Gefangenen Info #363

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  • 8/3/2019 Gefangenen Info #363

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    gefangenen infounsere solidaritt gegen ihre repression

    juli/august 2011 nr. 363 preis brd: 2 preis ausland: 2,70 www.gefangenen.info

    ber den Mord anSlieman Hamade in Berlin

    Ende des 278a Prozessesin sterreich

    Zur aktuellen Situation vonLeonard Peltier

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    Liebe Leserinnen und Leser,

    leider haben sich erneut auch in der letzten Ausgabe des Gefangenen Infos einpaar Fehler eingeschlichen. Fr einen mchten wir uns gleich zu Anfang ent-schuldigen: Wir haben im Inhaltsverzeichnis der letzten Ausgabe den Brief vonAndre Borris M.A. Moussa Schmitz angekndigt und dann aus Platzgrnden dochnicht abgedruckt. Dafr mchten wir uns an erster Stelle bei dir, Andre, ent-

    schuldigen. Wir haben das jetzt nachgeholt.

    Nun zur aktuellen Ausgabe:

    Den Schwerpunkt dieser Ausgabe bildet ein berblick zu dem Haftantritt der Ver-urteilten im mg Prozess. Die Revision im Verfahren gegen Axel, Florian und Oliverwurde Anfang Juli vom Bundesgerichtshof verworfen und die drei kurz daraufzum Haftantritt geladen. Mit dem Beitrag mchten wir gleich die Chance nutzenum auf die geplanten Soliaktivitten hinzuweisen: In den nchsten Wochen sollendie Gefangenen verlegt und im Zuge dessen soll entschieden werden, ob sie in denoffenen oder in den geschlossenen Vollzug kommen dazu ruft das NetzwerkFreiheit fr alle politischen Gefangenen zu Soli-Aktionen auf. Darber hinaus sindMitte Oktober weitere Aktionen geplant, die auch anlsslich des 2. Jahrestagesder Urteilsverkndung stattfinden werden.

    Informiert euch, beteiligt euch und zeigt euch solidarisch!

    Auch darber hinaus ist seit der letzten Ausgabe: (die wie wir selbstkritisch fest-stellen ja nun auch schon eine Weile her ist) viel passiert: Der Genosse WernerBraeuner hat nach 54 Tagen seinen Hungerstreik erfolgreich abgebrochen. DerProzess gegen Billy, Costa und Silvia ist in der Schweiz zu Ende gegangen und esgab insgesamt drei weitere Verhaftungen mittels 129b in der BRD. Zwei nun auchdas erste Mal aufgrund angeblicher Mitgliedschaft in der PKK.

    Von den GenossInnen der antirep2008 aus sterreich erreichte uns auerdemeine erste Einschtzung zu dem mit einem Freispruch geendeten 278a Prozessgegen Tierrechtsaktivisten den wir ebenfalls in dieser Ausgabe abdrucken.

    Ausserdem mchten wir im internationalen Teil besonders auf die Situation von

    Leonard Peltier, Brendan Lillis und Savvas Xiros verweisen die alle schwerstenIsolationsbedingungen ausgesetzt den Knast nicht verlassen drfen.

    Weitere Beitrge beschftigen sich mit dem Knastkampf von ber 6000 Ge-fangenen in Pelican Bay, der Repression gegen spanische Tierrechtler, demMord an Sliman Hamade in Berlin, der Innenministerkonferenz in Frankfurt,der Repression gegen ProzessbeobachterInnen im 129b Prozess in Dssel-dorf und Razzien in Braunschweig.

    In der Rubrik der Gefangenen verffentlichen wir in dieser Ausgabe ausser-dem Teile der Prozesserklrung des 129b Gefangenen Sadi zpolat.

    Wir verbleiben an euch mit herzlichen Gren,

    Weder Reue noch Kapitulation!Freiheit fr alle sozialen und politischen Gefangenen!

    Die Redaktion

    Das Gefangenen Info ist aus dem Angehrigen Info hervorgegangen, welches im Hungerstreik der politischen Gefangenen 1989 als Hungerstreik Info entstand.HerausgeberInnen: Netzwerk Freiheit fr alle politischen Gefangenen und FreundInnen.V.i.S.d.P.: Wolfgang Lettow c/o Gefangenen Info, c/o Soziales Zentrum, Alexander-Puschkin-Str. 20, 39108 MagdeburgNichtredaktionelle Texte spiegeln nicht unbedingt die Meinung der Redaktion wider. Beitrge der Redaktion sind entsprechend gekennzeichnet.Bestellungen (Inland): Einzelpreis: 2. Ein Jahresabonnement kostet 25,20 (Frderabo 28,00), Buchlden, Infolden und sonstige Weiterverkufer erhalten bei Bestel-lungen ab 3 Stck 30% Rabatt. Bei Bestellungen erhalten Sie eine Rechnung, die anschlieend auf das Konto des Gefangenen Info zu berweisen ist.Bestellungen (Ausland): Einzelpreis: 2,70. Ein Jahresabonnement kostet 28,40 (Frderabo 31,20), Buchlden, Infolden und sonstige Weiterverkufer erhalten bei

    Bestellungen ab 3 Stck 30% Rabatt. Bei Bestellungen erhalten Sie eine Rechnung, die anschlieend auf das Konto des Gefangenen Info zu berweisen ist.Anschrift: Gefangenen Info, c/o Soziales Zentrum, Alexander-Puschkin-Str. 20, 39108 MagdeburgRedaktion: [email protected], Vertrieb: [email protected]: Gefangenen Info, Konto-Nr.10382200, Bankleitzahl: 20010020, Postbank HamburgEigentumsvorbehalt: Nach diesem Eigentumsvorbehalt ist die Zeitung solange Eigentum der/des AbsenderIn, bis es den Gefangenen ausgehndigt worden ist. Zur-Habe-Nahme ist keine Aushndigung im Sinne des Vorbehalts. Wird das Info den Gefangenen nicht persnlich ausgehndigt, ist es der/dem AbsenderIn mit dem Grundder Nichtaushndigung zurckzuschicken.

    e-mail: [email protected] homepage: www.gefangenen.info

    2 gefangenen info juli/august 2011

    vorwort inhalt dieser ausgabe

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    Seite 3

    Aktivitten zum Tag der revolutionrenGefangenen

    Schwerpunkt

    Drei Genossen sind nun im Knast

    Inland

    -Bericht zur Innenministerkonferenz-Repression gegen Prozessbeobachter

    -Zum Mord an Slieman Hamade-Razzien in Braunschweig

    Todesnacht in Stammheim

    Werner siegt im Hungerstreik

    International

    Savvas Xiros bleibt im Knast

    Zur Situation von Brendan Lillis

    Tierrechtsprozess in sterreich

    Prozess gegen Billy, Costa und Silvia

    Leonard Peltier totalisoliert

    -Hungerstreik in Pelican Bay-Repression gegen Tierrechtler

    Gefangene

    Briefe von Sadi zpolat und ThomasMeyer Falk

    Brief von Werner Braeuner

    Briefe von Andre Borris M. A. Mous-sa Schmitz, Gnther Finneisen, FarukEreren und Tommy Tank

    Feuilleton

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    Am diesjhrigen 19.06 dem Tag der

    revolutionren Gefangenen kam es

    zu Aktionen und Aktivitten in Solida-

    ritt mit den Militanten der Roten Hilfe

    International, die zunehmend mit Re-

    pression konfrontiert werden. Dochauch darber hinaus kam es zu solida-

    rischen Aktivitten:

    Veranstaltungen zur Geschichte derKmpfenden Kommunistischen Zel-len (CCC)

    In Berlin, Magdeburg und Stuttgart orga-nisierten das Netzwerk Freiheit fr allepolitischen Gefangenen (and friends),Zusammen Kmpfen [Berlin] und Zu-sammen Kmpfen [Magdeburg] auch

    anlsslich des 19.06. vom 16. bis zum18. Juni eine Veranstaltungsrundreisemit einem ehemaligen Militanten derCCC, der in Stuttgart, Magdeburg undBerlin Halt machte. Die Veranstaltungenwurden von 25-50 Personen besucht.

    Berlin: Kundgebung vor der bel-gischen Botschaft

    Am Freitag, den 17.06., organisierte dasNetzwerk Freiheit fr alle politischenGefangenen Berlin gemeinsam mit Zu-sammen Kmpfen [Berlin] mit 40 Teil-nehmerInnen eine Kundgebung vor derbelgischen Botschaft. In Redebeitrgenwurde auf die Repression gegen dieRote Hilfe International und insbesonde-re auf Repression gegen Angehrige derSecours Rouge Belgique eingegangen.Die Kundgebung endete mit der Parole:Ich war, ich bin, ich werde sein! Die Re-volution wird die Menschheit befreien!.

    Magdeburg: Soli-Transparent fr dieMilitanten der RHI

    Im Rahmen eines Sommerfestes wur-de im Zuge eines Grafti-Workshopsein sechs Meter langes Transparent inSolidaritt mit der Roten Hilfe Internati-onal mit der Aufschrift RHI Rote Hilfe

    International Ein Angriff gegen eineNvon uns, ist ein Angriff gegen alle! 19.Juni Tag des revolutionren Gefange-nen! gemalt. Das Transparent wurdeanschlieend am 19. Juni am Sozialen

    Zentrum aufgehangen.

    Stuttgart: Unangemeldete Demons-tration

    Am 19.06. selbst fand in Stuttgart eineunangemeldete Demonstration unterdem Motto Die Militanten der RHI vertei-digen! Internationale Klassensolidarittaufbauen! Kapitalismus zerschlagen!statt. Die Demo zog mit Parolen wieFreiheit fr alle politischen Gefange-nen, Hoch die internationale Solidari-

    tt, 129- das kennen wir schon Feuerund Flamme der Repression und Kriegdem Krieg Klasse gegen Klasse durchdie Einkaufspassage des Stadtteils. Ander Demo beteiligten sich rund 20 Per-sonen.

    Heilbronn: Soli-Graftis

    In der Nacht zum 19. Juni wurden inHeilbronn an mehreren Orten die Paro-len Die Militanten der Roten Hilfe Inter-national verteidigen!, 19.06. - Tag derpolitischen revolutionren Gefangenenund Kapitalismus angreifen gesprht.

    Bruchsal: Kundgebung fr ThomasMeyer-Falk

    20 GenossInnen versammelten sich am19.06. vor den Toren der JVA Bruschal,um dem Gefangenen Thomas Meyer-Falk ihre solidarischen Gre zukom-men zu lassen. Mit einem Redebeitrag,Sprechchren und einem Feuerwerkdrckten die AktivistInnen ihre Solidari-tt aus. Ihre Aktion steht fr eine gren-zenlose Solidaritt mit allen revolutio-nren Gefangenen weltweit! Geradedie aufkommenden Prozesse gegen dieMilitanten der Roten Hilfe International(RHI) machen eine weitergehende und

    vor allem umfassende Solidaritts- undAufklrungsarbeit unvermeidlich! Denn:ein Angriff gegen eineN ist ein Angiff ge-gen uns alle!

    Schweiz: Wandbilder

    In Basel, Winterthur und Zrich wurdenein groe Wandbilder mit der Aufschrift:Spiess umdrehen: Dem Kapitalismusden Prozess machen verklebt und da-mit auf den kommenden Prozess gegeneine Genossin des Revolutionren Auf-baus bzw. der Roten Hilfe Internationalaufmerksam gemacht.Die Wandbilder stehen im Zusammen-hang mit dem 19.06. und war der Auftaktder Kampagne gegen den kommenden

    Prozess, der am 29. September vor demBundesstrafgericht in Bellinzona begin-nt.

    Italien: Demonstration in LAquila

    In LAquila fand am 18.06. eine Demons-tration gegen Repression und insbeson-dere gegen den Antiterrorparagraph41bis, der fr die Gefangenen besondersharte Isolation und Haftbedingungen be-deutet. Konkreter Anlass darber hinausbot die Verurteilung von 11 GenossInnen(darunter 2 GenossInnen der CCPSRI)wegen dem Rufen der Parole: Die Fa-brik ttet uns, der Staat steckt uns inden Knast, Biagi und DAntona sind unsscheissegal, die Bezug nimmt auf Akti-onen der Roten Brigaden. Sie wurden zu2 Jahren Haft verurteilt. Dazu wurden 10anarchistische GenossInnen zu 7 Mo-naten verurteilt, weil sie den Zaun einesKnastes durchgeschnitten hatten undauf das Vor-Gelnde des Gefngnisseseingedrungen waren.

    An der Demonstration nahmen 150 Per-sonen teil.

    (red.)

    juli/august 2011 gefangenen info 3

    seite 3 schwerpunkt inland international dossier gefangene feuilleton kurzmeldungen

    berblick zu den Aktivitten in Deutschland, Italien und derSchweiz zum 19.06. - Tag der revolutionren Gefangenen -

    www.political-prisoners.net

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    Axel, Oliver und Florian die drei Ver-

    urteilten aus dem mg-Verfahren be-

    fnden sich seit dem 8. bzw. 20. Juli

    im Knast. Die Solidaritt mit unseren

    Genossen muss nach dem Haftantritt

    fortgesetzt werden.

    Am 8. und 20. Juli haben Axel, Oliverund Florian ihre Haftstrafen von 3 und3,5 Jahren angetreten. Sie benden sichmomentan in der Offenen JVA Haken-felde bzw. in den Auenstellen Dppel-Sd und Heiligensee. In den kommen-den Wochen soll sich herausstellen, obdie Genossen in den offenen Vollzugs-anstalten bleiben werden oder in ge-schlossene JVAs verlegt werden.

    Gegen die Verlegung in den geschlos-

    senen Vollzug

    Die Berliner Sektion des Netzwerks Frei-heit fr alle politischen Gefangenen hat

    bereits im Falle der Verlegung in dengeschlossenen Vollzug Solidarittsak-tionen angekndigt und ruft dazu auf,am Tag der mglichen VerlegungenKundgebungen vor den Knsten durch-zufhren und kontinuierlich Solidari-ttsaktionen zu entfalten. Begrndentut sie ihren Aufruf damit, dass es falschwre, in dieser Situation passiv zu blei-ben, sondern Initiative ergriffen werdenmsse. In dem Aufruf heit es dazu:Hiermit rufen wir dazu auf, an die bishergelaufenen Initiativen fr die Genossenanzuknpfen und Solidarittsaktionenzu entfalten. Im Falle einer Verlegungin den geschlossenen Vollzug kndigenwir hiermit Aktionen und Kundgebungenvor den Knsten an. Die erste Kundge-bung werden wir am Tag der mglichenVerlegungen durchfhren und rufenhiermit alle solidarischen Gruppen undPersonen zu zahlreicher Beteiligung undUntersttzung auf. Um die Genossen in

    dieser Situation zu untersttzen,ist es unbedingt notwendig, demAufruf auch auerhalb Berlinsnachzukommen und nach Mg-lichkeit in diesem Rahmen eige-ne Akzente zu setzen.

    Die Bewegung muss auch im

    Knast ber sie wachen

    Wir bentigen einen politischenUmgang mit der momentanenSituation. Dieser kann nur da-mit beginnen, Axel, Oliver undFlorian nun (nach Ende des

    Prozesses, der Verwerfung der Revisi-on, der Besttigung der Urteile und demHaftantritt) nicht alleine zu lassen. Frdie drei bedeutet es jetzt, dass sie sichbis zum Ende ihrer Haftstrafen in denHnden des Feindes benden werden.So lang und zehrend die Phase seitdem 31. Juli 2007 auch gewesen ist; diestaatliche Repression ist nicht beendet,sondern manifestiert sich nun im lang-

    jhrigen Wegsperren von drei Aktivistenaus unserer Bewegung. Dieses unkom-mentiert hinzunehmen, kme einer po-litischen Bankrotterklrung gleich! Dasdem nicht so ist und unsere Gefangenenden solidarischen Rckhalt der Bewe-gung genieen, werden wir demons-trieren mssen. Sie benden sich zwarin staatlichen Knsten, doch sind sie einTeil unserer Bewegung drauen.Das Gefangenen Info begreift sie als

    politische Gefangene, die von drauenbreite Untersttzung erhalten mssen.Unsere Zeitung wird ihnen eine Plattformbieten, ber sie wachen, sich fr sie ein-setzen und ihre Stimme nach drauentragen.

    Linke Politik verteidigen

    Ein politischer Umgang bedeutet aberauch, dass die von staatlicher Seite herkriminalisierte, linke Politik geschlossen

    verteidigt werden muss. Die Verurteilungder drei Genossen ist politisch motiviertund bedeutet die Verurteilung linker Po-litik. Wie bereits in der letzten Erklrungdes Einstellungsbndnisses zitiert wur-

    seite 3 schwerpunkt inland international dossier gefangene feuilleton kurzmeldungen

    4 gefangenen info juli/august 2011

    Drei Genossen sind nun im Knast- Aktuelles zu den Verurteilten im mg-Prozess -

    www.political-prisoners.net

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    de, bleibt Widerstand, der sich gegendie Gewalt des Krieges, die Kriegswirt-schaft sowie das Militr richtet, um eineSituation der Besatzung, die Ermordungvon Zivilisten und Zivilistinnen und dieZerstrung ihrer Lebensgrundlagen zuunterbinden, bleibt nach wie vor legi-tim. (Oliver R., einer der Betroffenen)Somit kann sich ein politischer Umgang

    mit dieser Angelegenheit nur ber dieThematisierung und Verteidigung derkriminalisierten Politik denieren. Wennes gelten soll, die staatlichen Angriffeins Leere laufen zu lassen, so kann diesnur dadurch geschehen, dass sich dieBewegung keine Schranken setzen

    lsst und ihre Politik jenseits der Regelndes kapitalistischen Staates selbst be-stimmt.

    Mobilisierung zum 2. Jahrestag der

    Urteilsverkndung

    Zum 2. Jahrestag der Urteilsverkn-dung im mg-Prozess (16. Oktober

    2009) mobilisieren verschiedene Soli-darittsstrukturen fr eine Demonstrati-on nach Berlin, welche am 15. Oktober2011 stattnden soll (Achtet auf Ankn-digungen!).Als Redaktion dieser Zeitung betrachtenwir dieses Vorhaben als wichtig, um die

    Solidaritt mit den Genossen auch nachihrem Haftantritt auf- und auszubauenund eben jenem politischen Anspruchder Solidarittsarbeit gerecht zu wer-den.

    Abschlieend gren wir an dieser Stel-le unsere eingesperrten Genossen undwnschen ihnen viel Kraft und Ausdau-

    er!

    (red.)

    seite 3 schwerpunkt inland international dossier gefangene feuilleton kurzmeldungen

    juli/august 2011 gefangenen info 5

    Die Drei wurden im Juli 2007 in Bran-denburg / Havel von einem Sonderein-satzkommando aus dem Auto herausfestgenommen. Sie sollen dabei be-obachtet worden sein Brandstze anBundeswehrfahrzeugen angebracht zuhaben. Darber hinaus wurden sie mitHilfe des 129a beschuldigt, Mitgliedeiner terroristischen Vereinigung, dermg militante gruppe zu sein.Nach ihrer Verhaftung befanden sie sichknapp 4 Monate hinweg ber in Unter-suchungshaft. Nachdem der Bundesge-

    richtshof entschieden hat, dass die mgnur als kriminelle Vereinigung nach129 zu werten sei, wurden Axel, Flo-rian und Oliver auf Kaution (von jeweils30.000 Euro) entlassen.

    Die drei beteiligten sich nach ihren Ver-haftungen im Juli und ihrer Freilassungim September 2007 an einer umfang-reichen Infotour zu dem Prozess undverfassten zahlreiche Gruwrter frantimilitaristische Mobilisierungen.

    Mit dem Vorwurf der Mitgliedschaft inder militanten Gruppe hatten sich dieErmittlungsbehrden ein Konstrukt auf-gebaut, dass ihnen einerseits die Mg-lichkeit gab umfangreiche Ermittlungen

    anzustellen und andererseits zum er-sten Mal strafrechtlich gegen die mgvorzugehen.Zur Erinnerung: Die mg trat 2001 zumersten Mal aufs politische Tablett, initi-ierte und trug mageblich die Militanz-debatte, die bis 2009 fortgesetzt wurde.Praktisch trat die mg auf mit nchtlichenBrand- und Farbbeutelanschlgen aufstaatliche Behrden und Fahrzeugezu den Themen Sozialabbau, staatli-cher Rassismus, Krieg, Militarisierung,Sicherheitswahn, berwachung, poli-

    tische Repression. Die mg hat sich zuber 20 Aktionen bekannt.

    Im September 2008 begann der Pro-zess gegen die drei, der sich bis Okto-ber 2009 hinziehen sollte.Im Prozess selbst gaben sie zu Beginneine gemeinsame Prozesserklrung ab,die mit den Worten begann: Hier sitzendie falschen auf der Anklagebank. Sieklagten damit den Militarismus und dieimperialistischen Kriege an.

    Letztlich wurden Oliver und Axel zu je3 Jahren Haftstrafe ohne Bewhrungund Florian zu 3 Jahren Haft ohne Be-whrung verurteilt. Im Juli 2011 muss-ten sie ihre Haft antreten.

    Die Drei sind seit einigen Jahren, nebenden Gefangenen aus dem 129a Verfah-ren in Magdeburg, die ersten Gefange-nen, die aufgrund eines Organisations-delikts innerhalb der radikalen Linkender BRD verurteilt wurden.

    (red.)

    weiteres Hintergrundmaterial wie Bro-schren, alle Prozessantrge und Er-klrungen, sowie die zu dem Prozesserschienenen Zeitungen ndet ihr unter:www.einstellung.so36.net

    Oliver RastJVA HakenfeldeNiederneuendorfer Allee 140-15013587 Berlin

    Axel, Florian und Oliver Verurteilte im mg-ProzessZum Hintergrund

    Schreibt den Gefangenen!

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    seite 3 schwerpunkt inland international dossier gefangene feuilleton kurzmeldungen

    6 gefangenen info juli/august 2011

    Bericht zur Innenministerkonferenz in Frankfurt

    Innenministerkonferenz in Frankfurt

    Hausdurchsuchung und Festnahme von

    zwei linken Aktivisten

    In der Nacht vom 25. auf den 26. Mai 2011

    wurden in Frankfurt am Main zwei Personen

    vorbergehend festgenommen mit dem Vor-

    wurf Parolen gegen die Innenministerkonfe-

    renz gesprht zu haben. Die Polizei nutzte

    die Gelegenheit und durchsuchte in diesem

    Zusammenhang die Wohngemeinschaft, in

    welcher die zwei Festgenommenen und eine

    weitere Person leben. Bei der Durchsuchung

    wurde angeblich neben Silvesterknallern Ben-

    zin, das fr Generatoren, Rasenmher oder

    Zweirder gebraucht wird, sichergestellt.

    Gegen die zwei Festgenommenen wurden

    Verfahren wegen Sachbeschdigung, Verst-

    en gegen das Waffen- und Sprengstoffge-

    setz sowie wegen Verdachts der Verabredung

    zu einem Verbrechen eingeleitet. Bis auf die

    Sachbeschdigung richten sich die Vorwrfe

    auch gegen den 28-jhrigen Frankfurter (Anm:

    der dritte Mitbewohner). (PM 27.05.2011 von

    Polizeiprsidium Frankfurt am Main)

    Es folgte eine widerliche Hetze der brger-lichen Medien mit dem Tenor GeplanteAnschlge - Linksextremisten mit Spreng-stzen festgenommen. Hintergrund istdabei die jhrliche Innenministerkonferenz,bei der sich alle Innenminister der Bundes-lnder treffen, um ber neue Methodenund Mittel der Steuerung und Kontrolle derMenschen zu beraten und diese schlielichzu beschlieen. Es geht um Themen, wieAsylgesetzgebung, innere Sicherheit, Kri-minalittsbekmpfung, Verfassungsschutz.Verschiedene linke Bndnisse mobilisiertengegen das Schweinetreffen. Neben vielen

    Aktionen im Vorfeld der IMK, demonstrier-ten am Tag der Konferenz 2000 Menschenunter dem Motto Wir kommen um zu st-ren! IMK ausen.

    Das Bndnis gegen die Innenministerkon-ferenz 2011 (IMK ausen) zur Repressiongegen linke Aktivisten:

    1. Einer der beiden Verhafteten wurdevorstzlich von einem Polizei-PKW an-

    gefahren, wobei schwere Verletzungenbilligend in Kauf genommen wurden. ImAnschluss wurde der Kopf des Verhaftetenmehrfach auf den Boden geschlagen, wo-bei seine Brille zerstrt wurde. Eine offeneWunde an der Hand und einen gebro-

    chenen Finger lieen die Beamten bereine Stunde unversorgt.2. Bei der anschlieenden Hausdurchsu-chung wurden auch Zimmer von Mitbewoh-nern durchsucht, gegen die keine Vorwrfeerhoben waren. Hierfr reichten den Beam-ten Plakate im Flur zur Begrndung. EineDurchsuchung der Zimmer unbeteiligterPersonen im Rahmen einer solchen polizei-lichen Manahme ist vermutlich rechtswid-rig, sagte eine Anwltin der Betroffenen.Das Vorgehen der Polizei und die Berichter-stattung der FAZ zeigen vor allem eins: Beieinem Anlass wie der Innenministerkonfe-

    renz, die sich gerade um die repressive Ver-teidigung des Staates und der gesellschaft-lichen Verhltnisse gegen vermeintlicheBedrohungen dreht, nutzt die Exekutive

    jede Gelegenheit, um den legitimen Wider-stand dagegen zu kriminalisieren.

    Solidaritt ist eine Waffe! Lasst euch

    nicht Einschchtern! Jetzt erst recht: Wirkommen um zu stren IMK ausen! (red.)

    Am 26.Mai wollte Sadi seine Prozesser-klrung verlesen. Bevor er damit beginnenkonnte, wurden Mobile Eingreiftruppen imGericht zusammengezogen. Zustzlichdrohte die Vorsitzende Richterin Barba-ra Havlitza die ZuhrerInnen auch nochdamit, dass es im Falle von Parolen undApplaus zu Ordnungsstrafen und sogarVerhaftungen kommen knnte. Damit zeigtdie Klassenjustiz erneut, dass sie solida-rische Prozessffentlichkeit von 60 Per-sonen frchtet . Sie reagiert mit verschrfter

    Einschchterung und Kriminalisierung desberwiegend aus der Trkei stammendenPublikums. Die ProzessbeobachterInnenstanden nach der Erklrung von Sadi aufund machten das Siegeszeichen, als wr-

    den sie sagen, diesen Worten ist nichtshinzuzufgen und bewegten sich auf denAusgang zu. Der Staatsschutzsenat nahmdas Parolenrufen einer Person zum Vor-wand, der Polizei den Befehl zu erteilen,den Saal zu rumen. Sowohl die Gefange-nen, als auch die BeobachterInnen leistetenpassiven Widerstand, indem sie ebenfallsParolen riefen.

    Die Polizei, welche drei Personen festnahm,

    versperrte die Tre zum Hof, lie die Leutenicht hinaus und kesselte sie ein. Daraufhinbegannen die BesucherInnen einen Sitz-streik, riefen Parolen und sangen revolutio-nre Lieder. Nachdem zwei der drei festge-nommenen Personen freigelassen wurden,wurden endlich die Tren geffnet und dieProzessbeobachterInnen verlieen das Ge-bude mit Applaus und Parolen. Die drittefestgenommene Person wurde wegen Wi-derstands gegen die Staatsgewalt zum Po-lizeiprsidium gebracht und am folgendenTag freigelassen. Am 27.Mai ergriff Sadi er-neut das Wort und sagte zu den bergriffen

    vom Vortag:

    Ich mchte mitteilen, dass ich den gesterndurchgefhrten Angriff verurteile und dage-gen protestiere. Mit eurem Angriff habt ihr

    gezeigt, wie demokratisch ihr seid, wie vielWert ihr auf Meinungen legt und wie sehrihr Menschenrechte verteidigt. Das ist euerwahres Gesicht. Ihr knnt nicht einmal tole-rieren, dass Menschen ihre Meinung zumAusdruck bringen und greift an. Wenn esdas ist, was ihr von Demokratie versteht,dann kenne ich den Begriff Demokratienicht...

    Whrend seiner Rede wurde Sadi das Mi-

    krofon abgeschaltet. Nachdem der Staats-anwalt mitteilte, dass von nun an, bei Gr-en oder Winken der Gefangenen gegendie ZuschauerInnen ein Ermittlungsverfah-ren nach 129a wegen Untersttzung einerterroristischen Vereinigung eingeleitet wird ,legte ein Rechtsanwalt sofort Widerspruchgegen dieses Vorgehen ein mit den Worten :

    Sie wissen nicht, was Sie tun. Selbst wenndie Gefangenen aus Ihrer Sicht in einemTerrorprozess angeklagt sind, so sind sieimmer noch respektable Menschen, die einAnsehen haben. Die ZuschauerInnen be-

    zeichnen sie als ihre Wrde. Wie wollen siedas verhindern?

    (red.)

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    Repression gegen ProzessbeobachterInnen im 129b Prozesswww.political-prisoners.net

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    seite 3 schwerpunkt inland international dossier gefangene feuilleton kurzmeldungen

    juli/august 2011 gefangenen info 7

    Tdliche Polizeigewalt - Aufklrung ausgeschlossen?

    Am frhen Morgen des 24.02.2010 wird die

    Polizei in Schneberg gerufen. Slieman fhlt

    sich durch die laute Musik seiner Nachbarn

    gestrt und ist wtend. Seine Familie will

    verhindern, dass es zum Streit mit den Nach-

    barn kommt. Die anrckende Polizei stempelt

    Slieman sofort als Strer ab und will ihn desHauses verweisen. Slieman mchte aber

    wieder zurck in die Wohnung, woraufhin die

    Polizei ihn festnehmen will. 3 Polizisten kom-

    men als Verstrkung dazu und greifen ohne

    Vorwarnung zum Pfefferspray und sprhen

    damit den kompletten Hausur ein. Slieman

    wird auf dem Boden von der Polizei xiert, er

    ringt nach Luft und verliert immer wieder kurz

    das Bewusstsein. Familienangehrige berich-

    ten spter, dass Slieman auch als er schon am

    Boden lag, von den Cops geschlagen wurde.

    Ein Sanitter, welcher spter eintraf, beschf-

    tigte sich erst mal mit dem Aussplen der

    Augen eines Polizisten, anstatt sich um denmittlerweile bewusstlosen Slieman zu km-

    mern. Sptere Wiederbelebungsversuche fh-

    ren dazu das Sliemans Herz wieder schwach

    schlgt. Aber leider ist es zu diesem Zeitpunkt

    zu spt. Slieman stirbt mit 32 Jahren.

    Die Ermittlungen

    2 Monate spter, am 30.04.2010 passierte

    das was in den meisten Fllen tdlicher Po-

    lizeigewalt geschieht, die Ermittlungen durch

    die Staatsanwaltschaft werden eingestellt. Ein

    Aufklrungswillen der Staatsanwaltschaft ist

    wie bei vielen anderen Fllen nicht erkennbar.

    Es wurden zahlreiche Hinweise unberck-

    sichtigt gelassen. Erstaunlich dabei ist es,

    wie selbst eindeutige Zeugenaussagen nicht

    nachgegangen wurde. So hatte eine Polizei-

    beamtin ihre Kollegen darauf aufmerksam ge-macht, dass bei der angewendeten Fixierung

    die Gefahr besteht, dass Slieman erstickt.

    Die Beschwerde

    Die Familie von Slieman gibt sich damit nicht

    zufrieden und legt mit Hilfe ihrer Anwltin am

    24.01.2011 Beschwerde ein. Dies fhrt dazu

    das die Ermittlungen erst einmal wieder aufge-

    nommen wird. Doch auch diesmal hlt sich der

    Arbeitseifer der Staatsanwaltschaft in Gren-

    zen. Wieder werden zahlreichen Anhaltspunk-

    ten nicht nachgegangen und so kommt es am

    25.04.2011 zur erneuten Einstellung.

    Gemeinsam gegen Polizeigewalt

    Die Familie organisiert sich mit anderen Be-

    troffenen tdlicher Polizeigewalt um ihre For-

    derungen nach Aufklrung und Gerechtigkeit

    nach auen zu tragen. So wird mit einer De-

    monstration am 05.03.2011, durch Schne-

    berg, ein erstes ffentliches Zeichen gesetzt.

    Gleichzeitig wird eine Veranstaltung vorberei-

    tet, welche am 17.06.2011 in Schneberg

    stattfand und knapp 100 interessierte Besu-

    cherInnen ber den aktuellen Stand aufklrt.

    Mit dabei war die Oury Jalloh Initiative, die Fa-

    milie des Silvester 2008 getteten Dennis Jo-

    ckel, und der Anwalt der die Nebenklage im

    Rattay Prozess fhrte. Auf der Veranstaltung

    kndigte die Anwltin der Familie an, ein Kla-

    geerzwingungsverfahren anzustreben. Auchwollen sich die Beteiligten der Veranstaltung

    weiter vernetzten, um auch auf der Strae

    Gerechtigkeit gegen jegliche Polizeigewalt zu

    fordern und eine kritische Gegenffentlichkeit

    zu schaffen.

    (no justice no peace)

    www.nojusticenopeace.blogsport.eu

    www.kop-berlin.de

    In den Abendstunden zum Mittwoch den22.06, beobachtete eine Person, die inBraunschweig zu Besuch war eine Perso-nalienkontrolle 2er Jugendlicher. Er tat das,was leider viel zu selten geschieht. Er schrittein und fragte nach der Begrndung fr einederartige Manahme. Eine Antwort bekam ernicht, sondern Handschellen angelegt.

    Da sich der Betroffene nicht ausweisen konn-te, machten sich die Polizisten mit ihm auf den

    Weg in die Gefangenensammelstelle (Gesa).Die Polizisten fanden den Wohnungschlsselsamt Adresse seiner Gastgeberin. Daraufhindurchsuchten sie, mit der Begrndung denPersonalausweis und die Schuhe des Betrof-fenen holen zu mssen, die Wohnung.

    Whrend dessen musste sich der Betrof-fene auf der Polizeiwache entkleiden und eswurde gedroht ihm den Arm zu brechen sowie einen Hoden abzuschneiden sofern ernicht kooperieren wrde. Whrend dessenversammelten sich einige UntersttzerInnenauf und vor dem Gelnde der Gesa, auch sie

    wurden festgenommen.

    Teilweise mit der Begrndung dass sie aufden Gehweg vor der Polizeiwache die ParolePolizeistaat mit Kreide gemalt haben sollen.

    Auch ihnen gegenber verhielten sich diePolizisten menschenverachtend, auch siemussten sich vollstndig entkleiden, wurdengeschlagen und bedroht. Eine Woche nachden Ereignissen gab es vor der Polizeiwa-che eine Kundgebung, die auch berregio-nal durch die Medien begleitet wurde.

    Diese Nacht zeigt aber nur die Spitze desEisberges Braunschweiger Polizeiber-griffe.

    So lste die Polizei erst im April ein Pun-kertreffen auf und nahm einige von ihnen inGewahrsam. Auch hier berichten die Betrof-fenen, dass sie misshandelt und gedemtigtwurden.

    Im Dezember 2010 wurde eine Person aufeinem Straenbergang am Braunschwei-ger Hauptbahnhof von einen Polizeiautoberfahren, nachdem er zuvor den Poli-zisten den Mittelnger gezeigt haben soll.Diese machten eine Kehrtwende und fuh-ren entgegen des Straenverkehrs direkt

    auf den Betroffenen zu und berfuhren ihn.Der Betroffene verbrachte mehrere Tageim Krankenhaus und musste ins knstlicheKoma versetzt werden.

    Es regt sich Widerstand gegen Polizeige-walt in Braunschweig. So mobilisieren eini-ge Gruppen zu einer Demonstration.

    Darber hinaus werden Betroffene von der-artigen bergriffen aufgefordert, sich bei derRote Hilfe Ortsgruppe zu melden, um Poli-zeigewalt ffentlich zu machen.

    (Antifaschistisches Plenum & Jugend

    Antifa Aktion (JAA) Braunschweig)

    www.antifacafe.de.vu

    Braunschweig: Mehrere Ingewahrsamnahmen und eine Hausdurchsuchung

    www.nojusticenopeace.blogsport.eu

    www.antifacafe.de.vu

  • 8/3/2019 Gefangenen Info #363

    8/20

    seite 3 schwerpunkt inland international dossier gefangene feuilleton kurzmeldungen

    8 gefangenen info juli/august 2011

    Aus dem Vorwort:

    Auf Veranlassung des damaligen BonnerKrisenstabes verschickte die DeutschePresseagentur am 18. Oktober 1977, um8.53 Uhr folgende Eilmeldung: Baader

    und Ensslin haben Selbstmord begangen.Diese Mitteilung ber den Tod von RAF-Hftlingen im Hochsicherheitsbereich derJVA Stuttgart-Stammheim legte noch vorBeginn der kriminaltechnischen und ge-richtsmedizinischen Ermittlungen die Rich-tung fest, der die Ermittler und die meistenMedien folgten. Der kollektive Selbstmordder Hftlinge scheint demnach bis heutedie in Stein gemeielte Wahrheit ber diedamaligen Ereignisse zu sein.Dieses Buch stellt die ofzielle Darstel-lung auf den Prfstand. Nach jahrelangerRecherche aller zugnglichen Materialien,

    Auswertung neuer, da erstmals freigege-bener, Dokumente sowie mit Hilfe prak-tischer Versuchsaufbauten entwickelte derAutor eine Art Indizienprozess. Er kommtdabei einer Vielzahl von Unterlassungen,Mngeln und einander widersprechendenSchlussfolgerungen in den amtlichen Unter-suchungen auf die Spur. Konnten AnwlteWaffen und Sprengstoff in das sichersteGefngnis der Welt schmuggeln? Hattendie Gefangenen ein funktionierendes Kom-munikationssystem? Entsprachen die Ob-duktionsergebnisse und Tatortermittlungendem damaligen Stand der Wissenschaft,sind sie umfassend und in sich wider-

    spruchsfrei? Welche Rolle spielten Kron-zeugen fr die Richtung der Ermittlungen?Waren die Waffen- und Sprengstoffverste-cke so mglich wie dargestellt? Was hattees mit den in jener Nacht im Gefngnishofbeobachteten Autos auf sich? Dies sind nureinige der Fragen, denen in dieser Untersu-chung akribisch nachgegangen wird. Auf 240 Seiten, 765 Funoten einschlie-lich Dokumenten-CD gelingt es dem AutorHelge Lehmann, die staatlich verordneteSelbstmordtheorie, die besagt, in der Nachtzum 18. Oktober 1977 htten sich die Ge-fangenen aus der RAF, Andreas Baader,

    Gudrun Ensslin und Jan-Carl Raspe selbstgettet und Irmgard Mller sich selbstschwer verletzt, mit Bravour zu widerlegen.Helge Lehmann ist 1964 geboren, IT-Spe-zialist, Betriebsrat und Mitglied der Links-partei. Er selbst war unpolitisch und ist perZufall ber Stefan Austs Buch Baader-Meinhof Komplex 1976 auf diese The-matik gestoen.Der Autor hat seit 2007 bisherige gesperrteAkten ausgewertet, allerdings waren ihmnicht alle zugnglich, denn wesentlicheamtliche Bestnde werden auch nochheute, nach 33 Jahren, aus Grnden derSicherheit der BRD dem Autor verwehrt.

    Helge hat also alles ihm zur Verfgungstehende - Material sondiert sowie eigeneTests durchgefhrt:Er rekonstruierte die Aktencontainer, diedem Waffenschmuggel gedient haben sol-

    len, baute die angebliche Kommunikati-onsanlage nach, berprfte die Mglichkeiteines Waffenversteckes im Plattenspielervon Andreas anhand eines baugleichenModells, nahm Schussvergleiche zur Be-stimmung von Schssen in einem ver-

    gleichbaren Gebude vor und przisiertemit neuen Methoden die sehr vagen amt-lichen Angaben ber die Todeszeitpunktevon Andreas und Gudrun.Helge belegt auch, dass nur der Kronzeu-ge Volker Speitel den angeblichen Waffen-schmuggel sttzt.Speitel behauptet einer der Anwlte, ArndtMller, htte in prparierten Akten, dafrgesorgt, dass die Waffen und andere Ge-genstnde ber die Mehrzweckgebude indie Zellen von Andreas und Jan gelangten.Damit ist Speitel nicht nur der Hauptzeugefr diese Selbtmordtheorie, sondern sorgte

    durch seine Lgen auch dafr, dass nebenArndt Mller ein weiterer Anwalt, Armin Ner-werla, zu hohen Haftstrafen sowie Berufs-verbot verurteilt worden sind. Der Kronzeu-ge selbst ist neben einer geringen Strafe miteiner neuen Identitt im Ausland und einer

    hohen Geldsumme fr seinen Deal belohntworden.Gut ist auch, dass sich in dem Buch mitKarl-Heinz Dellwo auseinandergesetzt wird.Dellwo, ist einer der wenigen Ehemaligenaus der RAF, die die Version eines Selbst-mord der Stammheimer Gefangenen ver-treten. K. H. Dellwo sttzt sich u. a. auf dieAussagen des Kronzeugen Volker Speitel.Nur wurden von JuristInnen.... nachgewie-sen, dass z.B. Waffen nicht in der behaup-teten Art und Weise in die JVA Stammheimgelangen konnten. (Seite 145)

    Kritik

    Gewisse Begrifichkeiten wrden wir nichtverwenden, einige Fakten sind falsch undeinige politische Bewertungen teilen wirnicht. Verena Becker und Rolf Heiler ha-

    ben sich erst nach der Befreiung durch dieBewegung 2. Juni der RAF angeschlossenund nicht wie es in der Lektre behauptetwurde, vorher. Ob unbedingt die Aktiongegen den Generalbundesanwalt im April1977 als Mord an S. Buback bezeichnet

    werden soll (Seite 194)? Oder ob es da-rum geht, zu beweisen, wer sich an dendiversen Aktionen der RAF beteiligt hat.(ebenda) Viele Mitglieder werden als ersteRAF-Generation oder fhrende Kpfebezeichnet. Die RAF verstand sich drin-nen und drauen als Kollektiv und hat biszum Ende ihrer Existenz 1998 trotz vielerVerhaftungen und Toten weiter agieren kn-nen. Die RAF war nicht im Kern geschei-tert 1977 (Seite 197), sondern organisiertesich danach neu (Frontkonzept von Mai1982). Die RAF war deshalb bis Ende derachtziger Jahre durch politische und mili-

    tante Aktionen ein bedeutender Faktor imIn- und Ausland.Wer Authentisches ber die Guerilla erfah-ren will, sollte sich das Buch von IrmgardMller RAF- das war fr uns Befreiung be-sorgen. Oder auf die Seiten labourhistory.net und nullaenito.jimdo.com schauen.

    Trotz dieser Einwnde, reiht sich HelgesBuch in die Arbeiten von den AnwltenBakker-Shut Stammheim und Karl-HeinzWeidenhammers Selbstmord oder Mordein, die sich ebenfalls gegen diese in Steingemeielte Wahrheit des Staates vor 30Jahren gewendet hatten. Allerdings sagt

    Lehmann nur, so kann es nicht gewesensein, wie es die ofziellen Stellen seit 33Jahren vertreten, er behauptet nicht, das esFremdttung gewesen ist. Er meinte sinn-gem, ein Urteil sollen sich die LeserInnenselbst bilden.

    Todesnacht in Stammheim Eine Un-

    tersuchung Indizienprozess gegen die

    staatsofzielle Darstellung und das To-

    desermittlungsverfahren

    von Helge Lehmann

    Pahl-Rugenstein

    Mit Dokumenten CD237 Seiten, 68 Abbildungen, broschiert,

    19,90 Euro

    ISBN 978-3-89144-437-5

    (red.)

    Todesnacht in Stammheim von Helge Lehmannwww.political-prisoners.net

    Irmgard Mller - RAF - das war fr unsBefreiungISBN 978-3894581497 ~ 17 Euro

    Kalr-Heinz Weidenhammer - Selbstmordoder Mord

    ISBN-13: 978-3890290331

    www.labourhistory.netwww.nullaenito.jimdo.com

  • 8/3/2019 Gefangenen Info #363

    9/20

    juli/august 2011 gefangenen info 9

    seite 3 schwerpunkt inland international dossier gefangene feuilleton kurzmeldungen

    BRD: Das Antirepressions-standardwerk Ratgeber frGefangene mit medizi-nischen und juristischenHinweisen wurde 1989 dasletzte Mal aufgelegt. Ab die-sem Jahr soll nun eine Neu-

    auage erscheinen. DerRatgeber soll Gefangenen

    das berleben innerhalb des Knastes er-leichtern, aber auch Untersttzung fr Ange-hrige bieten. Da das Buch sehr umfang-reich ist und die Aktualisierung eines hohenMaes an Fachwissen bedarf, rufen die Initi-atoren zur Mitarbeit auf.Das Arbeitswiki ndet ihr unter:fsi.spline.de/gefangenenratgeber (red.)

    Berlin: Das Berliner Antifa-Portal www.antifa-berlin.deist seit dem 15.Juli vom

    Netz. Dies begrndet sichdarin, dass von Seiten derRepressionsbehrden der-artig Druck auf den Provi-der ausgebt wurde, dass

    dieser die Seite nun aus dem Netz nahm.Auf diesem Portal waren unter anderem dieSeiten von aktuellen Berliner Antifa-Kampa-gnen und Informationen zu Nazi-Aktivittender letzten Zeit in Berlin. Alle Inhalte sindvon nun an unter unter www.antifa-berlin.info wieder zugnglich.Das Portal wurde im Zuge der Gegenmobili-sierung zum Naziaufmarsch am 1.Mai 2010in Berlin gegrndet. (red.)

    Berlin: Seit dem 15. Junibendet sich Det in Unter-suchungshaft in der JVAMoabit. Ihm wird vorgewor-fen am 10. Juni Autos ange-zndet zu haben. Nachdemkurzzeitig der Haftbefehlmit der Auage sich zwei

    mal wchentlich bei der Polizei zu meldenausgesetzt worden war, musste Det auf-grund Widerspruchs der Staatsanwaltschaftwieder in Untersuchungshaft. Mit Demosund Kundgebungen, sowie einem Farban-

    griff auf eine Polizeiwache in Hamburg gabes bereits einige Soli-Aktionen. Die mit ihmfestgenommene Person wurde nach kurzerZeit wegen fehlender Beweise wieder freige-lassen. (red.)

    Kln: Am 13. Juli 2011 wur-de Erol G. mit dem Vorwurfder Mitgliedschaft in derDHKP-C mit Hilfe des129a und des 129b fest-genommen. Ihm wird vor-geworfen fr die Beschaf-fung von Geldmittelnverantwortlich und spte-

    stens seit Februar 2007 Mitglied der Organi-sation gewesen zu sein. Mit seiner Verhaf-tung wird der bereits fnfte 129b-Prozessgegen angebliche Mitglieder der DHKP-Cvorbereitet. Er bendet sich in U-Haft (red.)

    Kurzmeldungen bundesweit

    Der politische und soziale GefangeneneWerner Braeuner, derzeit in der Justizvollzugs-anstalt Sehnde (bei Hannover), hat siegreichseinen Hungerstreik (HS) beendet. Der Grundhierfr war verunreinigtes Essen im Gefngnis.Werner sitzt bereits seit 10 Jahren weil er denChef des rtlichen Arbeitsamtes in Verden er-

    stach. Schikanen in der Justizvollzugsanstaltsind an der Tagesordnung, besonders wenndie Arbeit verweigert wird.Whrend des HS schrieb er: Aufgrund des imFebruar handfest gewordenen unberwind-lichen Ekels gegen von der Knastkche zu-bereitete Speisen und weil die zum Abendbrotgereichten fabrikverpackten oder abwasch-baren frischen Nahrungsmittel bei weitem nichtzur Ernhrung ausreichen, htte ich ohne denHS in den noch verleibenden 24 Monaten Haftstill, leise und langsam immer schrfer auszeh-ren mssen; durch Mangelernhrung wrdeich zum Entlassungstermin im Februar 2013absehbar an Leib und Seele krank gewordensein. Daher ist es folgerichtig gewesen, in denAngriff zu gehen, der HS war alternativlos. Erbegann nach einiger Vorbereitung mit dem HSam 8. Mai 2011 und er whlte dabei bewusstden Tag der Befreiung vom deutschen Fa-schismus. Das Netzwerk Freiheit fr alle po-litischen Gefangenen untersttzte in mehrerenStdten Werners HS. Ein Bndnis verschie-dener linksradikaler Strmungen grndete dieBerliner Soligruppe Werner Braeuner undversuchte durch Aktionen, ffentlichkeitsarbeitund Medien Werners Hungerstreik bekannterzu machen. Werner hatte angekndigt ein To-desfasten zu machen und sich umzubringen

    wrde er zwangsernhrt. In seinem Gefngnisgab es schon mehrere Hungerstreiks, z.B. vonRoland Wenzel, die unmglich gemacht wur-den da ihnen einfach das Wasser abgedrehtwurde. Offensichtlich wollte Werner soetwasvermeiden. Da also nicht so viel Zeit war orga-nisierten wir in Berlin: Kundgebungen z.B. vordem Job-Center in Neuklln, eine Demonstra-tion zur Niederschsischen Landesvertretung,eine Infoveranstaltung ber Hintergrnde imGefngniswesen, Repression durch die Arbeit-sagenturen und Gefangene im Allgemeinen.Auerdem wurden durch die Gruppe mehrereZeitungsartikel und Radio-Interviews ange-

    regt. Von Berlin aus gab es auch einen regenKontakt zu anderen Solidarittsgruppen vonWerner. Andere Gruppen machten z.B. spon-tane Soldarittsversammlungen in Sehnde amKnast, riefen dort Parolen und die Gefange-nen antworteten mit Beifall, Freiheitsrufen undFreudenschreien. Ebenfalls gab es in anderenStdten u.a. Hannover Infoveranstaltungen zuWerner Braeuner und auch eine Kundgebungvor dem Justizministerium. Es gab regelmi-ge Interviews mit Werner aus der Haftanstaltbei Radio-Flora (Hannover) und es wurdeKontakt zu anderen Gefangenen hergestelltwie Thomas Meyer-Falk, Peter Scherzl (Inte-ressenvertretung Inhaftierter), Tommy Tank

    und Devrim Gler, die sich allesamt soldarischerklrten. Teile der linksradikalen und anarchis-tischen Anti-Repressionsbewegung verfolgtenzwar kritisch die Solidarittsarbeit zu demGefangenen Werner Braeuner, verhielten sich

    aber nicht wirklich solidarisch zu diesem Fall.Werner Braeuner als frherer Erwerbslosen-aktivist erhielt auch keine Untersttzung ausder Erwerbslosen-Bewegung (ausser verein-zelt in Berlin). Das Labournet (virtueller Treff-punkt der gewerkschaftlichen Linken mit undohne Job im weitesten Sinne) nderte sogar

    die Rubrik Solidaritt mit Werner Braeuner inDer Fall Werner Braeuner. Einige hatten wohlauch Probleme ihn zu untersttzen weil er nichtnur klassenkmpferischer Anarchist, sondernauch noch Nihilist sei. Zumindest in Berlin gabes nicht wenige Genoss_Innen, die nicht vielErfahrung mit Gefangenen-Untersttzunghatten und ins kalte Wasser gesprungen sind.So gab es manchmal auch in der konkretenZusammenarbeit gegenstzliche Positionenwo sich aber in der Praxis an Sachfragenorientiert wurde. So konnten auch fehlendeKompetenzen immer wieder durch neue Leu-te ergnzt werden. Brgerliche und LiberaleGruppen reagierten oft gar nicht oder nur sehrspt auf Werner Braeuners Aktion. Obwohl derUmgang im Strafvollzug lokal durchaus unter-schiedlich ist, so hat doch der Kampf im Knastgegen die schlechten Zustnde vordergrndigerstmal gar nichts damit zu tun warum Menschdort sitzt. In der konkreten Solidarittsarbeitkam immerwieder die Argumentation, Wernersei doch ein Mrder und Mensch drfe ihndeshalb nicht untersttzen. Was oft nach ei-niger Diskussion verworfen wurde. Anders alsMensch denken knnte gab es bei Aktionenin aller ffentlichkeit nie einen Widerspruch,im Gegenteil. In Berlin uerten Erwerbslosesogar Verstndnis fr solch eine Tat. Eine an-

    dere Betroffene, die auch wegen Ordnungswid-rigkeiten inhaftiert war besttigte unter Trnen,dass Werner Braeuner mit seinen Anschuldi-gungen gegen Gefngniskost und StrafvollzugRecht hat. Es wurde auch durch andere Gefan-gene, die sich mit Werner solidarisierten klar,dass die gezielte Verunreinigung und die Schi-kanen nicht nur Ausrutscher einer einzigenJVA seien, sondern weit verbreiteter fest einge-planter Bestandteil der Gefngnis-Industrie zusein scheint.Das wichtigste jedoch in der Solidarittsarbeitauf gleicher Augenhhe drinnen wie draus-sen war jedoch die direkte Kommunikation mit

    dem Gefangenen selber, per Brief und Telefonsowie die Besuche in der Anstalt. Schon wh-rend des Hungerstreiks verbesserte sich dieErnhrung der anderen Gefangenen, so gabes durch einen individuellen KlassenkampfErrungenschaften fr auch nicht kmpfendeMithftlinge. Durch die ffentliche Solidaritts-arbeit im Allgemeinen gab es auch nicht diesonst blichen Schikanen durch die Schlieeroder die Gefngnisleitung.

    Er hat erreicht dass er morgens und mittagsSonderkost und abends abgepackte Lebens-mittel erhlt. Er schreibt: All den vielen solida-rischen GenossInnen, die drauen mobilisiert

    und untersttzt haben, sage ich nun: Das istzwar ein Sieg fr mich, aber es ist EUER Sieg!Feiert fr mich mit, bitte!

    (Berliner Soligruppe Werner Braeuner)

    Werner Braeuner siegt im Hungerstreik!Berliner Soligruppe Werner Braeuner

  • 8/3/2019 Gefangenen Info #363

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    Savvas Xiros bleibt im Knast

    seite 3 schwerpunkt inland international dossier gefangene feuilleton kurzmeldungen

    10 gefangenen info juli/august 2011

    Savvas Xiros wird nicht zur Behandlung in einKrankenhaus verlegt. Mit 2 zu 1 Stimmen lehntedas zustndige Gericht in Pirus Anfang Junieinen entsprechenden Antrag auf Haftverscho-nung fr maximal 5 Monate ab.Trotz den anderslautenden Voten der Zeugenund einem wegweisenden Beschluss des Eu-ropischen Gerichtshofs fr Menschenrechtein dem die Ablehnung eines bereits vor Jahren

    gestellten Antrags von Savvas Xiros als men-schenrechtsverletzend gergt worden war, pl-dierte die Staatsanwltin auf Ablehnung des An-trags. Zwei der drei Richterinnen schlossen sichdiesem Votum an. Eine Begrndung des Urteilswird erst in etwa einem Monat vorliegen.Wir dokumentieren im Folgenden eine Erkl-rung der Aktion fr die Freiheit, einer Solidari-ttsinitiative fr politische Gefangen, die sich ausverschiedenen Gruppen und Einzelpersonen inGriechenland zusammensetzt:

    Die Justiz verweigert Savvas Xiros das Rechtauf Behandlung

    Die Ablehnung des Antrags von Savvas Xirosauf eine Unterbrechung seiner Strafe, damit erins staatliche Krankenhaus AHEPA in Thessa-loniki verlegt wird, um seine gesundheitlichenProbleme behandeln zu lassen, die durch denlangjhrigen Verbleib im Gefngnis von Korydal-los schlimmer geworden sind, entspricht einerVerurteilung zu permanenter Folter, die in eineVerschlechterung seiner Gesundheit und in eineGefahr fr sein Leben mnden.Das heuchlerische Gesicht der Justiz zeigte sichin den beiden Prozessen, die zur Prfung seinesAntrages auf Strafaussetzung gefhrt wurden.Im ersten Prozess, der am 2. Mai stattfand, warder Vorwand fr die Vertagung des Prozesses,

    dass keine schriftliche Besttigung des Kran-kenhauses vom Gefngnis in Korydallos berdie Unmglichkeit einer Behandlung von S. Xi-ros vorlag, obwohl die entsprechenden Zeugenund insbesondere der Abteilungsleiter in derGerichtsmedizin ausgesagt hatten, dass diesesKrankenhaus nicht einmal als Erholungsstationbezeichnet werden knne. Natrlich wurde derProzess vertagt und dies sogar auf einen Tag, andem der zustndige Gerichtsmediziner nicht an-wesend sein konnte. Dieser Gerichtsmedizinerhatte im ersten Prozess unmissverstndlich dieUnmglichkeit einer Behandlung und Heilung imGefngnis von Korydallos oder durch kurzfristigeBesuche in Krankenhusern und die Notwendig-

    keit einer Verlegung und Behandlung in einemgeeigneten Krankenhaus dargelegt.Fr den zweiten Prozess wurde von der Staats-anwaltschaft statt der schriftlichen Besttigung,die das Gesetz vorsieht, eine schriftliche Aussa-ge und die Prsenz der den Gesundheitsproble-

    men von S. Xiros entsprechenden Fachrzteaus dem Gefngniskrankenhaus von Korydallosverlangt. Die entsprechenden rzte beantwor-teten die Frage nach der Unmglichkeit einerBehandlung im Krankenhaus von Korydal-los nicht kategorisch, obwohl sie die unzurei-chenden Behandlungsmglichkeiten in Bezugauf die Gesundheitsschden von Savvas unddie Probleme eines kurzfristigen Transportes in

    ein anderes Krankenhaus zugaben. Sie erklr-ten allerdings auch nicht, dass sie ihn behandelnknnten.Die Richterbank aber verweilte nicht im Gering-sten bei diesem Problem und zeigte damit die

    juristischen Schwchen der Argumentation desvorherigen Prozesses auf, die Strafaussetzungnicht zu gewhren. Sie tat etwas Schlimmeres:Die Staatsanwltin konstruierte eine unlogischeund provozierende Argumentation, die vertrat,dass es an Details in Bezug auf die Behandlungvon S. Xiros im Krankenhaus AHEPA mangele.Etwas, das natrlich unmglich vor der Untersu-chung der Gefangenen in dem entsprechendenKrankenhaus und der Einschtzung seiner

    Situation zu leisten ist. Allerdings wurde, wiezu erwarten war, das ablehnende Votum derStaatsanwltin von der dreikpgen Richterbankbernommen.Mit dieser provozierenden Entscheidung zeigtedie Justiz ein weiteres Mal ihr rchendes Gesichtgegenber Savvas Xiros, der neun Jahre nachseinen schwersten Verletzungen, seinen vielfl-tigen krperlichen Schden und Gesundheits-problemen unter denen er leidet, weiterhin imGefngnis von Korydallos gehalten wird. DieseBarbarei zeigt auch die Entscheidung des Euro-pischen Gerichtshofs fr Menschenrechte (Eu-GHMR) in Straburg vom September 2010 auf,wo Griechenland wegen Verletzung des Artikels

    3 der Europischen Menschenrechtskonventi-on verurteilt wurde, mit anderen Worten fr dieentwrdigende Behandlung von Savvas Xirosdurch die unzureichende Pege seiner unheil-baren Gesundheitsprobleme.Wir glauben, dass diese unvertretbare Ableh-nung des Antrags auf Strafunterbrechung von S.Xiros von anderswo vorgegeben wurde und eineder vielen Vorgehensweisen der Justiz ist, dieihr wahres Gesicht enthllen. Das Gesicht dervollstndigen Einordnung und Zusammenspielsmit dem Repressionsapparat des Staates, dasGesicht der auf Befehl vollstndigen bertretungder Gesetze. Der Verweigerung auch noch dergrundlegendsten Menschenrechte nach Pege

    und Zugang zum Gesundheitswesen. Das Ge-sicht des Versuchs der Vernichtung der politi-schen Gegner des Staates.Nein zur Vernichtung von Savvas Xiros sofor-tige Entlassung aus dem GefngnisAktion fr die Freiheit.

    (Aktion fr die Freiheit)

    Die Entwicklungen im Fall Savvas Xiros werdenseit dem Urteil des Europischen Gerichtshofsfr Menschenrechte von einem Komitee derzustndigen Ministerien Griechenlands verfolgt.An dieses Komitee wird sich die Anwltin vonSavvas mit einer Beschwerde richten, da dasneue Urteil sich nicht an die von Griechenlandumzusetzenden Vorgaben des EuGHMR ge-halten hat, nach denen es eine Verletzung derMenschenrechte darstellt, wenn ein Gefangenerkeinen Zugang zum Gesundheitssystem hat.Auch ein Antrag auf eine einstweilige Verfgung

    zur Haftaussetzung und Verlegung des Gefan-genen in ein Krankenhaus beim EuGHMR wirderwogen.http://actionforliberty.wordpress.com/

    Weitere Nachrichten aus KorydallosBeide Brder von Savvas Xiros sind mittlerwei-le nicht mehr im unterirdischen Isoknast vonKorydallos eingesperrt. Sein jngerer BruderVassilis wurde bereits im Februar nach Nordgrie-chenland in einen Agrarknast verlegt und kannberdies im Juli mit einer Entlassung rechnen,da er die vom Gesetz erforderlichen 3/5 seiner25jhringen Gefngnisstrafe mit 9 Jahren Ge-fngnis und der Anrechnung von Arbeitstagen

    hinter sich gebracht hat.Der lteste der eingeknasteten Xiros BrderChristodoulos wurde ebenfalls im Februar ver-legt. Er bendet sich jetzt in einem anderen Flgeldes Gefngnisses von Korydallos. Christodoulosleidet seit Jahren unter einer unerklrlichen All-ergie, die ihn bereits mehrmals mit einem aller-gischen Schock in lebensgefhrlichem Zustandins Krankenhaus gebracht hat. Nachdem derGefangene seine ihm jahrelang ohne positivesErgebnis verordnete Cortison-Behandlung ab-gebrochen hat und sich sein Zustand ohne jedeMedikamentengabe allein durch die Verlegungaus dem Kellerknast auf die Krankenstationwesentlich verbesserte, konnte er mithilfe des

    Inbrandsetzens seiner Zelle endlich durchset-zen, dauerhaft in einen oberirdischen Trakt ver-legt zu werden.Anfang Juli wurde auch Iraklis Kostaris verlegtund zwar in den halboffenen Vollzug. Er arbeitetin der Gefngnisbckerei, die auch auerhalbdes Gefngnisses beliefert.

    Auer Savvas Xiros weiterhin im unteridischenKleingruppenisotrakt eingesperrt sind DimitrisKoufontinas und in einem abgetrennten Bereichim selben Trakt Vassilis Tsortsatos und Alexand-ros Giotopoulos. Von den beiden Kronzeugenbendet sich Patrokolos Tselentis im halboffenenVollzug (er arbeitet auch in der Gefngnisbcke-

    rei, die auch auerhalb des Gefngnisses belie-fert) und Kostas Tellios im Normalvollzug, wo erals Peger im Gefngniskrankenhaus arbeitet.

    (Aktion fr die Freiheit)

  • 8/3/2019 Gefangenen Info #363

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    juli/august 2011 gefangenen info 11

    seite 3 schwerpunkt inland international dossier gefangene feuilleton kurzmeldungen

    Frankfurt:Die ehemalige Militante derRAF Birgit Hogefeld wurdenach 18 Jahren aus der Haftentlassen.Das OLG Frankfurt/Mainhatte Anfang Juni entschie-

    den, den Rest ihrer Frei-heitsstrafe zur Bewhrung

    auszusetzen. Entscheidend war fr die Rich-ter, dass sich die Verurteilte in deutlicherForm von der RAF losgesagt und ihrerseitsdie persnliche Verantwortung fr die von derdamaligen RAF begangenen Straftaten ber-nommen hat Hogefeld wurde 1993 von derGSG 9 in Bad Kleinen festgenommen, dabeiwurde Wolfgang Grams gettet. (red.)

    Karlsruhe:Wie bereits berichtet wur-de im Prozess gegen Ver-ena Becker gegen Roland

    Mayer und Siegfried HaagBeugehaft verhngt. DerBundesgerichtshof in Karls-ruhe wies diese Entschei-dung des OLG nun zurck,

    nachdem beide Einspruch erhoben hatten.Begrndet wurde dies damit, dass sie sichselbst belasten knnten, auch wenn sie be-reits 1976 in Haft waren. Somit stand ihnendas Recht zur Aussageverweigerung zu. Ne-ben den beiden wurden 9 weitere ehemaligeMilitante im Prozess, in dem ber die TtungBubacks verhandelt wird, vorgeladen. (red.)

    Dsseldorf/Freiburg:

    Unter dem Vorwurf Mit-gliedschaft in einer ausln-dischen terroristischen Ver-einigung wurden am 17.Juli zwei Mnner in Freiburgund in Dsseldorf verhaftet.Beide sollen Mitglieder derPKK sein. Bislang wurde

    die PKK als kriminelle Vereinigung gefhrt,nun ist es das erste Mal das mutmalichePKK-Mitglieder mit dem 129b belangt wer-den. Grund hierfr ist eine Entscheidung desBGH, dass die PKK als terroristisch einzustu-fen sei. Konkret wird beiden vorgeworfen dieJugendorganisation der PKK geleitet zu ha-ben. Beide benden sich in Untersuchungs-haft. (red.)

    Dsseldorf:Der im andauernden 129b-Prozess in Dsseldorf vorGericht stehende FarukEreren wird nun doch nichtabgeschoben. Das Oberlan-desgericht Dsseldorf folgtehierbei einem Beschluss derBundesregierung Ereren

    nicht an die Trkei auszuliefern. Der bereits2007 inhaftierte, steht seit Januar 2009 unter

    dem Vorwurf der Mitgliedschaft und Rdels-fhrerschaft in einer auslndischen terroris-tischen Organisation 129b vor Gericht. DerProzess wurde nach Unterbrechung am 12.Juli fortgesetzt. Weitere Informationen unterwww.no129.info(red.)

    Kurzmeldungen bundesweit

    2009 wurde Brendan Lillis mit dem Vor-wurf an einem versuchten, bewaffnetenRaubberfall beteiligt gewesen zu sein in-haftiert. Lillis sa bereits 16 Jahre wegenWaffen und Sprengstoffbesitzes in LongKesh inhaftiert und wurde 1994 wieviele andere whrend des NordirischenFriedensprozesses nur unter Auagenentlassen. Brendan Lillis war in den 70erJahren in der Provisional IRA organisiertund beteiligte sich an sogenannten De-cken- und Schmutzstreiks, bei dem dierepublikanischen Gefangenen versuchtenihren Status als Kriegsgefangene wiederzu bekommen.

    2011 wurde gegen ihn die Anzeige we-gen des versuchten Raubberfalls zwarfallengelassen, jedoch bendet er sichweiterhin in Haft, da seine Verurteilung zulebenslanger Haft wieder in Kraft getretenwar. Somit ist Lillis seit 2009 ohne Anzei-ge oder Urteil, also ohne jede rechtlicheGrundlage, weggesperrt.

    Erschwerend fr seine Situation ist seinseltenes Wirbelsulenleiden Spondylitisankylosans (oder Morbus Bechterew),was es ihm unmglich macht aufzustehenoder zu gehen. Er muss tglich 40 Tablet-ten einnehmen, ist bereits seit 600 Tagen

    ans Bett gefesselt und ist auf ca. 35 Kilo-

    gramm abgemagert. Durch die Knastsitu-ation ist es unmglich ihn auf richtige Artund Weise medizinisch zu versorgen.

    Seine Lebenspartnerin hat die Befrch-tung geuert, dass er in den nchstenTagen sterben knnte. Trotz (oder geradewegen dieser Umstnde?) versucht die frihn zustndige Komission fr lebenslan-ge Haftstrafen die Anhrung zu seinemFall immer weiter nach hinten zu schiebenund ihn noch lnger im Gefngnis zu be-halten, um an ihm ein Exempel zu statu-ieren. Lillis soll den Knast nicht verlassen

    bevor er in den Zustndigkeitsbereich desLeichenbestatters fllt.

    Freunde, Familie, ehemalige Mitgefan-gene und irisch-republikanische Gruppen

    Zur Situation von Brendan Lillisfordern seine sofortige Freilassung undorganisierten einen Hungerstreik vor dereinstigen Armeekaserne in Anderstown/Westbelfast.Diese Kaserne ist fr die irische Freiheits-bewegung ein symboltrchtiger Ort, da An-

    derstown in den 70er Jahren Hauptschau-platz der sogenannten Troubles war. DerHungerstreik war vom 21. bis zum 27. Juli2011. Zustzlich fanden zahlreiche Veran-staltungen und Solidaritts Kungebungenstatt. Bereits 7 mal besuchten Vertreter derSinn Fein das Gefngnis, jedoch wurdendiese Besuche dazu benutzt die Haftbe-dingungen von Lillis weiter zuzuspitzen.Da die Partei anscheinend nichts getanhat auer das Gefngnis zu besuchen undkeinerlei wirkliche Versuche unternahmLillis freizubekommen, beziehungsweisedessen Haftbedingungen zu verbessern.

    Der Fall von Brendan Lillis stellt zwar auf-grund seiner Krankheit und seines dra-matischen Gesundheitszustandes eineBesonderheit dar, reiht sich aber ein ineine Repressionswelle gegen ehemaligeMilitante der Provisional IRA, die immerwieder inhaftiert werden: Wie zum Beispielauch Marion McGlinchey. Auch sie sa be-reits viele Jahre in britischen Gefngnissenda ihr vorgeworfen wird an einem Auto-bombenanschlag der IRA in London betei-ligt gewesen zu sein. Ebenfalls 2009 wur-de sie nun wieder eingekerkert, nachdem

    zwei britische Soldaten, kurz vor derenAbug nach Afghanistan, von der Real IRAerschossen wurden. Die Vorwrfe, dasssie etwas mit dem Attentat zu tun habe wa-ren zwar vllig haltlos, trotzdem blieb sieweiter inhaftiert, da sie angeblich bei einerOsterparade neben einem vermummtenReal IRA Militanten stand. Das reichte aus,dass sie erst im Mai 2011 aus dem Knastentlassen wurde.

    Mit diesen Verhaftungen wird das Karfrei-tagsabkommen von 1998 selektiv zurck-genommen, das unter anderem die Frei-lassung der IRA Gefangenen garantierensollte. Denn Brendan und Marion wurdenbeide nicht auf Grund aktueller Begeben-heiten eingeknastet, sondern weil sie inder Provisional IRA organisiert waren.

    www.political-prisoners.net

    Informationen zu aktuellen Gefangenen-kmpfen in Nordirland: republicanprisoners-

    maghaberry.com, www.republicannetwork.ie (unter Cogs POWs), irpwa.blogspot.com

    Aktuelle Presseartikel zu Nordirland:saoirse32.blogsome.com

  • 8/3/2019 Gefangenen Info #363

    12/20

    12 gefangenen info juli/august 2011

    Anfang Mai ging in sterreich der Pro-zess gegen dreizehn Tierrechtsaktivist_innen mit einem (nicht rechtskrftigen)Freispruch zu Ende. Der Hauptvorwurfdabei war die Mitgliedschaft in einer kri-minellen Organisation (278a StGB).Diese Organisation wre so die Sicht

    des Staatsanwalts fr Kampagnen ge-gen Unternehmen, die zum Beispiel Pelzverkaufen, verantwortlich und stnde glei-chermaen hinter ffentlichen Aktivittenwie Kundgebungen oder Protest-Emailsund Direkten Aktionen, beispielsweisedem Einschlagen von Schaufenster-scheiben. Die Anklage hatte sich dabeistark an dem Vorgehen der Repressi-onsbehrden in anderen Lndern, vorallem in Grobritannien gegen SHAC,orientiert. Dem Prozess war die Ermitt-lungsttigkeit einer eigens gegrndetenpolizeilichen Sonderkommission (Soko)

    vorausgegangen, die unter anderemTelefonate mitgehrt, Personen obser-viert und Spitzel in die Tierrechtsszeneeingeschleust hatte. Im Mai 2008 schlugdie Polizei mit Hausdurchsuchungen undVerhaftungen zu, zehn der spteren An-geklagten mussten ber drei Monate inU-Haft verbringen.Der Prozess hatte knapp ber ein Jahrgedauert. Als Wende, die letztlich zumFreispruch fhrt, wird die Enttarnung ei-ner Verdeckten Ermittlerin (VE) nachacht Verhandlungsmonaten beurteilt:durch Zufall konnten Aktivist_innen auf-decken, dass eine VE unter dem NamenDanielle Durand ber ein Jahr als Ak-tivistin beim Verein gegen Tierfabrikenbei Demos, Treffen und Jagdsabotagendabei war. Dass leitende Soko-Beamt_innen vor Gericht ber den VE-Einsatzgelogen hatten und die (durchwegs entla-stenden) VE-Berichte nicht bei den Aktenwaren, schien bei der Richterin Skepsisgegenber dem gesamten Konstrukt derKriminellen Organisation auszulsen.In ihrer Urteilsbegrndung erteilte dieden Vorwrfen des Staatsanwalts eineberraschend klare Absage.

    Bei aller Erleichterung ber den Frei-spruch hielt sich die Freude darber beivielen Beteiligten in Grenzen, zu mas-siv sprbar waren und sind die Auswir-

    kungen der Repression der letzten dreiJahre: die psychische und nanzielleBelastung, die Verunmglichung von be-ruicher oder politischer Aktivitt durchdie monatelange Anwesenheitspicht vorGericht (ein Prozess als Strafe war einoft gehrtes Schlagwort) all das kann

    das Urteil nicht ungeschehen machen.Es ndert auch nichts daran, dass es niezur Anklage htte kommen drfen. DasUrteil kann auch nicht, wie manche glau-ben mchten, als Beleg fr einen funk-tionierenden Rechtsstaat aufgefasstwerden, ist es doch vielmehr ein Beispieldafr, wie leicht es fr die Behrden ist,trotz nicht vorhandener Beweislage denRepressionsapparat hochzufahren wennder politische Wille zur Kriminalisierungvorhanden ist.Das Urteil ndert auch nichts am Systemeiner Gesellschaft, in der Gewalt gegen

    Tiere alltglich und gesetzlich gedecktist. Einem System, in dem Polizei undJustiz zunehmend repressiver gegen all

    jene vorgehen, die sich der herrschen-den Ordnung nicht widerspruchslos an-passen und in dem Gerichte vielmehr derMachtdemonstration als der neutralenWahrheitsndung dienen. So kann derProzess, der vielfach mit skandalisie-renden Attributen versehen wurde, auchnicht als Ausrutscher des Polizei- undJustizsystems gesehen werden, vielmehrgab er Einblicke in die Alltagspraxis derBehrden. Oft stellte sich dabei die Fra-ge, wie es Angeklagten ergeht, die nichtder sterreichischen Mittelschicht ange-hren und keine kritischen Prozessbeo-bachter_innen, informierte Anwlt_innen,solidarische Untersttzer_innen und auf-merksame Medien hinter sich haben: ihreVerurteilung ist vorprogrammiert.Ein endlich ist es vorbei kommt auchangesichts hnlicher Flle schwerber die Lippen. So sind in sterreichbereits die nchsten politischen Akti-vist_innen ins Visier der Polizei und Ju-stiz geraten: ein Video, dass eine Demogegen Abschiebungen am FlughafenWien dokumentiert, stelle laut Behr-den eine Recherche zu terroristischenZwecken (einem mglichen Anschlagauf den Flughafen) dar, ermittelt wurdenach 278b, ob Anklage erhoben wird

    ist derzeit offen. Und in Spanien wurdenvor wenigen Wochen Haftbefehle gegenzwlf Tierrechtsaktivist_innen erlassen,drei davon benden sich nach wie vor inU-Haft, der Vorwurf auch hier: die Beteili-gung an einer Kriminellen Vereinigung,die fr die Freilassung von Nerzen aus

    Zuchtbetrieben verantwortlich sein soll.Solidaritt ist also weiterhin gefragt.

    Trotzdem war die Urteilsverkndung frdie Angeklagten und die Untersttzungs-gruppe (fr einen Teil der Beschuldigtenwar das Antirep2008) auch ein Schluss-punkt nach drei Jahren Soli-Arbeit. Diesedrei Jahre zu resmieren, zu reektie-ren, zu versuchen, Erfahrungen fr an-dere, zuknftige Betroffene, nutzbar zumachen, all das steht noch aus. Derzeitgnnen sich alle Beteiligten eine Auszeitund warten darauf, dass die Richterin ihr

    Urteil schriftlich ausfertigt. Dann wird derStaatsanwalt entscheiden, ob er Beru-fung einlegt.

    In der Zwischenzeit bietet sich als Som-merlektre das vor kurzem erschieneBuch zum Prozess 278a Gemeintsind wir alle (herausgegeben von Chri-stof Mackinger und Birgit Pack; Man-delbaum Verlag; 16,90) an. Auf knappvierhundert Seiten werden zum einendie Ermittlungen, der Prozess und dieSoli-Arbeit zusammengefasst. Darberhinaus informieren Beitrge ber inter-nationale Aspekte der Repression gegenTierrechtsaktivist_innen und ber bishe-rige Anwendungsflle des 278 gegenpolitische Aktivist_innen in sterreichbzw. ber die rassistische Dimension die-ses Paragrafen. Der Text zur Soli-Arbeitschliet mit folgendender Einschtzung,die vielleicht als vorluges Fazit gel-ten kann: Die Soli-Arbeit stellte fr alleBeteiligten eine Herausforderung dar.Gleichzeitig gab gerade die gemeinsamepolitische Arbeit Kraft, Mut, und die Mg-lichkeit, ber die eigene Paranoia auchmal zu lachen, und die Gewissheit, dassdie Repressionsbehrden nicht so mch-tig sind, wie sie gerne wren.

    (www.antirep2008.tk)

    Der Tierrechtsprozess in sterreich(k)ein Happy End

    www.antirep2008.tk

    seite 3 schwerpunkt inland international dossier gefangene feuilleton kurzmeldungen

  • 8/3/2019 Gefangenen Info #363

    13/20

    Bereits am Montag, den 18.7.2011, einenTag vor Prozessbeginn trafen an die 50solidarische Menschen aus der Schweiz,Italien und Frankreich in Bellinzona ein.

    Am Abend gab es eine Infoveranstaltungzum Thema: Kampf gegen Atomkraft, woes Beitrge zum militanten Anti-AKW-Kampf sowie auch Informationen zu Mar-co Camenisch gab. Dort wurde auch dasCommunique, welches Marco zum Pro-zess geschrieben hatte, vorgelesen. AmAbend wurden dann die drei politischenGefangenen lautstark vor dem Gefngnisin Stampa/Lugano gegrsst. Es wurde Mu-sik gespielt und mit den Gefangenen kom-muniziert.

    Am Dienstag 19.7.2011 versammelten sich

    den ganzen Tag an die 70 AktivistInnenvor dem Bundesstrafgericht, in welcherder Prozess gegen die Drei stattfand. Dieganze Strasse hing voll mit Transparentenund den ganzen Tag wurden lautstark Pa-rolen wie: IBM, Umweltzerstrung; Freiheitfr Costa, Billy und Silvia! // Terrorist istder Staat koterrorist ist IBM, // Mag-ristraten, brgerliche Journalisten und Po-lizisten, das ist die Scheiss-Demokratie!.Die Wut der Leute draussen drang bis inden Gerichtssaal hinein! Kurz gab es einGerangel mit den Riot-cops, als sich dieLeute genau vor die Kaserne stellten, da-

    mit die Gefangenen sie noch besser hrenknnen.

    Auch am zweiten Prozesstag ging esweiter mit solidarischen Leuten, die demstrmenden Regen trotzten und lauthalsihre Solidaritt bekundeten. Zu einem Zwi-schenfall kam es, als die Polizei am Bahn-hof, ein gutes Stck vom Gericht entfernt,ein Auto von UntersttzerInnen durchsu-chen wollten. Sie wurden nach kurzer Zeitvon mehreren Dutzend Personen darangehindert und das beschlagnahmte Ma-terial wurde ihnen wieder abgenommen.Vor dem abendlichen Knastspaziergangin La Stampa gab es im Volkshaus einenVortrag zu Nano- und Biotechnologie derthematisierte wie diese Technologien vomStaat zur berwachung und Kriegsfhrungeingesetzt werden.

    Am Donnerstag, 21.7. gab es eine De-monstration durch Lugano mit einer Redevor einem Sitz der IBM. Auf dem Rckwegnach Bellinzona wurden nochmals die Ge-fangenen in La Stampa begrsst, wo sichdas erste Mal Riot-Cops vor den Eingang

    des Gefngnisses stellten. Am Abend fandeine weitere Infoveranstaltung statt, an dersich alle aus Italien und Schweiz Zugerei-sten einfanden: Beitrge zur Bedeutungder positionsbergreifenden Solidarittfr die revolutionre Bewegung. Marcos

    Stimme wurde abgespielt, als er sich indeutsch und italienisch zur Bedeutung derSolidaritt mit revolutionren Gefangenenusserte. Ausserdem wurde ber den Pro-

    zess im September gegen eine kommuni-stische Genossin informiert.

    Am Freitag, 22.7. dem Tag der Urteilsver-kndigung fand eine starke und entschlos-sene Demonstration mit ca. 100 Per-sonen vom Bahnhof in Bellinzona bis vordie Polizeikaserne statt, dort wurde danndas Urteil abgewartet. Als Schluss gab esnochmals eine Demonstration zurck zumBahnhof!

    Die ganze Woche war die Stimmungkmpferisch und entschlossen. Menschen

    aus der ganzen Schweiz und dem nahenAusland waren angereist um den vor dieSchranken der Justiz gezerrten politischenGefangenen ihre Solidaritt zu zeigen! An-archistInnen, KommunistInnen und Auto-nome waren zusammen vor dem Gericht,auf der Strasse mit ihren Transparentenund vor dem Gefngnis!

    Die andere Seite der Barrikade machtevom ersten Moment an deutlich, dass eshier um einen politischen Prozess geht: dieDrei wurden als sehr formierte politisch mo-tivierte Kriminaltouristen bezeichnet, ihre

    Isolationsbedingungen bis ins extremsteverschrft (keine Uhr, kein Schreibzeugs,kein Radio oder Fernsehen, keine Post,beschrnkter Anwaltsverkehr) und keinebersetzung zugelassen (ausser bei 2Zeugen der Anklage). Auch bei der Urteils-verkndung wurde kein Wort bersetzt.Als die Anwlte ihren Klienten danach ineiner Abstandszelle den Inhalt erluternwollten, stellten sich ihnen die Robocopsentgegen. Es gab kein Durchkommen. EinMilitrhubschrauber begleitete im Tiefugden berschnellen Abtransport der dreianarchistischen Gefangenen. Wohin siegebracht werden sollen, wurde streng ge-heim gehalten!

    Doch es wartet bereits der nchste Pro-zess auf uns; zwischen dem 28.-30.9. n-det der Prozess gegen eine GenossIn desrevolutionren Aufbaus und der RHI statt!Kommt alle wieder nach Bellinzona - stel-len wir der Klassenjustiz unsere Solidarittentgegen!

    Freiheit fr alle politischen Gefangenen!

    Freiheit fr alle revolutionren Gefange-nen!Fr eine Gesellschaft ohne Knste!

    Drinnen und Draussen ein Kampf gegenStaat und Kapital!

    juli/august 2011 gefangenen info 13

    Griechenland, Hellas: Am9.Juli nach einem Konzertder Freien Radio Station 98FM am Polytechnikum inAthen musste ein 22-Jh-riger nach einer pltzlichengewaltsamen Verhaftung

    ins Krankenhaus eingelie-fert werden. Er wurde von

    ungefhr 10 Mnnern der Bereitschaftspoli-zei (MAT) angegriffen und halb ohnmchtiggeschlagen. Trotz einer mehreren Zentime-ter tiefen Kopfwunde und starken Blutungenwurde ihm zunchst das Krankenhaus ver-weigert und er dem Staatsanwalt vorgefhrt.Jetzt werden ihm mehrere Straftaten vorge-worfen: Explosion, Besitz von Sprengstoff,Strung des ffentlichen Friedens und Be-leidigung. (red.)

    Griechenland: Im Prozessgegen neun mutmalicheMitglieder der OrganisationVerschwrung der Feuer-zellen wurden am 31.Julidie Urteile gefllt. Mit Haft-strafen zwischen 11 und 25Jahren fr die Angeklagtenschlug die Justiz mit voller

    Hrte zu. Die Anklage beluft sich zwischenGrndung und Mitgliedschaft in einer terro-ristischen Vereinigung, die Anstiftung zudrei Brandanschlgen und die Herstellungund den Besitz von Sprengstoff, Mitglied-schaft in einer terroristischen Vereinigung,

    die Beteiligung an Anschlgen und die Her-stellung, sowie den Besitz von Sprengstoff.Zwei der Angeklagten wurden freigespro-chen, eine Person wurde wegen Beteiligungan Diebstahl und Raub zu zwei Jahren undneun Monaten auf Bewhrung verurteilt.(red.)

    Indien:Im Stadtteil Sonbha-dra wurde ein Guerillero,Shivdas Paswan, verhaftetder von den Behrden ver-dchtigt wird an ber 15illegalen Aktionen beteiligt

    gewesen zu sein. Unteranderem auch fr Bomben-anschlge und die Zerstrung einer Poli-zeistation in Jharkhand vor einigen Jahren.(red.)

    gypten: Am Freitag den08. Juli wurde erneut derTahir Platz mit der Forde-rung nach Gerechtigkeit frdie whrend des Auf-standes Ermordeten be-setzt. Daraufhin hat die Ar-mee mit Panzern und

    Hunderten von Polizisten im Einsatz den

    Platz brutal gerumt. Schsse in die Luftund Schlge gegen die BesetzerInnenzeichneten das Bild. Ein lokaler Radiosen-der spricht von ber 270 Verhafteten undVerletzten. (red.)

    Kurzmeldungen internationalBerichte zu dem Prozess gegen Billy,Costa und Silvia in Bellinzona

    seite 3 schwerpunkt inland international dossier gefangene feuilleton kurzmeldungen

  • 8/3/2019 Gefangenen Info #363

    14/20

    Der weltweit anerkannte Anfhrer desAmerican Indian Movement (AIM) wirderneut von der Gefngnisleitung im Lewis-burg Staatsgefngnis schikaniert. SeineVerteidiger haben ihn besucht und sindbesorgt ber seinen Gesundheitszustand.Protestschreiben an die US-Bundesge-fngnisbehrde sollen helfen, ffentlichen

    Druck zu erzeugen. Am 27. Juni 2011 wur-de Leonard Peltier im Lewisburg Staatsge-fngnis im US-Bundesstaat Pennsylvaniain Totalisolation verlegt. Wie seine Ver-teidiger am 6. Juli mitteilten, muten sienach einem Besuch bei ihrem Mandantenfeststellen, da er seit der Verlegung ineiner winzigen Bunkerzelle isoliert wird,die nur ber ein kleines Fenster unter derZellendecke verfgt. Peltier bekommekeine frische Luft, vielmehr herrsche dorteine Hllenhitze, seine Haftsituation seischlicht miserabel.

    Als Grund fr die Verlegung habe die Ge-fngnisleitung lapidar Verste gegendie Anstaltsordnung angegeben. NachAussage von Rechtsanwalt Robert R. Bry-an handelt es sich dabei um Nichtigkeitenwie den Besitz einer Silbermnze und dieManipulation der Zellenbeleuchtung durcheinen frheren Zellennachbarn. Fr Men-schen auerhalb der Gefngnisse sinddas trichte Grnde, so Bryan gegenberdem IVK, aber die Gefngnisleitung nutztsie als Vorwand, um meinen Mandantenzu schikanieren, weil er ein bekannter Ak-tivist der amerikanischen Indianerbewe-gung ist, der wieder strkere ffentlicheUntersttzung geniee.

    Rechtsanwalt Bryan ist nun vor allem we-gen des schlechten Gesundheitszustands

    seines 66-jhrigen Mandanten besorgtund hofft, da in Krze eine Anhrung an-gesetzt und Peltier wieder aus der Totali-solation des Hochsicherheitsgefngnissesin den allgemeinen Vollzug zurckverlegtwird. ffentlicher Druck durch Protest-schreiben Untersttzungskomitees in denUSA und Europa rufen dazu auf, Protest-

    schreiben an die zustndige Gefngnisbe-hrde zu richten.

    Das Leonard Peltier Defense/OffenseCommittee aus den USA erklrt dazu:

    Unternehmt etwas. Fordert Transparenz.Die ffentlichkeit hat ein Recht zu erfah-ren, welche Manahmen gegen LeonardPeltier ergriffen werden. Verlangt hundert-prozentige Rechenschaft von den Gefng-nisbehrden fr ihr Handeln und fr Le-onards gesundheitliche Situation und seinallgemeines Wohlbenden.

    Wendet euch mit Bezug auf Leonard Pel-tiers Gefangenennummer #89637-132(Gefangener im USP Lewisburg) an dieUS-Bundesgefngnisbehrde, vertretendurch Direktor Thomas Kane (er ist derstellvertretende Direktor, leitet das Amtaber derzeit kommissarisch):

    Thomas Kane, Assistant DirectorFederal Bureau of Prisons (BOP)

    320 1st Street, NWWASHINGTON, DC 20534, USA

    E-Mail: [email protected]. 001 (202) 307-3250 (Direktor)

    001 (202) 307-3123 (stellv. Direktor)001 (202) 307-3198 (Zentrale)

    Fax: 001 (202) 514-6620Website: www.bop.gob

    Vorschlag des IVK fr das Schreiben anKane:

    Dear Mr. Kane:

    It has come to my attention that on June

    27, 2011 Leonard Peltier #89637-132, an

    inmate at the U.S. Penitentiary in Lewis-burg, Pennsylvania, was removed from

    general population and placed in solitary

    confnement.

    I believe that due to his age and health

    condition Mr. Peltiers medical needs are

    urgent. He needs to be seen by proper me-

    dical staff. Therefore, I respectfully request

    that Leonard Peltier immediately be trans-

    ferred back to the prisons general popula-

    tion and to address his medical needs!

    Sincerely,

    Unterschrift

    [Eine Kopie des Schreibens bitte an die nach-folgende E-Mail- oder Postfachadresse des IVK.Wir reichen die Kopien gesammelt weiter an dieVerteidigung.E-Mail: ivk(at)freedom-now(dot)dePostadresse: IVK c/o Archiv 92 e.V., Postfach150323, 29093 Bremen]

    Email: ivk(at)freedom-now(dot)de

    IVKc/o Archiv 92 e.V.,

    Postfach 150323,29093 Bremen

    Internationales Verteidigungskomitee

    (IVK)

    14 gefangenen info juli/august 2011

    seite 3 schwerpunkt inland international dossier gefangene feuilleton kurzmeldungen

    AIM-Aktivist Leonard Peltier totalisoliertInternationales Verteidigungskomitee (IVK)

  • 8/3/2019 Gefangenen Info #363

    15/20

    Kurzmeldungen international

    Am 22. Juli wurde der Hungerstreik im kalifor-nischen Pelican Bay Prison nach einem kollek-tiven Beschluss der beteiligten Gefangenen be-endet. Die Knastleitung hatte in einigen PunktenZugestndnisse gemacht. Die Nachricht vomAbbruch des Hungerstreiks erreichte uns erstkurz vor Redaktionsschluss, weshalb wir nichtnher auf den Abbruch eingehen konnten.Ab dem 1. Juli befanden sich Gefangene derPelican Bay State Prisons Security HousingUnit im Hungerstreik. Die Security Housing Unit(SHU) beschreibt die hchste Sicherheitsstufein den Gefngnissen der USA und wird auch als

    Knast im Knast bezeichnet. Fr die Gefange-nen bedeutet das reglementierten Kontakt nachauen und zu anderen Gefangenen, 22 1/2Stunden auf der Einzelzelle und in der restlichenZeit Einzelhofgang. In einer aktuellen Grund-satzentscheidung des Obersten Gerichtes wur-de festgestellt, dass die Bedingungen in denSHUs nicht vereinbar sind mit dem Begriff derMenschenwrde.Der Hungerstreik richtet sich gegen die Isola-tion, aber auch gegen ein System des Denun-ziantentums, das von Wrtern und Gefngnis-leitung aufgebaut wurde und gegen willkrlicheBestrafung von Gefangenen(gruppen), die vonder Gefngnisleitung zu Gangmitgliedern ge-macht werden. Kurz gesagt: Sie kmpfen frbessere Haftbedingungen.

    Bereits nach wenigen Tagen breitete sich derHungerstreik auf andere Gefngnisse aus, sodass mittlerweile in 13 von 33 Gefngnissenin Kalifornien sich Gefangene im Hungerstreikbenden. Die Zahl der Hungerstreikenden istschwer zu bestimmen, da kaum Informationennach auen dringen und wenn, diese schwer zuberprfen sind. Dennoch sickern gerade durchFamilienangehrige, Freunde oder Untersttze-rInnen immer wieder Nachrichten durch.Laut California Department of Corrections andRehabilitation haben ber 6.600 Gefangene zu-mindest zeitweise die Annahme ihrer Mahlzeitenverweigert. Viele der Gefangenen benden sichzudem im Durststreik, was bei Temperaturenum die 40 schnell zur vlligen Dehydrierung-fhrt. So ist der gesundheitliche Zustand vielerGefangenen angeschlagen. Eine Quelle mitZugang zu den aktuellen medizinischen Bedin-gungen, die es vorzieht unbenannt zu bleibensprach davon, dass bei einigen Gefangenender Krper Fehlfunktionen von Organen nichtmehr ausgleichen kann, dass viele nichts mehr

    nicht mal Wasser bei sich behalten knnen,an Nierenversagen leiden oder Blutzuckerwertehaben, die zum Tod fhren knnen. Mitte Juli

    wurde nach Verhandlungen den Gefangenenein Angebot unterbreitet das sie ablehnten. AmTag darauf wurde ein Aufruf zu einem Knastar-beiterstreik gestartet, wo die Gefangenen allerGefngnisse des Staates Kalifornien dazu auf-gefordert wurden jede verfgbare Ressour-ce ins Spiel zu bringen und die Arbeit in denKnsten niederzulegen, um greren Druck aufdas Gefngnissystem auszuben. Dabei sol-len die Streiks auch mit eigenen Forderungengefhrt werden, jedoch die Untersttzung derForderungen der Hungerstreikenden immer dieerste Forderung sein.Am 22. Juli ging die Knastleitung unter demDruck der starken Streikbewegung innerhalbder Knste auf einige Forderungen ein, weshalbder Streik beendet wurde.

    (red.)

    juli/august 2011 gefangenen info 15

    seite 3 schwerpunkt inland international dossier gefangene feuilleton kurzmeldungen

    Spanien: In Barcelonanahm sich am 26. April 2011die junge QueeraktivistinPatricia Heras das Leben.Patricia Heras war eine derBeschuldigten im so ge-nannten 4F-Verfahren ge-

    gen vier junge Leute ausBarcelona. Patricia Heras

    war zweitweise inhaftiert und wartete auf ei-nen Prozess. Zuletzt war sie Freigngerinund musste die Nacht im Knast verbringen.(red.)

    USA: Am 16 Juli wurde der19 jhrige Kenneth Har-ding in San Fransisco vonPolizisten auf offener Stra-e, mit 10 Schssen regel-

    recht hingerichtet. Er hattelediglich versucht sich ei-ner Fahrkartenkontrolle inder U-Bahn zu entziehen

    und war weggerannt. Passanten die ver-suchten die Beamten zu beruhigen underste Hilfe zu leisten wurden ebenfalls mitder Waffe bedroht. Kenneth ist der Dritte derdiesen Monat auf diese oder nliche Weisein San Fransisco starb.

    Guatemala: Nach ber 30Jahren wurden jetzt erstma-

    lig vier fr Massaker wh-rend des Brgerkrieges inGuatemala verantwortlicheSoldaten verurteilt. Zweivon den insgesamt vier sindehemalige Mitglieder derEliteeinheit der Armee. Sie

    wurden beschuldigt im Dezember 1982Massaker an ber 201 Bauern verbt zu ha-ben. Whrend des 36 Jahre andauerndenBrgerkriegs wurden mehr als 250.000Menschen ermordet, 40.000 verschwundengelassen und mehr als 100.000 Menschenohen ins Exil. Dies war nun das erste mal

    das ehemalige Soldaten fr die Massakerdie sie whrend des Krieges begangen hat-ten verurteilt wurden. Sie wurden zu 30 jah-ren Freiheitsstrafe verurteilt. (red.)

    Italien: Am Montag hattensich Hunderte von Asylbe-werbern, die meisten ihnengeohene Arbeiter aus Ly-bien, in der Nhe des Zen-trums fr Migranten in Italienversammelt, um ihren Flcht-lingsstatus zu verlangen. Sieblockierten die Strae und

    die Bahnlinie mit groen Steinen und zndetenFeuer an der Strecke. Die Polizei fhrte dreiigFestnahmen, mindestens 35 Personen wur-den verletzt. (red.)

    Hungerstreik in

    kalifornischen Knstenwww.political-prisoners.net

    Am 22. Juni dieses Jahres kam es in Spanienzu einer groangelegten Serie von Razzien undVerhaftungen gegen vermeintliche Mitgliederder Gruppen Igualdad Animal/Animal Equalityund Equanima. Zwlf Personen wurden in Zugedessen von vermummten und schwer bewaff-neten Polizeieinheiten verhaftet. Seiten der Be-hrden begrndete sich diese Aktion darin, dassdie Betroffenen an einer fast vier Jahre zurck-liegenden Befreiungsaktion gegen Pelzfarmenbeteiligt gewesen seien. Dabei wurden nachAngaben verschiedener Quellen bis zu 20.000Nerze befreit. Die Festgenommen wurden inSantiago de Compostela dem Richter vorge-fhrt, wo ihnen grotesker Weise Verbrechen

    gegen die Umwelt vorgeworfen wurde, aberauch die Stiftung ffentlicher Unruhe und dieMitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigungvorgeworfen Wurde. Wie auch schon in ster-reich (278a) wird nun auch in Spanien versuchtTierrechtsaktivisten ein Organisationsdelikt an-

    zuhngen. In einem Statement der betroffenenGruppen heit es hierzu:Aufgrund der Tatsache, dass die Autorittenkeine konkreten Einzelpersonen fr die Nerzbe-freiung verantwortlich machen knnen werdenMitglieder von Igualdad Animal/Animal Equalityund Equanima verhaftet, um zu versuchen dieTierrechtsbewegung in Spanien zu kriminali-sieren, wie es schon in anderen europischenLndern passiert ist. Neben einem transnati-onalen Aktionstag am 24. Juni, Pressekonfe-renzen in Barcelona und Madrid, kam es welt-weit mittlerweile zu ber 40 Solidarittsaktionen,unter anderem einem Anschlag auf die Pelzin-dustrie in Kanada mit 50.000$ Sachschaden.

    Aktuelle Informationen, Material in unterschied-lichsten Sprachen und Bilder der Aktionen gibtes unter:http://thespanish12.wordpress.com

    (red.)

    Herber Repressionsschlag gegenSpanische Tierbefreiungsaktivisten

    www.political-prisoners.net

  • 8/3/2019 Gefangenen Info #363

    16/20

    16 gefangenen info juli/august 2011

    Aus der Prozesserklrungvon Sadi zpolat vom 26.Mai:

    Ich habe die gegen michvorbereitete Anklageschrift gelesen. In derAnklageschrift heit es, die DHKP-C seieine extrem gefhrliche Terrororganisationund dass ich Mitglied dieser Organisation

    sei. Diese Behauptung ist unwahr und un-haltbar. Bis heute habe ich fr das Glckmeiner Bevlkerung und fr die Unabhn-gigkeit meines Landes gekmpft. Ich habedie Idee des Sozialismus verteidigt, die dieeinzige Hoffnung zur Befreiung der Vlkerist. Dass die Revolutionre Volksbefrei-ungspartei die gleichen Ideen verteidigt,bedeutet nicht, dass ich Mitglied bin, aberes ist nur zu meinem Glck, dass diese An-schuldigungen aufgrund dieser Ideen sind,die ich bis heute verteidige.

    Wer ist Terrorist, wer eine Terrororgani-

    sation?

    Die grte Terroristin ist die NATO, die alsVerbrechensorganisation gegen die Vlkergegrndet wurde, Lnder besetzt, MillionenMenschen ermordet und hinterhltige undniedertrchtige Massaker begeht. Terro-risten sind jene, die im ersten und zweitenVerteilungskrieg fr die Interessen der Mo-nopole ohne mit der Wimper zu zucken Mil-lionen Menschen massakrierten. Die Revo-lutionre kmpfen sowohl fr die Freiheitund Unabhngigkeit ihrer eigenen Vlkerals auch fr die der anderen Vlker; es sinddie SOZIALIST(INN)EN, die sich ein Endedes Hungers, der Armut, des Elends undder Kriege ersehnen und die wollen, dassalle Vlker gleichberechtigt und glcklichleben.

    Seit meiner Verhaftung werde ich untermassiven Isolationsbedingungen gehaltenund diese Manahme wird immer nochfortgesetzt. Meine Briefe werden auf will-krliche Weise behindert und ich werdeerst nach Monaten informiert, dass siebeschlagnahmt wurden. Meine Bcherwerden mir nicht ausgehndigt, meine Be-suche werden verhindert. Ich mchte eine

    Saz (Musikinstrument), aber die Saitensind verboten, bis vor einer Woche wurdemir keine Rasierklinge zum Rasieren ge-geben mit dem Vorwand ich wrde Selbst-mord begehen. ...... Das bedeutet also, ihr wisst ebenfalls,dass die Manahmen, die mit dem Pa-ragraphen 129 eingefhrt werden, zumSelbstmord fhren! Aber ihr sagt Nein, dudarfst nicht sterben. Diesen Bedingungenkann auer den SozialistInnen ohnehin nie-mand standhalten und wrde Selbstmordverben. Euer Ziel ist es, uns zu isolieren,unsere Menschlichkeit zu rauben und uns

    auch zu verbieten zu sterben, die Idee desSozialismus zu brechen, in den Gerichtenmit der Absicht der Abschreckung zu de-nunzieren und die Idee des Sozialismuszu zerstren. Eine zwecklose Bemhung;IHR WERDET ES NICHT SCHAFFEN. Wirleisten gegen eure IsolationsbedingungenWIDERSTAND, mit der Kraft die wir vonder Widerstandsfhigkeit der anatolischenVlker und von unseren Mttern und V-tern nehmen, sowie mit unserer berzeu-gung vom Sozialismus. Solange auf derWelt Besatzungen, Ungerechtigkeit undHunger existieren, wird es auch Menschen

    geben, die Widerstand leisten. Wrdet ihrdie unbegrenzte Befugnis, die ihr gegenuns anwendet zur Beendigung des Hun-gers und der Besatzungen in Afrika und imNahen Osten einsetzen, so wrdet ihr die

    Wrde und die Sicherheit des deutschenVolkes retten. Alles andere ist HEUCHE-LEI.

    Schreibt den Gefangenen!

    Sadi zobolatJVA Krmmede 3

    44791 Bochum

    Freiheit oder Sicherungs-verwahrungEine persnliche Erklrungvon Thomas Meyer-Falk10.06.11

    Vor wenigen Wochen wurde in den deut-schen Medien breitchig ber ein Urteildes Bundesverfassungsgerichts zur Si-cherungsverwahrung berichtet (vgl. auchmeine Besprechung http://de.indymedia.org/2011/05/307207.shtml).Da ich auch selbst von der SV (AntrittsterminJuli 2013) bedroht bin, hatte ich zugege-benermaen kurz die Phantasie, von demUrteil unmittelbar zu protieren und frei zukommen. Nach fast 15 Jahren Knast magdas verstndlich, verzeihlich erscheinen ich beantragte deshalb bei dem zustndigenGericht (Landgericht Karlsruhe, dort: Straf-vollstreckungskammer) Freilassung.Im Folgenden mchte ich erklren, weshalbich am 07. Juni 2011 diesen Antrag zurck

    genommen habe (a.) und wie sich deshalbvoraussichtlich die nchste Zeit gestaltenwird (b.).a.) Antragsrcknahme vom 07. Juni 2011In dem Schreiben an die Richter verwies ichauf die durchaus wesentliche Tatsache, dassdie Gefangenen mit den Kosten fr Picht-verteidiger und Gutachter auch dann bela-stet wrden, wenn die Entlassung versagtwerde. In einem Nebensatz erwhnte ich dievergleichbare Praxis der Nationa