Vollstreckung ausländischer Schiedssprüche in Deutschland

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1 Vollstreckung ausländischer Schiedssprüche in Deutschland Mit einer Schiedsvereinbarung einigen sich Unternehmen, einen Konflikt nicht durch staatliche Gerichte, sondern durch ein Schiedsgericht entscheiden zu lassen. Die Parteien können das Schiedsgericht und das Verfahren bestimmen. Häufig vereinbaren Unternehmen die Regeln der International Chamber of Commerce mit Sitz in Paris. Am Ende des Schiedsverfahrens steht ein Schiedsspruch. Dieser entscheidet über den Antrag, gibt also der Schiedsklage ganz oder teilweise statt oder weist sie ab. Das Schiedsgericht entscheidet teilweise in einem separaten Schiedsspruch auch über die Kosten des Verfahrens. Wenn der Schiedsbeklagte nicht freiwillig leistet, etwa den geschuldeten Betrag nicht bezahlt, muss der Schiedskläger den Schiedsspruch zwangsweise durchsetzen. Dies geschieht im Wege der Vollstreckung. Nach der Zivilprozessordnung steht ein Schiedsspruch einem rechtskräftigen gerichtlichen Urteil gleich. Mit dieser Gleichstellung sichert der Gesetzgeber den Status der Schiedsgerichtsbarkeit als echte Alternative zur staatlichen Gerichtsbarkeit. Voraussetzung für eine zwangsweise Durchsetzung des Schiedsspruchs ist, dass dieser zuvor für vollstreckbar erklärt wurde.

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Vollstreckung ausländischer Schiedssprüche in Deutschland

Mit einer Schiedsvereinbarung einigen sich Unternehmen, einen Konflikt nicht durch

staatliche Gerichte, sondern durch ein Schiedsgericht entscheiden zu lassen. Die Parteien

können das Schiedsgericht und das Verfahren bestimmen. Häufig vereinbaren Unternehmen

die Regeln der International Chamber of Commerce mit Sitz in Paris. Am Ende des

Schiedsverfahrens steht ein Schiedsspruch. Dieser entscheidet über den Antrag, gibt also der

Schiedsklage ganz oder teilweise statt oder weist sie ab. Das Schiedsgericht entscheidet –

teilweise in einem separaten Schiedsspruch – auch über die Kosten des Verfahrens. Wenn der

Schiedsbeklagte nicht freiwillig leistet, etwa den geschuldeten Betrag nicht bezahlt, muss der

Schiedskläger den Schiedsspruch zwangsweise durchsetzen. Dies geschieht im Wege der

Vollstreckung. Nach der Zivilprozessordnung steht ein Schiedsspruch einem rechtskräftigen

gerichtlichen Urteil gleich. Mit dieser Gleichstellung sichert der Gesetzgeber den Status der

Schiedsgerichtsbarkeit als echte Alternative zur staatlichen Gerichtsbarkeit. Voraussetzung

für eine zwangsweise Durchsetzung des Schiedsspruchs ist, dass dieser zuvor für

vollstreckbar erklärt wurde.

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Zuständigkeit des Oberlandesgerichts Zuständig für die Vollstreckbarerklärung ausländischer Schiedssprüche ist das

Oberlandesgericht. Örtlich zuständig ist der Bezirk, in welchem die Partei, gegen die

vollstreckt werden soll („Antragsgegner“), ihren Sitz oder gewöhnlichen Aufenthalt hat.

Alternativ kann der Antragsteller das Oberlandesgericht anrufen, in dem sich Vermögen des

Antragsgegners – etwa ein Grundstück – befindet. Zuständig ist auch das Oberlandesgericht,

in dem sich der mit der Schiedsklage in Anspruch genommene oder von der Schiedsklage

betroffene Gegenstand befindet. Das ist etwa der Fall, wenn es im Schiedsverfahren um die

Herausgabe eines Gegenstandes geht. Sollte keine der genannten Voraussetzungen vorliegen,

ist das Kammergericht Berlin zuständig. Das betrifft etwa die Konstellation, wenn beide

Parteien im Ausland sitzen und kein Vermögen im Inland haben.

Voraussetzung für Vollstreckbarerklärung

Die Vollstreckbarerklärung richtet sich vorbehaltlich spezifischer Staatsverträge nach dem

UN-Übereinkommen vom 10. Juni 1958 über die Anerkennung und Vollstreckung

ausländischer Schiedssprüche (UNÜ). Voraussetzung ist demnach, dass es sich inhaltlich um

einen Schiedsspruch handelt, was unter anderem schriftliche Form und Unterschrift aller

Schiedsrichter voraussetzt. Ein Schiedsspruch muss auch das Datum seines Erlasses und den

Schiedsort angeben. Der Schiedsspruch muss zudem verbindlich sein. Dies setzt voraus, dass

er nach dem für das Schiedsverfahren maßgeblichen Recht nicht mehr anfechtbar ist. Um

einen ausländischen Schiedsspruch in diesem Sinne handelt es sich immer dann, wenn der Ort

des Schiedsverfahrens nicht in Deutschland liegt. Dies gilt auch dann, wenn die Parteien die

Anwendung deutschen Rechts vereinbart haben. Auch Schiedssprüche des Court of

Arbitration for Sport (CAS) mit Sitz in Lausanne sind demnach ausländische Schiedssprüche

im Sinne des UN-Übereinkommens.

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Antrag beim Oberlandesgericht Der Antragsteller, der aus einem Schiedsspruch vollstrecken will, muss beim

Oberlandesgericht einen schriftlichen Antrag stellen. Mit dem Antrag muss er die Urschrift

des Schiedsspruchs oder eine beglaubigte Abschrift vorlegen, zudem die Urschrift oder

beglaubigte Abschrift der zugrundeliegenden Schiedsvereinbarung. Sofern die

Schiedsvereinbarung oder der Schiedsspruch nicht in deutscher Sprache verfasst sind, muss

der Antragsteller jeweils eine beeidigte Übersetzung vorlegen.

Verbot der „révision au fond“ Das Schiedsverfahrensrecht ist international angelegt. Mit Hilfe von Schiedsgerichten sollen

grenzüberschreitende Streitigkeiten einer raschen und von beiden Seiten akzeptierten Lösung

zugeführt werden. Dieses System kann nur funktionieren, wenn die einzelnen Nationalstaaten

auch ausländische Schiedssprüche anerkennen. Es gilt daher der Grundsatz, dass ausländische

Schiedssprüche für vollstreckbar erklärt werden, sofern nicht ein Anerkennungshindernis

vorliegt. Der Antragsteller muss also nicht zusätzliche Voraussetzungen erfüllen, um seinen

Schiedsspruch für vollstreckbar erklären zu lassen. Vielmehr prüft das Gericht lediglich, ob

Anerkennungshindernisse bestehen („Negativprüfung“). Dagegen hat das Oberlandesgericht

nicht zu prüfen, ob der ausländische Schiedsspruch sachlich richtig ist. Man bezeichnet diese

Einschränkung als Verbot der révision au fond. Das Oberlandesgericht tritt nicht in eine

erneute Prüfung der Sach- und Rechtslage ein, wie dies etwa in einem zivilrechtlichen

Berufungsverfahren der Fall wäre.

Negativprüfung: Fehlen von Anerkennungshindernissen Fehlt ein Anerkennungshindernis, ist der Schiedsspruch für vollstreckbar zu erklären. Solche

Anerkennungshindernisse sind etwa

- eine Unwirksamkeit der dem Schiedsspruch zugrundeliegenden Schiedsvereinbarung,

- die Verletzung rechtlichen Gehörs bei der Bestellung der Schiedsrichter oder im

schiedsrichterlichen Verfahren,

- die Überschreitung der durch die Schiedsvereinbarung gesetzten Grenzen der

Schiedsvereinbarung, wenn also das Schiedsgericht über einen Gegenstand entschieden hat,

der von der Schiedsvereinbarung nicht erfasst war,

- die Konstituierung des Schiedsgerichts oder die Durchführung des Verfahrens entgegen

gesetzlicher Bestimmungen am Schiedsort,

- die fehlende Verbindlichkeit des Schiedsspruchs oder die Aufhebung oder Hemmung nach

den Vorschriften am Schiedsort,

- fehlende Schiedsfähigkeit, wenn also der Gegenstand des Verfahrens nach deutschem Recht

nicht auf schiedsrichterlichem Wege geregelt werden kann (etwa arbeitsrechtliche

Streitigkeiten) oder

- die Vollstreckung des Schiedsspruchs der öffentlichen Ordnung („ordre public“)

widersprechen würde.

Unter „ordre public“ ist dabei nicht die gesamte öffentliche Ordnung zu verstehen. Ansonsten

würde letztlich doch jeder Verstoß gegen eine deutsche Rechtsnorm zur Versagung der

Anerkennung des Schiedsspruchs führen. Gemeint ist vielmehr, dass der Schiedsspruch nicht

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mit „wesentlichen deutschen Rechtsgrundsätzen“ unvereinbar sein darf, also „die tragenden

Grundlagen des deutschen staatlichen, wirtschaftlichen oder sozialen Lebens angreift“, so der

Vorsitzende Richter am Oberlandesgericht München Dr. Rainer Hüßtege im Kommentar

Thomas/Putzo. „Zur öffentlichen Ordnung zählt auch die Beachtung der Grundrechte“,

ergänzt der frühere Richter am Amtsgericht Lübeck Dr. Dr. Peter Hartmann in dem von ihm

herausgegeben Kommentar zur Zivilprozessordnung. Der Begriff des „ordre public“ ist indes

nicht abschließend konturiert. Im Sinne der Effektivität der Schiedsgerichtsbarkeit ist bei der

Bejahung eines Verstoßes gegen den ordre public Zurückhaltung geboten. Insbesondere soll

nicht durch die Hintertür doch wieder eine vollständige Sachprüfung des Schiedsspruchs

erfolgen. Die Partei eines Schiedsverfahrens kann also nicht darauf bauen, dass dem

Schiedsspruch wegen Verstoßes gegen den ordre public die Anerkennung versagt wird.

Vielmehr sollte ein Betroffener Verstöße gegen grundlegende Rechtsprinzipien schon im

Schiedsverfahren rügen und dokumentieren und anschließend aktiv ein Verfahren zur

Aufhebung des Schiedsspruchs anstrengen.

Ablauf des Verfahrens Das Verfahren beginnt mit dem Antrag der Partei, die aus dem Schiedsspruch vollstrecken

will. Nach Eingang des schriftlichen Antrages auf Vollstreckbarerklärung gibt das

Oberlandesgericht zunächst dem Antragsgegner Gelegenheit zur Stellungnahme. Das

Oberlandesgericht kann dann durch Beschluss entscheiden. Beruft sich der Antragsgegner

aber auf einen grundlegenden Mangel des Schiedsspruchs, so führt das Oberlandesgericht

eine mündliche Verhandlung durch. Dies gilt namentlich, wenn der Antragsgegner einwendet,

- die Schiedsvereinbarung sei unwirksam,

- das rechtliche Gehör sei verletzt worden,

- der Gegenstand des Schiedsverfahrens sei nicht schiedsfähig,

- das Schiedsgericht habe die durch die Schiedsvereinbarung gesetzten Grenzen überschritten,

- bei Konstituierung des Schiedsgerichts oder bei Durchführung des Verfahrens sei gegen die

Schiedsvereinbarung verstoßen worden und dies habe sich auf die Entscheidung ausgewirkt

oder

- die Vollstreckbarerklärung verstieße gegen den „ordre public“.

Sicherungsvollstreckung Zwischen dem Antrag auf Vollstreckbarerklärung und der Entscheidung des

Oberlandegerichts vergehen einige Woche oder Monate. Die Partei, die im Schiedsverfahren

obsiegt hat, kann auch für diesen Zeitraum ihre Rechte sichern: Sie kann zugleich mit dem

Antrag auf Vollstreckbarerklärung beantragen, dass das Gericht Maßnahmen zur Sicherung

des Anspruchs aus dem Schiedsspruch trifft. Solche Sicherungsmaßnahmen können etwa in

der Pfändung von Vermögensgegenständen des Schiedsbeklagten liegen. Mit der Pfändung ist

der Gegenstand gesichert. Eine Verwertung zugunsten des Antragstellers darf indes erst

erfolgen, wenn der ausländische Schiedsspruch tatsächlich für vollstreckbar erklärt wurde.

Über den Antrag auf Sicherungsmaßnahmen entscheidet der Vorsitzende des Zivilsenates des

zuständigen Oberlandesgerichts.

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Fazit Wer eine Schiedsgerichtsvereinbarung trifft, muss bedenken, dass er das Ergebnis des

Schiedsspruchs nicht ohne weiteres zwangsweise durchsetzen kann. Vielmehr muss er den

Schiedsspruch zunächst für vollstreckbar erklären lassen. Dies gilt für ausländische wie für

inländische Schiedssprüche. Durch das Erfordernis der Vollstreckbarerklärung relativiert sich

unter Umständen der Vorteil der Beschleunigung des Schiedsverfahrens. Indes bedeutet das

Verfahren der Vollstreckbarerklärung im Falle ausländischer Entscheidungen keinen Nachteil

gegenüber staatlichen Gerichtsentscheidungen, da auch diese zunächst anerkannt werden

müssen, bevor aus ihnen in Deutschland vollstreckt werden kann.

Schlüsselwörter: Berufungsverfahren, CAS, Court of Arbitration for Sport, International

Chamber of Commerce, Oberlandesgericht, Schiedsgericht, Schiedsgerichtsbarkeit,

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