwerden und immer Menschen wie wir es sind,die am Ende das groe Leid davontragen.Aber es gibt nun mal Figuren, die vom impe-rialistischen Krieg protieren. Manager, dieWaffenkonzerne leiten und widerum jene, diefr die politische Diplomatie sorgen und dieWaffen an ihre Wirtschafts- und Militrpartner

    bringen. So ein Kriegsgeschft fand krzlichzwischen dem weltweit drittgrten Waffen-exporteur BRD und der Trkei statt. Ein milli-ardenschweres Kriegsgeschft!Bundeskanzlerin Angela Merkel, die am 1.April 2010 dem trkischen Premierminister

    Erdogan symbolisch einen Anstecker in Formeiner Friedenstaube zum Geschenk machte,hatte noch etwas anderes auf Lager; undzwar Panzer und U-Boote. Im Rahmen desStaatsbesuchs wurden Vertrge abgeschlos-sen, die u.a. den Kauf von 56 Leopard II A4Kriegspanzern zu je einer Million Euro, alsoinsgesamt 56 Millionen Euro, vorsehen. DieTrkei stockt somit ihr Leopard II A4-Depotvon 242 auf 298 auf. Auerdem in den Ver-trgen enthalten sind der Kauf von sechsdeutschen U-Booten der Klasse 214 im Wertvon 2 Milliarden Euro. Damit ist die Trkei dergrte Waffenabnehmer der BRD, an zweiterStelle gefolgt von Griechenland.

    Der Feind meines Freundes...

    Unter Bercksichtigung dieser gegenseitigenAbhngigkeiten fllt es nicht mehr schwer, dieUrsachen fr die 129b-Prozesse zu verste-hen. Es erklrt, wieso es diesen Drang gibt,auf Biegen und Brechen die Prozesse zu ab-solvieren; und zwar mit den hchstmglichen

    Strafmaen. Es erklrt, woher dieser Drangkommt, unbedingt Folterer aus der Trkei vordeutsche Gerichte zu holen, um ihre Aussa-gen zu verwerten. Es erklrt, dass es darumgeht, politische Oppositionelle des trkischenSystems zu bestrafen und einzuschchtern,um dem wirtschaftlichen und militrischenPartner Trkei entgegenzukommen. Was freine Freundschaft! Aber es soll auch Bezie-hungen geben, die ihres Erhaltes wegen berLeichen gehen. Um so eine msste es sichhierbei handeln.

    Was passiert mit den Waffen?

    Seit einigen Jahren bereits verfolgen wirdie Bemhungen insbesondere seitens derBRD, die Trkei in einem guten Licht daste-hen zu lassen. Extralegale Hinrichtungen,Foltermorde, Lynchmobs, durch die Polizeiorganisierte faschistische Banden und dieVerfolgung der politischen Opposition... alldas gehrt zu den realen Verhltnissen in derTrkei.Der Sarkasmus, den dieser Staatsbesuchmit dem Anstecken der Friedenstaube sym-olisierte, ist wahrlich schwer zu berbieten.Whrend in der BRD Menschen der Prozessgemacht wird, weil sie sich fr demokratischeForderungen in der BRD eingesetzt und sich

    gegen das faschistische System der Trkeigestellt haben, werden die an die Trkei ver-kauften Waffen dazu eingesetzt werden, wozusie seit Jahrzehnten eingesetzt werden: ZurUnterdrckung der Bevlkerung in den kur-dischen Gebieten, zur Zerstrung von Dr-fern, zur Niederschlgung von Protesten oder- wie bereits viermal in der 87 jhrigen Ge-schichte der trkischen Republik - zur Durch-fhrung von Militrinterventionen im Inneren.In den letzten 30 Jahren sind ber 30.000Menschen durch das trkische Militr, durchKonterguerillas und faschistische Banden er-mordet worden.Weiterhin halten die Konikte insbesondere in

    den kurdischen Gebieten der Trkei an. Unddort werden die Leopard II A4 Panzer, dieAngela Merkel zu je einer Millionen Euro derTrkei vermacht hat, mit groer Wahrschein-lichkeit ankommen, um gegen die kurdischeBevlkerung eingesetzt zu werden. (red.)

    Sie lieben Kriegsgeschfteber Terrorismus und seine Auslegung in Hinblick auf die 129b-Prozesseoder Warum wird das Gefangenen Info kriminalisiert

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    6 gefangenen info april 2010

    seite 3 schwerpunkt inland international dossier gefangene feuilleton kurzmeldungen

    Am 11. Mrz 2010 begann ein neuer Prozessgegen migrantische Linke vor dem OLG Ds-seldorf. Den nun seit 17 Monaten in Untersu-chungshaft bendlichen Gefangenen CengizOban, Ahmet Istanbullu und Nurhan Erdemwird vorgeworfen, eine wichtige Rolle in derin Deutschland verbotenen anatolischen DH-KP-C (Revolutionre Volksbefreiungspartei-Front) gespielt zu haben. Auergewhnlich istan diesem Verfahren die auf Verste gegendas Auenwirtschaftgesetz erweiterte Ankla-ge. Britta Eder ist eine der beiden Verteidi-gerinnen von Cengiz Oban, der schon berein Jahr unter Isolationshaftbedingungen in

    Untersuchungshaft sitzt.Gefangenen Info: Im Mrz begann der Pro-

    zess gegen Deinen Mandanten Cengiz

    Oban, und die anderen Angeklagten aus der

    anatolischen Linken, Ahmet Istanbullu und

    Nurhan Erdem, denen ebenfalls die Mitglied-

    schaft in der DHKP-C und darber hinaus

    noch weitere strafbare Handlungen vorge-

    worfen werden . Um was geht es noch in die-

    sem Prozess?

    RAin Eder: ber den Vorwurf der Mitglied-schaft in einer terroristischen Vereinigung imAusland gem 129b hinaus, werden den

    Angeklagten in diesem Verfahren in 17 FllenVerste gegen 34 Auenwirtschaftsge-setz (AWG) in Verbindung mit der EU-Terror-liste vorgeworfen. Der Strafrahmen ist dabeimit 2 Jahren bis 15 Jahren hher als der, dender 129b vorsieht. Der in diesem Fall rele-vante 34 Abs. 4 des AWG besagt kurz zu-sammengefasst, dass diejenigen, die gegeneine wirtschaftliche Sanktionsmanahme derEU oder der Vereinten Nationen gegenberbestimmten Organisationen, Personen oderLndern verstoen, mit Strafen zwischen 6Monaten und 5 Jahren Haft , in vielen Fllensogar mit 2 15 Jahren Haft bestraft werden.Sanktionsmanahmen im Sinne des 34

    AWG sind z.B. die EU-Terrorliste sowie Han-delsembargos gegen einzelne Lnder etc. 34 AWG stellt eine sog. Blankettnorm dar.Das heit, das Gesetz beschreibt nicht selbst,welche konkreten Handlungen strafbar sind,sondern berlsst diese Bestimmung stndigneu erlassenen oder sich ndernden euro-pischen oder internationalen Rechtsakten,auf die dann in lediglich abstrakter Form ver-wiesen wird. Das heit, wer gegen die in derEU-Verordnung festgelegten wirtschaftlichenSanktionen verstt, wird bestraft.Auf die Terrorliste bezogen bedeutet dies,dass bestraft wird, wer mit den gelistetenPersonen oder Organisationen in irgendeiner

    Weise in nanziellen Kontakt tritt. Fahrlssig-keit reicht aus. Somit knnen auch Personenbetroffen sein, die ohne ihr eigenes Wissen ingeschftlichen oder privaten Kontakt mit ge-listeten Personen oder Organisationen gera-ten. Dies fhrt u.a. dazu, dass Industrie- und

    Handelskammern Unternehmen teure Soft-ware empfehlen, die jeden, auch zuflligen,Geldverkehr mit etwaig Gelisteten Personenoder Organisationen verhindern soll. Auf dieTerrorliste bezogen bedeutet dies, dass nichtetwa durch den deutschen Gesetzgeber ent-schieden wird, mit welchen Personen oderOrganisationen in welcher Art und Weisekeinerlei nanzielle Kontakte gepegt werdendrfen, sondern durch den EU-Ministerrat.Bei der EU-Terrorliste handelt es sich umeine Manahme der verwaltungsrechtlich de-nierten Gefahrenabwehr, die im Gegensatzzu einer Strafrechtsnorm den Grundsatz der

    Unschuldsvermutung nicht kennt.GI: Von wem und nach welchen Koordinaten

    wird diese EU-Terrorliste zusammengestellt?

    RAin Eder: Bei der Beantwortung dieser Fra-ge muss unterschieden werden zwischender Zeit bis 2007 und nach 2007. Der Grunddafr ist, dass der EuGh 2007 die Listung allderjenigen Organisationen und Personen, diegegen die Listung geklagt hatten, schon des-halb fr nichtig erklrt hatte, weil ganz grund-stzliche Anhrungs- und Verfahrensrechtenicht gewahrt worden sind. Aus diesem Grun-de wurde das Verfahren der Listung nach die-

    ser Entscheidung etwas verndert.Bis 2007 wurde die Terrorliste von einem ge-heim tagenden Gremium des Ministerrates ineinem sog. informellen clearing house-Ver-fahren erstellt. Die Entscheidungen erfolgtenzu dieser Zeit und auch heute im Konsens.Oft beruhten und beruhen die Indizien undVerdachtsmomente, die zu Eintrgen fh-ren, auf weder juristisch noch demokratischkontrollierbaren Geheimdienstinformationenaus einzelnen Mitgliedstaaten, Beitrittskan-didaten oder anderen Staaten. Eine verbind-liche, gerichtliche Prfung der Vorwrfe aufder Grundlage gesicherter Beweise ndetnicht statt.

    Nach den Entscheidungen des EuGH wurdeeine Arbeitsgruppe eingerichtet, die WorkingParty on implementation of Common Position2001/931/GASP on the application of specicmeasures to combat terrorism. Sie ist mit Mi-nisterialbeamten des Rats besetzt und prftfortan Vorschlge fr Neuaufnahmen. Aufder Grundlage ihrer Erkenntnisse spricht siegegenber dem Rat eine Empfehlung aus,der dann frei ber die Listung entscheidet.Dies geschieht bislang noch einstimmig. Er-folgt eine Listung, erhlt der Betroffene eineBegrndung vom Rat, die den Tatvorwurfgrob preisgibt und begrndet, die nationaleBehrde nennt, die die Ausgangsentschei-

    dung getroffen hat und ber die Manahmeninformiert, die nun gegen den Betroffenenverhngt werden. Die meisten der klagendenPersonen und Organisationen sind auchnach diesem neuen Verfahren erneut gelistetworden.

    Die EU-Terrorliste: Ein von rechtsstaatlichenBindungen befreites Instrument zurvermeintlichen GefahrenabwehrInterview mit Rechtsanwltin Britta Eder. Eine der beiden Anwltinnen von Cengiz Oban

    Weitere Infos: www.no129.info

  • 8/6/2019 Gefangenen Info #354

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    seite 3 schwerpunkt inland international dossier gefangene feuilleton kurzmeldungen

    Berlin: Christoph T., demvorgeworfen wurde, am 17.Juni 2009 ein PKW in Brandgesetzt zu haben, wurdeAnfang Mrz vom Landge-richt Berlin freigesprochen.Obwohl zu keinem Zeitpunkt

    ein technischer Defekt andem Auto ausgeschlossenwerden konnte, ging das LKA von Brand-stiftung aus, ohne auch nur einmal unter dieMotorhaube zu schauen. Aufgrund mangeln-der Ermittlungen und mangelnder Beweisewurde Christoph freigesprochen und soll ent-schdigt werden, da er das Verfahren nichtverursacht habe. (red.)

    Karlsruhe: Am 13. Mrz2010 demonstrierten inKarlsruhe 500 Menschengegen Polizeigewalt undstaatliche Repression. Zu

    der Demonstration hattenneben dem Bndnis gegenRepression und dem AK Po-lizeigewalt, auch verschie-

    dene Fangruppierungen aus der KarlsruherUltrasszene aufgerufen, die zunehmend vonRepression betroffen sind. Im Vorfeld derDemo wurde von der Polizei eine Veranstal-tung am 9. Februar 2010 mit dem Titel Poli-zeigewalt im Fuball - Strategien, Initiativen,Missverstndnisse verboten. Das Verbotwurde vom Dezernat 3 unter Sozialbrger-meister Martin Lenz vorgenommen. (red.)

    Nrtingen: Am 10. Februar,

    2.- und 3. Mrz 2010 fandenim Amtsgericht NrtingenProzesse gegen 2 Antifa-schisten statt. Der Hinter-grund beider Prozesse warein Nazivortrag im HotelPum letztes Jahr. Einemder Angeklagten wird Land-

    friedensbruch, dem anderen Beleidigung undKrperverletzung in zwei Fllen vorgeworfen.Trotz vieler Unklarheiten wurden beide verur-teilt. Der eine zu 30 Arbeitsstunden und derandere zu 6 Monaten Freiheitsstrafe auf 3Jahre Bewhrung plus 150 Stunden sozialeArbeit. Die Verteidigung, die im Schlusspl-doyer des Prozesses die politische Relevanzdes Falles hervorgehoben hatte, ging nachUrteilsverkndung in Berufung. (red.)

    Balingen: Am 9. Okto-ber 2009 fand in Balingeneine Freidemo statt, in de-ren Folge es zu mehrerenFestnahmen und Anzeigenkam. So wird dem Anmelderder Demonstration zu Lastgelegt, whrend der Ab-schlusskundgebung anwe-

    sende Polizisten mit Faschisten gleichgestellt

    zu haben. Er muss mit einer Geldstrafe bis zu400 rechnen. Einer weiteren Person wird,ebenfalls im Rahmen dieser Demonstration,ein Versto gegen das Vermummungsverbotvorgeworfen. (red.)

    Kurzmeldungen bundesweit

    GI: Was bedeutet das fr Menschen und Or-

    ganisationen auf der EU-Terrorliste gefhrt

    zu werden?

    RAin Eder: Der Sonderermittler des Europa-rates, Dick Marty, bezeichnet das Vorgehender EU in Bezug auf die Terrorliste als unge-recht und pervers. So wrden Menschen imSinne des Feindstrafrechts mit einer zivilenTodesstrafe belegt, da sie in keiner Weisemehr handlungsfhig wren. Selbst Serienkil-ler htten mehr Rechte als die dort Gelisteten.Darber hinaus beschrieb Marty in einer Stel-lungnahme 2007, was die Aufnahme in dieTerrorliste zu dieser Zeit konkret bedeutete:Die Betroffenen wurden nicht verstndigt,sondern erfuhren davon, wenn sie ber ihrBankkonto verfgen wollten oder eine Gren-ze berschritten. Es gab keine Anklage, keineofzielle Benachrichtigung, kein rechtlichesGehr, keine zeitliche Begrenzung und keine

    Rechtsmittel gegen diese Manahme.Auch heute ist es noch so, dass wer einmal aufder Liste steht, kaum mehr eine Chance aufein normales Leben hat. Er ist quasi vogelfrei,wird politisch gechtet, wirtschaftlich ruiniertund sozial isoliert. Dazu kommen berwa-chungs- und Ermittlungsmanahmen, nichtnur gegen die gelisteten Personen, sondernauch gegen deren gesamtes Umfeld. Daskann auch Personen betreffen, die ohne ihreigenes Wissen in geschftlichen oder pri-vaten Kontakt mit gelisteten Personen oderOrganisationen geraten.

    GI: Du hast in einer Presseerklrung im Zu-

    sammenhang mit der Anklage gegen deinenMandanten Cengiz Oban, die mit den oben

    erwhnten Versten gegen das Auenwirt-

    schaftsgesetz und der damit verbundenen

    EU-Terrorliste zusammenhngt, von Feind-

    strafrecht geschrieben. Was meinst du da-

    mit?

    RAin Eder: Feindstrafrecht bedeutet im All-gemeinen das beliebig bestimmten Personenoder Personengruppen diverse Grund- undMenschenrechte unterschiedlich weitgehendaberkannt werden, wenn ihnen staatlicher-oder behrdlicherseits die Zugehrigkeitzu einer bestimmten, als Feind denierten

    Gruppe zugeschrieben wird. (In diesem Fallvermeintlichen Terroristen). Es handelt sichdabei also um ein von rechtsstaatlichen Bin-dungen befreites Instrument zur vermeint-lichen Gefahrenabwehr. Konkret gehrenu.a. die von mir erwhnten Momente des

    Konstrukts 34AWG in Zusammenhang mitder EU-Terrorliste genauso in diesen Kon-text, wie die von Dick Marty beschriebenenAuswirkungen einer entsprechenden Listung.

    GI: Du und deine Kollegin haben aus den

    oben genannten Begrndungen Einspruch

    gegen die Erffnung des Verfahrens erho-

    ben. Wurde schon eine Entscheidung dar-

    ber gefllt?

    RAin Eder: Das Verfahren wurde trotz un-serer Einwendungen erffnet, die Anklagezur Hauptverhandlung zugelassen. Am er-sten Hauptverhandlung haben wir zudemden Antrag gestellt 34 Abs. 4 AWG demBundesverfassungsgericht zur Entscheidungber die Verfassungswidrigkeit wegen desVerstoes gegen das Bestimmtheitsgebotvorzulegen. Auch dieser Antrag wurde, ob-wohl er den Verfassungsversto sehr dezi-

    diert auch unter Bezugnahme auf konkreteRechtsprechung des Bundesverfassungsge-richts dargelegt hat, lapidar mit dem Hinweis,das Gericht vertrete eine andere Rechtsan-sicht, abgelehnt. Eine inhaltliche Begrndungerfolgte nicht.

    GI: Wie sehen die verschrften Haftbedin-

    gungen bei Cengiz Oban aus. Haben diese

    auch einen Einuss auf die Verteidigung?

    RAin Eder: Cengiz Oban sitzt in Isolations-haft. Das bedeutet weitgehenden Reizent-zug (Deprivation), die sehr hug negativepsychische Folgen nach sich zieht. In solch

    einer Haftsituation besteht kein Umschlussmit anderen Gefangenen. Unser Mandantkann im Gefngnis keine Arbeit wahrnehmen.Fr die Gefangenen ist es sehr schwer derHauptverhandlung zu folgen, zumal fr siedie Verhandlungspausen keine Erholung bie-ten, weil sie diese in einer sehr kleinen kahlenund vor allem fensterlosen Zelle verbringen,in der weder eine vernnftige Sauerstoffzu-fuhr, noch ausreichende Bewegungsmglich-keiten vorhanden sind. Verteidigergesprcheknnen lediglich mit Trennscheibe stattn-den. Auch im Verhandlungssaal sitzen dieMandanten hinter einer Trennscheibe. Ein di-rekter Kontakt mit der Verteidigung whrend

    laufender Verhandlung ist nicht mglich, son-dern nur in den Verhandlungspausen. Diesstellt eine starke Beeintrchtigung der Ver-teidigung sowie der Mitwirkungsrechte derMandanten dar.

    Bei ausverkauftem Stadion (33.000 ZuschauerInnen) im Spiel Fortuna Dsseldorfgegen den 1. FC Kaiserslautern wurde diese Transparentaktion durchgefhrt.

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    seite 3 schwerpunkt inland international dossier gefangene feuilleton kurzmeldungen

    Nach dem mndlichen Urteil des 1. Strafse-

    nats des Berliner Kammergerichts (vergleich-bar mit den Oberlandesgerichten in anderenBundeslndern) vom 16. Oktober 2009 gingdie Hundert Seiten starke schriftliche Ur-teilsbegrndung Ende Februar 2010 bei denehemals Angeklagten Axel H., Florian L. undOliver R. ein.Den Dreien wurde aufgrund von Ermitt-lungsergebnissen der Bundesanwaltschaft(BAW) in der Klageerhebung ein versuchterBrandanschlag auf drei Bundeswehr-LKWsim Sommer 2007 in Brandenburg/Havel zumVorwurf gemacht, den sie als Mitglieder in derkriminellen Vereinigung ( 129 StGB) mili-tanten gruppe (mg) verbt haben sollen. Die

    mg bekannte sich in der Zeit ihres Bestehens(2001 bis 2009) zu etwa 25 Brandanschl-gen in der Regel auf staatliche und privat-wirtschaftliche Einrichtungen. Der Prozessgegen die drei antimilitaristischen Linken zogsich ber 60 Verhandlungstage und fast 13Monate hin. Durch diesen Staatsschutzpro-zess sollte ein Kapitel der militanten Linkenin der BRD juristisch abgeurteilt und erledigtwerden.In dem schriftlichen Kammergerichtsurteilwird nach dem Ausbreiten der persnlichenVerhltnisse der ehemaligen Angeklagtenein Prol der mg entworfen: Das Endziel desZusammenschlusses war darauf gerichtet, im

    Wege einer Dialektik aus einem sozialrevo-lutionren und antiimperialistischen Kampfdie gegenwrtigen politischen, verfassungs-rechtlichen und wirtschaftlichen Verhltnissezu beseitigen und eine kommunistischeWeltgesellschaft als klassenlose, ausbeutu-

    gns- und unterdrckungsfreie Gesellschafts-

    form zu schaffen. In dem Schriftstck des1. Strafsenats werden des weiteren nebender Indizienkette zum Hergang des ver-suchten Brandanschlags in Brandenburg/H.alle Brandanschlge aufgelistet, die der mgzugeschrieben werden, um die Brandgefhr-lichkeit dieser Gruppe darzulegen.Das als authentisch angesehene Interviewmit der mg, das im Juli 2009 in der konspirativhergestellten und vertriebenen Zeitschrift ra-dikal Nr. 161 erschien, wird dagegen durchdas Kammergericht mit keinerlei Beweiswertbedacht.Das verwundert wenig, denn dies htte be-deutet, dass das Anklagekonstrukt in sich

    zusammengefallen wre. Die mg erklrtdarin nmlich ausdrcklich, dass weder diedrei ehemals Angeklagten Mitglieder der mgseien bzw. gewesen waren, noch, dass dasbei Florian L. gefundene Mini-Handbuchfr Militante aus der Schreibstube der mgstamme. Darber hinaus hatte sich die mg zudrei weiteren Brandanschlgen bekannt, umzum einen ihre Aktionsfhigkeit zu unterstrei-chen und zum anderen ihre Ausung sowieihren Transformationsprozess mitzuteilen.So kam es, wie es im Drehbuch bei Staats-schutzprozessen vorgesehen ist: eine Ver-urteilung nach einem Vereinigungsdelikt, indem Falle nach 129 (Mitgliedschaft in einer

    kriminellen Vereinigung). Und im Abschnittder Strafzumessung heit es: Bei demAngeklagten L. el strafmildernd seine krank-heitsbedingte besondere Haftempndlichkeitins Gewicht. Nach Abwgung aller fr undgegen die Angeklagten sprechenden Straf-

    zumessungsgesichtspunkte hat der Senat aufFreiheitsstrafen von drei Jahren und sechsMonaten fr die Angeklagten H. und R. so-wie drei Jahren fr den Angeklagten Ludwigerkannt. Diese Strafen sind schuldangemes-sen und ausreichend, aber auch erforderlich,um den Angeklagten das begangene Unrechteindrcklich vor Augen zu fhren und sie vonweiteren Taten abzuhalten.Das Berliner Einstellungsbndnis, das dieBetroffenen der einzelnen mg-Verfahren bereinen langen Zeitraum bis zum heutigen Tagesolidarisch begleitet hat, kommentiert dasschriftliche Urteil wie folgt: Die Begrndung,warum die militante gruppe berhaupt einekriminelle Vereinigung nach 129 sein soll,ist auch in der schriftlichen Urteilsbegrndunguert dnn. Dass die militante gruppe indem fr das Urteil relevanten Zeitraum (2005- 2007) dauerhaft aus mindestens drei Mitglie-dern bestand, ist nicht schlssig belegt. Dasaber ist die Voraussetzung fr die Anwendungdes Paragraphen 129. Das schriftliche Urteilweisst starke Parallelen zu den Pldoyers der

    Bundesanwaltschaft (BAW) auf. Die BAW hatmit ihren Pldoyers also gute Vorarbeit fr dieRichter geliefert. Dem BKA-Beamten OliverDamm, der das Gericht belogen hat, weil erdie Beteiligung des BKA an der Militanzde-batte verschweigen wollte, wird in der Urteils-begrndung sogar bescheinigt, glaubhaft zusein. Bei der schriftlichen Fassung hat sichdas Gericht nicht viel Mhe gegeben, wassich vor allem daran zeigt, dass in dem Ab-schnitt Feststellung zum Tatgeschehen As-pekte der Beweiswrdigung und im AbschnittBeweiswrdigung Aspekte der Darstellungdes Sachverhalts nden.Die AnwltInnen der drei Linken haben gegen

    dieses schriftliche Kammergerichtsurteil frist-gerecht einen Revisionsantrag eingebracht,der nun in Karlsruhe beim Bundesgerichtshofliegt und erfahrungsgem in den kommen-den Monaten als unbegrndet abgelehntwird. Danach wird den drei Kriminellen derTermin fr den baldigen Haftantritt zugestellt.

    Post von der Bundeswehr

    Auch die Bundeswehr verfolgt die Absicht,auf der Woge der aus Staatsschutzsicht er-folgreichen Verurteilung nach 129 StGBungeniert mitzuschwimmen. Bereits vor demeingegangenen schriftlichen Urteil des Kam-

    mergerichts schrieb die Wehrbereichsver-waltung Ost mit Sitz im brandenburgischenStrausberg jeweils den drei vermeintlichenbrandstiftenden mg-Mitgliedern:Sehr geehrter Herr X, nach den mir vorlie-genden Unterlagen haben Sie am 26.02.2003in 15345 Petershagen-Eggersdorf; Am Fuchs-bau 1 vor dem Mercedes-Autohaus Weilba-cher gemeinschaftlich handelnd mit XY undXZ einen Brandanschlag auf zwei Lastkraft-wagen der Bundeswehr mit den amtlichenKennzeichen Y-314 296 und Y-904 640 ver-bt. Beide Lastkraftwagen wurden bei diesemBrandanschlag zerstrt. Der BundesrepublikDeutschland ist dabei ein Schaden in Hhe

    von 47.231,62 Euro entstanden.Allerdings wurde keiner von den Dreien we-gen des zitierten Brandanschlags weder an-geklagt noch verurteilt! (red.)

    Revision im MG-ProzessWeitere Infos: www.einstellung.so36.net

    Foto aus Hannover

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    Pforzheim: Am 11. Mrz2010 fand vor dem Verwal-tungsgericht Karlsruhe eineVerhandlung zu den Pfor-zheimer Demogebhrenstatt. Geklagt hatten die An-melder einer Demonstration

    und einer Kundgebung am23. Februar 2008, die neben

    den Demogebhren der Stadt Pforzheimauch noch eine Widerspruchsgebhr zahlensollten. Hintergrund ist, dass fr die Anmel-dung von Kundgebungen/Demonstrationen inPforzheim Gebhren erhoben werden. (red.)

    Darmstadt: Am 30. Mrz2010 kam es in mindestensvier Wohnungen zu Haus-durchsuchungen.Hintergrund ist laut Polizeieine Auseinandersetzungim Rahmen eines Fu-

    ballspiels. Die Vorwrfebelaufen sich auf Land-

    und Hausfriedensbruch, sowie gefhrlicheKrperverletzung. Drei der Beschuldigtenwurden vorlug festgenommen und einerED-Behandlung unterzogen. Keiner der Be-schuldigten hat sich zu den Vorwrfen geu-ert. (red.)

    Duisburg: Bei den Gegen-aktivitten gegen die ras-sistischen OrganisationenPro NRW und NPD am 27.und 28. Mrz 2010 kam eszu zahlreichen gewaltttigen

    bergriffen der Polizei, so-wie zu ca 150 Festnahmen.Die Polizei schlug mehrmals

    unerwartet mit Schlagstcken in die Mengeder GegendemonstrantInnen und versprhtegrochig Pfefferspray. Zudem provoziertesie mehrere Auseinandersetzung. Bei denbergriffen, von denen insbesondere jn-gere AntifaschistInnen betroffen waren, kames zu mindestens zwei schweren Kopfver-letzungen. Die Rote Hilfe OG Duisburg undder Ermittlungsausschuss suchen nun nachZeugInnen, Betroffenen, Gedchtnisprotokol-len, Fotos und Videoaufnahmen der Polizei-bergriffe. (red.)

    Essen: In Deutschlandsollen in Zukunft verstrktDrohnen eingesetzt wer-den, um nach Personen zufahnden und Groveranstal-tungen, wie z.B. Demonstra-tionen zu berwachen. DieDrohnen sind 30-40cm ground knnen aus mehreren

    hundert Metern Hhe Gesichter konturen-scharf aufzeichnen. Der Innenminister ausNRW besttigte den Einsatz solcher Droh-nen, sagte aber, dass sich der Einsatz auf

    Spezialaufgaben beschrnke. Sie seien soefzient wie Grohubschrauber, nur billiger,unaufflliger und leiser. Einige Systeme seienfr GSG 9 Belange tauglich, welche fr densog. Anti-Terror-Kampf trainiert werde. (red.)

    Kurzmeldungen bundesweit

    Nach dem Tode des Diktators Franco 1975bemhte sich insbesondere die deutscheSozialdemokratie durch die Frderung dersozialistischen PSOE unter Filipe Gonzlezum Stabilitt in Spanien und einen reibungs-losen bergang zum Parlamentarismus undzur Monarchie. Gonzales war ein Zgling vonWilly Brandt und die PSOE war im Wider-stand gegen Franco eher marginal.

    In spanischen Regierungskreisen war manvom konsequenten und rcksichtslosenKampf der westdeutschen Regierung gegendie RAF und andere bewaffnete Gruppenrecht angetan. Spezielle Strafrechtsnde-rungsgesetze, Hochsicherheitsgefngnisse,

    die Ausweitung von Polizeibefugnissenschienen den Erben Francos geeignete Mit-tel, mit den Terroristen im eigenen Landfertig zu werden. Die unnachgiebige Haltungder Bundesregierung nach der EntfhrungHanns Martin Schleyer`s, die seinen Todaus Grnden der Staatsraison in Kauf nahm,beeindruckte die spanische Polizei und dieGeheimdienste so, dass man noch im De-zember 1977 um deutsche Berater in SachenTerrorbekmpfung nachsuchte.

    Mitte 1978 schickte die Bundesregierung denSozialdemokraten und Chef des HamburgerLandesamtes fr Verfassungsschutz, Dr.

    Hans Josef Horchem, nach Madrid, um dieSicherheitsbehrden bei ihrer Reorganisa-tion im demokratischen Rahmen und beiberlegungen, die spanischen Gesetze zurBekmpfung des Terrorismus dem deutschenSystem anzupassen, zu beraten, wie es derdamalige Bundesnanzminister Matthferausdrckte.

    Die Widerstandsbekmpfung wurde mit demPlan ZEN (Spezielle Zone im Norden), dermit Modikationen bis heute noch gilt, umge-setzt. ZEN wurde kurz nach der Regierungs-bernahme der PSOE durch eine fnfkpgeinternationale Kommission ber die Gewalt

    im Baskenland entwickelt. Daran beteiligtsollen Mitarbeiter des britischen MI5, des is-raelischen Mossad und auch der ehemaligeHamburger Verfassungsschutzprsident Dr.Hans Josef Horchem gewesen sein. Der soll,neben seiner ofziellen Aufgabe, die bas-kische Polizei (Ertzaintza) mit aufzubauen,auch gleich einen Geheimdienst fr die Bas-kische Nationalistische Partei (PNV) mit auf-gebaut haben. In seinem Buch Tondar hatRalf Streck einiges zum Plan ZEN geschrie-ben. So wurde eine Art Gesamt-ETA kon-struiert. Die Formulierung Umfeld der ETAwird nun ersetzt und die Organisationen alsTeile der ETA umdeniert. Dieses Konstrukt

    lehnt sich an dem Konzept an, dass wie dieGefngnispolitik nach der Diktatur ebenfallsin Deutschland abgekupfert oder sogar vondort exportiert wurde. Mitte der 80er bis An-fang der 90er Jahre wurde in Deutschlanddas Konstrukt einer Gesamt-RAF in die Welt

    gesetzt. Ein Ziel war es, die Untersttzungder Forderung nach Zusammenlegung derpolitischen Gefangenen ber den Vorwurfder angeblichen Untersttzung einer terro-ristischen Vereinigung zu kriminalisieren.hnlich luft das auch im Baskenland ab,allerdings trifft die Strategie hier nicht einigehundert Personen, sondern ein ganzes sozi-ales Geecht, dass angeblich von der ETAgesteuert sein soll.

    Auslieferungen werden erleichtert

    Am 5.6.1996 wurde der Katalane BenjaminRamos Vega um 13.05 Uhr ber den Flug-hafen Berlin-Tegel mit einer Iberia-Linienma-

    schine an den spanischen Staat ausgeliefert.Die Behrden haben, vorbei an der ffent-lichkeit wie auch an der Verteidigung, mit ei-ner Blitzaktion in aller Stille die Auslieferungdurchgezogen. Benjamin Ramos Vega, derin Spanien der Untersttzung des ComandoBarcelona der baskischen Organisation ETAangeklagt werden sollte, war seit seiner Fest-nahme Ende Januar 1995 sechzehn Monatein Berlin-Moabit in Isolationshaft.

    Die Auslieferung kommt nicht von ungefhr:im Jahr 1995 haben auf EU-Ebene mehre-re hochrangige und teilweise von Spanieninitiierte Treffen zur besseren Koordinierung

    der europischen Terrorismusbekmpfungstattgefunden.

    Aber auch die BRD setzte die EU-Manah-men um: das Berliner Kammergericht hattenach einer langwierigen juristischen Ausei-nandersetzung die Auslieferung schlielichEnde 1995 fr rechtlich zulssig erklrt.Zu dieser sorgfltigen Vorbereitung gehrteauch, dass der damalige Bundesjustizmini-ster Schmidt-Jorzig mit einem Brief an denPetitionsausschuss des Bundestages ver-hinderte, dass der Fall dort behandelt wird.Ignoriert wurde auerdem das laufende Asyl-verfahren. Noch am 3.6.95, zwei Tage vor

    der Auslieferung, war Vegas` Antrag auf po-litisches Asyl vor dem Berliner Verwaltungs-gericht verhandelt worden, was sich laut Ver-waltungsrichter noch ein halbes Jahr httehinziehen knnen.

    Inzwischen werden regelmig baskischeund auch spanische AktivistInnen, die we-gen der Folter und drohenden Verhaftung ineuropische Lnder chten, nach Spanienausgeliefert. (red.)

    Quellen:-ak 392: Benjamin Ramos Vega an Spanienausgeliefert!

    -ak 404: Deutsche Einmischung der beson-deren Art-Tondar - Geschichte und Widerstand poli-tischer Gefangener / Trkei, Kurdistan, Bas-kenland, Iran - Folter, Repression, Wider-stand, Isolationshaft von Ralf Streck

    Einige fragmentarische Fakten zur deutschen Beteiligung an der Bekmpfung des bas-kischen und spanischen Widerstandes, die angesichts der aktuellen Entwicklungeneinen tieferen Einblick in die Zusammenarbeit dieser beiden Staaten zulassen sollen.

    Kollaboration BRD - Spanien

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    Elf lange Monate bangten Familienangeh-rige, FreundInnen und Teile der baskischenBevlkerung um den Verbleib des Aktivisten

    und ehemaligen politischen Gefangenen JonAnza.Dieser hatte am 18. April des vergangenenJahres den Zug in Baiona (frz. Bayonne) be-stiegen, um sich auf den Weg nach Toulou-se zu machen, wo er nie ankam. Mitte Mai2009 stellte die Familie eine Vermisstenan-zeige und Euskadi Ta Askatasuna (ETA) er-klrte am 19. Mai 2009 ffentlich, dass Anzanicht zu einem verabredeten Treffen mit derOrganisation erschienen war, wofr sie diespanische und franzsische Regierung ver-antwortlich machte.Diese Anschuldigung, die der spanische In-nenminister Alfredo Prez Rubalcaba als

    Lge der ETA zurckwies, wurde von derbaskischen Unabhngigkeitsbewegung undder Organisation Pro Amnista auf einerPressekonferenz am 22. Mai 2009 bekrftigt.Die AktivistInnen uerten, dass die glaub-hafteste Hypothese eine Entfhrung durchstaatliche Stellen sei.Am 12. Mrz diesen Jahres fand das sorgen-volle Warten nun ein schmerzliches Ende:Wie die Polizei besttigte, konnte ein bisdahin unbekannter Toter, der seit Mai 2009im Leichenschauhaus von Toulouse gelegenhatte, identiziert werden: es handelt sich umdie Leiche Jon Anzas.Den ffentlichen Informationen zufolge, wur-

    de dieser am 29. April 2009 von der Polizeibewusstlos in einem Park in Toulouse aufge-funden und in ein Krankenhaus eingeliefert.Ohne wieder zu Bewusstsein gekommen zusein, verstarb er dort am 11. Mai. Der Ver-such der Identikation schlug angeblich fehl,

    da bei dem Toten keine Ausweispapiere ge-funden werden konnten.Die versptete Feststellung der Identitt Jon

    Anzas soll nun durch ein Gesprch zwischeneinem Mitarbeiter des Leichenschauhausesund einem befreundeten Polizisten gelun-gen sein, im Laufe dessen der Beamte voneinem unbekannten Toten erfuhren habe.Unter dessen persnlichen Sachen befandsich vorgeblich neben 500 Euro auch eineBahnfahrkarte fr die Hin- und Rckfahrt vonBaiona nach Toulouse fr den 20. April, wasdie Identizierung ermglicht habe.Eine erste Autopsie am 15. Mrz ergab, dassAnza an Herzversagen gestorben sei.Mehrere mysterise Tatsachen sowie die Re-aktionen seitens der Regierungen und derPolizei lassen starke Zweifel an der ofziellen

    Version des Todes Jon Anzas aufkommen.Zunchst einmal bleibt die Frage ungeklrt,warum das fr unbekannte Tote festgeschrie-bene Verfahren im Fall eines gesuchten Ter-rorverdchtigen gleich auf mehreren Ebenennicht zur Anwendung kam.Auerdem widerspricht es dem blichen Vor-gehen, dass bei der ersten Untersuchungdes Leichnams kein Vertrauensarzt anwe-send sein durfte, weshalb die Familie die For-derung nach einer zweiten Autopsie stellte,ber die der zustndige Untersuchungsrich-ter noch entscheiden muss.Die Tatsache, dass das Krankenhaus am15. Mrz mitteilte, dass es die Polizei schon

    am 30. April sowie am 4. und 7. Mai ber dieEinlieferung eines Bewusstlosen ungeklrterIdentitt informiert hatte, bringt widersprch-liche Aussagen der Staatsanwltin Anne Ka-yanakis ans Licht. Diese hatte bisher geu-ert, dass das Krankenhaus am 4. Juni 2009

    die polizeiliche Anfrage nach einem Mann mitAnzas Beschreibung negativ beantwortet ht-te.Auch die Aussagen des Innenminister Spani-ens Alfredo Prez Rubalcaba geraten durchdie von der spanischen Zeitung El Mundoam 15. Mrz verffentlichten Informationenins Wanken. Rubalcaba behauptet, dassAnzas ETA-Mitgliedschaft der Polizei erst imJahr 2009 bekannt geworden sei. Dies wider-spricht der von El Mundo besttigten Aussa-ge der ETA, dass schon im Jahr 2008 Fin-gerabdrcke Jon Anzas, der zwischen 1982und 2002 wegen Zugehrigkeit zur ETA imGefngnis gesessen hatte, in einem ausge-hobenen Erdversteck im Sden Frankreichssichergestellt worden. Zudem berichtet dieZeitung, dass mehrere Geheimpolizisten am20. Mai einen Tag nach der Bekanntgabevon Anzas Mitgliedschaft und des Treffensin Toulouse seitens der ETA ein ToulouserHotel berstrzt verlassen htten, wobei zweiPistolen vergessen worden seien.All diese Umstnde bestrken die Familie

    Anzas und die baskische Unabhngigkeits-bewegung in ihrer Annahme, dass der Aktivistvon staatlichen Stellen entfhrt, gefoltert undermordet wurde.Diese Vermutungen wachsen im Baskenlandauf einem nhrstoffreichen historischen Bo-den:Das spurlose Verschwinden von Menschenist kein Einzelfall, sondern eine Strategie derRepression, die weder neu, noch auf das Bas-kenland beschrnkt ist. In den 80er Jahrenelen im Baskenland viele AktivistInnen denTodesschwadronen der GAL (Grupos Antiter-roristas de Liberacin, dt: AntiterroristischeBefreiungsgruppen) zum Opfer und auch in

    den Militrdiktaturen Argentiniens oder Chileswar das Verschwindenlassen von Menschenein Mittel zur Bekmpfung revolutionrer Krf-te.Nach dem Bekanntwerden von Jon Anzas Todwar in allen Gebieten des Baskenlandes eineWelle des Protestes angerollt.Am 14. Mrz trugen 8000 Menschen in derbaskischen Hafenstadt Donostia (span. SanSebastin) ihre Forderung nach Aufklrungdes Falls auf die Strae. Neben zahlreichengreren und kleineren Demonstrationen undKundgebungen im ganzen Baskenland gab esin einigen Universitten und Schulen Streiksund Sitzblockaden. Im Stadtviertel Santutxu

    von Bilbo (span. Bilbao) wurden brennendeBarrikaden errichtet, in Donostia kam es zueiner Straenblockade und das baskischeGefangenenkollektiv beteiligte sich mit Hun-gerstreiks an den Protesten. Fast alle dieserpolitischen Ausdrucksformen wurden von derbaskischen Polizei Ertzaintza mit scharfer Re-pression beantwortet: Es kam zu zahlreichenFestnahmen, gewaltvollen Durchsuchungenund Gummigeschosseinstzen.Fr den 18. April 2010 den Jahrestag desVerschwindens Jon Anzas ruft die Antire-pressionsorganisation Pro Amnista zur Gro-demonstration auf und bittet um internationaleAktionen der Solidaritt. (red.)

    Quellen/weitere Informationen:http://www.info-baskenland.de/http://www.gara.net/ (span./bask.)http://www.presos.org.es/ (span.)

    Gewissheit in der Ungewissheit:Der mysterise Tod Jon Anzas

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    Spanien: Amadeu Casellasist frei. Der anarchistischeGefangene Amadeu Casel-las wurde am 9. Mrz 2010nach ber 24 Jahren hinterGittern aus der Haft im Ge-fngnis Girona entlassen.

    Er wurde fr Bankberfl-le verurteilt, mit denen erStreiks und Aufstnde untersttzen wollte.Amadeu beteiligte sich in Haft an mehrerenAufstnden, untersttzte die kmpfendenGefangenen und trat 2008 und 2009 in langeHungerstreiks. Seine Freilassung resultierteaus der Neuberechnung der alten und neu-en Strafgesetze, wonach er acht Jahre zuvielerhalten hatte. Er wurde 6 sechs Jahre vorseinem geplanten Freilassungsdatum (2016)freigelassen. (red.)

    Spanien: Manuel Pinteowurde am 3. Mrz 2010

    nach beinahe 33 JahrenHaft aus dem Gefngnisentlassen. Manuel, mitt-lerweile 52 Jahre alt, saseitdem er 19 Jahre alt warim Gefngnis. Er wurde mitdem Vorwurf des Diebstahls

    und der mehrmaligen Flucht vor dem Gesetzzu dreimal 18 Jahren verurteilt, womit die ma-ximale Haftzeit von 30 Jahren nicht auf ihnzutraf. Manuel, der das Freisein noch nichtrichtig verarbeitet hat, war im Laufe seinerHaftzeit von vielen Menschen und Gruppenuntersttzt worden. Damit war er der amlngsten einsitzende spanische Gefangene.

    (red.)

    Spanien: Der revolutionreGefangene Juan CarlosMatas Arroyo wurde am 21.Mrz 2010 freigelassen. Deraus Madrid stammende 44

    jhrige Juan war am 26.November 2002 wegen Zu-gehrigkeit zu einer bewaff-neten Vereinigung verhaftet

    worden und kam 2006 nach Verbung der4-jhrigen Haftstrafe frei. Im August 2007wurde Juan allerdings wegen Mitgliedschaftin der Kommunistischen Partei Spaniens(wiederaufgebaut) PCE(r) erneut verhaftetund kam erst am 21. Mrz wieder frei. (red.)

    Irland: Mitte Mrz kames in Irland zu einer Wellevon Verhaftungen repu-blikanischer AktivistInnenund Aktivisten. Mit Durch-suchungen in zahlreichenStdten wurden ber 20 re-publikanische AktivistInnenmit dem Vorwurf verhaftet,

    Materialien und Informationen zu besitzen,die fr terroristische Aktivitten verwendet

    werden knnen. Dabei seien z.B. allein inder Stadt Armagh City an drei Tagen nahezudie Hlfte aller Wohnhuser durchsucht wor-den. Wenige Tage zuvor hatte der Justizmini-ster die Aufstockung der Gefngnisse ange-ordnet. (red.)

    Kurzmeldungen international

    Es ist keine Erholung der kapitalistischen Kri-se in Sicht. Sie verschrft sich im Gegenteilzunehmend. Im jhrlichen Elitetreffen desWEF (World Economic Forum) in Davos kam

    es exemplarisch zum Vorschein: Vorbei dieZeiten des Schocks ber die Finanzkrise, inder das Kapital wie die Staaten versuchten,aus der Not herauszunden und wenigstensstreckenweise gemeinsam Lsungsanstzezu entwickeln. Die dem Kapitalismus syste-mimmanente Logik der Konkurrenz sind dieWidersprche der sich bekmpfenden Kapi-talfraktionen wieder auf die Tagesordnunggekommen.Die daraus folgende politische und sozialeKrise und ihre Auswirkungen fr die Klassesind immer sprbarer. Entlassungen, Ver-schrfungen in der Bildungspolitik oder die all-gemeine Verschiebung des politischen Klimas

    nach rechts sind dazu nur einige Stichworte.Die Entwicklungen der prventiven Konter-revolution gehren mit in diese sich immerschrfer drehende Krisenspirale. SogenannteTerrorlisten, internationale Haftbefehle undGerichtsverfahren wie auch nachrichten-dienstliche und staatsschtzerische neue undinternational verknpfte Gesetze und Instru-mente gehren in dieses Szenarium.Selbstverstndlich macht diese Entwicklungauch vor den Toren der Knste nicht halt:verschrfte Haftbedingungen im allgemeinenund Isolationsfolter im speziellen oder erhhteLangzeitstrafen resp. ein berziehen bereitsabgesessener Haftstrafen sind Ausdruck da-von. Wer sich in all den harten Knastjahrennicht brechen lie, kommt vorerst nicht raus.Dies trifft in Frankreich die politischen Ge-fangenen von Action Directe, im spanischenStaat Gefangene aus GRAPO/PCE(r) oderder baskischen Bewegung. In Italien wirdein politischer gefangener Genosse der BRbereits im 28. Knastjahr noch zustzlich mit3 Jahren Tages-Isolation statt Freilassungbestraft. Zahlreiche weitere Bespiele knntenangefgt werden.Der Kapitalismus hat keine Fehler, er ist derFehler.Diese auf eine einfache Parole herunterge-brochene grundstzliche Kapitalismuskritik istfr viele Menschen der Dreh- und Angelpunktfr Widerstand und/oder organisierten revo-lutionren Klassen- und Befreiungskampf.Deren konsequente Umsetzung hat nicht we-nige hinter Gitter gebracht, und viele habensich, trotz harter Bedingungen, nicht von ihrenZielen und ihrer Identitt abbringen lassen.Die Furcht, ungebrochene Gefangene in der

    jetzigen durch die kapitalistische Krise zuge-spitzte Situation rauszulassen ist gro, undsomit werden die Repressionsorgane nichtmde, immer neue Argumente und Verord-nungen zu nden, um dies zu verhindern.Zurecht frchten sie sich, denn diese Ge-fangenen symbolisieren Kontinuitt und Per-spektive zugleich!Also kommen sie erst mal nicht raus, oderwerden, wie im spanischen Staat, nach neuenGesetzen wieder eingeknastet. Die Schwei-zer Justiz bringt es klar auf den Punkt, wennsie ihre Weigerung, die Freilassung von Mar-

    co Camenisch, des ungebrochenen revolutio-nren, anarchistischen Gefangenen, ins Augezu fassen, wie folgt begrndet: Camenischist nach wie vor ein Anarchist und glaubt, die

    Gesellschaft befnde sich im Kriege .... Die-se klaren Worte stehen fr eine internationalePraxis.Die Antwort von drinnen: Widerstand undOrganisierung Diese entwickelt sich seit ln-gerem weltweit. Die anarchistischen Gefange-nen, ob im spanischen Staat, in Deutschland,der Schweiz, Mexiko, Chile oder Griechen-land mobilisieren mit unzhligen, unterei-nander vernetzten Hungerstreiks. Ihre Ge-nossInnen draussen antworten mit militantenAktionen, die sich immer auf die Solidaritt mitden politischen Gefangenen wie auf die kon-krete Kmpfe der jeweiligen Lnder beziehenund damit eine politische Brcke zwischen

    drinnen und drauen real machen.Die kommunistischen Gefangenen der itali-enische PCp-m, die sich seit dem Tag ihrerVerhaftung im Februar 2007 politisch offensivverhielten und die Gerichtssle zum Parkettihrer Politik machten, haben sich im Januarim Kollektiv Aurora zusammen geschlos-sen. Mit diesem Schritt wollen sie als Gefan-gene ein Kampnstrument entwickeln, sich indie laufenden internationalen wie nationalenDebatten einmischen, Knastkmpfe wie auchdie revolutionre Klassenbewegung drauenuntersttzen.Das baskische Gefangenenkollektiv EPPK5,in dem alle ca. 750 Gefangenen organisiertsind, nimmt erstmals seit langer Zeit wiederlangandauernde Kampfmassnahmen auf. Mitdiesem Beschluss greifen sie die neue Stra-tegie ihrer Organisation draussen zur Mobili-sierung der Massen auf und klinken sich darinaktiv ein.Zu ihren Forderungen gehren: Amnestie al-ler politischen Gefangenen des spanischenund franzsischen Staates, ein Ende der Ver-folgung von politischen Gegner/innen durchdie Repression und natrlich ein freies undsozialistisches Baskenland.

    Unsere Antwort: Internationale Klassensoli-daritt aufbauen, vernetzen, verteidigen

    Diese Parole ist auch Programm! Wie anderswollen wir den international koordinierten An-griffen der Repression gegen die politischenGefangenen und den mit ihnen kmpfendenSolidarittsstrukturen entschlossen entge-gentreten? Wie anders knnen wir den ge-fangenen GenossInnen Sprachrohre fr ihrePolitik gewhrleisten? Wie anders den Raumffnen, in dem wir als Teil der internationalenBewegung gegen den Kapitalismus im allge-meinen und seinen Auswirkungen im spezi-ellen aktiv intervenieren?

    Internationale Klassensolidaritt ist eineWaffe - nutzen wir sie

    Wer laufend ber die Initiativen dieser Kollek-tive informiert werden mchte, schreibe diesan: [email protected]

    Organisierung und KampfmassnahmenIn den Knsten regt sich Widerstand

    Rote Hilfe International - www.rhi-sri.org

  • 8/6/2019 Gefangenen Info #354

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    12 gefangenen info april 2010

    seite 3 schwerpunkt inland international dossier gefangene feuilleton kurzmeldungen

    Nachdem es am 26.02.2010 in Italien undFrankreich zu massiven Repressionsschl-gen gegen kurdische Strukturen kam, beidenen in Italien 76 und in Frankreich 30 kur-dische AktivistInnen festgenommen wurden,holte die belgische Polizei am 4.03.2010 zueinem weiteren Schlag gegen die kurdischeFreiheitsbewegung aus. Hierbei wurden ineiner gro angelegten Aktion der Sitz desKurdistan-Nationalkongress, die Europaver-tretung der trkischen Parlamentspartei BDP(Partei fr Frieden und Demokratie) und dieStudios des kurdischen Satellitensenders

    ROJ TV sowie 20 andere Objekte gestrmt.Allein bei den Aktionen gegen ROJ TV wa-ren um die 300 Polizisten im Einsatz. Au-genzeugen berichten, dass auch trkischePolizisten beteiligt waren. Hierbei wurde derSendebetrieb unterbrochen, das Computer-netzwerk beschlagnahmt und Fahrzeuge undtechnisches Equipment des Senders zerstrt.Auch gegen die Mitarbeiter des Senders wur-de massiv Gewalt angewendet. Offensicht-lich sollte mit dieser Aktion wohl fr einenbleibenden Eindruck gesorgt werden, dennes wurden sogar die Kaffeemaschinen zer-strt. Es entstand ein Sachschaden von ca.1.200.000,- .

    In dieser Nacht wurden 30 Personen festge-nommen, darunter 8 kurdische Politiker, un-ter anderem der Vorsitzende des Volkskon-gresses Kurdistans (KONGRA GEL) RemziKartal, die Mitglieder des KNK (KurdischesNationalparlament) Zbeyir Aydar, AdemUzum und Faruk Duru.Die Sprecherin der belgischen Staatsanwalt-schaft Lieve Peilens uerte sich dazu: EinEinsatz im Kurdenmilieu im ganzen Landluft. Die Razzia erfolge im Rahmen desKampfes gegen den Terrorismus.Hierzu sei erwhnt, dass die trkische Re-gierung schon seit langem ein Verbot des inDnemark zugelassenen Senders fordert,

    dessen Nachrichten- und Kulturprogrammein trkischer und kurdischer Sprache tglichvon Millionen Menschen im Nahen Osten undin Europa gesehen werden. Ankara lsst ver-lauten, bei dem Sender, bei dem des fterenVertreter der kurdischen Freiheitsbewegung

    zu Wort kommen, handle es sich um einenPropagandasender der verbotenen Arbeiter-partei Kurdistans (PKK).Burhan Erdem, Mitarbeiter von ROJ TV be-richtet: Ich bereite gerade das Morgenpro-gramm im Studio vor. Pltzlich standen mirvermummte und bewaffnete Polizisten ge-genber. Sie richteten ihre Waffen auf michund sagten: `Hnde hoch`. Sie warfen michauf den Boden und legten mir Handschellenan. (...) Whrend wir auf dem Boden lagendurchsuchten sie alles ganz genau. Sie nah-men unsere Mobiltelefone und sahen unse-

    re Aufzeichnungen durch. Unter den Ver-mummten gab es auch einen, der trkischsprach. (...)Ein weiterer Augenzeuge berichtete, dassschlielich ein Durchsuchungsbefehl vor-gelegt wurde, auf dem der Vorwurf terrori-stischer Aktivitten vermerkt war. Nachdemdie Sendung unterbrochen worden war,wurden Fingerabdrcke gesichert und Such-hunde eingesetzt. Die anwesenden Mitarbei-ter wurden noch bis 14.00 Uhr festgehalten,mindestens 7 Personen wurden verletzt.Die Angestellten von ROJ TV reagierten aufdiesen Angriff mit einer 6-stndigen Blo-ckade, sie warfen ihre internationalen Pres-

    seausweise weg und versuchten in das Sen-degebude vorzudringen, dabei wurden sievon hunderten KurdInnen aus der Regionuntersttzt.40 Personen gelang es schlielich, nachkurzen Auseinandersetzungen die Polizei-absperrung zu durchdringen, auf der Straewurde lautstark die Freilassung der Festge-nommenen gefordert. Als die Masse der Pro-testierenden wuchs, setzte die Polizei massivTrnengas und Wasserwerfer gegen die De-monstranten ein. Dabei wurde eine grereZahl der Demonstranten verletzt.Das war nicht der erste Versuch, die Arbeitdes Senders in Europa zu torpedieren. Erst

    vor einer Woche hatte das deutsche Bundes-verwaltungsgericht in Leipzig ein im Sommer2008 vom Innenministerium verfgtes Verbotvon ROJ TV im Bereich der BundesrepublikDeutschland fr ungltig erklrt. Allerdingswaren die Leipziger Richter durchaus der

    Meinung, der ROJ TV sei ein PKK-Propa-gandasender, es gab nur Zweifel, ob nachEU-Recht ein in Dnemark lizenzierter Sen-der in der BRD verboten werden knnte.Der Fall wurde zur Klrung an den Europ-ischen Gerichtshof verwiesen.Die Mitarbeiter von ROJ TV in einer Stellung-nahme: Die Razzien auf die ROJ-TV-Studiosin Denderleew, sind Razzien auf die Presse-freiheit.Es sind Razzien auf die Sendungen in dereigenen Sprache jener ethnischen und religi-sen Gruppen, die in Kurdistan bzw. mit denKurden leben.Die belgischen Behrden haben mit falschenInformationen, die von trkischen Behrdengegeben wurden, auch im Jahre 1996 an demgleichen Ort auf die MED-TV-Studios Razziendurchgefhrt. Doch waren die Behauptungennicht richtig und MED TV wurde freigespro-chen.Jetzt mchte mit der gleichen Mentalitt dergleiche Weg nochmals gegangen werden.Das kurdische Volk, die kurdischen Instituti-

    onen, die kurdischen Journalisten, Schriftstel-ler und Politiker sollen zu Opfern in dreckigenSpielen gemacht werden.Diese Razzien auf das kurdische Fernsehen,das wegen dem groen Druck des trkischen,iranischen und syrischen Staats ihr Programmim Ausland ausstrahlen muss, sind Unterstt-zungen der Reaktion, des Rassismus und desKrieges.Auch der Bundesvorsitzende der Roten Hilfee.V. uerte sich in einer Presseerklrung:Die Aktionen der Repressionsorgane in Bel-gien zeigen wieder einmal deutlich die engeVernetzung und Zusammenarbeit zwischenden einzelnen Staatsschutzabteilungen unter

    dem Deckmantel des so genannten Kampfesgegen den internationalen Terrorismus.Weiter fhrte er aus: Gerade auch die Zu-sammenarbeit mit dem Repressionsapparateines Staates wie der Trkei, in der linke undkurdische Aktivistinnen und Aktivisten in al-len mglichen Formen gefoltert werden, istschlichtweg skandals, zeigt aber, dass esden Organen durchaus vllig egal ist, mit wel-chen Methoden vorgegangen wird, solangeder Feind damit bekmpft wird. Und der stehthier wie fast immer links.Hintergrnde zu den immer wiederkehrendenRepressionsschlgen gegen Kurden in Eur-opa sind, wie die Tageszeitung junge Welt

    berichtet, Absprachen zwischen Vertreternder Trkei, des Irak und der USA, die unterMitwirkung europischer Regierungen eineAnti-PKK-Koordination beschlossen, mitdem Ziel, vor dem Abzug amerkanischerTruppen das Strungspotential der PKK zubeseitigen.Mehr Stabilitt in der Region soll sich wirt-schaftlich lohnen, beispielsweise fr Pipelinesund andere Investitionen.Auch in der BRD wurde vom Versuch ROJ-TVzu verbieten, abgesehen, schon frher wurdeversucht, die kurdische Freiheitsbewegungzu behindern, immerhin werden seit Jahrenimmer wieder kurdische Aktivisten unter dem

    Tatvorwurf der ruberischen Erpressung ein-geknastet, wie zuletzt unser Freund und Ge-nosse Gkhan, der nun seit dem 11.12.09 imStammheimer Knast in U-Haft sitzt. (red.)

    Repressionswelle gegen

    KurdInnen in Europa

  • 8/6/2019 Gefangenen Info #354

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    Frankreich: Im Rahmeneiner Antiknast Demo EndeMrz an der ber 200 Per-sonen teilnahmen, wurden110 Personen festgenom-men. Whrend der Demowurden eine Notrakete

    entzndet, die ein Fenstereines Appartements zuBruch gehen liess. Gleichzeitig zogen einigeTeilnehmerInnen der Demo Schutzberzgean. In Folge dessen wurden die 110 Per-sonen festgenommen. Mehrere Personenwurden ber mehrere Tage festgesetzt. (red.)

    Luxemburg: Jose MariaSison, Mitbegrnder derKommunistischen Partei derPhilipinnen (CPP) und seit1987 im niederlndischenExil, wird von der EU-Terror-liste gestrichen. Sison hatte

    gegen seine Auistung aufder Liste geklagt und hat in

    erster Instanz vor dem Gericht der EU Rechtbekommen. Der Europische Rat hat ent-schieden, keine Berufung gegen dieses Urteileinzulegen, womit Jose Maria Sison nun vonder Liste gestrichen wird. (red.)

    Neuseeland: In Wellingtonwurden drei Antikriegsakti-visten freigesprochen. Diedrei sind im April 2008 aufdas Gelnde einer milit-rischen Spionage-Anlagedes weltweiten Echelon-

    Netzwerks, welche vomNeuseelndischen Geheim-

    dienst GCSB zum Abfangen von Kommu-nikationsdaten benutzt wird und der USAuntersteht, auf der Sdinsel Neuseelandseingedrungen und hatten eine Kunststoffhl-le, in der sich Satellitenantennen befanden,mit Hilfe von Sicheln beschdigt. Danachwarteten sie auf das Eintreffen der Polizei.(red.)

    Indien: Ein Kommandantder maoistischen Guerillawurde am 02. Mrz 2010von der Polizei Westben-galens festgenommen.Venkateshwar Reddy, derunter dem Namen TeluguDeepak agierte, wird fr denAngriff der Guerilla auf ein

    Sttzpunkt der Polizei im Februar 2010 ver-antwortlich gemacht, bei dem 25 Polizistenstarben. Der Angriff war der erste Angriff dersich direkt in der Hauptstadt Westbengalensereignete, was die Sicherheitskrfte in Panikversetzte. Als Teil der Konterguerilla-Strategiehaben Ende Mrz die indischen Sicherheits-krfte Operationen in acht Distrikten gegendie maoistische Guerilla (CPI (M)) durchge-

    fhrt. Es wurden dabei mehrere Lager derGuerilla zerstrt, sowie Waffen und Munitiongefunden. Bei Kontrollen wurden drei Gueril-leros festgenommen. Diese Operationen fan-den im Rahmen der Operation Green Huntstatt. (red.)

    april 2010 gefangenen info 13

    seite 3 schwerpunkt inland international dossier gefangene feuilleton kurzmeldungen

    Kurzmeldungen international

    Trkei: Der 34 jhrige Metin Alatas, Mitarbei-ter der in Adana erscheinenden kurdischenZeitung Azadiya Welat (Freies Land), istam 04. April 2010 an einem Orangenbaum

    erhngt gefunden worden. Seine Familie be-zweifelt einen Selbstmord.

    Die Umstnde deuten auf Mord hin

    Metin Alatas kehrte am 03. April nach Aus-tragen der Zeitung nicht mehr nach Hausezurck. Bereits Tage zuvor habe er Familieund FreundInnen mitgeteilt, dass er verfolgtwerde. Aussagen seiner Freunde bezg-lich eines Angriffs am 22. Dezember 2009

    vor dem Parteigebude der BDP (Partei frFrieden und Demokratie) werfen hierbei diemeisten Fragen auf. Nach diesem Angriff,bei dem Metin Alatas whrend des Verteilensder Zeitung von Personen aus einem PKWheraus krperlich angegriffen worden sei,habe Alatas Anzeige erstattet. Hierbei habedie ermittelnde Behrde allerdings bis heutenicht einmal den Fahrzeughalter des PKWsmit dem Kennzeichen 01 SD 443, aus dem

    Angreifer ausgestiegen waren, ermittelt.Weitere Fragen werfen das Fehlen seinesAusweises und die Nicht-Benachrichtigungder Familie und deren Anwlte auf. In An-gesicht der massiven Repression gegen dieAzadiya Welat seien die MitarbeiterInnen derZeitung immer mit ihren Ausweisen unter-wegs gewesen. Seine Leiche konnte am 04.April nach Aufnden des Leichnams wegendes fehlenden Ausweises nur anhand derFingerabdrcke indentiziert werden. Obwohles die bliche Prozedur ist, die Angehrigenund Anwlte zu verstndigen und erst nachderen Eintreffen die Leiche vom Tatort weg-zubringen, sei in diesem Fall niemand be-

    nachrichtigt worden.Die Repression gegen die kurdische Pressehat in den letzten 21 Jahren ber 40 Mitar-beiterInnen kurdischer Zeitungen das Lebengekostet. Verschiedene demokratische undrevolutionre Organisationen, allen voran dieBDP, rufen unter der Parole Die freie Pressekann nicht zum Schweigen gebracht werdenmit ihren landesweit laufenden Aktionen zurAufklrung seines Falles und zur Beantwor-tung der offenen Fragen auf. (red.)

    Trkei: Die Kampagne fr die Freilassung derkranken Gefangenen, die im Zuge der Pro-teste fr die Freiheit der krebskranken GlerZere entfachte, setzt sich weiterhin fort.Mit landesweiten Aufrufen und Aktionen for-dern verschiedene Menschenrechts- und de-mokratische Massenorganisationen die Frei-lassung der kranken Gefangenen. Im Laufedieser Kampagne, die sich momentan aufden gefangenen revolutionren Dichter mitIlter konzentriert, kam es am 10. April 2010

    erneut zu einem Todesfall.

    mit Ilters Behandlung wird unterbunden

    mit Ilter ist ein revolutionrer Gefangener,der sich seit 19 Jahren in Haft bendet. Er

    ist gleichzeitig ein Schriftsteller, der seine

    gesamten Bcher im Gefngnis verfasst hat.Die Krankheitssymptome, die sich bei Ilterzeigen, lassen Krebs oder Tuberkulose nichtmehr ausschlieen. Allerdings wird seine me-dizinische Behandlung verschleppt, indemer von einem zum nchsten Krankenhausgebracht wird, ohne dass er entweder ber-haupt behandelt wird oder die Behandlungnicht mglich ist, da die ntigen Diagnosenfehlen. Das Rechtsbro des Volkes (HHB) er-klrte, dass ihrem Mandanten das Recht aufBehandlung genommen werde.Wegen Unterbindung medizinischer Behand-lungen sind 62 politische Gefangene, darun-ter Mustafa Eli, Gurbet Mete, Hasan Kert,

    Beir zer, Recep elik und smet Ablak,gesorben. Weitere 42 kranke politische Ge-fangene benden sich in F-Typ Gefngnissenin Isolationshaft. Ohne medizinische Behand-lung benden sie sich in Lebensgefahr.

    Weiterer Todesfall: Mehmet Kilinc

    Der 36 jhrige politische Gefangene MehmetKilinc, welcher am 03. April 2010 wegen einesangeblichen Selbsmordversuchs im KiriklarF-Typ Gefngnis Nr. 2 von Buca/Izmir in dieNotfallaufnahme des Atatrk Bildungs- undForschungskrankenhauses verlegt wordenwar, erlag am 10. April seinen Verletzungen.

    Die Soldaten, die ihn in das Krankenhaus ge-bracht hatten, hatten jedoch widersprchlicheAngaben zu seinen Verletzungen gemachtund uerungen wie er hat sich den Kopf ander Wand gestoen und er ist die Treppegestrzt von sich gegeben. (red.)

    Erhngt an einemOrangenbaum

    Kampagne fr diekranken Gefangenen

  • 8/6/2019 Gefangenen Info #354

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    14 gefangenen info april 2010

    seite 3 schwerpunkt inland international dossier gefangene feuilleton kurzmeldungen

    Der Gefangene Marco Camenisch sammelteund bersetzte Diskussionsbeitrge und Soli-Erklrungen, die von anarchistischen Gefan-genen und GenossInnen drauen whrenddes Hungerstreiks im vergangenen Winterverfasst wurden. Marco schrieb, dass wegender groen Menge an Beitrgen und auchsprachlicher Barrieren seine Dokumentationunvollstndig bleiben musste - doch hofft er,ber die vorgestellten Erklrungen einenberblick ber die Inhalte und Dynamik desHungerstreiks zu geben. Diese Dokumenta-tion schickten uns GenossInnen von Marcoan die Adresse des Gefangenen Infos dan-ke dafr! Wir dokumentieren in diesem Artikel

    einen kleinen Ausschnitt aus den Debattenzwischen Gefangenen und GenossInnendrauen. Die vollstndige Dokumentation istauf www.political-prisoners.net einsehbar.Die Initiative zum Hungerstreik kam vom an-archistischen Gefangenen Gabriel Pomboda Silva, der wegen verschiedenen Enteig-nungen verurteilt wurde und im harten Isola-tionshaftsystem FIES in Spanien eingesperrtwar. Whrend eines Hafturlaubs gelangGabriel die Flucht, doch an der deutschenGrenze wurde er nach einem Schusswechselerneut festgenommen und bendet sich jetztim Gefngnis in Aachen, whrend die spa-nischen Behrden seine Auslieferung erwar-

    ten. Mittelerweile bendet sich Gabriel mehrals 25 Jahre im Gefngnis, davon 20 Jahrein Isolation.

    Chile:Am Hungerstreik und Soliaktivitten teil-genommen hatten Gefangene und Genos-sInnen aus Deutschland, Spanien, Grie-chenland, Chile und Argentinien mit dem Zieldie Verbindungen mit anderen Revolution-rInnen im Knast zu strken, der im Kampfgefallenen GenossInnen zu gedenken undsich in einen aktiven Teil des Kampfes zu ver-wandeln, auch wenn der eigene Krper in derGefngnisarchitektur eingeschlossen ist. Bei

    diesem Hungerstreik gehe es nicht um For-derungen (), er bende sich nicht im Streitmit den inneren Bedingungen und auch nichtmit der Knastdisziplin. Dieser Hungerstreikformierte sich um Werte und die Notwendig-keit im Kampf aktiv Handelnde anstatt nurpassive Wesen zu sein, mit denen es sichzu solidarisieren gilt schrieben GenossInnender anarchistischen Antiknastzeitung PRE-SOS A LA KALLE (die Gefangenen raus aufdie Strae) aus Chile. Ziel des Hungerstreikswar es auch den (vor kurzem) im Knast ge-storbenen RevolutionrInnen zu gedenkenund internationale Verbindungen und Kom-munikationskanle herzustellen, damit diese

    nicht im Lauf der Zeit und unter den Schl-gen der Repression zum erliegen kommen.Die GenossInnen von PALAK fhrten weiteran, es sei nicht mglich nur auf afne oderausschlielich fordernde Mobilisierungen zusetzen, der Punkt ist, das mgliche Gleich-

    gewicht zwischen den beiden herzustellenzu wissen und wann der betreffende Aus-druck einzusetzen ist. In Chile bestandendie Aktionen von drauen aus Explosionen,Appellen, Wandbildern und der Verbreitungder Infos zum Hungerstreik sowie Demons-trationen am 23. und 29. Dezember vor demFrauengefngnis in Santiago, die mit Fest-nahmen und Folterungen (Schlge und Er-stickungsversuche auf den Polizeiwachen)beantwortet wurden. Gabriel Pombo da Silvareagierte in einem Brief auf den Artikel vonPALAK und schrieb, dass nicht von allen Ge-fangenen der Hungerstreik als Kampfmittelangesehen werde, politische als auch sozi-

    ale Gefangene in Deutschland (sehen) denHungerstreik nicht als Waffe des Kampfes,was mir unglaublich scheint, weil sie in deriberischen Halbinsel zum Arsenal aller Rebel-lInnen und RevolutionrInnen jeglicher Ten-denz gehrt. In Italien () wird der Hunger-streik nicht nur als keine strategische Waffebetrachtet sondern sogar als Selbstverstm-melung hart kritisiert (). Meine Kamp-ferfahrungen besttigen mir, dass Hunger-streiks, wenn kollektiv gefhrt, Bindungen derAfnitt und Bewusstseinsbildung herstellen,die ber theoretische Masturbation hinausge-hen. Wenn wir zusammen hungern sagenwir unseren Schlieern damit, dass wir auch

    in diesen Scheissumstnden, wo wir nur un-seren Krper und Ideen (das heisst Wrde)verfgen, unsere Liebe und Wut auszudr-cken imstande sind.

    Argentinien:Die anarchistischen GenossInnen der Bro-schre DIE RACHE DES PROMETHEUSaus Bueneos Aires, Argentinien griffen eben-falls die Initiative zum internationalen Hun-gerstreik auf: Wir wollen keine goldenen K-ge, wir wollen den Knast zerstren, aber umden Knast zu zerstren, mssen wir auch dasSystem der Knastgesellschaft vernichten...Es ist eine klare Aufforderung zum Kampf,

    zum revolutionren Kampf, wir fordern nichtmehr Essen, mehr Duschen und mehr Arbeit,wir wollen die ganze Scheisse zerstren...wir beginnen mit den wenigen, die wir sindund wnschen die anderen GenossInnenanzustecken (...). Der Aufruf im Andenkenan die im Knast gefallen oder vom Staat ge-tteten GenossInnen konnte den Straendirekte Praxis und Aktion auslsen. Wenndie Wut, die Liebe, die Wrde grer ist alsdie Sicherheiten des Alltags, () und wirbegreifen, dass die Tat der einzige Weg istum uns den Weg aus dem Gewirr zu bahnen,dann praktizieren wir schon jetzt das, was wirwnschen, nmlich eine Gemeinschaft von

    freien, solidarischen und antihierarchischenIndividuen. () Damit wollen wir zur Vorsichtaufrufen, aber nie zur Unttigkeit, aufrufenzur Schrfung unserer Projektualitt und Per-spektive um dem Feind so viele Schlge zuverpassen bis wir ihn niedergeworfen haben.

    () Es kommen sicher harte Zeiten auf unszu, vielleicht auch Zeiten der Denunzierungund des Verrats, aber es sind Zeiten, die eswert sind gelebt zu werden, was mehr ist alswas die Masse von Zombies behaupten kann,die den Schaufenstern der Lden der groenStdte entlang spazieren und unterwrg inihren Knsten eingesperrt sind... (Zitate ausDIE RACHE DES PROMETHEUS).

    Nachfolgend listen wir einige der ber 28 Akti-onen mit Bezug auf den internationalen Hun-gerstreik. Die vollstndige Chronologie undErklrungen sind in der Dokumentation vonMarco Camenisch online auf www.political-prisoners.net abrufbar:

    23.12.09 Santiago (Chile): Brandangriff aufFahrzeuge der Polizei24.12. Sevilla (Spanien): Brandanschlag aufdas chilenische Konsulat mit der Forderungnach Freiheit fr Freddy Fuentevilla und Mar-

    celo Villaroel.27.12. Buenos Aires (Argentinien): Angriff aufden Bundessitz der Gefngnisverwaltung27.12. Athen (Griechenland): Bombe gegendie Nationalbank und dem Sitz der Sozialver-sicherung30.12. Buenos Aires (Argentinien): Rauch-bomben an der chilenischen und deutschenBotschaft31.12. Santiago de Compostela (Spanien):Brandanschlag auf zwei Polizeiposten31.12. Mexiko: Brandanschlag auf Fahrzeugder Bundespolizei

    Zum internationalen Hungerstreikanarchistischer Gefangener vom20. Dezember 2009 bis 1. Januar 2010

    ber den Gefangenen Marco Camenisch:

    Marco Camenischwurde in den 70ernzum ko-Aktivistenund bald auch zummilitanten AKW-Gegner. 1979 ver-suchten Marco und einige Mitstreiter dieAnlagen der Atomlobby in der Schweiz zusabotieren, indem sie Sprengstoffanschlgeauf Hochspannungsmasten der NOK (Nord-ostschweizerische Kraftwerke) verbten. ImJanuar 1980 wurde er zusammen mit einem

    Mitstreiter verhaftet und zu 10 Jahren Haftverurteilt. Im Dezember 1981 oh Marco zu-sammen mit 5 Mitgefangenen aus der JVARegensdorf. In den folgenden 10 Jahren ge-hrte er zu den meistgesuchten Personen derSchweiz. Vom Staatsschutz und den Medienwurde er 1989 fr die Erschiessung einesGrenzpolizisten bei Brusio verantwortlich ge-macht. Im November 1991 wurde Marco inItalien verhaftet und beim Schusswechsel mitder Polizei schwer verletzt. 2002 wurde Mar-co an die Schweizer Behrden ausgeliefertund bendet sich seitdem in Hochsicherheits-gefngnissen und teilweise in Isolationshaft.Im Mrz 2007 gab es einen erneuten Prozess

    gegen Marco, da der Staatsanwalt Weder dieVerwahrung von Marco beantragt hat. Er istaber nicht durchgekommen und somit kannMarco frhestens 2011 und im schlimmstenFalle 2018 entlassen werden.

    Eine Zusammenfassung der Dokumente von Marco Camenisch

  • 8/6/2019 Gefangenen Info #354

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    april 2010 gefangenen info 15

    England: Der britischeSoldat Joe Glenton musswegen unerlaubter Abwe-senheit von der Truppe fr9 Monate ins Gefngnis.Er hatte sich geweigert zuseiner Einheit nach Afgha-

    nistan zurckzukehren undsich an Anti-Kriegsprotestenbeteiligt. Der Anklagepunkt der Desertation,der mit bis zu 10 Jahren Haft geahndet wird,wurde im Vorfeld fallengelassen, vermutlichum zu verhindern, dass der Prozess gre-re Aufmerksamkeit erregt. In einem Brief anden Premierminister Gordon Brown erklrteer, dass er whrend seines Aufenthaltes inAfghanistan erkannt habe, dass die Soldatenein Werkzeug der USA seien. (red.)

    Italien: In der Nacht zum30. Mrz 2010 kam es imIdentikations und Abschie-

    bezentrum CIE in Ponto Ga-leria bei Rom zum Aufstandder InsassInnen gegen dieLebensbedingungen, denensie ausgesetzt sind. Nach-dem die einem Migranten

    verweigert worden war, sich Schmerzmittelvon der Ambulanz zu holen, kam es zu Pro-blemen mit der Polizei, die mit Warnschssenin die Luft reagierte und eine Gruppe von 15MigrantInnen von den anderen separierte.In den letzten Monaten kommt es in den Ab-schiebezentren Italiens verstrkt zu Aufstn-den und Protesten. (red.)

    Peru: Ein Funktionr desLeuchtenden Pfades Ul-ser Pillpa Paitn, der auchCamrade Johnny genanntwird, wurde in der Stadt vonHuanta festgenommen. Ersoll der politische Verant-wortliche der Region Ayacu-cho gewesen sein. Weitere

    drei Personen sind mit ihm festgenommenworden. Wenige Tage zuvor wurden zweiFunktionre der Kommunistischen Partei Pe-rus festgenommen. (red.)

    Kolumbien: Sieben Gue-rilleros der ELN (Na