Gefangenen Info #357

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  • 8/6/2019 Gefangenen Info #357

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    gefangenen infounsere solidaritt gegen ihre repression

    aug./sept. 2010 nr. 357 preis brd: 2 preis ausland: 2,70 www.gefangenen.info

    Dsseldorf: Prozessdelegationbesucht den Dsseldorf 3-Prozess

    Berlin: Berufungsprozessgegen das Gefangenen Info

    Schweiz: 4 Gefangenebenden sich im Hungerstreik

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    Liebe Leserinnen und Leser,

    erst mit reichlich Versptung und auf den allerletzten Drcker erscheint nundie hinfllige August-September-Ausgabe. Wir mchten diese Versptung aufkeinen Fall rechtfertigen, doch haben uns parallel laufende Kampagnen (dieauf den nchsten Seiten dokumentiert sind) bei der Erstellung dieser Nummeretwas ausgebremst.

    Wir mchten das Vorwort natrlich wieder dazu nutzen, ber aktuellste Ent-

    wicklungen zu informieren und Mitteilungen loszuwerden. Dementsprechendmchten wir gleich auf die Repression gegen unsere Zeitung beginnen. bermehrere Ausgaben hinweg haben wir ber den Prozess gegen unseren pres-serechtlichen Verantwortlichen berichtet. Der Berufungsprozesstermin stehtmittlerweile fest und unser Aufruf diesbezglich ist auf der Seite 6 abge-druckt. Unserer Emprung hinsichtlich der Blockierung mehrer GIs in Stutt-gart-Stammheim haben wir auf Seite 7 Ausdruck verliehen. Wir fordern dieGefngnisleitung Stammheims dazu auf, ihre willkrlichen Manahmen zu un-terlassen und den Gefangenen ihre abonnierten Zeitungen auszuhndigen!

    Unseren eingesperrten AbonentInnen mchten wir folgende Mitteilungen zu-kommen lassen:1. Da uns mitgeteilt wurde, dass die Gefangenen Infos an weitere Gefangeneweitergegeben werden knnen, legen wir dem abonnierten Exemplar weitereExemplare bei.2. Dieser Gefangenen Info-Ausgabe ist diesmal die aktuelle Nummer der RHZ(Rote Hilfe Zeitung) als Probeabo beigelegt. Wenn euch diese zeitung gefllt,knnt ihr sie direkt bei der Roten Hilfe oder auch bei uns bestellen. Sie ist frGefangene gratis.3. Wir hatten anlsslich des Prozesses gegen unsere Zeitung einen Unterstt-zungsaufruf verfasst und in die Knste geschickt. Nun haben uns einige Gefan-gene Geld gespendet, was wir als eine uerst solidarische Handlung ansehenund sehr schtzen. Doch in Anbetracht der zumeist schlechten Situation indeutschen Knsten und der schwierigen Lage der Gefangenen, lsst es unserGewissen nicht zu, diese Spenden anzunehmen. Wir bedanken uns herzlichstdafr, doch erwarten wir aus den Knsten eine politische Solidaritt, keinefinanzielle.

    Eine weitere Mitteilung betrifft unsere Leserinnen und Leser, die sich an Dis-

    kussionen beteiligen wollen, welche in dieser Zeitung laufen:Da das Gefangenen Info wegen ihrer bescheidenen Seitenzahl von 20 und ihremsechswchentlichen Erscheinungsrythmus die Textauswahl sorgfltig treffenmuss, knnen nicht alle Texte und Leserbriefe in dieser Zeitung abgedrucktwerden. Von daher behalten wir uns mgliche Krzungen vor oder verffentli-chen sie ungekrzt auf der Homepage www.political-prisoners.net. Wir bittendafr um Verstndnis.

    Abschlieend mchten wir dazu aufrufen, die Betroffenen aus dem anste-henden Verena Becker-Prozess nicht alleine zu lassen und gegen die mglicheBeugehaft von Genossinnen und Genossen zusammenzuhalten. Ebenso drfenwir es nicht zulassen, dass dieser Prozess durch den Staat in eine Bhne zurVerurteilung revolutionrer Politik umfunktioniert wird.

    In diesem Sinne:

    Nulla finito! Nichts ist vorbei!Revolutionre Geschichte aneignen und verteidigen!

    Die Redaktion

    Das Gefangenen Info ist aus dem Angehrigen Info hervorgegangen, welches im Hungerstreik der politischen Gefangenen 1989 als Hungerstreik Info entstand.HerausgeberInnen: Netzwerk Freiheit fr alle politischen Gefangenen und FreundInnen.V.i.S.d.P.: Wolfgang Lettow c/o Gefangenen Info, Stadtteilladen Lunte e.V., Weisestrae 53, 12049 BerlinNichtredaktionelle Texte spiegeln nicht unbedingt die Meinung der Redaktion wider. Beitrge der Redaktion sind entsprechend gekennzeichnet.Bestellungen (Inland): Einzelpreis: 2. Ein Jahresabonnement kostet 25,20 (Frderabo 28,00), Buchlden, Infolden und sonstige Weiterverkufer erhalten bei Bestel-lungen ab 3 Stck 30% Rabatt. Bei Bestellungen erhalten Sie eine Rechnung, die anschlieend auf das Konto des Gefangenen Info zu berweisen ist.

    Bestellungen (Ausland): Einzelpreis: 2,70. Ein Jahresabonnement kostet 28,40 (Frderabo 31,20), Buchlden, Infolden und sonstige Weiterverkufer erhalten beiBestellungen ab 3 Stck 30% Rabatt. Bei Bestellungen erhalten Sie eine Rechnung, die anschlieend auf das Konto des Gefangenen Info zu berweisen ist.Anschrift: Gefangenen Info, c/o Stadtteilladen, Lunte e.V., Weisestrae 53, 12049 Berlin, Redaktion: [email protected], Vertrieb: [email protected]: Gefangenen Info, Konto-Nr.10382200, Bankleitzahl: 20010020, Postbank HamburgEigentumsvorbehalt: Nach diesem Eigentumsvorbehalt ist die Zeitung solange Eigentum der/des AbsenderIn, bis es den Gefangenen ausgehndigt worden ist. Zur-Habe-Nahme ist keine Aushndigung im Sinne des Vorbehalts. Wird das Info den Gefangenen nicht persnlich ausgehndigt, ist es der/dem AbsenderIn mit dem Grundder Nichtaushndigung zurckzuschicken.

    e-mail: [email protected] homepage: www.gefangenen.info

    2 gefangenen info aug./sept. 2010

    vorwort inhalt dieser ausgabe

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    Schwerpunkt

    Nulla finito! - Nichts ist vorbei!Revolutionre Geschichte aneignenund verteidigen!

    Linke Geschichte muss immerauthentisch vermittelt werden!

    Inland

    Berufungsprozess gegen dasGefangenen Info

    Zustellung von Gefangenen Infos anStammheimer Gefangene blockiert

    Internationale Delegation zumDsseldorf-3-Prozess

    Einige Informationen zu Tommy Tank

    International

    Zur Repression in Italien

    Kampagne fr Langzeitgefangene

    Es gab immer Repression und Wider-stand in den Knsten der Trkei

    Hungerstreik derMapuche-Gefangenen in Chile

    Hungerstreikerklrung aus derSchweiz

    Erneut Verhaftungen und Folterim Baskenland

    Gefangene

    Briefe von Tommy Tank

    Brief von Nurhan Erdem

    Brief von Thomas Meyer Falk

    Briefe von Faruk Ereren

    Briefe von Gnter Finneisen

    Feuilleton

    Vorstellung von Medien

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    Auch 33 Jahre nach dem sog. DeutschenHerbst, einem der Hhepunkte der Repres-sion in der Auseinandersetzung zwischendem bewaffneten Befreiungskampf und demStaatsapparat werden Staat, seine Repres-sionsorgane und die Medien nicht mde, dieGeschichte der Roten Armee Fraktion (RAF)

    verflschend und diffamierend darzustellen.Unvergessen ist dabei die Hetzkampagne2007, die mit verschiedenen Bchern, Fil-men, neuen Entdeckungen bezglich derBaader-Meinhof Bande aufwartete, um auchdiesen Abschnitt der Geschichte in ihremSinne umzuschreiben und fr ihre Zwecke zuinstrumentalisieren.Die Diffamierung revolutionrer Kmpfe istein weltweites Anliegen der herrschendenEliten innerhalb des kapitalistischen Systems.Der legitime und notwendige Kampf gegenAusbeutung und Unterdrckung wird im Rah-men der Aufstandsbekmpfung mit allen er-denklichen Mitteln bekmpft, angefangen beiDesinformations- und Hetzkampagnen bis hin

    zu Folter und extralegalen Hinrichtungen. Esgilt, diesen Angriffen standzuhalten und ent-schlossen die eigene Geschichte zu verteidi-gen.In diesem Kontext muss auch der jetzt anste-hende Prozess gegen Verena Becker gese-hen werden.Denn auch 40 Jahre nach ihrer Grndung und12 Jahre nach ihrer Ausung steht die RAFnoch immer im Fadenkreuz der Repressions-organe. Ab dem 30. September wird VerenaBecker wegen der Ttung des damaligenGeneralbundesanwalts Siegfried Buback vorGericht in Stuttgart-Stammheim stehen.Der Prozess gegen Becker soll dazu dienen,ein weiteres Mal mit der Geschichte der RAFabzurechnen, indem diese umgedeutet, dif-famiert und letztlich entpolitisiert wird. VorGericht steht also nicht nur Verena Becker,sondern auch die Geschichte und Politik derRAF und damit verbunden die revolutionrenKmpfe in der BRD und weltweit. In Anbe-tracht der Tatsache, dass die Erfahrungen aus

    Geschichte und Politik der RAF mageblicheLehren fr knftige Widerstnde und Aufbr-che bedeuten, bendet sich auch die Zukunftdes revolutionren Kampfes auf der Anklage-bank.Die Bundeswehr fhrt heute gezieltes Ttenvon Zivilisten unter Oberst Klein in Kundus

    durch und das wird von den hchsten juri-stischen Instanzen gebilligt. AuenministerWesterwelle propagiert dieses Tten, wasder liberalen SZ vom 11. Augist 2010 zu weitgeht, denn der Kommentator Heribert Prantlbefrchtet, dass Parallelen zur Ttung in BadKleinen vom RAF-Mitglied Wolfgang Grams,der schon kampfunfhig (...) exekutiert (wor-den sei), in Bad Kleinen durch BGS-Beam-ten gezogen werden knnten.Um der medialen Hetze und der herrschendenGeschichtsschreibung etwas entgegenzu-setzen, organisieren wir am Freitag, den 15.Oktober in Stuttgart eine Veranstaltung unterdem Motto Nulla nito! Nichts ist vorbei!Revolutionre Geschichte aneignen und ver-teidigen!.Die Veranstaltung ndet nicht zufllig in zeit-licher Nhe zum 18. Oktober statt, an demsich die Todesnacht in Stammheim zum 33.mal jhrt. Zudem werden wir am 16. OKto-ber die Grber der verstorbenen ehemaligenRAF-Mitglieder Andreas Baader, GudrunEnsslin, Jan-Carl Raspe, Wolfgang Beer undHorst Ludwig Meyer besuchen und einenKranz niederlegen. Denn sowohl die Veran-staltung als auch die Kranzniederlegung sol-len auch dazu beitragen, dass diejenigen, dieim Kampf fr Befreiung gestorben sind, nichtvergessen und die Inhalte und Erfahrungender Kmpfe von damals nicht verschttet wer-den, sondern in die heutigen Kmpfe mitein-ieen. Dadurch wollen wir der Geschichts-schreibung und der Verleumdung durch dieHerrschenden, die authentische Geschichts-vermittlung und die Geschichte der revolutio-nren Linken gegenberstellen.In der Veranstaltung werden wir dabei unteranderem auf die Fragen eingehen, warum

    auch weiter nach Illegalen gefahndet wirdobwohl sich die RAF im Jahre 1998 aufgelsthat, warum neue Verfahren und Prozessegegen ehemalige RAF Mitglieder angestrebtwerden und warum in den Medien weiterhingegen die RAF gehetzt wird.Im Folgenden mchten wir kurz diese Frage-

    stellungen streifen, um sie dann in der Veran-staltung zu vertiefen.

    Rckblick:

    Am 18. Oktober 1977 starben die Gefange-nen aus der RAF, Gudrun Ensslin, AndreasBaader und Jan Carl Raspe, in der JVA Stutt-gart-Stammheim. Am 12. November 1977starb Ingrid Schubert (ebenfalls aus der RAF)im Knast Mnchen-Stadelheim.Um zu verstehen wie es soweit kommenkonnte, schauen wir kurz auf die Ereignissedes Jahres 77:Mit Isolation, toten Trakten, Kontaktsperren,sensorischer Deprivation und vier weiterentoten Gefangenen als auch durch die Killfahn-dung, von staatlicher Seite inszenierten An-schlgen und riesiger medialer Hetze fand derVerfolgungswille und die Repression einen bisdahin nicht gekannten Hhepunkt.Von Ende Mrz bis Ende April benden sichzeitweise ber hundert Gefangene im Kampfgegen die Isolation im Hungerstreik. Am 7.April wird der Generalbundesanwalt Sieg-fried Buback vom Kommando Ulrike Mein-hof gettet. Das ehemalige NSDAP-MitgliedSiegfried Buback stand fr ein repressivesSystem, der bestndig die Haftbedingungender Gefangenen verschrft hatte. Whrendseiner Amtszeit starben vier Gefangene derRAF in Haft.Nachdem Ende April Andreas Baader, GudrunEnsslin und Jan-Carl Raspe in Stammheim zulebenslanger Haft verurteilt wurden, werdenauch weitere RAF Mitglieder zu langen Haft-strafen verurteilt und einige Personen, darun-ter auch Verena Becker, festgenommen.Am 30. Juli wird Jrgen Ponto, Vorstandsvor-

    Nulla finito! Nichts ist vorbei!Revolutionre Geschichte aneignen und verteidigen!

    www.nullaefnito.jimdo.com

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    sitzender der Dresdner Bank, bei dem Ver-such ihn zu entfhren, von einem Kommandoder RAF erschossen. Anfang August beginntder fnfte Hungerstreik der Gefangenen. Kurzdarauf gibt es einen missglckten Anschlagauf das Gebude der Bundesanwaltschaft.Am 5. September entfhrt das Kom-mando Siegfried Hausner Hanns-Mar-tin Schleyer und fordert im Austauschgegen ihn die Freilassung elf politischer

    Gefangener. Als Reaktion darauf wirdseitens der Bundesregierung eine ab-solute Kontaktsperre ber 72 Gefan-gene verhngt. Die Bundesregierunggeht nicht auf die Forderungen desRAF-Kommandos ein und die Situationspitzt sich zu. Einige Politiker sprechensich manche offener, manche indirekt

    fr die Ttung von Gefangenen aus.Am 13. Oktober wird eine Passagier-maschine von einem palstinensischenKommando entfhrt und fordert eben-falls die Freilassung der Gefangenen.Die Maschine wird vier Tage spter inMogadischu/Somalia von der GSG9gestrmt.

    Am 18. Oktober 1977 werden AndreasBaader und Gudrun Ensslin tot, Jan-Carl Raspe sterbend und Irmgard Ml-ler schwer verletzt in ihren Zellen aufge-funden. Kaum einen Monat spter wirdIngrid Schubert erhngt in ihrer Zelleaufgefunden. Hanns-Martin Schleyerwird am 19. Oktober 1977 gettet.Schon vor und nach der Entfhrungwerden rund 40 Personen festgenom-men und die Repression ausgeweitet.Unter anderem Rechtsanwlte, Per-sonen, die Gefangene besucht hatten,DruckerInnen und Aktive aus Solidari-ttsgruppen waren davon betroffen.Der Tod der vier Gefangenen stellte

    eine neue Qualitt in der Auseinandersetzungvon bewaffnetem Kampf und Staat dar. Irmga-rd Mller als einzige berlebende sagt: Fruns war klar, Selbstmord ist nicht Sache. Wirsind entschlossen zu kmpfen. Ich habe mirdie Verletzungen nicht selbst beigebracht.Irmgard hatte geschlafen und war erst beimTransport ins Krankenhaus mit Messerstichennahe dem Herzen aus ihrer Bewusstlosigkeitaufgewacht. Auch nach 21 Jahren Knast, alsIrmgard im Herbst 1993 endlich frei kam, wur-de zeitweise gegen sie ermittelt, da sie weiter-hin daran festhielt, dass die Gefangenen sichnicht selbst umgebracht haben.Bereits wenige Stunden nachdem die Totengefunden wurden, wurde die ofzielle Version

    des Selbstmordes verbreitet, obwohl erheb-liche Unstimmigkeiten in den dann folgendenUntersuchungen aufgedeckt werden konnten.Die internationale Linke widersprach in Wortund Tat der staatlich verordneten Wahrheit.So gab es Protestresolutionen, Demonstra-tionen, Hungerstreiks und militante Aktionenin zehn europischen Lndern, den USA undPalstina.Die radikale Linke in der BRD kam trotz derharten Repressionsschlge und der Medien-hetze aus der Talsohle heraus und war bisEnde der achtziger Jahre ein starker Faktorim Bereich des antimilitaristischen Kampfes,der Hausbesetzung, der autonomen Frauen-kmpfe, der Anti-AKW- und der Gefangenen-

    bewegung.Ebenso die RAF, die 1982 unter dem TitelGuerilla. Widerstand und antiimperialistischeFront ein Strategiepapier verfasste. Es gabunter dem Einuss des Frontpapiers vielepolitisch-militrische Initiativen, auch mit ein-heimischen Militanten sowie mit Stadtguerilla-

    gruppen, wie der franzsischen Action Directeund den italienischen Roten Brigaden.Der Zusammenstoss zwischen Guerilla undStaat 77 war Katalysator fr einen Umschlagder politischen Situation, so formulierte esdie RAF 1982 in dem besagten Papier.

    Der 18. Oktober 1977 steht dabei fr die Zu-spitzung eines Koniktes, fr die rcksichts-lose Verfolgung der revolutionren Linken undsymbolisiert seither den vor nichts zurck-schreckenden Verfolgungswillen der Repres-sionsorgane gegen die RAF.

    Die Verfolgung von Ehemaligen RAF-Akti-vistInnen geht weiter

    Dass dieser Verfolgungswille auch heutenoch vorhanden ist, zeigt sich an dem am 30.September 2010 in Stuttgart-Stammheim be-ginnenden Prozess gegen Verena Becker.Bereits im Vorfeld hatte der Prozess einigenWirbel in der Presse ausgelst. Quer durch

    alle Zeitungen gingen Verdchtigungen, dassdie RAF (und insbesondere natrlich die Bu-back-Aktion) vom Geheimdienst geleitet wor-den sei. Den Ehemaligen wurde vorgeworfen,sie htten sich ein maahnliches Schweige-gelbde (Omerta), das das Schweigen bisins Grab bedeute, auferlegt.Die RAF verstand sich als Befreiungsbe-wegung im internationalen Kontext mit denKmpfen im Trikont und in den Metropolen.Sie stand fr Aufrichtigkeit, Mut und Hoff-nung, auch unter schwierigen Bedingungenzu agieren und hatte eine gewisse Ausstrah-lung. In einem Papier von Einigen, die zuunterschiedlichen Zeiten in der RAF warenerklrten Ehemalige aus der Guerilla im Maidiesen Jahres, dass die Justiz und die Me-dien von ihnen nur Selbstbeschuldiung undDenunziation forderten, so dass auch sie als ProtagaonistInnen dieser Zeit mit dembewaffneten Kampf als Teil der revolutionrenGeschichte abschlieen, um die Abrechnungdes Staates zu komplettieren. Sie versicher-

    ten, sich diesen Angriffen nicht zu beugen unddieser geplanten Abrechnung einen Strichdurch die Rechnung zu machen. Sie erklr-ten weiter: Wenn von uns niemand Aussagengemacht hat, dann nicht, weil es darber einebesondere Absprache in der RAF gegeben

    htte, sondern weil das fr jeden Men-schen mit politischem Bewusstseinselbstverstndlich ist. Eine Sache derWrde, der Identitt - der Seite, auf die

    wir uns gestellt haben.Die angefhrten Beispiele zeigen auf,dass der Prozess aus Sicht der Herr-schenden eine gute Gelegenheit dar-stellt, die Geschichte der RAF nochmalsneu zu schreiben. Die Vorladungen undBeugehaftandrohungen gegen Ehema-lige, die weitergehenden Ermittlungenund ankierend die Medienkampagnetun ihr briges, um die angestrebteAbrechnung mit der RAF, oder mit dembewaffneten Befreiungskampf weitervoranzutreiben. Aus dieser Motivationerklrt sich der ungebrochene Verfol-gungswille gegen ehemalige RAF-Ak-tivistInnen.

    Die Gesetze zur Bekmpfung des an-tagonistischen Widerstands vor 30Jahren werden von den Herrschendenweiter ausgebaut, so sind in BRD-Knsten migrantische und alle anderenkmpfenden Eingesperrten hnlichenund teilweise noch drakonischerenIsolationshaftbedingungen unterwor-fen sind - wie damals die Gefangenenaus der RAF. Die politischen Verfahrennach den 129a/b werden damals wieheute vor Sondergerichten gefhrt undes werden Linke und Revolutionre zuhohen Strafen verurteilt.Mit unserer Veranstaltung, die unterdem Motto Nulla nito! Nichts ist vor-

    bei! Revolutionre Geschichte aneignen undverteidigen! stattnden wird, wollen wir einenTeil dazu beitragen, dieser angestrebten Ab-rechnung in die Quere zu kommen und dieDiskussion ber diesen Abschnitt der Ge-schichte der revolutionren Linken in Gangzu bringen. Damit wollen wir auch ein Stckdazu beitragen, dass wir uns die Geschichteder revolutionren Linken unsere Geschich-te wieder aneignen.

    Netzwerk Freiheitfr alle politischen Gefangenen

    Termine

    Veranstaltung:

    Freitag, 15. Oktober 2010 | 19.00 UhrLinkes Zentrum Lilo HerrmannBblinger Str. 105

    70199 Stuttgart

    Kranzniederlegung:

    Samstag, 16. Oktober 2010 | 12.00 Uhr

    am Dornhaldenfriedhof(nhe Karl-Klo-Str.)Treffpunkt: 11.00 UhrSdheimer Platz (U1/U14 Haltestelle)

    Weitere Informationen folgen in den nchstenTagen. Fr Nachfragen:[email protected]

    www.nullaenito.jimdo.com

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    Linke Geschichte muss immerauthentisch vermittelt werden!

    Verhaftet wurden im Sommer 1972 AndreasBaader, Gudrun Ensslin und Jan-Carl Raspe.Diese drei Gefangenen wurden neben HolgerMeins und Ulrike Meinhof, die ebenfalls denKnast nicht berlebten, als fhrende Kpfeder RAF aufgebaut und angeklagt, an denAktionen im Mai 1972 gegen die US-Haupt-

    quartiere in Heidelberg und Frankfurt beteiligtgewesen zu sein. Von diesen Basen wurdenper Computer u.a. die Bombenangriffe gegenVietnam koordiniert. Auch wurde ihnen vorge-worfen, die Polizeihauptquartiere in Augsburgsowie Mnchen, ebenso das Springerhoch-haus in Hamburg und das Auto eines Richtersam BGH (Bundesgerichtshof), attackiert zuhaben. Mit der letztgenannten Aktion richtetesich die RAF gegen die Isolationshaftbedin-gungen, denen die politischen Gefangenenunterworfen waren.Am Morgen des 18. Oktober 1977 werdenAndreas Baader und Gudrun Ensslin tot, Jan-Carl Raspe und Irmgard Mller schwerverletztin ihren Zellen aufgefunden. Jan stirbt weni-ge Stunden spter. Sofort wird die ofzielleVersion des Selbstmordes verbreitet, obwohlerhebliche Unstimmigkeiten in den dann fol-genden Untersuchungen aufgedeckt werdenknnen. Andreas soll die Pistole angeblichselbst festgehalten haben, obwohl ein Gut-achten aussagt, dass der Schuss aus einemAbstand von 30-40 cm abgefeuert wordenist und die Pistole immerhin 17 cm ma. Gu-druns Leichnam zeigte zahlreiche leichte Ver-letzungen und Blutergsse. Zum Teil werdendiese Quetschungen damit erklrt, dass derKrper nach der Selbsterhngung infolge

    von Todeskrmpfen heftig gegen harte Ge-genstnde gestoen sei. Dies ist allerdingsnicht mehr zu rekonstruieren, da die Beamtendie Tote sofort abgebunden hatten. Ebensowie bei Ulrike Meinhof wird auch hier ein His-tamintest, der darber Auskunft gibt, ob ein le-bender oder bereits toter Mensch aufgehngtwurde, unterlassen.So sagt Irmgard als einzige berlebende:Fr uns war klar, Selbstmord ist nicht Sa-che. Wir sind entschlossen zu kmpfen Ichhabe mir die Verletzungen nicht selbst bei-gebracht. (Messerstiche direkt neben demHerzen) Irmgard hatte geschlafen und warerst beim Transport ins Krankenhaus aus

    ihrer Bewusstlosigkeit aufgewacht. Nach 21Jahren Knast kam Irmgard im Herbst 1993endlich frei. Da sie weiterhin behauptete, dieGefangenen htten sich nicht selbst umge-bracht, wurde deshalb zeitweise gegen sieermittelt. (red.)

    Die Todesflle vom18. Oktober 1977

    Es ist uns wichtig, dass linke Geschichte authentisch vermittelt wird, um sie so zu begreifen und die an-stehenden Probleme zu bewltigen. Es gab in den letzten Jahren immer wichtige und gutgefasste Artikelund Anstze, die Geschichte des bewaffneten Kampfes in der BRD zu dokumentieren, aber das BuchROTE ARMEE FRAKTION Texte und Materialien zur Geschichte der RAF des Berliner ID-Verlag ausdem Jahre 1997 tut das nicht. Dort werden Erklrungen von Gefangenen oder der Guerilla umgeschrie-ben. Der Verlag hat sich aufgrund dieser Flschungen gespalten. Authentisches Material zur Geschichteder Guerilla und den Gefangenen gibt es fr Interessierte unter: www.labourhistory.net/rafWeiterhin empfehlen wir aus gegebenem Anlass einige Medien, die wir fr authentisch und solidarischhalten:

    Gudrun EnsslinZieht den Trennungsstrich, jede

    Minute

    Briefe an ihre Schwester Christianeund ihren Bruder Gottfried aus demGefngnis 1972-1973, KonkretVerlag, ISBN-10 3894582391

    Pieter Bakker SchutStammheim. Der Proze gegen

    die Rote Armee Fraktion:

    Die notwendige Korrektur der

    herrschenden Meinung

    Pahl Rugenstein VerlagISBN 3-89144-247-5

    Peter O. ChotjewitzDie Herren des Morgengrauens

    Romanfragment / Rotbuch Verlag,1978, ISBN-10 388022644X

    Peter Nowak (Hg.), Glten Sesen,Martin BeckmannBei lebendigen Leib

    Von Stammheim zu den F-Typen-Zellen Gefngnissystem und Ge-fangenenwiderstand in der Trkei,Unrast Verlag, ISBN 3-89771-008-0

    Gudrun Ensslin und BernhardVesperNotstandsgesetze von Deiner

    Hand

    Briefe 1968/1969, Suhrkamp VerlagISBN-10 3518125869

    Oliver TolmeinRAF - Das war fr uns

    Befreiung

    Ein Gesprch mit Irmgard Mllerber bewaffneten Kampf, Knast unddie Linke, Konkret Verlag, ISBN3-89458-149-2Jutta DitfurtUlrike Meinhof. Die Biograe

    Ulstein Verlag,ISBN-10 3550087284

    Peter O. ChotjewitzMein Freund Klaus

    ber Anwalt Klaus Crossiant, Ver-brecher Verlag, ISBN 3935843895

    Pieter Bakker Schut (Hg.)Das Info - Briefe von Gefange-

    nen aus der RAF 1973 -1977

    Neuer Malik VerlagISBN 3-89029-019-1

    Stefan WisniewskiWir waren so unheimlich

    konsequent...

    Ein Gesprch ber die Geschichteder RAF mit Stefan WisniewskiID-Verlag, ISBN 3-89408-074-4

    Weiterfhrende und vertiefende Texte zum Thema aus dem Gefangenen Info ab Nr. 328:

    Es gilt das gesprochen Wort Neue Tondokumente aus dem Stammheimer Prozess 1975-1977 aufge-taucht, Anderslautern, Nr. 328 Der zweite Tod, Ron Augustin, ehemaliger Gefangener aus der RAF zu

    den Toten, die den Knast nicht berlebt haben, Nr. 329 Wie Teile des Auslands auf die Todesnacht inStammheim 1977 reagierten, Renate Dhr, Nr. 329 Herbstmelodien, Wie die Geschehnisse im Herbst1977 sich auf die Musik und das Lebensgefhl der danachfolgenden Generationen auswirkten, Anders-lautern, Nr. 330 Schwarzer Kanal - Operation Herrhausen, Zum Artikel von Jrgen Elssser in der jwvom 22./23.9.2007, Eva Haule, Nr. 330 Jutta Ditfurth, Ulrike Meinhof, Renzension von Ron Augustinim Gefangenen Info 332 Beitrag aus Spanien von einem ehemaligen Gefangenen, Nr. 337 Berichtzur Veranstaltung am 18.10.07 im Tommy-Weissbecker-Haus in Berlin Kein Vergeben - Kein VergessenGedenken an all die Gefallenen aus dem revolutionren Widerstand, Nr. 338 Drei Beitrge zum Todvon Christian Geissler, Nr. 341 Der Tod der RAF-Gefangenen muss neu untersucht werden, PeterNowak, Nr. 342 Gehirnwsche, Nichts als Wahn: Der Aust-Eichinger-Komplex lebt seine Syndromeaus, Ron Augustin, Nr. 342 Der erste Stammheim-Prozess, Nr. 342 Die Zeitungen zu Christian Klarsanstehenden Freilassung, Nr. 343 Zur Freilassung von Christian Klar verffentlichen wir einen Artikelber die Zeit, in der Christian als Illegaler in der RAF aktiv war, Nr. 345 Knastzeit und drakonischeHaftbedingungen - 26 Jahre war Christian weggesperrt, Nr. 346 Haben Aussagen der Gefangenen ausder RAF heute noch Gltigkeit?, Nr. 346 Desinformationskampagnen damals und heute, Zum Spiegel-artikel 16/2009 Krieg der Lgen, Nr. 347 Bilder von Gefangenen: Damals wie heute nicht erlaubt, Nr.348 Zur Verhaftung von Verena Becker, Nr. 351 und 352 Sand im Getriebe der Meinungsmacher?Zur Verffentlichung des Briefwechsels zwischen Gudrun Ensslin und Bernhard Vesper, Ron AugustinNr. 352 Reaktionre Geschichtspolitik, Zur aktuellen Kampagne gegen ehemalige RAF-Mitglieder,Monika Ertl, Nr. 355 Etwas zur aktuellen Situation - von einigen, die zu unterschiedlichen Zeiten in derRAF waren, Nr. 355 Anderslautern und die Rhls Auseinandersetzung um die Rhlche Geschichts-schreibung, Missbrauch und dem Verhltnis zu Ulrike Meinhof, Nr. 355 Der Kampf der Gefangenenaus der RAF fr kollektive Selbstbestimmung, Nr. 355 (red.)

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    seite 3 schwerpunkt inland international dossier gefangene feuilleton kurzmeldungen

    Der Prozess gegen das Gefangenen Infosetzt sich vor dem Landgericht Berlin-Tier-garten fort. Wolfgang Lettow, presserechtlichVerantwortlicher fr das Gefangenen Info,wurde am 21. April dieses Jahres wegen ei-ner Verleumdungsklage zu 800 Geldstrafeverurteilt. Hintergrund des Verfahrens warein Prozessbericht der Roten Hilfe OG Ds-

    seldorf/Mnchengladbach/Neuss ber den 129b-Prozess in Dsseldorf gegen FarukEreren, den wir in unserer Ausgabe 348 ab-druckten.Thematisiert wurde die Verhngung der Beu-gehaft gegen den in trkischer Folterhaft er-blindeten Zeugen Nuri Eryksel. Er machtezu Fragen, die seine eigene Person betrafen,keine Angaben, da er befrchten musste,dadurch selbst kriminalisiert zu werden. DerVorsitzende Richter Klein verhngte dann zurAussageerpressung noch im Gerichtssaal dieBeugehaft, die im brigen 4 Wochen sptervom BGH als rechtswidrig aufgehoben wurde.Die ProzessbeobachterInnen der Roten Hil-fe OG Dsseldorf/Mnchengladbach/Neuss

    schrieben in ihrem Bericht dem Richter nachder Verkndung der Beugehaft eine Bemer-kung zu, die von vielen Ohrenzeugen als zy-nisch empfunden wurde. In dem Prozessbe-richt wurde er mit den Worten fr Nuri sei dieBeugehaft wohl ein wirksames Mittel, um sichzu besinnen, denn er sei ja erblindet zitiertund das Gefangenen Info erhielt deswegendie Anklage wegen Verleumdung. Wegen desgleichen Artikels kommt es gegen die Be-treiberin der Homepage Scharf-Links nacheinem Freispruch zu einem neuen Verfahren.Wir denken nicht, dass sich die Prozessbeo-bachterInnen die zynische Bemerkung ausge-dacht htten und halten die Artikel der RotenHilfe OG Dsseldorf/Mnchengladbach/Neu-

    ss fr vertrauenswrdig. Wolfgang Lettowwurde im erstinstanzlichen Verfahren vor demAmtsgericht Tiergarten unterstellt, er habebewusst etwas Falsches ber den Richterverbreitet. Mit dieser Argumentation soll dieGlaubwrdigkeit unseres Blattes herab ge-wrdigt werden und uns aufgezeigt werden,

    dass wir uns hten sollen, zynische Bemer-kungen von Richtern zu zitieren. Zweifelsfrei

    feststellen lsst sich tatschlich nicht, wasgesagt wurde. Wie bei den vielen Verfahren,bei den Polizisten beteiligt sind, gilt auch ins-besondere bei Verfahren ber Richter, welchedie Rechtsprechung ja personizieren sol-len, dass das, was es in einem sogenanntenRechtsstaat nicht geben darf, in den Augender Justiz auch nicht geben kann. Wir werdenweiterhin kritisch berichten.

    Warum wird das Gefangenen Info krimi-nalisiert?

    Neben der redaktionellen Arbeit musste dieExistenz und damit das Fortbestehen desGefangenen Info auch immer vor den Ge-

    richten verteidigt werden, um damit vor allemdas Leben der Gefangenen vor staatlichenbergriffen hinter Gittern zu schtzen. DerStaat versuchte seit 1989, also seit Beste-hen dieser Zeitschrift, unter der Federfhrungder Bundesanwaltschaft und den Geheim-diensten durch rund 30 Verfahren, das Ge-fangenen Info mundtot zu machen. Von den30 Ermittlungsverfahren endeten mindestensvier im Gerichtssaal vor der Klassenjustiz, dieteilweise durch mehrere Instanzen gingen.Verurteilt wurden mindestens zwei Redak-teurInnen. Im Gefangenen Info wurde undwird das staatliche Vorgehen gegen Gefan-gene kritisiert. Anlsse von Verfahren warenu. a. Artikel, die die staatliche Version z. B.

    der Selbstmorde in Stuttgart-Stammheim am18.10.1977 oder die Erschieung von Wolf-gang Grams am 27.6.1993 in Bad Kleinenthematisierten und hinterfragten.Im aktuellen Verfahren steht die Klage gegendas Gefangenen Info in direktem Zusam-menhang mit den laufenden 129b-Prozes-sen. Hier in der BRD sind ca. zehn kurdischeund trkische Gefangene wegen ihrer poli-tischen Arbeit verhaftet und in Isolationshaft.Der 129b-Gefangene Faruk Ereren bezeich-net das umfassende Isolationsprogramm alsWeie Folter mit dem Ziel, uns zu zermr-ben. Faruk Ereren, der sich auf eine Koo-peration mit dem Gericht nicht einlsst, wirddeshalb mit der Androhung der Abschiebung

    in die Trkei erpresst.All das hat hnlichkeit mit den drakonischenManahmen, denen die Gefangenen aus derRAF vor allem in den siebziger und achtzi-ger Jahren ausgesetzt waren. Die Anklagengegen die anatolischen AktivistInnen basie-ren hug auf Foltergestndnissen aus derTrkei. Die Staatsschutzsenate in Stuttgartund Dsseldorf haben durchweg keine Pro-bleme, Frchte vom vergifteten Baum, wiees der stellvertretenden Generalbundesan-walt Rainer Griesbaum ausdrckte, zu ver-werten.Die lnderbergreifende Verfolgung poli-tischer Oppositioneller aus der Trkei dientnicht nur den Interessen des trkischen

    Staates, sondern sie dient in erster Linie denInteressen der internationalen Zusammenar-beit zwischen der Trkei und den EU-Staatensowie den USA. Die Trkei ist aufgrund ihrerstrategischen Lage ein wichtiger Partner frdas expansive NATO-Bndnis. Auf milit-rischer Ebene lsst sich das gut anhand der

    Berufungsprozess gegen dasGefangenen Info

    Tatsache aufzeigen, dass die Trkei der gr-te Waffenabnehmer der BRD ist.Von 2000 bis 2007 wehrten sich tausendetrkische und kurdische Gefangene in Hun-gerstreiks gegen die neuen Isolationsgefng-nisse nach dem Muster des StammheimerGefngnismodells, bei dem ber 120 poli-tische Gefangene ums Leben kamen. DieseGefngnisse wurden 2000 als EU-Auagein der Trkei erffnet. Whrend des Hunger-

    streiks verlangte die Trkei von ihren Ver-bndeten das Verbot der ffentlichkeitsarbeitlinker trkischer Organisationen in Europa.Zustzlich verlangt die Trkei die Ausliefe-rung von zirka 300 kurdischen und trkischenAktivistInnen.In den laufenden 129b-Prozessen in Ds-seldorf geht es um dem Vorwurf der Mit-gliedschaft in der marxistisch-leninistischenDHKP-C (Revolutionre Volksbefreiungspar-tei-Front) aus der Trkei. Dabei werden hier-zulande v. a. das Sammeln von Spenden unddie Verbreitung von in der BRD legalen Publi-kationen kriminalisiert.

    Nein zur Kriminalisierung linker Medien!

    Wir sehen es als notwendig an, gegen dieKriminalisierung linker Medien mglichst ge-schlossen vorzugehen. So richtet sich unserProtest nicht allein gegen die Kriminalisierungdes Gefangenen Info, sondern auch gegendie Razzien in linken Buch- und Infolden.Verschiedene linke Berliner und MnchnerBuch- und Infolden waren in letzter Zeit vonRepressalien betroffen, bei denen die Zeit-schriften radikal und Interim beschlag-nahmt wurden. Dem Berliner BuchladenSchwarze Risse drohen Anzeigen wegenAnleitung zu Straftaten und Versto gegendas Waffengesetz. Verteidigen wir uns gegendie staatlichen Angriffe auf unsere Infrastruk-

    tur und unsere Medien! Auch im Berufungs-prozess gegen das Gefangenen Info werdenwir uns nicht einschchtern lassen und mobili-sieren zu einer Prozessdelegation!

    Solidaritt ist eine Waffe!

    Gefangenen Infowww.gefangenen.info

    Netzwerk Freiheitfr alle politischen Gefangenen

    www.political-prisoners.net

    Rote Hilfe OG Berlinwww.berlin.rotehilfe.de

    An dieser Stelle verffentlichen wir den Aufruf Solidaritt mit dem Gefangenen Info

    Termine

    Infoveranstaltung:

    Prozess gegen das Gefangenen Info

    und Kriminalisierung linker Buchlden

    in Berlin

    Dienstag, 5. Oktober um 18.00 UhrIm Clash (Mehringhof)Gneisenaustr. 2a, 10961 Berlin

    Berufungsprozess / Prozessdelegation:

    Montag, 11. Oktober um 13.30 UhrLandgericht Berlin-Tiergarten (Raum 731)Turmstr. 91, 10559 Berlin

  • 8/6/2019 Gefangenen Info #357

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    aug./sept. 2010 gefangenen info 7

    seite 3 schwerpunkt inland international dossier gefangene feuilleton kurzmeldungen

    Berlin: Am 17. Septem-ber fanden wieder einmalDurchsuchungen in denBerliner Buchlden M99,Schwarze Risse und Oh21statt. Gefahndet wurdedieses mal nach der neues-

    ten Ausgabe der Interim, inder ein Aufruf zu Aktivitten

    rund um den 03. Oktober abgedruckt war.Erst vor wenigen Monaten wurden die selbenBuchlden auf der Suche nach kriminalisier-ten Zeitungen durchsucht worden. Der M99wurde bereits zum 51. mal durchsucht. Pro-teste dagegen sind momentan in Vorberei-tung. Achtet auf Ankndigungen! (red.)

    Berlin: Die Staatsanwalt-schaft hat ihre Revision ge-gen das Berufungsurteil imProzess gegen AlexandraR. jetzt begrndet. Eine Ent-

    scheidung darber, ob dasVerfahren gegen sie erneutaufgerollt wird, ist frhestensin vier bis sechs Monaten zu

    erwarten. Alexandra war wegen Brandstif-tung an einem PKW angeklagt worden undist am 29. Juni 2010 auch in zweiter Instanzfreigesprochen worden. Bereits im November2009 wurde sie in erster Instanz freigespro-chen. Alexandra wurde im Juli 2009 festge-nommen und fr 156 Tage in U-Haft gesperrt.www.engarde.blogsport.de (red.)

    Berlin: Nach ber 18 Mo-naten Haft wurde Laurynas

    Mogila am 20. Septemberaus der JVA Charlotten-burg entlassen. Laurynaswurde verurteilt, weil er am14. Mrz 2009 bei der Uni-ted-We-Stay-Freiraumde-monstration einen Polizisten

    und einen Mannschaftswagen der Polizeiangegriffen haben soll. Whrend seiner Hafthatte Laurynas monatelang keinen Besuchund keine Post. Im Gefngnis verstand er diedort gesprochene Sprache nicht und konntesich nur mit Hilfe der ihn von auen unter-sttzenden GenossInnen zurecht nden. Wirbegren Laurynas in der Freiheit! (red.)

    Magdeburg: Das Revisi-onsverfahren wegen demTod von Oury Jalloh am 7.Januar 2005 beginnt am 25.Oktober um 9 Uhr vor demLandgericht in Magdeburg.Angeklagt sind zwei Beamtewegen Krperverltzung mitTodesfolge und fahrlssige

    Ttung durch Unterlassung. Bislang sindTermine bis zum April 2011 angesetzt. An-schlieend an den ersten Prozesstag ndetin Magdeburg eine Demonstration statt. In

    erster Instanz wurden im Dezember 2008 diezwei angeklagten Beamten freigesprochen.Weitere Infos unter:www.initiativeouryjalloh.wordpress.com (red.)

    Kurzmeldungen bundesweit

    Die letzte Ausgabe (Nr. 356) des Gefange-nen Infos erreichte zahlreiche StammheimerGefangene nicht und wurde an unsere Re-daktionsadresse zurck geschickt. Auf denUmschlgen befand sich neben dem Ein-

    gangsstempel der JVA Stuttgart-Stammheimder Vermerk Annahme verweigert. Dasmachte uns hellhrig und wir schrieben dieetwa 20 Gefangenen mit der Frage an, ob siedas Info denn tatschlich nicht mehr habenmchten. Von vier Gefangenen erhielten wireine Antwort, in der sie uns schrieben, dasssie auf jeden Fall das Gefangenen bekommenmchten und nicht wissen, warum es ihnennicht zugestellt wurde.Aber zunchst zurck zu den Hintergrndenihrer Inhaftierung: Die betroffenen Gefange-nen sind alle aus kurdischen und antifaschi-stischen Zusammenhngen. Sie sind zwarwegen unterschiedlichen Verfahren in U-Haft,viele von ihnen kennen sich aber auch schon

    aus politischen Zusammenhngen drauen.Unter diesen Umstnden ist die Haft auch et-was leichter durchzustehen, wie uns ein Ge-fangener schrieb. Den meisten U-Hftlingenwird vorgeworfen, am 8. Mai bei einem Angriffauf eine faschistische trkische Kneipe in derNhe von Stuttgart beteiligt gewesen zu sein,bei dem vier Faschisten u.a. am Kopf verletztwurden. Festgenommen wurde zwar nie-mand, aber in den folgenden Wochen wurden15 kurdische Jugendliche mit dem Vorwurfder gefhrlichen Krperletzung und des ver-suchten Totschlags (!) verhaftet. In der Aus-gabe Nr. 356 berichteten wir ausfhrlich berdie Repressionswelle gegen die kurdischenJugendlichen in Stuttgart. Vielleicht ist auch

    dieser Artikel ein Grund dafr, dass die Zu-stellung blockiert wurde.Auf alle Flle machten vier Gefangene in ihrenBriefen an uns deutlich, dass sie die Annah-me des Gefangenen Infos weder verweigerthaben, noch ber die Sendungen informiertwurden. Die Schreibtischtter der Postein-gangsstelle der JVA Stammheim drcktenunseren Sendungen den Stempel Annahmeverweigert auf und schickten die Umschlgean uns zurck. In der Zwischenzeit wurdenschon zwei Gefangenen die Nr. 356 erneutgeschickt und bei einem der beiden kam esein zweites Mal (!) mit dem Stempel Annah-me verweigert zurck. Wo kommen solcheInstruktionen her?

    Das es sich hierbei nicht um ein aus Verse-hen handelt, liegt auf der Hand. Eine formaleBeschwerde wird hchstwahrscheinlich imbrokratischen Apparat der Justizverwaltungstecken bleiben oder als unbegrndet abge-lehnt werden. Aber allein schon um weiterenStoff fr diese Story hier zu bekommen :) wer-

    den wir es versuchen und auch weil es unsum das Prinzip geht, dass wir nicht klein bei-geben und uns wehren. Deswegen machenwir diese Publikation und deswegen machenwir natrlich auch diese Geschichte ffentlich.

    Dass Rechtsstaatlichkeit nicht mehr als einewandelbare Fassade ist, ist fr migrantische,politische oder alle anderen Menschen, wel-che nicht in dieses System passen, auchnichts neues. Wenn wir unseren Blick noch-mal auf die Situation der Stammheimer Ge-fangenen werfen, soll durch die Verhngungder Untersuchungshaft wie der Name schonsagt eine Situation geschaffen werden, umsie einzuschchtern und um Aussagen zuerpressen, obwohl die Ermittlungsbehrdenkaum stichhaltige Beweise gegen die Ge-fangenen vorbringen knnen, da niemandunmittelbar nach der Aktion festgenommenwurde vielleicht gerade deswegen. Die An-klagepunkte beruhen in diesem Fall haupt-

    schlich auf die berwachung von Mobilte-lefonen, aus der sich Bewegungsmuster undKommunikationsnetze erstellen lassen sollen(das Handy war zur Tatzeit aus) und darauf,dass Personen in schwarzer Kleidung in derStadt gesehen wurden, um eine Anklage we-gen versuchten Totschlags zu konstruieren!Glcklicherweise ist die Solidaritt zuminde-stens in Stuttgart recht gro und auch wir se-hen unsere Aufgabe darin, diese zu verbrei-tern!Ein Gefangener fragte uns, ob die Blockadedes Gefangenen Infos im Zusammenhang mitdem Verfahren gegen Wolfgang Lettow steht.Wegen einem angeblich falschen Richter-Zi-tat ist unser presserechtlich Verantwortlicher

    mit einem Verfahren berzogen worden wirwerten dieses Verfahren als einen Angriff aufunsere Soli-Arbeit und denken, dass auch dieBlockade der Gefangenen Infos unsere Arbeitbehindern soll, da eine Strkung der Gefan-genen den Ermittlungsbehrden ein Dorn imAuge ist.Demgegenber wird ein Gefhl von Recht-losigkeit bewusst produziert. Durch den ent-stehenden psychologischen Druck soll einge-schchtert und Aussagen erpresst werden.Das wundert uns zwar nicht, macht uns abertrotzdem wtend. Neben den beiden 129b-Gefangenen Devrim Gler und Ahmet D. Yk-sel, die inzwischen glcklicherweise drauensind, bilden die U-Hftlinge fr derzeitige Ver-

    hltnisse eine recht groe Gefangenengrup-pe im Stammheimer Knast. Wir wnschenden gefangenen GenossInnen weiterhin vielKraft und wrden uns ber eine Beteiligungan den Diskussionen im Gefangenen Infofreuen! (red.)

    Zustellung von Gefangenen Infos anStammheimer Gefangene blockiert!

  • 8/6/2019 Gefangenen Info #357

    8/20

    8 gefangenen info aug./sept. 2010

    seite 3 schwerpunkt inland international dossier gefangene feuilleton kurzmeldungen

    Am 01. und 2. September wurden im Dssel-dorfer 129b-Prozess gegen Nurhan Erdem,Ahmet Istanbullu und Cengiz Oban zwei ehe-malige Gefangene aus dem Stammheimer 129b-Verfahren als Zeugen vernommen. So-wohl Mustafa Atalay als auch Ilhan D. drohtetrotz ihres angeschlagenen Gesundheitszu-

    standes Beugehaft bis zu 6 Monaten.Deshalb hat die Prozessbeobachtungsgruppeund das Netzwerk fr die Freiheit der poli-tischen Gefangenen fr diese Tage eine in-ternationale Prozessdelegation organisiert.Erfreulicherweise beteiligten sich insgesamt40 Personen daran, unter anderem die Land-tagsabgeordnete der Linken aus NRW, Ha-mide Akbayir, sowie Menschen aus Belgienund den Niederlanden.Erst vor kurzem wurde das StammheimerUrteil in das Verfahren gegen die drei einge-fhrt. Nun sollten auch die bereits im August2009 (in einem abgetrennten Verfahren) ver-urteilten Mustafa Atalay, der zu 5 Jahren Haftverurteilt wurde, und Ilhan D., der zu 2 Jahren

    und 11 Monaten verurteilt wurde, als Zeugenaussagen. Ilhan war bereits am 6. Juli vordem Gericht als Zeuge befragt worden.Da ihr Urteil mittlerweile rechtskrftig ist undsie somit die ersten mit dem Vorwurf der Mit-gliedschaft in der DHKP-C rechtskrftig Ver-urteilten sind, sollten sie vor Gericht Auskunftber die vermeintliche Organisationsttigkeitvon Nurhan, Ahmet und Cengiz geben.

    Zum Prozessgeschehen:Am 1. September begann die Verhandlungvor dem OLG Dssseldorf mit der Befra-gung zur Vernehmungsfhigkeit des ZeugenMustafa Atalay. Mustafa war ber 17 Jahre intrkischen und deutschen Knsten und ist da-

    bei gefoltert worden. Der Inhalt der Befragungdes zustndigen Sachverstndigen bezogsich auf die Vernehmungsfhigkeit bzw. diedurch die in der Trkei durch Folter verursach-te Herzschwche sowie die posttraumatischeBelastungsstrung von Mustafa. Danach solldie Vernehmungsdauer 20 Minuten nichtberschreiten, da Mustafas Konzentrations-fhigkeit den Belastungen einer richterlichenBefragung nicht lnger stand hlt.Fr die Befragung von Mustafa Atalay wurdeein aus sieben Fragen bestehender Katalogvorbereitet, der dann auch verlesen wurde. ImAnschluss wurden ihm eine Reihe von Fotosgezeigt, die bereits in mehreren Verfahrenbenutzt wurden. Zu den Prozessbeobachtern

    gerichtet, feixte die Bundesanwaltschaft, dassdie Anwesenden die Leute auf den Fotos jakennen wrden. Damit kriminalisierte sie alleZuschauerInnen. Auf Gelchter aus den Rei-hen der Prozessbeobachter_innen reagierteder Richter mit Strafandrohungen: 1000 Euround 1 Woche Haft!

    In der Verhandlungspause wurde eine jungeGenossin von mehreren Gerichtsb...... ange-quatscht. Sie wurde einer versuchten Straf-handlung bezichtigt, weil sie einen Aufdruckauf ihrer Jacke hatte, auf dem A.C.A.B. steht.Sie wurde aufgefordert, diese auszuziehen,bevor sie wieder in das Gebude gehe.

    Nach der Pause verlas der Rechtsanwalt vonMustafa Atalay, Rainer Ahues, einen Antragnach 55, um ein umfassendes Aussagever-weigerungsrecht zu erwirken. Er begrndetedieses mit dem in der Trkei eingeleitetenStrukturverfahren; des weiteren bezog er sichauf den Schutz vor Selbstbelastung. Zudembegrndete er den Antrag mit der gemachtenAussage des aus der Trkei stammendenAnti-Terror-Ermittlers Tutan, der bereits ineinem Stammheimer-Verfahren ausgesagthatte, dass gegen Mustafa Atalay ein solchesVerfahren eingeleitet wurde. Die Bundesan-waltschaft widersprach dem Antrag und fhrteein BGH-Urteil aus dem Jahr 2009 an. Darinwird Mustafa Atalay ein umfangreiches Aus-

    sageverweigerungsrecht abgesprochen.Ilhan D., ein ehemaliger Gefangener, wurdenach kurzer Vernehmung vom 2. Strafsenatentlassen.Die Befragung von Mustafa begann. Ihm wur-den Telefon-Aufzeichnungen vorgespielt, indenen er Stimmen erkennen sollte.Lediglichin einem Fall konnte Mustafa eine Telefon-stimme einer Person zuordnen. Auf Nach-frage erkannte er Cengiz Oban anhand derStimmlage. Diese kenne er, weil ihm dieserbei einer bersetzung in einer sozialen Ein-richtung geholfen habe. Darber hinaus seiihm eine Funktionstrgerschaft von NurhanE., Cengiz O. und Ahmet Istanbullu in der DH-KP-C nicht bekannt. Rechtsanwalt Ahues be-

    merkte, dass die Stimmen auf einer Tonband-Aufzeichnung unverhltnismig seien, dasich mehrere Stimmen akustisch berlagernund so nicht eindeutig zu erkennen wren.Der erste Tag der Vernehmung endete erstnach ber 9 Stunden gegen 17.30 Uhr.Am Donnerstag, den 2.9., wurde Mustafa wei-ter gegen seinen Willen vernommen. NachAuffassung der ProzessbeobachterInnen warMustafa die ganze Zeit auf Grund seines Ge-sundheitszustandens nicht vernehmungsf-hig. Der Prozess wurde im Laufe des Tagesaus gesundheitlichen Grnden unterbrochen,aber nicht wegen Mustafas Zustandes, son-dern weil ein Richter erkrankte.Inzwischen ist bekannt geworden, dass

    Mustafa nicht mehr als Zeuge in dem Verfah-ren erscheinen muss. Durch das Engage-ment der Verteidigung, der InternationalenProzessdelgation und der StandhaftigkeitMustafas ist dieser Teilsieg ermglicht wor-den. Es kann aber nicht von einem um-fassenden Erfolg gesprochen werden, weil

    Internationale Delegation zum Dsseldorf 3-Prozess

    Das wahre Gesicht der Klassenjustiz

    Mustafa trotz seines Gesundheitszustandes 2Tage vor dem Senat erscheinen mute.In der Prozesspause gab es am 1. 9. eineKundgebung vor dem Gericht mit Gru-addressen des Netzwerks Freiheit fr allepolitischen Gefangenen, der Stuttgarter Platt-form Weg mit den 129! Gegen die Krimi-nalisierung von MigrantInnen, der Karawanefr Flchtlinge aus Bremen sowie der RotenHilfe International. Aus einigen Erklrungen

    ziteren wir:

    Mit dem heutigen Prozesstag ist einmal mehrdas wahre Gesicht der Klassenjustiz in derBRD manifestiert worden: Mustafa Atalay undIlhan Demirtas - zwei gesundheitlich schwerangeschlagene Menschen, werden als Zeu-gen vor Gericht geladen, um anhand der bersie gefllten Urteile auch fr die jetzt ange-klagten Nurhan Erdem, Ahmet Istanbullu undCengiz Oban ein Urteil fllen zu knnen.Dass dabei bewusst mit der gesundheitlichenSituation der als Zeugen geladenen gespieltwird, liegt klar auf der Hand: sie sollen auf-grund ihrer misslichen Lage, um eine etwaigeBeugehaft zu umgehen, zu einer Aussage ge-

    zwungen werden. (...)Mit der Vorladung der zwei - die selbst von2006 bis 2009 in Untersuchungshaft saen- erfhrt das Urteil im Stammheimer 129bProzess eine ganz praktische Anwendung aufdieses Verfahren vor dem OLG Dsseldorfund stellt damit einen weiteren Schritt zur Kri-minalisierung von migrantischen Strukturen,wie auch einen weiteren Schritt zur Etablie-rung des 129b dar - Einen weiteren Schrittin der Verfolgung und der geplanten Zerschla-gung von revolutionren Krften - einen wei-teren Schritt zum Ausbau eines Verfolgungs-apparates, der darauf aus ist, fortschrittlicheStrukturen zu schwchen und zu zerschla-gen, um Ausbeutung und Unterdrckung zu

    stabilisieren, aber nicht zuletzt auch um demprivilegierten (Waffen-)Handelspartner Trkeieinen Komplizendienst zu leisten (...). (Netz-werk Freiheit fr alle politischen Gefangenen)

    Dieser internationalen Verfolgung revoluti-onrer Krfte mssen wir unsere internati-onale Solidaritt unter Schulterschluss mitden fortschrittlichen kmpfenden anti-impe-rialistischen, anti-kapitalistischen Strukturenweltweit entgegensetzen. Deswegen sind wirheute hier.(Stuttgarter Plattform Weg mitden 129! Gegen die Kriminalisierung vonMigrantInnen)

    Es ist uns sehr wohl bewusst, dass die Be-

    deutung der 129b-Prozesse gegen Euch inDeutschland, aber auch jene in Belgien oderItalien alle im Kampf gegen Ausbeutung undUnterdrckung kmpfenden Menschen be-trifft.Der 129b, die europischen Gesetzgebungen,Terrorlisten, internationale Haftbefehle sindTeil einer sich international entwickelndenprventiven Konterrevolution, die zum Ziel ha-ben, alles, was sich aus einer fundamentalenKapitalismuskritik heraus bewegt, widerstehtoder organisiert, zu stoppen! Die neue Qua-litt dieses prventiven Charakters ist, dasssie, international organisiert, auch all jene tref-fen soll, die dies benennen, sich solidarisierenund durch nichts abschrecken lassen. (...)

    Auf diese Internationalisierung des prven-tiven Charakters der Repression gibt es nureines: Internationale Solidaritt organisieren,vernetzen - zusammen kmpfen. (Kommissi-on fr eine Rote Hilfe International)

    Redaktion

  • 8/6/2019 Gefangenen Info #357

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    aug./sept. 2010 gefangenen info 9

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    Nostorf/Horst: Seit dem12. September bendensich ber 15 Flchtlinge desFlchtlinglagers in Nostorf/Horst im Hungerstreik. DieFlchtlinge wollen mit ih-rem Hungerstreik gegen

    die menschenunwrdigenLebensbedingungen in dem

    Lager protestieren und auf ihre Lage auf-merksam machen. Ausschlag fr den Hun-gerstreik gab ein afghanischer Flchtling, derber drei Monate in der Einrichtung bleibenmuss. Die Hungerstreikenden hatten am 17.September ihren Protest ffentlich gemacht,indem sie mit Klebeband zugeklebten Mn-dern in der Kantine aufgetaucht waren. (red.)

    Chemnitz: Am 18. Septem-ber strmte die Polizei dasWohnprojekt Reitbahnstra-e 84 und rumte das Haus.

    Ein weiteres Haus amBernsbachplatz 6 wurdeebenfalls gerumt. Der Tr-gerverein des Hauses in derReitbahnstrae hatte sich

    mit dem Eigentmer verstndigt, das Hausbis zum 20. September gerumt zu haben.Daher herrscht auf Seiten des Vereins Ratlo-sigkeit ber die Grnde des Polizeieinsatzes.Zehn Einsatzwagen der Polizei waren im Ein-satz und sperrten fr den Einsatz die Kreu-zung am Bernsbachplatz. Vor Ort wurdenvon Anwesenden die Personalien kontrolliert.(red.)

    Gifhorn: Etwa 200 Men-schen demonstrierten am28. August durch Gifhornim Landkreis Niedersachen,um gegen die unhaltbarenBedingungen azugehen,unter denen die Flchtlingeim Lager Meinersen lebenmssen. Im Vorfeld der

    Demo wurde einigen Flchtlingen damit ge-droht, dass die Beteiligten mglichst schnellabgeschoben werden wrden. Kreistagsab-geordnete und Behrdenangestellte wollenmit verstrkten Abschiebungsmanahmenweiter Druck ausben. Weitere Proteste sindin Vorbereitung. Weitere Information unter:www.thecaravan.org (red.)

    Ulm/Murgtal: Im RaumUlm und Murgtal gab es An-quatschversuche des Ver-fassungsschutzes. In Ulmklingelte eine Beamtin ander Haustr einer Person,die sie der linken Szenezuordnete und fragte nacheinem Austausch ber die

    rechte Szene. Im Murgtal wurde ebenfalls ander Haustr geklingelt und konkret nach einer

    Zusammenarbeit gefragt. In beiden Fllenwurde das Gesprch sofort unterbrochen. ImMurgtal wurden in den letzten Jahren bereitsmehrere Anquatschversuche ffentlich. KeineZusammenarbeit mit Polizei oder Geheim-diensten! (red.)

    Kurzmeldungen bundesweit

    In dieser Ausgabe verffentlichen wir mehrereBriefe von Tommy aus der JVA Leipzig, damitdie Leserinnen und Leser sich ansatzweiseein Bild von ihm machen knnen. Ansatzwei-se heit in diesem Fall, weil unter den herr-schenden Knastbedingungen die Kommu-nikationsmglichkeiten stark eingeschrnktsind. Unsere Aufgabe ist es seit ber 21Jahren, dieses Kalkl der Herrschenden zu-rckzudrngen, damit die Situation in denKerkern berall transparenter wird, damit denGefangenen eine Stimme zu geben, die dieVoraussetzung fr unzensierte ffentlichkeitund Solidaritt ist!Schon im Sommer wurden, also vor demProzess gegen Tommy, in seiner Zelle 3 Aus-gaben des Gefangenen Infos fr 14 Tagebeschlagnahmt und dem VS vorgelegt. Sp-testens seit diesem Zeitpunkt ist unsere Zeit-schrift auch dort den Herrschenden ein Dornim Auge.Tommy wurde am 5.2. dieses Jahres ver-haftet. Inzwischen ist er nach vier Verhand-lungstagen vom Landgericht Leipzig verurteiltworden: 3 Jahre und 6 Monate Haft wegenschwerer Brandstiftung, Strung des ffent-lichen Friedens und versuchtem Diebstahl.Zum Urteil gab es vom Verfassungsschutzlancierte Angriffe in den Ausgaben der Leip-ziger Volkszeitung (LVZ) vom 1.9. und 2.9.gegen die Verteidigung, die Rote Hilfe der OGMagdeburg und das Netzwerk Freiheit fr allepolitische Gefangenen.Die Schnfer bezogen sich auf einen Briefvon Tommy vom 19.7: Ich stehe in Kontakt

    mit der Roten Hilfe OG Magdeburg und er-fahre Untersttzung. Daraus machten siein der LVZ nanzielle und zwischenmensch-liche Untersttzung durch die Genossen derRH Magdeburg.Des weiteren wurde auch der Herausgebe-rInnenkreis dieser Zeitschrift, das NetzwerkFreiheit fr alle politische Gefangenen, ange-griffen, weil wir Tommy auf eine (Gefange-nen-)Liste gemeinsam mit der RAF-TerroristinBirgit Hogefeld fhren.Meine Anwltin (Rita Belter) kmmert sichauch gut um mich erwhnte er in dem be-sagten Brief. Einen Tag spter griff in der LVZder Geschftsfhrer der dortigen ARGE dieVerteidigerin wegen uerungen aus ihremPldoyer an: Wenn berhaupt htte er (Tom-my) die ARGE anznden mssen, denn diehat seine Existenz zerstrt. Vergegenwr-tigen wir uns noch einmal die Praxis dieserEinrichtung, die hug selbst nach brger-lichen Mastben rechtswidrige Bescheideverschickt und damit viele Menschen unterDruck setzt und ihre kargen Existenzgrundla-gen zerstrt. Auf diese Kritik droht die ARGElaut derselben Zeitung vom 8.9. evtl. mit derEinleitung von rechtlichen Schritten gegensie. Engagierte linke RechtsanwltInnen wa-ren und sind fr die herrschende Klasse im-mer ein juristischer und politischer Strfaktor,die daher eingeschchtert und gegebenen-falls ausgeschaltet werden mssen.Was die LVZ und den Verfassungsschutzinsgesamt strt, ist, wie sie es denunzierendausdrcken, die Zuwendung von Teile(n)des linksextremistischen Millieus zu Tommy.Sie geben damit auch zu, dass die fr unsselbstverstndliche Solidaritt mit politischenGefangenen vom Verfassungsschutz beo-bachtet wird.Wir lassen uns durch diese gezielten Angriffedes Staatsschutzes und ihrer medialen Ge-sinnungsjournalistInnen in unserer publizis-tischen Arbeit natrlich nicht abschrecken. Eszeigt sich, wie wichtig Solidaritt ist, um f-fentlichen Denunziationen entgegenzuwirken.Alles Grnde fr uns, warum wir von Tommyneben dem besagten Brief noch zwei weitereauszugsweise abdrucken. (red.)

    Einige Informationen zu Tommy Tank

  • 8/6/2019 Gefangenen Info #357

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    10 gefangenen info aug./sept. 2010

    seite 3 schwerpunkt inland international dossier gefangene feuilleton kurzmeldungen

    Am Mittwoch, den 10. Juni 2009, veranlasstendie rmischen Staatsanwlte Pietro Saviottiund Erminio Amelio ein Ermittlungsverfahren,das zur Inhaftierung von sechs Genossen (ei-

    ner unter Hausarrest) und mehreren Razzienin ganz Italien fhrte. Die Zahl der Verdchtig-ten beluft sich inzwischen auf 15. Virgil undConstatine Manolo Morlachi, die am 18. Ja-nuar 2010 in Mailand festgenommen wurden,waren ebenfalls Betroffene dieser repressivenManahmen.Die acht Genossen sind wegen der Beteili-gung an subversiven Zusammenschlssenund Bildung einer bewaffneten Bande, dieim Ermittlungsverfahren prokommunistischeRoten Brigaden genannt werden, angeklagt.Die verhafteten Genossen benden sich imGefngnis von Siano (CZ). Ziel der Ermitt-lungen, die vom brgerlichen Staatsapparatdurchgefhrt werden, ist die Einschchte-

    rung derer, die eine Vernderung des herr-schenden Systems der Ausbeutung und desRassismus wollen. Wir geben hier einigewichtige Sachverhalte wieder, die der Anwaltvon Morlacchi und Vergilio dem Radio OndadUrto gab: Vom 10. Juni 2009 bis zum 18.Januar 2010 hat sich die Situation der An-geklagten nicht verndert. Sie waren vomAnfang des Verfahrens an unter stndigerpersnlicher und telefonischer Beschnff-lung. Dabei gab es keinerlei Hinweise aufkriminelle Taten oder Fluchtgefahr. Morlac-chi und Vergilio sind aufgrund des 270 desStrafgesetzbuchs angeklagt und werden derMitgliedschaft in einer bewaffneten Bande be-zichtigt. Diese Beschuldigungen lieen sich

    nicht durch die Razzien am 10. Juni erhrtenund nden sich auch nicht im anschlieendenHaftbefehl.Bei der letzten Razzia ergab sich, dass Vir-gilio einige Verschlsselungsprogramme be-sa, die aber im Internet frei zugnglich unddownloadfhig sind und dass die Beschuldig-ten ein Treffen an einem unbekannten Ort ver-einbart haben. Aber das entspricht berhauptnicht dem Vorwurf der Bildung eines subver-siven Zusammenschlusses. Die inkriminiertenSchriftstcke sind:Dreiseitiger Text das zionistische Projekt unddie Rolle Italiens/Leerer Bogen mit berschrift/Zusatz Doku-ment des internationalen, proletarischen Wie-

    deraufbaus/Schriftstck mit dem Titel Keine Unterstt-zung der israelischen Apartheidpolitik, daseine Kritik der Beziehungen zwischen der ita-lienischen Rstungsindustrie und dem israe-lischen Militr enthlt./Abbildungen und Broschren betreffend Anti-

    Imperialismus und Anti-Zionismus auch imHinblick auf eine Veranstaltung in Beirut.Die beschlagnahmten Dokumente haben dieErwgung des Wiederaufbaus einer revolu-

    tionren Vorhut zu Inhalt. Sie beziehen sichauch auf eine marxistisch-leninistische Studi-engruppe, die sich Anfang der 90er Jahre inMailand gebildet hatte und sich schwerpunkt-mig mit Lenins Schrift Staat und Revoluti-on beschftigte.Anwalt Pelazza betont, dass all dieses Mate-rial in keinerlei Hinsicht reicht, um die Genos-sen der Bildung einer kriminellen Vereinigungbeschuldigen zu knnen.Die Verhaftungen erfolgten in Mailand undanschlieend wurden Morlacchi und Vergiliozu Verhren nach Rom gebracht. Mit Hinweisauf die angebliche Bandenbildung wurde denGenossen verboten, Stellungnahmen an dieffentlichkeit zu geben. Wir wissen nur, dass

    sie in einem Hochsicherheitsgefngnis sindund beschuldigt werden Gedankenverbre-chen begangen zu haben. Das haben auchdie rmischen VerteidigerInnen Caterina Ca-lia und Flavio Rossi besttigt.Die Genossen sind nun im Gefngnis Sia-no Catanzaro. Durch ihre Haftbedingungensind sie ausgegrenzt. Es wird sehr schwierigwerden, sie aus den Mhlen der Justiz freizu-bekommen, sagt Anwalt Pelazza. Die Anti-Entfhrungs-/Plnderungs-/Raubverordnungvom Februar 2009 ist eine Vorschrift, die imHinblick auf das organisierte Verbrechengeschaffen wurde. Fr diesen Fall ist esdie rechtliche Begrndung fr die Verhaf-tungenen.

    Die ganze Absurditt der Sache wird am Bei-spiel des sogenannten Geheimtreffens imDezember 2007 sichtbar; die Beschuldigtenhaben sich nicht konspirativ verhalten, son-dern sind offen aufgetreten und haben auchManolo Morlacchis Buch Flucht nach vornffentlich vorgestellt.(...) Das am 10. Juni begonnene Ermittlungs-verfahren passt zum repressiven Kurs undzielt darauf ab, den Kampf der kommuni-stischen und anarchistischen Vorhut lahmzu-legen.Zur Zeit gibt es in Italien Dutzende und Aber-Dutzende kommunistische, anarchistische,anti-imperialistische und anti-faschistischeGefangene. Gegen sie nutzt der Staat all

    seine Mittel, um sie zu brechen und ihre po-litischen Anschauungen zu vernichten. Hun-derte von Jahren Haft hat er angeordnet,damit die Gefangenen isoliert und hundertevon Kilometern von ihren Familien entferntsind. Das geschieht in einem abgestuftenSystem der Strafen/Haftbedingungen durch

    Zur Repression in Italien

    verschrfte Sicherheitsberwachung lt. 41.Zusatzparagraph des Strafgesetzbuchs.Durch die Anwendung dieser Manahmen imletzten Sommer (Sicherheitspaket = pacchet-to sicurezza) haben sich einschneidende n-derungen der Strafvorschriften ergeben.Die Gefangenen sind Betroffene eines spe-ziellen Haftsystems, das sie auch im Knastausgrenzt, zumal sie vorzugsweise auf ab-gelegenen Inseln oder in Gefngnisabtei-

    lungen, die unter der Bewachung von Spe-zialeinheiten stehen, festgehalten werden.Der brgerliche Staatsapparat veranlasst Ge-fngnisneubauten oder erweitert bestehendeKnste, um diejenigen, die mit revolutionrenZielen gegen das Bestehende kmpfen, weg-schlieen zu knnen. Die Errichtung neuerGebude geht Hand in Hand mit der Durch-setzung des Zusatzparagraphen 41 und desHochsicherheitssystems (AS), wie in Suloma,Asti, Allessandria, Voghera, Opera, Carinola,Catanzaro. Zwei neue Gebudeteile wurdenauch in den Knsten von Cagliari und Sassarierbaut. All dies ist Bestandteil der Plne derGefngnisverwaltung(en), um ein System derAbsonderung bestimmter Hftlinge zu instal-

    lieren.Der Straburger Gerichtshof hat den CircuitEIV-High Surveillance Indicator, der sich alszweite Stufe der AS-Manahmen beschrei-ben lsst. Dadurch sollen die Maa-Hftlingewie auch solche, die als Terroristen be-zeichnet werden, von den brigen Gefange-nen getrennt werden.Durch die Einfhrung des 41bis gibt es fr dieGefangenen auch Beschrnkungen des Kon-takts mit ihren Anwlten und Familien: StattVier-Augen-Gesprchen gibt des nur nochTelefonkontakt. Dabei gibt es ein Limit vondrei Kontakten pro Woche fr die Anwlte undeinen fr Familienangehrige. Gefangenedrfen sich hchstens zu viert versammeln

    und das auch nur fr hchstens 2 Stunden amTag; so werden soziale Kontakte (auch schonz.B. gemeinsames Kochen) beschrnkt. Wereinem Gefangenen, der den o. g. Vorschriftenunterliegt, jedwede Kommunikation (auch z.B.Leserbriefe an Zeitungen) ermglicht, wirdmit einer Strafe von einem bis zu fnf Jahrenbedroht. Zustndig fr die Durchsetzung derVorschriften des 41. Zusatzparagraphen istnicht mehr das Verfassungsgericht (Survail-lance Court Jurisdiction), nur noch das Ge-richt in Rom.Die Gltigkeitsdauer des 41bis wurde extremverlngert: Zunchst betrug sie ein bis zweiJahre, verlngerbar um ein Jahr; jetzt dauertsie vier Jahre, verlngerbar um zwei Jahre.

    Prozesse werden als Videokonferenz abge-halten. Das Recht auf Verteidigung ist erheb-lich beschnitten; politische Erklrungen kn-nen nicht mehr abgegeben werden.Durch die Hochsicherheitsmanahmen istdas vormalige Gesetz (Circiut EIV) in das AS-System bergegangen. Dieses besteht ausdrei Stufen: AS1 , AS2, AS3, ...Trotz allem setzten die Genossen ihren poli-tischen Kampf fr die Entwicklung einer revo-lutionren Perspektive fort.

    Freiheit fr die politischen Gefangenen!Klassensolidaritt mit der gesamten revoluti-onren Avantgarde!Gegen den Angriff der brgerlichen Repres-

    sion!Fr den Aufbau einer Einheitsfront gegenUnterdrckung!

    (Gruppe der) Genossen fr den Aufbau derRoten Hilfe in Italien

  • 8/6/2019 Gefangenen Info #357

    11/20

    aug./sept. 2010 gefangenen info 11

    seite 3 schwerpunkt inland international dossier gefangene feuilleton kurzmeldungen

    Holland: Am 03. Augustwurde Renata Zelazna zu117 Tagen Haft und einerGeldstrafe von 300 Euroverurteilt. Sie wurde nachUrteilsverkndung sofortentlassen. Renata ist eine

    polnische Anarchistin, dieseit April 2010 im Knast in

    Holland festgehalten wird. Ein Streit mit Bau-arbeitern war fr die Polizei Grund in ihreWohnung einzudringen. Als die Beamten aufsie losgehen wollten, hielt Renata ein Mes-ser, mit dem sie Gemse geschnitten hatte,schtzend vor ihren Krper. Dafr wurde Re-nata wegen versuchten Mordes angeklagt.www.free-renata-zelazna.webs.com (red.)

    Iran: Unabhngige Gewerk-schaftsaktivisten werdenmassiv unterdrckt. Man-sour Osanloo (Foto), ein

    Sprecher der Gewerkschaftder Arbeiter und Busfahrervon Teheran, muss ein wei-teres Jahr ins Gefngnis, daihm vom Gerichtshof unter-

    stellt wurde, dass er Verbindungen zu illega-len Oppositionsgruppen htte. Mehdi FarahiShandiz bendet sich bereits seit dem 1. Juli2010 im Gefngnis, nachdem er bei einer De-monstration festgenommen worden war undin einem dafr berhmten Gefngnis gefoltertwurde. Gegen einen weiteren Gewerkschaf-ter, Abdolreza Ghanbari, wurde ein Todesur-teil verhngt. (red.)

    USA: Verschiedene Or-ganisationen rufen dazuauf, Kevin Rashid JohnsonBriefe zu schreiben. Rashidist Verteidigungsminister derNew Black African PantherParty und ist im Red OnionState Prison in Virginia ein-gesperrt, wo er schweren

    Haftbedingungen ausgesetzt ist. Seine Postwird ihm nur unregelmg ausgehndigt, erbekommt keine medizinische Versorgungund wird regelmig von den Wrtern trak-tiert. Weitere Informationen unter:www.torontoabc.wordpress.com (red.)

    Spanien: Javi Garcia Vic-toria, Aktivist der PCE(r)(Kommunistische ParteiSpanien [Wiederaufgebaut])wurde am 14. September2010 nach beinahe achtJahren aus seiner Haft ent-lasssen. Er wurde am 26.November 2002 bei einer

    Razzia gegen Mitglieder der PCE(r) und derRoten Hilfe International, zusammen mit 24weiteren Personen verhaftet und zu 6 JahrenHaft verurteilt. Ende 2005 kam er kurzzeitig

    aus dem Gefngnis, musste aber aufgrundeines neuen Erlasses nochmal ins Gefng-nis. Anfang 2009 war er wegen Auseinander-setzungen mit Wrtern zu weiteren 6 Mona-ten Haft verurteilt worden. (red.)

    Kurzmeldungen international

    Am 19. Juni 2010 haben wir den Beginn einerLangzeitkampagne fr die Befreiung der poli-tischen Gefangenen angekndigt, die nunmehrschon mehrere Jahrzehnte Gefangenschafthinter sich haben und die noch nicht befreit

    wurden, weil sie ihre revolutionre Identittweiterhin verteidigen. Je enger die Spirale derKrise wird, desto entschlossener wird die Re-aktion des Staates bzw. seiner Repressionsor-gane gegen alles, was sich bewegt, widerstehtoder sich organisiert. Ob gegen die Mobilisie-rung auf den Strassen, gegen die Kmpfe derArbeitenden oder gegen die Kmpfe in denUniversitten oder jene der Papierlosen.Der staatliche Fanatismus wendet sich gegenjene, die ihre Gefngnisstrafe nun schon abge-sessen haben. Der unbezwingbare Charakterdieser politischen Gefangenen und das, wassie ausdrcken, nmlich dass Widerstand nichtnur notwendig sondern mglich ist, muss, nachder brgerlichen Justiz, in der Isolierung derKnste eingesperrt bleiben.Diese Tendenz ist weltweit ersichtlich. In Euro-pa ist wahrscheinlich der spanische Staat daswichtigste Beispiel. Es hat dort schwerkrankepolitische Langzeitgefangene, die nicht befreitwerden und andere, die dank den neuen Ge-setzen kurz vor ihrer Freilassung noch lngerweggesperrt werden: Die Hchststrafe wirdvon diesen neuen Gesetzen erhht und befrei-te Gefangen werden retroaktiv von neuem ein-gesperrt! Auch in anderen europischen Ln-dern wie Frankreich und Italien ffnen sich frunsere GenossInnen, nach langen Jahren imGefngnis, die Tren nicht ohne einen Kampfum sie freizubekommen.Whrend im Rahmen dieser Kampagne dieersten Unterzeichnungen zum Aufruf und mi-litanten Initiativen stattnden, wird die Kom-mission fr eine Internationale Rote Hilfe vierbesondere Situationen in den Vordergrundstellen:

    Neuigkeiten zur KampagneLangzeitgefangene

    - Marco Camenisch (Grn-

    anarchist), seit 2002 in

    Schweizer Gefngnissen

    gefangen, nachdem erschon 12 Jahre zwischen

    1980 und 2002 in der

    Schweiz und in Italien ge-

    sessen hat.

    - Georges Ibrahim Abdallah

    (Kommunist), seit 1984 in

    den Gefngnissen Frank-

    reichs gefangen, knnte

    seit 1999 legal befreit wer-

    den.

    - Mumia Abu Jamal (BlackLiberation), seit 1981 in den

    USA gefangen und, seit

    1983, im Todestrakt von der

    Todesstrafe bedroht.

    - Xaime Simn Quintela

    Moreno (Kommunist),

    seit 1985 in den Knsten

    des spanischen Staates ge-

    fangen, und hat vor Ablauf

    von 30 Jahren Knast keine

    Aussicht auf Befreiung.

    Die Wahl dieser Gefangenen wurde wegen ih-rer beispielhaften Situation getroffen um denfrheren internationalen Kampagnen der Kom-mission fr eine IRH eine Kontinuitt und Aus-weitung zu geben. Selbstverstndlich knnenalle an dieser Kampagne teilnehmenden Krf-te andere revolutionre Langzeitgefangene inden Vordergrund stellen - an besonderen Fl-len mangelt es, leider!, nicht. Wir teilen auchmit, dass, wegen ihrer besonderen nationalenpolitischen Agenda, bestimmte der an derKampagne teilnehmenden Krfte nicht den 19.sondern den 18. September zur Interventiongewhlt haben.Solidarisieren wir uns mit den politischen Lang-zeitgefangenen, die sich der Herrschaft desbrgerlichen Staates nicht gebeugt haben undvereinen wir uns im Kampf fr ihre Freiheit!

    Wir sind nicht alle - es fehlen die Gefangenen!Freiheit fr alle politischen Gefangenen!

    Kommission fr eine Internationale Rote HilfeBrssel-Zrich, August 2010

    19. SEPTEMBER INTERNATIONALER TAGDER SOLIDARITT

    UNTERSCHREIBT DEN AUFRUF

    SCHLIESST EUCH DER LANGZEITKAMPA-GNE AN

    MIT EUREN POLITISCHEN GEFANGENENUND IHREN SITUATIONEN

  • 8/6/2019 Gefangenen Info #357

    12/20

    Gefangenen Info:

    Aus der Trkei gibt esimmer wieder Nach-richten ber massive

    Angriffe gegen die politischen Gefan-genen, bei denen esnicht selten Tote gibt.Gleichzeitig gibt esimmer wieder Nach-richten ber harte Ge-fangenenkmpfe. Ha-ben Repression undWiderstand in den tr-kischen Knsten einelange Tradition?

    Antwort: In denKnsten der Trkeihat es in jeder Phase

    Repression und dagegen den Widerstand derrevolutionren Gefangenen gegeben. Wederdie Repression noch der Widerstand haben

    jemals geendet. Die Kerkerpolitik, ich meineFolter, Ermordung, zur Kapitulation zwingenund Isolierung, die der Staatsapparat derTrkei vom Osmanischen Reich geerbt hat,war immer das Fundament der Gefngnis-politik des Staates gewesen. Und dagegenhaben oppositionelle Krfte, Linke, Revoluti-onrInnen und PatriotInnen individuell oderorganisiert Widerstand geleistet.

    GI: Welche Rolle haben die Militanten ausder revolutionren Bewegung gespielt, die imLaufe des Kampfes in Gefangenschaft gera-ten sind? In welchem Mae haben sie denWiderstand in den Knsten beeinusst?

    A: Der Widerstand hat in verschiedenen Zeit-

    abschnitten mit unterschiedlichen Formen

    angedauert. Grundlage hierfr war nicht zukapitulieren, sondern Widerstandsfelder zuerschaffen. In den 70er und 80er Jahren, undauch in den Jahren darauf, hat der Staat hun-derttausende Menschen eingesperrt. In den70ern haben Revolutionre wie Deniz Gez-mis, Mahir Cayan und Ibrahim KaypakkayaWiderstand gegen die Folter geleistet. DenizGezmis und zwei seiner Genossen wurden1972 hingerichtet, doch kapitulierten sie nicht.Mahir Cayan und neun seiner Genossenwurden bei einer Aktion zur Befreiung DenizGezmis und seiner Genossen 1972 ermordet.Ibrahim Kaypakkaya wurde 1973 durch Fol-ter ermordet, ebenfalls ohne sich brechen zulassen.

    In den 80ern, whrend die Knste nach demPutsch zu Militrgefngnissen umfunktioniertwurden, haben revolutionre Gefangene ausder Devrimci Sol (Revolutionre Linke) dasIstanbuler Metris Gefngnis in eine Wider-standsbastion verwandelt.In dieser Phase haben die Gefangenen ausder Devrimci Sol teils alleine und teils ge-meinsam mit anderen Gefangenenkollektivenverschiedene Widerstandsaktionen organi-siert. Eine dieser Aktionen war ein 75-tgigesTodesfasten im Jahr 1984, bei dem drei Ge-fangene aus der Devrimci Sol und ein Gefan-gener aus der TIKB (Trkische RevolutionreKommunistische Union) starben. Nach dieserAktion zog der Staat die Gefngniskleidung

    zurck, die er zuvor zum Brechen der Ge-fangenen auf die Agenda gebracht hatte. Inden folgenden Jahren fhrten revolutionreGefangene mehrere erfolgreiche Aktionen zurGefangenenbefreiung durch. Auch vor denGerichten haben die revolutionren Gefange-nen politisch fr ihre Rechte gekmpft.

    12 gefangenen info aug./sept. 2010

    seite 3 schwerpunkt inland international dossier gefangene feuilleton kurzmeldungen

    Es gab immer Repressionund Widerstand in den Knstender Trkei

    GI: Welchen Faktor stellen die Gefangenen-kollektive in den Knsten fr die revolutionreBewegung dar?

    A: Fr die Etablierung der Widerstandstradi-tion in den Knsten der Trkei sind die Ge-fangenenkollektive verantwortlich. Gbe esdiese Kollektive nicht, dann gbe es diese Wi-derstnde nicht. Das tgliche Programm derrevolutionren Gefangenen, ihre Schulung,

    ihr kulturelles, politisches sowie ideologischesSchaffen, der Widerstand gegen Repressionund die Befreiungsaktionen wurden von die-sen Kollektiven organisiert. Dank dieser Or-ganisierungen liefen die Angriffe des Staates,die Gefangenen zu brechen, ins Leere.Das Leben im Knast wurde entsprechend dersozialistischen Ethik und Kultur, entsprechenddes sozialistischen Lebens gemeinsam undkollektiv organisiert.JedeR RevolutionrIn, die in den Knast ge-sperrt wurde, lernte dort den Widerstandkennen und verlie diesen mit politischemWissen. Die Gefangenenkollektive, die unter-einander vernetzt waren, hat es in so ziemlichallen Knsten der Trkei gegeben.

    Die Organisierungen der revolutionren Ge-fangenen beunruhigten den Staat, welcherin den Knsten die Repression steigerte undMassaker durchfhrte. Die Zahl der Gefan-genen, die in den 30 letzten Jahren ermordetwurde, geht in die Hunderte.

    GI: Die Einfhrung von Isolationsgefngnis-sen nach Typ Stammheim sollte ebenfallsdazu dienen, die Gefangenenkollektive zuzerschlagen. Was kannst du uns dazu sagen?

    A: Der Staatsapparat hat 2000 die F-Typ Ge-fngnisse eingefhrt, um den Widerstand unddie Organisierungen in den Knsten zu bre-chen. Bei der Zwangsverlegung im Dezember

    2000 wurden 28 Gefangene brutal ermordet,indem sie gefoltert, erschossen und sogar le-bendig verbrannt wurden. Die revolutionrenGefangenen haben sich mit einem sechs jh-rigen Todesfastenwiderstand gegen die Iso-lations- und Vernichtungspolitik des Staatesgewehrt.Das Ziel des Staates war es, mit den als F-Typen bezeichneten Isolationsgefngnissendie revolutionren Gefangenen zur Kapitulati-on zu zwingen und die Gefangenenkollektivezu zerschlagen. Aufgrund des Widerstandesblieben diese Absichten des Staates fruchtlos.Die Gefangenen haben ihren Widerstand undihre Organisierungen auch in den Zellen amLeben erhalten. Sie haben ihr kulturelles und

    ideologisches Schaffen, ihr kollektives Lebenweiterhin organisieren knnen.Wie bekannt ist, hat der Todesfastenwider-stand in den Knsten und drauen bersechs Jahre angedauert, bis sich der Staatmit einem Erlass hinsichtlich der Einschrn-kung der Isolation dem Widerstand gebeugthat. 122 Menschen sind gestorben. Da dieIsolationsfolter in den F-Typen andauert, setztsich der Widerstand dagegen heute noch fort.

    Anmerkungen: Einige linke Krfte sprechen von Vatansever (Patrio-tInnen), wenn damit AnhngerInnen des nationalen Be-freiungskampfes des kurdischen Volkes gemeint sind.

    Deniz Gezmis, Mahir Cayan und Ibrahim Kaypakka-ya waren Mitbegrnder der kommunistischen Organi-sationen THKO (Volksbefreiungsarmee der Trkei),THKP-C (Volksbefreiungspartei-Front der Trkei) undder TKP(ML) (Kommunistische Partei der Trkei [Mar-

    xistisch Leninistisch]).

    Ein Gesprch ber Gefangenenkollektive in den Knsten der Trkei mit einem ehema-ligen revolutionren Gefangenen, der nach dem Militrputsch vom 12. September 1980in der Trkei viele Jahre inhaftiert war.

    Bilder, die sich in die Erinnerungen einbrannten:

    Das Gefngnismassaker vom 19. bis 22. Dezember 2000

  • 8/6/2019 Gefangenen Info #357

    13/20

    aug./sept. 2010 gefangenen info 13

    seite 3 schwerpunkt inland international dossier gefangene feuilleton kurzmeldungen

    Trkei/Kurdistan: Wh-rend die PKK sich an einenbefristeten Waffenstillstandhielt, wurden Ende Augustneun Mitglieder der PKK beieiner Militroperation ge-ttet. Die darauffolgenden

    Protestdemonstrat ionenwurden mit harter Repres-

    sion beantwortet: Unter anderem ein 13 jh-riger Jugendliche wurde schwer verletzt. DiePolizei schoss mehrmals in die Luft, um dieMenge zu zerstreuen und nahm einige Ver-haftungen vor. Kurz darauf wurden 13 Mit-glieder der PKK, die im Irak stationiert waren,an trkische Sicherheitsbeamte ausgeliefert.(red.)

    Trkei: Am 10. August 2010wurde der in der Trkeibekannte Schriftsteller Do-gan Akhanli am Flughafen

    in Istanbul verhaftet, da er1989 an einem Bankberfallbeteiligt gewesen sein soll.Dogan Akhanli war nachdem Militrputsch von 1980

    im Untergrund. Von 1985-1987 war er alspolitischer Hftling im Militrgefngnis vonIstanbul inhaftiert und wurde dort gefoltert. Eroh 1991 nach Deutschland, wurde hier alspolitischer Flchtling anerkannt und sptervon der Trkei ausgebrgert. Seit Mitte der90er Jahre lebte er als Schriftsteller in Kln.(red.)

    Chile: Mitte August wur-

    den 14 Personen bei einemgro angelegten Repres-sionsschlag gegen dieanarchistische und anti-autoritre Bewegung inChile verhaftet. Ihnen wirddie Mitgliedschaft in einerterroristischen Vereinigung

    vorgeworfen, sowie an zahlreichen Brand-und Sprengstoffanschlge beteiligt gewesenzu sein. Im Rahmen des Ermittlungsverfah-rens werden auch Verbindungen nach Italienund andere Lnder hergestellt. Mittlerweilebenden sich sechs Personen unter Auagenwieder auf freiem Fu. (red.)

    Kolumbien: Am 19. Augustwurden sieben Guerillerosder ELN (Nationale Befrei-ungsarmee) von der Armeegettet. Dies geschah imLaufe einer militrischenOrtungsaktion der kolum-bianischen Armee. Beidiesem Angriff ist auch ein

    Waffenarsenal der ELN seitens der Armeebeschlagnahmt worden. Die kolumbianischeArmee fhrt seit einigen Wochen bestndigLuftberwachungsmanahmen durch. Ziel

    dieser Aktionen ist es, Lager der ELN aufzu-spren und Guerilleros zu lokalisieren. We-nige Tage zuvor hatten sich sieben mutma-liche ELN-Mitglieder der kolumbianischenArmee gestellt. (red.)

    Kurzmeldungen international

    Am 12. Juli haben 32 politische Mapuche-Ge-fangene einen Hungerstreik begonnen, der

    bis heute anhlt. Sie hatten bereits zu Beginndes Hungerstreiks angekndigt, diesen biszur Erfllung ihrer Forderungen durchzuhal-ten.Die Mapuches sind das zahlenmig grteindigene Volk Chiles und reprsentieren 6,6Prozent der Gesamtbevlkerung von 16 Milli-onen Einwohnern. Seit der Pinochet-Diktatur(1973-1990) muten sie bzw. ihre Siedlungs-gebiete mehr und mehr den sich ausbreiten-den groen Plantagen der Zellstoffkonzerneweichen, die sich zu zwei Dritteln auf ehema-ligem Mapuche-Gebiet benden.Auch Bergbau- und Erdgasprojekte habenzum Landverlust der Mapuche beigetragen,so beispielsweise in der Nhe des Lleu-Lleu-

    Sees. Seit vielen Jahren gibt es im Haupt-siedlungsgebiet der Mapuche um den FluBo Bo Auseinandersetzungen zwischenindigenen AktivistInnen und den staatlichenSicherheitsorganen.Da immer mehr Mapuche in Gefngnissenweggesperrt und von Militrgerichten verur-teilt werden sowie keine reelle Chance aufeine territoriale Selbstbestimmung besteht,breiten sich die Proteste aus. Dieser zuneh-mende und sich radikalisierende Widerstandist mit einer immer schrfer werdenden Re-pression von staatlicher Seite konfrontiert.Um sich eine Stimme zu verleihen, auf ihreSituation aufmerksam zu machen und ihremKampf fr Autonomie Nachdruck zu verlei-

    hen, haben 32 der Mapuche-GefangenenMitte Juli des Jahres ihren Hungerstreik be-gonnen. Mitte August waren kurzzeitig ber50 Mapuche an dem Hungerstreik beteiligt.Seit Mitte September setzen 36 Gefangeneden Hungerstreik fort.Die hungerstreikenden Gefangenen wurden

    mit Hilfe des Anti-Terror Gesetzes, das nochaus der Zeit der Pinochet-Diktatur stammt,

    teilweise zu langjhrigen Haftstrafen veru-teilt. Die diesbezglichen Vorwrfe und De-likte lauteten u.a. Bildung einer kriminellenVereinigung, Brandstiftung, illegale Land-nahmen.Dieses sog. Anti-Terror-Gesetz erlaubt esdem Staat somit ganz traditionsgem,willkrlich gegen AktivistInnen oppositionellerBewegungen vorzugehen und hohe Strafengegen diese zu verhngen. Zum Beispielkann die Untersuchungshaft ohne Grund ver-lngert werden, Verteidiger daran gehindertwerden, die Ermittlungsergebnisse einzuse-hen oder es kann die Identitt von Zeugengeheim gehalten werden. Und im Falle ei-ner Verurteilung kann die Strafe verdreifacht

    werden. Es gibt keine genaue Denition vonTerrorismus, was wahrscheinlich genau derGrund ist, warum dieses Gesetz in 90% derFlle auf Mapuche angewendet wird.Doch der Protest beschrnkt sich nicht aufden Kampf gegen dieses Anti-Terror Gesetz.Einer der beteiligten Hungerstreikenden cha-rakterisierte ihren Protest folgendermaen:Wir wehren uns gegen den Versuch derRegierung, die gerechten Forderungen derMapuche-Gefangenen vor der ffentlichkeitzu verschweigen. So sollen die Forderungender Mapuche bekannt gemacht und verbreitetwerden.Der Kampf gegen die Militarisierung derSiedlungsgebiete, in denen die Mapuche fr

    ihre Rechte einstehen, ist ebenso ein Teil derForderungen. Wie auch die Forderung nachdem Ende des willkrlichen Staatsterrors undder zgellosen Gewalt gegen die Mapuche.So kommt es wie zu Zeiten der Diktatur beiDurchsuchungen und Razzien immer wiederzu Mihandlungen, Bedrohungen und Belei-digungen von Angehrigen der Mapuche allerGenerationen.Im Zuge des Hungerstreiks wurden die Haft-bedingungen, denen die Mapuche ausgesetztsind, weiter verschrft, um ihren Widerstandzu brechen. Staatsanwltin Mnica Maldona-do beschrieb die aktuellen Haftbedingungenfolgendermaen: Einzelhaft in verdunkeltenZellen und Versuche, die Inhaftierten zwangs-

    zuernhren.Einige Abgeordnete der Sozialistischen Par-tei hatten sich solidarisch erklrt und schlos-sen sich kurzzeitig dem Hungerstreik an. Da-mit wollten sie das repressive Vorgehen desStaates anprangern. Der chilenische Staatstellte sich aber ein weiteres Mal gegenberKritik taub und trieb seine repressive Politikunvermindert fort.So ist auch zu vermuten, dass das Einge-stndnis des Prsidenten, dass seit Dekadendie Mapuche unterdrckt werden, nur einetaktische uerung war, um das Ansehendes Landes angesichts der 200 Jahr Feier-lichkeiten, die Mitte September stattfanden,nicht zu gefhrden. (red.)

    Weitere Informationen unter:www.de.mapuches.org

    Hungerstreik derMapuche-Gefangenen in Chile

    Kundgebung in Hamburg

    Kundgebung in Brssel

  • 8/6/2019 Gefangenen Info #357

    14/20

    14 gefangenen info aug./sept. 2010

    seite 3 schwerpunkt inland international dossier gefangene feuilleton kurzmeldungen

    Wir, Billy, Costa, Silvia und Marco, revoluti-onre koanarchistInnen in Geiselhaft desSchweizer Staates, haben entschlossen ei-

    nen individuell unterschiedlich langen (15-20Tage) kollektiven Hungerstreik vom 10. bisEnde September 2010 durchzufhren.Wegen den umstndehalber bestehendenBegrenzungen und Verzgerungen der Kom-munikation, die unter uns drei in U-Haft sogarim totalen Kommunikationsverbot bestehen,ist die Abmachung und Organisierung dieserInitiative schwierig und vielleicht nur in derFolge werden ausfhrlichere auch individuelleNachrichten, Besttigungen und Erklrungenmglich sein*.Aber als revolutionre AnarchistInnen wollenwir von hier drinnen hiermit entschlossen un-sere internationalistische solidarische Teilnah-me jenseits jeglicher spezischen Tendenz an

    den revolutionren Initiativen und Kmpfendrinnen und draussen gegen Repression,Knast, Isolation, Folter bekrftigen.Wir stehen fr die Befreiung aller Geiseln imsozialen und revolutionren Krieg gegen dasSystem, fr die Befreiung aller, fr die Zer-strung aller Knste und Gehege und allerGesellschaften, die sowas ntig haben. Indiesem Sinne erklren wir auch unsere totaleUntersttzung und Solidaritt fr die neulichentstandenen Befreiungskampagnen fr lang-zeitgefangene RevolutionrInnen.Unsere Initiative ist Kontinuitt im Kampf ander Seite aller, die diesen immer schrferenund brutaleren gesellschaftlichen, wirtschaft-lichen, politischen und kologischen Krieg

    und Krisenzustand nie nur erdulden wollten.Unsere Initiative ist auch Ausdruck der Kon-tinuitt unserer langjhrigen starken, soliden,afnen und kmpferischen Beziehungen alsgrne/antizivilisatorische AnarchistInnen.Als solche sind wir gemeinsam gegen jedenStaat, Pfaffen und Herrn, gegen jeden Knastund jede Repression, gegen jegliche Ausbeu-tung des Menschen durch den Menschen, derFrauen durch die Mnner, der anderen Spezi-es und der Natur durch den Menschen.Wir sind auch untereinander und mit Leutenaus anderen Erfahrungen vereinigt im radi-kalen Kampf gegen die Schdlichkeiten undZerstrungen dieses System und natrlichgegen dieses System, das sie verursacht undntig macht. Das heisst gegen dieses beste-hende techno-wissenschaftliche industrielleProduktions-, Konsumismus- und Warensy-stem des Kapitalismus, gegen dieses mono-polistische und imperialistische System derMultis und ihrer Staaten.Ob es nun seine alten oder innovativen Schd-

    lichkeiten und Zerstrungen sind. Und auchwenn sie von der typisch betrgerischen Ar-roganz der Herrschenden und ihrer Lakaien,

    das heisst von den Wissenschaftern, Medien,PolitikerInnen, Bullen, Pfaffen und Organisati-onen auf der Lohnliste der Herrschenden oderihres pseudo-demokratischen Dialog-Thea-ters einen humanitren und umweltvertrg-lichen Anstrich erhalten und als notwendigerklrt werden. Wie das z. b bei Nano- und Bi-otech, GVO, alternative Energien und sogarAtomkraft eben der Fall ist! Und auch wenndieser imperialistische, kriegstreiberischeund global terroristische Abschaum der Herr-schenden und ihre KomplizInnen und Institu-tionen kann uns Vandalen, TerroristInnen,ko-TerroristInnen, etc. nennt, sobald unserDissens und Widerstand und unser Kampf freine Gesellschaft aus freien und autonomen

    Individuen ohne Sklaverei, Unterdrckung,Ausbeutung und Zerstrungen real wird!Wir sind also Menschen, die gegen die ur-sprnglichen Wurzeln dieses aktuellen Sy-stems grundlegend kritisch sind und kmp-fen, weil dieses System ist der am weitestenfortgeschrittene, vollstndigste und zerst-rerischste Ausdruck der jahrtausende altenanthropozentrischen Zivilisation. Denn dieseZivilisation ist technologische und industrielle(Produktion/Konsum) Herrschaft, ist patriar-chale Abrichtung, ist soziale Schichtung undKontrolle, ist massenweise Einsperrung inStdten, ist Ausbeutung, ist Unterdrckung,ist organisierte Gewalt und Krieg des Men-schen gegen den Mensch, des Mannes ge-

    gen die Frau, des Menschen gegen die ande-ren Spezies, des Menschen gegen die Naturund gegen den Rest des Universums.Abschliessend, aber sicher nicht als Letztes:diese Initiative ist auch ein komplizenhafter,solidarischer und aktiver Beitrag und Grussan alle euch RevolutionrInnen jeder Ten-denz, die ihr uns allein oder vereint und hierund jetzt mit eurer solidarischen, freien undwahren revolutionren Liebe untersttzt undgegen jeden Ausdruck des Monsters Staatund Kapital kmpft: und zwar mit euren Initia-tiven, mit der Kontinuitt und Verstrkung desrevolutionren Widerstandes, mit der revoluti-onren Offensive, sei es am Lichte der Sonneoder der Sterne oder des Mondes, mit allennotwendigen Mitteln.

    Zusammen sind wir stark, Solidaritt ist unse-re beste Waffe!

    7. September 2010, aus dem Knast Schweiz,Billy, Costa, Silvia und Marco

    Schweiz: Hungerstreikerklrung

    Im Juni haben wir mit der Diskussion und Or-ganisierung dieser Initiative begonnen. Kurzdanach verfgte die Bundesanwaltschaftdie bekannten feigen Verschrfungen derpolitischen und persnlichen Kommunikati-

    onsblockade mit Silvia, Costa e Billy, in derblichen Vernichtungs- und Isolierungslogikeines grundlegend rassistischen und faschi-stischen, kapitalistischen und imperialis-tischen Schurkenstaates der Multis, und hiererinnere ich daran, dass nur schon die GenferPrivatbanken 10% des weltweiten Privatver-mgens verwalten. Nur schon der Vorwandgegen diese Aggression auf die Integritt undIdentitt der drei GenossInnen ist ein schwer-wiegender Akt der Diskriminierung. Genaudas ist es in einem Schurkenstaat, der sichdoch seiner vier amtlichen Landessprachen,darunter auch Italienisch, so sehr rhmt, undals Begrndung seines Angriffes die Mengean italienischer Korrespondenz heranzieht,

    die ins Deutsche bersetzt werden msse.Keinesfalls berraschend ist auch, dass ir-gendein Bulle der Bundes-Repression ausniedriger politischer Feindseligkeit und Re-pressalie willkrlich die Korrespondenz zwi-schen den Dreien und einer Genossin derRoten Hilfe International aus der Schweiztotal blockiert, weil sie sich auch zu ihrer Un-tersttzung ffentlich einsetzt, und zwar invorderster Front, praktisch und sehr wirksam.Die Kommunikationsblockade heisst prak-tisch, dass, falls denn die Briefe nicht totalblockiert werden, ich erst nach einem biseineinhalb Monaten eine Antwort erhalte. Sowur