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Oktober 2016 Neu in der Sammlung: Serie »Kretzer und weitere Arbeiten von Helmut King Die demnächst in der Ausstellung »Kunst prägt Geld: MUSE MACHT MONETEN« im Bodemuseum Berlin zu sehende Künstlergeld-Serie mit dem provokanten Untertitel »Support Art ... (Don't) Buy A King« ist ein neues Highlight der Sammlung – ergänzt um Überformungen originaler Banknoten mit Stift, Farbe und Schere des in Bregenz und Lindau tätigen und für seine umtriebigen Aktivitäten bekannten Helmut King. Der 1950 in Hard geborene Autodidakt eignet sich unkonventionell-burschikos in farbintensivem Duktus die Umgebung an – die Ergebnisse: bemalte Hobel, Helme, Tretboote, Musikinstrumente, Kanister oder aufgeschnittene Zigarettenschachteln. Der Kretzer als Eigenwährung spielt sowohl auf die Bregenzer Künstlergruppe der 90er Jahre, deren Mitglied King war, an als auch auf den landschaftstypischen Begriff für den Barsch im Bodensee. »Anlässlich der 50. Biennale in Venedig im Jahr 2003 und auf Anregung von Piermario Ciani hatte King zunächst nur den 50-Kretzer-Schein entworfen und, gemeinsam mit anderen Künstlern und ihren Währungen, in einer Performance an Passanten verteilt. Von der Idee einer Kunstwährung überzeugt, entwickelte er sodann um den 50 Kretzer-Schein herum eine komplette Serie. (...) Diese brachte er am 1. August jenes Jahres sehr erfolgreich in Umlauf, als im Rahmen eines Events in der Bregenzer Raiffeisenbank ›echte‹ Scheine gegen Kretzer-Scheine getauscht werden konnten. 8...) Die Serie der phantasievoll gestalteten Geldscheine ist durchweg in einem cartoonesken Stil gehalten. Die Scheine zeigen stilistische Einflüsse der naiven Kunst, der Pop Art und der Graffiti Art. (...) Die beherrschenden Themen des Kretzergeldes sind Sex, Drugs und Rock'n'Roll, die übergeordnete Referenzfigur ist der Musiker und Künstler Frank Zappa.« (zitiert aus dem Katalog Alexa Küter · Bernhard Weisser: Kunst prägt Geld: MUSE MACHT MONETEN Eine Ausstellung des Münzkabinetts mit Leihgaben der Sammlung Haupt, 24.11.2016 - 27.5.2017, vollständige Fassung weiter unten) Helmut King: 50 Kretzer - Support Art ... (Don't) Buy A King (Bank of Fun Edition, Biennale Venedig), 2003 Digitaldruck, 7,8 × 14 cm

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Page 1: (zitiert aus dem Katalog Alexa Küter · Bernhard Weisser: Kunst … · 2016. 10. 12. · Bericht zur »Einführung« des Kretzer, Vorarlberger Nachrichten, 31.7.2003 Repro mit freundlicher

Oktober 2016 Neu in der Sammlung:

Serie »Kretzer und weitere Arbeiten von Helmut King

Die demnächst in der Ausstellung »Kunst prägt Geld: MUSE MACHT MONETEN« im Bodemuseum Berlin zu sehende Künstlergeld-Serie mit dem provokanten Untertitel »Support Art ... (Don't) Buy A King« ist ein neues Highlight der Sammlung – ergänzt um Überformungen originaler Banknoten mit Stift, Farbe und Schere des in Bregenz und Lindau tätigen und für seine umtriebigen Aktivitäten bekannten Helmut King. Der 1950 in Hard geborene Autodidakt eignet sich unkonventionell-burschikos in farbintensivem Duktus die Umgebung an – die Ergebnisse: bemalte Hobel, Helme, Tretboote, Musikinstrumente, Kanister oder aufgeschnittene Zigarettenschachteln. Der Kretzer als Eigenwährung spielt sowohl auf die Bregenzer Künstlergruppe der 90er Jahre, deren Mitglied King war, an als auch auf den landschaftstypischen Begriff für den Barsch im Bodensee. »Anlässlich der 50. Biennale in Venedig im Jahr 2003 und auf Anregung von Piermario Ciani hatte King zunächst nur den 50-Kretzer-Schein entworfen und, gemeinsam mit anderen Künstlern und ihren Währungen, in einer Performance an Passanten verteilt. Von der Idee einer Kunstwährung überzeugt, entwickelte er sodann um den 50 Kretzer-Schein herum eine komplette Serie. (...) Diese brachte er am 1. August jenes Jahres sehr erfolgreich in Umlauf, als im Rahmen eines Events in der Bregenzer Raiffeisenbank ›echte‹ Scheine gegen Kretzer-Scheine getauscht werden konnten. 8...) Die Serie der phantasievoll gestalteten Geldscheine ist durchweg in einem cartoonesken Stil gehalten. Die Scheine zeigen stilistische Einflüsse der naiven Kunst, der Pop Art und der Graffiti Art. (...) Die beherrschenden Themen des Kretzergeldes sind Sex, Drugs und Rock'n'Roll, die übergeordnete Referenzfigur ist der Musiker und Künstler Frank Zappa.« (zitiert aus dem Katalog Alexa Küter · Bernhard Weisser: Kunst prägt Geld: MUSE MACHT MONETEN Eine Ausstellung des Münzkabinetts mit Leihgaben der Sammlung Haupt, 24.11.2016 - 27.5.2017, vollständige Fassung weiter unten)

Helmut King: 50 Kretzer - Support Art ... (Don't) Buy A King (Bank of Fun Edition, Biennale Venedig), 2003 Digitaldruck, 7,8 × 14 cm

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Helmut King fordert auf: Kauf keinen King, fördere lieber die Kunst! Das kann nur sarkastisch-ironisch gemeint sein, denn schließlich verkauft der Vorarlberger Künstler nichts anderes als Kunst, und jeder Kauf ›eines Kings‹ fördert ebendiese. Sogar Merchandising- Artikel aus seinem Atelier sind erhältlich. Seine Serie »Support Art – don't buy a King« setzt sich also mit dem Problemfeld Kunstmarkt und Marktkunst auseinander, ähnlich wie schon sein Kunstprojekt Y2K-Pix aus dem Jahr 2000. Damals ging es um schnelles Produzieren und ebenso schnelles An-den-Mann-Bringen: Der Künstler unternahm den Versuch, jeden Tag ein neues Bild im Postkartenformat herzustellen und zu verkaufen. Diese Mini-Bilder bot er in einem Café zu erschwinglichen Preisen an.

Das Kretzer-Geld läutete die nächste Stufe in seiner Auseinandersetzung mit der Kommerzialisierung der Kunst ein. Anlässlich der 50. Biennale in Venedig im Jahr 2003 und auf Anregung von Piermario Ciani hatte King zunächst nur den 50 Kretzer-Schein entworfen und, gemeinsam mit anderen Künstlern und ihren Währungen, in einer Performance an Passanten verteilt. Von der Idee einer Kunstwährung überzeugt, entwickelte er sodann um den 50 Kretzer-Schein herum eine komplette Serie in den Wertstufen 5, 10, 20, 50, 100, 200, 500 und 1000 Kretzer.

Diese brachte er am 1. August jenes Jahres sehr erfolgreich in Umlauf, als im Rahmen eines Events in der Bregenzer Raiffeisenbank »echte« Scheine gegen Kretzer-Scheine getauscht werden konnten.1 Der Begriff Kretzer leitet sich vom Namen einer Künstlergruppe aus Bregenz ab, in der King einst Mitglied war. Damit nimmt die Künstlergruppe, natürlich unter »Vorsitz« des Königs Helmut King, die Rolle der herausgebenden staatlichen Autorität ein, des »United Kingdom of Kretzer«. Die Serie der phantasievoll gestalteten Geldscheine ist durchweg in einem cartoonesken Stil gehalten. Die Scheine zeigen stilistische Einflüsse der naiven Kunst, der Pop Art und der Graffiti Art. Die kräftige Kolorierung, die häufig auf kontrastierende Primärfarben zurückgreift, und der großzügige Einsatz von Glanzpunkten und Bewegungslinien (Speedlines) erinnern an Keith Haring. Die beherrschenden Themen des Kretzergeldes sind Sex, Drugs und Rock'n'Roll, die übergeordnete Referenzfigur ist der Musiker und Künstler Frank Zappa.2 King entwickelte rund um diesen Themenkreis eine eigene Figurenwelt aus lebensfrohen Mischwesen und Tieren. Auf den Scheinen immer wiederkehrende Leitmotive sind zum einen die goldene Krone als Anspielung auf den Künstler selbst – den »König«, und die herausgestreckte Zunge. Letztere huldigt ganz offenkundig dem Logo der Rolling Stones, die mit ihrem 1971 herausgebrachten Albumcover von »Sticky Fingers« der Jugend ihrer Generation ein brauchbares und dauerhaftes Symbol für Rebellion und Abgrenzung vom Establishment lieferten.

Die Zappa-Hommage ist nicht nur in Kings Stil erkennbar, der sich mit dem Malstil von Zappa gut vergleichen lässt, sondern auch ganz konkret im Bildinhalt. Die Seriennummer des 1000 Kretzer-Scheins beispielsweise entspricht dem Geburts- und Sterbedatum Zappas (21.12.1940–4.12.1993). Zitate des Künstlers werden als Motti auf die Scheine gesetzt (1000 Kretzer, 50 Kretzer). Der 50 Kretzer-Schein erinnert darüber hinaus an den 1968er Album-Titel We’re only in it for the money / money talks, bullshit walks (was so viel bedeutet wie wir machen’s nur des Geldes wegen / wer Geld hat, kann Idioten zu allem bewegen) und der 20 Kretzer- Schein an den umstrittenen Zappa-Song »Jewish Princess«. Der Trommler ist erkennbar als Jimmy Carl Black (1938–2008), Schlagzeuger der Zappa-Band »Mothers of Invention« und langjähriger Freund von Helmut King. Black hatte indianisches Blut und pflegte sich bei Auftritten immer als »der Indianer« der Band vorzustellen. Als solch ein Indianer wird er von King daher zeichnerisch stilisiert. Die übrigen Figuren könnten, wie etwa das für die Band charakteristische Saxophon andeutet, ebenfalls Bandmitglieder wiedergeben.

1 Wiehl, Ines: Kretzer-Scheine in Umlauf, Neue Kultur, 25.06.2003. 2 Helmut King beteiligt sich seit vielen Jahren an der Zappanale, dem 1990 erstmals und später jährlich stattfindenden Musikfestival in Bad Doberan.

(aus dem Katalog Alexa Küter · Bernhard Weisser: Kunst prägt Geld: MUSE MACHT MONETEN Eine Ausstellung des Münzkabinetts mit Leihgaben der Sammlung Haupt, 24.11.2016 - 27.5.2017)

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Helmut King: Serie Kretzer – Support Art ... (Don't) Buy A King, 2003 Digitaldruck, VS, Druckbogen 35 × 30, Einzelschein je 7,8 × 14 cm

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Helmut King: Serie Kretzer – Support Art ... (Don't) Buy A King, 2003 Digitaldruck, RS, Druckbogen 35 × 30, Einzelschein je 7,8 × 14 cm

Page 5: (zitiert aus dem Katalog Alexa Küter · Bernhard Weisser: Kunst … · 2016. 10. 12. · Bericht zur »Einführung« des Kretzer, Vorarlberger Nachrichten, 31.7.2003 Repro mit freundlicher

Helmut King: Serie Kretzer – Support Art ... (Don't) Buy A King, 2003 Digitaldruck, Scheine mit Banderole/z. T. mit Prägestempel, in Folienkuvert, 9,5 × 15,5 cm

li.: Helmut King: o. T., o. J. Übermalung auf Original-Banknote (1-€-Schein), 12 × 6,2 cm o.: Helmut King: o. T., o. J. Übermalung auf Original-Banknote (5-€-Schein), 6,2 × 12 cm u.: Übermalung auf Original-Banknote (1-$-Schein), 6,5 × 15,7 cm

Page 6: (zitiert aus dem Katalog Alexa Küter · Bernhard Weisser: Kunst … · 2016. 10. 12. · Bericht zur »Einführung« des Kretzer, Vorarlberger Nachrichten, 31.7.2003 Repro mit freundlicher

Bericht zur »Einführung« des Kretzer, Vorarlberger Nachrichten, 31.7.2003 Repro mit freundlicher Genehmigung von Helmut King,

Literaturempfehlungen zu den vielfältigen Aktivitäten des Künstlers:

Helmut King: Cigarette Box People, Edition Christian Schneeberger, St.Gallen 1996 ELFER, Highlights aus elf Jahren VPack, 2004 - 2015, ARGE Vpack, Feldkirch 2015 diverse Zappanale-Ausstellungskataloge, Übersicht: www.vivavincent.de

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Biografie

King, Helmut, * 24.6.1950 in Hard, Grafi-ker, Maler. Seit 1968 künstlerisch tätig, 2000 Stipendium des Landes Vorarlberg, Studienaufenthalt in Pirgi (Chios). Lebt und arbeitet in Bregenz. HK macht sich Kunst zu Nutze, um Eroberungsmeriten erfolgreich einem Ende zuzuführen: Er bemalt (T-Shirts, Buttons, Segel, Hirsch-geweihe, Gartenzwerge, Polizeihelme etc.) und ironisiert durch das Bemalen das zu bemalende »Etwas«. Die Farbig-keit der POP Art, diverse Drehmomente etc., ziehen seine redseligen Aktivisten aus jeder, mit Aggression belegten Af-färe, ohne ihnen dabei die Spitze zu nehmen. Genauso spielt HK mit den Kon-zepten des Kunstwerk-Marketings und sein United Kingdom Imperium ist von »Salzzart'scher« Prägung.

Helmut King, 2016 © Jörn Lorenz, Lindau

Einzelausstellungen

1974 Galerie Mandy, Bregenz 1975 Galerie Zentrum 107, Innsbruck 1985 Studienzentrum, Bregenz 1988 TaS, Feldkirch; Galerie zur Fischerin, Lindau (D) 1991 Parkgalerie, St. Margrethen (CH) 1992 Galerie allerArt, Bludenz 1994 Pässler & Schlachter, Lauterach 1996 Galerie Christian Schneeberger, St. Gallen (CH); Galerie Uli Lang, Biberach (D). 1998 Kammgarn, Hard; ORF Landesstudio, Dornbirn 2000 Cafe Kolibri, Bregenz; Kunsttempel, Kassel (D); Theater am Kornmarkt, Bregenz 2003 Studio Del Sal -Facchin, Latisana (I); Raiffeisenbank Bregenz; BHAK, Bregenz ab 1970 zahlreiche Ausstellungsbeteiligungen in Österreich, Deutschland, Italien, Armenien, Liechtenstein Quelle: Bildende Kunst in Vorarlberg 1945 - 2005, Biografisches Lexikon, Vorarlberger Landesmuseum 2006

Helmut King: 1 Kretzer / 50 Groasla* (»Münz«-Buttons), 2003 Weißblech bedruckt, mit Kunststoffüberzug je Ø 2,5 cm * Groasla als kleinere »Münzen«-Einheit steht für den kleinen Kretzer (Barsch)

Zusammenstellung/Reproduktionen: Dr. Hermann Büchner, Kurator, Sammlung Haupt, auf Grundlage der angegeben Quellen, [email protected]