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Ausstellung der Kustodie der Universität Leipzig mit Werken der künstlerischen Lehrkräfte des Instituts für Kunstpädagogik: Wilfried Huy, Verena Landau, Markus Laube, Roland Meinel, Tobias Rost, Andreas Wendt – 12. April bis 15. Juni 2013, Galerie im neuen Auguste http://studienart.gko.uni-leipzig.de/blog/spektrum/

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Wilfried Huy Verena Landau Markus Laube Roland Meinel Tobias Rost Andreas Wendt

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Ausstellung der Kustodie der Universität Leipzig mit Werken der künstlerischen Lehrkräfte des Instituts für Kunstpädagogik

Wilfried Huy Verena Landau Markus Laube Roland Meinel Tobias Rost Andreas Wendt

12. April bis 15. Juni 2013

GALeRIe IM NeUeN AUGUSTeUM

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Kultur und Kunst als Gegenstand von Lehre und Forschung im Bereich der Geisteswissenschaften haben seit jeher einen festen Platz an der Universität Leipzig: Wissenschaftler verschiedenster Fachgebiete setzen sich aus wechseln-den Perspektiven damit auseinander und vermitteln den Studierenden entsprechende fachwissenschaftliche einsichten und Kompetenzen. In den Museen und Sammlungen unserer Universität können wir den unterschied-lichsten originalen Werken der bilden-den Kunst begegnen; unsere Kustodie betreut einzigartige Kunstschätze. Dass an einer Universität aber auch Künstler selbst eine Heimat haben, das ist eher eine Ausnahme. es ist immer dann der Fall, wenn in bestimmten Studienrich-tungen, vorzugsweise im musik- und kunstpädagogischen Lehramtsstudium, den Studierenden auch kunstpraktische Fähigkeiten vermittelt werden müssen.Wer könnte das besser, als Künstler selbst, vorausgesetzt, in ihnen vereinen sich künstlerisches und pädagogisches Talent auf besondere Weise. Dann gelingt es, etwas zu erreichen, was aus einer wissenschaftlich-reflektierenden Sicht nur schwer möglich ist, nämlich »Innenansichten« der Kunst zu gewin-nen. Im praktischen Handeln werden einsichten in die eigenart künstlerischer Werke und Prozesse eröffnet, die über die kognitive Annäherung hinausgehen und auf dem Zusammenwirken von Ge-fühl und Verstand basieren.Bildende Künstlerinnen und Künstler an der Universität Leipzig: Das hat eine Tradition seit 1952. Seitdem werden an unserer Universität Kunstpädagoginnen und -pädagogen ausgebildet, und damit verbunden ist auch eine differenzierte

künstlerische Lehre. Heute sind sechs künstlerische Lehrkräfte mit je eigenen und unverwechselbaren künstlerischen Positionen in dieser Lehre tätig: Wilfried Huy, Verena Landau, Markus Laube, Roland Meinel, Tobias Rost und Andreas Wendt. Ihre Lehre ist in insge-samt sieben Studiengängen in der schu-lischen und außerschulischen Kunstpäd-agogik verankert. Sie betrifft vor allem die Bereiche Malerei, Grafik, Plastik/Objekte, Transklassische Verfahren, Per-formance, Grafik- und Produktdesign, System-Design und Multimedia. Die Viel-falt der künstle-rischen Anforderungen, die mit dieser Aufzählung deutlich wird, widerspiegelt sich in den künstlerischen Konzepten der Lehrkräfte. In die Tradition eingeschlossen ist, dass die an der Universität Leipzig tätigen bildenden Künstlerinnen und Künstler in bestimmten Abständen einen öffent-lichen einblick in ihr Schaffen geben. Die letzte große Ausstellung fand 1996 in der damaligen »Galerie im Hörsaal-bau« der Universität statt. Anstelle die-ser Galerie wurde im Zuge der Neubau-maßnahmen ein neuer Ausstellungsort geschaffen, die »Galerie im Neuen Augusteum«, für deren Führung die Kus-todie verantwortlich zeichnet. es scheint in gewisser Weise folgerichtig, dass die erste Kunstausstellung in dieser neuen Galerie den an der Universität Leipzig wirkenden künstlerischen Lehrkräften gewidmet ist. einen besseren Auftakt, der unmittelbar mit dem Kunstschaffen an unserer Universität zusammenhängt, hätten wir uns nicht wünschen können.Ich wünsche der Ausstellung viel erfolg!

Prof. Dr. Beate A. Schücking

Grußwort der Rektorin

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Grußwort des Kustos

Ich freue mich, dass die Kustodie in der jüngst eingeweihten »Galerie im Neuen Augusteum« als eines der ersten Projek-te eine Ausstellung zur zeitgenössischen Kunst zeigen kann. Dass diese Arbeiten in der Universität selbst entstanden sind und die hier tätigen Dozenten im Fach Kunstpädagogik vorstellt, ist eine Besonderheit. Auf diese Weise können die Studierenden dieses Faches ihre Do-zenten von ihrer kreativen Seite besser kennen lernen, zugleich ist eine solche Ausstellung eine willkommene Berei-cherung des Leipziger Kulturlebens, die Universitätsangehörige und die breite Öffentlichkeit ansprechen soll. Gezeigt werden Gemälde, Skulpturen und Objekte, Grafiken, Fotografien und Ge-brauchsgrafik. Als Gruppenausstellung weist die Schau eine ansprechende Fülle von Herangehensweisen, Medien und Techniken auf. Die Ansätze reichen von der figürlichen Kunst über die Abstrak-tion bis hin zur Installation. Klassische Malerei ist ebenso vertreten wie Druck-grafik, etwa als Radierung, Holzschnitt oder als Pigmentdruck auf Barythpa-pier, aber auch Skulptur, teilweise unter Verwendung origineller Materialien wie etwa Blasenfolie oder Kautschuk.

Nachdem die Kustodie zwischen 2007 und 2012 baubedingt keine Ausstellun-gen in eigenen Räumen zeigen konnte, bietet unsere neue Galerie hierfür künf-tig beste Voraussetzungen an zentralem Ort. Im Hinblick auf Sicherheit, Klima, Licht und Präsentationstechnik lässt der neue Raum keine Wünsche offen. Die Kustodie als zentrale einrichtung will hier Themen von gesamtuniversitärer Relevanz vorstellen und so die Identifi-kation der Besucher mit der Universität Leipzig stärken. Das Programm umfasst Ausstellungen zur Universitäts-, Kunst- und Wissenschaftsgeschichte sowie zur zeitgenössischen Kunst. Projektbezogen arbeitet die Kustodie dabei häufig mit einzelnen Universitätsinstituten zusam-men – in der Vergangenheit waren dies die Institute für Kunstgeschichte, Kunstpädagogik, Germanistik, Altori-entalisitik, Altphilologie, Indologie, Me-dizingeschichte, Theologie und andere mehr –, welche die fachliche Seite der Projekte mittrugen und hoffentlich auch künftig mittragen werden. Der mit den Ausstellungen vorgeschlagene »Blick über den Zaun« in andere Gefilde hat einerseits eine Bildungskomponente, die gerade an einer Universität nicht zu kurz kommen sollte, andererseits geht es immer auch um die Betrachtung von Ob-jekten, seien es Kunstwerke, Architek-turfragmente, Bücher oder Quellen. Der gemeinsame Nenner ist demnach das Sehen, die zunächst visuelle Beschäfti-gung mit Objekten, die ja in gewisser Weise den Ausgangspunkt aller wissen-schaftliche Tätigkeit darstellt.

Nirgendwo steht das Thema »Sehen Ler-nen« so unmittelbar im Raum, wie in ei-ner Ausstellung zeitgenössischer Kunst. Hier zählt zunächst einmal die unmittel-bare Wahrnehmung, das Sich einlassen auf das vorliegende Werk, jenseits aller Präzedenzfälle und historischer Kategorien. Spricht mich das Werk an, wie reagiere ich darauf, welche Asso-ziationen weckt es? Wie verhält es sich zur Welt, wie ich selbst sie wahrnehme? Gerade eine so facettenreiche Präsen-tation wie die vorliegende bietet reiche Anregungen für die Auseinanderset-zung. Indem dabei die Studierenden der Kunstpädagogik zu eigenem Schaffen inspiriert werden, stellt sich im Sinne von Gottfried Wilhelm Leibniz zugleich der Bezug zur Praxis her.

Ich wünsche Ihnen eine anregende Be-schäftigung mit den Werken in unserer Galerie und im Katalog!

Prof. Dr. Rudolf Hiller von Gaertringen

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Sechs bildende Künstler sind zur Zeit am Institut für Kunstpädagogik der Univer-sität Leipzig tätig. Sie sind weder mit einem gleichstimmigen noch mit einem gemischten Chor zu vergleichen. es han-delt sich vielmehr um Solisten. Das sind sechs Stimmen, die sich nicht so ohne Weiteres vereinen lassen: sechs Credos und Konzepte, sechs künstlerische Bio-grafien und sechs künstlerische Œuvres. Das sind auch sechs künstlerische Lehr-meinungen, die in ihrer Unterschiedlich-keit gleichwertig nebeneinander stehen; keine verdrängt die andere, jede kann sich behaupten, jede ist im besten Sinne getrennt von der anderen. es sind sechs Stimmen, die dennoch viel verbindet: ein gemeinsames Anliegen, nämlich das Ziel, Studierenden ganz individuelle Zugänge zur Kunst zu eröffnen, daraus aber kein leichtes Spiel für sie zu machen, sie zu veranlassen, nicht an der Ober-fläche zu bleiben, sondern in die Tiefe zu gehen und hohen Anforderungen standzuhalten.

Wilfried Huy, Verena Landau, Markus Laube, Roland Meinel, Tobias Rost und Andreas Wendt – das sind sie, die uns mit dieser Ausstellung einblicke in ihr Schaffen vermitteln und ihre Bekenntnis-se, Impulse und Fragen zu unterschied-lichsten Aspekten heutiger Lebenswelt offerieren.

In der bildenden Kunst entwickelte sich im 20. Jahrhundert eine schier unendli-che Vielfalt an Ausdrucks- und Gestal-tungsmöglichkeiten, die bekanntlich längst nicht mehr auf die klassischen Arten und Gattungen Malerei, Grafik, Relief und Plastik zu beschränken sind. Vielfältige Grenzüberschreitungen und -erweiterungen sind hinzugekommen als Spiegel analoger geistiger Prozes-se in einer sich dynamisch und rasant verändernden Lebenswirklichkeit. Und doch spielt sich bildende Kunst heute wie eh und je auf der Fläche ab, im Zentrum und an den Rändern, gleitet förmlich dahin oder müht sich qualvoll in den ebenen, sie ist Körper und Raum. Nicht selten jedoch ist sie gar nicht mehr als finales Produkt existent, tritt dann einzig und allein prozesshaft in erscheinung. Und sie liefert Konzepte, die vom Betrachter zu »vollenden« sind, und Kontexte, die er für die eigene Auseinandersetzung mit der Wirklichkeit nutzen soll. Dieses hochdifferenzierte System, in dem sich zeitgenössische bildende Kunst zeigt, ist Gegenstand und Bezugspunkt der Ausbildung von Studierenden der schulischen und außerschulischen Kunst-pädagogik an der Universität Leipzig. Um entsprechende Ziele und Inhalte umsetzen zu können, sind neben wissen-schaftlichen Lehrkräften auch Künstle-rinnen und Künstler nötig, die mit ihrem eigenen Schaffen auf die vielfältigen erscheinungsweisen zeitgenössischer bildnerischer Werke und Prozesse ver-weisen und damit Vorbild im wahrsten Sinne des Wortes sein können. Die am Institut für Kunstpädagogik täti-gen künstlerischen Lehrkräfte repräsen-tieren aber nicht nur in exemplarischer

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Prozessen verbundenen Schwierigkeiten zu meistern, eigene Weltsichten und Gestaltungskonzeptionen zu entwickeln. es muss darauf hin gearbeitet werden, dass die Studierenden letztlich unter Verwendung des erworbenen Wissens und auf Grundlage ihrer erfahrungen selbstbestimmt künstlerisch arbeiten und ihren Intentionen die notwendige Form geben können. Aber es geht noch um mehr: Künstlerische Lehre schließt auch in spezifischer Weise didaktische Lehre in sich ein, beispielhaft werden erfah-rungs- und erlebnisbasierte einsichten in die eigenart der Kunst vermittelt – eine didaktische Kompetenz, die die Studie-renden in ihrer späteren kunstpädagogi-schen Arbeit mit Kindern, Jugendlichen und erwachsenen selbst ausspielen müssen.

Das Institut für Kunstpädagogik der Universität Leipzig verfügt über ein ent-sprechendes Team von künstlerischen Lehrkräften – darunter eine künstlerische Professur für Design und Neue Medien in der Kunstpädagogik. Damit sind zu-gleich weitere Besonderheiten des Leipziger Institutes angesprochen: die Verbindung von freier und angewandt-er bildender Kunst, die anderenorts im Zuge einer verabsolutierten Kritik an jeglicher Indienstnahme von Kunst längst aufgelöst worden ist. Und ebenso wichtig: die besondere Synthese von analogen und digitalen Medien als un-bekümmerte Crossover-Strategie. Demgemäß bezieht sich die künstlerisch-praktische Ausbildung der Studierenden am Institut für Kunstpädagogik einmal auf die unterschiedlichsten Bereiche der freien bildenden Kunst: auf die Malerei, Grafik (Handzeichnung und Druckgrafik)

und Plastik sowie auf verschiedene, in der modernen Kunst neu entwickelte Praktiken – von der Collage, Assemb-lage, Objektkunst über die Installation bis hin zur Performance, Konzept- und Kontextkunst. Zum anderen erhalten die Studierenden eine praktische Ausbil-dung auf dem Gebiet der angewandten Kunst, insbesondere im Bereich des Grafik-Designs und der Typografie, des Produkt-Designs und des übergreifenden System-Designs. Was die Prozesse betrifft, den Studie-renden ganz individuelle Wege zur Kunst zu weisen und wie sich das in de-ren künstlerisch-praktischen ergebnissen zeigt, das wird in beachtlichem Maße mit den zahlreichen Ausstellungsaktivi-täten deutlich, die Studierende des Ins-titutes – angeregt und unterstützt durch ihre Dozenten – an der Universität und an den verschiedensten Kunstorten der Stadt durchführen. Das sind Bildungser-folge, an denen die künstlerischen Lehr-kräfte des Institutes ihren spezifischen Anteil haben, die jedoch im Rahmen dieser Ausstellung im Hintergrund blei-ben und doch mitzudenken sind.

Bleibt zu hoffen, dass die Angehörigen und Besucher der Universität Gelegen-heit finden, in dieser Ausstellung einige Momente inne zu halten, die dargebote-nen künstlerischen Sichten mit Interesse aufnehmen und teilen oder ihnen ganz eigene Perspektiven entgegenbringen – bevor sie wieder in den Alltag des ge-schäftigen Treibens an dieser Universität und in der Großstadt eintauchen.

Prof. Dr. Frank SchulzDirektor des Institut für Kunstpädagogikder Universität Leipzig

Weise die Bandbreite heutigen Kunst-schaffens. Ihre jeweiligen Beiträge erge-ben ein eigenes, vielfältiges Gesamtbild von dem, was Menschen heutzutage umtreibt, was ihr Verhalten bestimmt, worauf sie sich besinnen, was sie ruhe-los macht und in Aufregung vesetzt … ein reiches Spektrum, aber als solches eben kein beliebiges Zustandekommen einzelner Positionen, sondern Facetten, die aus Kontinuität und unterschiedli-chen Brechungen erwachsen. Auf diese Weise treffen die Studierenden unmittel-bar und in ihrer täglichen Arbeit auf ei-nen Ausschnitt heutigen Kunstschaffens, der in nuce für ein Ganzes steht. Sie haben damit auch Gelegenheit, direkt zu erleben, wie ihre Dozenten selbst um die Lösung inhaltlicher und formaler Probleme ringen. es geht eben nicht nur darum, den Auszubildenden Kenntnisse, Fähigkeiten und erfahrungen auf dem Gebiet der bildenden Kunst zu vermitteln. entscheidend ist auch, dass ihnen krea-tive Haltungen und individuelle künstle-rische einstellungen regelrecht vorgelebt werden. Die beste Vorbereitung sei die Teilnahme des geringsten Schülers am Geschäft des Meisters – wusste schon Johann Wolfgang Goethe. Jedes entwickelte Talent würde helfen – so der Kunstkritiker und Publizist Karl Scheffler – alle noch unentwickelten Talente zu erziehen, nichts sei dem Talent nützli-cher als das Talent. Das verweist auf die eigenart jeder künstlerischen Lehre. es werden damit zugeich Kompetenzen deutlich, über die all jene Künstlerinnen und Künstler verfügen müssen, die in der Lehre tätig sind. Sie müssen in der Lage sein, die Studierenden mit ihrer Begeisterung für die Kunst anzustecken, ihnen zu helfen, die mit heuristischen

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1949 in Wohrenstorf geboren1968–1972 Studium Diplomfachlehrer für Kunsterziehung und Geschichte an der Univer-sität Leipzig1972–1975 Lehrer in Langenweddingen und Magdeburg

ein Schwerpunkt des künstlerischen Schaffens von Wilfried Huy liegt auf einer Art erweitertem Naturstudium, in dem sich das Zeichnen mit konzentrier-tem Sehen und Fühlen und mit Material-studien verbindet. Das angestrebte Ziel besteht in der Auslösung von Prozessen der Selbsterkenntnis und -verwirklichung. Willkommen sind ihm dabei meditativ-bewusstseinserweiternde, aleatorische, aber auch seriell-variierende Verfahren als Mittel der Bildfindung.Seine Überlegungen zu den Dimen-sionen und Methoden künstlerischen Tuns hat er 1998 in dem Thesenmodell »Methode der Kunst = Transformation und Wechselspiel von Freiheit + Geist + Notwendigkeit« zusammengefasst. Spiel und Kunst bieten seiner Auffassung nach unendliche Möglichkeiten zur Neuinter-pretation der Dinge und Situationen, zur Transformation. Insofern sei das Spiel Basiselement der Kunst. Wichtig ist ihm dabei das Hand-Werk, »das spielerische Machen, das Werken und Wirken«.Für die gestalterische Umsetzung seiner künstlerischen Positionen eroberte er für sich u. a. auch die besonderen Möglich-keiten des Hochdrucks als spezielle

Form der künstlerischen Bildproduktion. »Ich habe viel Spaß am Schneiden der Druckstöcke, wo man sehr körperlich arbeitet und gleich sehen kann, welche Druckspur das Messer, der Stahlstift oder Stechbeitel hinterlassen. Dabei sind feinste Ritzungen, feine Schnitte, pulsierende Gräben, Bohrungen, breite Schnitte und je nach Thema auch bruta-le Verletzungen der Holzplatte möglich. Die Physis und Psyche des Holzbear-beiters wird sichtbar. Die Neugier am Hochdruck und das erkunden seiner gestalterischen Mittel und Möglichkeiten haben mich bis heute beschäftigt.«Die neu entstandene Druckserie »Würfel« ist als Referenz auf das Kollegium der künstlerischen Lehrkräfte am Institut zu verstehen. Die große gemeinsame Ausstellung 1996 trug den Titel »octa-eder« (acht Flächen) mit Bezug auf die acht ausstellenden Künstlerinnen und Künstler; in der jetzigen Ausstellung sind es sechs. Ausgehend davon, dass der Würfel den Oktaeder umschließt und auch beinhaltet, wählte Huy den Würfel als Such- und experimentierfeld. er ent-warf und schnitt vier Druckstöcke. Beim experimentieren mit einer der Platten

merkte Huy, dass er vorerst nur diese eine brauchte. Sein Konzept wurde stringenter: Nach gedrehten Drucken in einem Raster von 4 × 6 wurden sehr viele unterschiedliche Großzeichen möglich. Bei der Übersetzung des gezeichneten und geschnittenen Würfels in die Fläche waren die weißen »Leerstellen« entstan-den, die nun besonders wichtig wurden. Bei der Planung der Großzeichen merkte er, dass bei einer bestimmten Anordnung bestimmte Zahlenbedeutungen entstan-den, zudem wurde Wassily Kandinskys Grundlehre von den vier Hauptlinien des Bildformats berührt. Aus der Distanz gesehen, ließe sich das erkennen – »Vielleicht.«, sagt Huy. »es geht immer um das qualitative Zusammenspiel von konzeptueller Idee und technischer Güte des Druckvorgangs«. Der Kunstpädagoge und Künstler Hugo Peters nennt in seiner »Bildnerischen Grundlehre« die Drehak-tionen einer quadratischen Druckplatte eine »variable Zelle«. In seinem »Gang durch die bildnerischen Grundoptionen« kommt als erster Schritt die »strukturelle Ordnung«, als zweiter die »formale Ordnung« und als dritter die »organi-sierte Ordnung«.

Wilfried Huy

Seit 1977 künstlerische Lehrtätigkeit am Fachbereich Kunsterziehung bzw. am Institut für Kunstpädagogik der Universität Leipzig

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Würfel, Blatt 1, 100 × 70 cm, Holzschnitt, 2013 08|09

Die »Variable Zelle – Permutation« er-scheint als Bindeglied zwischen struktu-reller und organisierter Ordnung.Der Wegbereiter der Konzeptkunst und Minimal Art Sol LeWitt grenzte seine Kunst als »begrifflich« von der optisch orientierten »Wahrnehmungskunst« ab, da für ihn die Idee, das Konzept des Werkes im Vordergrund stehe und der Betrachter vor allem daraus Geistiges entnehmen könne. Freilich: Die Werke von Huy haben demgegenüber eine hohe sinnliche Präsenz; kaum merkliche Unterschiede in den verschiedenen Druckergebnissen der Platte, kleine Fehl-stellen im Druck, Risse im Papier – das sind Zeichen von Handarbeit, machen das Perfekte im Detail unvollkommen, auf angenehme Weise. Aber ähnlich wie Sol LeWitt ist es wohl auch für Huy das Konzept, das ihn in besonderer Wei-se fasziniert. Nur so versteht man, wenn er sagt: »Der jetzige Zustand der Arbeit ist so, dass ein anderer Drucker weitere Großzeichen entwickeln könnte.«

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Würfel, 14 Blätter, 100 × 70 cm, Holzschnitt, 2013

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Würfel, Blatt 6, 7, 14, 100 × 70 cm, Holzschnitt, 2013

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Verena Landau

1965 in Düsseldorf geboren1985–1988 Lehre als Buchbinderin in Düsseldorf1989 Übersiedlung nach Florenz – Ausbildung in historischen Maltechniken1993–1994 Lehrtätigkeit und Assistenz in den Charles Cecil Studios, Florenz

1994–1999 Studium der Malerei und Grafik an der Hoch-schule für Grafik und Buchkunst Leipzig – Diplom in Malerei/GrafikSeit 1999 freischaffende TätigkeitSeit 2008 künstlerische Lehrtätigkeit am Institut für Kunstpädagogik Leipzig

www.verenalandau.de

In der Malerei von Verena Landau begegnen wir verschiedenen Werk-gruppen, mit denen sie sich mit dem Verhältnis von urbanem, sozialem Raum, Individuum und Gruppe und entsprechenden Grenzziehungen und -auflösungen auseinandersetzt. Es geht ihr offenbar um Räume, die sich durch Abwesenheit oder Anwesenheit des Sozialen kennzeichnen lassen. Die Beziehungen zwischen Individuum und Gruppe – ob in der Realität oder in gespielten Situationen, etwa im Film – sind ein damit verbundenes Problem-feld ihrer künstlerischen Forschung. Als scharfe und einfühlsame Beobachterin dieser verschiedenen Systeme sozialen Verhaltens und deren Widerspiegelun-gen ist sie Außenstehende, zugleich aber als soziales Wesen selbst Teil der systematischen Zusammenhänge, die sie beobachtet: So gewinnt sie Innen- und Außensichten gleichermaßen und lässt uns daran teilhaben. Ihre kontemplative gegenständliche Malweise trägt in besonderer Weise dazu bei, dass sich die entstehenden Bildwelten von der Realität in einer Art unterscheiden, als würden wir sie in distanziert-beruhigtem

Zustand von anderen ebenen aus wahr-nehmen.In der Werkgruppe »Waiting for Stars« warten größere und kleinere, zufällig zustande gekommene Menschengrup-pen mehr oder weniger gespannt auf Kommendes. Das, was erwartet wird, lässt aber auf sich warten. Die Men-schen passen sich dieser Situation mit entsprechender Haltung an, wirken – so formuliert es Landau selbst – »wie ein-gefroren, indem sie auf Flächen starren, die einen Raum simulieren«.In »Waiting for Stars 02« betrachten jun-ge Ausstellungsbesucher und -besuche-rinnen im Museum of Modern Art New York ein digital painting von Jeremy Blake und warten auf den bildimmanenten Wechsel der erscheinung. »Ich war von der Arbeit Blakes fasziniert, da sich das Bild permanent veränderte, von einem Sternenhimmel über quadratische Pixel in eine Farbfeldmalerei und zurück. Diese Wirkung habe ich aus der digita-len Fläche in den Raum übertragen. Ich selbst spiegle mich in der Verglasung, während ich junge Menschen bei ihrer Wahrnehmung von Kunst wahrnehme (und sie mich). Dabei musste ich an Dan

Grahams Definition eines Paradigmas konzeptueller Kunst denken: Intersubjek-tivität. Mir wurde erst später bewusst, wieviel dieses Bild mit meiner Situation als Lehrende am Institut zu tun hat.«eine eher gelangweilte, aber Geduld austrahlende Menschengruppe wartet in »Waiting for Stars 03« auf dem Markt-platz von Timisoara in Rumänien auf das erscheinen des britischen Reggae-Mu-sikers Ali Campbell. Die Situation wird überlagert durch ereignisse am selben Ort zu einer anderen Zeit: Hier wie in vielen anderen rumänischen Städten wur-den 1989 ungeduldig handelnde Demons-tranten in blutige Kämpfe verstrickt, die schließlich zum Sturz des rumänischen Diktators Nicolae Ceaușescus führten.»Waiting for Stars 04« zeigt eine Situ-ation auf dem Flughafen Marco Polo in Venedig. Für die auf die flugtechnische Abfertigung Wartenden sind in erster Linie Informationen zu den Abflugzeiten von Interesse; diese jedoch werden förmlich überdeckt durch überdimensi-onale sexistische Werbetafeln. Landau hat außerdem noch einen verstecktenHinweis auf Bestrebungen zur militä-rischen Umnutzung von Flughäfen im

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Bild untergebracht: Die kleinen Schal-termonitore zeigen ein Kriegsflugzeug mit amerikanischen Fallschirmspringern – etwas, was nur für die Wartenden in der von der Künstlerin geschaffenen Bildwelt existent ist.Die Werkgruppe »Wound Up« weist die Besonderheit auf, dass die einzelnen kleinformatigen Werke als elemente einer Wandinstallation zueinander in Beziehung zu setzen sind. Jede Arbeit wirkt für sich, bildet aber zugleich mit allen anderen ein äußerst komplexes Aussagegeflecht. Das funktioniert, weil die einzelwerke unterschiedliche Strän-ge aus dem Schaffen Landaus aufgrei-fen und weiterführen: soziale Absenz und Präsenz, Individuum und Gruppe, Realität und Inszenierung, Alltag und Außergewöhnliches. eine assoziative Bildsammlung war hier der Ausgangs-punkt der Gestaltung.Wir sehen Grüppchen von Kindern auf dem Schulhof einer Grundschule und Arbeitslose auf einem Platz im Leipziger Osten – die einen mögen so verloren wie die anderen wirken, aber sie bilden er-kennbare Gemeinschaften, Peer-Groups. Diese alltäglichen Bildmotive werden

Waiting for Stars 04, 2010, Öl auf Leinwand, 140 × 240 cm

konfrontiert mit Arbeiten, die studenti-sche Ausnahmesituationen zeigen: eine fiktive aus Michelangelo Antonionis Film »Zabriskie Point«, in der die Besetzung des Verwaltungsgebäudes der Univer-sität von Los Angeles geplant wird, und eine reale von einem Sitzstreik auf dem Leipziger Augustusplatz. Die Gestaltung

solcher Szenen ist für Landau immer auch eine Frage der Abstraktion: »Wel-chen Rhythmus von Verdichtung und Vereinzelung brauchen funktionierende Gemeinschaften?«

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Waiting for Stars 02, 2009, Öl auf Leinwand, 140 × 180 cm

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Waiting for Stars 03, 2009, Öl auf Leinwand, 140 × 180 cm16|17

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wound up / school, 2011, Öl auf Leinwand, 30 × 40 cm

wound up / platform, 2011 Öl auf Leinwand, 30 × 40 cm

wound up / discussion, 2011 Öl auf Leinwand, 30 × 40 cm

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wound up / protest, 2011 Öl auf Leinwand, 52 × 70 cm

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1974 in Schönebeck/Elbe geboren1994–2000 Studium für das Höhere Lehramt an Gymnasien in den Fächern Kunsterziehung und Deutsch in LeipzigSeit 2000 künstlerische Lehrtätigkeit am Institut für Kunstpädagogik der Universität Leipzig

Markus Laube

Im grafischen Schaffen von Markus Laube nimmt die bildnerische Verarbei-tung konkreter Naturerlebnisse, das Naturerlebnis vor Ort im Wechsel von Jahreszeiten und Witterungsverhältnis-sen eine herausragende Rolle ein. Die elbauenlandschaften in der Nähe seiner Heimatstadt Schönebeck bei Magdeburg liefern hierfür einen Ausgangspunkt. Zahlreiche Aquarelle und Radierungen sind dazu entstanden. er bleibt dabei der erscheinungsweise der Gegenstän-de verhaftet, verbindet das jedoch mit eigenständigen Interpretationen, ganz im Sinne eines »gestaltenden Natur-studiums«. Die Verortung ist für den Betrachter am ende kaum nachvollzieh-bar, es gibt keine spezifischen, wieder-erkennbaren Ansichten, vielmehr sind die einzelnen Blätter aus verschiedenen Versatzstücken gebildet.es gelingt Laube, mit durchschaubaren, einfachen Mitteln eine athmosphärische Dichte zu schaffen. es interessiert ihn, »was er aus Linien alles machen kann«. Die Technik der Radierung bietet ihm vielfältigste Möglichkeiten, dies auszulo-ten. Feste Konturen vermeidend, bilden sich die Landschaftsräume wie von

selbst durch gleich- und gegenläufige Schraffuren und deren Überlagerungen. er reizt dabei die Helldunkelwirkungen in ihrer ganzen Spannbreite voll aus: von strukturfreien hellen Flächen bis hin zu einer strukturellen Verdichtung, die in schwerer Dunkelheit endet. Mal sind die Schraffuren kräftig und lang gezogen, dann wieder dünn und zart, immer kürzer, bis zum Punkt. Dann wieder beschrei-ben sie gar keine gegenständlichen erscheinungen, sondern sind über das ganze Bild gelegt, um den atmosphä-rischen Zusammenhang aller Teile zu verstärken. Auf diese Weise entstehen einblicke in unendlich wirkende Land-schaftsräume mit tief gelegtem Horizont, aber auch Annäherungen an Schutz und Geborgenheit bietende Details, Räume im Raum gewissermaßen.Laubes Bildfindungen sind eher Kabi-nettstücke, die zunächst unauffällig bleiben, bei näherem Hinsehen jedoch überraschen durch ihre Filigranität. Sie rütteln nicht auf, sind keine versteckte oder gar offene Anklage ständiger eingriffe in die Natur unaufhaltsamer Zerstörungen der Umwelt. Davor ver-schließt er selbstverständlich nicht die

Augen. Aber er setzt etwas dagegen, das uns den um sich greifenden Verlust um so schmerzhafter deutlich macht: die geradezu zeitlos wirkenden natürlichen Konstellationen einer Landschaft, die uns den Einklang empfinden lassen, der grundlegend möglich ist zwischen Mensch und Natur. Indem Laube be-wusst darauf verzichtet, die Darstellung von Menschen in seine Landschaftsbil-der einzubeziehen, gibt er dem Betrach-ter die Möglichkeit, sich selbst in diese unendlichen Weiten zu begeben und ein ungetrübtes Naturerlebnis nachzuvoll-ziehen. Als ästhetisches Grundprinzip kommt hier das oft vernachlässigte Prinzip der erhabenheit ins Spiel, die Darstellung von etwas Großem, Über-wältigendem, das allerdings nur der wahrnehmen kann, der ein hinreichen-des Gespür für das Feine und Außerge-wöhnliche entwickelt hat. In der heuti-gen Lebenswirklichkeit wird es jenseits von echten Naturerlebnissen immer schwieriger, so etwas zu spüren, sich als Teil universeller Zusammenhänge »klein« zu fühlen und doch wohl dabei. Laubes Landschaften können dem Be-trachter solche erlebnisse verschaffen.

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20|21 Elblandschaft, 2013, Radierung, 10 × 29,5 cm

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Elblandschaft, 2013, Radierung, 14,5 × 24,5 cm

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Elblandschaft, 2013, Radierung, 12,7 × 23,8 cm22|23

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Elblandschaft, 2013, Radierung, 12,7 × 14,8 cm

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Elblandschaft, 2013, Radierung, 14,8 × 20 cm24|25

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1951 in Rodewisch/Vogtland geboren1972–1976 Studium Diplomfachlehrer für Kunsterziehung und Geschichte an der Universität Leipzig1982 Dissertation zu Problemen der angewandten Kunst1980–1984 wissenschaftliche Assistenz für Umweltge-staltung am Fachbereich Kunsterziehung der Universität Leipzig

1984–1988 Fachlehrer für künstlerisches Grundlagenstu-dium an der Fachschule für angewandte Kunst SchneebergSeit 1988 wissenschaftliche und künstlerische Lehrtätig-keit am Fachbereich Kunsterziehung bzw. am Institut für Kunstpädagogik der Universität Leipzig

www.konkret-konstruktiv.de

Roland Meinel

Die künstlerische Heimat von Roland Meinel liegt im Bereich der abstrakten bzw. konkreten Kunst, wobei er sich im Grenzfeld von freiem und angewandtem bildnerischen Tun bewegt. Mit systema-tisch aufgebauten Bildordnungen und Zeichenstrukturen sowie mit ursprüng-lich wirkenden visuellen Formen strebt er universelle Gestaltungsentwürfe an. Seine Malereien nehmen dabei einen großen Raum ein. Die Themen kreisen um konstruktive, geometrische Aspekte von Formen und Formverbindungen. »Zusammenspiel und Abgrenzung, Konstruktion und Dekonstruktion, Regel und Zufall bestimmen meine Thematik«, fasst er seine bildnerischen Problemstel-lungen zusammen. Neben einzelbildern entstehen vor allem Werkgruppen und Bildsequenzen.In seinen so genannten Streifenbildern werden die Aspekte früherer Arbeiten ausgeweitet und variiert. Von einfachen Reihungen bis zu komplizierten Durch-dringungen mit Scheinperspektive rei-chen die entsprechenden Gestaltungs-varianten unter dem Motto »Streifen im Raster – konstruktiv + dekonstruktiv – ge-ordnet und frei – Gesetz und Freiheit«.

Die konzeptuelle Auseinandersetzung mit dem Verhältnis von Bild und Bild-träger führte Meinel zur unauflöslichen Verbindung elementarer Zeichen und systematischer visueller Ordnungen mit dem Material Papier (gegossene und handgeschöpfe Papiere). Von diesen flächigen Arbeiten ist es ein Schritt zu dreidimensionalen Papierobjekten. So entstehen aus Fasermaterialien wie Hanf oder Kozo Objekte und Gefäße, wobei die Oberflächen unbehandelt bleiben oder mit Acrylaten versehen werden.»Seit 2007 nutze ich Japanlack – Urushi – in Verbindung mit handgeschöpftem Papier. Der Lack verbindet sich nicht nur perfekt mit den Fasern des Papiers, versteift das Material und macht es wi-derstandsfähig gegen Feuchtigkeit und andere äußere Einflüsse – er gibt dem Papier auch ein eigenes ästhetisches Ge-präge – geheimnisvoll, die Faserstruk-tur verstärkend oder nivellierend, von mattem Schimmern bis zum Tiefschwarz des auspolierten Lackes.«Anders als bei den flächigen Arbeiten, bei denen Bild und Bildträger eins sind, wird hier das – was im allgemeinen zum Bildträger bestimmt ist – zum

Getragenen: das Papier »verschwindet« gänzlich unter dem von allen Seiten tragenden Lack, der die Gestaltung in sich birgt. Dabei handelt es sich nicht um eine den Malereien und den flächi-gen Papiergestaltungen vergleichbare wohlkalkulierte geometrische Ordnung, sondern überraschende aleatorische Strukturen erscheinen wie eingefangen, sie sind im Lack eingeschlossen – kein Widerspruch, denn die Verbindung entsteht dadurch, dass geometrische elemente und Zufallsformen nur als unterschiedliche erscheinungsweisen des Ursprünglichen gesehen werden können. Dass es dabei nicht um das schnelle ergebnis geht, zeigt sich bei allen Arbeiten Meinels. Sie entstehen in langwierigen Herstellungsprozessen mit geradezu meditativem Charakter. So kann die Gestaltung einer Schale mit Ja-panlack bis zu einundeinhalb Jahren in Anspruch nehmen. Fünfzehn bis dreißig Schichten Lack werden auf die Gefäß-form aufgebracht. Sie werden zwischen-geschliffen und poliert. »Die jeweilige Lackschicht härtet in einem speziellen Klima (Temperatur und Luftfeuchte) aus. Der langwierige Arbeitsprozess und

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26|27 Streifen in Verflechtung blau, 2009, Acryl auf Leinwand, 110 × 110 cm

unterschiedliche Techniken geben den Objekten jeweils eine unverwechselbare Ausstrahlung. Die Körper entstehen aus handgeschöpftem Hanf- oder Japanpa-pier (Washi) in der Ikkanbari-Technik oder durch schichtweise kaschierte Papiere (Harinuki). Sie sind je nach Aus-führung 0,5 bis 3 mm dünn und zeigen bzw. verbergen ihre Papierfaserstruktur. Bevorzugt verwende ich schwarzen und roten Lack, wolkig geschliffene Struktu-ren (Negoro) oder Techniken, in der die Papierstruktur durch die Lackschichten hervorgehoben wird.« Die aleatori-sche Struktur entsteht allein dadurch, dass durch die Höhen und Tiefen der Faserstruktur die verschiedenfarbigen Lackschichten durch das Polieren unter-schiedlich freigelegt werden.Auch wenn die Schalen benutzbar, säu-re- und hitzebeständig sind, sogar eine Temperatur bis 400 Grad aushalten würden, sie bleiben auf der Grenze zur freien Kunst, so sehr wirkt ihr kreativer Impuls auf den Betrachter.

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Mäander I, II und III, 2012, Acryl auf Leinwand, dreiteilig, je 80 × 100 cm

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Schale, Japanlack, 2010, Urushi über Japanpapier (Kozo), Harinukitechnik, Rotlack, Weisslack, Schwarzlack

Schale, Japanlack, 2011, Urushi über Japanpapier (Kozo und Hanf), Harinuki- und Negorotechnik

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Schale, 2009, Japanlack, Urushi über Japanpapier (Kozo), Negorotechnik30|31

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1959 in Dresden als Sohn eines Bildhauers geboren1976 Lehre als Steinmetz bei Elbenaturstein Dresden1980 Abendstudium im Fach Plastik an der Hochschule für Bildende Künste Dresden und Arbeit als Steinmetz und Steinbildhauer in der Restaurierung und Denkmalpflege1983 Gasthörer im Fach Anatomie an der Hochschule für Bildende Künste Dresden

1987 Teilabitur an der Volkshochschule Leipzig, Studium in der Fachabteilung Plastik an der Kunsthochschule Berlin1993 Diplom, seither freiberuflich tätigSeit 1999 künstlerische Lehrtätigkeit am Institut für Kunstpädagogik der Universität Leipzig

Tobias Rost

er wolle seine Arbeiten als Beitrag in der Betrachtung und Wahrnehmung gesellschaftlicher Realitäten verstanden wissen, betont der Bildhauer Tobias Rost. Was die Auswahl seiner Mate-rialien und Arbeitstechniken und die entscheidung für bestimmmte Gestal-tungsweisen betreffe, so sei er nicht festgelegt und folge seiner Lust. – So be-gegnen wir in seinem Schaffen Plastiken und Objekten ebenso wie Installationen und performativen Interventionen.Die Zeichnung ist nicht nur Mittel der Ideenentwicklung, sondern auch ein weiteres eigenständiges Ausdrucksme-dium für ihn. Mit »Adam und eva« sind zwei lebensgroße Kohlezeichnungen entstanden, bei denen es Rost gar nicht so sehr um die künstlerische Wirkung des finalen Produkts ging. Vielmehr interessierte ihn die mit dem überdimen-sionalen Zeichenvorgang verbundene Herausforderung, samt dem potenziel-len, partiellen oder gänzlichen Schei-tern, das ihn ihm steckt, was er zugleich auf die Paarbeziehung überträgt und mit einem Bekenntnis zur Partnerschaft verbindet.Sein »Grenzsteinträger«, eine Figur aus

Rochlitzer Porphyr mit einem übermäch-tigen granitenen Grenzstein auf der linken Schulter, hinterlässt freilich ein beklemmendes Gefühl angesichts der in die Form gebrachten Schwierigkeit, den fortwährenden Balanceakt zwischen Scheitern und Gelingen zu meistern.Hier schließt sich die Installation »Aus meiner Haut« an, die Rost als eine sehr persönliche Arbeit kennzeichnet, »die mit einem großen Umbruch in meinem Leben zu tun hat, mit Veränderung, Ver-lust, Schuld, Angst, Befreiung, Authen-tizität und Scheitern, welches nie total ist«. – Und es sei eine Wut über den angesagten und den zeitgenössischen Kunstbegriff mit dem bestimmenden britischen Künstler Damien Hirst.Von hier ist es nicht weit zu einem scheinbar völlig herausfallenden Objekt dieser Ausstellung: einem realen, be-nutzbaren Billardtisch mitten im Raum – aufgestellt wie in einer Kneipe. Rost hat ihm den Titel »einer stört« gegeben. Dieser Tisch befindet sich eigentlich in seiner Werkstatt. In eine Kunstausstel-lung versetzt, gewinnt er durch Kontext-veränderung sinnbildhafte Qualitäten. Im Rahmen der Ausstellung soll an ihm

ein Turnier ausgetragen werden, das als eine Performance »Zum erweiterten Kunstbegriff« zu verstehen ist. es wird davon ausgegangen, dass die Turnier-teilnehmerinnen und -teilnehmer kaum oder kein spielerisches Vermögen besit-zen. Ihre Kleidung entspricht zwar den Regeln, sie werden sogar Startnummern tragen, wie bei Billiardturnieren üblich. Auch der Schiedsrichter wird keine grundlegenden Kenntnisse über das Regelwerk des Billardspiels besitzen. es bleibt ihm überlassen, welche Regeln er festlegt; er kann sie sogar im Verlaufe des Spiels nach Gutdünken ändern. Der Streit der Spieler und Spielerinnen untereinander über den Spielverlauf und die Wertung der einzelnen Stöße – so Rost – sein nachdrücklich erwünscht. Das Spiel soll übrigens simultan audiovi-suell in den öffentlichen Raum übertra-gen werden. »Die Arbeit ist als Sinnbild des derzeitigen Kunstgeschehens zu sehen, aber auch als künstlerischer Kom-mentar zu Vorgängen in der heutigen Gesellschaft«.In ähnlicher Weise künstlerisch auf den Punkt gebrachte Gesellschaftskritik leis-tet die Arbeit »Was ist Sodomie?«. Von

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Adam und Eva, 2013, Kohlezeichnung, 200 × 180 cm32|33

ihr gibt es zwei Fassungen. Die erste Fassung wurde auf der 19. Leipziger Jahresausstellung im »Westwerk« ausge-stellt: ein aus Blasenfolie gestalteter Bär, der mit einem ebenfalls aus Blasenfolie geformten und mit einem Anzug aus schwarzer Gartenfolie eingekleideten Mann kopuliert: Ihr unzüchtiges Ver-hältnis wird zum Sinnbild der Unzucht mit Geld. Die in dieser Ausstellung gezeigte zweite Fassung zeigt den Bär aus der ersten Fassung in einem »wider die Natur« bestehenden Verhältnis mit einem Stier. »Die Schamlosigkeit, mit der in unserer kapitalistischen Realität von wenigen Menschen Profit gemacht wird, berührt mich sehr. Neben einfa-chem Ekel empfinde ich auch Verach-tung. Also wähle ich für meine Arbeit ein ekliges Thema und verarbeite dies mit einem ›wertlosen‹ Material, mit Plastikabfall, den keiner von uns um sich haben möchte. Die Motive ›Stier‹ und ›Bär‹ stehen für den Aktienhandel an der Börse, wobei der Bär fallende Ak-tienkurse symbolisiert, da er von oben nach unten angreift, der Stier hingegen greift von unten nach oben an und steht somit für steigende Kurse.«es gehört übrigens zum Arbeitsprinzip von Rost, seine Werke immer wieder in neue Zusammenhänge zu bringen, einzelteile zu verändern und neu zu kombinieren, je nach den Veränderun-gen, die bei ihm selbst stattfinden, so dass weitere Fassungen nicht ausge-schlossen sind.

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Grenzsteinträger, 1996 , Porphyr, Granit, H 56 cm

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Aus meiner Haut, 2010/11, Kautschuk, Holz, Federn, 180 × 130 × 70 cm

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Einer stört, 2013 Installation, 84 × 140× 260 cm

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Was ist Sodomie?, 2012/2013 Verpackungsabfälle aus Polyethylen und PET, 290 × 290× 180 cm

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1966 in Annaberg-Buchholz/Erzg. geboren1987 –1994 Studium Diplomfachlehrer für Kunsterziehung und Deutsch an der Universität LeipzigReferendariat, zweites Staatsexamen1994–2010 freiberuflicher Grafiker, Art-Direktor und Geschäftsführer der Agentur wpunktw (Corporate Design, Webdesign, Werbung)

Seit 2006 Lehrtätigkeit am Institut für Kunstpädagogik der Universität LeipzigSeit 2008 Professur für Design und Neue Medien in der Kunstpädagogik an der Universität Leipzig

www.awebfish.de

Andreas Wendt

Als Grafik-Designer stellt Andreas Wendt seine künstlerische Kreativität ganz in den Dienst der Realisierung unterschied-lichster Gebrauchsanforderungen. Seine Formensprache zeichnet sich durch präg-nante, klare, gleichsam auf den Punkt gebrachte Lösungen aus. Dabei wird die Typografie zu einem wesentlichen element. Auffällig ist die freie Integrati-on von analogen elementen in digitale Grundgestaltungen: So werden handge-machte Pinselschriften und Materialdru-cke mit entsprechenden »Druckfehlern«, durch Kopierer und Scannner entstande-ne »Verunreinigungen« und »Fehlleistun-gen« willkommene Bestandteile seiner angewandten Gestaltungen. Das führt zu einer Bildsignalgebung, die auch den flüchtigen Betrachter stutzen lässt und schließlich seine Aufmerksamkeit fesselt – Signale, die in einer glatten, hoch-glanzpolierten und perfektionistischen Werbewelt aufgrund ihrer Andersartig-keit besonders auffallen.Wendt interessieren vor allem komplexe gestalterische Lösungen zu einrichtungs- bzw. unternehmensbezogenen und/oder ereignisspezifischen Aufträgen im Verbund aller Kommunikationsmittel

(Logo, Plakat, Werbematerial, Faltblät-ter, einladung, Publikationen, Reihen, Website usw.).Als Designer sind ihm die Mittel der Fotografie von Anfang an vertraut und eine wertvolle Hilfe bei der Umsetzung seiner gebrauchsgrafischen Bildideen. Fotografisch die Wirklichkeit zu erkun-den – den späteren möglichen »Ge-brauch« der Fotos dabei in Rechnung stellend –, das ist für Wendt quasi alltägliche Gepflogenheit. Insofern ist es nicht verwunderlich, dass das Fotogra-fieren und der Umgang mit den entstan-denen Fotos für ihn alsbald auch einen eigenwert bekam und er eine in hohem Maße konzeptuelle Fotokunst als indivi-duelles Ausdrucksmittel entwickelte.Was er zeigt, das sind nicht die ur-sprünglichen Fotos von einer Situation. Diese bleiben oft jahrelang unberührt im Archiv. Dann erst arbeitet er sie gewis-sermaßen gestalterisch auf. Das, was in der Regel am ende entsteht, könnte mal wohl am ehesten als Fotografiken bezeichnen. Dabei geht er folgender-maßen vor: egal ob analoges oder (ausgedrucktes) digitales Bildmaterial den Ausgangspunkt bildet, er scannt

es ein und verändert es am Computer, löst Ausschnitte heraus, bearbeitet die Farbigkeit und druckt schließlich das umgestaltete Bild erneut. Die durch die Ausschnittsvergrößerung bedingten unscharfen Konturen, die Papierma-terialität, auch die durch den Drucker erzeugten Strukturen führen zu einer besonderen malerischen Wirkung der nun entstehenden Bilder. Oft erklären sich die Dinge, die ihm wichtig sind, durch Aneinanderreihung mehrerer Arbeiten. Beispielsweise verarbeitet er in der BORNeO-Reihe auschnitthaft Fotomaterial, das er vom Rotterdamer Hafen aufgenommen hat. Das erste Bild von einer einfahrt in den alten Hafen wirkt – auch farbig – wie der touris-tische Widerhall eines Gemälde von Canaletto. Die beeindruckende, hell strahlende Stadt-Silhouette in weiter Ferne ist aber in Wirklichkeit eine riesige Raffinerie. Die folgenden Bilder der Reihung zeigen die Wirklichkeit aus der Nähe: Öltanks und Wohnblöcke für die Industriearbeiter; der zufällig mit fotografierte Schriftzug »BORNeO« verweist auf die hochgradige Ausbeu-tung und Zerstörung der gleichnamigen

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BoR NEo, 2010/2013, Pigmentdruck auf Fotopapier, je 30 × 30 cm38|39

Insel. Mit den »Strand«-Bildern – das Ausgangsmaterial wurde an der hollän-dischen Nordsee aufgenommen – wird die Beschreibung von Strandszenen und entsprechendem Badevergnügen vor den Kulissen mächtiger Industrieanlagen zu intimen Sittengemälden heutiger Lebenswirklichkeit.Immer wieder thematisiert Wendt in seinen Arbeiten unser Verhältnis zur

Umwelt, auch das zu Tieren. In einem brutalen Vorgang schießt er mehr-fach mit einer Waffe auf eine kleine Plastik-Spielzeugkuh, die sich in einer Blackbox befindet. Davon entstehen Hochgeschwindigkeitsfotografien; die in der Box auftreffenden Projektile lösen ein Blitzlicht aus, so dass die Kuh auf manchen Fotos gleichzeitig vor und nach dem Treffer zu sehen ist. Die Ko-

pierstreifen als »Bildstörungen« auf den Ausdrucken verstärken den eindruck unaufhörlichen Schießens. ein eindring-liches, auf den ernst verweisendes Spiel angesichts verbreiteter Gleichgültigkeit etwa gegenüber den Tötungsmaschine-rien in Großschlächtereien. – Auch hier also: starke Bildsignale.

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STR AND, 2010/2013, Pigmentdruck auf Barythpapier, je 30 × 30 cm

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42|43 o.T., 2010/2013, Pigmentdruck auf Barythpapier, je 30 × 30 cm

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Ausstellungsplakate, 2009–2012, offsetdruck, 84,1 × 59,4 cm

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Ausstellungskataloge (Reihenentwurf, Layout, Schriftsatz, Einbandgestaltung), 2009–201240|41

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Impressum

Herausgeber/VertriebInstitut für Kunstpädagogik der Universität LeipzigRitterstraße 8–10, 04109 LeipzigTelefon +49 341 9737250e-Mail: [email protected]

Redaktion: Frank Schulz, Andreas Wendt

Repro: Roland Meinel, S. 27, 30, 31Hendrik Pupat, S. 18 (discussion)Chr. Sandig – Leipzig, S. 15, 16, 17, 18 (platform, school), 19Andreas Wendt, S. 9–13, 21–25, 28–29, 33–37, 39–43Fotoassistenz: Ralf Schwarz S. 9–13, 35, 37, 40, 41Portraitfotografien: Andreas Wendt; Roland Meinel, S. 38

Texte zu den Künstlern: Frank Schulz

Gestaltung und Schriftsatz: Andreas WendtDruck: Pöge Druck

© Institut für Kunstpädagogik Leipzig, die Autoren und Künstler

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Ausstellung der Kustodie der Universität Leipzig mit Werken der künstlerischen Lehrkräfte des Instituts für Kunstpädagogik

12. April bis 15. Juni 2013

GALeRIe IM NeUeN AUGUSTeUM