Test Urbino 12 Electric Wie gut ist der Solaris-Stromer? · 2020. 2. 3. · Sie baut kompakt und...

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10 Bus-Fahrt 2|2020 Test_Urbino 12 Electric Wie gut ist der Solaris-Stromer? Der polnische Elektrobus hat sich bereits in vielen Fuhrparks vorgestellt. Jetzt nach einer gezielten Modellpflege gehen drei Urbino Electric beim Busbetrieb Ettenhuber an den Start. Wir nutzen die Gelegenheit für einen Härtetest. V olle Schlagzahl Richtung E-Mo- bilität. Hatten wir in der Januar- Busfahrt-Ausgabe den E-Citaro von Mercedes auf Herz und Nieren geprüft, durfte sich gleich anschließend der So- laris Urbino 12 Electric im Großstadtge- tümmel bewähren. Wir hatten Glück, im Münchner Raum hat das Unternehmen Ettenhuber drei elektrische Urbinos in Betrieb genommen. Und einen davon stellten uns Ettenhuber und Solaris für Testfahrten zur Verfügung, wie es sich gehört: Ballastiert und mit Messgeräten versehen. Aber ein paar Zeilen ist uns der Um- stand, dass ein privater Mittelständler mit Elektrobussen vorprescht, schon wert. Der Busbetrieb Ettenhuber bedient als Familienunternehmen die MVV-Regi- onalbuslinie 232 mit elektrischen Fahr- zeugen – und zwar ganztags im 20-Mi- nutentakt. Die Linie wird aktuell auf den Betrieb mit Elektrobussen umgestellt, an diesem Projekt wirken zahlreiche Part- ner wie der Münchner Verkehrs-Verbund (MVV), Landratsamt und weitere Betei- ligte mit. Der Gewinner der Ausschrei- bung, Ettenhuber eben, arbeitet nicht nur bei diesem Vorhaben gern mit Solaris zusammen. Der polnische Hersteller hat sich gesamtheitlich um die Umsetzung gekümmert, „….da passt einfach alles“, sagt der Geschäftsführer Josef Ettenhu- ber. Wir konnten uns ein Bild davon ma- chen. Bei der Gretchenfrage vorab nach der Reichweite des Antriebs verweigern die Testbegleiter von Solaris die Benen- nung einer Zahl. Obwohl es natürlich die Kennziffer ist, um die sich derzeit alles rankt. Irgendwie ist ihnen die Frage zu einfach, sie schränken ein und sagen „….. es kommt darauf an,….“ und benennen zahlreiche Einflussgrößen. Na klar, es sind Vollbluttechniker, die vollmundige Marketingparolen nicht so schätzen. Und sie haben zweifelsohne recht – wie wir später noch sehen werden – für den Ener- gieverbrauch von Elektrobussen gelten ganz eigene Regeln. Plug and play Aber grundsätzliche Skepsis ist bei ei- nem Produkt wie dem Urbino Electric nicht angebracht. Er wird ja bereits seit drei Jahren produziert und hat sich in vielen europäischen Städten Meriten verdient. Nicht umsonst gilt Solaris im Segment der Elektrobusse als Markt- führer. Das polnische Unternehmen mit spanischem Eigentümer verweist auch auf volle Auftragsbücher, trotz neuer Wettbewerber scheint sich der Erfolg zu verstetigen. So mussten wir diesmal auch keine Handstände unternehmen, um die pas- sende Ladeinfrastruktur zu finden. Am Ettenhuber-Betriebshof in Feldkirchen an die richtige Ladesäule rangieren, ein- fach anstecken – plug and play. Der Fah- rer oder Bediener wird per Display durch den Ladeprozess begleitet, mit etwas Anleitung klappt es auf Anhieb. Für eine Handvoll Elektrobusse eine praktikable Lösung, für eine große Flotte empfiehlt sich die Pantografenlösung. Konfektionsware im Test: Der Solaris Urbino 12 Electric im MVV-Trimm macht im Linieneinsatz eine gute Figur. Drei baugleiche Elektrobusse mit Ladeinfrastruktur für Ettenhuber, zwei haben Pause: Ein Urbino Electric steht uns als Testbus zur Verfügung.

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10 Bus-Fahrt 2|2020

Test_Urbino 12 Electric

Wie gut ist der Solaris-Stromer?Der polnische Elektrobus hat sich bereits in vielen Fuhrparks vorgestellt. Jetzt nach einer gezielten Modellpflege gehen drei Urbino Electric beim Busbetrieb Ettenhuber an den Start. Wir nutzen die Gelegenheit für einen Härtetest.

Volle Schlagzahl Richtung E-Mo-bilität. Hatten wir in der Januar-Busfahrt-Ausgabe den E-Citaro von

Mercedes auf Herz und Nieren geprüft, durfte sich gleich anschließend der So-laris Urbino 12 Electric im Großstadtge-tümmel bewähren. Wir hatten Glück, im Münchner Raum hat das Unternehmen Ettenhuber drei elektrische Urbinos in Betrieb genommen. Und einen davon stellten uns Ettenhuber und Solaris für Testfahrten zur Verfügung, wie es sich gehört: Ballastiert und mit Messgeräten versehen.

Aber ein paar Zeilen ist uns der Um-stand, dass ein privater Mittelständler mit Elektrobussen vorprescht, schon wert. Der Busbetrieb Ettenhuber bedient als Familienunternehmen die MVV-Regi-onalbuslinie 232 mit elektrischen Fahr-zeugen – und zwar ganztags im 20-Mi-nutentakt. Die Linie wird aktuell auf den Betrieb mit Elektrobussen umgestellt, an diesem Projekt wirken zahlreiche Part-ner wie der Münchner Verkehrs-Verbund

(MVV), Landratsamt und weitere Betei-ligte mit. Der Gewinner der Ausschrei-bung, Ettenhuber eben, arbeitet nicht nur bei diesem Vorhaben gern mit Solaris zusammen. Der polnische Hersteller hat sich gesamtheitlich um die Umsetzung gekümmert, „….da passt einfach alles“, sagt der Geschäftsführer Josef Ettenhu-ber. Wir konnten uns ein Bild davon ma-chen.

Bei der Gretchenfrage vorab nach der Reichweite des Antriebs verweigern die Testbegleiter von Solaris die Benen-nung einer Zahl. Obwohl es natürlich die Kennziffer ist, um die sich derzeit alles rankt. Irgendwie ist ihnen die Frage zu einfach, sie schränken ein und sagen „…..es kommt darauf an,….“ und benennen zahlreiche Einflussgrößen. Na klar, es sind Vollbluttechniker, die vollmundige Marketingparolen nicht so schätzen. Und sie haben zweifelsohne recht – wie wir später noch sehen werden – für den Ener-gieverbrauch von Elektrobussen gelten ganz eigene Regeln.

Plug and playAber grundsätzliche Skepsis ist bei ei-nem Produkt wie dem Urbino Electric nicht angebracht. Er wird ja bereits seit drei Jahren produziert und hat sich in vielen europäischen Städten Meriten verdient. Nicht umsonst gilt Solaris im Segment der Elektrobusse als Markt-führer. Das polnische Unternehmen mit spanischem Eigentümer verweist auch auf volle Auftragsbücher, trotz neuer Wettbewerber scheint sich der Erfolg zu verstetigen.

So mussten wir diesmal auch keine Handstände unternehmen, um die pas-sende Ladeinfrastruktur zu finden. Am Ettenhuber-Betriebshof in Feldkirchen an die richtige Ladesäule rangieren, ein-fach anstecken – plug and play. Der Fah-rer oder Bediener wird per Display durch den Ladeprozess begleitet, mit etwas Anleitung klappt es auf Anhieb. Für eine Handvoll Elektrobusse eine praktikable Lösung, für eine große Flotte empfiehlt sich die Pantografenlösung.

Konfektionsware im Test: Der Solaris Urbino 12 Electric im MVV-Trimm macht im Linieneinsatz eine gute Figur.

Drei baugleiche Elektrobusse mit Ladeinfrastruktur für Ettenhuber, zwei haben Pause: Ein Urbino Electric steht uns als Testbus zur Verfügung.

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Geladen wird bei Ettenhuber noch mit 100 kW, später möchte man 150 kW einspeisen. Die hohe Ladeleis-tung verspricht schnelle Einsatzbereit-schaft. Mit nominell 300 kWh benennt Solaris die installierte Kapazität der NMC-Batterien, genutzt werden etwa 80 Prozent davon – macht 240 kWh. In den Ettenhuber-Urbinos wurden noch die bewährten High-Energy-Batteriepacks (HE) installiert, mittlerweile kann man bei Solaris deutlich leistungsfähigere HE+Batteriemodule ordern. Vier HE+-Module ersetzen auf Wunsch sechs HE-Pakete mit mehr Kapazität, Urbino-Ge-lenkzüge könnten mit bis zu 550 kWh ohne Zwischenladung lange Schichten fahren.

Aber das ist schon eine andere Ge-schichte. Wir möchten wissen, wie weit wir mit den installierten 240 kWh kom-men. Der Forecast für die vereinbarten Testtage meint es ja nicht gut mit dem Solaris-Team, tatsächlich haben wir et-was Pech mit dem Wetter. Nur fünf Grad

plus und Regen, da muss man schon kräf-tig heizen. Soviel vorweg: Die Ergebnisse sind dennoch interessant, auch wenn die Bedingungen keine Rekordverbrauchs-werte versprechen.

100 Prozent AuslastungTest ist Test, deshalb sind wir schon vor dem Start der Messung genau. Eine Hof-runde, dann nochmal ans Ladegerät, erst mit 100-prozentigem Ladestatus geht es auf die Strecke. Auch das obligatorische

Warmfahren hat seinen Grund: Bei vol-ler Batterie verpufft die Bremsenergie im Bremswiderstand, der die Wärme an die Umgebung abgibt. Nein, dieser Solaris hat kein ausgefeiltes Thermomanagement – man kann es bei Solaris aber ordern.

Ein Aha-Erlebnis dann auf der Waage, der Urbino-Solist ist bis auf Anschlag aus-gelastet. Volles zulässiges Gesamtgewicht, mit 18.740 kg haben wir bislang noch kei-nen Zweiachs-Stadtbus getestet. Nur zum Vergleich: Der E-Citaro (Test Bus-Fahrt

Souverän im Fahrbetrieb: Der Elektro-Solaris macht im städtischen und

stadtnahen Einsatz eine gute Figur.

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12 Bus-Fahrt 2|2020

Test_Urbino 12 Electric

Technische Daten: Solaris Urbino 12 Electric

AntriebZF-Elektroportalachse AVE 130mit zwei radna-hen Drehstrom-Asynchronmotoren, flüssigkeits-gekühlt.Nennspannung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 400 VNennleistung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2 x 125 kWDauerleistung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2 x 60 kWMax. Drehmoment . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2 x 485 NmÜbersetzung im Radkopf . . . . . . . . . . . . . . . i = 22,66Max. Drehmoment am Rad . . . . . . . .2 x 11.000 NmTraktionselektrik und Elektronik von Medcom, modulares NMC-Batteriesystem (Nickel – Man-gan – Kobaltoxid) mit 6 Batteriemodulen à 50 kWh, nominell 300 kW/h Gesamtkapazität, 2 Ladesteckdosen mit Ladestandard CCS, Depot-ladung, max. Ladeleistung stationär 150 kW.

FahrwerkEcas-Luftfederung, VA: ZF RL 82 EC, Einzelrad-führung an Doppelquerlenkern; zwei Luftbälge, zwei Semivariable Stoßdämpfer (ZF PCV), Sta-bilisator; zul. Achslast 7,245 t; HA: elektrische Antriebsachse ZF AVE 130, Achs-führung durch Längslenker und Dreiecklenker, vier Luftbälge, vier semivariable Stoßdämpfer (ZF PCV). Zul. Achslast11.5 t. Bereifung: rundum 275/70 R 22,5.

Bremsanlage, SicherheitssystemeElektronisch geregelte Zweikreis-Druckluft-bremsanlage (EBS), vorne und hinten innen-belüftete Scheibenbremsen, elektrische Dauer-bremse per Generator;ESC, ABS und ASR, Mobileeye 630.

LenkungHydraulische Kugelmutterlenkung mit 24-V-Lenkhelfpumpe, Lenksäule mit pneumatischer

Verstellung in Höhe und Neigung.variable Über-setzung (17,0–20,0).

Heizung/Lüftung/KlimaElektrischer Boiler mit 25 kW, Heizung mit Sei-tenwandkonvektoren, Dieselheizgerät. Aufdach-klimaanlage Konvekta UL 500 EM.

Elektrische Anlage24-Volt-Bordnetz, 2 Batterien à 225 Ah.

Maße und GewichteLänge/Breite/Höhe . . . 12.000/2.550/3.300 mmRadstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5900 mmÜberhang vorn/hinten . . . . . . . . 2.700/3.400 mmWendekreis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21.400 mmEinstiegshöhe. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 320/320 mmLeergewicht lt. Hersteller . . . . . . . . . . . . . . 13.900 kgZul. Gesamtgewicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18.745 kg

FahrgastkapazitätSitzplätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . 33 (+ 2) Klappsitze)Stehplätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 37

Die MesswerteTestbedingungen: 5–12 ° C, teilweise starker RegenGefahrene Kilometer: 235,4 kmDurchschnittlicher Energieverbrauch 112,61 kWh/100 km

Kraftstoffverbrauch Konstantverbrauch bei 50 km/h mit AC + Hei-zung 84,81 kWh/100 km

Stadtlinienkurs mit 100% Auslastung152,48 kWh/100 km bei Durchschnittsgeschwin-digkeit 20,50 km/h

Stadtlinienkurs mit 70% Auslastung102,26 kWh/100 km bei Durchschnittsgeschwin-digkeit 21,09 km/h(Die gemessenen Verbrauchswerte (Traktion plus Klimatisie-rung) schließen anteilige Ladeverluste ein; Anm. der Redaktion)

FahrdynamikBeschleunigung 0–20/40/50/60 km/h 5,6/10,3/13,2/15,7 s

Innengeräusche in dB(A) 50 km/h/ Front/Mitte/Heck 62,6/65,9/62,9 60 km/h/ 63,8/67,7/65,5

Antrieb kraftvoller Antrieb mit Asynchronmotoren

gut abgestimmte Anfahrleistung

hohe Rekuperationsleistung ohne Vibrationen

störende Frequenzen unter Volllast

Fahreigenschaften sehr sicheres Fahrverhalten

stoischer Geradeauslauf ohne Korrekturen

standfeste Bremsanlage gelungene Dämpfer-

Federungsabstimmung

Fahrgastkomfort guter Fahrgastkomfort

(Sitze, Heizung/Lüftung/Klima)

hohe Verarbeitungsqualität Türen öffnen und schließen

schnell und dicht. relativ laute Fahrgeräusche im hinteren Fahrzeugbereich

Effizienz günstiger Energieverbrauch

bei Teilauslastung erheblicher Platzverlust im

Heck durch die Platzierung von Batterien

Fahrerarbeitsplatz genug Platzangebot

für jeden Fahrer modernes Cockpit, altbackene Pedalerie

präzise Lenkung, relativ hoher Kraftaufwand

knappes Angebot an Ablagen

Was unser Tester sagtWolfgang Tschakert

10 Bus-Fahrt 1|2020

Test_Mercedes-Benz E-Citaro

Technische Daten: Mercedes-Benz E-Citaro

AntriebZF-Elektroportalachse AVE 130 mit zwei radna-hen Drehstrom-Asynchronmotoren, flüssigkeits-gekühlt.Nennspannung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 400 VNennleistung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2 x 125 kWDauerleistung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2 x 60 kWMax. Drehmoment . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2 x 485 NmÜbersetzung im Radkopf . . . . . . . . . . . . . . . i = 22,66Max. Drehmoment am Rad . . . . . . . .2 x 11.000 NmModulares NMC-Batteriesystem (Nickel-Man-gan-Kobaltoxid) mit 12 Batteriemodulen à 24 kWh, 292 kW/h Gesamtkapazität, Reichweite (Sort 2) mit voller Ladung circa 170 km, 720 V Spannung, Ladestandard CCS, Depotladung, max. Ladeleistung stationär 150 kW, mobil 80 kW FahrwerkEcas-Luftfederung, VA: ZF RL 82 EC, Einzelrad-führung an Doppelquerlenkern; zwei Luftbälge, zwei variable Stoßdämpfer (ZF CDC), Stabilisa-tor; zul. Achslast 8,0 t; HA: elektrische Antriebsachse ZF AVE 130, Achsführung durch Längslenker und Drei-ecklenker, vier Luftbälge, vier variable Stoß-dämpfer (ZF CDC). Zul. Achslast11.5 t. Berei-fung VA: 315/60 R 22,5; HA 275/70 R 22,5..

Bremsanlage, SicherheitssystemeElektronisch geregelte Zweikreis-Druckluft-bremsanlage (EBS), vorne und hinten innen-belüftete Scheibenbremsen, elektrische Dauer-bremse per Generator; ESP, ABS und ASR,PBA (Preventive Brake Assist), SGA (Sideguard Assist)

LenkungHydraulische Kugelmutterlenkung mit 24-V-Lenkhelfpumpe, Lenksäule mit pneu-matischer Verstellung in Höhe und Nei-gung, variable Übersetzung (17,0–20,0).

Heizung/LüftungElektrische CO2-Wärmepumpe Typ Evo Ther-matik Plus (von Konvekta) mit Heiz- und Kühlfunktion, Gebläseheizung. 36 kW max. Kälteleistung, 17 kW Frontbox. Klimatisie-rungsautomatik, Solltemperatur-Kennlinie im Innenraum in Abhängigkeit von der Außen-temperatur, Lüftung in Abhängigkeit von der Fahrgastanzahl, Vorkonditionierung möglich.

Elektrische Anlage24-Volt-Bordnetz, 2 Batterien à 225 Ah.

Maße und GewichtLänge/Breite/Höhe . . . . 12.135/2.550/3.400 mmRadstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.900 mmÜberhang vorn/hinten . . . . . . . . 2.805/3.430 mmWendekreis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21.214 mmEinstiegshöhe. . . . . . . . . . . . . . . . 320/320/320 mmStehhöhe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.313 mmLeergewicht lt. Hersteller . . . . . . . . . . . . . . 14.100 kgZul. Gesamtgewicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . .19.500 kg

FahrgastkapazitätSitzplätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32 (3 Klappsitze)Stehplätze . . . . . . . . . . . .58 (bei 4,5 Personen/m²)

Die MesswerteTestbedingungen: . . . . . . . . . . . . . 17–21°C, trockenGefahrene Kilometer: . . . . . . . . . . . . . . . . . .136,3 kmEnergieverbrauch (Ø) . . . . . . . 112,51 kWh/100 km

KraftstoffverbrauchKonstantverbrauch bei 50 km/h mit AC86,61 kWh/100 kmStadtlinienkurs108,12 kWh/100 km bei Durchschnittsgeschwin-digkeit 18,89 km/hStadtrandverkehr99,80 kWh/100 km bei Durchschnittsgeschwin-digkeit 24,85 km/h

Die gemessenen Verbrauchswerte (Traktion plus Klimatisierung) schließen anteilige Ladeverluste ein; Anm. der Redaktion

FahrdynamikBeschleunigung 0–20/40/50/60 km/h 5,6/10,0/13,1/17,4 sInnengeräusche in dB(A) 50 km/h/ Front/Mitte/Heck 66,8/66,3/67,1 60 km/h/ 69,8/69,5/69,4

Antriebpraxisgerecht kraftvoller Antrieb mit Asynchronmotoren

sauber abgestimmte Anfahrleistung hohe Rekuperationsleistung ohne

Vibrationen günstiger Energieverbrauch

teils nervige Frequenzen unter Volllast

Fahreigenschaftensehr sicheres Fahrverhalten

stoischer Geradeauslauf ohne Korrekturen

standfeste Bremsanlage gelungene Dämpfer-

Federungsabstimmung

Fahrgastkomfort guter Fahrgastkomfort

(Sitze, Heizung/Lüftung/Klima) hohe Verarbeitungsqualität Türen öffnen und schließen

schnell und dicht.relativ laute Fahrgeräusche im hinteren Fahrzeugbereich

Fahrerarbeitsplatzüppiges Platzangebot für den Fahrer modernes Cockpit, einfache Bedienung

präzise Lenkung ausreichend Ablagen

und Getränkehalter

Was unser Tester sagtWolfgang Tschakert

Wenn man ihn nicht an der Form erkennt: Das kleine blaue „e“ im Namen weist auf den Elektroantrieb hin.

Blick unter die Heckklappe: Anstelle des Diesel sitzen hier vier Batteriemodule.

Zugänglich auch seitlich: Über den Heck-Batterien thront die aufwändige Kühltechnik, die die sensiblen Hochvoltkomponenten im Betrieb temperiert.

Wenn man es nicht ohnehin weiß: Der Urbino-Stadtbus fährt elektrisch.

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Bus-Fahrt 2|2020 13

01/2020) trat mit 17.100 kg an. Letztend-lich, und dieses Fazit gleich vorweg, spielt die Fahrzeugbelastung und die Schwere des Fahreinsatzes eine entscheidende Rol-le.

Mit fiktiven 70 Fahrgästen (mit 4.840 kg Ballast) – damit stimmt auch die nominelle Gewichtsbilanz – fährt der E-Urbino sehr achtbare Beschleunigungs-werte ein. Mit 22.000 Nm Drehmoment an den Rädern auch kein Kunststück, für die durchaus praxisgerechte Dynamik sorgen zwei radnahe Asynchronmotoren der ZF-Elektroachse AVE 130. Kein Allein-stellungsmerkmal, diese Schlüsselkom-ponente findet man auch im E-Citaro von Mercedes-Benz, auch in Elektrobussen weiterer Hersteller. Sie baut kompakt und wiegt ohne Differenzial weniger als An-triebe mit elektrischen Zentralmotoren. Der Solaris ist damit kein Leichtgewichts-künstler, aber mit 13.900 kg Leergewicht etwas leichter als mancher Wettbewerber. Aber bitte die Zahl nicht auf die Goldwaage legen, es kommt ja auch auf die jeweilige Ausstattung an.

Ein E-Bus von der StangeUnser Solaris Urbino Electric in MVV-Farben macht nicht viel Aufhebens um sich. Er hebt sich von den Verbrenner-Markenkollegen im Fuhrpark nur wenig ab. Nur ausgefuchsten Experten fällt auf, dass die neuen Urbinos im Bug jetzt mehr Rundung tragen. Es ist der Dachhöcker, der offenbart, dass es sich hier um einen Elektrobus handelt. Es könnte auch ein

Gasbus sein, der trägt seine Dachtanks unter der Hutze.

Was ihn im Fahrbetrieb von den Verbrennern unterscheidet: Passanten schätzen die flüsterleise Art der Be-schleunigung. Und die Fahrgäste staunen über das Leistungsvermögen, ohne dabei überfordert zu werden. Denn der Elektro-bus beschleunigt ruckfrei wie an einem Gummiband gezogen aus der Haltestelle, aber nicht zu stürmisch aus dem Stand. Auf den ersten Metern legt er noch betont feinfühlig zu, dann geht es mit Schma-ckes voran.

Unter Volllast mit zunehmender Ge-schwindigkeit ist der Urbino Electric auch kein Leisetreter mehr, dann pfei-fen Motoren und Wechselrichter um die Wette. Aber nur ein wenige 100 m, dann rollen wir dezent ohne Leistungsanforde-rung in die Haltestelle. Schade, dass der E-Solaris bereits leicht verzögert und die kinetische Energie nicht optimal nutzt, wenn der Fahrer vom „Gas“-Pedal geht.

Er rekuperiert dann schon, „eine Soft-ware-Einstellung, die der Kunde so haben möchte“, sagen die Solaris-Techniker. Wir vermissen auch den Dauerbremshebel (Retarder) am Lenkrad, mit dem erfah-rene Chauffeure das letzte Quäntchen Energie und Bremsbelag sparen können. Ebenfalls ein Kundenwunsch, um die Fahrer im Linienalltag nicht zu überfor-dern.

Deshalb bleibt auch der Arbeitsplatz des Elektro-Urbino frei von digitalen Ex-perimenten. Er bietet auch Langbeinern

Themenschwerpunkte in Bus-Fahrt 3/20

• Journal „Sicher und sparsam durch Europa“

• Omnibus-Test/Fahrbericht

ANZEIGENSCHLUSS: 7. Feb. 2020 REDAKTIONSSCHLUSS: 7. Feb. 2020

BUCHUNG + BERATUNGNatalie Dickmann, Anzeigenleitung +49 2151 [email protected]

Klassisches Cockpit ohne Experimente: Einfache Bedienung, die elektrische Lenkung dürfte gern größere Servokräfte beisteuern.

Schlicht und gut: Einrichtung nach MVV-Vorgaben, qualitativ hochwertige Ausführung

Assistenz aus dem Nachrüst-Regal: Mobileeye 630 mit Kollisionswarner und Verkehrszeichenerkennung.

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Test_Urbino 12 Electric

genug Platz, der Armaturenträger stammt von Continental und lässt sich vorbild-lich mit der Lenksäule verstellen. Statt auf den Drehzahlmesser blickt man auf einen Energieanzeiger, der signalisiert, wie wirtschaftlich man gerade fährt. Den könnte man sich letzten Endes sparen, auf der Linie schaut ohnehin keiner hin.

Das Bremspedal als Trittplatte, kein Highlight – aber die Übersicht für den Fahrer ist Spitze, und nicht nur für Rie-sen am Steuer. Keine Frage, der Solaris geht gut zu Hand und Fuß. Auch wenn die präzise 24-V-Lenkung gern etwas mehr Servounterstützung liefern dürfte. Eben-falls nicht optimal: Das wenig gefühlvolle Bremspedal, das den Übergang von der Dauerbremswirkung zum Einsetzen der Radbremsen nicht spüren lässt. Übrigens eine Softwareeinstellung, für die zweite Testrunde verändert der Testingenieur das Zusammenspiel, so lässt sich der Ur-bino Electric perfekt bremsen.

Der Solaris hat auch einen Kollisi-onswarner an Bord. Ein Nachrüstgerät von Mobileeye, das Geschwindigkeits-beschränkungen erkennt und Alarm schlägt, wenn vermeintlich eine Kollision droht. Empfehlenswert? Eher ein Notbe-helf, man muss es nicht haben.

Flink und wendigDen Fahrbetrieb beherrscht der Solaris wie gewohnt aus dem FF. Flink und spon-tan folgt er den Lenkmanövern, mit gro-ßen Lenkwinkeln lässt er sich auch durch enge Gassen souverän steuern. Trotz der hohen Dachlast bleiben die Wankbewe-gungen (um die Längsachse) erstaunlich

gering. Obwohl der Solaris trotz steifer Fahrwerksauslegung immer noch gedie-gen federt. Das Fahrwerkssetup verdient ein Kompliment: Der Elektro-Urbino liegt satt auf der Straße, rollt und fährt gut, ohne auf schlechten Straßen auszu-keilen. Der Qualitätseindruck, der sich breitmacht, wird auch durch das Fehlen üblicher Klapper- und Knistergeräuschen unterstützt. Die verstärkte Dachpartie macht den Fahrzeugkörper steifer, auch sonst kann der Urbino mit sehr sauberer Fertigung glänzen. Die elektrischen Ven-tura-Türen öffnen weit und schließen satt. Ausstattung und Möblierung sind gemäß MVV-Vorgaben solide ausgeführt.

Geheizt wird der Ettenhuber-Urbino mit einfachen elektrischen Heizgeräten, für kalte Wintertage kann die Dieselzu-satzheizung aktiviert werden. Im Test haben wir auf sie verzichtet, sie hätte unsere Messergebnisse nur verfälscht. Die Auswertung nach dem Nachladen offenbart, was die Solaris-Experten uns gleich zu Anfang klarmachen wollten. Mit voller Auslastung, kaltem Wetter und nasser Fahrbahn braucht der polnische

Elektrobus erstaunliche 152,48 kWh/ 100 km, was 150 km Reichweite bedeuten würde. Eindeutig ein Worstcase-Fall, wer fährt schon permanent mit voller Hütte? Das wollen die Solaris-Leute nicht auf sich sitzen lassen, wir wollen es nochmal wissen.

Jetzt mit 17,4 t Gesamtgewicht und gut 70 Prozent Auslastung, auch das Wetter hat ein Einsehen. Bei Tempera-turen um 12°C und trockener Fahrbahn positioniert sich der Solaris neu. Dies-mal umrundete der Urbino Electric die Testrunde mit einem Energieverbrauch von 102,26 kWh inklusive Heizung, da-mit kommt er mit einer Ladung mehr als 230 km weit. Wer sich dazu die Wärme-pumpenheizung aus der Optionsliste gönnt, spart bei kaltem Wetter und fährt in Fall 2 weiter. Wir verstehen die Ingeni-eure jetzt besser: Es kommt eben immer auf den Einsatz an.

Gute NotenZuletzt haben wir noch unseren AGK-Werkstattexperten einen Besuch abge-stattet. Die loben den Solaris für die weit öffnenden Klappen, den Korrosionsschutz und die Verarbeitung. Der Urbino ist wie schon gewohnt ziemlich wartungsfreund-lich, die segmentierten Seitenwandteile werden gesteckt und geschraubt. Der Werkstattmeister findet kaum ein Haar in der Suppe, selbst die bei Einführung kri-tisierte Hochvoltverkabelung unter dem Boden verdient sich jetzt Bestnoten. Wir stellen fest: Der Solaris Urbino 12 Elec-tric ist in den drei Jahren Produktionszeit sichtlich gereift. Wolfgang Tschakert

A N Z E I G E

Plug-in funktioniert einwandfrei: An den Ladesäulen mit CCS-Technologie können auch Elektroautos laden.

Onboard-Datenerfassung: Der Hioki-Power-Analyser erfasst die eingesetzte und die rekuperierte Energie.