Moschusochsendarstellungen in der paläolithischen...

12
Ursus, Mitteilungsblatt des Zoovereins Schwerin, 22. Jahrgang, Heft 1 (November 2016): BRAUN, I. M. & W. ZESSIN: Moschusochsendarstellungen in der paläolithischen Klein- und Wandkunst und der Versuch ihrer zoologisch-ethologischen Interpretation : 38-49, 28 Abb., Schwerin 38 Moschusochsendarstellungen in der paläolithischen Klein- und Wandkunst und der Versuch ihrer zoologisch-ethologischen Interpretation INGMAR M. BRAUN & WOLFGANG ZESSIN Einleitung Nach einer Reihe von Artikeln über die Tierdarstellungen in der paläolithischen Wand- und –Kleinkunst und ihre zoologisch-ethologische Interpretation (BRAUN & ZESSIN 2008, 2009, 2011, 2012a, b, 2013, 2014, 2015; FLOSS et al. 2007, ZESSIN & BRAUN 2011, ZE SSIN et al. 2007) werden nun die Moschusochsen untersucht. Vorausgegangen ist eine Darstellung von BRAUN (in Druck) über die Moschusochsendarstellungen in der paläolithischen Kleinkunst. Die Moschusochsen (Ovibos moschatus) sind in Eurasien (Nordsibirien) vor ca. 4000 Jahren, zusammen mit den letzten Mammuts ausgestorben. In Nordamerika und Ostgrönland überlebten die urwüchsigen Tiere bis heute. Während der Weichsel(Würm)-Eiszeit, deren Kältemaximum etwa vor 20.000 Jahren war, lebten sie auch im eisfreien Mittel-, Südwest- und Südost- Europa (KAHLKE, 2014; SOERGEL 1942). Abb. 1: Moschusochse (Ovibos moschatus), Alaska Zoo Anchorage, Alaska. Foto: W. Zessin Abb. 2: Karte Europas mit den Eisrandlagen der letzten beiden Eiszeiten. Quelle: Wikipedia

Transcript of Moschusochsendarstellungen in der paläolithischen...

Page 1: Moschusochsendarstellungen in der paläolithischen …palaeolithikum.com/site/assets/files/1504/i__m__braun_w_zessin... · Datierung: Magdalénien, wohl Mittleres Magdalénien Literatur:

Ursus, Mitteilungsblatt des Zoovereins Schwerin, 22. Jahrgang, Heft 1 (November 2016): BRAUN, I. M. & W. ZESSIN: Moschusochsendarstellungen in der paläolithischen Klein- und Wandkunst und der Versuch ihrer zoologisch-ethologischen Interpretation : 38-49, 28 Abb., Schwerin

38

Moschusochsendarstellungen in der paläolithischen Klein- und Wandkunst und der Versuch ihrer zoologisch-ethologischen Interpretation

INGMAR M. BRAUN & WOLFGANG ZESSIN

Einleitung Nach einer Reihe von Artikeln über die Tierdarstellungen in der paläolithischen Wand- und –Kleinkunst und ihre zoologisch-ethologische Interpretation (BRAUN & ZESSIN 2008, 2009, 2011, 2012a, b, 2013, 2014, 2015; FLOSS et al. 2007, ZESSIN & BRAUN 2011, ZESSIN et al. 2007) werden nun die Moschusochsen untersucht. Vorausgegangen ist eine Darstellung von BRAUN (in Druck) über die Moschusochsendarstellungen in der paläolithischen Kleinkunst. Die Moschusochsen (Ovibos moschatus) sind in Eurasien (Nordsibirien) vor ca. 4000 Jahren, zusammen mit den letzten Mammuts ausgestorben. In Nordamerika und Ostgrönland überlebten die urwüchsigen Tiere bis heute. Während der Weichsel(Würm)-Eiszeit, deren Kältemaximum etwa vor 20.000 Jahren war, lebten sie auch im eisfreien Mittel-, Südwest- und Südost-Europa (KAHLKE , 2014; SOERGEL 1942).

Abb. 1: Moschusochse (Ovibos moschatus), Alaska Zoo Anchorage, Alaska. Foto: W. Zessin

Abb. 2: Karte Europas mit den Eisrandlagen der letzten beiden Eiszeiten. Quelle: W ikipedia

Page 2: Moschusochsendarstellungen in der paläolithischen …palaeolithikum.com/site/assets/files/1504/i__m__braun_w_zessin... · Datierung: Magdalénien, wohl Mittleres Magdalénien Literatur:

Ursus, Mitteilungsblatt des Zoovereins Schwerin, 22. Jahrgang, Heft 1 (November 2016): BRAUN, I. M. & W. ZESSIN: Moschusochsendarstellungen in der paläolithischen Klein- und Wandkunst und der Versuch ihrer zoologisch-ethologischen Interpretation : 38-49, 28 Abb., Schwerin

39

Abb. 3: Bekanntes historisches Verbreitungsgebiet (rot) und Ansiedlungen im ehemaligen, prähistorischen Verbreitungsgebiet (blau). Quelle: Wikipedia Systematik Klasse: Säugetiere (Mammalia) Ordnung : Paarhufer (Art iodactyla) Familie: Hornträger (Bovidae) Gattung: Ovibos Blainville, 1816 Art : Moschusochse [Ovibos moschatus (Zimmermann, 1780)] Unterarten Es werden zwei Unterarten unterschieden: Alaska-Moschusochse (Ovibos moschatus moschatus) in Alaska, Kanada und Russland (neu angesiedelt) Grönland-Moschusochse (Ovibos moschatus wardi) in Grönland, Spitzbergen, Norwegen und Schweden (letztere drei auch neu angesiedelt), mit weißem Fellfleck auf der St irn. Die in Nordost-Kanada beheimatete und von Elliot 1905 beschriebene Unterart Ovibos moschatus niphoecus, wie auch weitere „Unterarten“ werden heute allgemein nicht mehr anerkannt. Die derzeitige Verbreitung wird auf einer Karte bei PEDERSEN (1958) und REICHHOLF (1982) angegeben. Die nächste verwandte Art soll nach genetischen Untersuchungen nicht der lange vermutete Takin (Budorcas sp.) sein, der in Körperbau und Verhalten dem Muschusochsen (Ovibos sp.) ähnelt (Konvergenz), sondern der Goral (Naemorhedus sp.), eine Ziegengattung aus Asien, deren Angehörige kleinwüchsig sind. Die paläontologischen Funde von Moschusochsen aus der Elster- (Mindel-)Eiszeit (vor 400.000 bis 320.000 Jahren) werden meist in eine separate Art (Ovibos pallantis) gestellt, spielen aber für unsere Untersuchungen keine Rolle, da sie weit vor der Zeit der jungpaläolithischen Künstler lebten, die die hier behandelten Kunstwerke schufen.

Funde von Moschusochsen-Knochen sind aus den pleistozänen Ablagerungen (Weichsel-Glazial) Mitteleuropas bekannt (KAHLKE 1962; SOERGEL 1941, 1942; SIEGFRIED 1982, dort weitere Literaturhinweise). Kleinkunst: Katalog Nr. 1. Fundort Kesslerloch (Kt. Schaffhausen, Schweiz) Fundort: vgl. Pferde-Art ikel, Kleinkunst, Nr. 5 (BRAUN & ZESSIN 2012a) Der hier vorgestellte Kopf eines Moschusochsen ist sicherlich die b isher bekannteste und eindeutigste Darstellung eines Moschusochsen in der Kleinkunst. Das Objekt wurde bereits anlässlich der ersten Ausgrabungen von Konrad Merk gefunden und auch von ihm publiziert (MERK 1875) (Abb. 1.1 und 1.2.).

Abb. 1.1.: Kesslerloch (Kt. Schaffhausen, Schweiz). Aus Rentiergeweih geschnitzter Moschusochsen-Kopf (MERK 1875).

Abb. 1.2.: Kesslerloch (Kt. Schaffhausen, Schweiz). Aus Rentiergeweih geschnitzter Moschusochsenkopf (ADAM & KURZ 1980). Der Kopf wurde aus Rentiergeweih in der Technik der contour découpé (vgl. Pferde-Artikel, Kleinkunst, Nr. 12; BRAUN & ZESSIN 2012a) geschnitzt und hat eine Länge von 6,2 cm. Die auf beiden Seiten des Kopfes angebrachten Augen, Ohren und insbesondere die charakteristischen Hörner sind deutlich und detailliert wiedergegeben. Der Bereich hinter den Hörnern ist mit kurzen

Page 3: Moschusochsendarstellungen in der paläolithischen …palaeolithikum.com/site/assets/files/1504/i__m__braun_w_zessin... · Datierung: Magdalénien, wohl Mittleres Magdalénien Literatur:

Ursus, Mitteilungsblatt des Zoovereins Schwerin, 22. Jahrgang, Heft 1 (November 2016): BRAUN, I. M. & W. ZESSIN: Moschusochsendarstellungen in der paläolithischen Klein- und Wandkunst und der Versuch ihrer zoologisch-ethologischen Interpretation : 38-49, 28 Abb., Schwerin

40

Einstichen verziert und deutet wahrscheinlich das Fell an. Nach BOSINSKI (1982) handelt es sich eventuell um das Fragment eines skulptierten Speerschleuderendes. Skulpturierte Speer-schleuderenden mit Pferdekopf sind aus dem Kesslerloch bekannt. Das Objekt befindet sich heute im Rosgartenmuseum in Konstanz und trägt die Inventarnummer U7. Technik: Vo llsku lptur aus Rentiergeweih Datierung: Magdalénien, wohl Mittleres Magdalénien Literatur: ADAM & KURZ 1980, BANDI &

DELPORTE 1984; BOSINSKI 1982, BRAUN 2005, 2006, 2009, MERK 1875 Nr. 2 Höhle Courbet (Dép. Tarn-et-Garonne, Frankreich) Fundort: Wie das Kesslerloch wurde die Grotte du Courbet in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts entdeckt und sehr bekannt für ihre magdalén ienzeitlichen Kleinkunstobjekte. Das hier vorliegende Objekt gehört der de Lastic Sammlung an und befindet sich heute im British Museum in London mit der Inventarnummer 64.12.26.545.

Abb. 2.1.: Höhle Courbet (Dép. Tarn-et-Garonne, Frankreich). Speerschleuderende aus Rentiergeweih mit beidseitiger Moschusochenkopf-Darstellung (STODIEK 1993). Es handelt sich um ein aus Rentiergeweih geschnitztes Speerschleuderende mit einer Länge von 8,9 cm. (Abb. 2.1. und 2.2.) Der obere Teil des Widerhakens ist alt gebrochen. Die Oberseite des Objektes trägt eine Nut, so wie sie bei den Haken/Muldenspeerschleudern bekannt ist. (STODIEK 1993). Wie beim vorhergehenden Objekt aus dem Kesslerloch wurden beim Exemplar aus der Höhle Courbet beide Seiten des Kopfes in leichter Relieftechnik skulpturiert. Die Augen, die charakteristischen Hörner und die Schnauze wurden wiedergegeben, die Ohren fehlen. Im Gegensatz zum Exemplar aus dem Kesslerloch wurden die

Augen, die Hörner und die Schnauze nicht an der gleichen Stelle angebracht. Aus diesem Grund handelt es sich sehr wahrscheinlich um zwei unterschiedliche Köpfe, die am selben Objekt angefert igt wurden.

Abb. 2.2. : Höhle Courbet (Dép. Tarn-et-Garonne, Frankreich). Speerschleuderende aus Rentiergeweih mit beidseitiger Moschusochenkopf-Darstellung (Zeichnung A.-C. Welté). Technik: Skulptierung aus Rentiergeweih Datierung: Mittleres Magdalénien Literatur: COOK 2013, SIEVEKING 1987, STODIEK

1993 Nr. 3: Höhle Enlène (Dép. Ariège, Frankreich) Fundort: Die Höhle von Enlène gehört zusammen mit den zwei berühmten Höhlen mit Wandkunst Les Trois-Frères und Le Tuc d’Audoubert die so genannten „Cavernes du Volp“. En lène ist eine Wohnhöhle ohne Spuren von paläolithischer Wandkunst. Die ersten Ausgrabungen fanden bereits im 19. Jahrhundert statt. Zwischen dem Ersten und Zweiten Weltkrieg wurden die Arbeiten von L. Bégouën fortgesetzt. Weitere Ausgrabungen erfolgten zwischen 1976 und 1988 unter der Leitung von R. Bégouën und J. Clottes. Mit seinen Siedlungsstrukturen – u.a. Feuerstellen - und zahlreichen Kleinkunstobjekten, darunter eine grosse Anzahl von gravierten Steinplättchen, gehört Enlène zu den bedeutenden magdalén ienzeitlichen Fundstellen in den Pyrenäen und datiert zwischen 14'000 und 13'500 BP. (BÉGOUËN et al. 1996). Eine monographische Aufarbeitung der Funde und Befunde aus Enlène ist in Vorbereitung (mdl. In formation R. Bégouën). Datierung: Mittleres Magdalénien Literatur: BÉGOUËN et al. 1996, BÉGOUËN & CLOTTES 2007

Page 4: Moschusochsendarstellungen in der paläolithischen …palaeolithikum.com/site/assets/files/1504/i__m__braun_w_zessin... · Datierung: Magdalénien, wohl Mittleres Magdalénien Literatur:

Ursus, Mitteilungsblatt des Zoovereins Schwerin, 22. Jahrgang, Heft 1 (November 2016): BRAUN, I. M. & W. ZESSIN: Moschusochsendarstellungen in der paläolithischen Klein- und Wandkunst und der Versuch ihrer zoologisch-ethologischen Interpretation : 38-49, 28 Abb., Schwerin

41

Nr. 3.1: Höhle Enlène (Dép. Ariège, Frankreich) Beim vorliegenden Objekt handelt es sich um das Bruchstück eines alten Kalksinters von gelber Farbe (Abb. 3.1a und 3.1b), welches anlässlich der Ausgrabungen unter der Leitung von Robert Bégouën und Jean Clottes im Salle du Fond gefunden wurde (Inventarnumer 290). Nur eine Seite ist verziert, deren Oberfläche konkav und glatt ist. (BÉGOUËN & CLOTTES 2007). Es handelt sich um einen nach links orientierten Kopf eines Moschusochsen, der gut in den verfügbaren Platz eingraviert wurde. Gut zu erkennen sind das Auge, das rechte Horn und die Schnauze.

Abb. 3.1.a : Höhle En lène (Dép. Ariège, Frankreich). Kalksinterbruchstück mit Grav ierung eines Moschusochsenkopfes (Photo R. Bégouën).

Abb. 3.1b: Höhle En lène (Dép. Ariège, Frankreich). Kalksinterbruchstück mit Grav ierung eines Moschusochsenkopfes (BÉGOUËN & CLOTTES 2007). Das Auge wurde in doppelter ovalförmiger Linienführung wiedergegeben. Das für die Moschusochsen charakteristische nach vorne gerichtete Horn trägt an seiner Basis sechs kurze

gravierte Striche. Die Nase wurde durch feine Striche angedeutet und der Hals mit einer einzigen deutlichen Lin ie ausgeführt. Eine Reihe von kurzen Strichen verläuft parallel zur Halslin ie. Die anderen Striche im Bereich des Kopfes können als Andeutung des dichten Felles gedeutet werden. Nach Aussage von R. Gessain (in BÉGOUËN &

CLOTTES 2007) könnte es sich um das Profil eines männlichen Moschusochsen handeln. Technik: Gravierung auf Kalksinter Datierung: Mittleres Magdalénien Literatur: BÉGOUËN & CLOTTES 2007 Nr. 3.2: Höhle Enlène (Dép. Ariège, Frankreich) Dieses Bruchstück aus Rentiergeweih – sehr wahrscheinlich das Fragment eines zerbrochenen Lochstabes – trägt auf seinen beiden Seiten jeweils einen Tierkopf (Abb. 3.2a und 3.2b).

Abb.3.2a: Höhle Enlène (Dép. Ariège, Frankreich). Mögliches Bruchstück eines Lochstabes aus Rentiergeweih mit Gravierung eines Moschusochenkopfes (Photo R. Bégouën).

Abb. 3.2b: Höhle En lène (Dép. Ariège, Frankreich). Mögliches Bruchstück eines Lochstabes aus Rentiergeweih mit Gravierung eines Bisonkopfes (oben) und Moschusochenkopfes (unten) (BÉGOUËN & CLOTTES 2007). Der erste Kopf wurde ursprünglich als Bisonkopf gedeutet, jedoch geh man heute davon aus, dass es eher ein Moschusochsenkopf ist (BÉGOUËN & CLOTTES 2007).

Page 5: Moschusochsendarstellungen in der paläolithischen …palaeolithikum.com/site/assets/files/1504/i__m__braun_w_zessin... · Datierung: Magdalénien, wohl Mittleres Magdalénien Literatur:

Ursus, Mitteilungsblatt des Zoovereins Schwerin, 22. Jahrgang, Heft 1 (November 2016): BRAUN, I. M. & W. ZESSIN: Moschusochsendarstellungen in der paläolithischen Klein- und Wandkunst und der Versuch ihrer zoologisch-ethologischen Interpretation : 38-49, 28 Abb., Schwerin

42

Für letztere Interpretation spricht die Wiedergabe des Hornes, welches am Anfang nach unten geht und schliesslich nach vorne orientiert ist, so wie es für Moschusochsen typisch ist. Weiter sind das Auge und die Schnauze dargestellt. Die andere Seite stellt sehr wahrscheinlich einen Bison dar, mit Wiedergabe des Auges und der Schnauze. Technik: Gravierung auf Rentiergeweih Datierung: Mittleres Magdalénien Literatur: BÉGOUËN & CLOTTES 2007 Nr. 4: Abri de La Colombière (Dép. Ain, Frankreich) Der auf dem rechten Ufer des Ain und im südlichen Jura gelegene Abri de La Colombière wurde bereits 1867 von A. Arcelin entdeckt. Zwischen 1913 und 1915 wurde er von L. Mayet und J. Pissot ausgegraben, später 1948 von H. Movius und schliesslich zwischen 1975 und 1981 von R. Desbrosse. Das vor allem sehr reiche Steingeräteinventar – es wurden nur wenige Knochenartefakte gefunden - wurde zunächst von H. Movius ins Gravettien (Périgordien supérieur) datiert. Nach heutigen Untersuchungen stammen die Funde aus dem Abri de La Colombière jedoch aus dem Magdalénien. (MAYET & PISSOT 1915; MOVIUS & JUDSON 1956 ; PAILLET & MAN-ESTIER 2010). Bekannt ist die Fundstelle wegen der 15 gravierten Kiesel, die vor allem unterschiedliche Tiere zeigen und anlässlich der Ausgrabungen von L. Mayet und J. Pissot zum Vorschein kamen. (MAYET & PISSOT 1915; PAILLET & MAN-ESTIER 2010; SIEVEKING

1986–1987).

Abb. 4.1.: Abri de la Colombière (Dép. Ain, Frankreich). Kalksteingeröll (Nr. 8) mit Grav ierung eines Moschusochsen (Photo P. Paillet & E. Man-Estier). Beim vorliegenden Objekt handelt es sich um den Kiesel Nummer 8 in der Nummerierung von MAYET & PISSOT (1915). Es ist ein Kalksteingeröll mit aus zwei aneinanderpassenden Stücken - jedoch ist das Geröll n icht vollständig erhalten – mit einer

Länge von 14,4 cm, einer Breite von 13 cm und einer Dicke von 4,1 cm (Abb. 4.1. und 4.2.). (PAILLET & MAN-ESTIER 2010). Das nach links orientierte Tier wurde von den Ausgräbern MAYET & PISSOT (1915) zunächst als Mufflon angesprochen. Es war jedoch H. Breuil, der aufgrund der Hornform darin einen Moschusochsen sah. Leroi-Gourhan hingegen interpretierte diese Tierdarstellung als Bison (LEROI-GOURHAN 1971). Aufgrund des zuerst nach unten gekrümmten und schliesslich nach vorne gerichteten Hornes und dem langen Fell handelt es sich eher dabei um einen Moschusochsen, wie es auch in den neusten Untersuchungen gedeutet wird (PAILLET & MAN-ESTIER 2010). Auch wurden das Auge und das Ohr dargestellt. Da das lange Fell die Beine nicht vollständig bedeckt, kann angenommen werden, dass es sich um ein Tier im Sommerkleid handelt. Schliesslich sind noch zwei pfeilartige Zeichen auf dieser Seite des Kiesels fein graviert worden.

Abb. 4.2.: Abri de la Colombière (Dép. Ain, Frankreich). Kalksteingeröll (Nr. 8) mit Grav ierung eines Moschusochsen (PAILLET & MAN-ESTIER 2010). Die andere Seite dieses Gerö lles zeigt noch zwei Nashörner (PAILLET UND MAN-ESTIER 2010). Technik: Gravierung auf Kalkgerö ll Datierung: Magdalénien Literatur: LEROI-GOURHAN 1971, MAYET & PISSOT 1915, MOVIUS & JUDSON 1956, PAILLET & MAN-ESTIER 2010, SIEVEKING 1986-1987 Nr. 5 Höhle Es palungue-Arudy (Dép. Pyrénées-Atlantiques, Frankreich) Die im 19. Jahrhundert entdeckte Höhle von Espalungue in Arudy gilt als eine Referenzstation für das Magdalénien in den französischen Pyrenäen und hat bedeutende Kleinkunstwerke geliefert (SCHWAB 2008; THIAULT & ROY 1996 [Hrsg.]). Einige, wie auch das vorliegende Objekt, wurden von E. Lartet in seinem berühmten Werk „L’art pendant l’Age du Renne“ (1907) abgebildet (Abb. 5.1. und 5.2.).

Page 6: Moschusochsendarstellungen in der paläolithischen …palaeolithikum.com/site/assets/files/1504/i__m__braun_w_zessin... · Datierung: Magdalénien, wohl Mittleres Magdalénien Literatur:

Ursus, Mitteilungsblatt des Zoovereins Schwerin, 22. Jahrgang, Heft 1 (November 2016): BRAUN, I. M. & W. ZESSIN: Moschusochsendarstellungen in der paläolithischen Klein- und Wandkunst und der Versuch ihrer zoologisch-ethologischen Interpretation : 38-49, 28 Abb., Schwerin

43

Beim vorliegenden Objekt handelt es sich um einen fragmentierten Lochstab aus Rentiergeweih, welcher auf beiden Seiten einen skulptierten Tierkopf im leichten Relief zeigt. Es trägt die Inventarnummer MAN 47011 im Musée d’Archéologie Nationale in Saint-Germain-en-Laye bei Paris. Das Objekt stammt aus dem mittleren Magdalénien und hat eine Länge von 22 cm, eine Breite von 4,2 cm und eine Dicke von 2,5 cm. Die Mehrzahl der Autoren sehen in diesen zwei Tierköpfen zwei Steinböcke. Der erste Kopf ist ohne Zweifel als Steinbock mit dem nach hinten gerichteten Horn anzusprechen.

Abb. 5.1.: Höhle Espalungue-Arudy (Dép. Pyrénées-Atlantiques, Frankreich). Kleinkunstobjekte auf dem Pl. VIII im Buch „L'art pendant l'âge du Renne“ von PIETTE (1907).

Abb. 5.2.: Höhle Espalungue-Arudy (Dép. Pyrénées-Atlantiques, Frankreich). Detail von Abb. 5.1. des Moschusochsenkopfes im leichten Relief auf Lochstabfragment (PIETTE 1907). Der andere Kopf dagegen, der im Zusammenhang dieses Artikels vor allem interessiert, ist jedoch eher derjenige eines Moschusochsen (BRAUN in Druck). Das Horn geht nahe dem Kopf zunächst nach unten und ist anschliessend nach vorne orientiert, so wie es bei den Moschusochsen typisch ist. Ausserdem ist die Kopfform eher diejenige eines Moschusochsen als die eines Steinbockes (mündl. Informat ion von H. Fahrni, Tierpark Dahlhölzli, Bern). Ausserdem wurden das Auge und die Zunge deutlich dargestellt. Nach CAPITAN et al. (1910) ist jedoch die Hornform aufgrund des fehlenden Platzes auf diese Weise wiedergegeben. Schon E. Cartailhac (in : CHOLLOT 1964) sah in dieser Darstellung in Analogie zum bekannten Moschusochsen-Kopfes aus dem Kesslerloch

ursprünglich erst den Kopf eines Moschusochsen. Nach CHOLLOT (1964) handelt es sich auch eher um die Darstellung eines Steinbockkopfes, da das Horn eine Rinne aufweist, die der Faltung bei den Hörnern der Steinböcke entspricht. Technik: Skulptierung im leichten Relief auf Rentiergeweih Datierung: Mittleres Magdalénien Literatur: BRAUN in Druck, CAPITAN ET AL. 1910, CHOLLOT 1964, PIETTE 1907, SCHWAB 2008, THIAULT & ROY 1996 [Hrsg.] Nr. 6 Kniegrotte (Thüringen, Deutschland) Die Kniegrotte ist eine der bedeutenden magdalén ienzeitlichen Höhlenstationen in Mitteldeutschland. Sie wurde zwischen 1930 und 1938 von Martin Richter ausgegraben und lieferte zahlreiche Stein- und Knochenartefakte. Das Fundmaterial wurde zunächst von FEUSTEL (1974) in einer Monographie ausgewertet. Christiane Höck bearbeitete das Fundmaterial und die Befunde der Kniegrotte im Rahmen ihrer Doktorarbeit neu und publizierte sie (HÖCK 2000). Aus der Kniegrotte sind auch Kleinkunstobjekte bekannt, von denen einige einzigartig sind und keine Parallelen zum bisherigen Kleinkunstspektrum des europäischen Magdalénien haben (BOSINSKI 1982, BRAUN 2012). Hierzu gehört auch das hier vorgestellte Objekt (Abb. 6.1.).

Abb. 6.1.: Kniegrotte (Thüringen, Deutschland). Durchbohrtes Rentiergeweihstück mit zah lreichen Gravierungen (HÖCK 2000).

Abb. 6.2.: Kniegrotte (Thüringen, Deutschland). Abwicklung sämtlicher Grav ierungen (HÖCK 2000).

Page 7: Moschusochsendarstellungen in der paläolithischen …palaeolithikum.com/site/assets/files/1504/i__m__braun_w_zessin... · Datierung: Magdalénien, wohl Mittleres Magdalénien Literatur:

Ursus, Mitteilungsblatt des Zoovereins Schwerin, 22. Jahrgang, Heft 1 (November 2016): BRAUN, I. M. & W. ZESSIN: Moschusochsendarstellungen in der paläolithischen Klein- und Wandkunst und der Versuch ihrer zoologisch-ethologischen Interpretation : 38-49, 28 Abb., Schwerin

44

Abb. 6.3.: Kniegrotte (Thüringen, Deutschland). Detail des jungen Moschusochsen (HÖCK 2000). Es handelt sich um eine in der Längsrichtung durchbohrte Rentiergeweihstange, die eine Länge von 23,8 cm, eine Breite von 4,5 cm und eine Dicke von 2,9 cm hat. Beide Enden wurden abgerundet. Die Bedeutung und der Verwendungszweck dieses Objektes sind unbekannt. Es ist reich mit unterschiedlichen Gravierungen verziert (Abb. 6.2.). Zu erkennen sind ein unvollständiges Wollnashorn mit seinen zwei deutlichen Hörnern und unterschiedliche geometrische Zeichen. Beim zweiten Tier (Abb. 6.3.) handelt es sich mit allergrösster Wahrscheinlichkeit um einen Moschusochsen, der nach rechts orientiert ist Gut zu erkennen sind das dichte zottelige Fell, welches den Umriss anzeigt, das rechte Auge und die rechte Nüster. Fraglich ist, ob es sich bei dem oberhalb des Auges angebrachten Fortsatz um das Ohr oder ein kurzes noch im Wachstum befindliches Horn handelt. Auch sind die Hinterbeine schematisch wiedergegeben. Weiter sind auf dem Körper fünf Einstiche und zwei gravierte Linien angebracht worden. Solche Zeichen in der paläolithischen Kunst werden oft als Pfeile und als so genannte Wunden bzw. Schussverletzungen angesprochen. Interessant ist, dass der hintere Teil des Tieres später abgeschabt wurde. Bei der Darstellung aus der Kniegrotte könnte es sich durchaus um ein rund einjähriges Moschusochsenkalb handeln. Nach PEDERSEN (1958) haben Moschusochsen im Alter von 11 bis 12 Monaten bereits 7 bis 8 cm lange Hörner. Technik: Gravierung auf Rentiergeweih Datierung: Magdalénien Literatur: BOSINSKI 1982, BRAUN 2012, FEUSTEL 1974, HÖCK 2000, PEDERSEN 1958 Nr. 7 Abri von Laugerie-Haute (Dép. Dordogne, Frankreich) Der auf dem Gebiet der Gemeinde von Les Eyzies-de-Tayac und am rechten Flussufer der Vézère gelegene Abri von Laugerie-Haute gehört zu den wichtigen Fundstellen im Périgord. Die ersten Untersuchungen erfolgten bereits 1863 durch Edouard Lartet und Henry Christy, die durch weitere Forscher fortgesetzt wurden. Besonders bedeutsam ist die vollständige Abfolge des Solutréen.

Die b isher einzige Monographie über diese bedeutende Fundstelle ist diejenige von PEYRONY & PEYRONY (1938).

Abb. 7.1.: Abri Laugerie-Haute (Dép. Dordogne, Frankreich). Aus Kalkstein skulpturierter Moschusochsenkopf (Photo Musée d’Archéologie Nationale à Saint-Germain-en-Laye, Loïc Hamon).

Abb. 7.2.: Abri Laugerie-Haute (Dép. Dordogne, Frankreich). Aus Kalkstein skulptierter Moschusochsenkopf (GRAZIOSI 1956). Das hier vorliegende Objekt (Abb. 7.1.-3.) wurde von Denis und Elie Peyrony im Abraum der Ausgrabungen von Otto Hauser gefunden und stammt aus dem westlichen Teil des Abris. Während es von PEYRONY & PEYRONY (1938) ins Magdalénien datiert wird, wird es heute eher dem Solutréen zugeordnet (GRENON 2005). Es wäre somit die bisher einzige mobile Darstellung eines Moschusochsen aus dem Solutréen.

Page 8: Moschusochsendarstellungen in der paläolithischen …palaeolithikum.com/site/assets/files/1504/i__m__braun_w_zessin... · Datierung: Magdalénien, wohl Mittleres Magdalénien Literatur:

Ursus, Mitteilungsblatt des Zoovereins Schwerin, 22. Jahrgang, Heft 1 (November 2016): BRAUN, I. M. & W. ZESSIN: Moschusochsendarstellungen in der paläolithischen Klein- und Wandkunst und der Versuch ihrer zoologisch-ethologischen Interpretation : 38-49, 28 Abb., Schwerin

45

Abb. 7.3.: Abri Laugerie-Haute (Dép. Dordogne, Frankreich). Aus Kalkstein skulpturierter Moschusochsenkopf (MÜLLER-KARPE 1966). Der vollp lastische Kopf des Tieres wurde in Kalkstein skulptiert und hat eine Länge von 17 cm, eine Breite von 15 cm und einen Durchmesser von 9,5 cm (GRENON 2005). Gut zu erkennen sind die charakteristischen Hörner, insbesondere das Linke, die massive Stirnplatte, die Augen und die Schnauze. Nach der Form der Hörner und der massiven Stirnplatte handelt es sich mit grösster Wahrscheinlichkeit um ein männliches Tier. Fraglich ist, ob es sich ursprünglich um eine vollständige Skulptur gehandelt hat oder nur um den Kopf. Technik: Vo llsku lptur aus Kalkstein Datierung: wohl Solutréen Literatur: GRENON 2005, PEYRONY 1925, PEYRONY & PEYRONY 1938 Wandkunst: Nr. 8 Grotte Chauvet (Dép. Ardèche, Frankreich) Fundort: vgl. BRAUN & ZESSIN 2008, 2009, 2011, 2013, 2015 Aus der Grotte Chauvet sind zwei Darstellungen vom Moschusochsen bekannt. Es handelt sich bislang um d ie ältesten bekannten Darstellungen von Moschusochsen und datieren beide wohl ins Aurignacien. Literatur: BRAUN & ZESSIN 2008, 2009, 2011, 2013, 2015, CLOTTES (HRSG.) 2001, LE GUILLOU 2001

Nr. 8.1 Grotte Chauvet (Dép. Ardèche, Frankreich) Der vorliegende Moschusochse (Abb. 8.1) wurde in schwarzer Umrisszeichnung wiedergegeben und zeigt trotz starker Abstraktion die deutlichen Merkmale dieser Tierart wie die Körpersilhouette und das nach vorne linke gebogene Horn.

Abb. 8.1: Höhle Chauvet (Dép. Ardèche, Frankreich). Schwarze Umrisszeichnung eines Moschusochsen am linken Rand des „Panneau du Sorcier“ im Salle du Fond (LE GUILLOU 2001). Die Darstellung befindet sich am linken Rand des „Panneau du Sorcier“ im Salle du Fond. Technik: Umrisszeichnung in schwarzer Farbe Datierung: wohl Aurignacien Literatur: LE GUILLOU 2001 Nr. 8.2 Grotte Chauvet (Dép. Ardèche, Frankreich) Die zweite Darstellung (Abb. 8.2) ist rund 80 m entfernt von der ersten und unterscheidet sich in der Technik und befindet sich im Salle du Crâne.

Abb. 8.2: Höhle Chauvet (Dép. Ardèche, Frankreich). Moschusochse im Salle du Crâne (LE

GUILLOU 2001).

Page 9: Moschusochsendarstellungen in der paläolithischen …palaeolithikum.com/site/assets/files/1504/i__m__braun_w_zessin... · Datierung: Magdalénien, wohl Mittleres Magdalénien Literatur:

Ursus, Mitteilungsblatt des Zoovereins Schwerin, 22. Jahrgang, Heft 1 (November 2016): BRAUN, I. M. & W. ZESSIN: Moschusochsendarstellungen in der paläolithischen Klein- und Wandkunst und der Versuch ihrer zoologisch-ethologischen Interpretation : 38-49, 28 Abb., Schwerin

46

Mit schwarzer Farbe wurde das Fell im Innern des Körpers wiedergegeben. Der Haarknoten geht ohne Übergang in den Widerrist über. Deutlich ist auch der Bart erkennbar. Für das rechte Horn wurde die Farbe ausgespart und in Weiss gelassen. Technik: Umrisszeichnung in schwarzer Farbe Datierung: wohl Aurignacien Literatur: LE GUILLOU 2001 Nr. 9. Le Roc de Sers (Dép. Charente, Frankreich) Fundort: vgl. StAnbock-Artikel Wandkunst, 2015, Nr. 11 (BRAUN & ZESSIN 2015) Das vorliegende Fragment (Fragment F nach Marin 1928) wurde am 11. Oktober 1927 von Dr. H. Martin entdeckt (Abb. 9.1-2). Die Gesamtlänge des Fragmentes ist 159 cm. Es ist heute im Musée d'Archéologie Nationale in Saint-Germain-en-Laye bei Paris aufbewahrt und trägt die Inventarnummer MAN 74 483f. Es handelt sich um eine Darstellung, die im Halbrelief ausgeführt wurde und grösster Wahrscheinlichkeit eine Szene zwischen Moschusochse und Mensch zeigt. Zu sehen ist ein nahezu vollständiges Tier in Seitenansicht, während der Vorderkörper mit dem Kopf und den Vorderbeinen in Dreiviertelansicht dargestellt sind. Zu erkennen sind auch die Stirnplatte der Hörner und das linke Horn, so wie es typisch für die Moschusochsen ist.

Abb. 9.1: Abri du Roc de Sers (Dép. Charente, Frankreich). Fragment F mit Halbrelief und Darstellungen von Moschusochse, Menschen und Pferden (MARTIN 1928).

Abb. 9.2: Abri du Roc de Sers (Dép. Charente, Frankreich). Detail des Moschusochsen und Mensch (BARRIÈRE 1993).

Vor dem Tier befindet sich eine Menschendarstellung und es erweckt den Eindruck, dass dieser vom Moschusochsen angegriffen wird. Hinter dem Tier befinden sich die Darstellungen eines zweiten Menschen drei Pferden. Technik: Halbrelief in Kalkstein Datierung: Jüngeres Solutréen. Eine 14C-Dat ierung ergab 19'230 ± 300 BP. Der Abriversturz datiert auf 17'090 ± 160 BP. Literatur: MARTIN 1928, TYMULA 2002 Nr. 10 Höhle La Mouthe (Dép. Dordogne, Frankreich) Die Höhle von La Mouthe liegt auf dem Gebiet der Gemeinde von Les Eyzies-de-Tayac in Südwestfrankreich, in einem Gebiet aus der zahlreiche bedeutende andere Höhlen mit Höhlenkunst sowie paläolithische Fundstellen sich befinden. 1895 beschloss der damalige Besitzer die Höhle auszuräumen. Bei dieser Gelegenheit wurden zahlreiche Funde vom Mittelpaläolithikum bis zum Ende des Paläolithikums gemacht.

Abb. 10.1: Höhle La Mouthe (Dép. Dordogne, Frankreich). Mögliche Darstellung eines Moschusochsen (BREUIL 1952). Im April 1895 stiessen sie auf einen Höhlengang, durch den einige Jungen mit Kerzen ausgerüstet krochen. Sie entdeckten dabei die ersten Wanddarstellungen. Bei dieser Entdeckung handelte es sich um die erst vierte bekannte Höhle mit paläo lith ischer Höhlenkunst (nach Altamira in Spanien, Grotte Chabot im Dép. Gard und der Höhle Pair-non-Pair im Dép. Gironde) und die erste im Dép. Dordogne.

Page 10: Moschusochsendarstellungen in der paläolithischen …palaeolithikum.com/site/assets/files/1504/i__m__braun_w_zessin... · Datierung: Magdalénien, wohl Mittleres Magdalénien Literatur:

Ursus, Mitteilungsblatt des Zoovereins Schwerin, 22. Jahrgang, Heft 1 (November 2016): BRAUN, I. M. & W. ZESSIN: Moschusochsendarstellungen in der paläolithischen Klein- und Wandkunst und der Versuch ihrer zoologisch-ethologischen Interpretation : 38-49, 28 Abb., Schwerin

47

Mit der Entdeckung der Darstellungen aus La Mouthe wurden die Darstellungen aus den bisherigen Höhlen offiziell als paläolith ischen Darstellungen anerkannt. Die ersten Untersuchungen in La Mouthe erfolgten durch den französischen Prähistoriker Emile Rivière, diese wurden zwischen 1924 und 1930 mit einer Gesamtdauer von ungefähr einem Monat von Henri Breu il fortgesetzt. Heute sind über 200 Grav ierungen und Malereien von unterschiedlichen Tieren und Zeichen bekannt, die wahrscheinlich aus unterschiedlichen Abschnitten des Jungpaläolithikums stammen. Die vorliegende gravierte Tierdarstellung wird von H. Breuil als Moschusochse gedeutet (Abb. 10.1).

Abb. 10.2: Höhle La Mouthe (Dép. Dordogne, Frankreich). Grav iertes Panneau mit möglichem Moschusochsen und anderen Tieren wie Rentier, Steinbock und Mammut (BREUIL 1952). Sie befindet sich auf einem Panneau zusammen mit anderen Tieren u.a. wie Rentier, Steinbock und Mammut (Abb. 10.2). Gewisse Autoren, u.a. BARRIÈRE (1993), zweifeln jedoch die Deutung als Moschusochse an. Technik: Gravierung Datierung: Jungpaläolithikum Literatur: BARRIÈRE 1993, BREUIL 1952 Nr. 11 Höhle Lascaux (Dép. Dordogne, Frankreich) Fundort: vgl. Pferde-Artikel Wandkunst Kat. Nr. 15 (BRAUN & ZESSIN 2011) Wie die vorliegende Darstellung aus La Mouthe wird auch diese aus der Höhle Lascaux von gewissen Autoren (u.a. BARRIÈRE 1993) als Moschusochse angezweifelt. Es handelt sich um eine Komposition zwischen Pferd und einem aufgrund der Form der tief eingravierten Hörner zu beurteilen um einen Kopf eines Moschusochsen mit tropfenförmigen Auge (Abb. 11). Das nach A. Glory benannte „Panneau de l'Ovibos“ (Panneau des Moschusochsen) befindet sich im Höhlenteil mit dem Namen Apsis. Technik: Gravierung

Datierung: vgl. Pferde-Art ikel Wandkunst Kat. Nr. 15 (BRAUN & ZESSIN 2011) Literatur: AUJOULAT 2004, BARRIERE 1993, LEROI-GOURHAN & ALLAIN (HRSG.) 1979

Abb. 11: Höhle Lascaux (Dép. Dordogne, Frankreich). Grav ierung eines möglichen Kopfes eines Moschusochsen und eines Pferdes in der Apsis (VIALOU 1979). Literatur: ADAM , K. D. & R. KURZ (1980): Eiszeitkunst im süddeutschen Raum (Stuttgart). AUJOULAT , N. (2004): Lascaux – Le geste, l'espace et le temps (Paris). BANDI , H.-G. & H. DELPORTE (1984): Propulseurs décorés en France et en Suisse. In : Eléments de Pré- et Protohistoire européenne. Hommage à Jacques-Pierre Millotte. Annales littéraires de l’Université de Besançon (Paris), p. 203-211. BARRIERE, C. (1993): Les bovidés. In: N. Aujoulat et al., L’art pariétal paléolithique. Techniques et méthodes d’étude (Paris),109-122. BEGOUEN, R. et al. (1996): En lène (Montesquieu-Avantès, Ariège). In : Th iault M.-H., Roy J.-B. (Hrsg.), L’art préhistorique des Pyrénées. Musée des Antiquités Nationales – château de Saint-Germain-en-Laye, 2 avril – 8 juillet 1996. (Paris). BEGOUEN, R. & J. CLOTTES (1983): El arte mobilar de las cavernas del Vo lp (en Montesquieu-Avantès/Ariège). Rev ista de Arqueologia, Vol. 27, p. 6-17. BEGOUEN, R. & J. CLOTTES (2007): Compléments aux plaquettes gravées d’Enlène. Cuadernos de Arte Rupestre, 4, p. 51-80. BOSINSKI, G. (1982): Die Kunst der Eiszeit in Deutschland und der Schweiz. Katalog vor- und frühgeschichtlicher Altertümer des Römisch-Germanischen Zentralmuseums. Band 20 (Bonn).

Page 11: Moschusochsendarstellungen in der paläolithischen …palaeolithikum.com/site/assets/files/1504/i__m__braun_w_zessin... · Datierung: Magdalénien, wohl Mittleres Magdalénien Literatur:

Ursus, Mitteilungsblatt des Zoovereins Schwerin, 22. Jahrgang, Heft 1 (November 2016): BRAUN, I. M. & W. ZESSIN: Moschusochsendarstellungen in der paläolithischen Klein- und Wandkunst und der Versuch ihrer zoologisch-ethologischen Interpretation : 38-49, 28 Abb., Schwerin

48

BRAUN, I. M. (2005): „Die Kunst des schweizerischen Jungpaläolithikums (Magdalé-nien)“. Helvetia Archaeologica 2005-141/142, p.41-63. BRAUN, I. M. (2006): „Art mobilier magdalénien en Suisse“. Préhistoire, Art et Sociétés, LX - 2005, p. 25-44. BRAUN, I. M. (2009): „L’art mobilier magdalénien en Suisse“. In: F. Djindjian, Oosterbeek, L. (Ed.), Symbolic Spaces in Prehistoric Art – Territories, travels and site locations. BAR International Series, Vo l. 40, Oxford, p. 75-81. BRAUN, I. M. (2012): „Künstlerische Zeugnisse aus der Altsteinzeit in Mitteldeutschland“. Archäologie in Sachsen-Anhalt, 6, p. 263-276. BRAUN, I. M. (in Druck): The Musk ox (Ovibos moschatus) in the European Upper Palaeolithic portable art. In : Cleyet-Merle J.-J., Geneste J.-M., Man-Estier E. (d ir.) Actes du colloque «L'art au quotidien - Ob jets ornés du Paléolithique supérieur», Les Eyzies-de-Tayac, 16-20 juin 2014 PALEO, numéro spécial, 2016. BRAUN, I. M. & W. ZESSIN (2008): Paläolithische Bärendarstellungen und der Versuch ihrer zoologisch-ethologischen Interpretation.- Ursus, Mitteilungsblatt des Zoovereins und des Zoos Schwerin, 14, 1: 19-38, Schwerin. BRAUN, I. M. & W. ZESSIN (2009): Paläolithische Nashorndarstellungen und der Versuch ihrer zoologisch-ethologischen Interpretation.- Ursus, Mitteilungsblatt des Zoovereins und des Zoos Schwerin, 15, 1: 3-19, 47 Abb., Schwerin. BRAUN, I. M. & W. ZESSIN (2011): Pferdedarstellungen in der paläo lith ischen Wandkunst und der Versuch ihrer zoologisch-ethologischen Interpretation.- Ursus, Mitteilungsblatt des Zoovereins und des Zoos Schwerin, 16, 1: 4-26, 44 Abb., Schwerin. BRAUN, I. & W. ZESSIN (2012a): Pferdedarstellungen in der paläo lith ischen Kleinkunst und der Versuch ihrer zoologisch-ethologischen Interpretation.- Ursus, Mitteilungsblatt des Zoovereins und des Zoos Schwerin, 18, 1: 14-21, 16 Abb., Schwerin. BRAUN, I. M. & W. ZESSIN, W. (2012b): Representations of horses in the paleolithic art and the attempt of zoological interpretations.- Tagungsband der 54th Annual Meeting in Toulouse 10th – 14th of April, 2012 der Hugo Obermaier-Gesellschaft für Erforschung des Eiszeitalters und der Steinzeit e. V.: 19-20, Erlangen. BRAUN, I. M. & W. ZESSIN (2013): Mammutdarstellungen in der paläolith ischen Klein- und Höhlenkunst und der Versuch ihrer zoologisch-ethologischen Interpretation.- Ursus, Mitteilungsblatt des Zoovereins und des Zoos Schwerin, 19, 1: 35-54, 11 Abb., 41 Fig., Schwerin.

BRAUN, I. M. & W. ZESSIN (2014): Steinbock-, Wildziegen- und Gämsendarstellungen in der paläolithischen Kleinkunst und der Versuch ihrer zoologisch-ethologischen Interpretation.- Ursus, Mitteilungsblatt des Zoovereins Schwerin, 20. Jahrgang, Heft 1: 36-51, 38 Abb., Schwerin BRAUN, I. M. & W. ZESSIN (2015): Steinbock- und Gämsendarstellungen in der paläolith ischen Wandkunst und der Versuch ihrer zoologisch-ethologischen Interpretation. - Ursus, Mitteilungsblatt des Zoovereins Schwerin, 21. Jahrgang, Heft 1: 33-45, 30 Abb., Schwerin. BREUIL , H. (1952): Quatre Cents Siècles d'Art Pariétal (Montignac). CAPITAN , L., BREUIL , H. & D. PEYRONY (1910): La caverne de Font-de-Gaume aux Eyzies (Dordogne). (Monaco). CHOLLOT , M. (1964): Musée des Antiquités Nationales – Collection Piette – Art mobilier préhistorique (Paris). CLOTTES , J. (Hrsg.) (2001): La grotte Chauvet - L'art des origines (Paris). COOK, J. (2013): Ice Age art - Arrival of the modern mind (London). FEUSTEL R. (1974): – Die Kn iegrotte – Eine Magdalénien-Station in Thüringen (Weimar). GRAZIOSI P. (1956): Die Kunst der Altsteinzeit (Stuttgart). FLOSS, H.; ROUQUEROL, N. & W. ZESSIN (2007): Existe-t-il relation entre le comportement animal et sa représentation dans l̀ art aurignacien?- In:: Les chemins de l'Art aurignacien en Europe/Das Aurignacien und die Anfänge der Kunst in Europa, 2007, Actes du colloque 2005 d'Aurignac/ Tagungsband der gleichnamigen Internationalen Fachtagung, Aurignac 2005, sous la direction d'Harald Floss et Nathalie Rouquerol, Ed itions Musée-forum Aurignac, unter der Leitung von Harald Floss und Nathalie Rouquerol, Editions Musée-forum Aurignac. GRENON, T. (2005): Chefs d’œuvre préhistorique du Périgord – Vingt cinq millénaires d’art mobilier. Le Petit Journal des grandes expositions, nº 379. HÖCK, C. (2000): Das Magdalénien der Kniegrotte – Ein Höhlenfundplatz bei Döbritz, Saale-Orla-Kreis (Stuttgart). KAHLKE , H.-D. (1963): Ovibos aus den Kiesen von Süßenborn. — Geologie 12: 942–972, Taf. 1-17; Berlin. KAHLKE , R.-D. (2014): The origin of Eurasian Mammoth Faunas (Mammuthus-Coelodonta Faunal Complex). Quaternary Science Reviews, 96, p. 32-49, fig. L E GUILLOU , Y. (2001) – Les bœufs musqués. In: Clottes, J. (Ed.), La grotte Chauvet – L’art des Origines (Paris). L EROI-GOURHAN , A. (1971): Prähistorische Kunst – Die Ursprünge der Kunst in Europa (Freiburg i. Br.). L EROI-GOURHAN , ARL. & J. ALLAIN (1979) (Hrsg.): Lascaux inconnu (Paris).

Page 12: Moschusochsendarstellungen in der paläolithischen …palaeolithikum.com/site/assets/files/1504/i__m__braun_w_zessin... · Datierung: Magdalénien, wohl Mittleres Magdalénien Literatur:

Ursus, Mitteilungsblatt des Zoovereins Schwerin, 22. Jahrgang, Heft 1 (November 2016): BRAUN, I. M. & W. ZESSIN: Moschusochsendarstellungen in der paläolithischen Klein- und Wandkunst und der Versuch ihrer zoologisch-ethologischen Interpretation : 38-49, 28 Abb., Schwerin

49

MARTIN , H. (1928): La frise sculptée et l’atelier solutréen du Roc (Charente). Archives de l’Institut de Paléontologie Humaine, Mém. 5 (Paris). MAYET , L. & J. PISSOT (1915): Abri-sous roche préhistorique de La Colombière près Poncin (Ain). Annales de l’Université de Lyon, Nouvelle Série I, fasc. 39 (Lyon). MERK, K. (1875): Der Höhlenfund im Kesslerloch. Mitteilungen der Antiquarischen Gesellschaft, 19/1, p. 1-42. MOVIUS , H. L., & S. JUDSON (1956): The rock-shelter of La Colombière – Archaeological and geological investigations of an upper Perigordian site near Poncin (Ain). American School of Prehistoric Research, Bulletin n° 19. (Cambridge/USA). MÜLLER -KARPE H. (1966): – Handbuch der Vorgeschichte. Band 1 – A ltsteinzeit (München). PAILLET , P., MAN-ES TIER E. (2010): „Les œuvres d’art de l’abri magdalén ien de la Colombière (Neuville-sur-Ain, Ain). Nouvelle étude d’une collection majeure de l’art mobilier paléo lithique“. Bulletin Préhistoire du Sud-Ouest, 18/1, p. 35-104. PEDERSEN, A. (1958): Der Moschusochs. Die Neue Brehm-Bücherei. Wittenberg Lutherstadt : A. Ziemsen, 54 p., ill. PEYRONY , D. (1925): „Une tête d’ovibos sculptée découverte à Laugerie-Haute (Dordogne)“. L’Anthropologie, T. XXXV, p. 265-270. PEYRONY , D. & E. PEYRONY E. (1938): Laugerie-Haute près des Eyzies (Dordogne). Archives de l’Institut de Paléontologie Humaine, Mém. 19 (Paris). PIETTE , E. (1907): L’art pendant l’âge du Renne (Paris). PEDERSEN, A. (1958): Der Moschusochs. Die Neue Brehm-Bücherei (Wittenberg Lutherstadt). REICHHOLF , J. (1982): Säugetiere. Die farb igen Naturführer. München : Mosaik, 287 p., ill. SCHWAB , C. (2008): La Collection Piette (Paris). SIEGFRIED , P. (1982): Skeletteile des pleistozänen Moschusochsen aus Westfalen.- Paläontologische Zeitschrift, Volume 56, Issue 1: 125–130 SIEVEKING , A. (1986-1987): La Colombière réeaxaminée – une analyse de style des galets décorés. Antiquités nationales, p. 101-108. SIEVEKING , A. (1987): A catalogue of Palaeolithic art in the British Museum (Cambridge). SOERGEL, W. (1941): Der Moschusochse aus den altdiluvialen Kiesen von Süßenborn. - Beitr. Geol. Thüringen 6: 138-149, 3 Abb., 1 Taf.; Jena. SOERGEL, W. (1942): Die Verbreitung der diluvialen Moschusochsen in Mitteleuropa. - Beitr. Geol. Thüringen 7: 75-95, 1 Karte; Jena. STODIEK , U. (1993): Zur Technologie der jungpaläolithischen Speerschleuder – eine Studie auf der Basis archäologischer, ethnologischer und experimenteller Erkenntnisse (Tübingen). TYMULA , S. (2002): L’art solutréen du Roc de Sers (Charente). Paris : Documents d’Archéologie française 91, 285 p., ill

VIALOU , D. (1979): Le Passage et l'Abside. In: Leroi-Gourhan, Arl., A llain, J. (Hrsg.) (1979): Lascaux inconnu (Paris), 191-300. ZESSIN, W., FLOSS, H. & N. ROUQUEROL (2007): Existiert eine Beziehung zwischen dem Verhalten von Tieren und ihrer Darstellung in der Kunst der Steinzeit? - Ursus, Mitteilungsblatt des Zoovereins und des Zoos Schwerin, 13, 1: 15-21, 15 Abb., 1 Tab., 3 Diagr., Schwerin. ZESSIN, W. & I. BRAUN (2011): Die Eisbären von Ekain, Spanien und andere Besonderheiten der jungpaläolithischen Höhlenmalerei aus zoologischer Sicht.- Hugo Obermaier – Gesellschaft für Erforschung des Eiszeitalters und der Steinzeit e.V. 53. Jahrestagung in Herne 26. – 30. April 2011, Programm, Kurzfassungen der Vorträge, Exkursionsberichte: 52-53. Adressen der Autoren Dip l. phil. nat. Ingmar M. Braun, Wyhlenweg 4, CH-4126 Bettingen; [email protected] www.palaeolith ikum.com Dr. Wolfgang Zessin, Lange Str. 9, D-19230 Jasnitz, [email protected]