archithese 3.14 - Langeweile

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archithese No future!: Räume der Vintage-Gesellschaft Alltagsarchitektur in Belgien Pavillons als Sommerhits Neuer Realismus und die Architektur der Stadt Über die Qualität des Unentworfenen Der bewohnbare Rohbau: Bauten von Brandlhuber+ Frank Gehrys Frühwerk weitergedacht Sensationsbauten – das Waffenarsenal der Architektur Denmark: Neomania is here! Rem Koolhaas über De Rotterdam Atelier Deshaus Long Museum, Schanghai 3.2014 Internationale Zeitschrift und Schriftenreihe für Architektur International thematic review for architecture Neomanie – Langeweile Hype – Boredom

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architheseNo future!: Räume der Vintage-Gesellschaft

Alltagsarchitektur in Belgien

Pavillons als Sommerhits

Neuer Realismus und die Architektur der Stadt

Über die Qualität des Unentworfenen

Der bewohnbare Rohbau: Bauten von Brandlhuber+

Frank Gehrys Frühwerk weitergedacht

Sensationsbauten – das Waffenarsenal der Architektur

Denmark: Neomania is here!

Rem Koolhaas über De Rotterdam

Atelier Deshaus Long Museum, Schanghai

3.2014

Internationale Zeitschrift und Schriftenreihe für Architektur

International thematic review for architecture

Neomanie – Langeweile Hype – Boredom

4 archithese 3.2014

E D I T O R I A L

Neomanie – Langeweile | Hype – Boredom

Hype oder Langeweile – sind das die Extreme, zwischen denen es sich zu entscheiden gilt?

Immer schneller scheint sich auch im Bereich der Architektur der mediale Blick auf die in-

and-out-Themen, auf Trends oder wenige Shootingstars der Szene zu reduzieren. Gibt es

noch eine Resilienz der langsamen Sache Architektur, oder gehören längst Monotonie und

Langeweile als Label ebenfalls zur aktuellen Hypekultur, wie die Plattformen uglybelgian-

houses oder fuckyeahbrutalism zu verdeutlichen scheinen? Inwieweit unterscheidet sich

beispielsweise die politisch motivierte Architekturförderung einer jungen belgischen Archi-

tektenszene, die sich als kulturelle Praxis einer neuen Gewöhnlichkeit verschrieben hat, von

ihrem dänischen Kollegen der New-Wave-Generation um BIG oder COBE? Beide Fraktionen

stehen im Kontext vom rise and fall der SuperDutch-Ära und versuchen zwanghaft, sich in

Zeiten der Globalisierung auf der Suche nach einer baukulturellen Identität einem Label

zuzuordnen und in die Welt der Marken und Brands einsortieren zu lassen. Dabei spielte in

den frühen Neunzigerjahren die sogenannte signature architecture als Impulsgeber einer

identitätsstiftenden Reurbanisierung eine wichtige Rolle, bevor sie zu reproduzierbaren

Klischees erstarrte. Eine Entwicklung, die den neuen Bauten von Frank O. Gehry gerne pau-

schalisiert unterstellt werden. Aber in der genauen Betrachtung stösst man auf einen Kon-

textualismusbegriff in seinem Werk, der sich mit den Aspekten der Alltagsarchitektur oder

der Formgebung und Oberflächenbehandlung aus der Kunstszene L.A.’s auseinandersetzt.

Gegenwärtig werden die Ideen des Dirty Realism wieder neu verhandelt. Worin gründet

das aktuelle Interesse, sich mit Brandwänden, Investruinen oder den Agglomerationen der

Vororte auseinanderzusetzen? Liegt in den einfachen, gewöhnlichen Bauten eine verborgene

Qualität? Interessant erscheinen unter diesem Gesichtspunkt gerade die Berliner Beiträge

vom Büro Brandlhuber+, das seine Projekte als gebaute Architekturkritik versteht. Wie steht

es um den gegenwärtig medial befeuerten New Realism, der sich rein auf die morphologische

Ebene zurückzieht und die politischen, gesellschaftlichen und ökonomischen Realitäten der

Stadt aussen vor lässt? Handelt es sich dabei um perfekt inszenierte Medienkampagnen oder

um den Verlust von Aufmerksamkeit? Ist der Architekturdiskurs inzwischen wie die Politik

in Zeiten von Urlaub, Strand und Sonne bei einem Sommerloch-Thema angekommen? Die

Entwicklungen in der Architektur der letzten Jahre zeigen eine Hinwendung zur Event-Ar-

chitektur mit ihrem temporären Spektakel und dem Zelebrieren des kurzlebigen Ereignisses

einer auf Lifestyle ausgerichteten Konsumgesellschaft. Dabei erweist sich der Pavillon als

äusserst beliebter Typus – als hip, cool oder fresh. Die Pavillons der Serpentine Gallery mit

wechselndem Staraufgebot, das Guggenheim Lab oder die Sushibar-Favela auf der letzten

Art Basel zählen zu den vielen Sommerhits vergangener Tage; was kommt jetzt? Mit dem

Drang nach dem stetig Neuen läuft man Gefahr, der Mode zu verfallen, mag dabei der Vin-

tage-Trend mit seiner Hinwendung zur Reproduktion zumindest das Qualitätsversprechen

des Bewährten für sich in Anspruch nehmen. Angesichts der unter der Leitung von Rem

Koolhaas stehenden, kürzlich eröffneten Architektur-Biennale in Venedig mit dem Thema

«Absorbing Modernity 1914–2014» und der Beschäftigung mit den fundamentals stellt sich

die Frage, ob die grosse Leistungsschau mehr sein will als ein Medienhype, ein Sommerloch-

thema oder ein Rückblick. Ist die Moderne unsere Antike? Dies bereits als Ausblick auf die

übernächste Ausgabe der archithese...

Die Redaktion

In eigener Sache:

Wir freuen uns, Jørg Himmelreich und Andrea

Wiegelmann im Team der archithese begrüssen

zu dürfen. Andrea übernimmt die Verlagsleitung

der Zeitschrift und Jørg die Leitung der Redak-

tion.

Hannes Mayer verlässt mit diesem Heft nach

fünf Jahren das Team. Wir danken Hannes für sei-

nen mehrjährigen leidenschaftlichen Einsatz und

wünschen ihm für seine neuen Aufgaben alles

Gute.

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A R C H I T E K T U R A K T U E L L

Neue Strukturen für die Kunst

ATELIER DESHAUS: LONG MUSEUM, SCHANGHAI

Schanghai will sich als Metropole für zeitge­

nössische Kunst positionieren; davon zeugt

eine Reihe neuer Museen. Das bemerkens­

werteste darunter ist das Ende März eröff­

nete Long Museum im Entwicklungs gebiet

des West Bund Cultural Corridor. Atelier

Deshaus gibt dem formal stagnierenden

Museumsbau damit neue Impulse.

Autor: Hubertus Adam

2012 wurden in China 450 neue Museen eröffnet.

Die Zahl wirkt beeindruckend, relativiert sich jedoch,

wenn man sich vergegenwärtigt, dass in China nur

ein Museum auf 350 000 Einwohner kommt, in

Schanghai immerhin noch eines auf 200 000 Ein­

wohner – während die Relation in Paris 1:16 000

beträgt. Kalkulierte man mit Mittelwerten, so hätte

das in vielerlei Hinsicht um Anschluss an den Wes­

ten bemühte Riesenreich China zukünftig Bedarf an

40 000 neuen Museen.

Zugegeben – kulturelle Entwicklung lässt sich

mit arithmetischen Rechenbeispielen schwerlich

erfassen, prognostizieren oder steuern. Ohne Zwei­

fel befindet sich die internationale Museumsszene

aber im Umbruch, und so hat sich auch die chine­

sische Museumslandschaft in den vergangenen

Jahren erweitert und diversifiziert. Dabei entspre­

chen die Szenarien nur bedingt westlichen Vorstel­

lungen: Dass prestigeträchtige, architektonisch

spektakuläre Häuser errichtet werden, ohne eine

adäquate Sammlung vorweisen zu können, zählt in

China nicht zu den Ausnahmefällen. Der dem inzwi­

schen auch innerchinesisch ausgetragenem Kon­

kurrenzkampf der Städte und Regionen geschulde­

te kulturelle Wettbewerb erzeugt ständig neue In­

stitutionen, seien sie nun politisch gewollt oder

Resultat des Verewigungsbedürfnisses privater

Investoren und Sammler. Die neuen Institutionen

entsprechen dabei nicht immer dem westlichen

Verständnis von musealen Einrichtungen. So ver­

bindet sich eine Reihe der neuen Museen direkt mit

Investoreninteressen; sie sind Teil kommerzieller

Entwicklungsvorhaben. Dies muss aber vom Pu bli­

kum gar nicht als Widerspruch empfunden werden.

Rem Koolhaas’ Gleichung «Museum = Shopping»

ist hier vollends Wirklichkeit geworden, wenn Monet

in der Mall gastiert und zum Lifestyle einer aufstre­

benden chinesischen Klientel ebenso passt wie die

Luxusmarken in den benachbarten Brand Stores.

Hinzu kommt, dass es in China an wissenschaftlich

ausgebildetem kuratorischem Personal mangelt und

daher manche Ausstellungen internationalen Qua­

litätsansprüchen kaum genügen. Drängen sich

kommerzielle Interessen in den Vordergrund, so ist

die Grenze zwischen Konsum und Kultur ohnehin

fliessend.

Schanghai im kulturellen Aufbruch

Der internationale Erfolg zeitgenössischer chinesi­

scher Kunst hat in den letzten Jahren dazu geführt,

dass Schanghai neben Peking, das mit der zu einem

Kunstcluster umgebauten Fabrik 798 und dem

Künstler­ und Galerienvorort Caochangdi die Vor­

reiterrolle spielte, zu einem Hotspot wurde. Die

historische Rolle Schanghais als Brückenkopf zum

Westen mag ähnlich wie in Hongkong (wo derzeit

das von Herzog & de Meuron entworfene Museum

M+ entsteht, das den grössten Teil der Sammlung

von Uli Sigg beherbergen wird) diese Entwicklung

begünstigt haben. Wer sich für Gegenwartskunst

interessierte, hatte vor zehn Jahren in der Metro pole

am Huangpu­Fluss lediglich einen Anlaufpunkt: das

Schanghai Art Museum auf dem Gelände der ehe­

maligen Rennbahn am Volksplatz, in dem auch die

ersten Schanghai­Biennalen stattfanden. Inzwi­

schen ist dieses staatliche Museum geschlossen

und gleich zwei Museen haben seine Nachfolge

übernommen. 2012 eröffnete auf dem rechts des

Flusses gelegenen früheren Expo­Gelände das

China Art Museum, und im einstigen chinesischen

Pavillon – dem Hauptbau der Expo 2010 – ist jetzt

die chinesische Kunst des 20. Jahrhunderts zu

sehen. Auf der Stadtseite gegenüber wurde der

Pavilion of the Future – ein früheres Kraftwerk – für

64 Millionen Dollar zur Power Station of Art umge­

baut. Die kurz PSA genannte Institution widmet sich

der zeitgenössischen chinesischen und internatio­

nalen Kunst und sieht ihr Vorbild in der Tate Modern

in London. Noch fristet die PSA indes ein Inselda­

sein: Umgeben von den eingezäunten Arealen der

Weltausstellung, die einer sinnvollen Nachnutzung

harren, liegt sie an einem für das lebendige Stadt­

1

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gefüge Schanghais exterritorial anmutenden Ort.

Selbst Chinesen vermögen einen Taxifahrer nur mit

Mühe hierhin zu dirigieren: Das Ziel «Power Station

of Art» ist unbekannt.

Weitere Kunstmuseen, die sich in den letzten

Jahren in Schanghai etablieren konnten, entspran­

gen privatwirtschaftlichen Initiativen. 2005 gründe­

te der aus Hongkong stammende Schmuckdesigner

Samuel Kung das Museum of Contemporary Art

(MOCA), das vornehmlich mit Brand Shows in Er­

scheinung tritt; 2008 eröffnete das von Chinas

grösster Bank, der China Minsheng Banking Cor­

poration, getragene Minsheng Art Museum. Zur

Weltausstellung 2010 wurde im direkt am Bund

gelegenen ehemaligen Sitz der Royal Asiatic

So ciety – einem Kolonialbau aus dem Jahr 1932 –

das durch David Chipperfield entworfene Rockbund

Art Museum fertiggestellt. Es ist Teil eines von Tho­

mas Ou – dem Gründer von Sinolink Worldwide

Holdings Ltd. – verantworteten Immobilieninvest­

ments. Ähnlich funktioniert das ein Jahr später

realisierte Schanghai Himalayas Museum von Arata

Isozaki, das den kulturellen Nukleus der für 480

Millionen Dollar erstellten Media City Pudong bildet.

Diese ist ihrerseits ein Projekt des Immobilien­

unternehmers Dai Zhikang.

West Bund Cultural Corridor

Eines der wichtigsten aktuellen, von der Stadt­

verwaltung forcierten städtebaulichen Entwick­

lungsprojekte ist der West Bund Cultural Corridor

(WBCC). Dabei handelt es sich um die Revitalisie­

rung des flussaufwärts an das linksufrige Expo­

Gelände anschliessenden Hafenareals. Das ins­

gesamt sieben Quadratkilometer messende Pla­

nungsgebiet im Stadtdistrikt Xihui erstreckt sich

über elf Kilometer vom Hafen Rihui im Norden bis

zur Xupu­Brücke im Süden und soll durch kulturel­

le Ankerpunkte eine neue Identität erhalten. Ende

2013 war es Schauplatz der West Bund Biennale,

die sich den Themen «space construction», «artistic

production» und «future imagination» widmete. In

einer früheren Zementfabrik war eine Leistungs­

schau zeitgenössischer chinesicher Architektur zu

sehen, zudem errichteten chinesische und interna­

tionale Architektenteams vier Pavillons: Yung Ho

Chang und Zhang Yonghe das Vertical Glass House,

Johnston Marklee den Pavilion of Six Views, schmidt

hammer lassen den Cloud Pavilion und Zeng Qun

sowie Wang Fangji den Ceramic Pavilion.

Als Mega­Attraktor des WBCC soll in Zukunft

das DreamCenter des amerikanischen Animations­

unternehmens DreamWorks fungieren. Für 2,4 Mil­

liarden Dollar ist ein Kultur­ und Unterhaltungskom­

plex geplant, der Hotels, Restaurants und diverse

Veranstaltungsorte umfasst.

In diesem Frühjahr wurden am Flussufer des

West Bund zwei spektakuläre private Kunstmuseen

eingeweiht. Die Entwürfe für das Yuz Museum stam­

men von Sou Fujimoto, der dabei einen bestehen­

den Hangar des aufgelassenen Longhua Airports

miteinbezog. Wie Fujimoto im Gespräch erklärt,

waren die Veränderungen bei der Ausführung seines

Konzepts allerdings so gravierend, dass er von der

Autorschaft zurücktrat und das fertiggestellte Ge­

bäude nun nicht mehr unter seinem Namen geführt

werden darf. Finanziert wurde das Yuz Museum mit

seinen neuntausend Quadratmetern Ausstellungs­

fläche von Budi Tek, einem chinesisch­indone­

sischen Entrepreneur, der schon in Jakarta ein

Museum unter gleichem Namen betreibt und sich

in Schanghai auf die Präsentation von Installations­

kunst konzentriert.

1 Long Museum, Schanghai, 2012, Westfassade (Alle Fotos: Su Shengliang)

2 Nordfassade

3 Haupteingang

2

3

40 archithese 3.2014

FACADES Über die Qualität des Unentworfenen Die Fassade ist die

Schauseite eines Gebäudes; sie verleiht dem Haus seinen Ausdruck.

Doch oft wurden die interessantesten Ansichten von Häusern

ursprünglich nicht als Fassade entworfen.

Autorin: Oda Pälmke

In einer Reihe von Gebäudeporträts werden unspektakuläre

Wände, vermeintlich abgewandte oder eigentlich verborgene

Seiten und temporäre Modifikationen von Häusern gezeigt,

die vielfach grosse Anmut oder skulpturale Qualitäten auf-

weisen und besser nicht entworfen sein könnten. Die Betrach-

tung dieser «anderen Wände» von Gebäuden als Fassade ist

umso faszinierender, wenn man die Fassade als «Gesicht»

(lat. facies) des Hauses ansieht. Es lassen sich nicht nur ge-

radezu klassische architektonische Schönheiten entdecken,

sondern oft auch ausgefallene Charaktere und Figuren.

Im Vorwort zur Publikation Facades schreibt Wim Wen-

ders: «Je länger man sich einsieht, umso deutlicher sieht man:

Häuser spielen Rollen, gewollte und ungewollte. Was will

man mehr, als hinter die Fassaden sehen zu lernen?»

Die vorgenommene Sortierung der aus dem originalen

Kontext herausgelösten Gebäude zu Bildpaaren dient mass-

geblich einer poetischen Verdichtung des Gesehenen: In der

Gegenüberstellung werden diese Fassaden als eine typolo-

gisch-morphologische Reihe vorgestellt. Da sie im Allgemei-

nen nur temporär in dem hier abgebildeten Zustand existie-

ren, ist dies zwar eine sachliche, aber gleichzeitig nicht ganz

unsentimentale Dokumentation, die den geneigten Betrach-

ter zum Mitschauen und Weiterdenken verführen möchte.

Manche Schornsteine sehen aufgesetzt aus und zieren das

Gebäude wie ein Hut. Streifen sind günstig für die Figur; eine

Platte erlangt Eleganz durch einen pfeilartig nach oben wei-

senden farbigen Streifen. Mit einem Ornament versehen, kann

eine gedämmte Fassade aus den Neunzigern im Stile der

Achtziger daherkommen. Rechtwinklige Platten vertragen

sich kaum mit Giebelformen und werden abgeschnitten,

passend gemacht, in Form gebracht. Der Abdruck von Ge-

bäuden – hinterlassen auf der Nachbarwand – verdoppelt den

Anblick und erklärt sich selbst: Diese Häuser waren zu klein.

Ein gründerzeitliches Fragment erlangt grossartige skulp-

turale Qualität; aus dem ungünstigen Zuschnitt eines Grund-

stücks resultiert vielleicht eine bemerkenswerte Gebäude-

form. Schornsteine, Gerüste, Fahnen, Falten einer Folie,

Verhüllungen, Verwitterungen, Rostspuren, der Schatten

eines Baumes, verschobene Fensterachsen, vermauerte

Fenster, befensterte Giebelwände oder einfach eine allein

irgendwelchen unbekannten Umständen geschuldete wilde

Befensterung: Einige dieser Modifikationen übertreffen so

manchen zeitgenössichen Architektenentwurf, und das ohne

jeden eigenen Anspruch auf Darstellung eines expressiven

Charakters.

1

Oda Pälmke lebt und arbeitet in Berlin. Neben Ihrer Tätigkeit als selbstständige Architektin (www.odapaelmke.de) ist sie Gast-professorin für Architektonisches Entwerfen, unter anderem an der EPFL Lausanne, HfBK Hamburg und TU Dortmund. Seit 2012 leitet sie als Gastprofessorin den Lehrstuhl Bauen und Entwerfen im Bestand an der Brandenburgischen Technischen Universität (BTU) Cottbus- Senftenberg. Ihre Bücher FACADES, GANZ GUT – quite good houses und TYPEN – good, bad and ugly houses sind im jovis Verlag erschienen.

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2

4

3

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1 Austritt verboten (Alle Fotos: Oda Pälmke)

2 Aufstrebende Pfeile

3 Beruhigendes Fensterkreuz

4 Haus auf Haus (darauf)

5 Haus auf Haus (dahinter)

58 archithese 3.2014

DIE ARCHITEKTURPOLITIK DER SENSATIONSBAUTEN Oder: das Waffenarsenal der Architektur Der heutige Überdruss an den Sensationsbauten der signature architecture lässt

vergessen, dass solche landmarks vor nicht allzu langer Zeit ein wichtiges Instrument zur Belebung der Baudebatte und

Reurbanisierung der Nachkriegsstädte waren. Ein Plädoyer für den wohlwollenden Umgang mit dem Aussergewöhnlichen.

Autor: Michael Mönninger

Wenn es eine Stadt im deutschsprachigen Raum gibt, die

Architekturpolitik zum zentralen Motor städtischer Selbst-

behauptung und Entwicklungslogik gemacht hat, dann ist

es nicht Berlin, Wien, Hamburg oder München, sondern

Frankfurt am Main. Seit den unruhigen Sechzigerjahren wa-

ren in Deutschlands einziger global city Bauen, Stadtpolitik

und Protestkultur enger und konfliktreicher verzahnt als

anderswo. Hier tobten jahrelang die schärfsten Studenten-

demonstrationen, Häuserkämpfe und Strassenschlachten

gegen Hochhausspekulanten und Flächenabrisse, die erst

nach 1980 abebbten, als in Frankfurt die Geburtsstunde

der postmodernen Reurbanisierung und Rekonstruktion

schlug – Stichwort Alte Oper, Römerberg, Museumsufer. Auch

wenn «Mainhattan» politisch seit Langem befriedet er-

scheint, macht sich die latente Neigung der Frankfurter zum

Krawall bis heute in ihrer Architekturästhetik bemerkbar.

Deutlichstes Beispiel ist die Shoppinggalerie namens My

Zeil, die Massimiliano Fuksas 2009 für die zentrale Frank-

furter Einkaufsstrasse entworfen hat. Der Glaspalast erweckt

mit seiner aufgesprengten Strassenfassade den Eindruck, als

hätte eine Bombe in das Gebäude eingeschlagen. Fuksas war

sich bei seiner schockgefrorenen Attentatsszene aber wohl

kaum bewusst, dass er damit einem aussergewöhnlichen

Genius Loci huldigt: Direkt neben seinem Gebäude stand

einst das Kaufhaus Schneider, Schauplatz der ersten gewalt-

tätigen Protestaktion der Studentenrevolte, aus welcher

später der blutige Terrorismus der RAF hervorging.

Andreas Baader und Gudrun Ensslin hatten am 2. April

1968 mehrere Brandbomben im Kaufhaus Schneider gezün-

det, um gegen den Vietnamkrieg zu protestieren. Wenig

später verteidigte der Kommunarde Fritz Teufel auf einer

Tagung des Sozialistischen Deutschen Studentenbundes

(SDS) in Frankfurt die Brandstiftung mit der berühmten For-

mel: «Es ist immer noch besser, ein Warenhaus anzuzünden, 1

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als ein Warenhaus zu betreiben.» Etwas Ähnliches hatte

Bertolt Brecht einst in seiner Dreigroschenoper über Banken

gesagt. Dass diese Parole ausgerechnet in Frankfurt aufge-

griffen und erstmals zum Kampf gegen Kapitalismus und

Krieg verwendet wurde, sagt viel über die seismografischen

Qualitäten dieser «Stadt ohne Eigenschaften», die schon

immer Frühwarnsystem und Vorreiter kommender Umwäl-

zungen war. Daher lohnt es sich, dort über den Zusammen-

hang von Stadtertüchtigung und Standortpolitik, von Archi-

tekturbranding und Warenhausbrandstiftung, von Tourismus

und Terrorismus nachzudenken.

Vom Aktionismus zum Brand

Dass Architektur brennen muss, war eine provokante Forde-

rung der Architektur nach 1968. Gegen die ästhetische, mo-

ralische und soziale Unbewohnbarkeit der Nachkriegsstädte

protestierte eine aktionskünstlerische Stadtguerilla, die mit

Happenings und Performances das Packeis des Vulgärfunk-

tionalismus aufbrechen wollte. Vorreiter waren die französi-

schen Situationisten, die deutschen Fluxus-Existenzialisten,

die Londoner Pop-Artisten oder auch die amerikanischen

Destruktiven wie Gordon Matta-Clark mit seinen Ketten-

sägenmassakern in Abrisshäusern – und dann vor allem die

Österreicher mit Haus-Rucker-Co, Coop Himmelb(l)au und

Hans Hollein.

Der junge Hollein prägte damals die Parole «Alles ist

Architektur» und forderte eine neue, alles umfassende Kom-

petenz für die Architekten und gegen die Technokratie der

Bauwirtschaftsmoderne. Manche der damaligen Radikal-

architekten nahmen diesen Entgrenzungsanspruch, dass

Architektur alles und alles Architektur ist, sehr ernst. Sie

agierten wie Stadtindianer auf dem architektonischen Kriegs-

pfad und weckten mit ihren scharfkantigen Splitterentwürfen

oft kriegerische Assoziationen. Da gab es Wohntürme, die wie

Abschussrampen in die Luft ragten oder Bürohochhäuser, die

wie Wurfspeere in den Boden gerammt waren – um zwei exem-

plarische Entwürfe namens «Hot Flat» (1978) oder «Media

Tower» (1985) von Coop Himmelb(l)au zu nennen. Was für die

klassische Moderne einst die Collage war, spitzten solche

Entwürfe zur Karambolage zu. Bevor sich für diese Entwürfe

der aus der französischen Philosophie entlehnte Begriff «De-

konstruktivismus» durchsetzte, wurden solche Gebilde unter

dem Begriff «Katastrophen ästhetik» subsumiert.

Heute ist aus der einstigen Bürgerschreck-Ästhetik eine

international anerkannte Modellarchitektur geworden – etwa

die neue BMW-Welt von Coop Himmelb(l)au, das Merce-

des-Benz Museum von Ben van Berkels UNStudio, das Porsche

Museum von Delugan Meissl oder das BMW-Werk in Leipzig

von Zaha Hadid. Auch Kultur-, Freizeit- und Mu seumsbauten

werden heute vorzugsweise als stadtprägende landmarks

ausgeführt, allen voran Frank O. Gehrys Guggenheim-Mu-

seum in Bilbao, die Stadtloggia von Jürgen Mayer H. in Sevilla

oder das Marina-Bay-Sands-Ensemble in Singapur vom eins-

tigen Barfuss- und Bricolage-Architekten Moshe Safdie.

Bei allen Unterschieden in der Motivation und Entwurfs-

haltung dieser Architekten ist ihr weltweiter Erfolg so gross,

dass sie bald schärfste Kritik auf sich zogen: es handle sich

längst nicht mehr um gesellschaftskritische Gegenentwürfe,

sondern um signature architecture und Architekturbranding;

um gebaute Luxusmarken, die anstelle der kritischen Dekon-

struktion der versteinerten Verhältnisse nur noch repressive

Entsublimierung betreiben – was meint, dass sie also kon-

struktiv und bauästhetisch gleichsam die Sau rauslassen, um

systemstabilisierend die Aufmerksamkeitsökonomie der

Markenwerbung, Standortpolitik und Kulturindustrie zu

bedienen.

Den Bogen zu ziehen von der Brandstiftung im Kaufhaus

Schneider zum Architekturbranding der nachgestellten Ter-

rorszene in Massimiliano Fuksas Pleasure-Dome mit seiner

Form eines Bombentrichters, wirkt überspannt. Aber bei

2 3

1 Coop Himmel­ b(l)au, Modellbild Apartmenthaus Hot Flat, Wien, 1978 (Fotos 1+3: © Gerald Zugmann)

2 Massimiliano Fuksas, Shopping Mall My Zeil, Frankfurt am Main, 2009 (Foto: MBN Bau AG)

3 Coop Himmel­ b(l)au, Flammen­flügel im Hof der TU Graz am 12. Dezem­ber 1980

64 archithese 3.2014

CLEAR THE FRONT PAGE, NEOMANIA (THE MEGAPHONE GENERATION) IS HERE! Or: adventures of conceptualism For the last ten years, Danish Architecture has been exposed to new

energies with new approaches between conceptualism, pragmatism and media performances coming from

a young generation of architects. Growing up in the context of SuperDutch, their attitude is characterized

by a new freshness and straightforwardness in approach and rhetoric. What are the conditions of this new

wave in Danish architecture?

Author: Kristoffer Lindhardt Weiss

It has been said many times that Danish architecture petrified

in the 1980s and 1990s. Frozen in uninspired gestures of

seemingly endless curtain-wall glass boxes, draped with

deadpan wooden lamellas and engulfed in a myth of Nordic

superiority in composition, sensibility to light and under-

standing of materials. Never amounting to more than an all

too weak echo of the great masters of the modern movement.

Danish architecture seemed content and harmless in those

days. It was an unexciting success. It had simply become too

perfect and self-referential. Like an architectural black hole,

nothing could break free once it had been sucked in. People

began to talk about the very undramatic, uneventful end of

an era. Carsten Thau, professor of architecture history at the

Royal Academy in Copenhagen, hit the nail on the head when

he said that “Danish architecture had become somewhat

benumbed and, in the best instances, had come to be merely

nice and pretty and dainty.”1 It seemed as if everyone was

just waiting for someone with the audacity and cheek to

challenge the established dogma of the Danish tradition, to

kick in the open door.

The Danish New School

The Danish contribution for the 2004 Venice Biennale of

Architecture, titled Too Perfect, marked a turning point. It

was curated by Bruce Mau, a Canadian designer whose claim

1

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to fame was his collaboration with Rem Koolhaas in 1995 on

the milestone book and instant classic S,M,L,XL. Spear-

headed by the Danish Architecture Centre, the biennial ex-

hibition sought to break free from the constraints of tradition

and challenge the self-perception of Danish architecture at

the time. It deliberately addressed the strong link that glo-

balization had created with Danish architecture in the twen-

tieth century but sought to redefine both content and form.

Instead of the obsession with stylistic mannerism that had

characterized previous decades, architecture was to address

and solve – so-called – “real problems” and reclaim its place

on the political agenda. It sought to reactivate the obligation

of keeping things real, that is, the dirty realism of getting

things done and making a stand based on ideology – the same

ideology that had created the golden age in Danish design in

the 1940s, ’50s, and ’60s. The architects of the welfare state

identified with the utopianism of post-war Europe and in-

vested all their creative skills into shaping institutions in the

image of a better future, where the working class would be

raised into the middle class. That meant better schools, new

city halls, a wide range of public institutions and affordable

quality housing. The architecture of that time had embodied

the social utopian models and shaped their spatial structure.

Some of the contributing Danish architects at the Biennale

belonged to a young office that had already made headlines

back home: PLOT, founded in 2001 by Bjarke Ingels and the

Belgian architect Julien De Smedt, who had met while work-

ing at OMA. They would split up again in 2006, but the mega-

phone generation was born.

Bjarke Ingels was only partly raised in the Danish design

tradition. Having studied in Spain and worked at OMA, where

he was deeply involved in the construction of the Seattle Pub-

lic Library, he brought home a fresh approach to architecture.

The young generation was standing on the shoulders of the

giants of the Golden Age, especially the refined craftsmanship

of Jacobsen, Wegner, Mogensen, Kjærholm and Panton, whose

work combined a design ideology marked by the egalitarian

ideals of the Scandinavian welfare state with an extremely

high level of technical skills and a passion for international

trends such as minimalism and industrial cool. This, essen-

tially, is still the foundation for the self-image of Danish archi-

tects today. However, the new generation in Danish architec-

ture also encountered significant skepticism and was accused

of ignoring central values in the Danish architecture tradition,

such as the sensitivity to context, the careful finish and grasp

of texture and detailing, hailed by previous generations as a

trademark of Danish design. When Too Perfect was presented,

professors at the academy in Copenhagen called the exhibition

architects “fascist henchmen and slick service agents of global

capitalism”, according to Kent Martinussen, director of the

Danish Architecture Centre.2 In contrast, Martinussen empha-

sizes what he identifies as a Neue Sachlichkeit (New Objectiv-

ity) in that generation; that is, architects as social entrepre-

neurs, preoccupied with humanistic values and new inter-

pretations of functional objectivity, fundamentally different

from the promiscuous Dutch conceptualism with a Brutalist

twist.3 The inhumanity that Martinussen observes in some of

the most radical experi ments of the Dutch movement would

simply not be viable in a Danish context.

International movements

The new generation mixes Scandinavian minimalism and

collage-like building typologies with a strong impulse from

the continental, postmodern architectural scene, drafting

building narratives conceptually, “plot-based” like a movie

script, with a clear story easy to comprehend for everyone –

especially people outside architecture. Danish architecture

has very strong regional characteristics shaped by geography

and state ideology. However, the Danish economy is still a

small, open economy and has always been heavily influenced

by international tendencies like the social movements of cen-

tral Europe, British arts and crafts, the European obsession

2

1 Rem Koolhaas barbecuing for the friends. From left: Winy Maas, Julien De Smedt and Bjarke Ingels (Fotocollage: © Conditions, Jedidiah Lau and Joana Sa Lim, in: Kristoffer Lindhardt Weiss and Kjeld Vindum, The New Wave in Danish Architecture, Copenhagen 2012, p. 16)

2 Bjarke Ingels Global Architect with a Mission (Illustration by Kirk Manley/STUDIOKM.com, published in the October issue of Fast Company, in: Kristoffer Lindhardt Weiss and Kjeld Vindum, The New Wave in Danish Architecture, Copenhagen 2012, p. 309, 311, 313)

72 archithese 3.2014

DE ROTTERDAM Rem Koolhaas im Gespräch mit André Bideau Zwischen Planungsbeginn und Fertigstellung des Hochhauskomplexes

De Rotterdam Ende 2013 liegen 17 Jahre. In dieser Zeit wandelte sich der Entwurf von einer, wie Rem Koolhaas es nennt,

«Überartikulation von Differenz» zu einem skulpturaleren Gebäude.

André Bideau: Der Beginn der Planungen für De Rotterdam

geht auf das Jahr 1997 zurück, zwei Jahre davor entstand

der Essay «Bigness, or the Problem of Large». Hier beschrie­

ben Sie einen «postarchitektonischen» Zustand, in dem

durch schiere Grösse «Architektur so architektonisch und

zugleich so wenig architektonisch ist, wie nur möglich»,

ferner, dass dieser Zustand den «Architekten nicht mehr

dazu verdamme, ein Star zu sein».

Rem Koolhaas: Mit «Bigness» beabsichtigte ich nicht, ein

Manifest vorzulegen, und in der Arbeit von OMA sehe ich

nicht die Illustration meiner Texte. Wenn ich auf Projekte wie

De Rotterdam zurückblicke, kann ich darüber eine Geschichte

erzählen, die den Anschein erweckt, aus lauter Entwürfen

und Einsichten zusammengesetzt zu sein, die alle irgendwie

untereinander verbunden sind und eine Art journalistischen

Kommentar zur Welt abgeben. Dieselbe Geschichte könnte

ich auch als eine Art introvertierte, von äusseren Kontexten

völlig unabhängige Meditation erzählen. Dass die Arbeit

verschiedenste Zugänge und Erklärungen erlaubt, finde ich

jedoch gut.

AB: In den ersten Entwürfen entsprach De Rotterdam stär­

ker anderen OMA­Projekten der späten Neunziger wie der

MoMA­Erweiterung oder der Villa bei Bordeaux. Dynami­

scher als im nun ausgeführten «Atrium» mit seinen Roll­

treppen, war das gesamte Innenleben als eine Art mecha­

nisches Ballett organisiert: spektakuläre Diagonalbezie­

hungen mit allerlei technischen Bewegungsinfrastrukturen

wie Schrägaufzügen und hydraulischen Ebenen. Haben sich

Ihre Interessen verlagert?

RK: Solche Themen beschäftigen uns weiterhin. Im gegen-

wärtigen wirtschaftlichen Umfeld muss man sich allerdings

1

1 Haupteingang Wilhelminakade (Fotos 1, 4, 5, 14: Ossip van Duiven-bode) (Alle Fotos und Abbildungen: © OMA)

2 Rem Koolhaas/OMA: Wohn­hochhäuser Boompjes­Quai, Rotterdam (Stu­dienauftrag 1980)

3 Stützendetails (Fotos 3+12: Philippe Ruault)

4 Bürogeschoss

5 Eingangshalle Büroblock

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bewusst sein, dass – ausser man hat es mit einem mäzena-

tischen Bauherrn zu tun – Architektur sich in einem weniger

individualistischen Rahmen bewegt. Und so wurde diese

Faszination für räumliche Akrobatik durch unsere zuneh-

mende Neugier am Universellen gebändigt. Konzeptionell

fand zu Beginn des 21.Jahrhunderts sozusagen eine Gegen-

bewegung statt.

AB: Dies war auch die Zeit, in der OMA gewisse Entwurfs­

lösungen patentierte?

RK: Es war dieselbe Zeit, doch handelte es sich um zwei

Seiten einer Münze: Einerseits waren die Patente natürlich

ironisch gemeint, anderseits wollten wir behaupten, dass

nicht das Copyright der Form zählt, sondern dass es auf be-

stimmte Fragentypen ankommt.

AB: Hier erscheint auch eine Verbindung zu «Elements of

Architecture» – ins Zentrum Ihrer Architekturbiennale wird

ja die Prosa von Türen, Toiletten, Balkonen und Rolltreppen

rücken. Indirekt eine Kritik?

RK: Ja, eine Antwort auf den Extremismus, der heute immer

mehr architektonische Skulpturen bestimmt. Bereits früher

gab es einen Moment, da wollten wir im Büro eine Abteilung

für generics gründen – zumindest metaphorisch eine Anspie-

lung auf die Pharmaindustrie mit ihren Generika. Uns reizte

es einfach, die Vorstellung vom Einmaligen, von der indivi-

duellen Handschrift zu beerdigen.

AB: OMA baut heute in der ganzen Welt und weitaus selte­

ner in den Niederlanden. Wäre das Resultat ein anderes

gewesen, wenn De Rotterdam ohne Verzögerung, vor dem

11. September und vor Ihren Erfahrungen mit chinesischen

Grossprojekten realisiert worden wäre?

RK: Eigentlich ist De Rotterdam überraschend ähnlich zum

Ausgangsentwurf geblieben. Egal ob in China oder in Europa

muss heute jeder Entwurf eine Vielzahl von Aushandlungspro-

zessen überstehen und sich gegenüber einer immer grösseren

Menge von Regularien behaupten. Natürlich lag in Rotterdam

ein Unterschied darin, dass ich die städtebauliche Entwicklung

im Gebiet Kop van Zuid/Wilheminapier seit Langem verfolgt

hatte und den lokalen politischen Kontext gut kannte.

Im Komplex von De Rotterdam sehe ich ein Destillat loka-

ler Typologien wie des Scheibenhochhauses, des Turms –

Themen, die ich schon 1980 beim Entwurf für den Boomp-

jes-Quai am gegenüberliegenden Ufer der Maas aufgegriffen

hatte. Dort hatte ich mich noch mit dem russischen Kon-

struktivismus auseinandergesetzt. Doch bei aller Beschei-

denheit sehe ich einen der Erfolge von OMA darin, dass es

uns inzwischen gelungen ist, die entwerferische Verbindung

zur Architekturgeschichte des 20. Jahrhunderts zu kappen.

Bei De Rotterdam handelt es sich entschieden um eine Archi-

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126 archithese 5.2014

E D I T I O N A R C H I T H E S E

edition archithese 1Wohnsiedlung

Zürich-Leimbachpool Architekten

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16,5 × 22,5 cm 48 Seiten, CHF 32.– /EUR 25.50ISBN 978-3-7212-0666-1

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Die Bedeutung der Idee Valerio Olgiati

3. Auflage, 16,5 × 22,5 cm80 Seiten, CHF 32.– / EUR 25.50ISBN 978-3-7212-0676-0

Hermann Baur (1894–1980) gehörte zu den bedeu-

tendsten Architekten der Schweizer Vor- und Nach-

kriegsmoderne. Die Bauten der Allgemeinen Ge-

werbeschule und der Schule für Gestaltung in Basel

repräsentieren in seinem Werk die Gewichtigkeit

öffentlicher Bauten. Darüber hinaus sind sie Zeug-

nisse einer Sachlichkeit in Beton und der Integration

von Kunst und Architektur. Anlass zu dieser Publi-

kation gab der Abschluss der Renovierungsarbeiten

an der beachtlichen Gebäudegruppe, die eine neue

Sicht auf diesen Schweizer Architekturklassiker

ermöglicht und provoziert.

edition archithese 7

Oberstufenzentrumin Gossau SGFroelich & Hsu Architekten

16,5 × 22,5 cm 48 Seiten, CHF 32.– / EUR 25.50ISBN 978-3-7212-0783-5

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Sachlichkeit in Beton

Allgemeine Gewerbeschule Basel

Hermann Baur

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