Heimatheft 10

31

Transcript of Heimatheft 10

2

Inhaltsverzeichnis

Heiner Groß Vorwort 3Heiner Groß Die Saar – ein Schicksalsfluss für Lisdorf 4Johann Görgen † Das Lisdorfer Gemüseschiff „Dillenschass“ 5Andreas Weiler Ein Lisdorfer in Neuseeland 8Marianne Faust Beiträge zur Lisdorfer Mundart 13

Ein seltenes Ereignis auf der Holzmühle 14Bilder aus der Hochzeitsbilder–Ausstellung in der Lisdorfer Heimatstube 16

Maria Croon † Wie Nikelchen auf eigene Faust zum heiligen Rock pilgerte 18Volkstrachten an der Saar in früherer Zeit 20

Agnes Groß Das Fronleichnamsfest–Hochfest des Leibes und Blutes Christi 24Heiner Groß Lisdorfer Heimatkundler in Rom 26

Ebbes 28Nachruf 29

Heiner Groß Lisdorfer Heimatkundler aktiv bei „Picobello“ 30Wir gratulieren 31

Impressum:

Herausgeber: Verein für Heimatkunde Lisdorf e. V. (VHL)Am Ginsterberg 13, 66740 Saarlouis–LisdorfTel.: 06831/41694, Fax: 06831/128753

Redaktion: Heiner Groß (verantwortlich)Georg Groß (PC–Bearbeitung), Agnes Groß, Josef Rupp, Manfred Nebelung

Druck: Druckerei und Verlag Heinz Klein GmbH, Auf der Wies 7, 66740 Saarlouis–LisdorfBankverbindungen: Kreissparkasse Saarlouis (BLZ 593 501 10), Kto.Nr.: 74–30088–0

Volksbank Saarlouis (BLZ 593 901 00), Kto.Nr.: 1401217629Bezugspreis: 3 Euro je Heft, Vereinsmitglieder erhalten es kostenlos

Namentlich gekennzeichnete Artikel geben die Meinung des Verfassers, nicht unbedingt der Redaktion wieder.Nachdruck, auch auszugsweise, nur mit Genehmigung des Herausgebers

Veranstaltungen des HeimatkundevereinsIn nächster Zeit sind mehrere Tagesfahrten (Trier, Lothringen, Mosel, Rhein und Speyer)vorgesehen. Außerdem ist eine mehrtägige Fahrt zur Bundesgartenschau nach Schweringeplant. Die genauen Termine werden demnächst durch Rundschreiben und die Pressebekanntgegeben.

Für Juni 2010 ist u.a. eine Fahrt nach Oberbayern zum Besuch der OberammergauerPassionsspiele und der bayerischen Königsschlösser geplant.

3

Verehrte Leserinnen und Leser,

seit der letzten Ausgabe des Lisdorfer Heimatblattes (Nr. 9) im Herbst 2005haben wir viel Zeit verstreichen lassen bis zu dieser Nr. 10. An Geschehnis-sen inner – und ausserhalb des Heimatkundevereins hat es in dieser Zeitwahrlich nicht gefehlt. Berichtsstoff wäre demnach mehr als genug vorhan-den gewesen. Doch durch meine plötzliche schwere Erkrankung im Herbst2006 war ich längere Zeit nicht in der Lage, besondere Aktivitäten, wie sieder Herausgabe eines Heimatblattes nun mal erfordert, zu entwickeln.Wenn auch jetzt der frühere Elan noch nicht in dem gewünschten Maße daist, so fühle ich mich inzwischen doch wieder in der Lage, als verantwortli-cher Leiter des Redaktionsteams zu fungieren und die weitere Herausga-be von Lisdorfer Heimatblättern zu betreiben.

Von vielen unserer zahlreichen Mitglieder, die nicht in Lisdorf und zum Teilweit entfernt wohnen, wissen wir, dass das Heimatblatt — neben den gelegentlichen Mitglieder – Rund-schreiben — die einzige Verbindung zu uns und ihrer Heimat ist. Gerade diese Mitglieder haben dasHeimatblatt in der letzten Zeit besonders vermisst. Bei diesen möchte ich mich als Vorsitzender desherausgebenden Vereins in aller Form entschuldigen, dass es uns nicht gelungen ist während meinerErkrankung das Heimatblatt trotzdem regelmäßig zu fertigen.Seit der letzten Ausgabe sind im Verein für Heimatkunde Lisdorf relativ viele Veranstaltungen und auchetliche kleinere Fahrten und Exkursionen durchgeführt worden, über die in den Rundschreiben und teil-weise auch in der Lokalpresse berichtet wurden. Wir haben deshalb bewusst davon abgesehen, wieauch in den 9 Heften davor, nur über das Geschehen in unserem Verein zu berichten. Vielmehr fin-den Sie in dieser Ausgabe wieder eine breite Palette von heimatkundlichen Abhandlungen und histo-rischen Geschehnissen, von denen wir hoffen, dass sie Ihr Interesse finden.Bestimmte aktuelle Ortsereignisse, die auch in ein Heimatblatt gehören, konnten aus Platzgründen lei-der in dieser Ausgabe nicht näher behandelt werden. Dazu zählen besonders die zahlreichenJubiläumsfeierlichkeiten der Chorgemeinschaft MGV 1859 Saarlouis – Lisdorf e.V. aus Anlass ihres150 jährigen Bestehens mit einer sehr interessanten Multimediashow über die Jahre 1859 bis 2009,mehreren Konzerten, einem festlichen Kommers und einem ganztägigen Freundschaftssingen unterBeteiligung von 22 Chören sowie weiteren Veranstaltungen bis in den Winter hinein, (Besuch desJugendchores aus St. Nazaire mit 75 Personen, Aufführung eines sakralen Musicals und weiteren Fest-konzerten). Dazu kann man nur sagen: großartig!Am Vorabend zur sogenannten Hexennacht (30. April) ist auch in diesem Jahr von der Lisdorfer Feuer-wehr unter großer Beteiligung der Ortsvereine, befreundeter Wehren und der Bevölkerung ein stattlicherMaibaum gesetzt worden. Das ist ein schönes Beispiel, wie in Lisdorf altes Brauchtum gepflegt wird.Am 12. September wird in der Hans–Welsch–Halle in Lisdorf das zweite große Jubiläum eines altenLisdorfer Vereins in diesem Jahr gefeiert. Der Berg– und Hüttenarbeiterverein Lisdorf feiert an diesemTag ebenfalls sein 150 jähriges Bestehen.Nicht unerwähnt soll bleiben, dass die 1. Handballmannschaft der HG Saarlouis, die wesentlich ge-tragen wird von dem alten Lisdorfer Handballverein, dem SC Saargold, bei vielen Handball– undSportfreunden eine wahre sportliche Begeisterungswelle ausgelöst hat, die den Jubel und Trubel nachder Erringung der Deutschen Meisterschaft im Damenbasketball durch die „Royals“ vom TV Saarlouisvor wenigen Tagen noch übertrifft. Wenn die HG Saarlouis den derzeitigen Spitzenplatz in der Tabellehalten kann und sie damit die Meisterschaft in der Regionalliga erreicht, dürfte die Begeisterung beider Lisdorfer Jugend und darüber hinaus einen bisher nicht gekannten Höhepunkt erreichen.Sowohl die beiden Jubiläumsvereine als auch die Lisdorfer Feuerwehr un der Handballverein stellenin Lisdorf und in unserer gesamten Stadt ein gutes Stück Heimatgeschichte dar. Es ist beabsichtigt,diese in den nächsten Ausgaben des Heimatblattes mit Wort und Bild zu würdigen.Zum Schluss danke ich allen für die Mitarbeit an dieser Ausgabe sehr herzlich, besonders meinen Kol-leginnen und Kollegen in der Redaktion und meiner Schwester für die Bereitstellung der zahlreichenFotos aus unserem Foto – Archiv und meinem Vorstanskollegen Georg Groß für die mit viel Aufwandverbundene Fertigung der druckfertigen Vorlage.Ich wünsche auch dieser Ausgabe eine große Leserschaft und viel Muße und Freude beim Lesen.

Ihr Heiner GroßVorsitzender des Vereins für Heimatkunde Lisdorf e.V.

4

Heiner Groß

Die Saar - ein Schicksalsfluss für LisdorfBeim Studium der Lisdorfer Geschichte stößt manimmer wieder auf besondere Geschehnisse, diedurch die Saar verursacht wurden oder sich auf ihrereignet haben. Das sind zu einem die verheeren-den Hochwasser der Saar, die früher mehr oderweniger regelmäßig sowohl die Lisdorfer Aue alsauch die Ortslage überschwemmt und zumeistauch erhebliche Schäden an Haus und Flur ange-richtet haben.Zum anderen sind früher in fast regelmäßiger Fol-ge kleinere und größere Unglücksfälle auf derSaar passiert. Vor allem während des Hochwas-sers waren immer wieder größere Unglücksfällezu verzeichnen, so im Jahre 1846 als die Fährezwischen Lisdorf und Ensdorf mit über 70 Fahrgä-sten an Bord im Hochwasser kenterte und 35Fahrgäste, zumeist Ensdorfer Bürger, die die Mes-se in der Lisdorfer Pfarrkirche besuchen wollten,in den Fluten ertranken. Ensdorf gehörte damalszur Pfarrei Lisdorf.Auch in den letzten Monaten des 2. Weltkrieges(Spätherbst 1944 bis Frühjahr 1945), als sowohldie Straßenbrücke Lisdorf – Ensdorf als auch dieKleinbahnbrücke im Bereich der heutigen Schleu-senanlage vom deutschen Militär gesprengt waren,ertranken in der Hochwasser führenden Saar deut-sche und amerikanische Soldaten, deren Zahl auchheute noch nicht ganz geklärt ist.Die Saar war über Jahrhunderte toleriertes Bade–und Schwimmgewässer für die Bevölkerung in denangrenzenden Gemeinden und etwa ab dem spä-ten Mittelalter Transportweg für kleinere und grö-ßere Saarschiffe (vgl. den Beitrag über das Saar-schiff „Dillenschaß“ in dieser Ausgabe). Dabei sindauch Unglücksfälle passiert. So ist überliefert, dasseine Lisdorfer Marktfrau beim Verlassen des Ge-müsetransportschiffes „Dillenschaß“ im Hafen vonLisdorf im Bereich der heutigen Saarstraße vomLaufsteg in die Saar fiel und, da sie nicht schwim-men konnte, ertrank.Bis etwa um das Jahr 1950 herum war die Saar fürdie Lisdorfer Jugend ein beliebtes, wenn auch nichtungefährliches, Badegewässer, in dem eine gan-ze Reihe meiner Bekannten das Schwimmen erlernthaben. Mit der Eröffnung bzw. Wiedereröffnungder Freibäder in Saarlouis – Stadtgarten, Ensdorfund Wadgassen ging das Interesse am Baden undSchwimmen in der Saar drastisch zurück, zumaldas Saar-Wasser durch verstärkte Einleitung vonAbwässer aus Industrieanlagen und kommunalenKanälen zunehmend verunreinigt wurde.

Wie gefährlich das Baden früher in der Saar war,ist anhand von zwei uns aus dem Archiv unseresVHL– Vorstandsmitglieds Günter Mang zur Verfü-gung gestellten mehr als 70 Jahre alten Presse-artikel nachzulesen. In diesen wird von Unglücks-fällen mit Lisdorfer Kindern beim Baden in derSaar berichtet, einer mit glimpflichem Ausgang,der andere allerdings mit tödlichem Ausgang.

Am 28. Mai 1941 berichtete die Saar-Zeitung:

Heute vor 103 Jahren, also am 28. Mai 1838, ret-tete der Schneider Philipp Walter aus Lisdorf denachtjährigen Sohn des Gärtners Josef Kneip mit Ein-setzung seines eigenen Lebens vom sicheren Tadedes Ertrinkens aus der Saar. Er erhielt dafür eine eh-renvolle Anerkennung und ein Geldgeschenk.

Am 13. Juli 1939 berichtete die Saar-Zeitung:

In der Saar ertrunkenGestern nachmittag gegen 3.30 Uhr badetenmehrere Knaben etwa 300 Meter oberhalb derLisdorfer-Ensdorfer Brücke. Plötzlich versank der 9jährige Schüler Adolf Huwer aus Lisdorf vor denAugen seiner Kameraden. Diese versuchten ihm zuHilfe zu eilen, wagten sich aber nicht bis zu derStelle vor. Auf die Hilferufe der Knaben eilte derSteinbildhauer Johann Seiwert aus Lisdorf herbei,dem es gelang, den Bewußtlosen an Land zuschaffen. Der inzwischen hinzugekommene Poli-zeihauptmeister Jordan sowie Dr. med. Wolf nah-men sofort Wiederbelebungsversuche auf, die je-doch erfolglos blieben. Man brachte den Leblosenin das Krankenhaus der Franziskanerinnen, aberauch die dort angestellten Belebungsversuche ver-liefen ergebnislos. Der ärztliche Befund ergab, daßder Junge beim Baden einen Herzschlag erlittenhatte. Es ist anzunehmen, daß er bereits tot insWasser sank.

Aus der Lisdorfer ChronikEin mutiger Lebensretter vor 103 Jahren

Der ertrunkene Adolf Huwer war ein Sohn vonGrete Huwer geb. Fuß aus der Großstraße in Lis-dorf. Er war Jahrgangskollege und Schulkameradder beiden VHL– Vorstansmitglieder Josef Ruppund Günter Mang. Sie berichteten, dass die Stel-le, an der ihr Kamerad Adolf Huwer im Wasserversank, durch Strudel sehr gefährlich war.

5

Der gewerbsmäßige Anbau von Gemüse in Lis-dorf ist bisher nachweisbar seit über 400 Jahren.Liebertz berichtet in „Wallerfangen und seine Ge-schichte“, dass um 1600 Lisdorfer Gemüsehänd-ler regelmäßige Besucher der WallerfangerMärkte waren. Die Lisdorfer Gemüsebauern ka-men durch die Jägerpforte der Festung undschlugen ihre Verkaufsstände vor der Halle in derStadt Wallerfangen auf. Markttage waren damalsdienstags und freitags wie in der NachfolgestadtSaarlouis.

Zur Versorgung der stark zugenommenen In-dustriebevölkerung im Raum Saarbrücken ver-kehrten vom Gemeindehafen in der Saarstraßein Lisdorf bis Saarbrücken jahrhundertelang zweiGemüseschiffe, die vom Volksmund bald „Dil-lenschass“ genannt wurden. Dies wurde auf dasfranzösische Wort „diligence“ (Schnelligkeit) zu-rückgeführt. Diligence war zu damaliger Zeitauch der Name für die Reitpost, die von 1646 –1838 regelmäßig zwischen Saarbrücken undTrier verkehrte. Diese für die Reitpost übliche Be-zeichnung sei demnach auch auf das Gemüse-schiff übertragen worden. Naheliegender undwahrscheinlicher aber ist jene Deutung, die dasWort in seine Bestandteile zerlegt: „Dill undchass“. Das Wort „Dill“ wird schon seit Jahrhun-derten in unserer Mundart zur Bezeichnung einesHolzbrettes angewandt. Bereits in einem Nota-riatsakt vom 28.01.1681 betr. Holzverkauf heißtes: „Ein halber Schilling Lohn und vor jeden„Schiefdill“ einen ganzen Schilling“. So hat alsodie Bezeichnung „Dill“ für ein Holzbrett schonvor langer Zeit Heimatrecht in unserem Sprach-gebrauch. Ebenso gebräuchlich in der Um-gangssprache ist das Lehnwort: „chass“ von(französisch) chasser = jagen, eilen. Somit warunser Dillenschass ein Fahrzeug, das aus Holz-brettern gefertigt, über die Wasser der Saar da-hineilte.

Es ist uns nicht bekannt und konnte bisher nochnicht festgestellt werden, wann dieses Schiff erst-malig seine Fahrt nach Saarbrücken angetretenhat, um den Lisdorfer Gemüsebauern zu helfen,den Transport und den Umsatz ihrer Erzeugnissezu erleichtern und den Kundenkreis zu vergrößern.Aus einem Protokoll vom 20.09.1814 der franz.

Zollverwaltung in Saarlouis wissen wir jedoch,dass unser Dillenschass schon vor 195 Jahren einbekanntes Verkehrs- und Transportmittel war. Derdamalige Besitzer des Schiffes, Frau Ww. Elisa-beth Longtroff (später Lonsdorfer), musste beider Außenstelle Lisdorf der französischen Zollver-waltung eine Strafe zahlen, weil sie zollpflichtigeWare für Saarlouiser Geschäftsleute unter einemKorb versteckt an Bord hatte. Aus den letzten Le-bensjahren des Dillenschass stehen uns aber zu-verlässige Erfahrungsberichte von Zeitgenossenzur Verfügung, die uns Aufschluss geben über dasAussehen dieser Schiffe und die Art und Weise,wie sie ihrem Zweck entsprechend nach demWillen ihrer Besitzer und der Mieter zum Einsatzkamen. Unser früherer ortsbekannter Schiffs-

führer– und Bergmannsveteran Herr Ludwig Bau-er (Bauer Louis, links im Bild, rechts Johann Ja-kob), berichtet uns über den „Dillenschass“ fol-gendes:

Das Lisdorfer Gemüseschiff „Dillenschass“Überarbeitung und Ergänzung durch die Redaktion

Johann Görgen (1898 – 1976)von 1950 – 1964 Rektor der Lisdorfer Schule

6

Meine Eltern starben sehr früh. Als Schulentlasse-ner machte ich als Pferdeknecht weite Reisen aufKanalschiffen, die mich in viele bedeutendeStädte und Landschaften Frankreichs führten. ImJahre 1898 wurde ich vom damaligen Besitzerdes Dillenschass, Herrn Heinrich Busert, als Pfer-deknecht angeheuert. Bis zum Jahre 1908 standich in den Diensten der verschiedenen Schiffs-eigentümer und brachte es in dieser Zeit bis zumverantwortlichen Kapitän. Im Jahre 1908 nahmich die Arbeit auf Grube Hostenbach als Berg-mann auf und musste 1925 wegen Unfall aufder Grube vorzeitig pensioniert werden.

Unruhig, abwechslungsreich und arbeitsreich wa-ren die Jahre auf dem Dillenschass! Es warendamals zu meiner Zeit zwei Schiffe, die auch ver-schiedene Besitzer hatten. Ihr „Heimathafen“ warin der Saarstraße, die an einer kleinen Kaimau-er endete. Diese Kaimauer war aus Gausteinengebaut. Auf der Kaimauer stand ein Pfosten, andem die Schiffe festgemacht wurden. Der Zu-gang zur Kaimauer war gepflastert. Wenn dieSchiffe nicht beladen waren, ragten die Bord-wände etwa 1 Meter über den Wasserspiegel. Eskam oft vor, dass nach Beendigung des Verla-dens die Schiffe derart ausgelastet waren, dassdie oberen Ränder der Bordwände knapp überden Wasserspiegel hinausragten. Die Schiffeselbst waren etwa 25 Meter lang und 3 Meterbreit. Heck und Bug der Schiffe liefen spitz aus.An den Bordwänden entlang zogen sich schma-le Laufstege hin, während das Schiffsinnere anHeck und Bug offen war. Im Mittelteil des Schif-fes befand sich ein gedeckter kammerartigerAufbau, in dem nur Verladegut gestaut wurde,das vor Regen oder Frost geschützt werden mus-ste. Ebenso war in diesem Raum Koch- undSchlafgelegenheit für das „Schiffspersonal“ , dasheißt für die zwei Männer und 6 bis 7 Marktfrau-en. Die Ladefähigkeit des Schiffes betrug 20 Ton-nen. Am Bug des Schiffes leuchteten die weißenBuchstaben des Schiffs - namens „Anna“, wahr-scheinlich weil die Eigentümerin des SchiffesAnna Rullang hieß und sie ihre Namenpatroninauch als Hüterin ihres Schiffes erwählte.

Dreimal in der Woche mussten die Schiffe „klarzur Abfahrt“ gemacht werden. Montags., mitt-wochs und freitags, pünktlich um 13 Uhr, wur-den die Anker gelichtet und die Taue gelöst unddie zwei Pferde auf dem Leinpfad der rechtenSaarseite stemmten sich die Sielen. Ein Pferde-knecht sorgte für Ordnung bei den Pferden,während der „Kapitän“ am Steuer seines Amtes

waltete. Bei Hochwasser musste die Zugkraftdurch drei Pferde verstärkt werden und beiÜberschwemmungen wurde die Schifffahrtgänzlich eingestellt. Die Bauern brachten dannihre Erzeugnisse per Pferdefuhrwerk auf derLandstraße nach Saarbrücken.

Die Fahrt nach Saarbrücken dauerte in der Regel5 bis 5 ½ Stunden, wenn sie reibungslos verlief.Oft gab es in Bous und Völklingen Verzögerun-gen in der Abfertigung, so dass die Fahrzeit bissechs Stunden betrug. In Saarbrücken wurde zwi-schen der 1. und der 2. Brücke in der Nähe desSchlossplatzes festgemacht. Ein Wagen aus dernahegelegenen Brauerei wurde geliehen und dieschiffseigenen Pferde angeschirrt. Einige „Sack-träger“ und „Eckensteher“ wurden angeworben,die immer in der Nähe der Anlegestelle zu fin-den waren. Das Löschen der Ladung zog sich oftbis tief in den frühen Morgen des nächsten Tageshin. Ein Teil der Marktfrauen half beim Löschender Ladung mit, soweit es sich um Gemüse ihrerzuständigen Arbeitgeber handelte, während dieübrigen das Essen besorgten und sich sodanndem Schlummer in der „Kajüte“ hingaben. Wardas Ladegut der ersten Arbeitsabteilung ge-löscht, so übernahmen die Frauen der zweitenKolonne das weitere Löschen, während die „Ab-gekämpften“ sich einige Stunden in der KajüteErquickung und Ruhe gönnen konnten. Unaufhör-lich aber rollte das Pferdefuhrwerk vom Schiff biszum Gemüsemarkt in der Mainzer Straße oderauf den Kartoffelmarkt in der Nähe der Pfarrkir-che St. Johann. In der Nacht oder in den frühenMorgenstunden des nächsten Tages stand dieWare verkaufsbereit auf den Märkten. Die zu-rückgebliebene Schiffsbesatzung hatte abernoch keine Ruhe. Die Pferde mussten versorgtwerden und an der Anlegestelle lagen Lebens-mittel und Stoffe von Saarbrücker Großfirmen alsRückfracht bereit, die an Geschäfte in Saarlouisund Umgebung geliefert wurden. Oft kam esauch vor, dass zwischenzeitlich noch eine Fahrtnach Völklingen gemacht wurde, um Eisen, Ze-ment und andere Baustoffe von Völklingen nachSaarbrücken zu befördern. Der Markttag in Saar-brücken wurde auf alle Fälle von der ganzenSchiffsbesatzung beschlossen in dem RestaurantKeltermann, wo man die nötigen Kraftreservenfür die Rückfahrt ergänzte. Pünktlich um 13 Uhrerfolgte die Rückfahrt nach Lisdorf, wo hinter derAnlegestelle bereits die beladenen Fuhrwerkeder Lisdorfer Gemüsebauern auf das Löschenund Wiederbeladen der Schiffe warteten. Oftgenug war der Andrang der Fuhrwerkskolonnen

7

so groß, dass die Wagenschlange sich durch dieSaar– (damals hieß die Saarstraße = Fährgasse)und Großstraße bis zum Landwehrkreuz hinzog.Eile tat not, denn am nächsten Tag, pünktlich um13 Uhr. mussten die Schiffe wieder abfahrbereitsein. Unordnung oder zeitraubendes Beladender Schiffe war nahezu ausgeschlossen, da jederGemüsebauer einen bestimmten Platz im Lade-raum des Schiffes gemietet hatte und nur den zu-gewiesenen Platz in Anspruch nehmen durfte.Das gelöschte Ladegut wurde entweder vomEmpfänger abgeholt oder musste mit einemFuhrwerk dem Empfänger zugestellt werden, danach den Frachtbedingungen die Zustellung derWaren frei Haus erfolgen musste. Als Miete fürden benutzten Schiffsraum wurden pro Sack 20Pfennig Gebühren vom Mieter erhoben.

Abwechslung in die arbeitsreichen Tage „auf See“brachte nur der „Annentag“. Dieser Tag wurdedann von der ganzen Besatzung auf Seemannsartzünftig gefeiert. Im Heimathafen waren an die-sem Tage viele Lisdorfer versammelt, um dasFesttagskind feierlich zu empfangen. Denn aufSchiff ging es dann lebhaft zu und der Gesang derBesatzung lockte viele Lisdorfer an die Anlegestel-le. Leider wurde die Festtagsfreude einmal amAnnentag sehr abgekühlt, als eine Marktfrau vomschmalen Laufsteg in die Saar fiel und ertrank,bevor ihr Rettung gebracht werden konnte.

Die „Schiffsheuer“ oder der Arbeitslohn betrugdamals bei freier Kost täglich zwei Mark. Hinzukamen sodann noch die Trinkgelder, die mitun-ter recht beträchtlich waren. Abgerechnet wurdeimmer an Sonntagen bei dem Schiffseigentümer.War das Schiff nicht mehr „seetüchtig“, so kamder Schiffbauer Schuler aus Fraulautern, um denSchaden fachmännisch auszubessern.

Als dann im Laufe der Jahre das Gesicht der Zeitsich änderte und unser Leben durch Anwendungneuartiger Formen und Mittel sich wandelte, wares auch um die Existenz unseres Dillenschass ge-schehen, um weiterhin als Kohlenschiff Verwen-dung zu finden. Das andere Schiff, das anschei-nend „seeuntüchtig“ geworden war, wurde 1922in die Nähe der Ensdorfer Schleuse gebrachtund dort verschrottet.

So hatte eine schöne Einrichtung mit einer lan-gen Überlieferung ihr Ende gefunden, die den„Alteingesessenen“ Iieb und vertraut gewordenwar und mit der ein gutes Stück Ortsgeschichteabgeschlossen wurde.

Weil die Dillenschass genannten Gemüsetrans-portschiffe zahlreichen Lisdorfern ans Herz gewach-sen waren und auch heute noch in der Erinnerungder Bevölkerung als ein bedeutendes Stück Orts-geschichte weiterleben , haben wir diesen Artikel inetwas aktualisierter Form veröffentlicht.

Eine Nachbildung des Dillenschass wurde beim Erntedankfest 1938 durch die Straßen von Lisdorf gezogen.

8

Ein Lisdorfer in NeuseelandEin Studienjahr am anderen Ende der Welt

Viele werden den Namen„Neuseeland“ schon einmalgehört haben, aber manch ei-ner wird Schwierigkeiten ha-ben, sich genaue Vorstellun-gen von diesem Land zu ma-chen. Dies mag an der Entfer-nung zwischen Neuseelandund Deutschland liegen: Neu-seeland liegt im PazifischenOzean, südöstlich von Austra-lien. Damit ist kein andererStaat weiter von Deutschlandentfernt als Neuseeland.

Nach dem Abschluss des er-sten juristischen Staatsexa-mens entschloss ich mich, einAuslandsstudium anzuschlie-ßen, um eine Zusatzqualifi-kation zu erwerben. Da ichan der Universität Trier bereitsenglisches und amerikani-sches Recht studiert hatte,sollte das Studium in einemLand stattfinden, das auchdas englische Rechtssystem(sog. „Common Law“) an-wendet. Auch war derWunsch, die englischenSprachkenntnisse zu vertiefen,

Grund ein englischsprachiges Land als Ziel zuwählen. Von Kommilitonen erfuhr ich zufällig, dassDeutsche in Neuseeland aufgrund eines Staatsver-trages zwischen Deutschland und Neuseeland nurdie verbilligten einheimischen Studiengebührenbezahlen müssen. Da ich schon immer mit demGedanken gespielt hatte, einmal Urlaub in Neu-seeland zu machen, schien mir dies das perfekteZiel für meinen Auslandsaufenthalt. Hier würde ichperfekte Studienbedingungen und ein touristischäußerst interessantes Land vorfinden.

Ich bewarb mich schließlich eigenständig bei dreineuseeländischen Universitäten und entschlossmich nach zwei Zusagen, an der Victoria Univer-sität in der Hauptstadt Wellington zu studieren.

Am 4. Februar machte ich mich dann in Frank-furt bei Minustemperaturen auf den Weg nach

Neuseeland. Der 36-stündige Flug führte michüber London, Los Angeles und Auckland nachWellington, wo ich am im Hochsommer bei Tem-peraturen um die 25-30 Grad ankam. (Ein Flugüber Asien ist kürzer, es gelten aber andere Ge-päckbestimmungen) Da ich keinen Platz im Stu-dentenwohnheim bekommen hatte, wohnte ichdie ersten zwei Wochen in einer Jugendherbergeund verbrachte die meiste Zeit mit der Wohn-ungssuche. Diese erwies sich als schwierig, daunzählige andere Studenten zu Beginn des Se-mesters ebenfalls Zimmer suchten. In Neusee-land ist üblich, dass man in Wohngemeinschaf-ten mit anderen Studenten zusammenwohnt. Ummeine Sprachkenntnisse zu verbessern und einenbesseren Einblick in das tägliche Leben zu gewin-nen, entschloss ich mich, auch ein Zimmer in ei-ner neuseeländischen Wohngemeinschaft zu su-chen. Nach eineinhalb Wochen intensiver Suchewurde ich dann auch schließlich fündig. Bis dahinmusste ich musste ich feststellen, dass viele Neu-seeländer nicht so viel Wert auf eine schöne Woh-nungseinrichtung legen, wie man das in Deutsch-land gewöhnt ist. Dies ist verständlicher, wennman weis, dass es für viele normal ist, jedes oderjedes zweite Jahr umzuziehen. So manches Haus,das ich mir angeschaut habe, würde man auf gutDeutsch als „Bruchbude“ bezeichnen. Aber daviele Studenten ihr Studium und die Studienge-bühren selbst finanzieren müssen, sind diese gün-stigen Häuser auch gefragt. Ich musste auch fest-stellen, dass zwischen der neuseeländischen undder deutschen Bauweise große Unterschiede be-

Andreas Weiler (30)aus Lisdorf, wie seineEltern uns sein jüngererBruder VHL – Mitglied,machte nach seinem 1.Juristischen Staatsex-amen an der Universi-tät in Trier ein einjähri-ges Auslandsstudiuman der Universität Wel-lington auf Neusee-land. Danach absol-vierte er das Referen-dariat in Saarbrückenund legte dort 2008das 2. Juristische Sta-atsexamen ab. Seit 1.10. 2008 ist er alsRechtsanwalt bei Sie-mens in Erlangen tätig.Auf unsere Bitte hin hater den nebenstehen-den Artikel über denStudienaufenthalt inNeuseeland verfasst.

Mein erstes Domizil in Wellington. Es ist aus Holz gebaut,liegt auf einem Hügel am Rande der Innenstadt und bieteteinen Blick auf die Stadt. Die Häuser sind unbeheizt, für ei-nen Mitteleuropäer eine unangenehme Überraschung.

Andreas Weiler

9

stehen: In Neuseeland sind die Häuser aus Holzgebaut, nicht unterkellert, haben keine Isolierung,keine Heizung und meist undichte, einfach ver-glaste Fenster. Die Auswirkungen dieser Bauwei-se wurden mir erst im Winter richtig bewusst. Eswird zwar in Neuseeland nicht so kalt, wie inDeutschland (In Wellington war es selten unter 10Grad kalt), jedoch war die Innentemperatur inden Häusern kaum höher als die Außentempera-tur. So musste ich mich an Raumtemperaturen zwi-schen 10 und 15 Grad gewöhnen.

Ansonsten ist der Lebensstandard vergleichbarmit dem in Deutschland, in manchen Bereichenvielleicht sogar höher (Neuseeland hat mit unter4% die niedrigste Arbeitslosenquote in der west-lichen Welt). Wenn das Land auch am anderenEnde der Welt liegt, so ist es doch stark europä-isch geprägt. Der Einfluss der ehemaligen briti-schen Kolonialherren ist nicht zu verleugnen. Im-merhin stammt auch der größte Teil der heutigenBevölkerung von britischen Einwanderern ab.Noch heute ist Neuseeland ein Königreich, des-sen Staatsoberhaupt die Königin von England ist.Die Ureinwohner, die Maori, machen nur ca. 15-20% der Gesamtbevölkerung aus.

Neuseeland besteht aus zwei Hauptinseln. Ob-wohl die Südinsel leicht größer ist als die Nord-

insel, leben hier nur 1 Million Menschen, währendauf der Nordinsel ca. 3 Millionen Menschen woh-nen. Mit einer Fläche ähnlich wie Großbritannienoder Japan ist Neuseeland daher nur dünn besie-delt. Die größte Stadt ist Auckland im Norden der

Blick auf Wellington von einem Aussichtspunkt in der Nähe der Universität.

10

Nordinsel mit über 1 Mio. Einwohnern. Aucklandträgt den Beinamen „Stadt der Segel“ aufgrundder dort zahlreich vorhandenen Segelboote. DerEinfluss von asiatischen und polynesischen Ein-wanderern ist hier größer, als in anderen Teilendes Landes. Außer dem Sky Tower, dem höchstenGebäude in der südlichen Hemisphäre, hat Auck-land touristisch eher wenig zu bieten. Die Haupt-

stadt Wellington ist mit circa 340.000 Einwohnerndeutlich kleiner und liegt am südlichen Ende derNordinsel. Wellington hat den Beinahmen „windi-ges Wellington“, und dies sehr zu Recht wie ichbald nach meiner Ankunft feststellen konnte. Wel-lington und die Cook–Straße, die Meeresstraßezwischen Nord– und Südinsel, an der die Stadtliegt, gehören wohl zu den windigsten Plätzendieser Erde. Wellington kann sich zusätzlich rüh-men, die am weitesten südlich gelegene Haupt-stadt der Erde zu sein.

Die Stadt liegt idyllisch an einem großen, natür-lichen Hafen. Da es nur wenig ebene Flächengibt, liegen die meisten Wohngebiete über Hü-gel zerstreut um das Zentrum herum.

Die Hauptsehenswürdigkeiten in Wellington sinddie historische Seilbahn (cable car), der soge-

nannte „Bienenstock“ (beehive), der ein Regier-ungsgebäude ist, das alte Regierungsgebäude(old Government Buildings) , das heute die juri-stische Fakultät beherbergt, sowie das neueNationalmuseum „Te Papa“. Die größte Stadtder Südinsel ist die „Gartenstadt“ Christchurch,die sehr englisch anmutet. Wahrzeichen ist dieanglikanische Christuskirche.

Mit europäischen Maßstäben gemessen habendie Städte in Neuseeland touristisch eher wenigzu bieten. Die meisten Städte wurden erst im 19.Jahrhundert gegründet. Hauptattraktion in Neu-seeland ist die spektakuläre Natur. Seit der Film-Trilogie „Herr der Ringe“, die in Neuseeland ge-filmt wurde, sind auch viele Touristen aus dernördlichen Hemisphäre auf dieses Reiselandaufmerksam geworden. Während der Semester-ferien und nach Abschluss meines Studiums hatteich Zeit, die beiden Inseln zu bereisen. Das Landbietet ein sehr abwechslungsreiches Landschafts-bild. Gebirgszüge und hügeliges Land macheneinen großen Teil Neuseelands Landschaft aus.Während die Südinsel von Fjorden, Gletschern,Seen und Ebenen gekennzeichnet ist, befindensich auf der Nordinsel Neuseelands größter Seesowie einige aktive Vulkane. Von vielen Reisen-den habe ich die Auffassung gehört, die Südinsel

Ein Regierungsgebäude direkt gegenüber der Universität, genannt „Bienenstock“.

11

Die juristische Fakultät in der Innenstadt, ein ehemaliges Regierungsgebäude. Das Gebäude ist das größte Holzhaus inder südlichen Hemisphäre.

sei die schönere der beiden Inseln. Ich kann die-se Auffassung nicht unbedingt teilen. Was aberstimmt, ist, dass die Südinsel abwechslungsrei-cher ist. Sollte jemand mit dem Gedanken spie-len, nach Neuseeland zu fahren, aber nicht die4–6 Wochen Zeit haben, die man benötigt, umbeide Inseln zu bereisen, der sollte sich auf dieSüdinsel konzentrieren.

Neuseeland ist nicht nur Vulkan–, sondern auchErdbebengebiet. Kleinere Erdbeben sind keineSeltenheit und ich konnte auch während meinesAufenthalts einige erleben. Außergewöhnlich ist,dass die verschiedenen Landschaften so dichtbeieinander liegen. So kann man morgens inden neuseeländischen Alpen wandern oder Skifahren und den Nachmittag am Strand verbrin-gen. Die isolierte Lage Neuseelands hat auch zuder Entwicklung einer auf der Welt einzigartigenPflanzen- und Tierwelt beigetragen. Einige Artengibt es nur hier, wie z.B. das Nationaltier, der„Kiwi“, ein flugloser Vogel. Da der Kiwi mittler-weile leider vom Aussterben bedroht ist und zu-dem nachtaktiv ist, bekommt man ihn normaler-weise nicht zu Gesicht. Aber auch die Pflanzen-welt kann einem Europäer gelegentlich etwas„märchenhaft“ vorkommen. So ist das ganzeLand mit Farnen – einem anderen Nationalsym-bol– bewachsen, die je nach Ort über manns-

hoch werden können. Andererseits gibt es auchStellen, die an Europa erinnern, so z.B. die Süd-lichen Alpen. Mache sagen daher, dass Neusee-land einen kleinen Zusammenschnitt der Erdedarstellt. Was für das ganze Land gilt ist, dass essehr grün ist. Das Wetter ist mitunter sehr wech-selhaft und schwer voraussehbar. Die häufigenRegenschauer tragen aber zu der üppigen Vege-tation bei.

Die üppige Vegetation und die dünne Besiedlungmachen das Land ideal für Landwirtschaft. DieLandwirtschaft macht einen Großteil der Wirt-schaft aus, besonders die Schaf– und Rinderzuchtist stark ausgeprägt. So kommen auf die 4 Mio.Einwohner über 40 Mio. Schafe. Die saftigen grü-

12

nen Weiden mit den Schafen und Rindern sind all-gegenwärtig und gehören zum Landschaftsbild.

Das Studium an einer neuseeländischen Univer-sität weist einige Unterschiede zu einem Studi-um in Deutschland auf. Vor allem die Betreuungist wesentlich besser. Die Anzahl der Studenten ineiner Vorlesung ist geringer. Auch ist es normal,dass man jederzeit seinen Professor per E–mailkontaktieren kann oder direkt persönlich zu ei-nem Gespräch in’s Büro geht. So etwas kannteich von meiner deutschen Universität nicht. Zu-dem ist die Atmosphäre viel familiärer. So spre-chen sich normalerweise alle – auch Professorenund Studenten – mit Vornamen an.

Überhaupt ist diese Umgangsform generell inden meisten Lebensbereichen üblich. Der zwi-schenmenschliche Umgang ist etwas lockerer alsin Deutschland. Die Leute sehr freundlich, wasfür mich am Anfang etwas irritierend war. Sostand ich mehrere Male mit einer Straßenkarteauf der Straße und Einheimische kamen aufmich zu und fragten, ob sie mir helfen könnten.In Deutschland würde so etwas wohl eher nichtpassieren. Auch ist es ganz normal, dass im Ge-schäft an der Kasse ein kleines Schwätzchen an-gefangen wird um man gefragt wird, wie es ei-nem geht und wie der Tag war, und dies auch beieiner Schlange an der Supermarktkasse.

Bei meiner Ankunft in Wellington war ich dochsehr überrascht, wie viele Deutsche es dort gab.So stellten die deutschen ca. 50 % der Studentenin meinem Studienprogramm, den Rest stelltenNeuseeländer, Asiaten und Pazifik-Insulaner. Auch

war ich bei meiner Rundreise im November undDezember überrascht, wie viele Deutsche als Tou-risten unterwegs waren. So hatte ich den Ein-druck, dass sie eine der größten – wenn nicht so-gar die größte- Touristengruppe stellten. Für vie-le ist Neuseeland wohl – wie ich meine zu Recht–ein Traumziel. Der Flug ist zwar teuer und an-strengend, aber man wird für alle Anstrengungenentlohnt. Zudem ist es, wenn man erst einmal imLand ist, gar nicht so teuer. Die Lebenshaltungs-kosten sind mit den deutschen vergleichbar. DasReisen an sich ist sogar recht billig. Mietwagensind erschwinglich, Benzin kostet nur etwas mehrals die Hälfte als in Deutschland, und es gibt vie-le preiswerte Unterkunftsmöglichkeiten.

Alles in allem kann ich sagen, dass ich ein tolles,äußerst interessantes und erfahrungsreiches Jahrverbracht habe. Ich habe mir vorgenommen, ir-gendwann wieder nach Neuseeland zu fahren.Aufgrund der Entfernung wird dies wohl in naherZukunft leider nicht möglich sein.

Blick auf Wellington–Stadt vom Boot aus gesehen. Das Boot fährt in der Bucht von Wellington. Diese Bucht ist verbundenmit der Cook – Strasse, der Meerstrasse zwischen Nord– und Südinsel. In kurzen Abständen verkehren Fähren zwi-schen Nord- und Südinsel, die Überfahrt selbst dauert max. 1 Stunde.

13

Beiträge zur Lisdorfer MundartEdd Freeijoa

Freeijoa wie hann eich deichso gäa. De beschd onn bleif-schd de schennschd Jores-zeid. Wenn ma so zouloud,wie de Nadua sich Meeij an-doud fo alles so scheen semachen, dass edd us soll ge-fällen. Do driwwa kannen maus nua wonnan.

Enn kurza Zeid hat sich allesvaännadd. Vor en paa Daawoa noch alles ronderemmgroo. Off ämol woa gesinnaAuen en allen Äggen onnKanden Lewen. De Bleeimcha( de Schneegläggcha onn deKroggussen) sträggen schonia Beggelcha raus. De Veilcha

vamm Herbscht wo draurisch do gelee hann, bleei-jen off änmol wien Schlaaija.

Jeda Baam onn jed Hägg hodden enn äm Deiwel iagreein Klääda an. Wadd de Sonn doch need alles

Marianne FaustAngehörige einer alt-eingesessenen LisdorferFamilie.Beschäftigt sichschon seit ihrer Jugendmit dem „LeischtrowwerPlatt“. Als Interpretinund Autorin ist sie imLisdorfer Heimatkunde-verein aktiv.

macht. Nua de Obstbääm sollen sich noch enn bißinheeiden, weil Naads ess em scheenen Wädda jodoch noch nedd se drauen.

Awwa de Vijelcha senn mobil. Se piepsen nemmävann Honga wie emm Wendda, wie alles zouge-schneed woa. Jitz piepsen se vann Frääd, weil deSonn so scheen scheind. Omm Berg gesichde deHääsja aus ihren Lären kommen. De eascht greeinSpetzen senn fo die ach äbbes naues.

De Leid geen onä Wenddamandel onn aalen sichenn da Sonn. Bei jedem Vazeelchen head ma de Leidsaan: Ma ess enn ganz anara Minsch, wenn deSonn nomol scheind.

Onn dann wenn alles bleeid, dann reeichd eddiwerall so gudd. Ma mänd edd hädd äna enn Pa-fümflasch ausgeschudd. Dann macht edd spazie-rengeen Frääd. Dann halld ed änen nemmä emmHaus. Dat moß ma ausnodzen, befoa dass eddnomol anfängd se reenen.

Ja ma macht sich so sein Gedanken, wie da Herr-gott so alles jed Joa vann nauem off de Reih greeit.Edd ess schon enn Wonna.

Dass ma vann Lee´ischdroff senn, vazehlen ma laut,onn dass ma gäa lo senn ,datt nett äascht seit haut.Ma geheren lo hin, onn senn lo geboa,dass ma us dodroff enen grenssen, datt es woa.Weil lee´i senn us Wurzeln seit ewich onn drei Daa,us Hämm us Gehaichniss us gudd Dorf an da Saa.

De Leit senn sich nett freem, nett wie enn da Stadt,ma kennt jed Haus, wäß wäa drenn waand onngewaand hatt.Do wird noch gesproocht, ma bleift noch beinannastehn,so woa datt schon imma onn ess haud noch scheen.Ob emm Geschäft, omm Kiijoff odda noh da Mäss,ett rettschen on ett däädänn gefft nett vagäss.

Enn richdija Lee’ischdrowwa ess mett jedem aus daFamill,dofoa senn ett, wenn äbbes loss ess, ach imma so vill.Bei ah Hochzeit odda ah Begräbnis denkt ma, senn diesoo gudd bekannt, dann fällt äm enn, mäjä, die senn joach meddenanna vawant

Wenn äna end Dorf heirad, wirda enn Frema genannt,awwa ett dauad nett lang, dann essa bekannt.Dann ess ett äna vann us onn gre’it off de Schellagekloppt,onn wird enn äm Deiwel enn irjend änen Vaein renngeschdoppt.

Bei us gefft edd jo Vaeina iwwagennuch onn de mass,jeda ess enn jedem, datt macht us ach Spass.

Stehn emm Joah de Fäschtlichkätten an,dann helfen se all, ohne nä se san.Se zee’ in all an äm Strank, ohne se gronzen,nä ,nä, datt gäf jo de Stimmung vahondzen.Sonndes gefft Theata gespillt, gesong onn gedanzt,onn wäades enn da Au Gemee’is geplanzt.

Moss äna furt aus emm Dorf, dann hadda de Flämm,awwa fo äbbes se feian kommda gäa nommoll hämm.Sischde, datt ess datt Steck Heimat, dono ess jeda off daSouch,datt haschde dee’ if enn da, datt leaschde enn käm Bouch.

Manchmal wird ach äna durch de Hächel geholl,greeit de Fäddacha geroppt onn se hann sich enn da Woll.Onn datt ess ach enn Steck Heimat onn ess nett soschlemm,ett wäad enn annaren Derfa ach so senn.

Ett ess kenn Wonna, dass ett us lee’i so gefällt,ma drän Lee’ ischdroff nett de Bokkel fo kään Geld ennda Welt.Onn wenn ett späda nemmä anascht geht,dann hoffen ma ,dass us da Petrus vaschdehtonn bosselt us fo usen Heimatfimmel,so enn scheen klän Lee’ischdroff enn seim Himmel.

Us gudd Dorf

Marianne Faust

14

Aus unserem Archiv:

Am 22. Juli 1938, also vor 71 Jahren, berichtete die Saar - Zeitung:

Ein seltenes Ereignis auf der HolzmühleDie Eheleute Port begehen morgen ihre Diamantene Hochzeit - Allgemeine Anteilnahme

Diamantene Hochzeit! Das ist schon ein Ereignis,daß man besonders würdigen muß. Alle Jahremal geschieht es im Kreis, daß ein hochbetagtesEhepaar dieses Fest feiern kann. Nur ganz weni-gen ist es vergönnt. Jedesmal aber, wenn irgend-wo im Kreis diamantene Hochzeit ist, dannbleibt dies nicht nur ein privates Fest der Fami-lie. Alle Verwandten und Bekannten und darüberhinaus die Gemeinschaft der Ortseinwohner neh-men regen Anteil daran und tun das ihrige, umdem Tag einen schönen Rahmen zu geben undzu einem Freudentag sowohl für das Jubelpaar,wie auch für die Gemeinschaft zu machen.

Diesmal ist der Stadtteil Lisdorf der Ort, in demmorgen ein Greisenpaar die 60jährige Wieder-kehr seines Hochzeitstages feiert. Es sind dieEheleute Anton und Katharina Port, geb. Schmittvon der Holzmühle, das älteste Ehepaar desStadtteils Lisdorf. Überall auf der Holzmühle undim Stadtteil Lisdorf ist das Paar bekannt, geach-tet und beliebt.

Im Jahre 1928 feierten die beiden Hochbetag-ten die goldene Hochzeit im engsten Familien-kreise und obwohl die verflossenen weiteren zehnJahre nicht spurlos an ihnen vorübergegangensind, erfreuen sie sich noch einer in diesem Alterseltenen geistigen und körperlichen Frische.

Der Jubilar ist 84 und seine Gattin 82 Jahre alt.Heute noch spricht die Jubilarin fließend franzö-sisch, das sie sich auf ihren Schiffsfahrten aufdem Wasserstraßennetz Frankreichs angeeignetund seitdem nicht mehr verlernt hat.

Aus der Ehe gingen 13 Kinder hervor, von denenleider schon acht der kühle Rasen deckt. Vier

sind in jungen Jahren gestorben, während dieanderen vier im besten Alter dahingerafft wur-den. Überhaupt hat das Schicksal den alten Leu-ten mehr als einmal hart zugesetzt. Die vier Söh-ne des Jubelpaares standen während des Welt-krieges an der Front. Einer von ihnen erhielt fürbesondere Tapferkeit das EK 1. Klasse.

Der Jubilar diente in seiner Militärzeit bei demRheinischen Pionier–Bataillon Nr. 8 in Koblenz,wo er am 11.12.1874 als Ersatzrekrut in die 3.Kompanie eintrat; auch war er hier nochSchwimmlehrer und brachte so manchem jungenSoldaten das Schwimmen bei. Nach dem Führ-ungsattest, das der alte Herr mit Stolz bis heuteaufgehoben hat, hat er vom 11.12.1874 bis17.9.1877 gedient und sich während dieser Zeit„sehr gut“ geführt. Das Zeugnis ist also schon 61Jahre alt. Das beweist, welchen Wert unsere al-ten Soldaten auf diese Papiere legten und wieneben dem Militärpaß diese Schriftstücke ins-besonders gutem Zustand gehalten wurden.

Von Beruf war der Jubilar Schiffer und befuhr fastjeden Strom Frankreichs und des westlichenReichsgebiets. Dann ging er im Jahre 1897 zurDillinger Hütte, wo er bis 1923 im Martinswerk 1arbeitete und alsdann in Pension ging.

Auch wir entbieten neben den noch lebendenfünf Kindern, 16 Enkeln und vier Urenkeln demJubelpaar die herzlichsten Glück– und Segens-wünsche, zugleich im Namen der Volksgenos-sen des Stadtteils Lisdorf. Möge auch der rest-liche Lebensabend der alten Leute geruhsamund gesegnet sein.

15

Am 23. Juli 1928 feierten die Eheleute Anton Port und Katharina geb. Schmitt aus dem Lisdorfer Ortsteil Holzmühleihre Goldene Hochzeit und 10 Jahre später, am 23. Juli 1938, die damals selten vorkommende Diamantene Hoch-zeit. Über dieses Ereignis berichtete die Saar–Zeitung in ihrer Ausgabe vom 22. Juli 1938. Den betreffenden Artikelhaben wir nebenstehend abgedruckt.

Beide Jubilare waren in Lisdorf geboren. Anton Port am 14. Mai 1854 als Sohn einer Schiffer–Familie. Seine FrauKatharina geb. Schmitt am 19. Februar 1856. Am 23. Juli 1878 schlossen sie in der Lisdorfer Pfarrkirche den Bundfürs Leben. Aus der Ehe gingen 13 Kinder hervor, von denen zum Zeitpunkt der Diamantenen Hochzeit bereits achtverstorben waren. Eine Tochter ging ins Kloster.

Das untere Bild wurde anlässlich der Goldenen Hochzeit im Jahre 1928 aufgenommen. Es zeigt das Jubelpaar mitseinen Kindern und Enkeln. Oben als Zweiter von links ist Enkelsohn Johann Port zu erkennen. Anton und KatharinaPort waren die Urgroßeltern von Joachim, Klemens, Fredi und Edmund Port.

18

Aus Anlass der Heilig – Rock – Tage in Trier vom24. April bis 3. Mai 2009 haben wir einen mitmundartlichen Ausdrücken gespickten Artikel vomSeptember 1933 der im Jahre 1983 verstorbenenbekannten saarländischen Schriftstellerin MariaCroon über eine Heilig–Rock–Geschichte aus demJahre 1891 übernommen.

Der Artikel erzählt die Geschichte eines 10 jähri-gen Bauernburschen aus einem Merziger Gaudorf,der auf aberteuerliche Weise allein nach Trier undzurück pilgerte. Sie könnte sich auch in Lisdorf oderin einem anderen Dorf in der Nachbarschaft ereig-net haben.

Die Leiterwagen rasselten schon lange, ehe die er-sten Hähne im Saardorf krähten. Als die Räder ge-schmiert, die Sitze festgemacht und die Heu– undStrohbürden richtig verstaut waren, kletterte dieMorgenröte hinter dem Berg herauf und breiteteder Sonne den purpurnen Teppich aus, damit sieköniglich darüber schreite. Die Pferde hatten amrauschenden Brunnen erstaunt unwillig die Mäh-nen geschüttelt ob der Zumutung, schon so früh zutrinken. Jetzt standen sie leise wiehernd im Ge-schirr. Dann öffneten sich die Haustüren und sonn-täglich gekleidete Menschen kamen heraus. Sietauschten Morgengrüsse in der Nachbarschaft, dieFrauen zogen die Hauben zurecht, nestelten anden Schürzen, und dann schlossen sie die Weiden-körbe, in denen die Essvorräte waren. Manch einloslediger Pätter trug auch sein Brot und sein StückHamm in einem geblümten Taschentuch. Heutewar unser saarländisches Gaudorf an der Reihe,um zum Hl. Rock nach Trier zu pilgern.

Als die Wagen alle zum Dorf hinausgefahren wa-ren, lag dasselbe still, und verlassen im Glanz deraufgehenden Sonne. In jedem Haus war nur einHüter zurückgeblieben, eine alte Muhme oder einejunge Mutter, die ihren Säugling betreuen musste.— Beim Wirtsfranz wäre die alte und halbtaubeMimi Kathrin allein zurückgeblieben, wenn nichtgerade jetzt zwei Zuchten Ferkel im Stall in ewigem,unheimlichen Hunger gequiekst hätten. Die MimiKathrin war beinahe achtzig und konnte die schwe-ren Eimer nicht mehr durch die engen, dunklen Stäl-le schleppen. Darum war das zehnjährige Nik-elchen dazu verurteilt worden, der alten Groß diekräftigen Arme zu diesen Gängen zu leihen. Vie-

Maria Croon (1891- 1983)

Wie Nikelchen auf eigene Faust zum heiligen Rock pilgerteEine Heilig-Rock-Geschichte aus dem Jahre 1891

le Tränen hatte das Nikelchen schon vergossenseit dieses harten Familienbeschlusses. „Ich bringdas schönste Gälljen (Medaille) mit vom Heili-gen Rock, auch eine Zuckerstange und eine Bre-zel“, hatte die weichmütige Mutter getröstet.Aber das war alles nichts. Nikelchen wollte sel-ber den Herrgottsrock sehen und nach Trier rei-sen. Was waren dagegen alle Zuckerstangenund auch noch Gälljer? Alle Jungen aus demDorf waren mitgefahren. Die meisten seiner Al-tersgenossen hatten peitschenknallend vorne aufdem Leiterwagen gesessen, die Pferdeleinenstolz in der Hand. Und er musste der GroßchenSchweinseimer in den Stall tragen! Das ging ge-gen seine Jungenehre. Und wann mochte der Hl.Rock wieder ausgestellt werden? Die Großchenhatte eben, als sie neben dem Trog im Ferkels-stalle hockte und die „Sauf“ durchknetete, damitalles die richtige Temperatur hatte, vor sich hingeknoddert, sie sei eine ganz junge staatse Fraugewesen, als sie damals mit ihrem Matthes selignach Trier zur Ausstellung gepilgert sei. Dannmusste es schon lange, lange her sein; denn dieGroß hatte keinen einzigen Zahn mehr, sie wartaub, und die Augen waren beinahe erloschen imrunzeligen Gesicht.

Während Nikelchen noch so in trüben Sinnen ver-loren stand, ratterte am anderen Ende der Dorfstra-ße noch ein Leiterwagen heran. „Der hat sich ver-spätet“, dachte der Bub. Gleichzeitig durchfuhr ihnwie der Blitz der Gedanke: Da könntest du nochmitfahren! Und schon war er die Treppe hinauf-gesaust, hatte den frischgewaschenen blauenLeinenkittel vom Nagel gerissen, angezogen, wie-der nach unten gesprungen, die mit Stallmist ge-sprenckelten Schuhe mit einem Büschel Rommeln-blättern schwarz „gewichst“, die Hände gewaschen.Halt, noch fehlte die Futterage! Die Mutter hattegestern ein paar Schüsseln voll scharfen Käs ge-kocht für die Wallfahrer, den Daheimgebliebenenein „Gubbel“ voll in den Wandschrank gestellt.Nikelchen hatte die Schüssel schon in der einenHand, in der anderen Hand ein halbes Brot. So er-wartete er den Wagen , auf dem die Leute aus demNachbardorfe eben ein frommes Pilgerlied sangen.

„Holt mich mit“, rief er, „ich will auch noch nachTrier.“ „Kein Platz mehr da, Jung“, wehrte derFahrer ab, „geh heim und iss dein Kässchmier.“

19

„Fürs Zuschrauben holt mich mit, ich setze michhinten neben die Schraub“, bat Nikelchen fle-hentlich. „Lasst ihn nur“, entschieden ein paarjunge Burschen, denen das lästige Amt des Auf–und Zuschraubens zugeteilt worden war. Gleichsaß der Bub neben der Schraube und ließ dieBeine baumeln. „Du willst doch nicht bis Trierdeine Kässchüssel im Arm festhalten“, rief deralte Bauer, „her damit in die Futterkiste.“Nikelchen reichte Brot und Käse hinauf, behieltaber während der ganzen Fahrt die Kiste arg-wöhnisch im Auge. So reiste er schlecht und rechtfürs Zuschrauben acht Wegestunden weit bis nachTrier. Zwischendurch schmetterte er alle Wall-fahrtslieder mit heller Stimme hinaus in den hel-len Sommertag.

Je näher sie der heiligen Stadt kamen, um somehr musste Nikelchen staunen über den Be-trieb. Und erst in Trier selbst! Da wälzten sich dieMenschen über die Straße wie die Wellen in derMosel. Das war allerdings ein wenig mehr, wiewenn in seines Vaters niedriger, rauchgeschwärz-ter Schenkstube Holzversteigerung war oder garan der Kirmes Tanzmusik. Mit einer Prozessionschlüpfte er in den Dom und sah hier mit ehr-fürchtigem Schauer das Kleid, in dem der HerrJesus gelebt und gelitten hat. Da kam ihm auchsein Ungehorsam zum ersten Mal so recht zumBewusstsein, und die arme Groß, die jetzt da-

heim saß und niemand hatte, der den Ferkels-eimer trug. Und mit ihren zittrigen Fingern ver-gebens den Wandschrank nach dem Gubbelmit dem gekochten Käs abtastete. Er sandte ei-nen innigen Stoßseufzer um Verzeihung zum Hei-ligen Rock empor und stand bald wieder imFreien, allerdings eingekeilt zwischen einer dich-ten Menschenmenge.

Als er sich bis zum Wagenplatz durchgekämpfthatte, sah er in der Nähe auch die Fuhrwerke ausseinem Dorf und viele bekannte Gesichter. Damusste er verschwinden, denn es schien ihm nichtgeraten, jetzt schon unter seines strengen VatersAugen zu treten. Er schlich sich also an seinenWagen heran, entnahm der Futterkiste die Käs-schüssel, von der er unterwegs schon den „Him-mel“ (die Haut) herunter gegessen hatte, seinedästige Kurscht und schlängelte sich damit ausdem Getümmel heraus. In einer stillen Gasse setz-te er sich auf einer Haustüre nieder und schmau-ste ergiebig, bis nur noch ein paar schäbige Über-reste am Gubbelboden klebten. Dann suchte ernoch einen Brunnen auf und schlenderte langsamin der Richtung nach den Fuhrwerken zurück.

Doch er hatte sich verirrt und es dauerte zweiStunden, bis er den Platz wiederfand. Aber, oSchreck, die Wagen aus der Heimat waren alleweg. Er lief verzweifelt hin und her und las die

Lisdorfer Pilgergruppe zur Heilig-Rock-Ausstellung in Trier im Jahre 1933

20

Schilder. Lauter fremde Namen, kein einzigesDorf vom Saargau. Was nun? Doch nur wenigeMinuten war Nikelchen mutlos. Da floß die Mo-sel, wenn er stromaufwärts ging, kam er bei Konzan die Saar. Dann nur munter immer an ihremUfer vorbei, und er würde die Heimat schon fin-den. Also vorwärts marsch, Nikelchen! Unent-wegt die leere Kässchüssel unterm Arm, trabte erfürbaß. Und der Blitzjunge hatte Glück. Fürs Zu-schrauben nahmen ihn verschiedene Wagenstreckenweise mit, solange ihre Wege gemein-sam waren.

Als der Mond schon lange am Himmel stand,klopfte der kleine Pilgermann doch ein wenig ver-zagt an der heimischen Haustüre an. Dort war al-lerdings am Abend bei der Heimkehr der Wall-fahrer große Aufregung gewesen ob der Pilger-fahrt Nikelchens auf eigene Faust , und alle Teil-nehmer waren ein wenig aus der frommen Stim-mung herausgekommen. Der Vater hatte ge-schimpft, die Mutter geweint, und sie wollte ste-henden Fußes umkehren und ihren Sohn suchen.Doch der Vater hatte ruhig entschieden: „Wir su-chen ihn nicht, wenigstens heute noch nicht. Ichdenke, er hat den Weg hingefunden, er findet ihnauch wieder heim.“ Dann war man sorgenvoll inder Stube sitzengeblieben. Bis gegen Mitternacht.

Da klopfte es schüchtern an der Haustüre undNikelchens müde Stimme rief ängstlich: „Mamm,macht ov !“ Alle sprangen freudig auf. Es war auchdem Vater schwer, dem staubbedeckten kleinenPilger ein strenges Gesicht zu zeigen. Nach einergelinden Strafpredigt durfte er sich als büßenderSünder auf dem Strohsack ausstrecken.

Nikelchen blieb sein Leben lang ein unterneh-mungslustiger Junge, dem der Wandertrieb im Blutesteckte. Später machte er wieder auf eigene Fausteine große Reise, bis nach Kanada. Diesmal abernicht aus religiösen Gründen und um aus dem Be-reich der Ferkel zu kommen, sondern er lief mitvoller Absicht den quiekenden Borstentieren direktin die Arme oder besser gesagt in die Klauen. Drü-ben in Kanada hat er sich nämlich eine große Farmerworben, auf der er schon jahrzehntelang erfolg-reich Schweinezucht betreibt. Sicher erzählt er jetzt,nachdem er in den Zeitungen von der diesjährigenAusstellung des Heiligen Rockes gelesen hat, seinenauf der freien amerikanischen Steppe aufgewach-senen Kindern von seiner ersten Wallfahrt zum Herr-gottsrock. Und er empfindet keine Reue über denUngehorsam; denn ohne diese Eigenhilfe hätte erdas Kleid des Herrn in seinem Leben wahrschein-lich nie gesehen. Von Kanada kommt man nicht soleicht nach Trier, auch nicht fürs Zuschrauben.

Volkstrachten an der Saar in früherer ZeitDer saarländische Volkstanz– und Trachtenverbandhat sich zum Ziel gesetzt, die Kleidung unserer Vor-fahren aus der Region zu sammeln, zu dokumen-tieren und zu präsentieren.In Zusammenarbeit mit der Gemeinde Nohfeldenkonnte dieses Projekt als Museum im Alten Amts-haus in Nohfelden verwirklicht werden. Dieses trägtdie offizielle Bezeichnung „Regionales Museum fürMode und Tracht“, inzwischen bekannt als „Trach-tenmuseum Nohfelden“.Am 25. Juni 2006 hat der Heimatkundeverein Lis-dorf im Rahmen einer heimatkundlichen Lehrfahrtin den St. Wendeler Raum mit 52 Personen auchdas Trachtenmuseum Nohfelden besucht und die-ses mit einer besonderen Führung durch die Mu-seumsleitung eingehend besichtigt. Die Teilnehmerwaren beeindruckt von den Ausstellungsstücken ausfrüherer Zeit und erfreut, als ihnen eine mehr als125 Jahre alte Kopfbedeckung aus Lisdorf gezeigtwurde. Ein Besuch in diesem Museum ist wirklich zuempfehlen. Die Öffnungszeiten können unter Tel.:06852/809154 erfragt werden.„Kleider machen Leute“, dieses Sprichwort erlangtezusätzlich Bekanntheit durch die gleichnamige No-velle von Gottfried Keller. Gute Kleidung fördert das

Ansehen, dies gilt noch heute. Ab der 2. Hälfte des19. Jahrhunderts bestimmte das Bürgertum dieMode und das Kleidungsverhalten:Kleidung als Abbild der bürgerlichen Tugenden:Ordnung, Fleiß, Reinlichkeit, Sparsamkeit, Pflicht-bewusstsein, Anstand und Schamhaftigkeit.In der Kleiderabteilung des Museums Nohfeldenwird die Festtagskleidung aus dem 19. und 20.Jahrhundert bis 1920 gezeigt. Danach setzte einganz neues Kleidungsverhalten ein.Zur Hochzeit bekam der Mann einen Anzug beste-hend aus Hose, Gilet, und Gehrock. Dazu gehörtedas Weiße Hemd mit gestärktem Kragen. Als Acces-soires hatte der Mann meist auch: Hut, Uhrenkette,weiße Handschuhe.Die Frau heiratete früher meist im schwarzen Kleid,das sie auch später zu allen festlichen Anlässen tra-gen konnte. Da die verheiratete Frau nach der be-stehenden Kleiderordnung des 19. Jahrhunderts kei-nen weisse Kleider mehr tragen durfte, war die Ent-scheidung für ein schwarzes Brautkleid eine rein fi-nanzielle Überlegung.Die „Reinheit“ zeigte sich im weißen Schleier. Nur dieBraut aus einem „begüterten“ Elternhaus heirateteim weißen Brautkleid.

21

Im Museum Nohfelden wird auch die Kleidung „Dar-unter“ gezeigt. Im „Grammatisch-kritischen Wörter-buch der Hochdeutschen Mundart von 1807 wurdedie Unterhose als „unanständige Sprechart“ bezeich-net und zum Beinkleid umgetauft.Tracht! Gab es bei uns eine Tracht? Wenn wir unterTracht die Bekleidung der bäuerlichen-ländlichenBevölkerung verstehen, so gab es diese in unsererRegion in den Jahren 1750-1850.Einige originale Trachtenteile wurden vor dem 2.Weltkrieg von Hermann Keuth gesammelt und imdamaligen Heimatmuseum Saarbrücken ausge-stellt. Die erhaltenen Teile der Sammlung gehörender Stiftung Saarländischer Kulturbesitz.Im Nohfelder Museum werden im TrachtenzimmerExponate aus der Sammlung Keuth gezeigt.Die umfangreichste Trachtensammlung besitzt dasSimeonstift-Museum Trier, das ebenfalls einige schö-ne Exponate nach Nohfelden ausgeliehen hat.

Aufgenommen um 1900Sitzend: Anna Breininger geb. WelschStehend: Maria Bernard geb. Stutz, verwitwete Morguet

Erntedankfest 1938, v. l. n. r.: Rosa Schmitt verh. Klein, Maria Ecker verh. Schmitt, unbekannt, Irmi Ecker verh. MorguetJohann Morguet, Maria Morguet verh. Johannes, Lena Morguet verh. Amann, Maria Stutz verh Seidel, Adolf Seidel,Rosa Schmitt verh. Wagner, Erna Ecker, Ottilia Lonsdorfer verh. Schwind, Maria Rullang verh Faust

22

Die Kopfbedeckung der Männer

Diese bestand in der ersten Hälfte des 19. Jahr-hunderts in dem kurtrierischen, dreifach aufge-krämten, schwarzen Filzhut, meist Dreimaster,auch Gewitterverteiler genannt. An manchen Or-ten tragen ihn jetzt noch die Kirchenschweizerbeim Gottesdienste. Im Saarbrücker Gebiet trugman Filzhüte, die nur an einer Seite aufgebogenwaren. Nach den Freiheitskriegen (nach 1815)verschwand der Dreimaster und an seine Stelletrat der hohe, schwere Zylinderhut, der sich nachoben bedeutend erweiterte. Als Sonntagshut be-stand er aus feinem, schwarzen Wollfilz. Der obe-re Innenraum war praktisch eingerichtet. Daszusammengestreifte Kattunfutter schloß bereits inhalber Höhe ab und ließ in der Mitte ein faust-großes Loch. In dem so entstandenen Ober-stocke verbarg der Hausvater bei Ausgängen sei-ne Briefschaften, das Taschentuch, seine irdenePfeife und etwas Tabak. An Werktagen trugen dieBauern einen kleinen runden Filzhut, eine Mützeoder eine gestrickte Zipfelmütze. Sie wurde frühermit der Hand gestrickt, später gewirkt und warentweder weiß, blau oder schwarz. Bei kalter Jah-reszeit trug man sie unter dem Filzhut oder Zylin-der. Das Kopfhaar wurde vom Hinterkopf ausnach allen Seiten glatt gestrichen.

In den 30er Jahren des 19. Jahrhunderts kamenZylinder mit geraden Seiten und schmalem Randauf und erst später trat an ihre Stelle die geringeHuthöhe mit breitem Rand. Die Zipfelmütze hatsich auf dem Saargau noch vereinzelt erhalten.

Die Leibbekleidung der Männer

Am Sonntag trugen die Männer einen Rock ausfeinem, blauen Tuch. An der Brust, den Ärmelnund Schößen war er mit blanken Knöpfen ausMessing oder Silber verziert. Reiche Bauern hat-ten sogar vergoldete Knöpfe. In der SaarbrückerGegend kamen solche von der Größe einesFünfmarkstückes vor. Der Kragen des Rockes warhoch und umschloß auch einen guten Teil desHinterkopfes. Auf den Schultern ragten bauschi-ge Anfänge der Ärmel über dieselben hinaus.

Für die hohen und höchsten Festlichkeiten hatteman den Frack, der bis in die 60er Jahre desletzten Jahrhunderts sich behauptete. Er war inTuch und Machart genau wie der Rock gearbei-tet, reichte aber bis zu den Waden. Die Knopflö-cher waren blind und die Scheinschlitze dersel-ben mit schwarzer Kordel benäht. Die Knöpfe

hatten dieselbe Form und Gestalt wie beimRock. Taschen waren nicht vorhanden. Das Volkhatte recht drastische Bezeichnungen für dasrecht unbequeme Kleidungsstück. Bald nannteman den Frack Schnippel, bald auch Schwalbeoder Bachstelze.

An Werktagen trugen die Männer das Wamsoder Kamisol, im Saargau Mozzen genannt.Dieses hatte die Form der heutigen Jacken, waraber etwa eine Spanne länger und mit einemstehenden Kragen versehen. Das Winterwamswar aus grauem oder blaugefärbtem Tirtich, dasSommerkamisol aus Leinen gearbeitet. Oft hat-te dasselbe hinten eine frackartige, kurze, zwei-teilige Fortsetzung mit falschen Rocktaschen undhieß Habitschaß ( habit de chasse).

Bei Ausgängen über Land zog man über dieWerktagskleider den Leinenkittel, Knib, Schippoder Schiep genannt, ein Kleid, auf das der Bau-er stolz war. Gilt doch der Spruch, daß unter demKittel ein treues Herz schlägt. Anfangs wurde erauch an Sonntagen getragen. Der echte alte Kit-tel hatte ein rundes Schlupfloch zum Durchschie-ben des Kopfes, war länger als der heutige und ausgrobem Hausmacherleinen gemacht und darumdauerhafter. Auf der Schulter war er oft mit reicherHandstickerei versehen.

Unter dem Rock trugen die Männer eine Weste. IhrStoff war entweder Samt oder weiße, gelbe, violetteoder schwarze Seide mit feingeblümtem Muster.Kleinere Leute hatten leinene oder baumwolleneWesten. Die Bezeichnung lautete im Saargau Zer-wes, im Kreis Saarlouis und Saarbrücken Gilot,sonst aber allgemein Brustlappen. Dieselben wa-ren vom Kinn bis fast zur Körpermitte dicht ge-schlossen und hatten enge Reihen Knöpfe ausMessing, Silber, Horn, Achat oder Glas.

Das Hemd, Him oder Himm genannt, bestand stetsaus grauem Hausmacherleinen und endigte obenmit einem hohen Umschlagkragen. Letzterer wur-de oben mit einer weißen Schnur zugebunden.

Die Bein– und Fußbekleidung der Männer

Die Beinkleider waren zweierlei Art und hießendurchweg Box. Die eine Art reichte nur bis unter dasKnie, wo seitliche Schnallen die Strümpfe umschlos-sen. Die andere Art ging bis unter die Waden undwar dort eng anschließend. Die Außennaht war un-ten geöffnet; der Verschluß geschah durch dicht ne-beneinander gesetzte Knöpfe. Die Strümpfe wur-

23

den bis über die Knie gezogen und mit einemBand, das in Quasten endigte, festgebunden. Derobere Teil wurde aufgerollt, so daß sich ein Wulstrings um das Knie legte. Die Beinkleider waren ausSamt, Tuch oder Zeames, d. i. aus einem aus Wol-le und Garn selbstgefertigten Stoff, gemacht. AuchHirschleder–Boxen wurden getragen. Hosenträgerkannte man nicht, und statt des einfachen Schlitzeshatte der Vorderteil eine sogenannte „Falltüre“, diebeiderseits angeknöpft wurde.

Die Strümpfe, Hosen genannt, waren von helleroder dunkelblauer Farbe und nicht gestrickt odergewebt, sondern vom Schneider aus weißemTirtich gearbeitet und häufig wattiert. In der Ge-gend von Ottweiler trug man schwarzgerippte,gestrickte Strümpfe, die bei reichen Bauern mitsilberartigen Fäden durchwirkt waren.

Die Fußbekleidung bestand aus niedern, pan-toffelartigen Schuhen, die an Werktagen mit kup-fernen, an Sonntagen mit silbernen Schnallen zu-sammengehalten wurden.

Die Kopfbedeckung der Frauen

An Sonn– und Festtagen trugen die Frauen einweißes Frauenkäppchen, Rozzekäppchen oderMaritzschen genannt. Dasselbe ähnelte einer Ma-trosenmütze, wie sie heute von Knaben getragenwird. Es bestand aus einem mittels Stärke und ein-geklebtem Zeitungspapier bretthart gebügelten,zierlichen Käppchen von blendend weißer Farbe,das dem frischen Bauernmädchen sehr kokett aufdem Hinterkopfe saß. Die Form der oberen ge-streiften Platte oder Küppe war die eines gedrück-ten Hufeisens. Der gerade Teil am Hinterkopfewurde zusammengezogen. Die Mädchen trugenganz weiße, die Frauen solche mit aufgedrückten,regelmäßig verteilten schwarzen Blümchen. Ge-halten wurde das Käppchen durch ein meist blauesSeidenband, das unter dem Kinn zu einer Schlei-fe geknüpft war. Ein zweites blaufarbenes Seiden-band umzog den unteren Bord der Kappe und en-dete rückwärts ebenfalls mit einer Schleife. Damitdas Käppchen gut saß, mußten die Haare in be-sonderer Weise gekämmt und aufgesteckt werden.Sie wurden in der Mitte gescheitelt, über die Schlä-fen gekämmt und oben auf dem Kopfe flach fest-gelegt. Zu Hause trug man eine weiße Musselin-haube oder ein schwarzes, gestricktes oder gehä-keltes Kopftuch, an vielen Orten wegen der herab-hängenden Zipfel Schwanztuch genannt. AmWerktage und bei der Arbeit im Felde hattenmanche Frauen ein einfacheres Rozzekäppchen.

Goldschmuck an Ohren und Hals durfte sonntagsnicht fehlen. Große Goldreifen bis zum Durchmes-ser eines Zweimarkstückes waren durch die Ohrengezogen und nach unten mit einem runden Knopfversehen, der um so größer war, je mehr Grund-steuer die Bäuerin zahlte. Bei Fischerfamilien fehl-te am Ohrring der goldene Anker nicht, der inner-halb des Goldreifens an einer S- förmigen Querver-bindung lose hing. Um den Hals trugen die Frau-en gewöhnlich eine doppelte, wenn sie besondersreich waren, eine fünf– bis sechsfach um den Halsgeschlungene goldene Kette mit einem Kreuzchen.

Die Leib– und Fußbekleidung der Frauen

Die Frauen trugen meist ein Kleid von schweremTuch, am Leibchen reich gefältet, mit Ärmeln, dieoben weit und teilweise in Fältchen gelegt waren,dagegen das Handgelenk eng umschlossen. AmHalse war das Leibchen etwas ausgeschnitten undlegte sich glatt an. Es fand seinen Abschluss in ei-ner dicht gefälteten Krause, die entweder nur um-gelegt oder am Hemde festgenäht war. An Werk-tagen trugen die Weiber meist nur den Unterrock,an den das ärmellose Leibchen angenäht war.Die weiten Ärmel des Hemdes bedeckten denArm. Vielfach hatte man auch Röcke von Wollstoffoder Tirtich, reich gefältet, daher weit abstehendund nur bis zur halben Wade reichend.

Ging die Frau aus, so legte sie ein Brusttuch,Schnauptuch genannt, um die Schultern. Es war eingroßes, weißes, mit reicher Stickerei gearbeitetesMulltuch, das über der Brust gekreuzt und mit sei-nen Zipfeln unter dem Schürzenbande befestigtwurde. Außerdem waren weiße Wolltücher, umran-det mit grellroten Blumengirlanden in Gebrauch.Als Trauerkleidung trug man seidene Schnaub-tücher. Es war Sitte, den verstorbenen Frauen dieHälfte des Tuches mit ins Grab zugeben; die ande-re Hälfte wurde pietätvoll aufbewahrt.

Um den Leib hatten die Weiber eine Schürze ge-bunden. Sie umspannte fast die ganze Taille. Siewurde aus der doppelten Breite des Stoffes gear-beitet. Für den Sonntag wurde in zwei Farbenschillernde Seide bevorzugt. Ein gewöhnlichesFrauenkleid kostete zwei, in besseres vier Taler;Schnaubtücher hatte man bis zu sechs und Schür-zen bis zu einem Taler. Strümpfe und Schuhe wa-ren wie bei den Männern, nur leichter und zierli-cher gearbeitet.

Quelle: „Aus vergangenen Tagen“ Band 1, AusgewählteGeschichten und Sagen von der Saar gesammelt und er-zählt von Adam Görgen, Trier 1904

24

Agnes Groß

Das Fronleichnamsfest – Hochfest des Leibes und Blutes ChristiFronleichnam wird jährlich gefeiert am zweitenDonnerstag nach Pfingsten und ist durch die Pro-zession mit dem eucharistischen Brot, eingefasstin die sonnenförmige Monstranz (lat. monstrare= Zeigen) zu einem typisch katholischen Festgeworden. Entstanden ist Fronleichnam in derbelgischen Stadt Lüttich und wurde dort 1246zum ersten Mal gefeiert. Zwanzig Jahre späterhat der aus Lüttich stammende Papst Urban IV.das Fest 1264 für die ganze Kirche eingeführt.

Leichnam bedeutet nicht — wie vielfach ange-nommen — „toter Leib“, sondern Leib. Fronkommt von Herr. In Köln fand die erste Fronleich-namsprozession statt. 1279 wurde hier das eu-charistische Brot zum ersten Mal feierlich durchdie Stadt getragen. Neben derheute üblichen Prozession durchStraßen und Wege gibt es auchSchiffsprozessionen, so auf eini-gen Alpenseen und auf demRhein bei Köln, die sogenannteMühlheimer Gottestracht.

Das Fest folgt auf den Sonntagnach Pfingsten und knüpft anden Gründonnerstag an, derwegen der Karwoche nicht ingroßer Feierlichkeit begangenwerden kann.

Fronleichnam spiegelt dieFrömmigkeit des hohen Mittel-alters wider. Bei der Messe wirddie Wandlung besonders her-ausgehoben. Der Priester hebtdie Hostie hoch, so dass alle siesehen können. Nicht mehr derVerzehr des gewandelten Brotes,sondern das Sehen tritt in denVordergrund. Der Augenblick der Wandlungwird durch die Monstranz, die das geweihte Broteinrahmt, festgehalten.

Eine zweite Wurzel des Festes sind die Flurum-gänge, um die Felder bzw. die Stadtviertel zusegnen. Deshalb macht die Prozession an vierAltären Halt, um alle Himmelsrichtungen abzu-schreiten. Da es auch vier Evangelien gibt, wirdan jedem Altar aus einem anderen Evangeliumgelesen. Der Prozessionsweg wird mit Blumenund Fahnen geschmückt, die Monstranz wird un-

ter einem Tuch getragen, das an vier Stöckenausgespannt ist und „Himmel“ genannt wird.

In Lisdorf wurde früher — wie auch in anderenkatholischen Gebieten — das Fronleichnamsfestin großer Form gefeiert. Die vier Altäre wurdenmit vielen Blumen prunkvoll hergerichtet und dieStraßen und Häuser, an denen die Prozessionvorbei kam, schön geschmückt. Am Fronleich-namsfest war bereits in aller Frühe geschäftigesTreiben festzustellen. An der Prozession nahmenin der Regel annähernd 1000 Pfarrangehörigeteil, darunter Fahnenabordnungen von mehre-ren Vereinen und Gruppen, die örtliche Schule,der Kindergarten, die Kommunionkinder sowiefast alle Vereine.

Auch heute ist Fronleichnam in Lisdorf noch einbedeutendes Fest; an der Prozession beteiligensich immer noch zahlreiche Pfarrangehörige.

Fronleichnams – Altar im Jahre 1954 an der Straßenecke Feld– /Deichlerstraßein Lisdorf

Der Beitrag wurde nach dem Buch „Die Feste im Kirchen-jahr“ von E. Bieger SJ gefertigt.

25

Fronleichnams – Altar im Jahre 2002 vor dem Gewächshaus von Frau Maria Schwarz–Schmitt im Touvening in Lisdorf

Das Allerheiligste, getragen von KaplanHüsch, unter dem „Himmel“ bei derFronleichnams–Prozession im Jahre2002 in Lisdorf

Fronleichnams–Prozession im Jahre 2002in Lisdorf mit den Fahnenabordnungen desBerg– und Hüttenarbeitervereins, der Ka-tholischen Frauengemeinschaft und desLourdes–Vereins

26

Lisdorfer Heimatkundler in RomSeit 2004 weilten siebenReise– und Pilgergruppenmit insgesamt etwa 250Teilnehmern des Heimat-kundevereins Lisdorf inRom. Aufgrund der schwe-ren Erkrankung des Reise-organisators mussten dieReisen, die sich steigen-der Beliebtheit erfreuten,ab 2007 vorerst ausge-setzt werden. Auf vielfa-chen Wunsch der Teilneh-mer veröffentlichen wir aufdiesen Seiten einige Fotosvon diesen Reisen.

Besuch im Forum Romanum,April 2004

Besuch auf dem Kapitolshügel mit Stadtführerin Claudia Hensold und ValeriaLemma, April 2004

Lisdorfer Gruppe vor dem Colosseum,März 2005

27

Lisdorfer Gruppe vor einem derunzähligen historischen Gebäu-den in Rom. April 2005. Vornelinks: unsere beliebte Stadt-führerin Anna Monti

Besuch im Forum Romanum,Juni 2005

Lisdorfer Gruppe auf dem Petersplatz,Oktober 2006

28

EbbesWat es eigentlich EBBES? Jo ebbes es ewen Ebbes.

Wenn en jonga Mann aan de Heirat denkt, moß er sich ebbes suchen. En Mättchen, dat ebbes hat,dat ebbes kann, on dat ebbes metbrengt.

Wenn er dat gefonn hat, dann hat er ebbes, on zwar ebbes richtiges! Ebbes for et Herz, ebbes for etganz Lewen. Dann gefft Hochzeit gefeiert, die darf ebbes koschten, damet de Leit sinn, dass ma ebbeshat, on se ach ebbes se schwätzen han, denn so ebbes woa noch net do.

Daß ma ebbes sieht, ebbes erlewt, on ebbes vazehlen kann, geht ma off de Hochzeitsrääs, weil soebbes kann ma nur äänmol machen.

Dann geht de Zeit weider, on ma heert ebbes, ma es ebbes, ma schafft ebbes, ma kaaft ebbes, masaat ebbes, ma geft ebbes, on off äänmol erwaat ma ebbes.

Die Noopan hann dann kään Rouh on saan: Kre-ien die ebbes, oder hann die schon ebbes, kre-iendie iwwerhaupt ebbes, oder wollen die iwwerhaupt ebbes. Off äänmol kre-ien die wirklich ebbes, ondann hann die tatsächlich ebbes.

Wenn dann da Bou schraait, dann fehlt em ebbes, wenn er Honga hat dann gre-it er ebbes. Schraaitda Bou dann weider, dann fehlt em ebbes anneres, dann fehlt em wirklich ebbes. Vielleicht hat da Bouach ebbes gemach?

Es da Bou dann greeßer, dann kemmt er en de School on da Lehrer lehrt en ebbes. Wenn da Lehrer enebbes froot, on er wääs neischt, dann gre-it er ebbes, off de Fengern, oder hennen droff.

Kemmt da Bou dann aus da School, soll er ebbes lehren, beiem Mäschter der ach ebbes kann, onebbes wääß, daß da Bou spääder ach ebbes vom Geschäft vasteht, dass er wenn er alt es, aachebbes hat.

Also: wer neischt wääß — kann ebbes heerenwer neischt kann — kann ebbes lehrenwer neischt es — kann ebbes genn

wer neischt hat — kann ebbes erwerben.

Et gefft Leit, die mennen, se wären ebbes — se hätten ebbes — se wüßten ebbes — se wolltenebbes — se dürften ebbes — on se bekämen ebbes.

Awwer die mäschten von denen, die wäsen neischt — se genn neischt — hann neischt — kre-jenneischt — dürfen neischt — wollen neischt — on kennen neischt.

Sinn da — dat es ach ebbes!Wat eich auch vazehlt hann, dat wor neischt — awwerdoch wenichstenz EBBES!

Die Redaktion

29

NachrufSeit der letzten Herausgabe eines Heimatblattes sind folgende Mitglieder verstor-ben, denen wir bei ihrer Beerdigung und in mehreren Messfeiern gedacht haben.

Waltraud Rupp – Steuer Lisdorf * 1941 † 2006

Herbert Luxenburger Lisdorf * 1935 † 2006

Georg Jungmann Lisdorf * 1917 † 2006

Peter Guckeisen Lisdorf * 1941 † 2006

Berta Dini – Klein Lisdorf * 1911 † 2007

Ludwig Freichel Lisdorf * 1936 † 2007

Siegfried Kneip Saarlouis * 1939 † 2007

Mathilde Darré – Bommersbach Lisdorf * 1946 † 2007

Alois Schmitt Schwalbach * 1938 † 2007

Erich Welsch Lisdorf * 1935 † 2007

Sylvia Pracht – Geraldy Lisdorf * 1960 † 2007

Alfred Wilhelm Lisdorf * 1952 † 2007

Adolf Breininger Lisdorf * 1934 † 2008

Helmut Speth Felsberg * 1940 † 2008

Elisabeth Müller – Weiß Lisdorf * 1913 † 2008

Lucie Amann – Amann St. Avold–Dourdahl * 1925 † 2008

Ella Groß – Mathieu Wadgassen * 1922 † 2008

Anneliese Bohschulte –Destruelle Lisdorf * 1920 † 2008

Reinhold Rupp Lisdorf * 1912 † 2009

Hedi Naumann Lisdorf * 1953 † 2009

Erna Willkomm – Kneip Lisdorf * 1913 † 2009

Wir werden sie in dankbarer Erinnerung behalten und ihnen ein eh-rendes Andenken bewahren.

Verein für Heimatkunde Lisdorf e.V.

30

Lisdorfer Heimatkundler aktiv bei „Picobello“

Wie alljährlich beteiligte sich der Heimatkundeverein Lisdorf auch dieses Jahr an der landesweitenFrühjahrsputzaktion „Saarland Picobello“.

Zu Beginn der Aktion stellte sich ein Teil der freiwilligen Helferinnen und Helfer aus Lisdorf dem Fo-tografen zu einem Gruppenbild.

Mit Fahrzeugen des NBS und unseres Freundes Vinzenz Groß wurden regelrechte Müllmassen, die vonMitbürgern achtlos in die Natur geworfen wurden, ordnungsgemäß entsorgt.

,

31

Wir gratulierenunseren Mitgliedern zu ihren Geburtstagen im 1. Halbjahr 2009

70 JahreRichard Senzig Lisdorf – HolzmühleGünter Groß Lisdorf – HolzmühleHelga Welsch PicardHelene Wetta SchiffweilerWaltraud Fritz Lisdorf

75 JahreAnna Groß – Rullang LisdorfGisela Groß – Suzanne FraulauternManfred Sonntag LisdorfJosef Baltzer SaarlouisFritz Becker Lisdorf – HolzmühleAugust Balthasar Lisdorf

80 JahreEdgar Amann LisdorfRobert Eisenbarth RehlingenMaria Focht – Schommer EnsdorfErna Ney – Stutz HülzweilerJosephine Hoen GroßrosselnKurt Folz Lisdorf – HolzmühleTheresia Lonsdorfer – Faust Lisdorf

90 JahreMaria Wagner – Comtesse Lisdorf

98 JahreMargaretha Amann – Breininger Lisdorf

Wir wünschen allen Jubilaren auf ihrem weiteren Lebensweg Gottes reichen Segen.