archithese 4.11 - Architekturkritik / Critism – 40 Jahre archithese
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ARIGON Generalunternehmung AG - Leutschenbachstrasse 55 - CH-8050 Zürich - Telefon +41 (0) 44 308 25 75 - www.arigon.ch - Mitglied des VSGU
Bauen mit BegeisterungDie ARIGON Generalunternehmung steht im Dienst
von Bauherren mit hohen Ansprüchen. Ob Neubau, Umbau
oder Renovation: Jedes Projekt wird qualitätsbewusst,
kostenoptimal und termingerecht realisiert. Von der Studie bis
zur erfolgreichen Realisation – jeder Bau ist eine Referenz.
o. l.: Neubau Sportausbildungszentrum «Mülimatt», 5210 Windisch
o. r.: Neubau Alterszentrum «Lanzeln», 8712 Stäfa
u. l.: Neubau «Toro 3» und «Toro 4», 8050 Zürich
architheseEine Chronik zum Jubiläum
Der Gründungsmythos im Gespräch
Architektur und Architekturkritik
Architekturkritik und das Elend der Welt
Architekt und Politiker
Die Beziehung von Praxis und Kritik
Kleine Rede an die Verächter des Feuilletons
The Rebirth of the Youth Voice
Patrik Schumacher The Autopoiesis of Architecture
Kritik nach der Biegsamkeit
Jürgen Mayer H. Metropol Parasol, Sevilla
Peter Zumthor Serpentine Gallery Pavillon 2011, London
Interview Jacques Herzog
4.2011
Internationale Zeitschrift und Schriftenreihe für Architektur
International thematic review for architecture
Architekturkritik – Criticism40 Jahre archithese
Leserdienst 105
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4 archithese 4.2011
E d i t o r i a l
Architekturkritik
Die archithese feiert ihr vierzigjähriges Jubiläum. Gegründet von Hans Reinhard
mit Stanislaus von Moos – und am Leben gehalten von einer Vielzahl von Redak-
toren, den Herausgebern von Verband und Verlag, den Autoren, den Anzeigen-
partnern und schliesslich insbesondere den Lesern und Leserinnen sowie Abon-
nentinnen und Abonnenten, welche die anhaltende Existenz und Präsenz von
archithese auf der nationalen und internationalen Bühne des Architekturdiskurses
mit ebensolcher Ausdauer begleiteten.
Vierzig Jahre des kritischen Verfolgens des Bau- und Architekturgeschehens
ohne Ausfälle und Unterbrechungen gibt – bei aller Kritik, die der eine oder an-
dere anbringen möchte – vielerlei Anlass zum Feiern. Doch wie bei Festen üblich,
bedeuten sie eine hohe Anspannung aufseiten der Gastgeber, welche um das Ge-
lingen des Jubiläums ringen und Sorge tragen, dass sich jeder Gast gut unterhält
und amüsiert.
So hätten wir uns für das Jubiläumsheft auf eine Abfolge von Lobeshymnen
einigen können, doch erschien es uns angemessener, unsere Aufgabe an sich und
damit verbunden Fragen der Kritik zu beleuchten. Seit einiger Zeit mehren sich die
Stimmen, welche eine anhaltende Kritiklosigkeit bemängeln, sich durch internet-
gleiche Beschreibungen langweilen und den anregenden Diskurs über das Einzel-
objekt hinaus vermissen. Es sind berechtigte Stimmen, die sich um die Qualität und
Entwicklung unserer gebauten Umwelt sorgen und ein unabhängiges Gegenge-
wicht zu den üblichen Mechanismen und Kräften erwarten; die gegenüber dem ge-
genwärtigen Augenblick weder die Spekulation über die Zukunft vergessen noch
den Wert der Vergangenheit negieren wollen. Diese Auseinandersetzung, der Blick
aus unterschiedlicher Richtung, die Weitung des Horizonts waren seit jeher der
Antrieb für die Arbeit der archithese, die ihrem Namen zum Trotz ungern Thesen
vertrat und vertritt. Aus der Vielschichtigkeit der Beiträge zu einem Thema eine
These zu bilden, bleibt damals wie heute den Leserinnen und Lesern überlassen.
Unter diesen Vorzeichen müssen die Idee und der Widerspruch gesehen werden,
die für das Jubiläum angemessene Höflichkeit mit dem sperrig-schmerzenden Be-
griff der Kritik zu verknüpfen. Daraus entstanden ist ein Heft, welches – verstärkt
durch den wiedergefundenen Gründergeist – die Bedeutung der Kritik anerkennt
und sich um deren Stellung verdient zu machen sucht. Der Wert der Kritik garan-
tiert die Berechtigung der archithese, und somit schien uns nichts näherliegend
als der archithese dieses Geschenk zu überreichen. Herzlichen Glückwunsch!
Redaktion
Der Schüler Blunts, Giedions und Pevsners; Architek-turkritiker, Förderer der Independent Group und von Archigram sowie Professor für Archi-tekturgeschichte: Reyner Banham (1922 – 1988) doku-mentierte 1972 Los Angeles für die BBC (Foto: Filmstill aus: Reyner Banham loves Los Angeles)
Lb3 Faszination Bad ohne StildiktatJetzt haben Einrichtungsprofis Waschtisch, Armatur und Möbel als Einheit konzipiert
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26 archithese 4.2011
Der Serpentine pavillon 2011 in lonDon
von peter Zumthor
Meine Heimat London, oder: «Wer Erde
riechen will, sollte sich in den Park legen.»
Das «ich» taucht in der archithese nicht auf. Das
persönliche soll durch untersuchung, auseinander-
setzung und abwägung verallgemeinert wie objek-
tiviert und damit zu einer im besten Fall allgemein-
gültigen instanz werden. Der verlust des «ich» gilt
als notwendiger ausdruck der notwendigen Über-
windung allzu rascher urteile wie unabgewogener
meinungen.
Für das Jubiläum stelle ich mich gegen diese
ungeschriebene hausregel, denn die biografische
Befangenheit macht es mir unmöglich, das ich im
allgemeinen aufgehen zu lassen: peter Zumthors ar-
chitektur war meine erste leidenschaft. präziser: Die
Fotografie der architektur peter Zumthors war meine
erste leidenschaft. hélène Binets Bilder in der mono-
grafie Häuser, welche die im Bauprozess verloren ge-
gangenen träume des architekten wiedergewinnen
und weitergeben, formten für lange Zeit eine eigene,
meine individuelle traumvorstellung von architektur.
Bei der expo 2000 – damals war ich 19 – hatte
mein Studium noch nicht einmal begonnen. einen
tag weilte ich auf der Weltausstellung und davon
mehrere Stunden im «holzstapel». Das temporäre
Bauwerk erlaubte es. man musste sich keineswegs
für seine hingabe schämen, hatte mitunter einsam-
keit zwischen den Stapelreihen, konnte die musiker
an sich vorbeiziehen lassen, die Bewegungsmuster
und die partitur der Bespielung erkunden – mit ein
wenig Glück und Überwindung mit einem musiker
sprechen. ich erinnere mich nicht mehr an das Ge-
spräch, aber an die Kraft, ein solches zu suchen und
zu finden. – Das essen war ebenfalls ausgezeichnet,
und auch wenn der regen durch das Gebäude zog
und von den metallprofilen tropfte, war der Wille
zum verweilen, zum aufnehmen der atmosphäre,
zur erfahrung vorhanden.
Kann ein Gebäude jemanden ergreifen und um-
armen? ich bin Kontrabassist wie peter Zumthor.
Kontrabässe verleiten zum animismus; das hat
schon patrick Süskind eindrücklich beschrieben.
Der arco-Klang des Kontrabasses berührt, durch-
dringt, ist tief ergreifend. auch wenn peter Zumthor
a r c h i t e K t u r a K t u e l l
Am falschen Ort
1
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1 Der Pavillon am Tag (Fotos 1+3: Hufton & Crow)
2 Aussenansicht nach Osten (Fotos 2, 4+5: Walter Herfst)
2
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Ein kurzer Rückblick auf die Geschichte Anfang 1971 erschien das erste Heft der neu gegründeten
Zeitschrift archithese. Verschiedene Redaktionsteams haben das Blatt geprägt, die archithese hat
sich verändert und ist mit der Zeit gegangen, ohne ihren theoretischen Anspruch und ihre kritische
Ausrichtung zu verlieren. Ein Rückblick auf die vergangenen vier Dekaden.
40 Jahre archithese
1
Text: Hubertus Adam
Im Jahr 1968 gründete Hans Reinhard, der spätere Zentralprä-
sident des FSAI (Verband freierwerbender Schweizer Archi-
tekten / Fédération suisse des architectes indépendants) das
im vierteljährlichen Turnus als geklammerte A4-Broschüre
erscheinende Verbandsblatt fsai. In der zweiten Nummer war
erstmals der Kunsthistoriker Stanislaus von Moos mit einem
Aufsatz vertreten – einem Beitrag über Moshe Safdies struk-
turalistisches, am Rande der Expo 67 in Montreal realisiertes
Wohnbauprojekt Habitat. Von Moos veröffentlichte damals
unter dem Titel Le Corbusier. Elemente einer Synthese die
erste umfassende Monografie über den drei Jahre zuvor ver-
storbenen Architekten. Reinhard intensivierte in den folgen-
den Heften von fsai die Zusammenarbeit mit von Moos, um
eine kritische Architekturberichterstattung zu forcieren. Da
Reinhard, wie er in fsai 1’1969 schrieb, ernsthafte Archi-
tekturkritik als Desiderat sah, beauftragte er von Moos mit
einer Serie von Beiträgen zur Schweizer Architektur; dieser
war in das Thema eingearbeitet, da er zusammen mit Jul
Bachmann die Veröffentlichung New Directions in Swiss
Architecture verfasst hatte, die noch im gleichen Jahr in
New York erschien. In Gesprächen zwischen Verbandspräsi-
dent und Redaktor entstand die Idee, eine wirkliche Architek-
turzeitschrift zu gründen.
1971–1976: Die ersten zwei Serien
Das letzte Heft von fsai erschien im vierten Quartal des Jah-
res 1970 und enthielt die Ankündigung, dass das Verbands-
organ ab 1971 «in neuer Aufmachung und im innern Aufbau
geändert» unter dem Titel archithese publiziert werde. Die
Redaktion der Hefte oblag von Moos und dem Westschwei-
zer Redaktor Jean-Claude Widmer. Die Verbandsnachrichten,
die einen Grossteil der fsai-Hefte in Anspruch genommen
hatten, traten zurück hinter einer Folge von Aufsätzen ver-
schiedener Autoren. Verantwortlich für die Herstellung der
kleinen schwarzen Hefte – Heft 3/4 des Jahres erschien als
Doppelnummer – war die Imprimerie Réunie in Lausanne, die
ihr Engagement indes auf den Druck beschränkte und nicht
vermochte, die Hefte in den Buchhandel zu bringen. Für den
Verband erwies sich das neue Organ dadurch als finanzielles
Desaster, sodass man sich auf die Suche nach einem Ver-
lag begab. Nicht zuletzt um neben den Abonnenten weitere
Käufer zu gewinnen, schärfte man das Profil, indem – anders
als in den Heften des Jahres 1971 – alle Aufsätze einer Num-
mer ein Thema behandelten. Im Vorwort zur ersten Ausgabe
schrieb Hans Reinhard zur Kursänderung: «Das Heft wird ge-
wissermassen noch mehr als bisher den Rahmen einer tradi-
tionellen Zeitschrift sprengen. Der Grundgedanke liegt darin,
archithese als eine thematisch sinnvoll geordnete Reihe von
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52 archithese 4.2011
Text: Christian Gänshirt
Die Lincoln Road Mall ist eine Mall noch im ursprünglichen
Wortsinn: eine schattige Promenade, an der sich Läden, Cafés
und Restaurants angesiedelt haben, und die so zur Shopping-
mall geworden ist. «Fussgängerzone» wäre der ungelenke
deutsche Ausdruck dafür; unpassend insofern, als diese Mall
eher abends zum Ausgehen als tagsüber zum Einkaufen
genutzt wird. Ende der Fünfzigerjahre wurde sie von Morris
Lapidus, dem lange verkannten Vertreter einer hedonistischen
Moderne, charmant und liebevoll mit kleinen modernisti-
schen Architekturen, Brunnen und Schattendächern möbliert.
Ihr markanter Bodenbelag aus breiten weissen und schwar-
zen Bändern geht ebenfalls auf Lapidus zurück. Die Mall um-
fasst nicht die ganze Lincoln Road, sondern nur den Abschnitt
Das Parkhaus 1111 Lincoln Road in Miami Beach von Herzog & de Meuron Selten werden Parkhäuser
der Kategorie der Prestigebauten zugeordnet. Ebenso selten treten sie mit aufwendiger wie gelungener
Gestaltung ins Rampenlicht. All dies leistet das Parkhaus 1111 – und vertreibt doch nicht alles Unbehagen.
Architekturkritik und dAs elend der Welt
von der Kreuzung mit der achtspurigen, stark befahrenen
Alton Road bis zur Washington Avenue, von der man nur noch
zwei Blocks bis zum Strand geht.
Hier, an der Kreuzung mit der Alton Road, markiert das
Parkhaus städtebaulich präzise das eine Ende der Mall. Für
Autos ist es genauso direkt und selbstverständlich zugäng-
lich wie für die Fussgänger. Indes – grosse Lust, eine Ar-
chitekturkritik darüber zu schreiben, habe ich nicht, obwohl
es ja ein durchaus gelungenes Gebäude ist. – Was heisst
hier gelungen: Bauherr und Architekten haben offensichtlich
keine Mühen gescheut, ein grossartiges Projekt zu entwer-
fen und zu realisieren. Es ist an alles gedacht, und es ist
ungewöhnlich viel Geld ausgegeben worden. Das Resultat
sind ausserordentlich grosszügige Räume und intelligent
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53
Architekturkritik und dAs elend der Welt
1 1111 an der Kreu-zung Alton Road, Lincoln Road Fotos 1, 4: Iwan Baan)
kombinierte Nutzungen. Gehobener Einzelhandel im Erdge-
schoss, Wohnungen und ein Restaurant auf dem Dach, dazwi-
schen dreihundert Parkplätze auf sechs Etagen, die teilweise
zwei- oder dreifache Geschosshöhen haben. Die Enge, der
fehlende Ausblick, die schlechte Luft, die Beklemmung, die
Parkhäuser so oft zu unangenehmen Orten macht, an denen
man sich keine Minute länger als notwendig aufhält, ist hier
in befreiende Offenheit verwandelt. So offen, dass Leute mit
Höhenangst die oberen Etagen meiden. Und so grandios der
Ausblick, dass die oberste Parketage auch für Veranstaltun-
gen gebucht wird.
Zur-Sprache-Bringen
Trotzdem hält sich meine Arbeitslust in Grenzen. Am verlo-
ckenden Sommerwetter kann es nicht liegen. Das war schon
im vergangenen Herbst so, als ich den Schreibauftrag, wider-
strebend und mehr überredet als überzeugt, angenommen
habe. Überredet hat mich das Zugeständnis des Redakteurs,
meine Unlust im Text thematisieren zu können. Zu einem
Honorar allerdings, das weit davon entfernt ist, auskömmlich
zu sein – selbst wenn die Reisekosten übernommen würden.
Aber auch das habe ich schon öfter erlebt, und selten genug
hat es mich vom Schreiben abgehalten. Wenn ein Gebäude
mich begeistert, packt mich die Lust, herauszufinden warum.
Von da her verstehe ich mich streng genommen auch nicht
als Architekturkritiker. Es geht mir eher um das Verstehen
und Erklären als ums Kritisieren und Bewerten. Das Zur-Spra-
che-Bringen und das Fotografieren (dazu komme ich später)
sind für mich die besten Mittel dafür.
Aber hier wird meine Begeisterung gedämpft durch eine
diffuse Abneigung, die sich nicht auf den ersten Blick ent-
schlüsseln lässt. Dieser Text ist somit ein Versuch, zu verste-
hen, warum ein so herausragendes Projekt doch nicht meine
volle Zustimmung findet. Obwohl es viel, sehr viel von dem
realisiert, was ich mir unter guter Architektur vorstelle. So
kraftvoll es sich als Objekt präsentiert, so einfühlsam ist es
auf den Ort bezogen, an dem es steht. Dennoch bleibt meine
Sympathie begrenzt. Liegt es am prosaischen Thema der
Bauaufgabe? Das Auto, so notwendig es als Verkehrsmittel
sein mag, ist mir eher gleichgültig geblieben in seiner Rolle
als Luxusobjekt und Statussymbol, die dieses Parkhaus so ge-
konnt zelebriert. Trotzdem kann ich einem Projekt, das eine
auf den ersten Blick überzeugende Lösung für ein oft genug
lieblos behandeltes Thema vorschlägt, einiges abgewinnen.
Finde ich es vielleicht einfach überflüssig, über dieses Ge-
bäude zu schreiben? Das Parkhaus in Miami trägt die lau-
fende Projektnummer 279. Herausragende Projekte aus dem
Büro Herzog & de Meuron kennen wir doch schon zur Genüge;
ist das überhaupt noch eine Nachricht? Die communication
assistants des Büros sind anscheinend ganz ähnlicher Mei-
nung – meine Bitte um Information wird jedenfalls nicht er-
füllt. Das ist, wie sich bald zeigt, auch unnötig. Im Internet
und den einschlägigen Zeitschriften findet sich mehr als ge-
nug Material. Wer will, kann sich mit ein paar Mausklicks mü-
helos ganze Bilderserien und die wichtigsten Rezensionen
ansehen. Zum Gebäude existiert sogar eine eigene Webseite
– 1111lincolnroad.com.
Schwebende Exklusivität
Ja schön, aber warum dann noch mehr schreiben? Die Archi-
tekten brauchen diesen Text sicher am wenigsten. Sie sind
seit Langem etablierte Akteure des medialen Starsystems
und arbeiten mit Budgets und Bauherren, die normalen Ar-
chitekturbüros nicht zugänglich sind. Interessant sind die
von ihnen selbstverständlich mit Bravour bewältigten Bau-
aufgaben nur noch insofern, als sie die Architekturzeitschrif-
ten lesenden Architektinnen und Architekten von Erfolgen
träumen lassen, die sie selbst aller Wahrscheinlichkeit nach
nie erringen werden. Dass ein weltweit tätiges Grossbüro
mit mehreren Hundert Mitarbeitern immer noch gerne als
das Schweizer Architektenduo Jacques Herzog und Pierre
de Meuron vorgestellt wird, zählt zu den funktionalen
Voraussetzungen dieser medialen Traumproduktion.
Man kann nicht ernsthaft über ein Gebäude schreiben,
wenn man es nicht gesehen hat. Glücklicherweise fand sich
eine Universität in der Nähe, die an einem Vortrag interes-
siert war. Aber der junge Professor, der mich dann zum Park-
haus fährt, möchte mit seinem Wagen (ganz unamerikanisch:
ein Mini) nicht hineinfahren. Es sei zwar sehr schön, sagt er,
aber leider auch viermal so teuer wie die normalen Parkmög-
lichkeiten in South Beach. Wenn ich schon für karges Entgelt
schreibe, dann ungern, um die Aufmerksamkeit des geneig-
ten Publikums auf ein rein kommerzielles Projekt zu lenken.
Besonders wenn es sich um jene Form des Kommerziellen
handelt, die sich «exklusiv» gibt und mit Mitteln der sozialen
wie ästhetischen Distinktion arbeitet.
Wie vollkommen durchkommerzialisiert dieses Projekt
tatsächlich ist, zeigt sich beim Besuch seiner Webseite.
Kulturelle Bedeutung wird hier mit ingenieurmässiger Be-
rechnung und Effizienz generiert. Wer weiss, was zu tun
ist und die entsprechenden Mittel aufbringt, braucht kein
Risiko einzugehen. Trotz, oder vielleicht gerade wegen des
kommerziellen Kontextes sind Ressourcen anscheinend in
jedem gewünschten Umfang verfügbar. Aufschlussreich ist,
wer auf dieser Webseite zum Designteam gezählt wird. Ini-
tiiert wurde das Projekt von Robert Wennett, einem devel-
oper, der bereits in New York, Washington, D.C. und vielen
anderen amerikanischen Städten Erfolge gefeiert hat. Ihm
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68 archithese 4.2011
Text: Aram Mooradian
Ours is a seemingly anxious generation. And it is hard not
to recognise the parallels with the world at large – the Arab
Spring, a loss of faith in global financial capitalism, looming
environmental disaster. The rug has been pulled from under
our feet before we’ve had a chance to stand – or, to use an
architectural metaphor, – the columns that supported previ-
ous generations have begun to wobble.
But through this anxiety, the past year has seen a flurry of
exciting independent student movements. As a generation
of 18 to 28 year olds begins to disassociate itself from the
systems that it has inherited, frustrated with the excessive
branding strategies of universities, the commodification of
degrees, burdened by a sense of being isolated from mean-
ingful debate, student magazines and publications have
begun to legitimise a discussion in architecture that seeks
to articulate and to crystallise the principles of the Facebook
Generation.
At the Architectural Association, in London, three such
publications have emerged in the past year – in a school
that hasn’t seen an independently run student publication
in close to a decade. Architecture for the End of the World,
an underground student blog, began the academic year with
controversial reviews of the units, turning criticism away
from the quality of students’ work onto the quality of their
tutors’ agendas. This was soon followed by the re-launch of
the Ghost Dance Times, the newspaper that recorded much
of the AA’s activity during its heyday in the 1970’s until it was
banned when it became too politically disruptive, and smell-
ing the potential to compete, Fulcrum was launched, the AA’s
first weekly free sheet, which seeks to elevate student ideas
within the context of more established writers and architects.
As they slowly accumulate, these fragmented observa-
tions of the present hint at the future. Though we may only
judge in retrospect which of those observations will turn out
to be valid, it is the ink of these documents that will permit
us to make those judgements.
The Rebirth of the Youth Voice in Architecture
2011 has been a remarkable year, punctuated by political upset
at various schools of architecture around the world. At the Rhode
Island School of Design, a revolt led by staff resulted in a “Vote
of No Confidence” in the school’s president, John Maeda, student
uprisings at the Architectural Association in London voiced
concerns over the expansion of the school and François Roche
pulled out of his exhibition and lecture at SCI-Arc protesting
against what he called a “Beaux Arts” style of education.
HOW TO START A REVOLUTION
ArchEndWorld’s Guide to this Year’s AA Diploma Units
ArchEndWorld, September 22nd, 2010
A knot develops in the stomach when looking at the selection
of units in this year’s Prospectus of the Architectural Asso-
ciation. In 1983, Alvin Boyarsky, famed Chairman of the AA’s
‘golden era’, described the school as a ‘compost’ for learn-
ing. A ‘compost’ it certainly is … And it was Alvin who filled
the unit system at the AA with volatile personalities who he
knew would despise each other. By creating an acidic mix
he anticipated the bubbling of class A mulch, prime fertiliser
into which students could dip their roots.
“When sifting through compost, there is the occasional
plastic shard of packaging, the occasional indigestible ele-
ment that stubbornly refuses to decay.” […] Likewise, where
you least expect it, you might find the acidic swill of an old
tomato – a prime ingredient of any fertile patch.
Education is Not a Commodity
ArchEndWorld, March 6th, 2011
Students from the University of East London and Westmin-
ster University marched on the British Parliament in protest
against the dramatic rise in fees. “Education is not a Com-
modity” read large banners. On Gower Street, the historic
line of houses in Bloomsbury that is home to the University
College London, the School of Oriental and African Studies
and various other schools, canvas banners reading “Solidar-
ity” were draped from windows and parapets.
happy birthday ma.
Fulcrum #20, J. Self
Writing and publishing may have changed over those five
decades, in both format and content – but it still costs money
to print real text. Even Fulcrum is only possible because the
AA (Brett) and Bedford Press (kindly) permit us to print.
As much as we might want to claim total independence from
all socio-political and economic hierarchies – the honest truth is
that print media will always be expensive and regulated. […]
By contrast, a blog costs nothing, and it requires no per-
mission. Neither does it require any assistance, collaboration
or – most importantly – anyone’s opinion or direction. The
blogger, the Facebooker, the Tweeter, is free to publish how-
ever much on whatever they choose. There is no need what-
soever to ask the old questions: who am I writing for, what
and why am I writing? Facebook Freedom is pushing print
media in strange directions. The attitude of publishers seems
to be that if you’re going to print at all it may as well be a
unique object in its own right, and not merely a transmitter
of information – publications are increasingly bespoke, error-
ridden and egomaniac.
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78 archithese 4.2011
Text: Hannes Mayer
Diese Worte sprach Frank Lloyd Wright 1931 in Chicago; pu-
bliziert wurden sie erstmals 1955 in Future of Architecture.
Könnten diese Worte auch die Zukunft der Kritik und Theorie
darstellen?
Während des vierzigjährigen Bestehens der archithese
war die Architekturwelt grossen Veränderungen unterwor-
fen. Unter dem Diktum des Wachstums und des technischen
Fortschritts entwickelte das stets übergreifende und kaum
spezialisierte Berufsfeld der Architektur eine bislang unbe-
kannte professionelle Divergenz.
Büros, welche vor nicht allzu langer Zeit als Studios und
Ateliers der Avantgarde zuzurechen waren, haben mittler-
weile mehrere hundert Angestellte. Sie sichern Fortschritt
nicht mehr allein durch Ideen, sondern durch Innovation. Sie
haben die Strukturen von Kanzleien und Beratungsunterneh-
men übernommen, arbeiten in einem Netzwerk von weiteren
Beratern und Ingenieuren und haben ihre eigenen PR- und
Presseabteilungen.
Der Professionalismus der Praxis findet sein Gegenstück
in der akademischen Welt, deren wissenschaftliche Gründ-
lichkeit und zunehmende Spezialisierung die wachsende
«Für den Jungen Menschen in der Architektur sollte Radikal als schönes Wort gelten.
Radikal bedeutet an die Wurzel gehen […]. Jeder Architekt sollte von Natur aus Radikal sein,
denn es ist für ihn nicht genug dort zu beginnen wo andere aufhörten.»
KritiK nach der BiegsamKeit
Komplexität von Technologie widerspiegelt. Auch die Wis-
senschaft scheint dem Produktionsdruck unterworfen, und
die Fülle von Publikationen befördert ausserhalb des Spe-
zialistenkreises statt tief greifender Erkenntnisse vielmehr
Formen von Verschwörungstheorien.
Blogs, Tweets und digitale Plattformen bilden eine neue
Medienlandschaft, welche sich überwiegend an den Polen
von Nachrichtenagentur und persönlichem Kommentar aus-
bildet – üblicherweise jedoch zumeist spezifisch und von ge-
ringer Informations- und Interessensbandbreite, dafür jeder-
mann zugänglich, kostenlos und ohne Hemmung.
Zum weiteren Verständnis im Hinblick auf die Medien
lohnt es sich, auf eine erste Phase der Liberalisierung zu-
rückzublicken: der Privatisierung des Fernsehens. Ihr ge-
genüber steht der Sendeauftrag der öffentlich-rechtlichen
Sendeanstalten. Er fordert und fördert als Ausdruck einer
Gesellschaft Verantwortung, welche das individuelle Inter-
esse übersteigt. Nimmt man als Beispiel die BBC und deren
Sendeauftrag, so ergibt sich ein kaum ausgestrahltes, zumin-
dest jedoch festgeschriebenes Ideal eines Mediums, das trotz
dramatischem Grössenunterschied auch einer Zeitschrift
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79
1 Staatsanwalt Chalmers (Robert Vaughn) und Lieutnant Frank Bullitt (Steve McQueen) in Bullitt (Regie:Peter Yates, 1968)
Der Film ist nicht allein wegen seiner Verfolgungsjagd bedeutend, sondern auch wegen Bullitts Gewissensent- scheidung zwischen der von Chalmers in Aussicht gestellten Karriere und dem Willen, den Fall auf seine Weise zu lösen.
(Foto: Solar Pro-ductions/Mel Traxel)
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