Spirit 11/12-2015

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DAS MAGAZIN FÜRS WESENTLICHE Schweiz 16,80 sfr, EU-Länder außer Deutschland 9,40 € 11–12/2015 31. Jg. B 6128 www.connection.de 9 Sind wir komisch? Abschied nach dreißig Jahren Mit Nachrufen von: Konstantin Wecker Christina Kessler Torsten Brügge und anderen Sind wir komisch? Jetzt mal im Ernst:

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Jetzt mal im Ernst: Sind wir komisch? Abschied nach 30 Jahren

Transcript of Spirit 11/12-2015

DAS MAGAZIN FÜRS WESENTLICHESchweiz 16,80 sfr, EU-Länder außer Deutschland 9,40 € 11–12/2015 31. Jg. B 6128

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Abschiednach dreißig Jahren Mit Nachrufen von:

Konstantin Wecker Christina Kessler Torsten Brügge

und anderen

Sind wir komisch?Jetzt mal im Ernst:

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IMPRESSUM

Connection Spirit erscheint sechs Mal jährlich

im Verlag Connection AG.

Vorstand: Wolf Schneider

Adresse: Hauptstraße 5,

D-84494 Niedertaufkirchen

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www.connection.de

Herausgeber, redaktionelle Leitung:

Wolf Schneider (V.i.S.d.P., Adresse siehe oben)

Grafische Gestaltung:

Christina v. Puttkamer, www.design-angel.de

[email protected]

Titelgestaltung:

Christina v. Puttkamer,

Foto: stockfresh.com, © hasenonkel

Redaktion:

Konstantin Wecker (Politik & Spiritualität)

Julia Koloda (Wie es ist, WerWasWo,

Bücher), [email protected]

Martin Miethke (Lektorat)

Webredaktion:

Oliver Bartsch, [email protected]

Presse- und Öffentlichkeitsarbeit:

Sibylle Schütz, [email protected]

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Connection Spirit wird auf umweltschonendem

Papier gedruckt.

ISSN 0932- 5565

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Die angekündigten Connection Spirit Themen: 1–2/2016 »Weisheitund Empathie – warum es gut ist, klug zu sein« und 3-4/2016 »Trans -spiri tualität – es gibt ein Leben jenseits der Gefäng nisse, die wir unsauf dem Weg der Befreiung gebaut haben«, die werden nun leidernicht mehr in Connection erscheinen, da niemand den Verlag kaufenwollte. Auch das Tantra-Heft Nr. 98 wird nicht erscheinen, für das»Erotisch leben« als Thema angekündigt war, denn auch die Tantra-Heft-Reihe ließ sich nicht separat verkaufen. Und auch die Scha -man-Hefte nicht, für die das Thema »Ganz natürlich« angekündigtwar.

Schamlos bloggenDie Webseite connection.de wird deshalb zum 1.11.2015 von derConnection AG an mich persönlich übergeben. Sie wird dann neugestaltet sein, blog-orientiert und anzeigenfrei. Dort werde ich unteranderem zu den angekündigten Themen schreiben, Fotos einstellenund Links zu (demnächst auch selbst erstellten) Filmen setzen. Ichmöchte dort Interviews einstellen mit Menschen, von denen ichdenke, dass sie was zu sagen haben und selbst geschriebene Repor -tagen – hoffentlich dann von einem Wohnmobil aus, das ich mir abererst erwerben oder mir erschleichen muss. Neben mir werden vor-aussichtlich auch weiterhin Torsten Brügge und Marianne Gallenauf connection.de bloggen und (neu) unsere FilmrezensentinBarbara Wollstein. Auf connection.de werde ich mich in Zukunft noch schamloser äu -ßern können als bisher, was eventuelle Vorbehalte irgendwelcherLeserkreise anbelangt. Die Anzeigenfreiheit der Seite wird mirermög lichen noch ›kommerziell rücksichtsloser‹ zu sein als bisher.

Freier Autor und PublizistWas ich bisher als Herausgeber von Connection verdient habe, fälltab 1. November weg. Ich habe keine Rente und keine Rück lagenund werde mich dann als Freelancer über Wasser halten müssen.Trotzdem möchte ich nicht mit einer Paywall die von mir veröffent-lichten Inhalte auf die kleine Gruppe der Zahlungs willigen undZahlungsfähigen beschränken, sondern möchte es anders machen:Ich möchte versuchen von Spenden zu leben. Meine Fans haben bis-her 47 € für ein Jahresabo gezahlt, oder 68 € fürs Abo aller dreiPeriodika. Wenn mir ein Teil dieser treuen Leser in Zukunft 5 oderx € monatlich auf mein Konto überweist, kann er/sie dafür u.U.mehr Inhalte bekommen, und mit Links zu Musik und Filmenaußerdem multimedialer – für so viele Euros, wie er/sie eben zu zah-len bereit ist. Und ich kann veröffentlichen, was ich will, ohne dafüreinen Verlag zu brauchen, ohne Porto- und Druckgebühren, fastohne Bürokratie. Wer von euch damit schon jetzt anfangen will:Meine Kontonummer ist die IBAN DE72743914000000326550 BIC: GENODEF1EGR (auf den Namen Wolf Schneider; Betreff:Spende).

Texte von mir im PrintWer Texte von mir nicht gerne am Bildschirm liest, sondern lieberauf Papier, findet sie in Zukunft in Ursache & Wirkung (4x/Jahr min-destens vier Seiten), Visionen (11x/Jahr mindestens eine Seite), Spuren (4x/Jahre mindestens eine Seite), Osho Times und Bud -dhismus aktuell (gelegentlich), und in den Regionalblättern KGSBerlin (weiterhin in jeder Ausgabe eine Doppelseite) und PrismaFranken. In Vorbereitung ist ein Buch zum Thema »Heimat«, eineNeuauflage des »Kleinen Lexikons esoterischer Irrtümer« und ein»Kleines Lexikon der Irrtümer in der Liebe« (die letzten beiden imSyntropia Verlag). Einzelne Connection hefte und Powerpackskönnt ihr weiterhin über [email protected] bestellen.

Wolf S. Schneider, www.connection.de

www.connection.de · November-Dezember 11-12/2015 3

m April 1985 erschien das ersteHeft von Connection. Damalsplanten wir noch ein zwei-

wöchentliches Erscheinen. Balddarauf erschien sie viele Jahre langmonatlich, und zeitweilig hatten wirbis zu sechs verschiedene regiona-le Beihefter mit regionalen Infosund Anzeigen. Die Preise für einExemplar schwankten zwischen2,80€ und 9€, die Auflagen zwi-schen 5.000 und 60.000 Stück. Ganzzu Anfang waren es sogar nur 300fotokopierte Ausgaben, per Handzusammengelegt, doch das Vertei-lungsgebiet war schon bald dieganze Welt: Japan, Australien, Ar-gentinien, Hawaii, und natürlichvor allem der deutsche Sprachraumin Mitteleuropa. Und über all dieJahre ist diese Zeitschrift mehr alseine Million mal gekauft worden,und fast jedes Exemplar wurdeweitergereicht und von mehrerenMenschen gelesen.

Ein halbes Leben …

Mit dieser letzten Ausgabe vonConnection blicke ich jetzt, mitmeinen 62 Jahren Lebensalter, aufziemlich genau mein halbes Le-ben zurück – fast 31 Jahre waren es.Es war das abenteuerlichste undvielfältigste Projekt, das ich jedurchgeführt habe. Die Führungund die Aufgaben wechselten, dieHerstellungstechniken sowieso.Zeitweilig wurde der Verlag von ei-ner Gemeinschaft betrieben, dieletzten Jahre immer mehr von mir.Als wir begannen, waren gerade dieersten PCs auf dem Markt, Texteschrieb man damals noch auf derTypenradschreibmaschine. DieDruckvorstufe mit ihren Repro -kameras usw. ist inzwischen durchmehrere technische Revolutionenauf ein PDF zusammengeschnurrt,

und jetzt gibt es das Internet, dasunsere ganze Weltkultur verändert.Fast jeder hat heute ein Smartpho-ne und einen Facebook-Account,und für Medienunternehmen, diefür »die mobilen Endgeräte« nichtsanzubieten haben, sieht es nicht gutaus.

Connected bleiben

Der Geist der Verbindung, des Ver-bundenseins und miteinander con -nectens aber hat sich nicht geändert,nur die Kommunikationswege ha-ben sich geändert. Wer künftig mitdem Geist dieser Zeitschrift ver-bunden sein will, schaue auf connec-tion.de, dort werde ich ab Novem-ber bloggen – so multimedial, wiees meine Mittel und Fähigkeiten er-lauben. Dort kann man sich für denkostenlosen Newsletter anmelden,und das kann man auch schon jetzt,denn der jetzige Verlagsnewsletterwird dann mein (wahrscheinlichmonatliches) Kommunikations -medium sein, und auch meine E-Mail-Adresse bleibt. Auf der Titelseite seht ihr den Nar-ren nach unten abtauchen. Er wirdjedoch nicht ganz verschwinden,sondern ich werde an anderen Stel-len weiterhin mein Unwesen trei-ben.Ja, ich werde auch in Zukunft schrei-ben! Das Schreiben war schon im-mer mein Ding, viel mehr als dasOrganisieren eines Verlages oder ei-ner Gemeinschaft. Ich werde dieWelt deshalb weiterhin und sogarnoch mehr als bisher mit meinenWorten belästigen und erfreuenund hoffentlich zwischendurchtrotz dem mehr Zeit haben für per-sönliche Begegnungen. Einige derZeitschriften, für die ich schreibenwerde, findet ihr in dieser Ausgabegenannt, und es wird auch bald neue

Bücher geben von mir. Im Connec-tion-Shop und auf Syntropia.dekönnt ihr weiterhin Connection-Hefte und Connection-Powerpackskaufen, ab 23. Oktober in Deutsch-land versandkostenfrei. Weitere In-fos über mich und Connection fin-det ihr auch in Zukunft auf connec-tion.de und in meinem Newsletter.

Bewegend sein

Es freut mich, dass für diese letzteAusgabe von Connection nebendem »komischen« Schwerpunkt-thema noch so viele in leiden-schaftlicher und witziger Weisewürdigende Abschiedsgrüße zu-stande gekommen sind! Ich fühlemich geehrt und geliebt, gelobt undan einigen Stellen zu Recht geta-delt – auch das nehme ich ernst. Ich möchte mit euch in Kommu -nikation bleiben, nun eben auf an-dere Weise. Nun nicht mehr durchdieses Printmedium, das sich mehrals 30 Jahre lang in vieler Hinsichtsehr bewegt hat, von euch bewegtwurde und euch bewegt hat. Editor

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Wolf S. Schneider, [email protected]

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Die Formen ändern sich

… und wohin fliegt der Geist?

4 November-Dezember 11-12/2015 · www.connection.de

NOVEMBER-DEZEMBER 11-12/2015

S. 56 – 59

S. 34 – 53 und 74 – 77

Je nachdem, in welcher Sprache wiruns ausdrücken, sind wir jeweilsandere. Das macht das Sprachenlernenzu einer Abenteuer- und Forschungs -reise in neue Identitäten hinein. Wirsprachen mit einem Erforscher seinerselbst in 30 Sprachen, von denen er 15 fließend spricht.

Ja, wir sind komisch – aber es kommtdarauf an, wie man hinschaut. Für denmitfühlenden Blick und den Blick, derden Einzelnen sieht, den Begrenztenund sich Begrenzenden sind wirMenschen jedoch auch tragischeGestalten. Erst wenn das Bewusstseinsich weitet und die Gestalt in ihremganzen Kontext sieht, wird dasKomische sichtbar.

Anders sprechen, anders sein

30 Jahre Connection Verlag

Tel: +49 (0) 61 54 - 60 39 5-0 / Fax: -10E-Mail: [email protected] Lieferung in DE!www.syntropia.de

Dorit und Dirk David

Herr Du Eine Ente liebt eine Kuh. Ihre Liebe bleibt un-erwidert. Die Ente erliegt ihrer schwarzweißen Sehnsucht, selbst dann noch, als die Kuh längst fort ist. In seinem schwarzbunten Haus beginnt für die Ente eine Reise in die Vergangenheit...54 Seiten, ISBN 978-3-940392-87-9 12,90 €

WonderFool Ein Fool lebt außerhalb jeder Ordnung auf einem Zaun. Von dort aus beobachtet er, wie sich das Rad des Lebens dreht. Kon� ikte dienen ihm zum vergnügten Spiel. Es lohnt sich, im Hier und Jetzt zu leben!44 Seiten, ISBN 978-3-939272-23-6 10,90 €

S. 14 – 33

Nachrufe, Würdigungen, ein Interviewmit dem Gründer und sein Fazit aus drei

Jahrzehnten Verlegersein zeigen dasBild von einem wilden, mutigen und aufseine Art konsequenten Unternehmen,

das mit dieser Ausgabe endet.

Jetzt mal im Ernst:

Sind wir komisch?

www.connection.de · November-Dezember 11-12/2015 5

6 Salama I. Heinrichs über das Menschsein

7 Wie es ist – Nachrichten von heute

10 Wie es sein könnte – Nachrichten aus einer Welt von morgen

12 Nachruf von Christina von Puttkamer

Schwerpunkt: Sind wir komisch?

14 Der Mensch ist eine tragikomische Figur, findet Rainer Selbstzweck

18 Warum bin ich eine lächerliche Existenz? fragt sich Johannes Galli

20 Manifest des Nullyoga – Pier Zellin meint: Es hilft alles nichts

22 Warum Lachen göttlich ist, erklärt Sabrina Mansouri

24 Wie der Erwachte lachte, erzählt Matthias Mala

26 Lerne zu lachen ohne Grund, empfiehlt Robert Meisner

30 Das Mysterium des Treppensteigens und der Vergänglichkeit erkennt Friedemann Schulz von Thun im Gespräch mit Bernhard Pörksen

Rückblicke / Nachrufe:

34 Abschied von der Szene? – Boaz Frank Leder sprach mit Wolf über die fast 31 Jahre, indenen die Connection-Macher »wild und gefährlich« lebten

38 Gibt es ein Leben ohne Connection? fragt sich Saleem Matthias Riek39 Freiheit braucht Commitment, behauptet Christina Kessler

40 Der Weg entsteht im Weitergehen, findet Mike Kauschke von evolve

41 Die Person ist wichtig! findet Ronald Engert von Tattva Viveka

42 Hellsichtige Spinner und intelligente Brahmanen, fand Konstantin Wecker bei Connection

43 Von dem Komischen Verleger und dem bayerischen Sufi erzählt Ingo Taleb Rashid

44 Adios Connection – Udo Pochert nimmt Abschied von einer mutig gelebten Utopie45 Für ein Integrales Update von Connection war es noch zu früh, meint Katharina Ceming

46 Verbindung bitte! wünscht sich Martin Frischknecht von Spuren

47 Ein Loch in der Seele bleibt für Torsten Brügge

48 Das Wissen nicht allein zu sein war für Brigitte Schwab das Wesentliche

49 Aber ein kleines Dorf in Gallien…. erfreute ReinO Kropfgans

50 Unternehmer sein – Wolf Schneider zur ökonomischen Seite der Veranstaltung

54 WerWasWo

56 In uns wohnen viele Ichs – Wolf Schneider sprach mit dem Sprachgenie Daniel Krasa

60 Bilder der Seele – Portraits von Menschen aus Asien zeigt der Fotograf Bernd Kolb

64 Promotion: Tantra ist tot, es lebe Tantra! – eine Betrachtung von Herbert Barkmann

66 Promotion: Identitätsyoga – Verena Hirschmann stellt Arjunas Awakening Coaching vor

68 Filme

70 Bücher

74 Leserbriefe

78 Marktplatz

80 Veranstaltungskalender und Inserentenverzeichnis

82 Vorschau/Impressum

, Zeitschrift für Spiritualität & Politik, Mystik, Ökologie, Lebenskunst und Humor.Sie erschien in den letzten Jahren zweimonatlich mit einem starken Schwerpunkt. Gegründet 1985,ist Connection Spirit die älteste transkonfessionelle spirituelle Zeitschrift auf deutsch.Fachmagazine über Tantra und Schamanismus aus demselben Verlag ergänzen sie.

I N H A LT

S. 14

S. 24

S. 30

S. 55

S. 60

14 November-Dezember 11-12/2015 · www.connection.de

ERNSTHAFT KOMISCH

Das Lachen über Objekte, speziell über menschliche Objekte, ist ein mächtigersozialer Baumeister: Es grenzt die aus, über die gelacht wird, und verbindet diemiteinander, die gemeinsam über dieselben Objekte lachen, meint unser Autor

Rainer Selbstzweck, dem wir diesmal den Leitartikel überließen.

Humor in seiner geistreichsten und liebevollsten Form ist es, sagt Rainer, wenn dasObjekt meines Lachen zunächst, vor allem und auch am Ende ich selbst bin. Aus

diesem Bezug zu sich selbst heraus entscheidet sich der Mensch, dem diesbewusst ist, für eine eher tragische oder eher komische Rolle im Leben

Der Menschals tragikomische Figur

Von der Freiheit, sich sowohl als tragisch wie auch komisch empfinden zu können

VON RAINER SELBSTZWECK

www.connection.de · November-Dezember 11-12/2015 15

ERNSTHAFT KOMISCH

tung auszuprobieren, ein anderer zu sein –,dann ist damit was gewonnen. Es ist ein Ge-winn an Freiheit – und Komik. So wie wenndem im Rollstuhl in einer Schlange Warten-den angeboten wird, ihn nach vorn zu lassen,und er das vergnügt grinsend kommentiert:»Nicht nötig, immerhin habe ich einen Sitz-platz«. Anscheinend hat Freiheit etwas mit Komikzu tun. Schließlich ist der Joker im Karten-spiel die freieste Karte: Er kann überall hin,überall passt er. Er ist ein Chamäleon, erkann sich anpassen und dabei die Farbe sei-

ner Umgebung annehmen, er kann zu demwerden, was von ihm erwartet wird, und danndoch blitzschnell umschwenken und wiederein anderer sein. Deshalb wurden Gaukler,Narren, Schauspieler und Clowns seit je fürgefährlich gehalten und galten in früherenZeiten und Kulturen nicht als seriöse Bür-ger der Gesellschaft.

Die Weltkarriere des Smileys

Heutzutage wird das Flimmern der Identitätakzeptiert, teils sogar gepriesen. Lachen zukönnen und viel zu lachen gilt als gut und ge-sund. Lachyoga hat sich über die ganze Weltausgebreitet, und der Smiley ist zum uni-versellen Symbol geworden, das inzwischensogar häufiger verwendet wird als das Herz,dieses rot gefärbte Symbol mit diesen zweischönen, runden Wölbungen, das, wie Leserder Connection-Tantra-Hefte wissen, einenganz heißen sexuellen Ursprung hat, denich hier im Connection Spirit nicht verratendarf. Und wenn nun das indische Namasté(»Ich grüße das Göttliche in dir«) oder dassüddeutsch-österreichische »Grüß Gott« sichebenso weltweit ausbreitet, dürfte der Er-leuchtung der planetarischen Zivilisation ei-gentlich nichts mehr im Weg stehen.

Lachen ist nicht generell gut

Halt, stopp, nicht ganz so! Denn das mitdem Lachen hat noch eine dunkle Ecke. La-chen und Lachyoga gelten generell als ge-sund und sogar gut. Es kommt dabei aber aufdie Einstellung an, meine ich und sage diesganz unmissionarisch aus Gründen des rei-nen Selbstzwecks. Es kommt auf die Haltungan, wem oder was gegenüber man lacht, undworüber. Lachen ist ein mächtiger Baumei-ster sozialer Strukturen. Es grenzt die aus,die nicht zur Gruppe der gemeinsam La-chenden gehören, vor allem dann, wenn über

it dem Humor ist es so eine Sache– er versteckt sich gerne. Wer nachaußen hin humorvoll ist, Witze

macht, über dies und das lacht, der ist es in-wendig manchmal gar nicht. Wenn ich mirdie Sache jetzt mal aus der Perspektive desreinen Selbstzwecks ansehe, möchte ich zu-allererst, dass es mir selbst gut geht. Unddazu brauche ich die anderen, euch: dass esauch euch gut geht. Folglich darf ich nichtüber andere Menschen lachen – oder nurdann, wenn sie wissen, dass ich sie damit nichtablehne und ausgrenze, sondern dabei ei-gentlich über mich selbst lache – über das,was ich an ihnen sehe, weil ich es bei mirselbst, wegen der zu großen Nähe zu mirselbst, nicht sehen kann.

Oh, wie tragisch!

Im Grunde bin ich eine tragische Figur, dennich leide; das meiste, was ich im Leben ver-suche, gelingt mir nicht. Ab und zu klapptmal was, aber in den meisten Fällen scheite-re ich. Selig sind die, die nur die Erfolge imGedächtnis behalten. Ich selbst aber kannmich, Hand aufs Herz, auch an die anderenEreignisse erinnern.Wenn ich tiefer forsche, entdecke ich, dassich mir immer dann selbst leidtue – also ei-ne tragische Figur bin –, wenn ich die Ursa-che meines Unglücks außen verorte. Viel-leicht liegt sie ja wirklich außerhalb von mir– wie der Zeckenbiss, den ich mir im eige-nen Garten geholt habe; der Auffahrunfall,bei dem mir jemand hinten rein gefahrenist; oder der Taschendieb, der mir am Haupt-bahnhof beim Anrempeln meinen Geldbeu-tel gestohlen hat. Oder bei Krankheiten, diemich treffen, ohne dass ich sie mir durch ei-ne ungesunde Lebensweise zugezogen hätte. In allen diesen Fällen kann ich die außen ver-ortete Ursache als solche dort stehen lassenund mir die Freiheit nehmen zu entscheiden,wie ich damit umgehe. Dann bin ich nichtmehr das Opfer der Umstände, und die Si-tuation fängt an, ein bisschen komisch zuwerden. Zumindest wird sie leichter erträg-lich.

Echte Zumutungen

Komisch finde ich mich selbst, wenn ich das,was ich gerade mache, wo auch immer, wannauch immer, als Auftritt erkenne, als mei-nen eigenen Auftritt auf der Bühne des Le-bens. Dann weiß ich, dass ich auch anderssein könnte, und wenn mein Auftritt nichtdie erwünschte soziale Resonanz erzeugt,kann ich ihn ändern. Ich kann ja auch anders!Ich komme nur so selten dazu. Bin ich dabeiunecht? Nein, denn Echtheit ist nicht das-selbe wie die Hilflosigkeit des Nicht-an-ders-Könnens. Echt sein, authentisch sein,wahrhaftig heißt, dem sozialen Resonanz-körper –, sei es ein Partner, Kind, Kollege,

Publikum oder wer oder was auch immer –das zu zeigen, was jetzt gerade für mich wahrist. Wenn möglich das Wichtigste davon, al-les kann man ja nicht zeigen, schon aus zeit-lichen Gründen. Und zwar unumwunden,aufs Wesentliche reduziert und in dem Maße,wie man es ihm, ihr, ihnen zumuten kann.

Ein bisschen komisch

Wenn ich diese Auftritte nicht martinluthe-risch gestalte (»Hier stehe ich, ich kann nichtanders«), fühle ich mich damit freier, ja, ko-

mischer. Dann ist dieses Kribbeln in meinenGliedern da, dieser Thrill des Daseins – le-bendig zu sein, frei, ungezwungen. Und ichfinde mich dabei immer ein bisschen ko-misch. Ich gehe dabei mit dem, der ich bin,spielerisch um, das macht es leicht. Beim tragischen Auftritt hingegen fehlt dasSpielerische, das macht es schwer. Durchdie Zuweisung der Schuld bzw. Ursache nachdraußen, an Stellen, die man nicht ändern,oft nicht einmal beeinflussen kann, machtman sich zum Opfer und leidet dann nochmehr als sowieso schon. Das Leben ist dannSchicksal, es ist mir geschickt worden, ichkann es nicht ändern, ach … wie tragisch.

Entscheidungsfreiheit

Um nicht falsch verstanden zu werden: Ichmöchte hiermit niemanden beeinflussen, dasAnliegen dieser Darstellung ist reiner Selbst-zweck. Möge sich als tragisch empfinden, werdas will. Möge sich oder mich als komischempfinden, wer das will. Ich plädiere hier nurfür die Entscheidungsfreiheit, sich so oder sodarzustellen, sei es als tragisch oder als ko-misch. Freiheit geht mir über … äh, fast al-les. Die reine Ursachenzuweisung nach in-nen, wie die Spiris sie mögen, ist nicht so meinDing, das finde ich einseitig. In manchen Si-tuationen ist es wirklich angemessen, vonSchuld zu sprechen und zum Beispiel zu sa-gen, dass ein Mensch einem anderen diesoder das angetan hat, und für das Opfer istdas dann tragisch.

Die Freiheit des Narren

Wenn das Opfer sich bei einem Angriff aufseine Souveränität aber der Freiheit bewusstwird, sich selbst auch als Figur zu verstehen,die innerhalb des von der Außenwelt gege-benen Rahmens Spielräume hat – Räumezum Spielen, um auch mal eine andere Hal-

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»Im Grunde bin ich eine tragische Figur,

denn ich leide, und das meiste,

was ich im Leben versuche, gelingt mir nicht«

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November-Dezember 11-12/2015 · www.connection.de

ERNSTHAFT KOMISCH

sie gelacht wird, und es bindet die aneinan-der, die gemeinsam lachen. Es schafft also inden Gesellschaften soziale Einheiten, sowaswie in der Biologie die Zellmembranen, dieja Grenzen setzen zwischen außen und in-nen und vielzelliges Leben dadurch erst er-möglichen. Lachen ist nicht generell gut, son-dern wir müssen da genauer sein, achtsa-mer und immer auch auf das Objekt desLachens achten und auf unsere Fähigkeit,dieses Objekt variieren zu können, bis hinzu der von den Lachyogis angestrebtenFähigkeit grundlos zu lachen.

Subjektivität

Nun noch ein paar Worte zu mir selbst, dermir hier die Ehre zuteil wird, in der histo-risch letzten Ausgabe von Connection als Ex-perte zum Thema Tragik und Komik zu spre-chen. Als Rainer Selbstzweck habe ich michaus einer anderen Persönlichkeit herausge-

schält, ich habe mich gehäutet. Namen vonRudeltieren oder sowas wie »wohl gegan-gen« empfinde ich für mich inzwischen alssehr einschränkend und insofern nicht mehrangemessen. Wir Menschen sind doch Iden-titätsreisende, wir entwickeln uns! Als sol-cher bin ich nun ganz bei mir selbst ange-kommen, als reiner … äh, Rainer Selbst-zweck. Ich habe verstanden, dass ich die Mit-te des Universums bin – du übrigens auch!Jeder von euch. Und all meine Liebe undHinwendung zu den Menschen und Tieren,zur ganzen Umwelt, resultiert aus dieserSubjektivität.

Anatta

»Sei doch mal ein bisschen objektiver!« War-um wollen Menschen nur immer und im-mer wieder objektiv sein? Ich bin mit mei-ner Subjektivität zufrieden. Dass ich »dadraußen« Objekte wahrnehme, mal mehr,mal weniger realistisch, das ist doch eh klar.Die Perspektive ist dabei das Entscheiden-de, und dass der Standpunkt, auf dem ich ste-he, während ich in die Welt hinausschaue, dieFläche, von der aus ich da schaue, dass dieeine Addition oder gar Fusion aller meinerblinden Flecken ist. Möge diese Fläche op-timal klein sein und als mich selbst erken-nender Mensch gegen Null gehen! Und dasist es auch schon, was die Großen, Heiligenund Weisen aller Zeiten und Kulturen mitdem Selbst, dem Zeugen, dem Nicht-Ich

(Anatta) oder der zu Lebzeiten immer nurannäherbaren Erleuchtung meinten. Allesklar? Vom Standpunkt des reinen Selbst-zwecks aus gesehen, müsste das eigentlichklar sein.

Das träge Ich

Und damit ist es auch komisch und zugleichtragisch. Komisch ist es, weil die Ich-Kon-struktion wandelbar ist, und tragisch, weilwir nie völlig vergangenheitslos, spontan,perfekt adäquat einer Situation hingege-ben sind, sondern wir sind immer beheima-tet in einer Ich-Struktur mit suboptimalerFlexibilität, sagen wir ruhig: mit einer ge-wissen Trägheit. Und was nicht perfekt fle-xibel ist, chamäleonartig anpassbar, das musssterben, immer wieder sterben. Tragisch,oder? Deshalb haben die Buddhisten so einDing mit der Anhaftung, und ihr Guru, derBuddha, hat das Leben zum Leiden erklärt.

Es ist nur die Trägheit der Ich-Konstruk tion,die das Leben zum Leiden macht.

Werde komisch!

Damit bin ich auch schon beim Fazit diesesgenialen Artikels angekommen: Werde ko-misch! Das flexibilisiert die Ich-Konstruk -tion, deine Ich-Konstruktion, und macht deinLeben damit leidfreier. Dass ein Ritzer inder Haut oder ein entzündeter Zahn dannimmer noch weh tut, dem lässt sich mit die-sem Trick nicht beikommen. Es hört dannjedwedes psychische Leiden auf, das ja da -raus resultiert, dass irgendwer dich für einenanderen hält, als du denkst, dass du bist. Oderdass irgendeine Situation von dir etwas an-deres zu fordern scheint, als du denkst, dassdu, als Held deines Lebens, leisten kannstoder leisten solltest.Wenn solches Leiden wegfällt, das ist schoneine ganze Menge, finde ich. Die Zahn-schmerzen lassen sich dann, in einer Artrainen Betrachtung derselben, viel leichterertragen.

Und das ist es auch schon, was die Großen,

die Heiligen und die Weisen mit dem Selbst,

dem Zeugen und dem Nicht-Ich meinten

[

RAINER SELBSTZWECK, Jg. 52, Studium des Lebensund der menschlichen Eigenarten, Scharlatan-Meister (10. Dan, Schwarzgürtel), Cardio-Sakral-Practitioner und Initiat in den Pseu-Weg (korea-nisch pseudo), [email protected]

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www.connection.de · November-Dezember 11-12/2015 17

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Der Mensch spielt nur, wo er in voller Bedeutung des Wortes Mensch ist, und er ist nur da ganz Mensch, wo er spielt

Friedrich von Schiller, 1795(in »Briefe über die ästhetische Erziehung des Menschen«)

22 November-Dezember 11-12/2015 · www.connection.de

ERNSTHAFT KOMISCH

ntweder ernsthaft oder komisch?Wie ist es denn nun, unser Leben,unser Sein? Meistens ernsthaft, wird

sich der eine oder andere vielleicht an die-ser Stelle eingestehen und sich fragen: Kannes denn auch überwiegend komisch sein?Schnell eilt nun der Verstand herbei und er-klärt uns bereitwillig: Auf jeden Fall liegt imErnsthaften mehr Kontrolle, mehr Sicher-heit. Das Komische ist doch eher unbere-chenbar, ungewiss.Und so verbinden wir die Worte miteinan-der, geben ihnen Bedeutung und Sinn undglauben nun, dass ernsthaft sicher ist und ko-misch ungewiss – und vergessen dabei, dasswir es waren, die ihnen diese Bedeutung ga-ben, und dass wir sie jederzeit wieder auf-heben könnten. Und verlieren uns schließ-lich ganz und gar in diesem Narrenspiel mituns selbst.Und im Himmel währenddessen, da sitzen sieund lachen sich krumm und schief über uns.Aber was wissen die da oben denn, das ihnen

das Tor zum lachenden Erwachen öffnet,während unseres noch fest verschlossen ist?Ich werde es euch verraten! Woher ich dasweiß? Ich traf einmal eine von den Lachen-den dort oben hier auf Erden. Sie hat es mirverraten, auf dass das Wissen auch uns hierunten zumindest ein Stück weit aus unseremLeiden befreien möge. Bist du bereit fürdas kosmische Bewusstsein? Hier ist es, dasfünfdimensionale Bewusstsein der Götter!

Ernsthaft und komisch, das sind füruns Sterbliche zwei Gegensätze. Fürdie weise Narafin ist das nicht so.

Sie versteht, dass sich das Leben infünf Dimensionen erfassen lässt

Warum Lachengöttlich ist

EEine tiefschürfendeErörterung des

kosmischen Bewusstseins

VON SABRINA MANSOURI

1. Dimensionentweder

5. DimensionEs ist nicht. Darum ist ES.

3. Dimensionsowohl als auch

2. Dimensionoder

4. Dimensionweder noch

www.connection.de · November-Dezember 11-12/2015 23

ERNSTHAFT KOMISCH

Unser Verstand, zu Hause im zweidimen-sionalen Denken, kommt da nicht mit. Trä-fen wir tatsächlich einen Erwachten in derfünften Dimension, so könnten wir seine Ge-nialität nicht einmal erfassen. Aber vermut-lich würden wir es uns dann leicht machenund einfach sagen: Der ist doch verrückt!Und wir würden uns selbst glauben.Doch die gute Nachricht ist: Man kann seinBewusstsein tatsächlich trainieren. Das Den-ken in Paradoxien ist das Geistestraining, dasunserem meist eher ernsthaften Leben hu-morvoll auf die Sprünge hilft und uns das Torzum lachenden Erwachen öffnet.Also worauf wartet ihr?Eure Narafin

Die Dimension des Friedens

Die erste Dimension heißt entweder, diezweite oder. Bis hierhin kennen wir uns aus,denn das ist unsere Welt der Wahrnehmungvon: Entweder ist es ernsthaft, oder es istkomisch. Entweder der Apfel schmeckt, oderer schmeckt nicht.Die dritte Dimension heißt sowohl als auch.Sie schafft Unglaubliches, denn sie vereintdie Gegensätze zu einer neuen übergeord-neten Wahrheit: Sowohl kann man nun sa-gen, dass mein Leben ernsthaft ist, als auch,dass es komisch ist. Sowohl kann ich sagen,dass der Apfel schmeckt, als auch, dass ernicht schmeckt. Leben wir noch in der Di-mension von entweder oder, also in der Weltvon Krieg und Rechthaberei, innen wieaußen, so katapultiert uns die Einsicht so-wohl als auch bereits in die Dimension desFriedens.

Die Dimension der Freiheit

Erkennen wir nun zusätzlich noch, dass eskeine Rolle spielt, ob der Apfel schmecktoder nicht schmeckt. Dass unser Leben we-der ernst noch komisch ist, weil es auf ein-mal sinnlos wird, Dingen Bedeutung zu ge-ben, dann sind wir schon da: in der vierten

Dimension des Bewusstseins! In der von we-der noch, der Dimension der Freiheit. Wichtig aber ist, diese Dimension nicht mitder Ebene von alles egal zu verwechseln!!!Denn dieser vierten Dimension liegt die tie-fere Erkenntnis zugrunde, dass man wedersagen kann »Es ist«, noch sagen kann »Esist nicht«. Und das ist alles andere als egal!

Es ist nicht, darum ist ES

Bleibt nun noch der Quantensprung unsererBewusstseinsentwicklung hinein in die fünf-te Dimension des humorvollen, paradoxen,kosmischen Bewusstseins von: Es ist nicht,darum ist es!Oder, anders gesagt: Es gibt nichts, was exis -tiert, außer der Existenz!Hier endet die Reise – zumindest für unse-ren Verstand. Für jene, die den Witz über ihrSein, ihr Leben, das Ernsthaftsein und dasKomischsein und über Äpfel entdecken wol-len, geht es hier jedoch erst richtig los! Denndieses humorvolle, paradoxe, komische Be-wusstsein springt permanent im Fünfzack.Es schöpft Alles aus dem Nichts und führtes im Handumdrehen wieder dorthin zurück.Es führt sich selbst immer wieder ad absur-dum.

FLICKR.COM © MATTHEW GRAPENGIESSER

SABRINA MANSOURI,Jg. 84, Butterfly von Ava -tara Devi († 2010), erbtedie heilige Narrenkappeihrer »Divine Mother«.Diese Erbschaft tritt sienun in Dankbarkeit &Liebe an, mit dem Ziel,Menschen über die Ernst -haftigkeit des Lebens hin-

auszuführen. [email protected]

[

Erleuchtet-Sein ist schon eine schöne Sache. Es bedeutet, von 60% desLeidens befreit und dem ewigen Rad der Wiedergeburt entkommen zusein. Zumindest, wenn man das lachende Erwachen über Gut & Böseerreicht hat. Doch es bringt in der dualen Welt, in der man trotzdemweiterhin lebt, auch so einige Nachteile mit sich. Ein Nachteil ist, dassman oft falsch verstanden wird. Insbesondere, was man humorvollmeint, wird oft ernst genommen, während über das Ernstgemeintegelacht wird. Ein weiterer Nachteil ist, dass man keine großen Dramenmehr drehen kann, weil man weiß, es geht immer um nichts. Das hörtsich jetzt nicht so dramatisch an, aber im Alltag ist es manchmal echthinderlich.

Es geht immer um nichtsZum Beispiel kam ich gestern aus dem Keller hoch, da hörte ich ausdem Wohnzimmer meine Jungs singen: »Es schneit, es schneit, … « –»Na?«, sagte da meine innere Stimme, »schneit doch gar nicht! Geh lieber mal nachschauen!«

Doch es schneite wirklich und das nicht nur ein bisschen. Frau Hollemeinte es gut. Frau Holle hieß in diesem Fall Joke, und der hatte diesenPuderzuckerstreubehälter eines bekannten Haushaltswarenherstellersin der Hand. Gerade wollte ich zum großen Donnerwetter ausholen, daerblickte mich mein ältester Sohn und änderte kurzerhand den Song in:

»Es geht immer um nichts, kannst du’s sehen?« Peng, ausgebremst! Aber ganz auf der Nase rumtanzen lasse ich mir nun doch nicht. Ich habdaraufhin den Fernseher genommen und ihn aus dem Fenster geschmis-sen. Und gesungen hab ich dabei natürlich auch: »Es geht immer umnichts, könnt ihr’s sehen?« Seitdem ist Ruhe. Zu wissen, dass es immerum nichts geht, ist halt nicht immer leicht zu ertragen.

… und wir wissen nichtsAuch der Entglaube vom Glauben, der mit dem Erleuchtetsein einher-geht, bringt manche Tücke mit sich. So kam neulich mein Sohn mit derAufgabe zu mir, zu recherchieren, wie der Mensch entstanden ist. Dashaben wir auch gemacht, nur so richtig glauben konnten wir halt keineder Theorien. Also war unser Fazit: Ich weiß nicht. Ein Smiley mitMundwinkel nach unten war der Kommentar des Lehrers dazu. »Meinlieber Sohn«, hab ich da zu meinem recht sensiblen Sohnemann gesagt,»dein Lehrer konnte die Genialität der Aussage einfach nicht erfassen.Doch wir wissen, dass auch er nichts weiß. Dieser Schnösel von Paukerexistiert nicht einmal!« Das hat mein Sohn auch so weitergegeben. Die Genialität dieser Aussagehat der Lehrer dann aber ebenfalls nicht verstanden. Deshalb: Gebt acht, wenn ihr einen Erleuchteten trefft!

Eure Narafin

SATIRE

DIE NACHTEILE DES ERLEUCHTET-SEINS

56 November-Dezember 11-12/2015 · www.connection.de

SPRACHE

erst durch die Begriffe unserer Sprachen entstehen unsere partikularisierten Weltbilder in ihrengängigen ausprägungen, und jeder Sprache entspricht ein anderes Bild von der Welt und andereSprecherpersönlichkeiten. daniel Krasa hat sich schon als Kind auf solche abenteuerreisen inandere Weltbilder und ich-persönlichkeiten begeben. Wolf Schneider traf diesen so lustvollvielsprachigen menschen auf der Buchmesse am Stand eines Sprachlerninstitutes und wurdeneugierig, wie es ist, eine so vielfältig schillernde persönlichkeit zu sein

In uns wohnenviele Ichs

und jedes spricht eine andere Sprache

Wolf Schneider im GeSpräch mit dem multilinGualen SprachforScher daniel KraSa

www.connection.de · November-Dezember 11-12/2015 57

SPRACHE

doch je mehr Kontakt man in der jeweiligenSprache hat, desto mehr wird das neue Ichzur echten zweiten, dritten, vierten Persön-lichkeit.

Demnach musst du eine sehr vielfältig schillerndePersönlichkeit sein! Was zu meiner nächsten Fra-ge führt: In welcher oder welchen Sprachen schil-lerst du am liebsten? Hast du in sprachlicher Hin-sicht ein Heimat-Ich, in dem du dich am wohls -ten fühlst? Oder beflügelt dich vor allem derWechsel, die Lust daran, manchmal »ein ande-rer« zu sein? Du kannst ja, wenn du Heimweh be-kommst, immer zurückkehren in dein Ursprungs-Ich, die Sprache deiner Herkunft, deine Mutter-sprache – falls die es ist, die deiner Persön-lichkeit am meisten entspricht. Jede Sprache, die ich lerne oder mit der ichmich beschäftige, hat eine gewisse Leiden-schaft in mir ausgelöst und mich bereichert.Insofern kann ich nicht sagen, dass ich in ei-ner bestimmten Sprache mehr »ich selbst«bin als in einer anderen, denn es ist ja im Um-kehrschluss eher so, dass mein »ich selbst«mit jeder Sprache neue Formen annimmt.Eine Fremdsprache zu erlernen – speziellwenn man dies in unmittelbarer Nähe zuMuttersprachlern tut – führt unweigerlichdazu, dass man seine Persönlichkeit erwei-tert. Ich bin in verschiedenen Sprachen eine an-dere Person, sprich, ich habe eine andere Mi-mik, Körpersprache, einen anderen Tonfall,aber auch eine andere Art mich auszudrü -cken. So gibt es in bestimmten Kulturkrei-sen rein sprachlich andere Gesetzmäßigkei-ten; etwas, das in der einen Sprache frech,anmaßend oder gar unhöflich klingt, ist diesin einer anderen Sprache vielleicht über-haupt nicht. Daher würde ich eher sagen, dassich für jede Sprache auch ein bisschen in ei-ne andere Rolle schlüpfe, mich aber in alldiesen Rollen wohlfühle, da sie ja Teil mei-ner selbst sind. Natürlich hängt der Grad desWohlfühlens von der Sprachkompetenz ab.So fühle ich mich in meiner Muttersprachemehr »zuhause« als beispielsweise auf Un-garisch, das ich gerade lerne. Doch habe ichverstanden, dass alle diese Rollen mittler-weile zu mir gehören, und das heißt parado-xerweise sogar, dass auch meine Mutter-sprache nicht mehr unweigerlich die ist, inder ich wirklich und ausschließlich ich selbstbin.

Wir sind eben vielfältig. Nicht nur schizophren,in zwei gespalten, sondern polyphren, wir sindviele. Das gilt für alle Menschen, auch die nureinsprachigen, meine ich, aber die Multilingua-len haben den Vorteil, mit jeder weiteren Spra-che den ihr entsprechenden Persönlichkeitsan-teil auf kommunikative, interaktive Weise er-weitern und ausdehnen zu können, und sie ha-ben dabei gleich eine Community, in der sie daspraktizieren können!

allo Daniel, wie kommt es, dass du soviele Sprachen sprichst?Sprache war für mich schon als Kind

wichtig. An einen Moment, an dem diese Lei-denschaft ausgelöst wurde, kann ich michnicht erinnern. In meinem Elternhaus wur-de ausschließlich Hochdeutsch gesprochen,in meinem Umfeld habe ich aber verschie-dene Sprachen und Mundarten gehört. Sohabe ich sehr früh angefangen, die Nuancenzwischen Hochsprache und Dialekt zu un-terscheiden, und es gab immer wieder Mo-mente, wo die Fremdsprachenkenntnisse vonerwachsenen Freunden und Familienmit-gliedern mich sehr beeindruckt haben. Ichhabe mich wohl bereits damals in meinerkindlichen Art unterbewusst dafür entschie -den, dass auch ich in Zukunft mit Menschenaus anderen Ländern in deren Idiom kom-munizieren möchte. In der Schule war meine erste FremdspracheFranzösisch, dann Englisch. Mit etwa 13 fingich an, mich für orientalische Sprachen zu in-teressieren. Zuerst auf eigene Faust, dann mitUnterstützung von muttersprachlichen Pri-vatlehrern begann ich Türkisch und Arabischzu lernen. Dann kam Spanisch dazu, das ichdaraufhin – genau wie Russisch – auch in derSchule gelernt habe. Damit hatte ich eine Ba-sis, die mir auf der einen Seite das Erlernenvieler weiterer Sprachen sehr erleichterte,an dererseits ermöglichte es mir den Blick aufdie Welt von einer sehr speziellen Warteaus. Nach Abschluss meiner Schullaufbahnverfeinerte ich diesen Blick durch Aufent-halte im Ausland und beschäftigte mich da-bei mit einigen weiteren Sprachen. Einige der Sprachen, die ich »vor Ort« gelernthabe, sind sehr tief in meinem Gedächtnis ver-wurzelt; auch bei längerer Nicht-Anwendungverlerne ich sie nie. Es waren auch diese Aus-landsaufenthalte, die mich immer wieder da -rin bestätigt haben, meine Berufung »Spra-chen« zu meinem Beruf zu machen. So pa-radox es auch klingen mag: Sprachenlernenkann abhängig machen! Dieser Abhängig-keit bin ich definitiv verfallen …

Es gibt schlimmere Obsessionen als diese … dubleibst dabei ja weltoffen, neugierig und beweg -lich. Kürzlich habe ich gelesen, dass Multilin-gualität (Mehrsprachigkeit) die Demenz um vie-le Jahre hinauszögert. Bei vier Sprachen fließendangeblich um neun Jahre. Demnach müsstest dumit ungefähr 150 Jahren noch geistig ziemlichfit sein!So kann man es natürlich auch sehen. Dochehrlich gesagt tun mir jetzt schon diejeni-gen leid, die sich mal um mich kümmern müs-sen. Denn sollte ich anfangen, die verschie-denen Sprachen durcheinanderzubringen,bräuch te es ja eine Heerschar von Kranken -schwes tern aus verschiedensten Ländern, umzu wissen, ob ich Kamillen- oder Pfeffer-minztee möchte. Spaß beiseite! Sprachensind – wie vieles andere natürlich auch – ei-

ne großartige Möglichkeit, um geistig fit zubleiben. Was habe ich gerade gesagt?

(lacht) … vielleicht ist ja auch der Humor et-was, das durch die Vielsprachigkeit gefördertwird. Und was mich daran auch noch sehr inter-essiert, sogar noch mehr als wie alt ich damitwerden kann, ist der Wechsel der Persönlichkeitbeim Wechseln von einer Sprache in eine ande-re. Wenn du in ein anderes Sprachuniversum ein-tauchst, nimmst du mit den Begriffen und Idio-men ja auch die Gefühlswelt dieser Kultur aufund wirst so gewissermaßen ein anderer.Ja, absolut! Das fasziniert auch mich extrem.Jede Sprache, mit der ich mich beschäftigthabe, habe ich am liebsten im Land selbergelernt. Das führt unweigerlich dazu, dassman Nuancen der Art und Weise annimmt,wie die Muttersprachler miteinander umge-hen und kommunizieren. Man macht sie nachund merkt dabei, dass man damit sogar bes-ser verstanden wird, denn jede Sprache spie-gelt ja eine gewisse kulturelle Einheit wi-der, die sich natürlich durch ganz verschie-dene Dinge auszeichnet. Beim Sprachenlernen wird oft gefragt, wasdenn wichtiger sei, die Grammatik oder die

Aussprache. Die Antwort ist einfach: Es istdie Aussprache! Denn selbst wenn ich sage»Ich gehen zur Krankenhaus«, versteht jeder,was ich meine. Spreche ich hingegen un -deutlich, versteht mich keiner, auch wenn ichdabei grammatikalisch korrekt bin. Dochauch der kulturelle Rahmen, die Mentalitätder Sprecher und deren Gestik und Mimikspielen eine enorme Rolle dabei, wie gut manverstanden wird. Bei einigen ost- und südost -asiatischen Sprachen ist das sogar eine derVoraussetzungen, um überhaupt verstandenzu werden. Insofern stimmt es, dass mit je-der Sprache auch ein neues »Ich« entsteht.Anfangs schauspielert man vielleicht noch,

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Mit jeder Sprache

entsteht auch ein neues

»Ich«. Anfangs

schauspielert man

vielleicht noch,

doch bald wird das

neue Ich zur echten

zweiten, dritten,

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58 November-Dezember 11-12/2015 · www.connection.de

Jetzt habe ich noch eine Frage zu dem Wechselzwischen Sprachen, den du beim Übersetzen,insbesondere beim Dolmetschen erlebst. Mansagt ja, das Wesentliche an der Musik sei dieStille zwischen den Tönen. Vielleicht ist es auchbeim Wechsel der Persönlichkeit von einer Spra-che in die andere so, dass wir dabei ein Nie-mandsland durchlaufen. Einen Raum, in dem wirniemand sind, charakterlos, und erst wenn wirmit dem übersetzten Wort oder Satz in der an-deren Sprache wieder auftauchen, sind wirwieder jemand – eben jener Jemand, der unse-rer Persönlichkeit in dieser Sprache entspricht.Erlebst du das auch so?Ja, doch muss ich dazu nochmals wiederho-len, dass ich mich in all meinen Persönlich-keiten wohlfühle, also nicht bemüht bin, auseiner in eine andere zu kommen. Dennochgibt es sicher Teile in mir, die stärker sindals andere. Das macht sich auch dann be-merkbar, wenn ich zwei oder mehrere Spra-chen parallel spreche. So kann der »auf-brausende Italiener« mit den fuchtelndenHänden durchaus auch noch zwei Sätze spä-ter im Englischen sehr präsent sein. Das Nie-mandsland, das du benennst, kenne ich zwar,nehme es aber nicht so aktiv wahr, da ich jadie Persönlichkeiten verinnerlicht habe undsie Teil von mir sind, ich also entsprechend– anders als vielleicht ein Schauspieler, derin einem Ein-Mann-Stück mehrere Rollen

spielt – nicht innehalten muss, um mir diekommende »Rolle« wieder einzuverleiben.Doch bin ich auch kein Dolmetscher, oderdas nur sporadisch und dann eher auf einersemiprofessionellen Ebene. Somit sind dieSituationen, in denen ich mehrgleisig Spra-chen benutze, eher selten und daher auch

die Momente zwischen zwei Idiomen nichtso präsent. Interessanterweise bin ich ohne Sprachennicht ich. Selbst wenn ich nicht rede, so den-ke ich doch auch immer wieder in Fremd-sprachen, träume darin, schimpfe im Autound mache mir sogar beim Einkaufen Noti-zen in verschiedenen Sprachen, eben weilmir das ein oder andere gerade zum Beispielauf Hindi, Portugiesisch oder Arabisch ein-fällt.

Lustig: innere Dialoge und Einkaufsnotizen aufHindi und Arabisch! Weniger stark und mehr imEuropäischen kenne ich das auch. Da ich vieleTherapiegruppen erlebt habe, in denen sehr emo-tional auf Englisch interagiert wurde, kommenmir in manchen emotional geladenen zwischen -menschlichen Situationen eher englische Sen-tenzen in den Sinn. Früher waren es auch öfters

französische – als Jugendlicher war das für micheine Flucht- und Exilsprache. Ich möchte nochmal kurz bei dem Wechsel voneiner Sprache in die andere bleiben, den ja auchNicht-Dolmetscher erleben, und der auch beimWechsel zwischen Dialekt und Hochsprachegeschieht. Hast du den Eindruck, dass die Zwi-schenräume zwischen den Sprachpersönlich-keiten für dich präsenter oder spürbarer sindals für einen Einsprachigen? Sei es, weil du öf-ter wechselst oder durch die große Vielfalt des-sen, »wer du bist«, sonst gar kein Zuhause hät-test?Ich kann mir mich selbst natürlich gar nichtmehr als Einsprachigen denken. Doch genauwie du sagst, es gibt sowas wie Einsprachig-keit eigentlich sowieso nicht, denn wir sindja alle mehrsprachig, sei es durch Hoch-sprache und Dialekt, aber auch durch die vie-len Sprachregister (mündlich und schrift-

SPRACHE

Selbst wenn ich nicht

rede, so denke ich

doch auch immer wieder

in Fremdsprachen.

Ich träume darin,

schimpfe im Auto

und mache mir sogar

beim Einkaufen

Notizen auf Hindi,

Portugiesisch oder

Arabisch

»polyglott« (von griech. poly, viele, und glotta, Zunge, Sprache) heißt dasselbe wie multi-

lingual (von lat. multi, viele, und lingua, Zunge, Sprache). daniel Krasas hauptinteresse gilt

den nord indischen und semitischen Sprachen. Während seiner Studien in indien und

Jordanien hat er sich vorrangig auf arabisch, hindi, urdu und marathi spezialisiert.

daneben spricht er englisch, französisch, Spanisch, italienisch, portugiesisch, russisch,

hebräisch, türkisch, hochchinesisch, thai, indonesisch/malaiisch und manche weitere

Sprache. derzeit befasst er sich u. a. mit ungarisch, Serbisch und Zulu. Von ihm sind viele

Sprachlehrbücher und reiseführer erschienen.

POLYGLOTT

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www.connection.de · November-Dezember 11-12/2015 59

lich), derer wir uns ständig bedienen, z. B.im Gespräch mit einem Freund in der Baroder auf einem Vortrag vor illustrer Runde,bei schnell mal getippter WhatsApp-Nach-richt oder einem Bewerbungsanschreiben.Dennoch bin ich wahrscheinlich häufiger inder Situation dieses Switchens, möglicher-weise auch intensiver als viele andere, da sichdie Aura einer jeden Sprache doch enormvon denen der anderen Sprachen unter-scheidet. Ich nehme die Zwischenräumewahrscheinlich v. a. unterbewusst wahr. Klarbleibe ich manchmal in einer Persönlichkeit»hängen«, bevor ich zur nächsten komme.Was da genau im Gehirn passiert, kann ichnicht sagen, doch es fühlt sich für mich soan, als hätte ich einen Schubladenschrank,bei dem eine Schublade geschlossen wer-den muss, bevor ich die nächste öffne. Mit einer Sprache, die ich lange nicht ge-sprochen habe, ist es dann so, als würde icheine Schublade, die ich schon fast vergessenhatte und die inzwischen ein bisschen ver-staubt ist, wieder einmal öffnen. Wenn ichdann anfange darin zu suchen und zu stö-bern, fällt mir alles wieder ein, und so kommtdann auch die entsprechende Sprachfähig-keit zurück. Der Impuls, die Schublade zuöffnen, kommt hier zum Beispiel durch einspontanes Treffen mit einem Menschen, dermich in seiner Muttersprache anspricht.Dann bleibe ich manchmal erst einmal hän-gen und muss mich sammeln, ehe ich ihm ant-worten kann.

Nun noch eine Frage zu Esperanto, einer Spra-che, die Ende des 19. Jahrhunderts von dem Po-len Ludwik Lejzer Zamenhof erfunden wurde. Erwollte durch diese Kunstsprache die Verständi-gung der Menschen der Welt untereinander er-leichtern, ohne dass die weniger hegemonialenSprachen der Welt der Dominanz einer Welt-sprache nachgeben und diese mit allen ihrenSchwächen unverändert übernehmen müssen. Esperanto setzt sich aus einem Vokabular zusam -men, das vor allem den romanischen Sprachenentnommen ist, aber auch vielen germanischenund slawischen. Wurzeln außereuropäischerSprachen kommen dort kaum vor, das entsprichtder damaligen Dominanz der europäischen Län-der, die den Rest der Welt weitgehend kolonia-lisiert hatten. Es basiert auf einer Grammatik, dieversucht, sehr einfach zu sein, und die Schreib-weise entspricht immer der Sprechweise. Beidessollte das Lernen erleichtern, ohne den Aus-drucksreichtum einzuschränken. Damals warEnglisch noch nicht annähernd in dem MaßeWeltsprache wie heute; Französisch, Spanisch,Deutsch, Russisch und andere Sprachen hattengroßen Einfluss. Trotzdem konnte sich Esperan-to nicht durchsetzen. Warum, glaubst du, ge-lang das nicht? Der Anspruch von Esperanto war, eine Verstän-digung der Weltbürger untereinander zu errei-chen, ohne sich der Dominanz der mächtigstenSprache unterwerfen zu müssen. Heute gibt es

Versuche, Weltfrieden zu erreichen durch Eini-gung auf eine allgemein akzeptierte (religiöseoder profane) Kultur, ohne sich dabei der Kulturunterwerfen zu müssen, die aus wirtschaftli-chen Gründen die mächtigste ist, obwohl ethi-sche Gründe für eine andere Art der Kultur spre-chen würden. Siehst du hier eine Parallele zu derHoffnung, die Esperanto damals auslöste?Ob Esperanto ein Erfolg war oder nicht, lässtsich nicht ohne Weiteres beantworten. Natür-lich hatte es nicht den Erfolg, den sich Za-menhof gewünscht hatte, und es hat erst recht

nicht die ehemaligen Kolonialsprachen alsüberregionale Verkehrssprachen ersetzenkönnen. Doch bis heute erfreut sich die Spra-che aktiver Sprecher, darunter mittlerweilesogar einiger, die Esperanto als Mutterspra-che sprechen. Und der Spirit lebt in denGruppen, ihren Foren und auf ihren Konfe-renzen weiter. Zamenhofs Ambition, dass Esperanto dieneue, neutrale Weltsprache werden könnte,die hat sich nicht verwirklicht. Dies hat wohlmehrere Gründe. Esperanto entstand in ei-ner Zeit, in der weltweit ein Trend zum Na-tionalismus herrschte. Zamenhof starb 1917,also noch während des Ersten Weltkriegs.Sein Leben war geprägt von Konflikten zwi-schen den Großmächten, aber auch von denIdeen der Herausbildung neuer National-staaten, die damit zu tun hatten, ihre eigeneIdentität (auch oder vor allem sprachlich) zukreieren. In dieser düsteren Periode der Eu-ropäischen Geschichte an Völkerverbindungund überregionale Verständigung zu denken,war eine unglaubliche Pionierarbeit. Ichglaube, sie kam einfach zu spät. Die Bereitschaft für ein gemeinsames Kom-munikationsmittel war damals fast aus-nahmslos in intellektuellen Kreisen Europas

vorhanden. Die Regierungen der Groß -mächte hingegen, aber auch die der Staa-ten, die zum Beispiel durch das Auseinan-derbrechen Österreich-Ungarns oder desOsmanischen Reiches entstanden und durchdie Neubildung des Balkan – die predigtenAbgrenzung und Nationalismus. Und auchin den anderen Kontinenten entstand damalsgerade das Aufbegehren gegen die Kolonial -mächte und damit auch das Besinnen aufeine eigene, nicht-europäische Kultur. Manbemühte sich, einheimische Sprachen wieArabisch, Hindustani, Chinesisch und an-dere als bindendes Element im Widerstandgegen die fremden Herrscher einzusetzen. Und wie du schon sagtest: Esperanto ist lei-der doch noch sehr europäisch in seinem Sy-stem und Wortschatz. Als letzter Faktorkommt wohl noch dazu, dass Zamenhof Ju-de war und aus Polen kam, das damals zumRussischen Reich gehörte. Er hatte schondeshalb nicht den Rückhalt von offiziellerSeite, was seine Arbeit unterstützt hätte.Zwar gab es bereits um 1900 Vereine undKonferenzen, die Esperanto im großen Stilpropagierten, doch die staatliche Anerken-nung blieb aus.Ich habe mich mit sehr vielen Sprachen be-fasst und bin ein großer Fan ost- und südost -asiatischer Idiome wie Indonesisch-Malai-isch oder Thai und Hochchinesisch, denn die-se Sprachen sind in ihrem Aufbau und in ih-rer Grammatik extrem einfach, viel einfa-cher als Esperanto. Wobei z.B. Thai undHoch chinesisch zwar von der Grammatikher einfach sind, von der Aussprache und denSchriftsystemen her aber nicht. Vielleicht kann der großartige Gedanke desEsperanto ja doch noch weitergedacht wer-den und auf lange Zeit eine wirkliche Welt-sprache mit Einflüssen aller Sprachfamilienbilden. Diese Idee ist in meinen Augen aufjeden Fall schöner, als dass wir bald alle nurnoch durch Übersetzungs-Apps miteinanderkommunizieren.

Connection Spirit 9–10/2015 befasst sich in einem 36Seiten langen Schwerpunkt damit, »Wie Sprache Weltenerschafft«. das heft ist noch erhältlich, sowohl als printwie als pdf, und kostet 9 €. Zu bestellen über [email protected].

SPRACHE

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Vielleicht kann der

großartige Gedanke

des Esperanto doch noch

weitergedacht werden

und eine wirkliche

Weltsprache mit

Einflüssen aller

Sprachfamilien bilden

daniel KraSa ist freibe-ruflicher autor von zahlrei-chen Konversations- undlehrbüchern zu diversenSprachen, aber auch vonreiseführern. er befasstsich mit über 30 Sprachenund spricht mehr als diehälfte davon fließ[email protected]