Teilhabe in Arbeit - Alte Oelmuehle · Magdeburg vorstellen. Ein Praktikum ab Herbst wurde in...
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Rehabilitationsfachklinik Alte Ölmühle
Teilhabe in ArbeitArbeitsorientierte Rehabilitation bei Suchterkrankungen
Der „Reha-Check“ – Beispiele aus der sozialmedizinischen Sprechstunde
Gesetzliche Grundlagen Reha-Check Beispiele aus der Praxis
G. Friedrichs
18. Magdeburger Fachtagung zur Suchttherapie am 16.10.2013
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Gesetzliche Grundlagen
1. Vereinbarung „Abhängigkeitserkrankungen“ vom 4. Mai 2001
2. SGB VI (Aufgabe der Rehabilitation)
3. SGB IX (Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben)
G. Friedrichs
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§2 der Vereinbarung Abhängigkeitserkrankungen
Ziele der medizinischen Rehabilitation:
Abstinenz zu erreichen und zu erhalten
Körperliche und seelische Störungen weitgehend zu beheben oder auszugleichen
Die Eingliederung in Arbeit, Beruf und Gesellschaft möglichst dauerhaft zu erhalten bzw. zu erreichen
G. Friedrichs
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Auszug aus §9 SGB VI
Aufgabe der Rehabilitation
(1) Die RV erbringt Leistungen zur medizinischen Rehabilitation, Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben sowie ergänzende Leistungen, um
1. den Auswirkungen einer Krankheit oder einer körperlichen, geistigen oder seelischen Behinderung auf die Erwerbsfähigkeit der Versicherten entgegenzuwirken oder sie zu überwinden und
2. dadurch Beeinträchtigungen der Erwerbsfähigkeit der Versicherten oder ihr vorzeitiges Ausscheiden aus dem Erwerbsleben zu verhindern oder sie möglichst dauerhaft in das Erwerbsleben wiedereinzugliedern
G. Friedrichs
G. Friedrichs 5
Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben
(1) Zur Teilhabe am Arbeitsleben werden die erforderlichen Leistungen erbracht, um die Erwerbsfähigkeit behinderter oder von Behinderung bedrohter Menschen entsprechend ihrer Leistungsfähigkeit zu erhalten, zu verbessern, herzustellen oder wiederherzustellen und ihre Teilhabe am Arbeitsleben möglichst auf Dauer zu sichern.
§ 33 SGB IX
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Forderung der DRV (Bund und Länder):
Enge Verzahnung von medizinischen und beruflichen Reha-Maßnahmen
Erkennen beruflicher Problemlagen
Arbeits- und Berufskontext des Rehabilitanden gezielt einbeziehen
Hemmende und fördernde Kontextfaktoren auf der personenbezogenen Ebene und in Bezug auf Arbeitsplatzsituation analysieren
Betrachtung aus verschiedenen Blickwinkeln (fachübergreifend)
Hilfsmöglichkeiten aufzeigen
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Hemmende Kontextfaktoren:
Ungünstige Krankheitsbewältigungsstrategien
Psychische Komorbiditäten
Geringe Motivation
Versorgungswünsche
Niedriger Bildungsstatus (fehlender Schul- oder Berufsschulabschluss)
Ungünstige Arbeitsbedingungen
Schlechtes Arbeitsklima
Lange AU-Zeiten etc.
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Fördernde Kontextfaktoren:
Positive Krankheitsbewältigung
Hohe Selbstwirksamkeit und Eigenverantwortlichkeit
Hoher Bildungsstand, Fachkompetenz
Aktiver Lebensstil
Unterstützung durch Angehörige
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„Reha-Check“ (sozialmedizinische Sprechstunde)
eingeführt im Frühjahr 2009
Leitung durch Chefarzt oder Oberärztin
Stationsärztin, Gruppentherapeut, Ergotherapeut, Arbeitstherapeut, Sport-/Bewegungstherapeut nehmen teil oder leisten Zuarbeit
Zunächst Einzelberatung im Gruppenverband, jetzt ausschließlich Einzelberatung
Aufgaben: Erkennen beruflicher Problemlagen sowie hemmender und fördernder Kontextfaktoren, Aufzeigen konkreter Hilfsangebote
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„Reha-Check“ - Inhalt/Ablauf:
1. Arzt informiert über bisher erhobene objektive Befunde wie Labor, EKG, Sonographie, Spirometrie und erläutert die daraus resultierenden Leistungseinschränkungen
2. Therapeuten informieren über Beobachtungen, Testergebnisse und funktionelle Störungen
3. Abgleich mit Anforderungen in letzter Tätigkeit oder Bezugstätigkeit
4. Ressourcen / Defizite benennen, erläutern
5. Empfehlungen (z. B. spezielles Funktionstraining, LTA, Adaption, internes oder externes Praktikum …)
G. Friedrichs
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Berufliche Situation
Letzte Tätigkeit:
Arbeitslosigkeit seit:
Berentung seit:
In Anstellung seit:
Eigeneinschätzung
Fremdeinschätzung durch Gruppentherapeut/in
Fremdeinschätzung durch Sporttherapie
Fremdeinschätzung durch Ergotherapie
Fremdeinschätzung durch Arzt
___________________
Unterschrift Arzt
Rehabilitand : Gruppe:
Arzt: Datum:
So sieht das neu entwickelte Formular aus:
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Eigeneinschätzung: Ich fühle mich fit und möchte arbeiten. Einschränkungen habe ich nicht, ich traue mir alles zu.
Fremdeinschätzung durch Gruppentherapeut/in:Gut motiviert, aber unkonzentriert und leicht ablenkbar in der Gruppenstunde. Verdacht auf kognitive Einschränkungen.
Fremdeinschätzung durch ErgotherapeutGute Arbeitsplanung, Feinmotorik und Kraftentfaltung ungestört, schwatzhaft, nimmt sich (oder benötigt?) außerplanmäßige Pausen
Fremdeinschätzung durch ArztKognitive Defizite nach SHT III°, kognitive Testung erforderlich, danach Entscheidung über Praktikum, Beantragung GdB empfohlen
Beispiel aus sozialmedizinischer Sprechstunde (aktueller Patient)
Fremdeinschätzung durch SporttherapeutinSehr interessiert und aufgeschlossen; wirkt gut motiviert; läuft vor dem Frühsport noch ca. 20 min um den Platz, um sich warm zu machen; Kraft- und Ausdauerniveau gut ausgeprägt; im koordinativen Bereich nur leichte Defizite erkennbar; im Kontakt zugewandt und freundlich
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Jetzt folgen konkrete Beispiele aus der Praxis aus den Jahren 2009 bis 2013 (vor und nach Einführung Reha-Check)
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Beispiel 1 (vor Reha-Check)
Berufsanamnese:1986 – 1994 Schulausbildung, Abschluss 10. Klasse1994 – 1997 Ausbildung zum Heizungs- und Lüftungsbauer1998 – 2004 Tätigkeit als Anlagenführer bei Volkswagen2004 – 2006 ½jährige Ausbildung zum Pflegediensthelfer2006 – 2007 Tätigkeit als Pflegediensthelfer
Seit 2007 Tätigkeit im Gästeservice eines Hotels (einschl. Gastronomie)
Herr G., 30 Jahre altReha vom 26.11.08 bis 04.03.2009Hauptdiagnose: Alkoholabhängigkeit
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Wunsch des Rehabilitanden: Ausbildung zum Ergotherapeuten
Empfehlung der Reha-Fachberaterin: vorhandene Kompetenzen und Ressourcen nutzen (war Pflegediensthelfer)
Antrag auf LTA wurde nach erfolgreichem Abschluss der Langzeittherapie gestellt, Antrag wurde von DRV bewilligt.
Ergebnis:Herr G. absolvierte eine Umschulung im sozialen Bereich und ist als Betreuer in einer WfbM tätig.
Beispiel 1
Beratung zu LTA am 03.03.2009 durch Reha-Fachberaterin der DRV Mitteldeutschland
Herr G.
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Beispiel 2 (vor Reha-Check)
Herr J., 44 Jahre alt, ledigReha vom 28.05. bis 20.08.2009Hauptdiagnose: Alkoholabhängigkeit
Berufsanamnese1971 – 1981 Schulausbildung, Abschluss 10. Klasse1981 – 1983 Lehre zum Koch1983 – 1989 Armeezeit1990 – 1992 Tätigkeit als Koch1992 – 1994 Tätigkeit als Schlachter1994 – 1997 arbeitsuchend, mehrere Nebenjobs1997 – 2002 Tätigkeit als Kochseit 2002 arbeitsuchend, mehrere ABM
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Beispiel 2 Herr J.
Beratung zu LTA am 01.07.2009 und am 11.08.2009
Empfehlung: nach Entlassung Antrag auf LTA stellen
Ergebnis: LTA bewilligt, Maßnahme begonnen und vorzeitig vom Rehabilitanden abgebrochen
Rückfall?? Es liegen keine Informationen vor.
Vor Reha zeitweise Obdachlosigkeit, Verlust von Freunden, Verlust der Partnerin, erhebliche gesundheitliche Probleme
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Beispiel 3 (nach Einführung Reha-Check)
Berufsanamnese:1976 - 1986 10. Klasse Schulabschluss 1986 - 1988 Berufsausbildung Bäcker/Konditor mit Abschluss1988 - 1990 als Bäckerin/Konditorin gearbeitet1990 - 1994 selbstständige Imbissverkäuferin1994 - 1996 kaufmännische Angestellte1996 - 2005 Büroangestellte
2009 Umschulung Altenpflege begonnen, Abbruch 10/2010 wegen der Suchterkrankung (Kostenträger war Agentur für Arbeit)
Frau A., 41 Jahre alt, geschiedenReha vom 11.01. bis 04.05.11 (stationär und Tagesklinik)Hauptdiagnose: Alkoholabhängigkeit
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Beispiel 3 Frau A.
Reha-Check am 18.01.2011:Bezugstherapeutin, Sport- und Ergotherapeuten sahen keine Leistungseinschränkungen, Rehabilitandin möchte Ausbildung fortsetzenEmpfehlung: Beratung durch Reha-FB der DRV in Anspruch nehmen
Beratung zu LTA am 02.02.2011:Kein Anspruch auf LTA über DRVEmpfehlung: Antrag auf Wiederaufnahme der Ausbildung an Job-Center stellen
Ergebnis: Ausbildung wurde fortgesetzt und erfolgreich abgeschlossen, anschl. wurde sie in ein festes Arbeitsverhältnis übernommen.
Bis heute als Altenpflegerin tätig. Zufrieden mit ihrem Arbeitsplatz.
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Beispiel 4 (nach Einführung Reha-Check)
Herr G., 41 Jahre alt, geschiedenReha vom 16.01. bis 08.05.2013 (stationär und Tagesklinik)Hauptdiagnose: Alkoholabhängigkeit
Wesentliche Folge- und Begleiterkrankungen
1981 Arbeitsunfall als Tischler mit Verlust des zweiten, dritten und viertenFingers links
2005 Hüft-TEP links
2010 spontane BWK 7-Fraktur in Folge von Osteoporose, operativ stabilisiert
2009 Diabetes mellitus entdeckt, inzwischen insulinpflichtig
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Beispiel 4 Herr G.
Berufsanamnese
1969 – 1979 POS 10. Klasse
1979 – 1982 Lehre als Bautischler
1982 – 1990 Tischler
1991 Weiterbildung geprüfter Werkspolier Hochbau
1991 – 2010 Montagetätigkeit als Tischler
Seit 2010 arbeitslos
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Beispiel 4 Herr G.
Reha-Check am 11.04.13:
übereinstimmend festgestellt, dass letzte Tätigkeit als Tischler nicht mehr verrichtet werden kann
Berufliche Neuorientierung dringend empfohlen
Beratung zu LTA-Möglichkeiten vereinbart
G. Friedrichs 23
Beispiel 4 Herr G.
Reha-Fachberatung am 03.04.2013 durch Reha-Fachberaterin der DRV Mitteldeutschland: Frau Hogrefe teilt mit, dass Herr G. bereits als LTA-Fall anerkannt wurde. Bewilligungsbescheid noch gültig.
Empfehlung: ca. 3 Wochen nach Entlassung in der Dienststelle Magdeburg vorstellen. Ein Praktikum ab Herbst wurde in Aussicht gestellt.
Ergebnis: Eingliederungshilfe (Lohnzuschuss) bewilligt
Als Vorarbeiter in einem Reinigungsunternehmen tätig
Unbefristeter Arbeitsvertrag
Sehr zufrieden mit dem Arbeitsplatz
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Beispiel 5Herr M., 48 Jahre alt, geschieden Reha vom 14.08.2012 bis 26.03.2013 (stationär und Adaption)Hauptdiagnose: Alkoholabhängigkeit
Folge- und Begleiterkrankungen:
Anankastische Persönlichkeitsstörung Zwangsstörung (Kontrollzwänge) Sprechstörung depressive Episoden rezidivierende Rückenschmerzen bei Osteoporose
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Beispiel 5 Herr M.
Berufsanamnese:
1970-1980 Schulbesuch, Schulabschluss 10. Klasse POS
1980-1982 Berufsausbildung mit Abschluss Baumaschinist FA
1982-1989 Baumaschinist
1989-2009 Straßenbauer
Bis 03/2012 Nebentätigkeit im Hausmeisterservice
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Herr M.
Berufliche Situation
letzte Tätigkeit: Nebentätigkeit (Hausmeisterservice)
Arbeitslosigkeit seit: 16.08.2009
Eigeneinschätzung
Traut sich wegen Rückenschmerzen keine schweren Arbeiten zu
Fremdeinschätzung durch Gruppentherapeut/in
Ängste, Zwangshandlungen, zwanghaftes Reden
Fremdeinschätzung durch Sporttherapie
Ist sehr motiviert; rege Teilnahme an Rückenschule (generell am 8:30 Uhr Sportangebot); leichte Konzentrationsschwäche, bei
Übungsausführung jedoch sehr konzentriert, Ausdauer- und Kraftniveau unauffällig; im Bereich der Koordination sind keine Defizite
erkennbar
Fremdeinschätzung durch Ergotherapie
Redet viel (Tendenz fallend), ist aktiv und Motivation ist zu erkennen. Ausdauer, Konzentration sowie Feinmotorik auf gutem Niveau. Gute
Arbeitsplanung und sehr sorgfältige Ausführung. Eine Gruppenarbeit würde ich befürworten um einen Rückzug in die eigene Arbeit
entgegegzuwirken.
Fremdeinschätzung durch Arzt
Wechselnder Körperhaltung, ohne Nachtschichten, ohne Zwangshaltungen, ohne Zeitdruck, ohne Akkordarbeit und ohne ständigen
Publikumsverkehr
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Fazit aus Reha-Check:
letzte Tätigkeit als Hausmeister weiterhin möglich
größtes Problem (Vermittlungshemmnis) ist Sprechstörung in Form eines stark gesteigerten Sprechtempos (für Zuhörer sehr schwer, ihn zu verstehen und ihm zuzuhören)
Perspektivisch wird Tätigkeitsfeld empfohlen, in dem er nicht häufig kommunizieren muss
Beispiel 5 Herr M.
Adaption zur Belastungserprobung und Vorbereitung der beruflichen und sozialen Wiedereingliederung
28G. Friedrichs
Post von Herrn M. (vor einer Woche eingegangen)
G. Friedrichs 29
Vielen Dank fürs Zuhören und für Ihr Interesse!
Für Fragen stehe ich gern zur Verfügung.